myp MAGAZINE #07

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Das Herz hat seine Vernu die der Verstan nicht kennt. B l a i s e Pa s c a l


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my MEIN pages HERZ magazinE #07


PROLOG In der nacht, wenn es dunkel ist und still, k ann ich ihn horen, deinen stumpfen schl ag. gedanken schiessen durch den kopf wie pfeile, b egleitet stets von deinem takt. wann ich schl afe, wann ich wache, wann ich l ache, wann ich weine all das liegt in deiner hand. und dabei bist du so zerbrechlich. Schenk‘ mir nur no ch einen Tag, dann k ann ich endlich glĂźcklich sein. mit dir. denn du bist mein herz.



DER INHALT DIESER AUSGABE


126

Mati Stache

146

Amira

152

Felix Ha as

158

Daniel Axt

1 74

Jessica Yatrofsky

180

Fanny AlliÉ

186

Michel Diercks

192

Margaret Durow

198

Cl aire Walk a

12

Fotos

32

Frederik Bösing

204

Farinaz Noir

38

Anke Grünow

210

Daniel D örr

44

Maximilian Mauracher

216

Tobias Fritzsche

50

Jan Amazigh Sid

222

Charlot te Flotho

58

Julian Fichtl

228

Jim Jansen

64

Peter Sudarso

234

Jonas Meyer

70

Marlen Stahlhuth

240

Luk as Leister

76

Oliver Tippl

82

Tabea-Aimee

246

C overmodel

88

Johann van der Smut

254

Danke

Owen Gent

258

Impressum

120



Gewidmet allen suchenden



INTERVIEW

Tom H ess ler , Den i z Er arsl an , f r i eder wei ss und Benedik t Sch n er man n si n d di e ban d „foto s “ .

w w w. f o t o s m u s i k . d e

FOTOS




Klassen fahrt I n t e r v i e w : TEXT & Fotos:

Jonas Meyer Lukas Leister

Es ist endlich mal richtig Sommer in Hamburg. Ein schöner Tag, die Sonne scheint und obendrein ist noch Samstag. Heute treffe ich mich mit den vier Jungs von Fotos, um sie für ein Interview zu fotografieren, das Jonas mit Sänger Tom in ein paar Wochen führen wird. Mein Weg durch Altonas Gassen ist gespickt mit in Cafés Sitzenden und im Park Liegenden. Eine ungewöhnliche Ruhe herrscht in ihren Gesichtern. Ein unsichtbares Tuch der Gelassenheit scheint sich über Hamburg gelegt zu haben. Die Großstadt hat für heute ihre Hektik verloren und nur ich stampfe etwas aufgeregt durch die Straßen. Aufgeregt davor, gleich die Band zu fotografieren, deren Musik ich lange schon mag und mich in vielen Situationen begleitete. Ich merke eine gewisse Unsicherheit, die sich langsam aber sicher in mir ausbreitet. Aber ich lasse mir nichts anmerken, um nicht allzusehr unter all den Entspannten aufzufallen, und gehe weiter.

So, hier ist es. Ich klingele, warte auf den Summer, der mir die Tür ins Ungewisse freigibt, und trete ein.

JONAS: Ihr seid bereits seit 2005 als Band gemeinsam unterwegs... TOM: Ja, das ist mir lustigerweise gestern auch aufgefallen, dass es schon fast sieben Jahre sind. JONAS: Da schießt einem spontan das „verflixte siebte Jahr“ in den Sinn... TOM: Für mich ist das auch ehrlich gesagt ein wenig so – daher nehme ich mir im Moment eine kleine Auszeit. JONAS: Es ist bei euch ja auch sehr viel passiert in den letzten Jahren.


TOM: Stimmt - wir haben in sechs Jahren drei Alben gemacht. Als ich selbst vor einem Jahr nach Berlin gezogen bin und danach versucht habe, wieder einiges zu schreiben, habe ich feststellen müssen, dass das alles insgesamt noch nicht dort ist, wo ich das nächste Album sehe. Daher habe ich jetzt beschlossen, mich einfach nicht dazu zu zwingen, schnell weiterzuarbeiten, sondern abzuwarten, wann das Gefühl wieder kommt, dass ich etwas mitzuteilen habe. JONAS: Heißt das auch für euer aktuelles Album „Porzellan“, dass ihr damit noch nicht dort angekommen seid, wo du eure Musik gerne hättest? TOM: Nein, ganz im Gegenteil. „Porzellan“ ist bisher für mich tatsächlich das Album gewesen, das mir am meisten bedeutet, weil ich mich darin auch am meisten selbst verwirklichen konnte. Es ist soundästhetisch mutiger als alle Alben zuvor. Text- und soundwritermäßig habe ich mich so richtig ausgetobt und nicht

einfach nur geschrieben, um zu schreiben. Das Ziel dieses Albums war folgendes: Wir wollten so extrem sein, wie wir nur können, und uns dabei möglichst stark abheben von dem seichten Rest, der so in den deutschen Songwritergefilden veröffentlicht wird. JONAS: Viele Titel auf „Porzellan“ tragen Namen, die an die Härte des Lebens erinnern. Gab es diesbezüglich eine bestimmte Idee hinter dem Album? TOM: Es gab die Idee von einer Art Reise durch die Nacht. In der Zeit, in der das Album entstand, war ich selbst in einer Phase, in der ich ziemlich viel nachts unterwegs war und dabei ein sehr ungeordnetes, exzessives und fast eskapistisches Leben geführt habe. Davor ging bei mir auch privat einiges in die Brüche, ich bin ein paar Mal umgezogen und war irgendwie unzufrieden mit dem, was so nach unserem zweiten Album passiert ist. Das alles habe ich dann in „Porzellan“ verarbeitet. >>>




JONAS: Wie erlebst Du den Wechsel von Hamburg nach Berlin? TOM: Ich bin hauptsächlich wegen meiner Freundin nach Berlin gezogen, weil die nicht zurück nach Hamburg wollte, ich aber die Fahrerei vermeiden wollte. Seit ich hier wohne, merke ich, dass die Stadt einen ganz schön ablenkt. Ich mag Hamburg nach wie vor lieber, auch weil dort viele meiner Freunde leben, aber jetzt bin ich ja hier, was auch seine Vorteile hat. Man kann in Berlin wirklich unglaublich viel mitnehmen an Konzerten, Kunst, Kultur usw. – man hat ja irgendwie alles direkt vor der Haustür. Gleichzeitig ist das aber auch diese Berlin-Krankheit von Künstlern und Musikern, die hier stranden und sich total verlieren in dem riesigen Schmelztiegel. JONAS: Wir haben eben darüber gesprochen, dass ihr mittlerweile seit sieben Jahren gemeinsam als Band unterwegs seid. Kannst du dich noch an die Zeit eurer Gründung erinnern? TOM: Klar. Ich war damals von Bayern nach Hamburg gezogen, um eine neue Band zu gründen. Die, in der ich in Bayern bis dahin jahrelang gespielt hatte, kam nämlich nie so richtig aus dem Quark. Ich wollte daher in Hamburg relativ stringent mit guten Musikern das Album verwirklichen, das ich vorher nie verwirklichen konnte.

Und dabei haben mir die Jungs extrem geholfen, wir wuchsen relativ schnell zu einer Gang zusammen. Frieder, Benedikt und ich spielen seit 2005 in der Band, Deniz kam ein Jahr später als neuer Gitarrist dazu. Damals ging alles sehr schnell: Das erste Album kam bereits ein Jahr nachdem wir in der aktuellen Besetzung zusammengefunden hatten. Wir wurden da echt so reingeworfen, dass wir uns erst allmählich und eher nebenbei kennengelernt haben. Mal hatte der eine eine Krise, mal der andere eine Depression, und so lernten wir im Laufe der Zeit, miteinander umzugehen und füreinander da zu sein. Mittlerweile kennen wir uns aber super gut und sind trotzdem wahrscheinlich erst da, wo manche Bands schon sind, wenn sie ihr erstes Album veröffentlichen. Gleichzeitig sind wir aber zu jung erwachsen geworden, habe ich so das Gefühl. JONAS: Inwiefern? Weil ihr plötzlich so in den Erfolg gestoßen wurdet? TOM: Ne, weil wir einfach schon so viel gesehen haben, aber wahrscheinlich erst jetzt richtig genießen könnten, was wir in den letzten beiden Jahren so alles erlebt haben.


Ein weiträumiges lichtdurchflutetes Studio, eine große Ecke mit gemütlichen Sofamöbeln und mittendrin die vier Jungs. Eine leichte Unruhe liegt im Raum, ich bin wohl etwas zu früh, denn alle sind noch mit irgendwelchen Arbeiten beschäftigt. Der Reihe nach lässt jeder kurz von seinem Tun ab und begrüßt mich herzlich. Trotzdem ist auch bei ihnen eine gewisse Aufgeregtheit zu spüren. Eine Aufgeregtheit nicht wegen mir, sondern wegen des morgigen Festivals in Bayern, wo sie nach längerer Pause erstmals wieder zusammen auf der Bühne stehen werden. Es herrscht eine Stimmung wie kurz vor einer Klassenfahrt. Eine Mischung aus Vorfreude und Nervosität. Vorfreude darauf, bald miteinander unterwegs zu sein und das zu machen, was einen verbindet, nämlich Musik. Nervosität, weil man jetzt los will, jetzt sofort. Los will, mit denen, die man mag, und tun will, was man mag. Irgendwie beruhigt es mich, nicht der einzige zu sein, der heute nicht zum Kreis der Tiefenentspannten gehört.

JONAS: Würde eigentlich die enge Freundschaft zwischen euch weiterbestehen, wenn die Band Fotos nicht mehr existieren würde? TOM: Auf jeden Fall, daran gibt es keinen Zweifel. Wir waren als Band in diesem

Jahr kaum aktiv, waren lediglich ein, zwei Mal im Studio und haben an ein paar neuen Sachen gearbeitet. Gleichzeitig haben wir uns aber abseits der Band viel öfter getroffen. Gerade mit Frieder habe ich recht viel zu tun, weil wir gerade verschiedene Projekte gemeinsam bearbeiten. Aber die anderen beiden treffe ich natürlich auch regelmäßig. JONAS: Könnte man also sagen, dass dein Herz auf der einen Seite an der Musik hängt und auf der anderen Seite an der Freundschaft zu den Jungs? Und wenn ja, kommt es da nicht manchmal zur Kollision? TOM: Ja, das könnte man so sagen. Und das ist auch schon passiert. Ich glaube, wir verstehen uns einfach manchmal zu gut. Ich hatte ja in Bayern mit meinem damaligen Freundeskreis eine Band gegründet. Aber wenn da z.B. einer ist, der nicht wirklich Gitarre spielen kann und es auch gar nicht erst versucht, ist der Streit vorprogrammiert. Daher bin ich umso glücklicher, dass ich vor fast sieben Jahren mit den Jungs „Fotos“ gründen konnte, weil ich sie alle als Musiker empfunden habe, bei denen ich sagen musste: Wow, so wie der spielt, so müssen die Songs klingen, die ich geschrieben habe. Natürlich kam es aber auch bei uns manchmal zur Kollision, wenn wir an etwas Neuem gearbeitet haben. Dann haben wir gemerkt, dass wir zwar richtig dicke Freunde sind, aber immer noch nicht so wirklich gut zusammenarbeiten können. Im letzten halben Jahr haben wir dann endlich gemerkt, dass es eigentlich total einfach ist und riesigen Spaß macht, zusammen im Studio zu sitzen und gemeinsam Entscheidungen zu treffen. >>>




JONAS: Läuft man nicht Gefahr, in seiner Entwicklung in gewisser Weise gehemmt zu sein, wenn man so eng miteinander befreundet ist? TOM: Nein, je enger man miteinander ist, desto mehr kann man sich auch sagen, was man doof findet an dem, was der andere da gerade fabriziert hat. Daher gehen ab und zu die Dinge vielleicht etwas langsamer voran, aber das ist bei vier Leuten in einem demokratischen Prozess eben so.

Nacheinander fotografiere ich Tom, Deniz, Friedrich und Benedikt und freue mich sehr darüber, dass jeder der Vier für einige Momente Ruhe einkehren lässt und jegliche Aufregung vergisst. Beim Fotografieren herrscht Ruhe, wenig wird gesagt.

JONAS: Euch alle scheint ein sehr hohes Ästhetikempfinden zu einen. Bei „Fotos“ hat man den Eindruck, dass ihr auch um eure Musik herum sehr viel Wert auf eine bestimmte Darstellung und Ästhetik legt.

TOM: Ja, das haben wir auch bei jedem Album mehr und mehr versucht. Ich bin der Meinung, dass eine Band erst dann die Menschen wirklich erreichen kann, wenn die Sachen, die sie veröffentlicht, in einer kompletten Geschlossenheit auftreten. Alles andere verwässert, verwirrt und schadet dem Bild nach außen. Das Tolle an unseren Fans ist aber, dass ihnen dieser ganze wie-das-aussiehtKram so ein bisschen egal ist. Die mögen tatsächlich einfach die Songs. Das hab’ ich jetzt wieder gemerkt, als ich alleine unterwegs war. Die Leute kennen die Texte der Songs auswendig, egal ob jung oder alt. Und da merkst du, dass immer noch die Musik die größte Rolle spielt und nicht dieses Imagezeug. Trotzdem ist es mir wichtig, dass wir die Ästhetik unserer Musik in letzter Konsequenz auch in andere Kreativbereiche transportieren. Ich würde mir sowieso wünschen, dass Qualität und Ästhetik in der Musik eine größere Rolle spielen würden, weil es dann weniger Musik geben würde, dir mir so fremdschämmäßig unangenehm wäre. Dazu müsste die breite Masse aber einen besseren Musikgeschmack haben, den man ihr sehr mühsam anerziehen müsste.


JONAS: Ist dir bewusst, dass ihr bei sehr vielen Menschen eine gewisse Relevanz erzeugt und sie in ganz bestimmten Lebenssituationen abholt? Der Song „Du fehlst mir“ ist da ja ein Paradebeispiel... TOM: Das war bei uns immer total bemerkenswert, dass diese persönliche Ebene so eine riesengroße Rolle gespielt hat. Schon bei dem ersten Album gab es etliche Leute, die bis heute sagen, dass es ihnen wahnsinnig viel bedeutet, weil sie es mit einer bestimmten Lebensphase verbinden, in der es ihnen genau so ging. Das ist echt schön. JONAS: Siehst du das als eine gewisse Verantwortung für dich? TOM: Nicht wirklich. Bei dem aktuellen Album habe ich mich zum Beispiel auch total dagegengestemmt. Ich wollte damit abstrakter werden, weil dieses Direkte irgendwann unangenehm für mich war und ich mich immer komplett nackt gemacht habe. Ich finde, dass ich mittlerweile alles gesagt habe. Ich will mit unserer Musik einfach extremer werden – sowohl im Klang als auch in der Abstraktion.

Was aber nicht heißt, dass ich total verkopfte Texte schreiben will. Daher fällt es mir wahrscheinlich im Moment auch so schwer zu texten, weil ich ja diesen Spagat hinbekommen muss., nämlich nach wie vor unpeinlich zu sein und trotzdem emotional. JONAS: Gibt es Musik, die dich selbst irgendwo abholt und für dich eine große Relevanz hat? TOM: Seit ein paar Monaten bin ich mehr und mehr fasziniert von so riesigen Hits wie z.B. von Phil Collins. Den habe ich als Jugendlicher immer verabscheut, aber mit der Zeit gemerkt, wie viele geniale songwriterische Ideen da drinstecken. Darüber hinaus bedeuten mir Bands wie Prefab Sprout, Pet Shop Boys oder Depeche Mode auch wahnsinnig viel – und natürlich David Bowie, das ist einer meiner absoluten Helden. >>>





JONAS: Gibt es Dinge außerhalb der Musik, die dich inspirieren? TOM: Im Moment bin ich durch das Überangebot in Berlin und auch durch das Internet total abgelenkt. Aber ich habe den Plan, mich demnächst mal aufs Land in irgendein Haus zu verziehen und mich komplett zu isolieren. Einfach mal ein paar Wochen ohne Internet oder Telefon alleine sein und schreiben, weil ich sonst das Gefühl habe, irgendwann nicht mehr an den emotionalen Kern zu kommen, der so richtig ehrlich ist. Ich will wieder diesen Knackpunkt erreichen, der in mir irgendwas aufmacht und ganz viel rauskommen lässt. Diesen Punkt beim Schreiben zu erreichen ist wahnsinnig wichtig, sonst wird es sehr, sehr krampfig. JONAS: Wie geht es darüber hinaus in den nächsten Monaten bei euch weiter? Gibt es einen konkreten Zeitplan? TOM: Das Wichtigste ist jetzt erstmal, das vierte Album zu machen und hier den nächsten Schritt zu gehen. Einen konkreten Zeitplan gibt es aber nicht, wir lassen uns mehr oder weniger treiben. Wir alle haben jetzt unterschiedliche Jobs und schauen, dass wir irgendwie finanziell durchkommen. Das erzeugt aber auch eine gewisse Unabhängikeit: Als wir eine Weile so komprimiert Konzerte gespielt haben, dass wir alle davon einigermaßen leben konnten, standen wir ständig unter dem Druck, dass wir immer weitermachen mussten, um auch weiter unsere Lebensgrundlage zu sichern.

Mittlerweile sehen wir das aber völlig anders und sagen: Eigentlich ist es scheißegal, lasst uns lieber mit was anderem Geld verdienen und uns diesen wichtigen Kern, der uns alle verbindet, abschotten und unabhängig von irgendwelchen Einkünften betrachten. Bei den Gagen lohnt es sich auch nicht wirklich, sie aufs Sparkonto zu packen. Wir teilen sie lieber unter allen auf und gehen mit der Crew essen, die für uns zu einer zweiten Familie geworden ist. Wir sehen irgendwie keinen Grund, da groß zu sparen, und machen uns lieber eine schöne Zeit mit allen.

Nachdem ich ein letztes Mal auf den Auslöser meiner Kamera gedrückt habe, plaudern wir noch ein wenig, aber ich merke schnell, dass es Zeit für mich wird zu gehen, Zeit für die Jungs wird, in ihren Bus einzusteigen und gen Süden zu düsen, Zeit wird für Klassenfahrt. Ich verabschiede mich von den Vieren, die schon etwas ungeduldig und mit Instrumenten bewaffnet darauf warten, ein letztes Mal in Ruhe proben zu können. Hinter der verschlossenen Studiotür bleibe ich noch für einen kurzen Moment stehen und lausche ein paar Takten eines mir wohlbekannten Songs. Die Sonne, die immer noch das aufzuholen versucht, was sie in den letzten Wochen hat vermissen lassen, empfängt mich beim Verlassen des Gebäudes. Mit ihr im Gesicht und Klängen von Fotos im Ohr lasse auch ich mich langsam von der Gelassenheit des Tages einfangen, denn meine Klassenfahrt ist für heute beendet.




FREDERIK BÖSING IST 21 Jah r e alt, R eg i sseur un d l eb t i rg en dwo zwi schen Berlin, WILHE LMSHAF EN un d dem Sauer l an d.

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FREDERI BOSING


IK




VOM ANFANG EINER IDEE FREDERIK BÖSING Ein luftleerer Raum. Es ist finster. Die Zeit steht still. Eine blitzende Neonröhre springt an und kaltes Licht flackert nervös in der temperaturlosen Dunkelheit. Im Halbschatten erscheinen die Umrisse einer Tür. Tausend Gedanken geben sich die Klinke in die Hand. Noch ist niemand da. Die Klinke bewegt sich und die Tür schlägt auf. Die Ruhe vor dem Sturm. Ein kaum warnehmbarer Lufzug streicht sanft an den kahlen Wänden entlang. Der Raum wird heller. Es donnert, es blitzt. Innerhalb eines Augenblicks ist die Schlacht geschlagen und plötzlich steht sie da: die Idee.

Sie ist laut, sie ist still, sie ist bunt, sie ist schwarz, sie ist weiß, sie ist hübsch, sie ist hässlich, sie ist groß, sie ist klein, sie ist fair, sie ist hart, sie ist gemein, sie schreit, sie lacht, sie weint, sie will, sie regnet, sie schneit, sie rennt, sie steht, sie isst, sie trinkt, sie liebt, sie lebt, sie stirbt, sie betet, sie lernt, sie jammert, sie hasst, sie flucht, sie hungert, sie leidet... Sie lässt mein Herz höher schlagen.


F O T O : MA X KÖ N I G


ANKE GRUNOW Anke Gr端now ist 24 Jah r e alt, St udentin und le bt in Dr esDen .

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W




HAB SELIG KEITEN ANKE GRÜNOW Mein Herz ist eine offene Wunde, ich trage es auf der Zunge und auf der Haut wie andere ihre Worte und ihre Kleidung. Kein fester Ort, gedankenbestimmend, die Vernunft auffressend, ein schwarzes Loch in meinem Kopf. Es erinnert sich gern an ein Leben, das es nie hatte, es treibt sich stetig voran, gegen die Wand, vorbei an Menschen, es wickelt mich in Frischhaltefolie ein und lässt mich an anderen abrutschen. Die Flugzeuge über mir, untergehende Sonne auf Backstein. An manchen Tagen taucht mein Herz ein in das schwarze Loch in meinem Kopf, mein persönlicher Nimmersatt, Brutstätte meines Niedergangs. Wiedergeburt, raue Fingernägel, die sich an der Bettwäsche verhaken. Es pumpt das Blut durch meinen Körper, wäscht es rein und vergiftet es, lässt mich zerbröseln in Einzelteile, die nur es selbst wieder zusammensetzen kann. Es lässt mich auf die Decke über mir starren, sein Schlag so tief wie beruhigend. Es versichert mir, dass da ein Leben kommen wird, eins, das schillert

GRUN AN AN GRÜ

wie das Innere eines Kaleidoskops. Selten kann ich ihm noch so richtig glauben. Mein Herz ist alles, was ich habe.

Gelegentlich kann es mehr als sein Eigengewicht stemmen, es kann andere gesundpflegen, es kann dann Dinge tun, die es nicht für sich selbst tun kann. Fehlendes Verständnis, der Stachel in der Brust, Wanderlust und Sehnsucht, Melancholie.

Es macht sich in meinen Händen oft schwerer, als es eigentlich ist. Auf den Fingerspitzen anderer ist es so unruhig wie der Flügelschlag eines Kolibris. Der Klang von Stille, der Geruch von frisch gemähtem Gras, alles in meiner Mitte. Wenn die Berührung von außen ausbleibt, wenn es sich nirgendwo festhalten kann, wenn es mal wieder weggeschoben wird wie eine Zeitung vom gestrigen Tag, wenn es sich in meinem Kopf manifestiert. Mein Herz lässt mich sehen, es ist mein Filter, mein Schutzschild, mein Fußabtreter. Mein Herz ist alles, was ich bin.


NOW NKE NKE ÜNOW


Max i m i lian Maurach er ist 1 9 Jah r e alt, Studen t un d Blo gger und lebt in Tirol un d Wi en .

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MAXIMIL MAURAC


LIAN CHER




HAPPY END Ma x i m i l ian Mau r ac h e r Wenn ich an mein Herz denke, dann denke ich an diesen roten Klumpen Fleisch. An dieses Ding, das Blut durch meinen Körper pumpt. Das schlägt, mal mehr, mal weniger. Ich denke nicht daran, dass sich dieses kalte Stück Etwas verlieben kann. Vielleicht, weil ich mich bisher noch nie verliebt habe oder es verdrängt habe. Weil ich Liebe nämlich für Zeitverschwendung halte. Und mein Herz für einen Teil meines Körpers, für ein Organ.

will? Das kann kaum einer verstehen. Ich glaube nicht an Happy Ends. Daran, dass alles gut wird. Ich bin Pessimist und hasse Gefühle. Aber damit bin ich zufrieden. Ja, glücklich.

Diese drei Worte, die in Filmen oft das Happy End signalisieren, habe ich noch nie ausgesprochen. Ich glaube an keines dieser drei Worte, höchstens an das Ich. Das mag egoistisch und selbstsüchtig klingen, aber was, wenn ich mein Herz einfach nicht verschenken

Irgendwann - da bin ich mir recht sicher - werde ich es schaffen, mein Herz dafür zu nutzen, wofür es auch Tausende andere gebrauchen. Um mich zu verlieben. Hoffentlich nicht in diesen Typ Mensch, der dann so denkt wie ich bisher.

Vielleicht ist all das mein Problem. Dass ich versuche, mich mit meinem Verstand zu verlieben - wenn überhaupt. Doch der handelt rational. Und sagt mir, dass ich ohne mein Herz - diese rote Pumpe - nicht leben kann.


F O T O : L u i s a F r a n z K l e o pa t r a w w w . c a r g o c o l l e c t i v e . c o m / l u i s a f r a n z k l e o pa t r a


JAN AMAZIGH SID IST 22 JAH R E ALT, SCHAUSPIELER UND LEBT IN B ER LI N .

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JAN AMAZIGH


H SID




HERZENS WUNSCH JAN AMA Z I G H S I D Hoppel. Hoppel war mein erster großer Herzenswunsch im Leben. Ein kleines Zwergkaninchen mit einem weißen und einem schwarzen Ohr. Nach zwei tollen Jahre, wurde Hoppel, mein erstes Haustier, vom Tierarzt eingeschläftert. Mein erster Herzenswunsch war tot. Viele erfüllte Herzenswünsche und zwölf Lebensjahre später bin ich froh zu wissen, dass nicht nur Zwergkaninchen den Ehrenplatz in meinem Herzen einnehmen können.

Ein erfüllter und erfüllender Herzenswunsch ist aktuell das Kurzfilmprojekt „GASP“, bei dem ich als Schauspieler mitgearbeitet habe. Was Mensch-Sein so spannend macht sind Entdeckung, Eroberung und „Erlebung“ von Herzenswünschen. Wem das nicht reicht, der setzte ein „wieder“,“neu“ oder „mit“ vor die gerade genannte Alliteration. Für mich persönlich sind Herzenswünsche, die jeder Mensch wohl ganz individuell wahrnimmt, der Sinn. Folgst du deinem Herzenswunsch?


F O T O : D A V I D PA P R O C K I w w w. d av i d pa p r o c k i . c o m


Unknown paths before you, Truths await their time. Treasures born within you, a presence so sublime. Boldly dare! Gods watch you; all fears are therefore crime. Be not shy but trust you, Believe! - the world is thine. Indeed - I do adore you Oh Being, so divine! And humbly seek to tell you: I want you to be mine.

Jan Amazigh Sid Fr端hling 2012

F O T O : D AV I D PA P R O C K I w w w. d a v i d pa p r o c k i . c o m



Julian Fich tl ist 21 Jah re alt. Foto g r af und lebt in Hamb urg .

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JULIAN FICHTL





DEIN MOTOR Julian Fichtl

Was du im Leben auch tust, hör‘ immer auf dein Herz! Es wird dir den Weg zeigen, der der richtige ist. Jeder von Euch setzt sich Ziele und versucht diese zu erreichen. Sei frei, hab Spaß im Leben und lass‘ dich nicht von anderen Menschen verunsichern. Mach‘ das, was du für richtig hältst. Dein Herz ist dein Motor und du bist der Antrieb zum Ziel. Jeder sucht für sich einen eigenen Weg, sein Herz sprechen zu lassen.

Einige schreiben Gedichte, Songs oder auch Tagebücher. Ich als Künstler habe den Weg der Fotografie gewählt, um meine Gefühle zu zeigen. Man ist nicht eingegrenzt und kann seinen Ideen freien lauf lassen. Die Kunst liegt darin, nicht so zu sein und das zu tun wie alle anderen. Sei du selbst und finde deine universelle Handschrift, die dich einzigartig macht! Jeder von uns ist etwas besonderes und hat sein eigenes Herz, auf das er hören soll.



PET ER SUDARSO IS A 21 -YEAR - OL D b or n ag ai n Ch r i stian , breakdancer, salsa dancer , paper b oy, d o g masseu se, an i mal enthusiasts , lover , arti st, sur f er , ai rsof ter , warrior, guitar pl ayer, p oet, actor AN D c ommercial model and hobbyist LIVI NG I N LO S ANG ELES / CALI FOR N IA .

W W W. fa c e b o o k . c o m / p e t e r . s . a d r i a n W W W . l o o k b o o k . n u /a d r i a n p W W W. s u d a r s o b r o s . b l o g s p o t . d e

PETER SUDARS


SO





LIKE A HOME PETER SUDARSO A heart is like a home. Not very many people know this, but it‘s true. This is where you store your deepest secrets, your warmest wishes, and your most valued possessions. Just like a home, you don‘t let everyone into your heart, only those you trust. But be wary that you don‘t start to hoard away all your valued possessions to yourself, open your heart up to those who deserve it. By doing so, you expand your heart, allowing space for bigger and better things.


MARLEN STAH LHUTH ist 22 Jah r e Alt, Foto g r af i n und Mode re dakteurin un d leb t i n B er li n .

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MARLEN STAHLHU


N UTH




HERZENS SACHE M A R L E N S TA H L H U T H


Alles, was Herz beinhaltet, klingt für mich in allererster Linie irgendwie kitschig. Aber Klischees haben ja auch eine Daseinsberechtigung, und irgendwie stört das ja auch nicht wirklich. Kopf-Mensch, Herz-Mensch?! Wenn das immer so einfach wäre. Meistens wollen beide was komplett anderes. In meinem Fall zumindest stimmen sie selten überein.

Der Kopf kann nicht ohne Bilder, das Herz kann nicht ohne den Höhenflug, den es bekommt, wenn man das perfekte Foto gemacht hat und das schon auf dem winzigen Kamera-Display erkennt. Der Kopf kann nicht ohne Veränderung des Standorts, das Herz nicht ohne das regelmäßige Fernweh und den Sand zwischen den Zehen. Der Kopf sagt „Geh‘ um 22:00 ins Bett!“, das Herz sagt „Trink mit ‚nem Freund bis 3:00 auf dem Balkon Apfelwein!“. Der Kopf sagt „Sei zufrieden mit dem, was du hast!“, das Herz würde am liebsten sofort nach Barcelona auswandern oder Künstler werden.

Klarer Gewinner ist hier allerdings eher das gefühlsmäßig unstabile und wenig verlässliche Herz. Es hat im richtigen Augenblick irgendwie immer die aussagestärkeren Argumente. Der Kopf kann nicht ohne gute Filme, das Herz kann nicht ohne das Gefühl, was bleibt, wenn man noch tagelang in der Filmwelt stecken bleibt.

Der Mittelweg ist ein Kompromiss, mit dem beide nicht so wirklich zufrieden sind, der aber in der Praxis am besten klappt. In Poesie gefasst sähe das Chaos das wahrscheinlich so aus:

Aus der Geborgenheit des Strandkorbs Mit Flaggen verziertem Lederkoffer Kopfüber ins Leben tauchen Wie ein Tuschepinsel ins Wasserglas Die Welt durch ein Passepartout Ausweglosigkeit eines Goldfischs gläserne Seifenblasen kreuzen den Weg Papierschirm aufspannen und drüber springen Feuerwerk aus Tüll und Taft Von Wagon zu Wagon im Riesenrad Raus aus dem Polaroid Looping Auf zu Vergissmeinnicht



Olive r Ti ppl i st 1 3 Jah r e alt, Sch端l er un d Model un d leb t i n N端r n b erg .

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OLIVER TIPPL




FOTO: Nirascha Maria Dusik w w w. n i r a s c h a - m a r i a - d u s i k . b l o g s p o t . c o m


NICHT ALLEINE Oliver Tippl Es pocht. Manche Leute denken. Manche fühlen. Manche spüren. Es ist, als seien es viele Menschen, die das fühlen, was du fühlst, die das denken, was du denkst oder die das spüren, was du spürst. Doch bist du mit deinen Gefühlen und Gedanken alleine? Manche Herzen schlagen schnell. Manche langsam. Manche rasen. Wenn du verliebt bist, rast dein Herz alleine? Hörst du es pochen? Das Herz, das gegenübersteht. Die Person, der es gehört. Ihr seid nicht alleine. Es ist Liebe. Sie pochen.


Tabea-Aime e ist Foto graf i n un d lebt in Thun / S chwei z .

w w w. ta b e a - a i m e e . c h

TABEAAimee





UNSTILLBARER DURST TA B E A - A i m e e Wieso bist du immer so durstig? Mein Herz ist für mich nicht nur ein Organ – viel mehr etwas Geistiges. Der Ort, über den meine Seele kommuniziert. Mein Herz ist etwas, das ich ständig spüre, es ist immer in Bewegung, immerzu spüre ich es schlagen. Emotionen jeglicher Art wirken sich auf die Verfassung, die Form und die Schlagkraft meines Herzens aus. Es kommt oft vor, dass ich mit meinem Herzen rede, wir sind in gutem Kontakt. Ich sage ihm Sätze wie: „Beruhige dich“, „Komm raus aus deinem Versteck“ oder „lass dich nicht so schnell beeindrucken.“ Manchmal tut mein Herz weh und dann höre ich, wie die Wüsten weinen und die Schnecken schreien. Mein Herz reagiert. Diese interne Kommunikation ist einzigartig. Neulich hat mein Herz mich gefragt: „Weißt du, wo dein Zuhause ist?“

Ich antwortete: „Oh mein Herz, du weißt doch, dass ich ein steter Wanderer bin! Gibt es das Zuhause überhaupt? Ist es örtlich gebunden? Oder wird es immer so sein, dass ich da, wo ich noch nie war, für immer bleiben möchte?“ Ich denke, es spielt keine Rolle, wo man lebt und wie man lebt. Ob man sich zuhause fühlt und dabei glücklich ist, bestimmt jeder selbst. In solchen Momenten wird mein Herz schwer - so schwer, als würde ein Elefant auf mir liegen, der mir den Atem raubt. Oder das Herz fragt mich: „Liebst du Berge?“ „Weißt du nicht, oh mein Herz, dass die Natur meinen Sinn darauf richtet, im Leben danach zu streben, was mir gut tut?“ Die Natur ermöglicht mir vielleicht sogar mehrere Sichtweisen, mehr Freiheit und somit größeres Glück. Wenn ich mein Herz frage, klingt das so: „Warum bin ich immer so durstig?“ Mein Herz weiß mich dann zu beruhigen. Es sind die Herzschläge, die mir sagen: „Du bist ein schöner, bunter Fisch. Dein Durst ist unstillbar und wird es immer bleiben.“



INTERVIEW

Max König ( 22), Timm Richt er (2 2 ) un d Johan n es L ang e (2 1 ) leben i m Sauerl and und si n d di e ban d „J ohan n van der smu t “ .

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JOHANN VAN DER


N R SMUT




RICHTUNG SONNE T E X T : F O T O S : ASSISTENZ:

JONAS MEYER VA L E N T I N M Ü H L HENRIK BUCHHOLZ

Das Ruhrgebiet ist schmutzig, staubig und laut. Die Luft riecht nach Kohle und Chemie, und die Menschen, die hier leben, sind unfreundlich und ebenso grau wie die Gegend selbst. Es gibt wahrscheinlich nichts schlimmeres auf dieser Welt als in Stein gemeiselte Vorurteile. Und es gibt weniger, was mehr Spaß macht, als mit einem riesigen Presslufthammer diesen Stein aufzubrechen. Also ran ans Werk und ab nach Dortmund! Wie alle anderen Städte in der bevölkerungsreichsten Gegend Deutschlands ist auch sie nach wie vor von jenen Jahrzehnte alten und unverrückbaren Ressentiments betroffen. Es kann also spannend werden. Wir treffen Johann van der Smut vor dem Dortmunder Hauptbahnhof. Die drei Jungs aus dem Sauerland springen vergnügt in den VW Bus, den Valentin Mühl, Fotograf des heutigen Shootings, mit allerlei Equipment beladen hat. Zusammen mit der Band und Henrik Buchholz, der einen kleinen Making-of Film vom heutigen Tag produzieren wird, fahren wir also Richtung Süden.

Und schon auf den ersten Kilometern wird klar, dass bereits das erste Vorurteil widerlegt ist: Unfreundlich und grau sind so ziemlich die letzten Begriffe, mit denen man die jungen Musiker beschreiben würde. Unser Ziel ist der Hengsteysee am Fuße der Hohensyburg. Kaum angekommen, fallen auch schon die nächsten Vorurteile im Sekundentakt: Wie wunderschön ist es hier! Sattes Grün, wohin man schaut, Vögel zwitschern, die Sonnenstrahlen tanzen fröhlich auf dem Wasser. Der Himmel ist klar und die Luft so sauber, dass sie die Gegend in den Adelsstand eines Luftkurorts erheben könnte. Sind wir tatsächlich im Ruhrgebiet? Ja, sind wir. Es ist ein wundervoller Sommertag, und auf dem Weg vom Parkplatz zu ersten Location drängt sich bereits die erste Frage auf.

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nämlich dass einen manchmal die ganz kleinen und einfachen Dinge im Leben glücklich machen können. Man muss es nur zu schätzen wissen.

JONAS: An so einem Tag schießt mir sofort Euer Song „23 Grad“ in den Kopf – das erste Stück, das ich von euch gehört habe und das sich sofort in mein Gedächtnis eingebrannt hat... MAX (lacht): Lustigerweise ist der Song auch an genau so einem Tag entstanden. Wir hatten damals einen Proberaum in einem alten Berghotel, das in den 90er Jahren geschlossen wurde. Als wir uns dort irgendwann mal wieder zur Probe trafen, wollten Johannes und Timm zwischendurch kurz runter ins Dorf, um Zigaretten zu holen. Ich habe mehr aus Spaß geantwortet: Jaja, macht ihr mal. Wenn ihr zurückkommt, hab’ ich einen Song geschrieben! Die Beiden sind also aufgebrochen und ich habe mich in der Zeit draußen vor’s Hotel in die Sonne gesetzt. Man hatte von dort eine phänomenale Aussicht auf den Wald und die Berge. Und was anfangs als Spaß gemeint war, fing plötzlich an, in meinem Kopf zu rotieren - ich habe dann tatsächlich in der kurzen Zeit einen Song geschrieben. Wir brauchten dann nur eine einzige Probe, bis das ganze Ding fertig und „23 Grad“ geboren war. Manchmal baut man ja an einem Song ewig und schraubt auch mal gerne vier Monate lang am Text und Instrumentellen, bis alles sitzt. Und bei dem Text von diesem Lied hier waren es gerade mal 20 Minuten. Was ich da geschrieben hatte, war auch wirklich nur über den Moment, den ich gerade genoss. Es war ein schöner, sonniger Tag, und ich wollte einfach ausdrücken, was ich in jenen Minuten gefühlt habe:

JOHANNES: Man sollte sich eigentlich öfter in seinem Leben einfach mal vom Moment leiten lassen und seine Kraft daraus schöpfen. Ich glaube, wir alle tun das viel zu selten. JONAS: Als ich den Song zum ersten Mal gehört habe, hatte ich ein kleines inhaltliches Déjà-vu: ich fühlte mich sofort an „Make Love Work“ von Auletta erinnert, weil die Botschaft dort eine ähnlich befreiende ist wie in „23 Grad“... MAX: In der Tat ist „23 Grad“ auch der befreiendste Song auf unserem Album. Die Message ist ja eigentlich so simpel: Lern’ die einfachen Momente des Alltags zu schätzen und werd’ glücklich! JONAS: Das heißt, der Song sondert sich inhaltlich und instrumentell etwas von den anderen Stücken auf dem Album ab? JOHANNES: Er sondert sich nicht ab, aber er ist der simpelste und poppigste Song auf dem Album, gerade weil ja auch die Aussage so klar und einfach ist. Das macht ihn übrigens auch zu einem catchy Radiosong. TIMM: Ich würde auch sagen, dass es insgesamt der freundlichste Song auf dem Album ist. Die anderen Lieder sind etwas schwermütiger und nicht so leicht verdaulich. >>>





JONAS: Ist euer Album, das Ende September erscheinen wird, eher eine Ansammlung aller Songs, die ihr im Laufe der letzten Jahre geschrieben habt, oder steht hinter dem Werk eine große inhaltliche und musikalische Idee? MAX: Ja, es gibt eine Idee hinter dem gesamten Album – diese Idee hat sich allerdings erst in Gänze während des Schreibens der Songs entfaltet. Viele einzelne Skizzen und Ideen sind dabei im Laufe der Zeit zu einer einzigen zusammengewachsen. Das Album wird den Namen „Berg“ tragen, weil wir irgendwann gemerkt haben, dass unsere Musik auf der einen Seite schroff, kantig, ungestüm und wild ist, auf der anderen Seite aber trotzdem massiv, standhaft und in sich ruhend wirkt – eben wie ein Berg. JONAS: Basiert darauf auch die Bezeichnung „drei Jungs mit Wut und System“, mit der ihr euch selbst charakterisiert? TIMM: Absolut. Einerseits hört sich unsere Musik ja sehr jugendlich, frisch und stellenweise auch total wütend an, andererseits verfolgen wir immer eine gewisse musikalische Präzision bei unseren Songs. MAX: Ich glaube, dazu denken wir auch bei unserem gesamten Songwriting viel zu technisch. Viele Musiker sitzen ja oft irgendwie zuhause mit ihrer Gitarre, schreiben Lyrics und bauen dann darauf ihre Musik auf.

Bei uns ist es eher umgekehrt: Wir fuchsen meistens erst den ganzen instrumentellen Teil aus und schauen dann, was uns diese komplette Instrumentalisierung inhaltlich gibt. JOHANNES: Es geht darum, was für ein Gefühl der Sound in uns ganz persönlich hervorruft. Wir schreiben dann instinktiv und von unseren Emotionen geleitet die Texte – die handeln dann meistens von dem, was man gerade aus seinem eigenen Leben zu der Musik erzählen kann oder will. MAX: Das Ding beim Songwriting ist aber auch, welche Gefühle das Lied beim Hörer hervorruft. Wenn ich schreibe, schreibe ich zwar oft sehr persönlich, aber versuche dabei immer, eine gewisse Distanz zu wahren – nicht, weil ich nicht will, dass es zu persönlich wird, sondern weil ich den Hörer nicht einengen will und möchte, dass er seine ganz eigene, auf sein Leben bezogene Story zu dem Song aufbauen kann. JOHANNES: Uns ist eben wichtig, dass sich die Leute bewusst mit den Songs auseinandersetzen und für sich annehmen und entdecken. Wir wollen ihnen unsere Lieder nicht einfach wie ein Stück Fleisch vorwerfen, dass sie dann runterschlingen. >>>





Wir wechseln den Standort und laufen ein paar Minuten am Wasser entlang. Die Mittagssonne schlängelt sich vorbei an Bäumen und Sträuchern und malt tanzende Muster aus Licht und Schatten auf die Gesichter der drei Musiker. Während wir so nebeneinander herspazieren, umgibt uns eine eigenartige Stille. Es ist, als wäre man mit einem guten Freund unterwegs, mit dem das Schweigen genau so gut tut wie das Reden. Wie schön! Nach einigen Minuten erreichen wir einen kleinen Birkenwald abseits des schmalen Weges. Die noch jungen Bäume, die man vom Weg aus im ersten Moment gar nicht wahrnimmt, erheben sich selbstbewusst aus dem grasbedeckten Boden und strecken sich Richtung Sonne, die sie so sehnsüchtig berühren möchten. Lautlos und unaufgeregt positionieren sich Johannes, Max und Timm zwischen den Birken und lassen sich geduldig von Valentin fotografieren. Und genau wie die jungen Bäume scheinen auch sie dabei langsam nach oben zu wachsen – ebenfalls in der Zuversicht, irgendwann die Sonne berühren zu können, wenn sie nur genügend Ausdauer besitzen.

JONAS: Wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt? TIMM: Max und ich kennen uns aus der Schule. Max hat Johannes irgendwann auf einer Jam-Session kennengelernt, daraufhin haben wir beschlossen, musikalisch mal was gemeinsam zu machen.

Und obwohl wir alle so verschieden sind, haben sich unsere Interessen dann recht schnell in der gemeinsamen Musik vereint, weil wir gemerkt haben, dass alle irgendwie das gleiche meinen. MAX: Jeder hat seine eigene Zutat dazugegeben, und am Ende ist Johann van der Smut entstanden. TIMM: Ja! Wir haben auch einfach nur die Musik gemacht, die wir alle immer hören wollten, die es bis dahin aber so in der Form noch nicht gab. JONAS: Gab es einen bestimmten Punkt, an dem ihr gemerkt habt: jetzt gehören wir zusammen? MAX: Oh ja! Es gibt da einen Song, den Johannes geschrieben hat. Dieser Song heißt „Dynamik“. Als er mit diesem Stück ankam, hatten wir bereits etwa 20 Lieder geschrieben, mit denen wir unser erstes Album produzieren wollten. Aber plötzlich war da dieser Song, der so ganz anders war als die 20 davor. Und zum ersten Mal hatten wir das Gefühl, dass wir mit dem Stück so abstrakt arbeiten konnten, dass jeder daraus für sich seine ganz persönliche Quintessenz ziehen konnte und wir trotzdem alle in eine Richtung marschierten. Wir haben durch diesen Song plötzlich alle gemerkt, dass wir eigentlich viel lieber so etwas machen wollen – und haben die bereits fertigen 20 Stück kurzerhand in die Mülltonne befördert und wieder von vorne angefangen. Das Ergebnis ist unser Album „Berg“. >>>






JONAS: Und wie seid ihr zur Musik gekommen? JOHANNES: Das war ganz plötzlich da. Meine Eltern wollten früher immer, dass ich ein Instrument lerne. Ich hatte aber mehr Bock auf Fußball. Aber irgendwie kam dann wie aus heiterem Himmel ein gewisses Interesse für Rockmusik, da war ich etwa 13. Ich wollte ganz von mir aus ein Instrument lernen, habe mir eine Akustikgitarre geliehen und angefangen, darauf Bass zu verschiedenen Bands zu spielen. Etwas mit Musik zu machen, das war ein total schönes Gefühl. Ich wollte mich mehr und mehr damit auseinandersetzen. So hat sich dann Schritt für Schritt die Euphorie und Leidenschaft dafür entwickelt. TIMM: Bei mir war’s ganz klassisch. Meine Eltern haben mich mit fünf Jahren in die Musikschulfrüherziehung gesteckt. Mit sechs habe ich dann angefangen, Keyboardunterricht zu nehmen – insgesamt 13 Jahre lang! Irgendwann hatte mich Max mal darauf angesprochen, dass in der Schulband ein Schlagzeuger gesucht wurde. Er hat mich angeworben, obwohl ich vorher nie an einem Schlagzeug gesessen hatte. Aber schlechter als bisher konnte es nicht klingen, also habe ich zugesagt. Max und ich haben uns wenig später Zusammen ein Schlagzeug gekauft, das aber bei mir im Keller stand. So konnte ich mehr üben als er, und plötzlich kam auch dafür die Passion – es hat einfach mehr Spaß gemacht als Keyboard spielen.

MAX: Ich habe sechs Jahre lang im Alter von vier bis zehn klassischen Klavierunterricht gehabt, wo ich wirklich viel gelernt habe. Und obwohl ich Klavier spielen geil finde, fand ich den Unterricht richtig doof – man musste immer nach Noten spielen, es war viel zu reglementiert. Irgendwann habe ich dann im Keller eines Freundes eine E-Gitarre stehen sehen und war total geflasht: Für mich war es das coolste Instrument der Welt! Ich habe mir also zum Geburtstag eine E-Gitarre gewünscht und angefangen, mir selbst das Instrument beizubringen. Ich bin darin total aufgegangen! Mittlerweile ist die Gitarre für mich wie ein Stift, mit dem ich unsere Songs zeichnen kann.

Die Sonne steht mittlerweile recht tief. Beladen mit unserem Equipment machen wir uns daher wieder auf den Weg Richtung Parkplatz. Würde jeder von uns jetzt einen Blick auf sein eigenes Gesicht werfen, hätte er sich wohl selten so zufrieden gesehen. Für einen kurzen Augenblick feuert uns die Nachmittagssonne einen warmen Lichtball entgegen, als wollte sie uns diesen Moment für immer ins Gedächtnis brennen. Und obwohl keiner von uns ein Wort gesagt hat, scheinen alle in diesem Augenblick genau zu wissen, was gemeint ist. >>>




JONAS: Werdet ihr von euren Familien und eurem Umfeld unterstützt in dem, was ihr tut? MAX: Von der Familie total. Beim Umfeld ist es schon etwas schwieriger. Wir kommen alle vom Dorf, da bist du entweder im Fußballverein, im Schützenverein oder in der Freiwilligen Feuerwehr. Irgendwie war das aber nie so unser Ding. Viele können es schlicht und einfach nicht nachvollziehen, dass man auf sowas keinen Bock hat und sich stattdessen in einem Raum einsperrt, um Musik zu machen.

Wir fühlten uns alle von diesen traditionellen Lebensentwürfen nicht wirklich angefixt und suchten ein Projekt, an dem man festhalten kann. Am Anfang gab es leider viele dumme Sprüche wie etwa „Schaut mal, die Idioten, die wollen Musik machen. Das wird doch nie was!“. Wenn man aber an dem Punkt angekommen ist, dass man als junger Kerl vom Dorf eine Tour quer durch Deutschland macht und mal in Berlin, München oder sonstwo spielt, ist die Akzeptanz plötzlich da. Es gibt ein gewisses Interesse, und manche finden es sogar cool. >>>






JONAS: Wie geht es jetzt bei euch weiter? TIMM: Nach unserer Single „Nach dem Nebel“ kommt unser Album „Berg“, das quasi in den Startlöchern steht. In „Nach dem Nebel“ geht es übrigens darum, dass man zu bestimmten Dingen eine Art Hassliebe entwickeln kann, weil man auf der einen Seite nicht ohne sie kann, auf der anderen Seite aber sich daran total aufreiben und verbrauchen kann. Diesen Umstand kann man wunderbar auf unsere Band projizieren: Obwohl es im Laufe der Jahre so viele Tiefschläge gab, hängt unser Herz extrem an Johann van der Smut. Wenn man auf der Bühne steht und in die Gesichter der Fans schaut, merkt man: Es ist jede Minute wert. JONAS: Könntet ihr euch überhaupt ein Leben ohne die Musik vorstellen?

MAX: Wir müssen das jetzt auch einfach durchziehen. In dem, was in den fast fünf Jahren entstanden ist, steckt so viel Arbeit und Herzblut, dass wir damit nicht aufhören können. Wir sind jetzt auf halber Strecke und wollen irgendwann durchs Ziel laufen. TIMM: Stimmt, wir können nicht zurück. Jetzt umkehren wäre Selbstmord.

Wir sind am Parkplatz angekommen, verstauen die Geräte und machen uns auf den Rückweg zum Dortmunder Hauptbahnhof. Während wir auf die Straße biegen, fährt ein kräftiger Wind durch die Bäume am Ufer. Es wirkt, als würden sie zum Abschied winken. Was für ein wunderschöner Tag! Manchmal sind es eben die einfachen Dinge, die glücklich machen. Und manchmal braucht es solche Tage, um zu wissen, wofür das Herz schlägt. Auf Wiedersehen, Ruhrgebiet.

JOHANNES: Definitiv nicht! Interessanterweise haben wir darüber vor kurzem noch geredet. Es würde uns wahrscheinlich nach wenigen Tagen oder Wochen so in den Fingern jucken, dass jeder von uns wieder zu seinem Instrument greifen würde.

Dort, wo die jungen Birken wachsen, die sich Richtung Sonne strecken.




OWE N GE NT IS A 23- Year - Old I L LU STR ATor living in Falmouth / Eng l an d.

w w w. o w e n g e n t . c o m

OWEN GENT





WHERE YOU LIVE OWEN GENT Today my heart ambled along, comfortably if not gracefully. Fluttering briefly at black coffee and a familiar voice, faltering slightly at old eggs. There have been days where this steady pace has slipped however, falling to less sure ground. Where heavy burdens overwhelm valleys and lave relentlessly against confident roots. When each beat stumbles clumsily into the next, there is one place, always effortlessly untouched. Exquisite warmth through a solid door, four jumpers and a tiny fringe. Where you live.



INTERVIEW

Mat hias Le mpart ist 22 Jah r e alt, K端n stl er un d Designe r und lebt in B er l i n .

w w w. m at i s ta c h e . c o m

MATI STACHE






NACH VORNE T E X T : F O T O S :

JONAS MEYER Max Seedorf

Grunewald an einem späten Nachmittag irgendwann im Juni. Nur wenige Minuten ist es her, dass ein tosender Platzregen die Luft und Straßen reingewaschen hat. Auf den Blättern der alten Bäume entlang der Koenigsallee sammeln sich unzählige Wassertropfen und fallen wie kleine Bomben auf den von der Tageshitze erwärmten Asphalt. Kaum dort angekommen verdampfen sie auch schon und verharren in einem urzeitlichen Nebel über der Allee. Wenige Meter abseits der Straße liegt der ehrwürdige Königssee. Unbeeindruckt von der Aufregung der letzten Minuten verordnet er der gesamten Umgebung eine andächtige Ruhe. Auf einer kleinen Anhöhe direkt am Ufer sitzt Mathias Lempart alias Mati Stache. Genauso unaufgeregt, würdevoll und in sich gekehrt wie der Königssee beobachtet Mati seine Umgebung und wacht mit aufrechter Haltung, festem Blick und stoischer Ruhe über das dunkle Wasser. Man könnte bei dem Anblick fast vor Ehrfurcht erstarren, würde sich nicht plötzlich ein freundliches Lächeln über Mati’s Ge-

sicht ausbreiten und seine Augen leuchten lassen. Ehrfurcht ist also nicht wirklich ein Thema, eher Spannung und Vorfreude auf die nächsten 60 Minuten und das Gespräch mit dem jungen Künstler. Was so ein Lächeln alles bewirken kann.

JONAS: Du wirst demnächst umziehen und Grunewald verlassen. Bist du wehmütig? MATI: Nein, eigentlich gar nicht. In meinem Leben war es bisher immer so, dass es mich nie sehr lange an einem Punkt gehalten hat. Ich habe eigentlich immer alle zwölf bis achtzehn Monate den Standort gewechselt und bin in eine neue Stadt gezogen. Ich werde zwar diesmal nur innerhalb Berlins umziehen, allerdings funktionieren die Bezirke für sich wie einzelne Städte und haben alle einen ganz unterschiedlichen Charakter. wie möglich in den Westen zu ziehen. >>>





JONAS: Kommst du aus einer künstlerisch geprägten Familie? Ist dir das kreative Arbeiten quasi in die Wiege gelegt? MATI: Nein, absolut gar nicht. Der einzige Künstler in der Familie ist mein Onkel, der als Bildhauer arbeitet. Er war von uns der erste, der sich getraut hatte, in seinem Leben etwas Künstlerisches zu machen. Dabei hatte er es sicherlich nicht leicht, trotzdem ist er für mich ein großes Vorbild. JONAS: Wann hast du denn für dich selbst gemerkt, dass du im künstlerisch-kreativen Bereich arbeiten willst? MATI: Ich habe mich anfangs ziemlich gesträubt, in die Kunst zu gehen – vor allem konnte ich mir auch nie vorstellen, etwas mit Mode zu tun zu haben. Ich dachte, das ist wirklich das Allerletzte, was ich machen möchte. Aber mit jedem Schritt, den ich gemacht habe, und mit jeder Entscheidung, die getroffen werden musste, habe ich mich immer mehr in diese Richtung entwickelt. Irgendwann war ich an dem Punkt, wo ich mir gesagt habe: Ok, dann mach das eben, aber wenn du es machst, dann mach es richtig und zieh es durch. JONAS: Und wie sahen deine ersten Schritte als Künstler aus?

MATI: Nach dem Abi haben sich alle entschieden, dies oder jenes zu studieren, zur Sparkasse zu gehen oder sonst etwas zu machen – da gibt es dann ja mehr oder weniger willkürliche Entscheidungen. Ich habe mich damals gefragt: Wie soll ich mich denn jetzt für irgendeine Richtung entscheiden, in die ich mich entwickeln will, wenn ich mich selbst noch gar nicht kenne? Ich kenne mich ja nur aus der Schulsituation: Da sitzt man 13 Jahre lang rum und lässt sich von anderen sagen, was richtig und was falsch sein soll. Deshalb habe ich für mich einen Freiraum gesucht und zunächst mal einige Praktika bei diversen Grafikdesignern gemacht. Anschließend habe ich mich für ein Kunstprojekt von Jochen Gerz im Zusammenhang mit dem Kulturhauptstadtjahr Ruhr 2010 beworben – und wurde angenommen, obwohl meine einzige Referenz „nur“ meine Motivation war. Das Projekt hieß „Zwei bis drei Straßen“ und es ging darum, dass 80 Menschen aus aller Welt eingeladen wurden, in einer Straße mitten in Dortmund ein ganzes Jahr lang zu wohnen. Diese 80 Menschen verlebten dort ihren Alltag und wurden dabei von Besuchern in ihrem neuen Zuhause beobachtet – wir Bewohner waren also quasi selbst die Ausstellung. Die Gruppe der Bewohner bestand nicht nur aus Künstlern, sondern ganz allgemein aus Menschen, die beispielsweise motiviert waren zu schreiben – so wie ich. Die Eindrücke jedes Tages wurden nämlich schriftlich festgehalten und später als Buch veröffentlicht. >>>




JONAS: Und deine nächsten Schritte als Künstler waren welche? MATI: Das Ganze hat mich total inspiriert und motiviert, selbst in die Konzeptkunst zu gehen. Schon während meiner Zeit in Dortmund habe ich daher angefangen, im Rahmen der sogenannten „Besucherschule“ insgesamt etwa 700 Ausstellungsbesuchern das Projekt näher zu bringen und verständlich zu machen. Neben eigenen Konzeptkunstaktionen in Karlsruhe und Straßburg konnte ich außerdem in 2010 als jüngster Künstler auf der renommierten Istanbul Art Fair ausstellen – das war für mich der absolute Wahnsinn! Von Dortmund aus, wo ich nach dem Ende des Projekts noch sechs weitere Monate geblieben bin, ging es schließlich nach Berlin-Grunewald ins Löwenpalais. Dort arbeite ich seitdem im Rahmen des „Artist in Residence“-Programms der Stiftung Starke an meiner Kunst und meiner Mode.

Wir treten einen kleinen Spaziergang über den Hasensprung an, der den Königs- vom Dianasee trennt. Die vielen alten Bäume um uns herum haben sich mittlerweile ihrer großen Regentropfen entledigt, Vögel zwitschern, es wird wieder etwas heller. Mati läuft einige Schritte voraus und biegt ab in Richtung Fontanestraße. Imposante Häuser säumen unseren Weg und erheben sich nicht ohne einen gewissen Stolz über die Straße. Ab und zu bleiben wir stehen, halten Ausschau nach einem schönen Motiv und schießen ein paar Fotos.

Beobachtet man Mati für eine Weile, fällt seine aufrechte Körperhaltung auf, die immer konzentriert, aber nie überheblich wirkt. Auch wenn er sich unbeobachtet fühlt, geht von ihm eine gewisse vornehme, aber trotzdem zurückhaltende Würde aus. Wäre man gezwungen, seine Gestalt, seinen Blick und seinen Gesichtsausdruck mit einem Oberbegriff zu beschreiben, würde man wohl das Wort „Zuversicht“ wählen. Wir schlendern um den Dianasee und bewegen uns auf das Löwenpalais zu, in dem Mati seit einem Jahr wohnt und arbeitet.

JONAS: In unserer Gesellschaft werden Künstler immer noch belächelt und haben mit Vorurteilen zu kämpfen, wenn sie nicht wirklich sehr berühmt sind. Geht dir das auch so? MATI: Ich nehme weniger das Problem war, dass wir belächelt werden. Was die Vorurteile angeht, muss ich sagen, dass es auch die Aufgabe von uns Künstlern selbst sein muss, unsere Kunst den Leuten näher zu bringen und verständlich zu machen. Ich finde, es gibt als Künstler nicht schlimmeres, als sich zu isolieren und den Dialog mit den Leuten abzulehnen. Aber wer könnte besser den Vorurteilen der Leute vorbeugen und ihnen seine Arbeit erklären als der Künstler selbst? Die Schuld trifft da sicherlich nicht nur die breite Masse.


JONAS: Entstand damals in Dortmund auch schon dein Label Mati Stache? MATI: Ja, das wuchs da gerade heran. Weißt du, irgendwann kommt man an den Punkt, wo man sich in der Situation des sprichwörtlichen brotlosen Künstlers wiederfindet, und stellt sich unweigerlich die Frage, womit man eigentlich sein Geld verdienen will. Ich habe damals alle möglichen Nebenjobs gemacht, die’s gibt – vom Bühnenaufbauer in der Lanxess-Arena in Köln bis zum Gläserspüler in diversen Clubs war da wirklich alles dabei. Dabei habe ich aber gemerkt, dass ich meine gesamte Zeit nicht verplempern will, nur um ein paar Euro für mein Brot zu erwirtschaften. Und ich habe mir die Frage gestellt, ob es nicht etwas gibt, das mir gleichzeitig Spaß macht, einen Sinn hat und mir trotzdem meinen Lebensunterhalt sichert. Plötzlich hatte ich die Idee mit den Shirts, die ich bald selbst zu allen möglichen Anlässen und Terminen getragen habe. So kam nach und nach ein gewisses Interesse auf und die ersten Anfragen und Bestellungen rein. Das Ganze hat sich dann irgendwie entwickelt. Im Januar letzten Jahres hatte ich meine erste Fashionshow und in wenigen Tagen steht die nächste vor der Tür, wo ich endlich meine neue Kollektion zeige. JONAS: Was war die Idee hinter den Schnurrbärten auf den Shirts?

MATI: Im Ruhrgebiet sieht man viele urige Typen mit richtig dicken Haarbalken im Gesicht. Aber wofür steht so ein Schnurrbart eigentlich? In gewisser Weise doch für Stärke, Macht, Selbstbewusstsein, Potenz... Mir drängte sich eine Frage auf: Warum muss man den Schnurrbart denn unbedingt im Gesicht tragen und nicht beispielsweise auf einem Kleidungsstück, das man im Gegensatz zum Bart auch mal ausziehen kann? Im Gesicht wirkt das doch eher wie eine Maskierung. So wanderte der Bart aufs Shirt. Außerdem tragen Männer Schnurrbärte schlicht und ergreifend auch, weil sie es können – im Gegensatz zu Frauen. Durch meine Shirts haben die jetzt aber ebenso die Möglichkeit, jene Insignien von Stärke und Macht zu tragen. JONAS: Es ist also in den letzten Jahren viel passiert in deinem Leben... MATI: Ja, ich hab’s selbst noch gar nicht richtig verdaut... JONAS: Kneifst du dich ab und zu? MATI: Kneifen nicht, aber sobald ich anfange, die letzten Jahre zu reflektieren, bin ich schon wieder vor dem nächsten Schritt. Es geht momentan alles sehr schnell.

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Wir sind mittlerweile in Mati’s Atelier im Löwenpalais angekommen und versinken in den bequemen Strandstühlen am großen Fenster. Kekse gibt es, selbstgebacken von der Mutter des Zwanzigjährigen und mit herzlichen Grüßen aus der Heimat per Paket nach Grunewald geschickt. Hinter uns hängen die Stücke seiner neuen Kollektion wie Trophäen an der Wand. Und auch wer nichts von Mode versteht, wird beim Betrachten der vielen schönen Teile feststellen, wie viel Kraft und Arbeit es den jungen Kreativen in den letzten Monaten gekostet haben muss, dies alles zu erschaffen.

JONAS: Du zeigst in wenigen Tagen deine neue Kollektion. Bist du mit deinen Kräften nicht auch mal am Ende? MATI: Nein. Alles, was ich jetzt nicht mache oder mitnehme, werde ich irgendwann bereuen. Deswegen gehe ich an die äußerste Grenze. Dafür darf ich mir nicht zu schade sein. JONAS: Welche konkrete Idee steht hinter deiner neuen Kollektion? MATI: Ich möchte einfach vielseitiger sein. Mode ist etwas Alltägliches, aber bisher konnte ich mit meinen Shirts nur einen kleinen Teil des Alltags abdecken.


Ich möchte aber für jede Alltagssituation etwas bieten können, vom Kleid bis zum Sweatshirt ist daher nun alles drin: Die neue Kollektion reicht von schickeren Sachen für Frauen bis zu fast trashigen Stücken für Männer. Insgesamt hat sich auch der Schnurrbart als Markenzeichen verändert. Ich setze ihn nun weniger plakativ ein und lasse ihn als Logo eher in den Hintergrund wandern. JONAS: Wer oder was hat dich dabei am meisten inspiriert? MATI: Es gibt eine Künstlerin, die mich schon seit Jahren sehr inspiriert. Sie heißt Rochelle Murphy und ist die Frontsängerin der Band Moloko. Ich bin total beeindruckt von der emotionalen Ästhetik hinter ihrer Kunst und mag es sehr, dass sie Musik und Mode verschmelzen lässt. Und obwohl sie so gehypet wird, bleibt sie sich selbst immer treu und ist auf dem Boden geblieben. JONAS: Hast du für dich definiert, in welche Richtung sich dein Label entwickeln soll? Oder lässt du dich eher treiben? MATI: Ich lasse mich treiben, habe aber das Steuer in der Hand. Wenn man zu viele Erwartungen hat und Pläne schmiedet, wird man doch nur enttäuscht. Ich glaube, dass Offenheit der Schlüssel ist, um dem erfolgreich entgegenzuwirken.

JONAS: In der neuen Kollektion steckt dein gesamten Herzblut. Kannst du dir vorstellen, in fünf, zehn oder fünfzehn Jahren dein Herz an etwas zu verlieren, das nichts mit Mode zu tun hat? MATI: Vorstellen kann ich mir viel. Ich mache grundsätzlich immer das, was ich in diesem Moment für richtig halte. Und im Großen und Ganzen war ich bis jetzt mit all meinen Entscheidungen glücklich. Sollte es mal so sein, dass ich nichts mehr damit am Hut haben will, dann wird das auch seinen Sinn haben. Ich mache mir da wirklich keine Vorgaben und bleibe offen. Mal sehen, was kommt.

Die Dunkelheit ist mittlerweile eingebrochen, Grunewald bereitet sich auf die Nacht vor. Die Bäume entlang der Koenigsallee wachen wie stumme Soldaten vor den Häusern, der See hat sich zu einem schwarzen Spiegel verwandelt. Wir verlassen Mati’s Atelier und treten hinaus in das blasse Licht der Straßenlaternen. Aufrecht und erhobenen Hauptes steht der junge Modeschöpfer in der Tür, verabschiedet sich herzlich und schaut uns noch eine Weile hinterher. Ein letztes Mal drehen wir uns um. Da ist es wieder, dieses Lächeln, das eine unverrückbare Zuversicht ausstrahlt und begleitet wird von einem festen, aber sympathischen Blick, der nur eine Richtung kennt: nach vorne.





AMIRA AMIRA IST 2 1 JAh r e alt, stammt au s pal 채sti na , i st studen ti n un d leb t i n d 체 sseld or f.





HEIM WEH AMIRA Manchmal vermisse ich die andere Seite. Die Seite, die zur Hälfte auch zu mir gehört, der meine Wurzeln entsprungen sind. Dann entsteht so ein Gefühl in meinem Bauch und mein Herz wird ganz schwer. Es ist ein Sehnsuchtsgefühl, wenn ich an die Palmen denke, deren Blätter sich durch den Wind des Meeres hin und her bewegen, an die melodische Stimme des Muezzin, die durch die Stadt schallt, wenn er fünf Mal am Tag zum Gebet ruft. An die sandigen Straßen, auf denen überall Müll liegt, an das Flirren der Luft in der Mittagshitze, wenn meine Cousinen und ich auf dem Dach des Hauses gespielt haben. Als wir noch Kinder waren und in unseren Sommerkleidchen durch die Straßen laufen durften, zum Strand.

An das Surren des Ventilators an der Decke, wenn ich auf harten Matratzen zu schlafen versuchte, an den Duft des Tees, der immer serviert wurde, wenn Gäste da waren. Essen, mit den Fingern, auf dem Boden, Couscous, Hummus, Tomaten, Fladenbrot. Die vielen Straßenmärkte, wo es saftiges Obst gibt, wo die Honigmelonen und Mangos immer so riesig waren. An die Musik, die so schön kitschig und an jeder Straßenecke zu vernehmen war. An meine liebe Großmutter, die mich immer mit Küssen überhäuft hat. Ein vertrauter Geruch, eine Melodie, arabisch sprechende Menschen - und die Erinnerung ist wieder so deutlich da, als wäre das alles erst gestern gewesen. Aber ich lebe nicht dort, sondern hier, wo alles anders ist. Manchmal vermisse ich es so sehr. Ist es Heimweh oder Fernweh? Wo gehöre ich hin, wo gehört mein Herz hin?


FELI X HA AS IST 21 JAH RE ALT, ST UDENT UND LEBT IN BERL I N .

FELIX HAAS






F O T O : D A V I D PA P R O C K I w w w. d av i d pa p r o c k i . c o m

SAMSTAG NACHT FELIX HAAS Adrenalin. Und Schotterweg. Da vorne steht der kleine graue Mann, der mir bis zur Schulter geht. Er ist so nett und lässt mich rein. Eigentlich ist der doch voll das Herzchen. Jetzt berauscht mich die heiße Luft zwischen den kalten Betonmassen. Der Wodka tut sein Übriges. Ich liebe Wodka. Mein Herz schlägt für Wodka. Zwei Typen putzen für mich die Klobrille noch einmal mit Persil ab, bevor ich in die Kabine husche. Ich hüpfe die gusseiserne Treppe wieder runter. Einer vom Ledertrinen-Trio haut mir auf den Arsch und schreit irgendwas. Alles Liebe und Herzchen im urbanen Kontext. Meine Freundin nächtigt auf dem Fensterbrett, mein Freund leckt ein Double von Dominico Dolce ab. Boom Boom.

Ich dance seit Stunden und bekomme Durst. Glücklicherweise befreien mich die Schwarzhändler draußen am Gehwegrand von der Diktatur überteuerter Drinks im Klub. Hier kann man sogar selber mischen. So bekommt auch mein Getränk mehr „Herz“. Obwohl plötzlich die Sonne aufgeht, gehe ich jetzt, hydriert as fuck, wieder rein. Zack, an der Schlange und dem kleinen Mann vorbei. Die Meter voller Müll fühlen sich an wie ein roter Teppich. Mein Herz wummert im 4/4-Takt, als ich von oben auf die Gesichter der neidischen Bitches am Eingang schaue, und ich fühle mich ganz toll. You can kiss the ring but never touch the crown. Denke ich im Vollrausch von Alk und Herzrasen. Irgendwie braucht mein Herz genau das, zumindest in dieser Nacht.


INTERVIEW

Dan i el Axt ist 21 Jah re alt, Schau spie ler und lebt in N ew Yor k.

w w w. d a n i e l a x t . d e

Daniel Axt





MOMENT AUFNAHME T E X T : F O T O S :

JONAS MEYER D a v i d pa p r o c k i

New York. Kaum hat man diese beiden Silben über die Lippen gebracht, entfacht sich in vielen Menschen ein loderndes Feuer aus Sehnsucht, Fernweh und tausender unerfüllter Wünsche. Augen leuchten, Gesichter strahlen, als wäre nach unzähligen Monaten Dauerregen endlich die Sonne aufgegangen. New York. Manch einer hat es gewagt, sein Glück selbst in die Hand zu nehmen und aufzubrechen in die Stadt aller Städte im wohl immer noch verheißungsvollsten Land aller Länder. In der Hoffnung auf ein anderes Leben reisten Etliche ihren sehnlichsten Träumen hinterher. Anders ist aber nicht immer besser, und so scheitern die meisten Träumer schon nach kurzer Zeit an dieser übermächtigen Stadt. Oder an sich selbst. Trotzdem reißt der Strom der Sehnsüchtigen nicht ab, New York zieht Glücksuchende an wie ein Magnet. Einer jener Wagemutigen ist der junge Schauspieler Daniel Axt. Im September 2011 brach er aus Deutschland auf, um in der sagenumwobenen Metropole an der amerikanischen Ostküste Schauspiel zu studieren.

Seit Mai diesen Jahres ist der Zwanzigjährige wieder in Deutschland – allerdings nur für ein paar Wochen, denn ein Spielfilm-Dreh steht an. Und so treffen wir Daniel an einem frühlingshaften Maiabend nicht in New York, sondern in Berlin-Mitte. Aufgrund der äußerst begrenzten Zeit muss diesmal eine Hotelbar als Interviewort genügen. Egal. Der Tresen ist unsere Bühne, der Barkeeper unser kleines Publikum. Film ab.

JONAS: Du bist am 12. September 2011 in New York angekommen. Hattest du dir im Vorfeld jemals Gedanken darüber gemacht, dass sich dadurch wahrscheinlich von heute auf morgen dein gesamtes Leben ändern wird? DANIEL: Mir kam schon ab und zu die Idee, aber ich habe es fleißig vermieden, mir darüber intensiv Gedanken zu machen. Ich habe mir selbst und auch meinen Eltern und Freunden gegenüber immer gesagt: Alles cool. Läuft.


Dann aber kam ich in New York an. Ich bin ins Hotel gefahren, habe mich schlafen gelegt, bin aufgewacht und das Erste, was ich daraufhin gemacht habe, war zuhause anzurufen und zu heulen, weil plötzlich alles über mich kam. Ich wollte noch nicht einmal das Hotel verlassen, weil ich mich so extrem unwohl gefühlt habe – ich kannte mich nicht aus, war ganz alleine und bin daher in den ersten Tagen absolut gar nicht klargekommen. Aber als ich wenig später in mein WGZimmer gezogen bin, war alles etwas leichter. Es ist sowieso so, dass sich diese ganzen Probleme legen, wenn man andere Menschen kennenlernt – eine Woche nach meiner Ankunft hatte nämlich Gott sei Dank schon der Unterricht an der Schauspielschule, dem „Neighborhood Playhouse“, angefangen. Außerdem hatte ich das Glück, dass mich ein Bekannter aus Berlin etwas durch die Stadt geführt hat, was mir etwas die Unsicherheit genommen hat. Dazu kam, dass ich immer wieder Komplimente für mein wohl nicht ganz so schlechtes Englisch bekam, was mir ein gewisses Selbstvertrauen gegeben hat. Und so habe ich sozusagen allmählich die Leiter erklommen. JONAS: Wie war die erste Zeit an der neuen Schule? Hat es dir etwas gebracht, dass

du vorher in Deutschland schon recht viele Erfahrungen im Schauspielbereich gemacht hast, oder wurde quasi wieder alles auf Null gesetzt? DANIEL: Es zählt eigentlich nicht, ob du schon etwas gemacht hast - danach wird nicht gefragt. Die Lehrer behandeln alle gleich. Ehrlich gesagt wollte ich auch am Anfang gar nicht, dass jemand weiß, was ich schon alles gemacht habe. Ich hatte einfach die Befürchtung, dass die Leute dadurch noch von mir erwarten könnten, was mich zusätzlich unter Druck gesetzt hätte. Ich wollte nichts besonderes sein. Trotzdem bringt es dir natürlich was, wenn du bereits eine gewisse Erfahrung in dem Bereich gemacht hast, z.B. wenn du vor der Klasse stehst und deine erste Szene spielst bzw. deine ersten Exercises machst. Ich hatte das Gefühl, dass ich mich eigentlich ganz gut schlage im Vergleich zu Leuten, die das Ganze zum ersten Mal in ihrem Leben machen und noch nie vorher auf einer Bühne gestanden haben. Ich glaube, ich hatte dadurch wohl ein etwas anderes Selbstbewusstsein und konnte mich mehr als ich selbst präsentieren, während die unerfahreneren Leute anfangs noch eine deutliche Maske aufsetzten, um ihre Unsicherheit zu verbergen. >>>




JONAS: Siehst du im Nachhinein und mit dem in den letzten Monaten Gelernten deine früheren Rollen aus einer anderen Perspektive? DANIEL: Ja, absolut, definitiv! Ich gehe heute Rollen ganz anders an – ich würde sagen auf einer wesentlich entspannteren Ebene. Vor meinen Final Scenes kam Richard Pinter, der seit gefühlt 100 Jahren an der Schule unterrichtet, zu uns hinter die Bühne und sagte: „You know, guys, just fuck it!“ Das war das Motto, und genau darum geht es: Wenn man immer verkopft ist und sich fragt „wie mache ich dieses, wie spiele ich jenes?“, dann wird das Ganze absolut unnatürlich. Mann soll sich eben auf der Bühne nur auf den Moment konzentrieren. Der Moment ist das, was wirklich zählt. Was meine Perspektive auf frühere Rollen außerdem verändert hat ist die Tatsache, dass wir die sogenannte „Emotional Preparation“ gelernt haben, um uns mental und emotional auf StressSituationen vorzubereiten. Man lernt dabei, sich mehr auf sich selbst zu verlassen. Um es also abschließend zu beantworten: Wenn ich überlege, wie ich an frühere Rollen herangegangen bin und sie umgesetzt habe, würde ich auf jeden Fall sagen, dass ich diese Rollen heute anders sehe und sie mit dem jetzigen Wissen wohl mit kleineren oder größeren Abweichungen gespielt hätte.

Daniel schweigt einige Augenblicke. In Gedanken scheint er wieder in New York zu sein, an seiner Schauspielschule, auf der Bühne, um einzig und allein für den Moment zu spielen und zu leben. Im Oktober letzten Jahres wurde er in den Räumen seiner neuen Schule von David Paprocki portraitiert, wenige Wochen nach seinem Ankommen in der neuen Welt. Und

so wie er auf der Bühne versucht, sich von dem einen Moment tragen zu lassen, so sind auch die so entstandenen Fotos des Berliner Fotografen Momentaufnahmen eines jungen Schauspielers im Hier und Jetzt. Das Publikum um die Hotelbar hat sich mittlerweile etwas vergrößert. Neben dem Barkeeper, der heimlich aber gespannt unserem Gespräch lauscht, stehen und sitzen nun auch einige ältere Touristen um uns herum. Auch in ihren Augen scheint eine gewisse Sehnsucht aufzublitzen, wenn Daniel energiegeladen vom Leben in der Stadt auf der anderen Seite der Welt erzählt.

JONAS: Beeinflusst dieses Wissen auch die Art deiner Rollenvorbereitung? Als wir uns das erste Mal persönlich begegnet sind, hast du beispielsweise erzählt, dass du dich auf deine Rolle in „Die Brücke“ hauptsächlich dadurch vorbereitet hast, dass du intensiv mit deinem Opa über seine Erlebnisse während des Zweiten Weltkriegs geredet hast. Wäre das heute anders? DANIEL: Nein, das würde ich nicht sagen. Speziell für so eine Rolle war und ist diese Art der Vorbereitung ziemlich gut. Die eben angesprochene Emotional Preparation hilft dir aber bei Rollen, die du im ersten Moment nicht verstehst, weil du sie selbst in der Form noch nicht erlebt hast – z.B. wenn du einen Ehemann spielst, dessen Frau gerade ein Kind erwartet. Eine solche Situation kenne ich aus meiner eigenen Lebenserfahrung noch nicht und kann sie daher im ersten Moment noch nicht in Ihrer Gänze verstehen. Da braucht es eine gewisse emotionale Vorbereitung, um wirklich in die Rolle reinzufinden und sich darauf optimal vorzubereiten.


Was außerdem – jedenfalls für mich – ganz gut funktioniert, ist einen Text komplett plain, also ohne Emotionen, zu lernen. Wenn man ihn nämlich inklusive Emotionen lernt, besteht immer die Gefahr, dass man sich zu sehr auf seine eigene Idee vom Stück einschießt und dadurch in seinem Spiel unflexibel wird. An unserer Schule wird das sogenannte „Listening and Answering“ gelehrt, was bedeutet, dass mir mein Spielpartner eine gewisse Energie gibt, die ich auch auf eine gewisse Art und Weise beantworten muss. Wenn ich während des Spielens merken würde, dass ich den Text mit einer ganz anderen Dynamik und Energie gelernt hätte, als ich sie eigentlich bräuchte, um auf meinen Partner reagieren zu können, würde das Spielen ganz schön in die Hose gehen. JONAS: Fühlst du dich eigentlich im Nachteil, weil du in New York kein Muttersprachler bist? Auf Deutsch kannst du ja bestimmt Texte ganz anders fühlen und interpretieren. DANIEL: Am Anfang habe ich mich wirklich im Nachteil gefühlt, aber nicht im negativen Sinne – so komisch sich das jetzt auch anhören mag. Die Tatsache, dass ich Dinge im Englischen nicht so ausdrücken konnte, wie ich sie im Deutschen ausdrücken würde, hat mich total angespornt, nicht nur mein Vokabular zu erweitern, sondern auch Sprichworte und spezielle Ausdrücke zu lernen. Wer weiß, ob ich ohne diesen „Nachteil“ je so ambitioniert gelernt hätte... Mittlerweile ist mir das Englische echt ins Blut übergegangen. Mir ist es vor

kurzem sogar passiert, dass ich hier in Berlin in einem Restaurant dem Kellner immer „Thank you“ und „yes, everything fine“ geantwortet habe. Das war mir im Nachhinein unendlich peinlich, er dachte bestimmt, ich wollte cool wirken. Aber es war ein reiner Automatismus. JONAS: Fluchst du mittlerweile auch auf Englisch? DANIEL (lacht): Ja! JONAS: Daran merkst du ja, dass du wirklich angekommen bist... DANIEL: Absolut. Ich träume mittlerweile auch auf Deutsch und Englisch. Echt verrückt.

Daniel Axt grinst über das ganze Gesicht. Der Spagat zwischen beiden Welten scheint ihm keine Probleme zu bereiten. Ganz im Gegenteil – es ist, als würde er daraus zusätzliche Energie schöpfen. So vereinnahmend ist sein Wesen, so hell leuchten seine Augen, dass in diesem Moment nichts abwegiger erscheint als Befürchtungen oder Zweifel, dass er mit seinem Vorhaben scheitern könnte. Der kleine Raum um die Hotelbar hat sich mittlerweile ansehnlich gefüllt. Immer mehr Menschen versuchen sich nicht anmerken zu lassen, dass sie gespannt Daniels Antworten lauschen. Mürrisch arbeitet der Barkeeper die Bestellungen ab. Er hätte wohl auch gerne weiter zugehört. >>>




JONAS: Man sagt ja, dass Leute, die für längere Zeit ins Ausland ziehen, eine kurvenartige Entwicklung durchmachen: Am Anfang finden sie alles total toll und sind extrem begeistert. Dann fällt die Stimmungskurve ziemlich in den Keller, man fühlt sich einsam und alleine, hat Heimweh, will alles hinschmeißen. Und nur ganz allmählich bessert sich der Zustand wieder, bis man irgendwann auf einem stabilen, zufriedenen Level angekommen ist. War das bei dir ähnlich? DANIEL: Ich glaube, bei mir war das etwas anders. Dadurch, dass es mir gleich bei der Ankunft so schlecht ging, konnte es ja kaum schlimmer werden. Im Laufe der Zeit habe ich mich aber in die Stadt verliebt. Und in die Schule. Und in die Leute. Und jetzt ist alles toll. Ich bin sogar so verliebt in das alles, dass ich mich jetzt gerade hier in Berlin etwas fehl am Platz fühle und gerne wieder in New York wäre. Ich muss aber sagen, dass das Leben dort auch wie überall recht schnell zur Routine wird. Ab und zu muss man sich daher selbst mal zwicken und sich daran erinnern, wo man eigentlich gerade ist und was man da tut.

Unabhängigkeit ist mit das Wichtigste in meinem Leben – seit ich 15 bin, lebe ich von meinem eigenen Geld. Das Wegziehen auf einen anderen Kontinent war für mich trotzdem ein riesiger Schritt. Ich wollte mir einfach selbst zeigen, dass ich das schaffen kann. JONAS: Du stehst demnächst für die Verfilmung des Märchens „Schneeweißchen und Rosenrot“ vor der Kamera, wo du den Prinzen spielst. Kannst du für diese Rolle etwas nutzen, was du in den letzten Monaten in New York gelernt hast?

JONAS: Hast du das Gefühl, dass du diesen Break in deinem Leben gebraucht hast? War es Zeit für etwas neues?

DANIEL: Die Rolle ist etwas ganz anderes als alles, was ich bisher gemacht habe, daher werde ich das wohl erst im Laufe des Drehs herausfinden. Außerdem geht es im ersten Jahr an der Schauspielschule auch eher um das besagte „Listening and Answering“, Charakterarbeit kommt erst im zweiten Jahr. Ich könnte mich also mit dem New Yorker Background erst nach zwei Jahren in Gänze auf die Rolle vorbereiten.

DANIEL: Ich glaube, es hat mir gut getan – alleine schon deshalb, um mir beweisen zu können, dass ich unabhängig sein kann.

JONAS: Der Film wird im Laufe des Sommers gedreht. Wann geht’s zurück nach New York?


Und ich hoffe, dass ich einen guten Agenten finde. Ich habe zwar eine tolle Agentur in Deutschland, die sich super kümmert, aber um in Amerika Fuß fassen zu können, brauche ich eben vor Ort einen zusätzlichen Agenten. JONAS: Du würdest also erstmal lieber in Amerika arbeiten?

DANIEL: Ich denke mal Anfang September. Mitte September beginnt ja das zweite Schuljahr. JONAS: Freust du dich? DANIEL: Natürlich! Allerdings wird es auch richtig hart: Es gibt insgesamt nur zwei Schuljahre, die dann aber jeweils acht Monate am Stück laufen. Das zweite Schuljahr wird mich physisch und mental noch wesentlich intensiver fordern als bisher – aber egal, ich will’s schaffen! JONAS: Hast du schon eine Perspektive für die Zeit danach? DANIEL: Ich hoffe, dass ich nach meinem Abschluss möglichst gute Kontakte bekomme und zu vielen Castings eingeladen werde – für Absolventen unserer Schule stehen da die Chancen nie so schlecht.

DANIEL: Ja, weil der Markt dort einfach größer ist. Und weil es mehr Perspektiven für meine Zukunft gibt. Nicht dass ich auf dem deutschen Markt alles erreicht hätte – alles andere als das! Aber es wäre für mich wieder ein Ansporn und der nächste große Schritt in meinem Leben. Mal sehen, ob’s klappt.

Daniel muss los. Er will am Abend noch nach Rostock fahren, um einen Freund zu besuchen. Wir zahlen, verlassen die Hotelbar und verabschieden uns. Etwas traurig schauen uns die anderen Gäste hinterher. Und auch den Barkeeper überkommt ein Hauch von Wehmut. Sie hätten dem zwanzigjährigen Schauspieler wohl gerne noch etwas länger zugehört - gerade erst schien sich in Ihnen jenes Feuer aus Sehnsucht, Fernweh und tausender unerfüllter Wünsche zu entfachen. Sie strahlen eben eine ganz besondere Magie aus, diese beiden Worte. New York. Oder war es doch Daniel Axt?




Jessica Yatrofs ky is an Art i st livi ng i n Ne w York.

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JESSICA YATROFS


A SKY




FULL OF MEMORIES J e s s i c a Ya t r o f s k y My heart is full of memories, some good, some bad, and some forgotten.



Fanny AlliĂŠ is a 30-year-ol d vi sual arti st born i n montpellier / france an d l ivi ng i n n ew yor k.

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FANNY ALLIE





INSIDE ME FA N N Y A L L I É I found a heart on the street, it was hiding near a trashcan, shaking. I asked it what it was doing on its own. It told me that it just escaped its body and it was now waiting for a better owner, a less dark body than the previous one. It then said that it was scared to be all by himself. My own heart shrank and I suggested that it could stay at my apartment, for a couple of days. I told it that staying outside for too long wasn’t a good idea for a heart. It accepted with relief. I carried it in my arms, back to my apartment. As I was walking I could feel its heart beat going faster. I could tell it was at ease at my place, it got its bearing from the very beginning.

Its beat slowed down as days went by. On my side, I felt happy to know that it would be home waiting for me to come back. One peaceful month went by, we were in harmony. But, one evening, I came back a little later than usual. When I entered my apartment I didn’t see it at its habitual spot. I felt a sudden pinch in my chest, where was it? How could it leave just like that, without a word? It was nowhere to be found. I sat in the sofa, with a heavy heart. I closed my eyes and tried to focus on my breathing. I then placed my right hand on my chest and I suddenly realized that the heart that I had found on the street a month ago, finally found a new owner. It was inside me.



D


MICH EL DI ERcKS I ST 2 3 Jah r e alt, Schau spi el er un d leb t i n P otsdam.

w w w. m i c h e l d i e r c k s . d e

MICHEL DIERCKS





ZWILLING ZUHAUSE Michel Diercks dein kopf ist ne kuppel. darunter spielen munter zwei entweiher ihre leier und zischen dazwischen: die fl端stergeschwister, angst und zweifel, trotz schmetterlingwetter. ausmerzen! von herzen!


Margar Durow Marg ar e t Durow is a 22-year - ol d photo arti st livi ng i n madis on / Wis c on si n .

w w w . m a r g a r e t d u r o w. c o m


ret




SKINNED OUR HEARTS Margaret Durow I fell back in love with him but then I saw the way he looked at me. I scraped my knee at the show. When we were alone he touched it to check if it was still bleeding and I wanted to kiss him. I took pictures of the scab and titled them „skinned our hearts and skinned our knees“. I peeled off the scab and kissed him. A new layer healed over that I scratched off too, but a small piece held on that was shaped exactly like a little heart.



Cl ai re Walk a ist 34 JAH RE alt, F i lmemach er i n und Au torin UND le bt in Hamb urg .

W W W. c l a i r e wa l k a . d e

CLAIRE WALKA





ASPHALT SCHMERZ C L A I R E WA L K A Hier liege ich. Eingerostet. Schwer wie ein Stein. Ich bin nicht so mobil wie ihr. Ich bin ein Fels in der Brandung. Hört ihr die Brandung? Hört ihr das Rauschen? Ja natürlich, denkt ihr, ihr seid ja nicht taub. Doch es sind nur die Motoren, die summen, die pochen. Was ihr nicht hört, das sind die anderen Töne, die Töne dazwischen. Ich höre sie auch nicht mehr. Ich würde sie gern hören. Ich würde sie unendlich gern hören, denn sie waren Musik. Sie waren das Zarte im Gewaltigen. Die Melodie im Rauschen und Dröhnen. Ich frage mich, ob sie aufgehört haben, zu existieren. Dann steht es schlecht um uns. Ich wiederhole mich, denkt ihr! Ja, ich wiederhole mich, aber ihr wiederholt euch auch! Wir sind doch alle immer nur wir selbst. Jetzt liege ich hier und horche. Ich horche, ob etwas aus dem Inneren der Erde kommt. Etwas, was noch hörbar ist, auch wenn es nie laut genug sein wird, um den Verkehr zu übertönen.

Ich höre ein tiefes Wummern. Ein dumpfes Wummern. Es hört sich an wie der Herzschlag der Erde! Aber das ist nur das Echo der Lastwagen, die am Ende der Brücke über die lose Platte fahren. Mein Herz hört sich ganz ähnlich an. Es hört sich an, als würde schwere Fracht darüber rollen… Ich sage euch nicht, dass ihr auf euer Herz hören sollt. Auf ein Herz kann man nicht hören. Wenn es spricht, dann helfen die Ohren nicht weiter. Ich weiß nicht, mit welchem Organ man sein Herz verstehen kann. Dieses Organ ist gut versteckt. Es ist noch nicht definiert. Nicht analysiert. Es ist das letzte Geheimnis unserer Anatomie. Bumm, bumm, bumm. Tick tack, tick tack. Nun klinge ich wie ein alter Mann, nicht wahr? Und ihr lächelt, weil ich euch ausnahmsweise gerührt habe. Ich weiß nicht, ich weiß nicht… Ich weiß nicht, ob ich das mag…


F O T O : MA X KÖ N I G


FARINAZ NOIR IST 23 Jah r e alt, Modedesigne rin und leb t i n KÖL N .

w w w. fa r i n a z n o i r . c o m

FARINAZ NOIR


Z




ANGSTLICHES HERZ FA R I N A Z N O I R

Plötzlich steht sie vor mir und ergreift Besitz. Ich kann mich nicht mehr kontrollieren. Ich habe das Gefühl, als würde ich mich nur leiten lassen und zu dem Gestell meines inneren Ichs werden, das sehr dominant ist. Ich Ich Ich Ich

habe Angst. bin nicht gesund. habe keinen festen Boden. weiß nicht, wo mein Platz ist.

Das innere ängstliche Ich flüchtet in die Welt der Depression. Ich fühle mich wie gelähmt und frage mich, ob ich jemals wieder ich selbst sein kann. Mein Denken ist betäubt, mein Bewusstsein geraubt. Körper und Seele sind nicht mehr vereint. Die Gedanken sind nicht mehr greifbar, mein Herz rast. Ich fühle nur noch Schmerz. Es ist der Schmerz in meinem Herz.



Dani el D รถrr ist 28 Jah re alt, Studen t und Mu s iker und lebt in Ob er hau sen .

f a c e b o o k . c o m / t h e b l a c k l i g h t d e pa r t u r e

DANIEL DORR





Durch den Nebel Daniel D örr Schlag auf Schlag, deutlich hörbar im Inneren bei äußerer Ruhe, lässt es diese niemals zu. Bereits verblasste Erinnerungen erzeugen Schemen, die das Herz das stolpern lehren. Keine Ruhe vor dem inneren Kampf, der Kopf will was der Kopf will, das Herz erkrankt. Beide Dinge so unterschiedlich in mir vereint, schlagen sie ihre Schlacht.

Fernab von alledem ragt die Erkenntnis und lächelt süffisant.

Wer gewinnt ist ungewiss, denn beide besitzen Kraft und List. Emotionen gegen den Verstand wie Kieselsteine gegen Panzer. Doch auch der kleinste Stein kommt ins Getriebe und bringt das Unding zum erliegen.

Die Schlacht ist geschlagen, jemand hat gesiegt. Wer es ist wird sich zeigen aber ich ahne bereits voraus… Ein Herzmensch bin ich nicht. Mein Herz ist nicht weise. Es ist zu jung um über die Dinge Bescheid zu wissen die es vermisst hat.

FOTO: Franca Schneider w w w. f r a n c a s c h n e i d e r . t u m b l r . c o m

Stärker als Schwarz und simpler als Weiß liegt ein Nebel über mir. Undurchdringlich ohne Licht und Schatten ergraut er die Sicht. Ein Hämmern und ein Pochen durchdringen die Wand. Alles andere verblasst und nun ist es geschehen.



TOBIAS FRITZSCH TOBIAS F RI TZSCHE IST 29 JAH R E ALT, SÄNG ER DER BAN D S OUL SHAKE R UND LEBT IN ST. G EORG EN I M SCHWAR Z WALD.

w w w. s o u l - s h a k e r . d e


HE




FOTO: Gregor Dold w w w. g r e g o r - d o l d . c o m

AUF DEM HOHEPUNKT TOBIAS FRITZSCHE Das Licht ist gedämpft und warm. Der Boden, auf dem ich stehe, vibriert. Von allen Seiten umhüllen mich Klänge, die unterschiedlich und doch so harmonisch sind. Sie ergreifen meinen Körper voll und ganz, berauschen, ja, befreien meine Sinne und ziehen mich in Ihren einzigartigen Bann. Augenblicke werden zu Stunden, Stunden zu Sekunden. Die Schläge meines Herzens sind das einzige Maß! Mein Blick schweift durch den Raum und ich sehe die Freude, die Lebenslust, die die Menschen erfasst. Menschen, die dabei sind, etwas Wundervolles zu erleben. Sie genießen, ohne daran zu denken, was war, was ist und was noch kommen mag. Sie genießen das „Sein“, in dem sich die Spannung in Ihnen immer weiter aufbaut. Dabei ergreift der Rhythmus auch meinen Körper mehr und mehr. Das tiefe

Pochen und Kribbeln meines Herzens sitzt tief, verankert in seinem schlagenden „Sein“. Die Spannung der Musik steigt ins Unermessliche und füllt den Raum mit einem Knistern und Emotionen. Emotionen, die nur von Herzen kommen können und das eigene „Ich“ mit Leben und Liebe erfüllen. Auf dem Höhepunkt angelangt, spüre ich jede Zelle, jedes Gefühl, das einen Menschen ergreifen kann. Es ist ein Feuerwerk voller Glück, Freude und Freiheit. Ich spüre die Energie in meinem Körper, er bebt und ist voller Kraft. Zeit, Ort und die Gedanken vergangener und kommender Tage sind verflogen. Es zählt nur der Moment, der Moment des Gefühls auf den Tönen und der Begeisterung zu schweben. In diesem Moment spüre ich mein Herz, wie es schlägt und schlägt!



CHA


CHARLOT TE F LOTHO i st 1 7 Jah r e Alt, Sch端l er i n un d Foto g r af i n un d leb t i n Hamb urg.

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ARLOTTE FLOTHO




VOM ANFANG EINER IDEE CHARLOT TE FLOTHO Mein Herz ist bei mir. Schlägt mich fort vom Hier und Jetzt Und durch jede Zeit hindurch. Es ist mein Freund in jedem Schlag und keiner kennt ihn so wie ich. Amors schönste Kunst, In schweren Zeiten meine Schlummerstätte, trägt mich sanft wie eine Seifenblase durch die Welt. Mein Herz vereinigt schwarz und weiß, lässt mich fliegen, fallen, lieben. Und zeigt mir den richt’gen Weg. Zu dir. Manchmal kommt ein Tag, an dem es mich verlässt Ich es suchen muss und mich dabei verlier So streif ich kopf- und herzlos durch und durch bis ich etwas Neues find’. Mein Herz. Dies, welches mich leben lässt hält nicht nur das Leben.




JIM JANSEN Jim Jan sen i s a 2 1 - year - old g r aph ic desig ne r and studen t livi ng i n zei st / n eth er l an ds .

W W W. b e . n e t / j i m j a n s e n





LOVE AND HATE J I M JAN S E N My heart has always been overly expressive. When my heart feels the happiest it can be, I become so overwhelmed by my own fortune, that I feel like a small child. When my heart feels the saddest it can be, I cry till my eyes are sobbing wet and my hands are drenched in tears. This is a good thing, because all the tiny happy emotions become a so much bigger joy to my heart than is the case for most people.

This is a bad thing, because even the tiniest sad emotions hit my heart so much harder than is the case for most people. It’s caused me to hold on to so many small, happy moments that are insignificant to most people. And likewise to so many most people or not worth

has caused me to hold on small, sad moments that would deem unimportant, caring for.

It makes some things so much easier and some things so much harder. I love my heart and I hate it.


JONAS ME YER IST H eraus geb er und Designe r UND LEBT IN B ER LI N .

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JONAS MEYER





EIN GESCHENK Jonas Meyer

So schlimm war es noch nie. Erschöpft von den letzten Wochen und konfrontiert mit der Überschätzung meiner Selbst sitze ich da und warte auf ein Wunder. Aber es kommt nicht. Es kann auch gar nicht kommen - Wunder gibt es nämlich nicht. Und wenn doch, klopfen sie sicher nicht an meine Tür.

Ich muss fliehen. Bewaffnet mit dem letzten Rest Selbstsicherheit ziehe ich durch die große Stadt und mache Halt an jedem Ort, der sich mit einer wunderschönen Erinnerung in mein Herz gebrannt hat.

Ich sitze also. Stehe. Liege. Laufe. Sitze wieder.

Dabei legt sich ein seltsames Wohlgefühl über mich. Und während ich die Tropfen beobachte, wie sie an den Scheiben herunterlaufen, erreicht mich eine Nachricht: Jemand hat mir ein Lied geschenkt, das sich in Sekundenbruchteilen in meinem Kopf festsetzt und meine Gedanken durcheinanderwirft.

Nichts ist da, absolut nichts. Mein Kopf ist so leer wie mein Blick, vor dem ich mich gerade im Spiegel erschrecke. Bin das wirklich ich? Angst ist plötzlich überall und lässt mich frieren. Kalter Schweiß. Dutzende Tränen haben sich hinter meinen Augen versammelt und warten auf das alles entscheidende Kommando. Seit Jahren haben sie sich vorbereitet auf den Ernstfall. Jetzt ist er da.

Draußen regnet es, ich sitze wieder.

Die Melodie wickelt sich immer fester um mein Herz. Ich muss sie anhören, wieder und wieder. Und mit jedem Mal wird mein Blick klarer, die Tränen verlassen die Gefechtsstation. Ein Wunder hat an meine Tür geklopft. So schön war es noch nie.


FOTO: JOHANNES KUCZERA w w w. j o h a n n e s k u c z e r a . d e


Luk as Lei ster ist 22 Jah re alt, Foto g r af un d frei schaffende r K端nstle r un d l eb t i n Hamb urg .

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Lukas Leister





Der letzte Schlag Lukas Leister Die Augen geschlossen, sitze ich hier. Lange war es still und ich allein. Kein Laut war zu hören, keine Stimme zu vernehmen. In fast komatösem Zustand schwebte ich widerstandslos in scheinbar schützender Dunkelheit. Von Zeit zu Zeit wehte mir ein leichter Wind von Hinten um die Ohren, der mich immer wieder aufschrecken lies. Eine leichte Brise, die mir zeigte, dass es mich noch gibt, ich immer noch allein und wie gelähmt hier sitze. Mein Herz schlug lange nicht mehr laut, nur leise. Nichts war zu spüren, kein leichtes Pochen, kein dumpfer Schlag. Doch merk ich‘s nun pulsieren wie nie.

Durch geweitete Adern peitscht es mein noch kaltes Blut - mich darauf vorbereitend, was da am immer heller werdenden Horizont auf mich wartet. Deine sich rasch und rascher nähernde Gestalt. Eine bedrohliche Kombination aus Hitze und Licht, die an mir reibt, mir jeden Schutz und Halt entzieht, auf dass ich ihr in Gänze ausgeliefert bin. Ein erstes und letztes Mal öffne ich nun die Augen, bevor wir beide, mein Herz und ich, mit aller Kraft zum letzten, tödlichen Schlag ansetzen.



R i ng o Luk as ist 20 Jah re alt, Studen t, Mu si ker und Mode l und le bt i n L ei pzig .

w w w. fa c e b o o k . c o m / g r e e n s m u s i c

RINGO LUKAS





IN DER MITTE Text: Jonas Meyer Fotos: Lukas Leister

Zugegeben, es gibt charmantere Orte auf der Welt als den U-Bahnhof Feldstraße im Hamburger Stadtteil St. Pauli. Weit sperrt er sein Maul auf, zwei große dunkle Rolltreppen verkleiden den riesigen Rachen. Und so wie die Haltestelle täglich abertausende Menschen in ihren tiefen Schlund hinabgleiten lässt, so spuckt sie gleichzeitig auch ebenso viele wieder aus. Bevor die Ausgespuckten aber das Licht der Freiheit erblicken dürfen, müssen sie vorbei an meterhohen, weiß-grau gefliesten Wänden, die dem Gebäude die Behaglichkeit eines Schlachthofs oder OP-Saals verleihen. Während wir also vor diesem unwirtlichen U-Bahnhof stehen und rätseln, ob nun die weiß-grauen Fliesen über das größere Depressionspotenzial verfügen oder doch eher das Hamburger Wetter, wird ein junger Mann von der Rolltreppe nach oben befördert, der so gar nicht in die Situation passen mag. Es scheint, als sei er mit der U-Bahn gerade von einem anderen Stern gekommen – etwas

abwesend wirkt er, und trotz seiner stolzen Größe äußerst zerbrechlich. Der junge Mann kommt auf uns zu uns stellt sich vor. Es ist Ringo Lukas, das Covermodel der Juli-Ausgabe, mit dem wir heute zum Shooting verabredet sind. Dabei braucht es nur Bruchteile von Sekunden, um unseren ersten Eindruck in die Tonne zu werfen: Ringo’s „Hallo“ ist so fest wie sein Händedruck, die Stimme dunkel und tief, aber trotzdem freundlich und sympathisch. Etwas beschämt von uns selbst brechen wir gemeinsam auf zur ersten Location. Und geplagt vom schlechten Gewissen beichten wir dem gebürtigen Freiburger unsere anfängliche und stupide Fehleinschätzung. Ringo grinst über beide Ohren und beruhigt uns: „Ich bin es gewohnt, dass Leute, die mich nicht kennen, ein etwas verzerrtes Bild von mir haben. Ich bin in meinem Leben auch schon x-fach mit Pete Doherty verglichen worden, obwohl ich mit dem nicht


wirklich viel gemein habe. Mir ist das auch ziemlich egal, es ist eh auch irgendwie so ein Freiburg-Ding.“ Ringo ist im Frühjahr aus Freiburg nach Leipzig gezogen, um dort zu studieren und Musik zu machen. Während wir am Neuen Pferdemarkt vorbeischlendern, erzählt er von seinem Umzug und dem Drang, das Altbekannte hinter sich zu lassen und etwas Neues zu entdecken: „Wenn man so lange an einem Ort ist, muss man irgendwann etwas verändern. Nach einer Weile jugendlich sein kennt man alle Ecken, alle Menschen, hat ein enges soziales Netz. Und plötzlich merkt man, dass irgendwie alles statisch und fest ist, sich nichts mehr bewegt, nichts mehr passiert. Daher habe ich mit meinem besten Freund Floris, mit dem ich schon seit einigen Jahren gemeinsam Musik mache, beschlossen, das wir zu zweit irgendwo anders hinziehen. Und da uns Hastings in England zu teuer war, haben wir uns für Leipzig entschieden.“ Da ist es schon wieder, dieses breite Grinsen des Zwanzigjährigen. „Ne, im Ernst: Leipzig ist einfach eine Stadt, die im Moment extrem wächst. Sie ist ambitioniert, jung und ziemlich günstig. Vor einigen Monaten haben wir auf dem Dockville Festival ein paar Leipziger kennengelernt, die wir wenig später auch besucht haben. So haben wir die Stadt kennengelernt und gemerkt: Die ist ziemlich perfekt für uns. Und Ende März sind wir dann hingezogen.“ Wir sind mittlerweile an einer kleinen Einfahrt angekommen, die zu einem Hinterhof führt. Während Lukas die ersten Testshoots macht, blickt die Sonne neugierig hinter den Wolken her-

vor und wirft uns ihr wärmendes Licht entgegen. Und so, wie die Hamburger Sonne mit einer einzigen Amtshandlung unser Wohlbefinden von leicht fröstelnd zu angenehm gewärmt verändern kann, so hat auch Ringo nach seinem Umzug eine deutliche Veränderung in seinem Leben gespürt: „Seit ich in Leipzig bin, bin ich viel wacher – im Sinne von aufmerksamer. Ich bin endlich aus meinem alten Trott raus, bin kommunikativer und habe viel mehr Lust, was zu unternehmen. Die neue Umgebung steckt einfach an. Vor allem liebe ich es an Leipzig so, dass ich mich ab und zu verirre. Wenn mir das passiert, freue ich mich total, weil ich dann merke, dass es immer noch was zu entdecken gibt.“ Wir unterbrechen unser Gespräch für einige Minuten, denn jetzt ist Arbeit angesagt. Geduldig und professionell lässt sich Ringo ablichten. Die Sonne verfolgt das Geschehen nach wie vor recht interessiert und spendet reichlich von dem für uns so wichtigen Licht. Kurze Pause. Wird es den jungen Musiker eigentlich in Leipzig halten, oder wird er weiterziehen, sobald er alle Ecken der Stadt entdeckt hat? „Ich bin zwar niemand, der sein Leben nach einem strikten Plan führt, trotzdem weiß ich, dass ich wegen meines Studiums auf jeden Fall mal in den nächsten zweieinhalb Jahren in Leipzig bleiben werde. Und ich weiß, dass ich hier Musik machen und mit unserer Band Fuß fassen will. Leipzig ist dafür ziemlich gut geeignet, weil es hier so einen Strom gibt, von dem man sich mitreißen lassen kann.“ >>>


Ringo lächelt, wird dabei aber für einen Moment sehr still. Und so drängt sich die Frage auf, welche Bedeutung der Begriff Heimat für ihn hat. „Heimat spielt für mich keine Rolle im Sinne von Stolz, aber in der Bedeutung von irgendwo begründet sein. Heimat ist für mich ein Hafen, aus dem man rausfährt in die Welt und in den man immer wieder zurückkehren kann, wenn einem danach ist.“ Wenn man eine gewisse Zeit irgendwo lebt, wird dieser Ort auf eine bestimmte Art und Weise auch zu einer Heimat – bei der man etliche Dinge vermissen würde, wenn man sie für längere Zeit verlässt. Und so erklärt Ringo weiter: „An Leipzig würde ich die dicken Kuchenstücke für 80 Cent vermissen. Und die vielen taufrischen Bars, die wie Pilze aus dem Boden schießen und noch nicht genau wissen, wohin sie wollen. Das sind meistens irgendwelche Wohnungen im Erdgeschoss, in die man unkompliziert ein paar Sofas und einen Kühlschrank stellt. Und leuchtet die Lampe draußen vor der Tür, wissen die Leute: Es ist geöffnet. Fertig. Ich mag die Einstellung total, aus der heraus diese Bars entstehen. Die Leute sind oft etwas unbedarft und entscheiden spontan und aus purer Lust, dass sie jetzt so etwas starten möchten. Eine richtig frische Stimmung!“ Der Hamburger Hafen! Es ist immer wieder beeindruckend, diese schiere

Größe zu erleben. Da stehen wir drei also, vor uns die Elbe und über uns die kreischenden Möwen. Nachdem wir einige Minuten schweigend und staunend unsere Blicke über die Elbe haben wandern lassen, vorbei an den riesigen Schiffen und Kränen, beginnt Ringo von Floris zu erzählen. Mit seinem besten Freund hat er die Band „Greens“ gegründet und ist mit ihm in eine WG nach Leipzig gezogen. „Floris und ich verstehen uns blind, wir sprechen einen eigenen Code, den nur wir verstehen. Vor drei, vier Jahren haben wir angefangen, zusammen Musik zu machen. Aber erst im Februar letzten Jahres haben wir beschlossen, uns selbst wirklich ernst zu nehmen, uns einen Bandnamen zu geben, für Auftritte zu sorgen und unsere Lieder nicht nur zu schreiben, sondern auch zu dokumentieren und aufzunehmen – also einfach eine richtige Band zu sein. So gab es für uns musikalisch gesehen zwei Schübe: den einen vor drei, vier Jahren beim ersten gemeinsamen Musikmachen, den zweiten dann wie gesagt im Februar 2011, als wir zu einer echten Band wurden. Es war eigentlich ganz gut, dass das so lange gedauert hat. So waren wir uns unserer Sache wirklich sicher und haben uns richtig Mühe gegeben. Ich muss auch ehrlich sagen, dass wir Musik in erster Linie für uns selbst machen. Wir wollen etwas erschaffen, was uns selbst irgendwie ergreift, mitnimmt.“


Musiker sind keine autarke Wesen, und so gibt es auch für Ringo bestimmte Musik, die ihn irgendwo abholt und mitnimmt. The Beatles zum Beispiel, von denen er sagt, dass ihr Sound ihn nie nerven könnte. Oder die Fleet Foxes und Crystal Castles, deren Musik ihn ganz tief berühren kann. Alle Fotos sind im Kasten, wir machen uns auf den Rückweg. Nur noch vereinzelt und leise ist das Kreischen der Möwen aus der Luft zu hören. Es war ein schöner Tag. Ein richtig schöner Tag. Wie konnten wir heute Mittag am UBahnhof nur für einen Sekundenbruchteil daran zweifeln?

Vor einiger Zeit hat sich Ringo zwei Kreuze auf den Oberkörper tätowieren lassen. Eines unter seinem linken Arm, das andere in umgedrehter Form auf der rechten Seite. Und als hätte er bereits geahnt, dass unweigerlich die Frage nach dem Warum folgt, erklärt er: „Ich bin viel zu rastlos und laufe hektisch durch die Welt. Als ich das festgestellt habe, habe ich mir intensiv Gedanken darüber gemacht, wie ich zu mehr Balance und Ruhe finden kann. Für mich ist es unendlich wichtig, ausgeglichen und zufrieden durchs Leben gehen zu können, ohne dabei zu überzeugt von mir selbst zu sein, aber trotzdem irgendwie einen roten Faden zu haben. Die beiden Kreuze symbolisieren die Balance aus Gut und Böse, Schwarz und Weiß, Hell und Dunkel. Die Balance entsteht immer in der Mitte. Und in der Mitte ist das Herz.



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