F R I E D R I C H VO N B O D E N S T E DT
I N J E DE S M ENS CH EN G ES ICH TE // S SE IN E G E S CH ICH TE, / / S EIN HASSEN D E U T L IC H G ES CH RIEBEN; / / SE IN IN W E S E N, // ES TRITT H IER A NS LICHT N IC HT J E DER KA NN‘S LES EN, // V E RS J E DE R NIC H T.
TEHT N UND LI EB E N // NNERST E S T… // DOCH ST E H N
GE
MEINE ESCHICHTE M Y P M AGA Z I N E AU S GA B E #0 9
MAN CHMAL E RZÄHLE ICH VON UN S // WIE WIR TAN ZTE N UN D LACHT EN // W IE W IR G LAUBTEN, D IE GAN ZE WELT EROBERN ZU K ÖN N EN // GEME IN SAM // AN EIN EM TAG // W IE W IR UNS ER LEBE N SUCHT EN // UN D FAN DE N // W I E W IR R E D ETEN UND S CH W IEGEN UN D WE IN T EN UN D LIE BTE N // W IE G L Ü CKLICH W IR WA REN // WIE UN E N DLICH GLÜCK LICH // DA NN WA RS T D U FORT // ÜBE R NACHT // E IN FACH SO // A BER M A NCHMAL E RZÄHLE ICH N OCH VON UN S // DEN N DU BIST MEIN E GE SCHICHTE //
PROLO
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12 PR AG / / 40 PH I L I P P P O R E M BA // 4 6 RE YNAL DO PACHE CO / /
54 F R I E D E R I K E F R A NZE // 6 0 SIMON BRAUN // 6 6 CHRISTIN
72 A N D R E A S S C H L IE T E R // 7 8 PAT RICK MÖLL E KE N // 100 A N 106 M A X I M I L I A N L EDE RE R // 1 1 2 ROBE RT VAN OZ // 122 RO
128 S T E V E N L Ü D T KE // 1 3 4 JONAS CARST E NS // 140 JULIA N
146 L AU R A WO L F / / 1 5 2 CHARLOT T E PFAHL E R // 158 JONA S 164 S P Y / / 1 7 0 L E SLIE CL IO // 1 8 2 LUKAS LE IST ER // 188 J 196 DA N K E / / 1 9 8 IMP RE SSUM //
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GEWIDMET DEN HELDEN EINER JEDEN GESCHICHTE //
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N ORA T SCHIRN E R, TOM K RIMI UN D ERIK LAUTE N SCHLÄGER SIN D PRAG.
W W W. P R AG - M U S I C .CO M
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Freund schafts projekt
F OT O S & I N T E RV I E W: LU K AS L E I S T E R T E X T: J O N AS M E Y E R & LU K AS L E I S T E R
PRAG INTERVIEW
Vorurteile sind lästig, besonders die hartnä-
Hier bin ich in wenigen Minuten mit Nora
ckigen. Haben sie sich einmal in den Köpfen
Tschirner, Tom Krimi und Erik Lautenschläger
der Menschen festgesetzt, bedarf es enormer
verabredet.
Zeit- und Kraftanstrengungen, um sie wie-
PRAG nennen sie sich und machen – das sei
der zu entfernen. Dürften sich Vorurteile eine
mir an dieser Stelle erlaubt zu sagen – wunder-
Stadt aussuchen, würden sie sich wohl mit gro-
volle Musik.
ßer Wahrscheinlichkeit für Berlin entscheiden. Schmutzig soll es hier sein. Und unfreundlich
Während ich auf die drei Künstler warte,
und laut.
schaue ich mich um. Der Winter hat auch vor der Museumsinsel nicht halt gemacht: Ein kal-
Man kann Vorurteilen eigentlich nur auf zwei
ter und rauer Wind pfeift an den alten Gemäu-
Arten begegnen: Entweder man echauffiert
ern vorbei. Auch wenn die Winterluft nicht die
sich, oder man reagiert mit gesundem Pragma-
bequemste ist, hat sie doch einen entscheiden
tismus. Denjenigen, die sich für Variante zwei
Vorteil: Sie ist klar und ehrlich.
entscheiden, sei empfohlen, alle Berlinkritiker mal an einem Nachmittag auf die Museumsin-
Ich betrete das ehrwürdige Theater und neh-
sel zu führen.
me in einem kleinen Vorführungssaal Platz, wo man normalerweise in Abendgarderobe den
Hier, wo sich die Granden deutscher Architek-
Werken von Schiller oder Molière lauscht.
turgeschichte um den Lustgarten versammeln,
Heute steht aber die Geschichte der drei Musi-
ist irgendwie nichts schmutzig, unfreundlich
ker im Mittelpunkt. Knapp 700 Kilometer habe
oder laut – eher liebevoll, freundlich und ange-
ich aus dem fernen Schwarzwald zurückgelegt,
nehm unaufgeregt.
um mir genau diese Geschichte erzählen zu lassen.
Ein Gebäude, das die Kunst der Zurückhaltung
Plötzlich öffnen sich die antiken Holztüren.
in besonderem Maße beherrscht, ist das Theater am Palais. Zwischen Humboldt-Universität
Nora, Tom und Erik sind da, die Begrüßung ist
und Deutschem Historischem Museum gele-
herzlich.
gen, nimmt es am Festungsgraben würdevoll sein Publikum in Empfang.
Bühne frei für PRAG.
„DAS TOLLE IST, DASS ERIK NICHT NUR BEIM SCHREIBEN EINE SO STARKE POETISCHE ART HAT, SONDERN AUCH IN DER ART UND WEISE, WIE ER MELODIEN KREIERT.“
Lukas:
Erik:
Die ersten vier Konzerte von PRAG sind ge-
Genau das ist der Punkt: zielgerichtet. Es fing
spielt und somit auch die ersten Zeilen eurer
ja tatsächlich damit an, dass ich mich mit Tom
Geschichte geschrieben. War es denn ein guter
traf und Lieder in petto hatte, die für meine
Anfang?
andere Band Erik & Me nicht passten. Darüber habe ich mich immer geärgert, weil da so tolle
Alle:
Perlen dabei waren.
Ja.
Mit diesen Perlen bin ich zu Tom gegangen. Er meinte, dass wir das zwar probieren können,
Nora:
aber auch etwas ganz Neues versuchen soll-
Obwohl die Konzerte ja sozusagen nicht der
ten. Also hat sich der Kollege Krimi ans Werk
richtige Anfang für uns waren: Sie waren der
gemacht, die ersten schönen Arrangements
öffentliche Anfang - und der war super. Eigent-
gebastelt und wir hatten unsere ersten fünf
lich hätte es wirklich nicht besser laufen kön-
oder sechs Lieder.
nen.
Dann traf ich Nora.
Der eigentliche Anfang unserer Band liegt aber viel weiter zurück.
Lukas: Du sagst, die Lieder haben nicht so zu Erik &
Lukas:
Me gepasst. Inwiefern passen sie denn jetzt zu
Und wann war dieser eigentliche Anfang?
PRAG?
Tom:
Tom:
Der Sommer 2011 fühlt sich am meisten wie
Das Tolle ist, dass Erik nicht nur beim Schrei-
ein gemeinsamer Anfang an. Ab da waren wir
ben eine so starke poetische Art hat, sondern
zu dritt und haben richtig begonnen. Das Vor-
auch in der Art und Weise, wie er Melodien kre-
herige Rumgeplänkel zu nennen wäre falsch:
iert. Damit kannst du eigentlich sowohl Indie
Wir haben es zwar sehr ernsthaft betrieben,
als auch großes Kino machen - ich sah in dem
aber eben nicht kontinuierlich.
Material aber eher Zweiteres. Genau das war das Überraschende, wohl auch
Nora:
für Erik: seine Lieder, die immer Indiebezug
...und auch nicht wirklich zielgerichtet.
hatten, auf einmal in ein neues Gewand zu packen und ganz anders klingen lassen zu können.
Lukas:
Lukas:
War von Anfang an klar, in welche Richtung
Zumal die ganze Entscheidungskraft bei euch
eure gemeinsame Musik gehen soll?
liegt, weil ihr für alles die Verantwortung tragt?
Tom:
Nora:
Mir war das ziemlich schnell klar. Ich habe
Und das ist so toll.
gleich daran gedacht, dass es so etwas werden soll. Allerdings passiert es beim Produzieren
Lukas:
auch, dass man mit einer Sache kommt, von
War es denn wirklich ein idealistischer Schritt,
der man ein bestimmtes Bild hat, und plötzlich
alles selbst zu machen, oder wurde aus der
beim Gegenüber auf ganz andere Synapsen
Not eine Tugend gemacht?
trifft. Bei uns gab es hingegen große Einigkeit. Es gibt Lieder, an denen wir zu dritt gearbeitet
Nora:
haben: Da hat jeder Hand angelegt, Synapsen
Es war auf jeden Fall kein Bequemlichkeits-
angeregt und an Knöpfen gedreht, wodurch
schritt.
sich der ursprüngliche Songhintergrund komplett gewandelt hat.
Tom: Wir haben uns zwar nach Labels erkundigt.,
Erik:
Kontakte besorgt und gute Angebote eingeholt.
Das Tolle ist, dass wir keine Band im klassi-
Aber schlussendlich waren wir einfach nicht
schen Sinne sind, bei der alle nur an ihren
überzeugt. Wir fühlten uns sofort unter Druck
Instrument rummachen, sondern eher eine
gesetzt und sahen auch keinen echten Vorteil.
Produktionsband, bei der man sich im kleinen
Ein Label ist normalerweise ja erst mal eine
Kreis arrangieren kann. Du kannst am Rech-
Bank, die man vor allem dann braucht, wenn
ner einfach schnell ein total anderes Bild ent-
man selber keine Produktionsmittel vorweisen
werfen, indem du sagst: Wir schalten jetzt mal
kann. Das können wir aber, weil wir selbst ein
Schlagzeug und alles andere aus und lassen
Studio und die Manpower haben. Zweitens ist
nur Orgel und Trompete laufen..
ein Label auch ein Promoter und wir haben
Das ergibt einen völlig anderen Song - und es
festgestellt, dass wir promotionmäßig auch
hat gerade mal zwei Minuten gedauert, es aus-
recht gut vernetzt sind. Nora vor allem hat in
zuprobieren. In einem Bandkontext würde das
dem Bereich viel Erfahrung, von der wir profi-
ein Vierteljahr Überredungskunst brauchen.
tieren können. Die wichtigsten Vorteile eines Labels waren für uns also nicht attraktiv - und
Nora:
bezahlt hätten wir mit Einbußen bei unserem
Ja, Produktionsband trifft es ganz gut. Natür-
Mitspracherecht.
lich setzen wir zum Schluss auch alles live um,
Dieses Gefühl, dass jedes unserer Babys mit
aber im Grunde ist die Entstehung des Albums
seiner frisch gewickelten Windel über drei, vier
das Besondere. Zusammen mit Tom und Erik in
Schreibtische läuft und von irgendwelchen
einer kleinen, abgeschotteten Schmiede zu sit-
dicken, Zigarre rauchenden Labelbossen be-
zen, immer wieder aufs neue Quatsch machen
gutachtet wird, war kein gutes. Nun können
zu können, am Computer und in unseren Köp-
uns frei bewegen, ohne dass wir danach einen
fen rumzuspielen um dann zu entscheiden, wie
Einlauf bekommen. Wir dürfen unsere Fehler
wir es realisieren, das macht sehr viel Spaß.
machen. Aber aus vielen dieser Fehler, wie das in der Musik nunmal passieren kann, wird manchmal etwas wirklich Tolles.
„ES GIBT SACHEN, DIE MAN TATSÄCHLICH EINFACH MAL AUF EIGENE FAUST PROBIEREN SOLLTE.“ Lukas:
Tom:
Im Laufe der letzten zwei Jahre durften wir vie-
Man sollte vor allen Dingen nicht davon aus-
le junge Bands treffen, die darauf angewiesen
gehen, dass dein Gegenüber so viel mehr weiß
sind, ein Label im Hintergrund zu haben und
als du.
nicht die Möglichkeiten besitzen, das auf eigene Faust zu stemmen. Also könnt ihr euch von
Nora:
daher echt glücklich schätzen...
...und die gleichen Interessen hat.
Nora:
Tom:
Naja. Es ist ja jetzt auch nicht so, dass wir auf
Der Gedanke „Weil die ein Label sind, müssen
eine Goldader gestoßen sind. Die Frage muss
die es drauf haben” ...
vielleicht nicht lauten: Was kann man sich leisten sondern was will man sich leisten? Quali-
Nora:
tät muss nicht von großen Summen und Insti-
Möp. Falsch. Und das ist wirklich bei vielen Sa-
tutionen abhängen. Wenn große finanzstarke
chen so. Bei Sendern ist das so, bei Verleihen
Unternehmen im Spiel sind, heißt das nicht au-
ist das so.
tomatisch, dass Geld in allen Bereichen sinn-
Wenn etwas einen ziemlich großen Umfang und
voll investiert wird. Letztes Jahr zum Beispiel
als Apparat eine große Dimension bekommt,
habe ich in England einen Film gedreht, der
dann wird es oft auch schwerfällig. Oftmals
ausschließlich mit eigenen Mitteln finanziert
glaubt man daran, dass die Beteiligten allein
wurde. Niemand hatte Geld. Letzten Endes ist
wegen des Labelnamens kompetent sind - und
es einer der schönsten Filme geworden, die ich
doch kann die Sicherheit eines solch großen
je gemacht habe. Man muss sich fragen, ob
Namens eben gerade auch ein Unterstand für
man genug Mut und Selbstvertrauen hat, solch
Quatsch und richtige Tröten sein.
eine Investition zu wagen, weil man gegen ei-
Das Problem bei jungen Bands oder überhaupt
nen Apparat antritt, der natürlich behauptet,
bei jungen Menschen ist meist ein fehlender
dass bestimmte Sachen alleine nicht reali-
Lehrer. Ich finde, das Wertvollste, was man im
sierbar sind. Wenn man es nicht besser weiß,
Leben treffen kann, sind Lehrer.
hört man natürlich erst mal lieber auf die Leu-
Damit meine ich nicht den klassischen Schul-
te, die für erfolgreiche und namhafte Firmen
systemlehrer, sondern eher im asiatischen Sin-
arbeiten. Manchmal ist das aber gar nicht so
ne gedacht Lehrer, Berater, Mentoren.
sinnvoll. Es gibt Sachen, die man tatsächlich
Wenn man einen solchen im Umfeld hat und
einfach mal auf eigene Faust probieren sollte.
schon früh trifft, hat man die Chance auch früh
Man muss sich nur trauen. Deswegen tut mir
zu lernen. Wenn du das nicht hast, musst du
das immer leid für junge Bands, die bestimm-
dich eben auf die großen Opinionleader aus
te Erfahrungen noch nicht gesammelt haben.
dem Geschäft verlassen.
Man kann ‚nein’ sagen, man kann Sachen selber machen. Ich finde das immer ganz toll, wenn Leute das schon früh selbst verstehen.
Tom: Natürlich kommt es auch darauf an, wie gut
Sie wirken so unumstößlich und aufrecht wie
man vernetzt ist. Der Nachteil einer jungen
die Mauern des Theaters am Palais, die sich
Band: Die haben noch nicht so viele Buddies.
über den Festungsgraben erheben.
Nora hat diesen Film in England gedreht, als Revanche haben die Regisseure Max und Mi-
Während sich die Gemäuer allerdings in vor-
chael für uns ein Video gemacht und darauf-
nehmer Zurückhaltung üben, wird die Ge-
hin hat ihr Co-Schauspieler in unserem Video
schichte von Nora, Tom und Erik getragen von
mitgespielt. Unsere ganzen Musikerfreunde,
einer tiefen Begeisterung.
die wir über zwanzig Jahre gesammelt haben, haben für wenig bis gar kein Geld unsere Aufnahmen mitgestaltet. Und viele sind dabei,
Lukas:
weil wir ihnen einfach auch schon mal einen
Arbeitet man noch, wenn man ein so freund-
Gefallen getan haben. Das ist das, was es auch
schaftliches Verhältnis pflegt, oder ist es eher
so schön macht. Wir zehren aus einem freund-
ein Vergnügen, im Studio zu stehen? Gibt
schaftlichen, kollegialen Umfeld.
es überhaupt etwas, was ihr nicht so gerne macht?
Lukas: Also ist das Ganze ein großes freundschaftli-
Nora:
ches Projekt.
Ja, das auf jeden Fall. Und diese Aufgaben, die man nicht so gerne macht, werden dadurch,
Alle: Ja.
dass wir – bitte entschuldigt, ich sage es einfach so gerne – „Labelchefs“ sind, immer mehr. Das sind meist die ganzen logistischen,
Es heißt, dass die ersten Minuten der Begeg-
organisatorischen Dinge und der wahnsinnige
nung mit einem fremden Menschen und die da-
Aufwand von Aufgaben, die wir zwar erledigen
bei gewechselten Worte darüber entscheiden,
können, aber einfach nicht gerne erledigen.
welches Bild man von seinem Gegenüber hat. So entscheiden die ersten Zeilen über den Ver-
Tom:
lauf einer Geschichte und die ersten Takte über
Aber auch in der Produktion: Man hätte sich
die Qualität eines Liedes.
das viel einfacher machen können, indem man sich einen großen Credit vom Label holt, Leu-
Seit einigen Minuten sitze ich nun mit PRAG zu-
te beauftragt, Sachen zu machen, und sich
sammen. Und während ich mich mit den drei
selbst nur die Rosinen rauspickt. Aber selbst
Musikern unterhalte und sie beobachte, wird
unter den Rosinen gibt es halt auch ein paar
relativ schnell klar, dass diese musikalischen
Trockenfrüchte, die mir nicht so passen.
Freunde so sehr zueinander stehen wie zu jedem Wort ihres Erzählten und Erlebten.
Nora:
Erik:
Wir müssen eben ganz schön erwachsen sein
Witzig festzustellen war für uns, dass die Inter-
mit unseren ganzen Labelsachen.
viewenden immer zuerst Tom und mich fragen.
Ansonsten ist es aber natürlich so, dass diese
So vorbildlich sind die schon.
Art von Arbeit, die wir machen und die kreativ ist, sowieso schon viel mit Spaß und mit Ver-
Nora:
mischung von Privatem und Beruf zu tun hat.
Und das tatsächlich auch mit einem abwerten-
Wenn wir also dazu kommen, uns nochmal
den Ton mir gegenüber „Ich hab da erstmal ‘ne
darauf zu besinnen, was der eigentliche Kern-
Frage an Tom und Erik!“.
punkt des Ganzen ist, nämlich die kreative Arbeit, das Musikmachen, dann ist das sowieso
Erik:
immer Highlife in Tüten.
Viele von den Leuten denken genau an dieses Problem, was ja eigentlich keins ist. Das ist für
Lukas:
uns ganz komfortabel.
Ist es schwierig, den schauspielerischen Erfolg von Nora mit eurem Musikprojekt zu vereinba-
Tom:
ren? Inwiefern sind Kommentare wie „die sin-
Eins fällt mir noch dazu ein: Ich glaube, die
gende Kommissarin” hinderlich für eure eige-
Leute erwarten etwas Bestimmtes, sobald
ne Presse?
Nora im Musikbereich tätig ist, aber wir geben es ihnen nicht.
Erik:
Also das Produkt, was PRAG letztendlich ist,
Wir haben uns im Vorfeld viel schlimmere Sa-
verwirrt die Leute - und das ist ein großer Vor-
chen ausgemalt. Die Erfahrung zeigt, dass die
teil. Sobald die Erwartungshaltung der sin-
Presse, aber auch alle möglichen anderen Leu-
genden Kommissarin erfüllt wird, können sie
te, gerne auf so etwas einschlagen. Das war
leichter darauf rumhacken.
bei uns bisher tatsächlich ganz angenehm. Es
Aber sobald sie einmal überrascht sind, wissen
fehlen die Hater, oder sie werden netter. Zu
die Menschen oft nicht so richtig, was sie da-
Beginn gab es mal ein/zwei Nörgler, aber es
von halten sollen, was sie dazu sagen sollen.
hält sich alles nicht nur in Grenzen, sondern
Und dann müssen sie sich damit beschäftigen.
die letzten Kommentare zu den Konzerten wa-
Und sobald sie sich damit beschäftigen, mer-
ren sogar so toll, dass wir da alle ein wenig
ken sie, dass das Ganze gehaltvoll ist. Es muss
baff sind.
ihnen noch nicht einmal super gefallen, aber sie merken eben, dass es kein PR-Gag ist. Es
Nora:
ist keine Produktion, die Warner Brothers um
Ich glaube, wir haben uns keine Illusionen ge-
Nora herum aufgebaut hat.
macht, es ist nun einmal so, das gehört alles zu mir. Es öffnet uns natürlich jede Menge Tü-
Lukas:
ren, das muss man ganz klar sagen. Störend
Um nochmal auf unser Thema zurückzukom-
wäre es am ehesten, wenn man das Gefühl
men: Gibt es denn eine Geschichte, die euch
hätte, Leute geben vor über und mit PRAG re-
als Truppe besonders macht?
den zu wollen und dann wollen sie eigentlich doch nur mich - und die Jungs sitzen dumm rum. Solch eine Situation fände ich doof. Aber das passiert eigentlich nie.
„ICH GLAUBE, DIE LEUTE ERWARTEN ETWAS BESTIMMTES, SOBALD NORA IM MUSIKBEREICH TÄTIG IST, ABER WIR GEBEN ES IHNEN NICHT.“
Erik: Für mich persönlich sind es die Aufnahmen
All unsere Kontakte waren vorher per Internet,
in Prag. Dieser eine Tag Orchesteraufnahmen
per Mail gelaufen, das Ganze hätte ein riesiger
fühlte sich an wie sehr viele Tage.
Reinfall werden können.
Das war wohl einer der stressigsten Tage, die man sich so vorstellen kann, aber auch einer
Nora:
der glücklichmachendsten. Da kamen tausend
Letztens Endes war die Frau einfach verpeilt,
Sachen potenziert zusammen.
aber man zuckt natürlich schon zusammen. Wir hatten eine Woche Prag gebucht, tausend
Tom:
Sachen vor und merkten auf einmal, dass wir
Vergleichbar mit emotionalen Zip-Dateien.
nie persönlich mit den Leuten gesprochen hat-
Keiner von uns hatte das bisher schon mal so
ten, mit denen wir arbeiten wollten. Wir frag-
gemacht. Wir haben es uns einfach vorgenom-
ten uns plötzlich, ob das so eine gute Idee war.
men und es nach bestem Wissen und Gewissen vorbereitet. Aber da sitzen dann auf ein-
Erik:
mal Leute, die a) Tschechisch sprechen und b)
Schlussendlich lief es dann aber nicht nur gut,
sich in einer musikalischen Sprache unterhal-
sondern es war einfach toll. Als wir in den Auf-
ten, die wir auch nur ansatzweise kennen. Das
nahmeraum kamen, die Notenblätter mit den
waren viele Menschen, die allesamt auch Geld
einzelnen Songs da lagen, alles schön einge-
dafür bekommen haben. Das hieß für uns, dass
richtet und hochgradig angenehm und profes-
das auf jeden Fall etwas werden muss. Und un-
sionell war, war das ein klasse Gefühl.
ser Zeitplan war eng. Wir wollten zehn Stücke mit ihnen aufnehmen und merkten auf einmal:
Tom:
Was ist denn, wenn das hier nicht klappt?
Wir sind wie gesagt ein paar Tage länger dort
Angefangen damit, dass wir am Morgen zur
geblieben. Das ganze Fass, das da aufgemacht
Rezeption des Tschechischen Fernsehens ka-
wurde, haben wir dann auch ausgetrunken.
men und die Frau hinter dem Tresen uns an-
Dabei haben wir uns als Band emotional ge-
schaute und sagte: „Ich weiß nicht, wer ihr
gründet. Vorher war es ein „Wir machen was
seid, ich weiß nicht, wovon ihr sprecht.”
zusammen.“, danach war es „Da ist es!“
„ANS ENDE DENKEN WIR ZULETZT, JEDOCH IST ES EIN RIESIGER TRAUM VON UNS, EINMAL LIVE MIT EINEM ORCHESTER ZU SPIELEN.“
Lukas: Wenn ihr jetzt eure Geschichte weiterschreiben
Für heute ist alles gesagt.
könntet, welches Kapitel würdet ihr auslassen, wie würde sie enden?
Durch steinerne Flure mit gläsernen Kronleuchtern laufen wir zum Ausgang. Draußen, wo die
Nora:
Sonne mit aller Kraft versucht, die wetterfest
Auslassen würden wir definitiv gerne das Ka-
verpackten Touristen vor der Kälte zu beschüt-
pitel, indem wir anfangen, unter einen Druck
zen, verabschiede ich mich von den Musikern.
zu geraten, den wir eigentlich nicht haben
Ich bleibe noch einen Moment stehen, schlie-
müssten, weil wir uns ja extra so viel Freiheit
ße die Augen und atme tief ein. Kühle Winter-
erkämpft haben. Mit der öffentlichen Wahrneh-
luft füllt meine Lunge. Klar ist sie. Und ehrlich.
mung wird es eine Herausforderung, sich nicht selbst überholen zu wollen. Sich die Entspan-
Wenig später verlasse ich die Museumsinsel
nung beizubehalten wäre wichtig. Ans Ende
und mache mich auf meinen Weg zurück in
denken wir zuletzt, jedoch ist es ein riesiger
den fernen Schwarzwald. Schön war es heute.
Traum von uns, einmal live mit einem großen
Und irgendwie liebevoll, freundlich und ange-
Orchester zu spielen. Und das wäre doch wohl
nehm unaufgeregt.
ein tolles Ende. Noch einen letzten Blick werfe ich auf die Mauern der ehrwürdigen Gebäude, die sich mit breiten Schultern über die Insel erheben. Es wirkt, als wollten sie sie beschützen. Wahrscheinlich vor den Vorurteilen.
Phil Por
P HILIPP POREMBA IST 21 JAHRE ALT, S CH AUSPIELE R UN D LE BT IN BERLIN.
lipp remba W W W. N E W TA L E N T S C H AU S P I E L S C H U L E . N E T
PHILIPP POREMBA Ich fühle mich wie in einem Lindgren-Roman.
darauf, sie alle die kommenden Tage wieder-
Da draußen sieht es tatsächlich so aus, wie
zutreffen und Unmengen an Bier in mich lau-
ich es mir erhofft habe. Eine so märchenhafte
fen zu lassen. Insgeheim habe ich die große
Natur, anders als in Deutschland, große Seen,
Hoffnung, vielleicht einen der Skarsgårds zu
auf denen ab und zu ein Segelboot verweilt und
treffen. Sollte ich dem großen zufällig über den
überall falunrote Häuschen, hinter einer gro-
Weg laufen, werde ich ihm unweigerlich meinen
ßen Tanne. Ob da gerade ein kleiner Junge drin
Hals hinstrecken und eine dramatische Geste
sitzt, der fantasievolle Holzfiguren schnitzt?
simulieren. Sollte er daraufhin nicht das tun,
Vielleicht auch ein psychopatisches Pärchen,
was ich erwarte, muss er auf der Stelle den
welches sich umbringen will oder eine schö-
Produzenten von „True Blood“ anrufen und mir
ne Kirsten Dunst, die in großer Depression im
ein Casting verschaffen. Ich weiß eben, wie der
Brautkleid durch die Wälder zieht, wie es uns
Hase läuft!
von Trier erzählt hat. Ich stecke mir die Kabel ins Ohr und höre Wagner.
Als wir am Busbahnhof „T-Centralen“ ankommen ist Nils noch nicht da. Er verspätet sich ca.
Obwohl ich nur drei Stunden geschlafen habe,
fünfzehn Minuten. Durstig kaufe ich mir eine
juckt mich die Müdigkeit kein bisschen, als ich
viel zu teure 50ml Flasche schwedisches Was-
an diesem Morgen mit dem Shuttlebus von
ser. „LOKA – från hälsokällan i bergslagen“.
Skavsta nach Stockholm fahre. Es ist mein ers-
Vor einem Mobiltelefon-Laden steht ein junger
tes Mal in Schweden. In ungefähr vierzig Mi-
Mann, Wikinger Typ, der verzweifelt versucht,
nuten wird mich Nils vom Busbahnhof abholen
seine Werbezeitungen loszuwerden. Gespannt
und mir die nächsten zehn Tage sein Stockholm
schaue ich ihm zu, wie er jedem Passanten die
zeigen. Ihn kenne ich aus Berlin. Er hat dort
Zeitungen hinhält und „Varsågod“ sagt. Er gibt
für ca. sechs Monate mit Moa, einer Freundin
sich wirklich Mühe aber keiner will es haben
gewohnt. Wir drei wurden sehr enge Freunde,
und ich grinse ihn an. Er grinst zurück. Trotz-
haben uns fast täglich gesehen und waren wie
dem nehme ich mir den Müll nicht mit.
eine Familie. Nachdem Nils mich abgeholt hat, wir in sein Durch die beiden habe ich viel über die schwe-
schönes Elternhaus in Södermalm gefahren
dische Kultur gelernt und eine Menge ihrer
sind und Mittag gegessen haben, was zu fünf-
Freunde getroffen, die nun meine Facebook
zig Prozent aus Knäckebrot bestand, haben wir
Freundesliste dominieren. Ich freue mich sehr
uns mit Moa getroffen.
F OT O : O S M A N BA L K A N
Da stehen wir nun an einer Straßenecke, die
feiert und die Sonne untergehen sehen, wäh-
beiden stecken mir Geld zu und schicken mich
rend ich auf einem Felsen saß und ebenfalls
zum Alkohol kaufen. Das kann man in Schwe-
Bier trank. Über Silvester war ich wieder dort
den nur in speziellen Läden, wenn man mind.
und es war bitterkalt. Die Silvesterparty fand
zwanzig ist. Die nennen sich „Systembolaget“
in einer netten Villa in einem der guten Rand-
und schließen Samstags um fünfzehn Uhr. Man
bezirke statt. Super viele nette Leute und ein
muss sich also beeilen, wenn man für das Wo-
gelungener Jahreswechsel, mit ABBA’s „Happy
chenende gewappnet sein will.
New Year“ im Hintergrund.
Ich gehe in den Laden und sage mir immer wie-
Ich war sehr betrunken und erinnere mich
der vor, was sie haben wollen. Hier drin verliert
noch, wie ich auf dem Heimweg versucht habe,
man doch komplett die Übersicht. Ich komme
die schwedischen Stationsansagen der U-Bahn
mir beobachtet vor, weil ich jünger aussehe
nachzugrölen: „Tänk på avståndet mellan vagn
und keinen Plan habe. Selbstbewusst gehe ich
och plattform när du stiger av“. Der Winter da
auf eine Angestellte zu und frage sie, wo ich
oben ist wirklich nicht so angenehm, aber sei-
„Zumbali“, den Billigwein in einem großen Ka-
nen Charme hat Stockholm nicht verloren. Wer
nister finden kann. Sie schaut mich an, weiß
die Verfilmung von Lindqvists Roman „So fins-
wohl genau, was Sache ist und führt mich hin.
ter die Nacht - Låt den rätte komma in (OT)“
Fix greife ich mir zwei Kanister Zumbali, ein Six-
gesehen hat, kann es sich ungefähr vorstellen.
pack Kung-Bier und bezahle. Aufgeregt zücke ich meinen Ausweis, werde doppelt und drei-
Die beste Methode, um der Kälte zu entkom-
fach angeschaut und verlasse erfolgreich den
men, ist eine „Fika“ mit Freunden. Das ist eine
Laden.
Bezeichnung, mit der man grob gesagt Kaffeetrinken meint. In Schweden macht das nur viel
Von nun an folgten großartige Tage, betrunke-
mehr Spaß, weil man sich den Kaffee oft gratis
ne Abende und ausgeflippte Nächte in der wohl
nachschenken kann. Also wer Stockholm besu-
schönsten Metropole Skandinaviens. Ich habe
chen möchte, sollte dies auf jeden Fall im Som-
Bier am Ufer von Gamla Stan (Altstadt) getrun-
mer tun.
ken und in fast jeder guten Bar in Södermalm, war auf einem Open Air Rave auf einem Berg am Rand der Stadt, habe eine echte schwedische Hausparty mit wirklich tollen Leuten ge-
Tack för alla mina svenska vänner!
Reyn Pach
REYNALDO PACHE CO IS AN ACTOR, M O D EL A N D ARTIST LIV IN G IN LOS AN GE LES.
naldo heco W W W. FAC E B O O K .CO M / R E Y N A L D O PAC H E COA RT I S T
Back to zero REYNALDO PACHECO P H OT O : A N D R E AS S C H L I E T E R
A big old record of “Los Panchos” was the
run around the patio with a helmet and a box
soundtrack of my adventures through the corri-
as a base.
dors and caves that I used to build at my grandparents living room in LA PAZ Bolivia. I recall
During my teenager years I would improvise
living out of my imagination. My Mom says that
stages at home and my family would be the
I had an imaginary friend until my sisters were
audience. I was fourteen years old and I had
Alejandra and Maria Jose were born.
no idea there was a place for me to actually go and “play” with other people; until I discov-
I grew up creating fictional sets and circum-
ered theatre by accident. I was walking out of
stances. One of my most dear one was yelling
my catholic high school of La Salle and a good
out “Pato” “Loco” to the Newspaper delivery-
friend and mentor Andrea invited to join the
man; he would throw rocks back at me that
school’s theater group. That’s how my journey
would become bombs in my mind and I would
into acting started.
It truly became an obsession. I would spend
I found out that my great grandfather was an
hours and hours trying to become the charac-
opera singer and that his family almost starved
ter. I would investigate every single detail that
to death due to his artistic life style.
the role needed to know. I was fascinated with experimenting with my mind and see how far
I started living a double life. I would go to some
we can go with convincing the conscious that
of my university classes but I was secretly in-
the unconscious is real. I didn’t know how to
volved in five different theatre companies. If you
always access to that state of mind, but I knew
wanted to do stage in Bolivia you only had the
it existed because my games in my childhood
theater of the oppressed or the poor theatre.
felt very real. I knew it was possible because
Hence, I got involved with a lot of bohemians
when we sleep our dreams awaken our bodies
and gypsies. I used to take buses to the poor
and we cry, laugh, shiver or feel any emotions
sides of La Paz and train in old colonial houses.
as real. I understood that I had a lot to learn
Here is where I learned about different acting
and that this mere hobby was a science. This
techniques that were related to our indigenous
is the reason why I decided to pursue acting as
Inca culture and exposed to Grotowski, Meisner
a career.
and the Stanislavski’s acting technique. With some fellow actors we started a theatre com-
At the age of 17 I was an exchange student in
pany called “La Rodilla del Telon”. We were five
Ohio Brilliant USA. It was a shocking but fan-
members that used to gather several times a
tastic experience. The culture and traditions
week and work in techniques, writing and ex-
were so different that completely opened my
ploring text.
eyes about perspectives and ways of seeing the world. I was sent to a house of Extreme Chris-
A year later I was invited to become part of the
tians that used to go to church three times a
Philharmonic of Bolivia and very soon I became
week and one of my host sisters was from Po-
their leading man. My training in Singing and
land. In the Christian school I wasn’t allowed to
dancing began and It was almost impossible to
get closer than five inches to any girl. Further-
continue my business studies. The moment of
more, I was exposed to musical theater for the
truth came and I chose acting.
first time with a production of “Fiddler on the roof”.
I left Bolivia with the first scholarship I could find, I ended in Wabash College in the middle
When I returned home I was expected to start a
of the cornfields of Indina. I lived in a fraternity
career at the university, but I told my parents I
of all male students. When the classes started
wanted to be an “Actor”. My mom bursted into
I realized that it was even more academic than
tears and my father was very disappointed.
my previous school and that the “Acting class-
He literally drove me to the university of “La
es” were Dramaturge. I went on line and typed
Catolica” and forced me to choose a career on
“the best Acting school in the USA” and found
the spot. I signed up for business administra-
the famous Julliard Acting School.
tion. However, their fear and rejection was un-
I took a train to the nearest city, Chicago and
derstandable, acting like any other art in Bo-
auditioned for their program with thousand
livia was a taboo. Only people at “the edge of
of kids. I got rejected on the spot; my English
society” used to do art, like bohemians, com-
clearly wasn’t at the level of performance.
munists, drug users, gays, etc. Furthermore,
I was heartbroken.
Fortunately, I returned to my Alma matter Wa-
After the three years we had a showcase, which
bash and continued my Drama studies, with
is a one-night performance where each actor
Political Science and French. The school was
has three minutes to show his or her talent to
so supportive that they sent me to different
people in the industry. It was another frighten-
countries and universities to perform some
ing experience in my career. I had to proof my
research about Drama. I lived a year in Paris
self and art to agents, managers and casting
France, doing some clown, photography and
directors in some few minutes. Incredibly, I got
film techniques. I lived in Mexico doing social
my first agent!
theater for six months, working with the Zapatista Guerrilla and going through the jungles
It wasn’t easy at first, nothing happened after
of Chiapas. We were collecting Mayan stories
six months of Graduation. The industry is so
and performing shows with relevant messages.
competitive compared with Bolivia that to be able Audition you need really good representa-
Traveling taught me the importance of language
tion. The quantity of actors versus the quantity
and how it expresses the inner souls of society.
of projects is very unbalanced.
For instance in Chiapas and Oaxaca the indigenous people say “I am here” instead of “hello”
There are too many actors for an industry with
or “you broke my heart” in the place of “I love
no demand. The actor is the jewel, the agent
you”. In France they say “you miss me” versus
the salesman, the casting director the buyer,
“I miss you”. These are deep reflections of each
the director uses it and the producer is the one
culture and their way of seeing the world. Sud-
with the money. It’s a production machine that
denly I developed a passion for writing. Wabash
must be respected for any American project.
sent me to Ecuador to work with their finest writers for a whole summer.
Finally one day I booked my first commercial, it was a Sears Commercial that made me part
After completing my studies at Wabash I went
of the Actor’s Union “Sag Aftra”. This allowed
back to audition for Julliard. It was the most ter-
me to audition for Film and Tv and very soon I
rifying experience of my career.
got my first role in the movie “Beginners” where
After hours of auditioning I got accepted by
I had the opportunity to work with Ewan Mc-
them and several programs (Thank God) and
Gregor and Christopher Plummer.
chose the University of southern California for my Masters in Acting.
The experience not only fed my personal growth but also my training as an actor, to be able to
Finally, after years of longing and trying to
witness how these legends create was a gift. It
study my passion I started dedicating my life
also gave me more opportunities in the indus-
only to Acting. The program was three years,
try and made my work known.
we were ten students and we would train from nine AM to ten PM from Saturday to Sunday. My life was my craft.
After Beginners I booked a Co Star in “CSI
I strongly believe that all the arts are connect-
NY” and consequently got my first big role in
ed. It helped me to develop characters but what
the movie “Without Men”. This was a big mov-
really helped me to go further in my acting was
ie where I get to play a boy that is mute and
traveling and studying.
retarded dressed up as a girl. I got to share screen with Stars like Eva Longoria, Kate del
An actor must learn about everything, so when
Castillo, Maria Conchita Alonzo, and Christian
you get the character you can apply all the
Slater among others.
knowledge to develop him/her. I do research, read, paint and write everything about that hu-
Every Project is different and unique. However
man being. Whenever I have more material the
these last two films have been very special. It
performance is always better.
was the first time that I was in a Hollywood production and where I got to work with actors with
My Latest Project was the Ultimate Ernest Bor-
a lot of experience. I will never forget the shoot-
gnine movie “The Man Who Shook the Hand of
ing of “Beginners”, it was such a small film and
Vicente Fernandez” Yes, I had the blessing to
we had no idea it was going to become so suc-
perform with Ernest Borgnine in his last movie.
cessful.
In This film I play Miguel, the nurse that takes
Mike Mills called action and Christopher Plum-
care of Borgnine. This man was so humble and
mer was sleeping … I started to freak out… I
he never grew up. He was fascinated with any-
woke him up and then the scene started. After-
thing and everything, curios like a child and full
wards, I realized how every take was so alive,
of passion like a teenager.
his character was dying and he fell sleep just like any ill person would do.
Today I am back to zero, I am waiting for the next auditions to come and who knows what
Acting is playing the unconscious. When you
Characters I will get to bring to life. I have start-
create a character you read, paint, listen to mu-
ed an acting school online called HAPA, “Hol-
sic, meet people or anything that would take
lywood Academy of Performing Arts”.
you to that imaginary world. Consciously we know it’s not real but the mind registers it as
It’s an online school with the latest acting tech-
real. It’s very common that in dreams you visit
niques that connect people from all over the
that world.
world with working actors in movies and TV in Hollywood. I created it because I wanted to
Many times when I was playing an intense char-
bring the opportunity I never had when I was
acter I used to feel emotions or memories with-
growing up, and to un-mystify Hollywood and
out reason. These ones were from the charac-
make it more real.
ter but they were still in my unconscious. This is the reason why an actor must study and be prepared psychologically for leaving characters behind.
Fried Fra
F RIED ERIKE FRAN ZE IST 29 JAHRE ALT, F OTOGRAFIN UN D LE BT IN BERLIN.
derike anze W W W. F R E I S E I N D E S I G N .CO M
frei sein FRIEDERIKE FRANZE
Das ist meins. Aber es ist für dich.
Wir selbst, zu lustlos zu kämpfen, zu naiv zu sehen, lassen uns vorwärts schieben, obwohl
Mein Name ist Friederike und ich bin Künst-
wir doch eigentlich viel lieber stehen bleiben
lerin. Diesen Satz zu fühlen, zu denken oder
sollten, um uns umzusehen. In den Himmel zu
gar zu sagen, ist für mich ein Sieg in meiner
schauen, zu spüren, unsere Gedanken neu zu
eigenen Geschichte. Ich bin 29 Jahre alt und
formen.
endlich habe ich mir den Mut genommen, mein Leben wirklich selbst in die Hand zu nehmen.
Es regnet Auszeichnungen; es wächst das
Wir lernen viel zu früh kennen, wie Dinge sein
Verlangen nach Veränderung, Umbruch, nach
sollten; hören auf Floskeln, die für uns keine
Echtheit und Wahrheit. Doch der Trott geht
Bedeutung haben; singen Lieder im Takt und
weiter, schleift dich mit sich durch die Jahre,
liegen wie platt gedrückte Flundern am Grund
bis dein mühsam aufrecht erhaltenes Karten-
einer dunklen See. Mit welchen Kindheitsträu-
haus in sich zusammen stürzt. Mit all seinen
men und Ideen wir auch groß werden, irgend-
Zierden, seinen sicher geglaubten Zielen, sei-
wann setzt die Vernunft ein, werden wir system-
nen Vorzügen. Du selbst kämpfst dich aus den
haft zur Angst erzogen, mahnt uns die Vorsicht
Trümmern, in denen Menschen zurückbleiben
und werden wir eines Besseren belehrt.
und du hast keine andere Wahl mehr als nach vorn zu blicken und in den Nebel zu gehen.
Es geht um Leistungserbringung, um Funktionieren, sich Einfügen. Ich hatte eine fantas-
Mein Name ist Friederike und ich bin Künst-
tische Kindheit; ich sehe sie selbst in Sepia-
lerin. Endlich. Umgeben von Nebel und Licht,
farben dahinschweben, mich als kleinen Fratz,
Schatten und Sonne male ich meine Bilder
wie ich Blumen am Straßenrand pflückte und
nicht mehr nur in meinen Gedanken, sondern
auf Bäume kletterte, von denen ich allein nicht
in der Realität. Ich zeichne mit Worten, mit mei-
wieder herunter kam.
nen Fotografien, bilde ab, was schon da ist, und
Unerschrocken, unbeugsam. Doch was kam
zeige dennoch das, was nur wenige zu sehen
dann? Verantwortung? Das stetige Bemühen
vermögen. Ich liebe es bunt und schrill, ver-
um gesellschaftliche Anerkennung, darum den
rückt, überzogen und schlicht. Ich mag es, das
eigenen Weg zu suchen.
Natürliche zu verkünsteln und mit der mir innewohnenden Leidenschaft zu füllen, bis über
Ich reiste als Teeny durch die Welt; habe mir
den Rand.
ganz Europa angesehen, den Rucksack auf dem Rücken und ein Lächeln auf den Lippen.
Ich lebe Freiseindesign. Ich habe gelernt, dass
Doch manchmal, am Ende einer Reise, bei der
es nicht darum geht zu entsprechen oder zu
Rückkehr in die Konvention verschwammen die
gefallen, sondern sich selbst zu zuhören. Den
Eindrücke und verloren sich die Ereignisse. Die
eigenen Weg zu beschreiten, egal wie verwor-
Alltäglichkeit überrollt alles. Unsicherheiten
ren und steinig, uneben und unendlich schwie-
und die Angst anderer Generationen, die wir
rig er anmuten mag. Und natürlich ist es das
lieben, prägen uns, machen uns zu Abbildern
Schönste überhaupt, diese Reise nicht allein
fremder Ideale wie Wünsche.
anzutreten.
simo bra
on aun
SIMON BRAUN IST 18 JAHRE ALT, F OTO GRAF UN D LEBT IN STUT TGART.
W W W. FAC E B O O K .CO M / B R AU N S I M O N O F F I C I A L
SIMON BRAUN In meiner Kindheit traf mich eine große Krank-
Mütze auf meinem Kopf mein stetiger Begleiter.
heit. Sie kam ganz plötzlich über Nacht - nie-
Außerdem durfte ich nicht mehr in die Schule
mand hat sie vorhergesehen. Obwohl die Ärzte
gehen und habe auch meine Freunde nur noch
immer von einer niedrigen Überlebenschance
selten gesehen. All dies hatte mich kleinen Jun-
redeten, gaben sie alle ihr Bestes und kämpf-
gen sehr getroffen. Warum nur erging es mir
ten um mich und mein Leben.
so? Warum nur hatte ich solch ein böses Tier in meinem Körper?
Ich war ein kleiner Junge und mir wurde erzählt, dass da ein böses Tier in meinem Körper sein
Ein Jahr dauerte es, bis die Ritter aus ihrer
Unwesen treibt. Und dass man Ritter in meinen
Schlacht zurückkamen. Sie hatten das böse
Körper schicken müsste, um es zu bekämpfen.
Tier in meinem Körper besiegt.
Mir war das eigentlich gar nicht so wichtig. Ich
Wie schön ist das Leben, wenn man nur gesund
wunderte mich bloß, warum mir auf einmal alle
ist! Seither genieße ich einen jeden Tag so, wie
Haare ausfielen. Ab diesem Moment war eine
er daherkommt.
Chri Du
CH RIS TINA DUMON T IST 21 JAHRE A LT, F OTO G RAFIN UN D LE BT IN BERLIN.
istina umont W W W.C H R I S T I N A D U M O N T. DA P O RT F O L I O.CO M W W W.C H R I S T I N A D U M O N T.CO M
FOTOA CHRISTINA DUMONT Eine Woche nachdem mein Großvater starb,
der alte Holzglobus auf dem Tisch, auf dem er
versammelte sich meine ganze Familie in sei-
mir früher die Welt zeigte, um seine Abenteuer
ner alten Villa in Südfrankreich.
zu erzählen, ist heute mit einem Tuch bedeckt.
Ich erinnere mich, wie ich dort saß - in dem al-
Ich beobachte, wie die dritte Schublade seines
ten, dunkelbraunen Ledersessel meines Groß-
Schreibtischs halb offen steht. Und neugierig,
vaters. Sein ganzer Arbeitsraum roch immer
wie ein vierzehnjähriges Mädchen eben ist
noch nach seiner Pfeife; ein familiärer Geruch,
(und ich war immer sehr neugierig), schaute
der mich an die vielen Sommer erinnerte, die
ich hinein und fand zwischen den ganzen Akten
ich dort verbrachte.
und alten Fotokameras ein Fotoalbum.
Ich sitze vor seinem Schreibtisch, von dem aus
Es war dunkelgrün, einen alten Weltatlas ab-
man in den verschneiten Garten schauen kann.
bildend und mit goldener Handschrift verziert.
Er ist von alten Landkarten, Preisen und Aus-
Erwartungsvoll öffnete ich das Album und las
zeichnungen an den Wänden umgeben, und
auf der ersten Seite:
ALBUM
“Dieses Album ist für meine Nichte bestimmt.
Was ist das Leben, wenn nicht ein Abenteuer
Meine Abenteuerlust soll in ihr weiterleben”
oder eine Geschichte, die man später seinen Enkelkindern erzählen kann?
Offenbar hatte meine Geschichte schon lange begonnen, noch bevor ich überhaupt etwas
Die Abenteuerlust meines Großvaters lebt in
davon wusste. Und sie geht heute noch immer
mir weiter. Und meine Geschichte hat gerade
weiter.
begonnen. Heute bin ich in Berlin. Und wo ich morgen aufwachen werde, weiß niemand.
Nachdem ich verschiedene wunderbare Orte der Erde besucht habe, wie die Berge Südafrikas, die Strände von Australien und die kal-
„Life is either a great adventure or nothing“
ten Flüsse Canadas, landete ich letztes Jahr in Brooklyn, New York, (siehe Foto) wo meine Karriere als Fotografin Fahrt aufnahm.
Helen Keller
AND SCH
AN DRE AS SCHLIET ER IST 29 JAHRE ALT, FOTOGRAF, SCHAUSPIE LAGEN T UN D LE BT IN HAMBURG.
DREAS HLIETER W W W. AG E N T U R - G I P F E L S T U E R M E R . D E
Gipfel sturmer ANDREAS SCHLIETER
Wie alles begann...
setzte ich alles daran, in den Jugendclub des Stadttheaters zu kommen, und machte dort die
Nachdem ich 2005 meine alte Heimat, den be-
Bekanntschaft mit einer Regieassistentin, die
schaulichen Luftkurort Braunfels, mit seinen
mir dabei half, mich auf die Vorsprechen an
vielen Krankenhäusern und Seniorenheimen
den Schauspielschulen vorzubereiten. In die-
verlassen habe, sollte mein Leben erst richtig
ser Zeit wuchs in mir der Drang nach Freiheit
losgehen. Damals war ich 22 und hatte den
und Kreativität immer mehr. Und vor allem die
Traum, Schauspieler zu werden - ziemlich un-
Neugier auf ein Leben, das jenseits der hessi-
typisch für jemanden, der Jahre damit zuge-
schen Provinz stattfindet.
bracht hat, mit einem Rettungswagen durch hessische Kleinstädte zu fahren. Ich habe die-
Nach zwei Jahren Schauspielunterricht stellte
se Arbeit damals zwar sehr geliebt, aber den-
ich dann allerdings fest, dass eine Karriere als
noch spürte ich, dass das Leben noch mehr für
Schauspieler nichts für mich ist. Aber die Be-
mich bereit hält.
geisterung für den Film und das Theater war immer noch da. Durch einen Freund bekam ich
Dass nun doch alles ganz anders kam und ich
die Chance, erste Erfahrungen als Assistent
mich nicht in das naheliegende Medizinstudi-
der Aufnahmeleitung zu sammeln, und wech-
um stürzte, hatte ich dem Stadttheater Gießen
selte nach kurzer Zeit ganz auf die Seite hinter
zu verdanken. Nach meinen Abiturprüfungen
der Kamera und den Scheinwerfern.
F OT O : U E L I G I E Z E N DA N N E R
Hamburg meine Perle
meiner Nachbarschaft leben viele Künstler und es gibt eine Vielzahl kleiner Galerien und Start-
Ich habe dieser Stadt wirklich viel zu verdan-
Up‘s. Ich selbst wohne und arbeite mitten auf
ken. Nicht nur die Arbeit beim Film fand hier
dem Hamburger Berg - eine Seitenstraße der
ihren Anfang. Vor allem muss ich wohl an die-
Reeperbahn, in der es viele angenehme Bars
ser Stelle meine Liebe zur Fotografie erwäh-
gibt, in denen Studenten und Schüler an den
nen. Mein Talent zu fotografieren habe ich
Wochenenden nach Zerstreuung suchen.
mehr oder weniger durch Zufall entdeckt, als mich ein junger Musiker darum bat, Fotos für
Im hier und jetzt
ihn und seine Band zu machen. Ich tat ihm den Gefallen gerne und lieh mir eine professionelle
Der Hamburger Berg war es auch, der mir
Kamera. Kurz darauf kaufte ich mir meine ers-
Anfang diesen Jahres zu dem Namen meiner
te eigene: eine Nikon. In den letzten Jahre ver-
Agentur verhalf. Als ich im Herbst 2011 mit den
ging dann eigentlich kein Tag, an dem ich nicht
Planungen für die Agentur begann, stellte sich
fotografiert habe. Seit zwei Jahren portraitiere
nach kurzer Zeit auch die Frage nach dem Na-
ich vor allem Schauspieler, aber auch Musiker,
men.
Journalisten und andere Künstler. Besonders
Soviel stand fest: Ein deutscher Name sollte
die Zufallsbegegnung mit dem amerikanischen
es sein. Einfach und einprägsam.Nach Wochen
Fotografen Greg Gorman hat mich sehr beein-
des Überlegens ging ich von der S-Bahn nach
flusst und mich darin bestärkt, diesen Weg wei-
Hause und mein Blick fiel auf die gerade ein-
ter zu gehen.
geweihte “Bergsteiger Bar”. Und so ziemlich in diesem Moment war auch der Name der Agen-
Mein Kiez
tur geboren.
Ich lebe jetzt schon seit drei Jahren im wohl
Gipfelstürmer
buntesten Stadtteil Hamburgs. Manch anderem fallen beim Stichwort St. Pauli
Ich persönlich finde, dass es keinen besse-
zuerst Kneipen wie der “Goldene Handschuh”
ren Namen für eine Schauspielagentur geben
ein, aus denen Tag und Nacht Schlagermusik
kann. Es sagt so viel aus über die Mentalität,
dringt und vor denen sich Angetrunkene laut-
die man haben muss um sich im Haifischbe-
stark unterhalten.
cken der deutschen Filmlandschaft zurecht zu
Und ja: St. Pauli ist laut und stinkt und zieht
finden. Gute Vorbereitung, Risikobereitschaft,
allerhand Gesindel an. Aber auch viele junge
Kreativität, Zuverlässigkeit, Durchhaltevermö-
Menschen, die in den unzähligen Kneipen und
gen & Willensstärke. Und die Zuversicht mit Be-
Clubs das Leben und ihre Jugend feiern. Aber
geisterung und viel Engagement alles schaffen
nicht nur die Feierwütigen zieht es hierher. In
zu können.
Pat
PATRICK MÖLLEK E N IST 19 JAHRE ALT, S CH AUSPIELE R UN D SPRECHER UN D LE BT IN DÜSSE LDORF.
trick W W W. PAT R I C K- M O E L L E K E N .CO M W W W. FAC E B O O K .CO M / PAT R I C K M O E L L E K E N
Mit Gefuhl
T E X T: J O N AS M E Y E R F OT O S : O L E W E S T E R M A N N
PATRICK MÖLLEKEN INTERVIEW
Normalerweise haben Novembertage ja nicht
Irgendwie ist heute wirklich nichts normal.
den besten Ruf. Kälte wird ihnen nachgesagt.
Jungs, hat denn daran keiner gedacht?!
Und Unbehaglichkeit. Begegnet man ihnen auf
Nein, ehrlich gesagt nicht. In Berlin hat man ja
der Straße, wendet man eilig den Blick ab und
auch jeden Tag Karneval.
versteckt sich hinter Pullover und Mantelkragen.
Das allgemeine Wohlgefühl weicht also der Sorge, überhaupt eine Location für das Shooting
Irgendwie ist heute aber nichts normal. Der
mit Patrick zu finden, die noch nicht von lauter
Himmel über Düsseldorf leuchtet in seinem
ausgelassenen Närrinnen und Narren in Be-
schönsten Blau und die Novembersonne wirft
schlag genommen wurde.
uns alles entgegen, was sie hat. Mehr Glück kann man nicht haben! Auf der fünfeinhalb-
Egal, Bange machen gilt nicht. Wir parken den
stündigen Fahrt von Berlin hierher waren wir
Volvo am Joseph-Beuys-Ufer und schlendern
noch voller Sorge, dass das Wetter uns heute
zum Ehrenhof am NRW-Forum, wo wir gleich
einen gehörigen Strich durch die Rechnung
den jungen Schauspieler treffen werden. Schön
machen könnte.
ist es hier – wenn doch nur nicht so viele Menschen hier wären!
Während wir also im Volvo von Ole Westermann gemütlich am Rheinufer entlangfahren und
Während wir noch Ausschau nach einer ge-
Ausschau nach einem Parkplatz halten, breitet
eigneten Kulisse halten, kommt uns Patrick
sich ein allgemeines Wohlgefühl aus: Kann ja
Mölleken schon entgegen. Seine hellblauen,
nur gut werden heute, das Shooting und Inter-
freundlichen Augen fixieren uns, die Mund-
view mit dem jungen Schauspieler Patrick Möl-
winkel zeigen nach oben. Der Händedruck ist
leken.
bestimmt, das Hallo sehr herzlich. Nach einer kurzen Besprechung hat sich Ole Westermann
Wir stoppen vor einer Ampel, Menschen über-
für die Düsseldorfer Tonhalle als erste Location
queren die Straße. Irgendwie sind alle seltsam
entschieden. Zielgerichtet lotst er uns zur Ter-
geschmückt und verkleidet, halten sich in den
rasse des ehrwürdigen Bauwerks.
Armen und singen. Was ist hier denn los? Wir schauen uns an, schauen wieder auf die Straße – und plötzlich dämmert es: Heute ist der 11.11.! Und was das heißt in Düsseldorf, das muss man wohl kaum erwähnen.
Na dann mal los.
Jonas:
Patrick:
Wie bist Du zur Schauspielerei gekommen?
Absolut. Ich glaube, dass man seine Ziele nicht erreichen kann, wenn man nicht aktiv auf an-
Patrick:
dere Menschen zugeht. Wenn man einen gro-
Zum ersten Mal auf einer Bühne gestanden
ßen Traum hat, den man unbedingt verwirkli-
habe ich, als ich fünf Jahre alt war. Zugegeben,
chen will, muss man das Zepter selbst in die
das war nur in einem Hotel und im Rahmen
Hand nehmen und was tun. Sonst wird das
einer Gala-Vorstellung. Die Moderatorin kam
nichts.
auf mich zu und fragte, ob ich gemeinsam mit ihr auf der Bühne die Gäste begrüßen wolle
Jonas:
– und plötzlich stand ich da im Kinderanzug
Hat sich damals im Alter von fünf Jahren tat-
und habe mitmoderiert. Irgendwie habe ich
sächlich schon dieser große Traum manifes-
damals schon ein ganz besonderes Gefühl ver-
tiert, oder war das eher eine Schwärmerei?
spürt. Das Thema Bühne war dann aber relativ schnell wieder vom Tisch - ich wurde älter und
Patrick (lacht):
habe mich lieber meinen Freunden und mei-
Nein, natürlich war mir das nicht so bewusst
nen Hobbies gewidmet.
wie heute. Aber es war eben ein ganz beson-
Als ich elf war, war dieses ganz besondere Ge-
deres Gefühl in mir, das ich nicht beschreiben
fühl von damals plötzlich wieder präsent: Ich
kann. Wie ich bereits erzählt habe, hatte ich
saß vorm TV und habe „Cobra 11“ geschaut.
dieses Gefühl wieder im Alter von elf Jahren,
Irgendetwas in mir hat mir gesagt: „Das musst
als ich vorm TV saß - das war wie ein Déjà-vu.
du auch machen!“ - und die Stimme war eine
Und ich spüre es heute noch, wenn ich auf der
ähnliche wie damals auf der Hotelbühne.
Bühne bzw. vor der Kamera stehe. Dieses Ge-
Ich habe also meine Eltern dazu gedrängt,
fühl zu haben, dafür würde ich einfach unend-
mich dabei zu unterstützen, Schauspieler zu
lich viel geben.
werden. Mein Papa sagte nur: „Ich hätte mich das zwar in deinem Alter nicht getraut, aber
Jonas:
wenn Du Spaß daran hast, unterstütze ich dich
Was macht denn den Reiz der Bühne bzw. Ka-
natürlich gerne.“ Also habe ich mich bei einer
mera für dich aus? Geht es dir darum, im Mit-
Agentur beworben, wurde genommen und be-
telpunkt zu stehen und dich anderen zu prä-
kam meine erste Rolle – lustigerweise in „Cob-
sentieren?
ra 11“! Patrick: Jonas:
Nein, das ist nicht meine Intention. Es geht mir
Bei Dir spielt Eigeninitiative scheinbar eine
vielmehr darum, bei anderen Menschen etwas
wichtige Rolle...
hervorzurufen, beim Publikum Emotionen zu wecken. So etwas bewirken zu können, das ist eine wundervolle Erfahrung.
„WENN ES MIR DARUM GINGE, MICH IN DEN MITTELPUNKT ZU STELLEN,WÄRE ICH ZIEMLICH FEHL AM PLATZ.“
Ich bin außerdem ein viel zu selbstkritischer
dass ich mit meinem heutigen Wissen manche
Mensch, um mich im Mittelpunkt zu sonnen.
Dinge etwas anders gemacht hätte.
Wenn ich mich selbst auf dem Bildschirm
Ich finde es total wichtig, mit dieser Selbstkri-
sehe, finde ich das nicht besonders aufregend.
tik an seine Arbeit heranzugehen – schon allei-
Ich analysiere lieber ganz genau, was ich hätte
ne um die Motivation hochzuhalten und einen
besser machen können.
Schritt nach vorne machen zu können.
Wenn es mir darum ginge, mich in den Mittelpunkt zu stellen, wäre ich ziemlich fehl am
Jonas:
Platz und könnte mich außerdem gar nicht
Gibt es auch Rollen, von denen du dich im
weiterentwickeln.
Nachhinein distanzierst?
Jonas:
Patrick:
Bist du sehr hart zu dir selbst?
Nein, das auf keinen Fall! Man muss ja zu dem stehen, was man gemacht hat.
Patrick:
Klar, wenn ich mir meine allererste Rolle an-
Ich würde das nicht als Härte bezeichnen.
schaue, ist das einfach niedlich und hat nichts
Meistens liegt ja zwischen dem Dreh und der
mehr mit dem zu tun, was ich heute mache.
Ausstrahlung etwa ein Jahr - dadurch ändert
Trotzdem war bisher nie irgendetwas schlecht,
sich einfach die Perspektive, weil man mehr
es gehört alles zu mir.
Erfahrung gesammelt hat. Wenn ich mir mein
Und jede einzelne Rolle hat mich auf irgendei-
Spiel von damals anschaue, merke ich oft,
ne Art und Weise geprägt.
„WENN MAN SICH VORSTELLT, DASS PLÖTZLICH DER EIGENE VATER NICHT MEHR DA IST, ENTSTEHT EINE TIEFE SEHNSUCHT.“
Jonas: Bei deinen Rollen spannst du ja einen großen
Wir wechseln den Standort und laufen zurück
Bogen – mal sieht man dich in eher leichter Un-
zur Südseite des NRW-Forums. Hier schmückt
terhaltungskost à la „Bergdoktor“, mal spielst
ein großflächiges Mosaik von Heinrich Nauen
du in inhaltlich anspruchsvollen Produktionen
die Außenfassade, die von breiten, trotzigen
wie zuletzt im ARD-Fernsehfilm „Rommel“
Säulen beschützt wird. Die unzähligen Mosaik-
an der Seite von Ulrich Tukur. Erlebst du das
steine hüllen das Sonnenlicht in die buntesten
selbst auch als zwei verschiedene Welten, wie
Farben und jonglieren es fröhlich in der Luft.
es vielleicht der Zuschauer tut?
Schön ist es hier – aber trotz der vielen Menschen um uns herum wird es gerade seltsam
Patrick:
ruhig und bedächtig.
Ehrlich gesagt nein. Das Schöne an der Schauspielerei ist zwar, dass man sich in die un-
Heinrich Nauen war in den Zwanziger und
terschiedlichsten Thematiken begeben kann,
Dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts Pro-
trotzdem muss man versuchen, sich jeder Rol-
fessor für Malerei an der Düsseldorfer Kunst-
le auf gleiche Weise - nämlich emotional - zu
akademie, bevor 1937 seine Werke unter den
nähern, um ihr Leben einzuhauchen – ganz
Nationalsozialisten in der Ausstellung „Entarte-
gleich, ob es sich um eine „Bergdoktor“-Rolle
te Kunst“ diffamiert und er aus dem Amt ge-
oder um eine Figur in „Rommel“ handelt.
drängt wurde.
Natürlich war die Vorbereitung für die Rolle des Manfred Rommel eine ganz besondere,
Patrick hält einen Moment inne, sein Blick wird
schon allein wegen der Tiefe des Drehbuchs
fester.
und der Zeit und den Umständen, in denen es spielt. Aber es gab für mich keinen grundlegenden Unterschied in der Herangehenswei-
Jonas:
se: Ich habe jedes Mal versucht, der Figur auf
Die Vorbereitung auf die Figur des Manfred
emotionaler Ebene möglichst nah zu kommen.
Rommel stelle ich mir doppelt schwer vor: Zum
Ich muss aber sagen, dass bisher alle meine
einen musstest du einen Fünfzehnjährigen
Rollen eine gewisse emotionale Tiefe hatten.
spielen, der von seinem Vater aus heiterem
Selbst im „Bergdoktor“ habe ich einen tod-
Himmel erfährt: „In 15 Minuten bin ich tot.“
kranken Jungen gespielt. Nur hat das Dreh-
Zum anderen brennt genau dieser fünfzehn-
buch dort natürlich einen anderen Zweck als
jährige Junge darauf, endlich in die Waffen-SS
bei „Rommel“ oder etwa bei „Judengasse“.
einzutreten – aus heutiger Sicht unvorstellbar.
Patrick: Emotion ist ja grundsätzlich der Schlüssel zum
Allerdings konnte ich lesen, dass er einmal ge-
Inneren der Figur.
sagt haben muss, dass er sein ganzes Leben
Während der Vorbereitung habe ich allerdings
lang nie auf seine Gefühle vertrauen konnte,
gemerkt, dass mein Schulwissen über die da-
weil er durch den Nationalsozialismus so sehr
malige Zeit im Allgemeinen und über das Drit-
manipuliert wurde – und so war ich bei der
te Reich im Speziellen gar nicht ausreicht, um
zweiten Problematik der Rolle angelangt, dem
mich der Rolle und den Begleitumständen zu
Brennen für die Ideologien des Dritten Reichs.
nähern. Ich habe also zuerst einmal sehr viel recher-
Jonas:
chiert und lange mit meiner Großmutter ge-
Konntest du überhaupt ansatzweise nachvoll-
sprochen, um die damalige Zeit überhaupt an-
ziehen, wie vor allem junge Menschen diesem
satzweise begreifen zu können.
Gedankengut so extrem verfallen konnten?
Zur Problematik des gleich sterbenden Vaters habe ich mir zunächst die Frage gestellt, was
Patrick:
das eigentlich für ein Gefühl sein muss, einen
Aus heutiger Sicht ist das in der Tat äußerst
Papa zu haben, der ein Nationalheld ist und
schwierig. Ich glaube aber, dass die Anfällig-
sein Leben auf dem Schlachtfeld verbringt, der
keit für Manipulation durch Verführung und
aber nie zuhause ist. Was ist das also für ein
Propaganda eine grundsätzliche Schwäche
Gefühl, keinen Vater zuhause zu haben?
des Menschen ist.
Sich so etwas vorzustellen ist in gewisser Weise beklemmend, vor allem wenn man selbst
Jonas:
ein sehr enges und inniges Verhältnis zu sei-
Würdest du sagen, dass heute nach wie vor
nen Eltern hat. Wenn man sich vorstellt, dass
eine Gefahr der Manipulation besteht?
plötzlich der eigene Vater nicht mehr da ist, entsteht eine tiefe Sehnsucht, die ich versucht
Patrick:
habe in die Rolle zu transportieren.
In gewisser Weise schon. Wir leben im Medi-
Manfred Rommel konnte wahrscheinlich nie
enzeitalter – und Medien haben eine unge-
eine wirkliche Nähe zu seinem Vater aufbauen,
heure Macht, die auch dazu missbraucht wer-
das Verhältnis zwischen beiden muss sehr kühl
den kann, die Wirklichkeit zu verzerren. Man
gewesen sein.
erwischt sich selbst immer wieder dabei, wie
Ich glaube, man konnte im Film ganz gut beob-
man etwas sieht oder liest und dem Inhalt gut-
achten, dass zwischen ihnen diese große emo-
gläubig vertraut. Und diesen Inhalt transferiert
tionale Kühle besteht: Manfred’s Vater weiß
man in die eigene Meinung. Der Mensch ist
nicht, wie man Gefühle äußert, ist unfähig, sei-
eben ein bequemes Wesen und konsumiert lie-
nen Sohn zu umarmen – sogar als er sich in
ber vorgekaute Meinungen, als sich die Mühe
den Tod verabschiedet.
zu machen, sich seine eigene zu bilden.
Sich in eine solche Situation hineinzudenken
Ich finde, man kann dem Ganzen recht einfach
und zu -fühlen war also der erste Schritt. Am
entgegenwirken, indem man sich den Luxus
liebsten hätte ich ja Manfred Rommel selbst
gönnt, mehrere Quellen zu vergleichen, und
dazu interviewt, aber er war zur Zeit des Drehs
sich die gesunde Frage stellt: Kann das wirk-
sehr krank.
lich stimmen, wie es da steht?
Jonas:
Jonas:
Glaubst du, dass die Menschen heutzutage ge-
Neben „Rommel“ hast Du auch eine Rolle im
nau so verführbar sind wie damals?
Film „Die Judengasse“ übernommen, der ebenfalls zur Zeit des Dritten Reichs spielt. Ist es
Patrick:
dir wichtig, Rollen zu spielen, die eine gewisse
Man kann das nicht pauschalisieren. Aber es
gesellschaftliche Relevanz haben?
gibt viele Menschen, die einfach nicht kritisch genug nachfragen und keinen gesunden Zwei-
Patrick:
fel an den Tag legen. Man tut also gut daran,
Auf jeden Fall! Wenn das Drehbuch gut ist,
eine gewisse Medienkompetenz zu entwickeln.
denke ich bei solchen Angeboten gar nicht lange nach und will so etwas unbedingt spielen.
Jonas:
Eine derartige Rolle ist immer ein Geschenk,
Wie war es eigentlich, an der Seite von Ulrich
weil es darum geht, einen komplexeren Sach-
Tukur zu spielen?
verhalt darzustellen. „Die Judengasse“ ist außerdem ein pädago-
Patrick:
gisch sehr wertvoller Film, weil es ihm gelingt,
Es war eine riesengroße Ehre! Ulrich Tukur
in recht kurzer Zeit einen verständlichen Ein-
ist ein beeindruckender Schauspieler und ab-
blick in die Problematik der damaligen Zeit zu
solute Weltklasse. Trotzdem ist er ein sym-
geben.
pathischer, lieber und bescheidener Mensch, mit dem man sich toll unterhalten kann. Mit
Jonas:
ihm zu drehen war einfach eine sensationelle
Bei vielen Menschen ist diese Zeit aus dem
Erfahrung – vor allem weil ich so viel gelernt
Bewusstsein verschwunden. Ist es dir ein An-
habe.
liegen, durch deine Arbeit eine gewisse Aufklä-
Ulrich Tukur ist jemand, der seine Rolle perfekt
rung zu betreiben?
fühlt und dadurch so überragend ist. Durch das Spiel mit ihm ist am Set eine ganz sonderbare
Patrick:
Stimmung entstanden. Es lag eine Spannung
Viele Leute sagen, dass sie solche Filme nicht
in der Luft, die lediglich durch Blickkontakte
mehr sehen können. Dann heißt es: „Oh nein,
erzeugt wurde – das war ein riesiger emotiona-
nicht schon wieder ein Streifen über die Nazi-
ler Pusher für mein Spiel.
Zeit!“
Diese Arbeit hat mir wieder verdeutlicht, dass
Wenn man sie aber speziell zu dieser Zeit be-
es nicht darum geht, eine Rolle nur zu spielen,
fragt, ist es erschreckend, wie groß die Wis-
sondern vielmehr sie zu fühlen und zu verste-
senslücken sind.
hen, was zwischen den Zeilen des Drehbuchs
Und es bestätigt einen darin, wie wichtig es ist,
steht. Allein darauf kommt es an.
gerade deshalb wieder und wieder solche Fil-
Jonas:
me zu machen.
Du hast eben erzählt, dass Manfred Rommel
Ich habe gemerkt, dass man Menschen die
sagte, er könne seinen Gefühlen nicht vertrau-
Thematik viel besser erklären und verständ-
en. Kannst du dich denn auf deine Gefühle
lich machen kann, wenn man Einzelschicksale
hundertprozentig verlassen?
zeigt und spielt, anstatt ihnen allgemeine Reportagen vorzusetzen – die brennen sich ein-
Patrick:
fach viel stärker ins Gedächtnis.
Ja, absolut. Ich hinterfrage zwar gerne, aber
Insgesamt wissen die Leute viel zu wenig über
grundsätzlich kann ich das. Darüber bin ich
damals, um sagen zu dürfen, dass sie damit
auch sehr froh.
nichts mehr zu tun haben wollen.
„INSGESAMT WISSEN DIE LEUTE VIEL ZU WENIG ÜBER DAMALS, UM SAGEN ZU DÜRFEN, DASS SIE DAMIT NICHTS MEHR ZU TUN HABEN WOLLEN.“
Wir laufen weiter zum Rheinufer. Das Sonnen-
Das Ziel ist klar: Obwohl dir Gestik und Mimik
licht, das eben noch von den Mosaiksteinen
fehlen, musst du erreichen, dass dein Publi-
wild durch die Luft geworfen wurde, tanzt jetzt
kum Lust hat, dir zuzuhören.
genau so unbeschwert auf den sanften Wellen des Rheins weiter. Es wirkt fast so, als würden
Jonas:
im Wasser Diamanten schwimmen, deren einzi-
Bist du denn auch mit den typischen Hörspiel-
ge Aufgabe es ist, das Sonnenlicht einzufangen
Kassetten aufgewachsen?
und zu veredeln. Patrick: Für einige Minuten stehen wir schweigend an
Klar! Allerdings haben meine Eltern mir auch
der Brüstung und beobachten das wunderschö-
viel vorgelesen, was meiner Meinung nach die
ne Spiel aus Wasser und Licht, dann schlen-
Phantasie nochmals intensiver beflügelt als
dern wir weiter.
die Hörspielkassetten. Man versinkt dabei voll und ganz in seiner Traumwelt.
Jonas:
Jonas:
Ein anderer wichtiger Part deines Lebens ist
War es für dich eigentlich problematisch, die-
neben der Schauspielerei das Hörspiel- und
sen Doppel-Job mit der Schule zu vereinbaren?
Synchronsprechen – eine ganz andere Welt, oder?
Patrick: Es war schon eine gewisse Belastung. Aller-
Patrick:
dings hatte ich immer die Motivation, in der
Zumindest ist es eine ganz andere Herausfor-
Schule mehr Gas zu geben als üblich, weil ich
derung, weil es eine gewisse Mehrarbeit be-
wusste, dass die Leistung in der Schule stim-
deutet: Man muss ja mit der Stimme zusätzlich
men muss, wenn ich drehen oder sprechen
das transportieren, was man normalerweise
will.
über Gestik und Mimik darstellen würde. Die-
Die Motivation dazu ist auch umso höher, wenn
ser Umstand ist aber auch ein zusätzlicher
man weiß, dass man dadurch seinen Traum er-
Spaßfaktor und total spannend.
füllen kann.
„WENN ICH MANCHMAL HIER ALLEINE AM RHEIN SITZE, IST DAS SO, ALS WÄRE ICH GANZ WEIT WEG AN IRGENDEINEM STRAND.“
Jonas: Wie sieht deine Zukunft aus, was sind die
An einer Ufertreppe angelangt, setzen wir uns
nächsten Projekte?
auf die Stufen und beobachten wieder das Wasser, wie es Wellen schlägt und mit der Son-
Patrick:
ne spielt.
Jetzt stehen erst einmal ein Hörbuch und ein Kurzfilm an, in dem ich übrigens einen Soldaten spiele, der zwischen Befehl und Gewissen
Jonas:
schwankt – auch wieder eine sehr emotionale
Zieht es dich in bestimmten Situationen im-
Rolle, auf die ich mich sehr freue. Und dazwi-
mer wieder hierher?
schen mache ich mal etwas Urlaub (Patrick lacht).
Patrick: Ja, weil es mich innerlich in Einklang bringt.
Jonas:
Ich setze mich ans Wasser und lasse meine
Freizeit – gibt es das überhaupt in deinem Le-
Seele baumeln. Das ist wie Kurzurlaub. Und es
ben?
hilft mir, meine Mitte zu finden.
Patrick: Ja, natürlich! Die brauche ich auch. Ich mache
Wir schweigen.
gerne Sport, treffe gerne Freunde – beides gibt mir viel Kraft. Ich liebe auch das Wasser, das
In der Ferne erklingen leise die Karnevalsme-
ist einfach mein Element. Gerade mache ich
lodien der feiernden Düsseldorfer, die Wellen
meinen Sportbootführerschein.
schlagen vor uns sanft ans Ufer.
Wasser bedeutet für mich absolute Freiheit. Wenn ich manchmal hier alleine am Rhein sit-
Es wirkt gerade so, als würde uns der Rhein all
ze, ist das so, als wäre ich ganz weit weg an
die Diamanten vor die Füße spülen, mit denen
irgendeinem Strand. Ein schönes Gefühl.
er eben noch das Sonnenlicht eingefangen hat. Irgendwie war heute nichts normal. Heute war alles ganz besonders. Nur so ein Gefühl.
Anni Scheid
A NNI K A SCHE IDEMAN N IST 23 JAHRE ALT, S TUD ENTIN DES GYMNASIALE N LE HRAMTS UN D LE BT IN Gテ傍T IN GEN.
ika demann
Nimmer land ANNIKA SCHEIDEMANN Der Tag hatte den Mantel der Nacht überge-
Weile ging es ihr gut, bis jedoch die Pubertät
streift. Ein sattes Schwarz verhüllte nun all
ein -, aber der Verstand bei anderen aussetzte.
das, was ansonsten Sonnenstrahlen mit ihren
Dagegen hatte sie nichts, aber am Ende hatte
hellen Fingern zum Leuchten brachten. Doch je
sie auch nichts davon. Jetzt war sie hier, um
näher man sich durch das Dunkel der späten
einen alten Freund zu besuchen, der blieb, als
Stunde schlug, umso lauter wurde es. Basstö-
sie damalig ging.
ne drangen an das Ohr. Stimmengewirre. Mädchenlachen. Klirrende Flaschen. Agnes stolper-
Bunte Lichter erfüllten den Raum. Pink, Rot,
te geradewegs auf eine Disco zu.
Blau illuminierten und illustrierten ältere Paare beim jungbrunnerischen Tanzen des Dis-
Sie sah in die überschminkten Augen von Ge-
cofoxs. Der Geruch von Schweiß, Bier und
stalten, die – rein nach biologischen Kriterien
schwerem Parfum schlich sich unausweichlich
oder den Songtexten von Britney Spears fol-
in die Nase. Zigarettenrauch ersetzte die Ne-
gend – weder Mädchen noch Frau waren. Sie
belmaschine und umwölkte die Sicht und die
blickte in Gesichter von Wesen, deren leichter
Sinne. Der Boden
Bartansatz verraten sollte, dass sich schon das
Teppich aus Glasscherben, gespeichelten Kau-
ein oder andere Testosteron-Hormon in ihre
gummis und abgerubbelten Etiketten von Fla-
Adern verirrt haben dürfte. Die Technomusik
schen. Nach der Ebbe kommt ganz sicher die
karikierte die Bewegungen der Marionetten auf
Flut. Nach Techno kommt auf Dorfdiscos ganz
der Tanzfläche. Sie waren ungelenk. In der Tier-
sicher ein Schlager. DJ Ötzi wollte Agnes mit-
welt wären sie mit diesem Paarungstanz zum
teilen, dass ein Stern ihren Namen trüge, sie
Aussterben verurteilt. Agnes wollte nicht tan-
aber murmelte den Namen von Jonathan, we-
zen, sie suchte. Sie suchte schon lange. Eine
gen dem sie hergekommen war.
verschwand unter einem
Endlich fand sie ihn und nonverbalen Augen-
derart kompliziert betrachtest. Ich habe mei-
kontaktes verabredeten sie sich draußen vor
ne Ausbildung gemacht, verdiene Geld, mache
dem Eingang. Er nahm sie fest in den Arm. Der
mein Ding und bin eigentlich ganz zufrieden.
kühlende Hauch der Nachtluft ließ die erhitzten
Du studierst und musst immerzu alles kritisch
Wangen angenehm wieder erblassen. Nachdem
sehen. Ist das nicht anstrengend?“. Agnes
sie über alles redeten, was sie nun machten
dachte nach. „Was man ohne Anstrengung be-
und trieben, auch den Smalltalk hinter sich lie-
kommt, hat selten den gleichen Wert, als wenn
ßen, wanderten sie ein wenig abseits. Nur noch
man sich vorher für etwas angestrengt hätte!“.
leise waren die musikalischen Querschläge im
„Du liest zu viele Frauenzeitschriften, Agnes!“.
Dickicht der Dunkelheit zu vernehmen.
Die Stunden vergingen und sie redeten und schwiegen weiterhin.
„Versteh mich nicht falsch, ich liebe das Landleben, ich will später sogar zurück in diese Wei-
Irgendwann brach die Dämmerung an. Filig-
te. Aber manchmal muss man auch fortgehen,
rane Farben durchzogen das Tiefschwarz am
um anzukommen, was man verließ. Die Stadt
Firmament. Zaghaft begrüßten die ersten Vö-
kennt sich selbst, auf dem Land kennst Du Dich
gel den neuen Tag. Aus der Ferne hörte man
selber.“, sagte Agnes, nachdem sie eine Weile
das Geräusch eines brechenden Teenagers
geschwiegen hatten. „Warum machst Du Dich
und dem daran anschließenden Versprechen
dann so lustig über das was hier geschieht?“.
„Nie wieder Alkohol, ich schwör!“. Die Sonne
„Stell Dir vor, Du bist ein Viereck und alle ande-
hing am Horizont wie eine reife Orange und
ren Kreise. Bei allen läuft es rund. Nur Du, Du
tauchte die Gesichter von Agnes und Jonathan
eckst einfach immer an. Mit deinen Vorstellun-
in ein goldenes Licht. „Erwachsenwerden ist
gen. Mit deinem Verhalten. Man könnte einwen-
unglaublich kräftezehrend, weil man jeden Tag
den und sagen: ‚Irgendwann, wenn man sich
so vieles anders sieht, als man es bisher tat!“.
lang genug windet, schleift man sich die Ecken
„Die Dorfdiscos hast Du damals schon blöd ge-
ab‘. Doch,… wenn man eigentlich ein Viereck
funden!“, Jonathan zwickte ihr in die Seite. Sie
ist, wäre man mit abgeschliffenen Ecken nicht
musste lachen. „Manchmal kann ich Peter Pan
mehr der, der man ist, oder?!“.
verstehen, warum er nie erwachsen werden wollte. Aber auch er ist nur ein Teil einer Ge-
Jonathan suchte nach Worten, doch er blieb
schichte. Das sind wir auch. Teil der Mensch-
bei der Stille. „Ich mache mich nicht lustig, Jo-
heitsgeschichte, Teil unserer ganz persönli-
nathan. Ich sehe manches nur anders. Jeder
chen Lebensgeschichte. Wir sollten uns trauen
soll so sein, wie er es will. Jeder soll seine Ge-
erwachsen zu werden, aus Sachen herauszu-
schichte so schreiben wie er möchte. Ich bin
wachsen, in anderes hineinzuwachsen. Das
vielleicht, was solche Dorfdiscos und jene Pro-
Nimmerland ist das Nie-mehr-Land. Die eigene
tagonisten angeht, wohl eher der Literaturkri-
Kindheit kommt nie wieder.
tiker, wenn Du so willst. Aber jeder entwickelt
Doch dabei vergisst man, dass dafür noch
seine Ansichten davon wie sein Leben ausse-
ganz andere Abschnitte im Leben aufwarten.
hen soll. Die Perspektive allerdings einer Tanz-
Ein bisschen Kind wird man bleiben. Und als
veranstaltung zu partizipieren, bei der man
Kind wollte jeder erwachsen sein, die Mischung
nicht weiß, ob es auch der gleiche Veranstalter
ist´s. Sozusagen, der Kreis im Viereck!“.
ist, der die Viehauktionen organisiert, macht
Als die Sonne schon fast aufgegangen, die Wol-
mich nicht gerade glücklich.“
ken wieder zuckerwatteweiß und das Schwarz gewichen war, schaute Agnes Jonathan an und
Jetzt lachte er und warf einen Stein in die Un-
wusste, dass er versteht, wovon sie sprach und
sichtbarkeit der Nacht. „Dass Du alles immer
was sie fühlte.
M A XIM ILIA N LED E RER IST 18 JAHRE ALT, FOTO G R AF UND LEBT IN S ACHSELN, SCHWE IZ.
Maximil Led W W W. M A X I M I L I A N L E D E R E R .C H
lian derer
Happy End MAXIMILIAN LEDERER Reicht es, zu wissen wo ich hin will?
Bitte, jetzt doch selber weiterzuschreiben.
Wenn es stimmt, dass jeder seine eigene Ge-
Ich stecke fest. Schule? Fertig, vorbildlich. Abi-
schichte schreibt, sollte ich wohl endlich damit
tur? Gut abgeschnitten, mit Auszeichnung. Sich
anfangen.
auf die Zukunft freuen und das Jetzt genießen? Keine Chance. Und dann immer die Frage:
Aber wie geht das, seine Geschichte schrei-
„Wieso kann ich das nicht?“. Sind unsere Zei-
ben? Darf ich das überhaupt fragen? Es fühlt
ten oder Ich zu kompliziert? Wo ist der Träumer
sich an, als war ich eben noch der Junge, der
hin? Der könnte sich die Zukunft Schritt für
mit Mama im Einkaufswagen einkaufen ging,
Schritt hinträumen; denn wer will, der kriegt.
der sich in ‚Harry Potter‘ verlor und dessen Geschichte von anderen geschrieben wurde. Wo
„Aber es wird schon gut gehen“, sagen sie.
ist der Junge hin, dem die Lehrer nachriefen,
Das war ja immer so - Künstler halt. Und ich
er sei zu träumerisch für die Welt da draußen?
bin tatsächlich froh, mir solche Gedanken zu
Ich hab wohl den Moment verpasst, in dem mir
machen. Aber eine...meine...die Geschichte zu
meine Eltern Zettel und Stift hinhielten mit der
schreiben?
Wie finde ich was richtig für mich ist, wenn
ich noch so knapp erspähen kann. Das ist der
ich die meiste Zeit in meinem Kopf verbringe?
Teil vom Buch, wo der Text plötzlich aufhört und
Wieso geht die Zeit plötzlich so schnell vorbei
man es getrost zuklappen kann. Das ist mein
und wieso schreibt sich nichts von selbst? Ich
Happy End.
dachte, so läuft das mit dem Leben und so. Einfach mal drauf los... Darf man eigentlich faul
Aber wie fülle ich die Seiten bis dorthin? Was
mit sich selber sein? Ich scheue mich nicht vor
braucht es? Welche Figuren muss ich einfüh-
Fragen. Ich hoffe nur, es sind die richtigen. Und
ren in meine Geschichte? Welche Handlung
vielleicht fangen die Dinge erst an zu passie-
niederschreiben, damit ich dahin komme, die
ren, wenn einer akzeptiert, dass sie‘s können?
letzte Seite vor meinen Augen sehe? Ist das die
Ich glaube an meine Geschichte, ich muss ja
Schreibblockade junger Erwachsener? Ist das
fast. Ich will der „Typ mit der Kamera“ blei-
normal und wenn ja, bis wann? Reicht es zu
ben, ich will raus und Fotos machen und ich
wissen, wo ich hin will? Bist du sicher, dass ich
will damit Geld verdienen. Dabei ich zu sein,
es nur genug möchten muss? Lern ich das Ge-
wäre auch nicht schlecht. Das ist das Ziel; das
schichte-Schreiben auf dem Weg und hört das
ist das kleine Ding im Weit-Weit-Weg-Land, das
Fragen auf?
Rob Va
ROBE RT VAN OZ IS T 2 3 JAHRE ALT UN D MUSIK E R.
bert an Oz W W W. R O B E RT VA N O Z .CO M
Wolken Zimmer Haus ROBERT VAN OZ Es ist November. Die Sonne ist nun schon seit
herjagt. Ich laufe hinter etwas her, das ich nie
eineinhalb Stunden mein Weggefährte. Genau-
wieder zu fassen kriege, denn ich habe es auf
so wie pulsierende Kopfschmerzen und eine
ewig verlassen. Ich werde nie wieder zum Was-
trockene Kehle. Ich bin vollkommen dehydriert,
ser zurückfinden.
denn ich bin schon viel zu weit von dem Ort entfernt, von dem ich komme – dem Wasser.
Und selbst wenn - ich werde unfähig sein mit
Seit über einem Jahr bin ich bereits unterwegs.
diesem Ort jemals wieder in Einklang zu leben.
Ich weiß gar nicht so recht, wohin mich mein
Bei diesem Gedanken wird mein Herz ganz
Weg überhaupt führt oder wohin ich ihn führe.
schwer. Ich vermisse das Wasser. Ich vermisse
Manchmal ist es mir, als liefe ich im Kreis her-
den Geruch von Salz in der Luft.
um. Wie ein Hund, der seinem Schwanz hinter-
Die Sonne hat sich mittlerweile unter einer di-
für ewig sein. Es soll eine Konstante im Augen-
cken Wolkendecke verkrochen und es scheint
blicklichen sein, wie die Beständigkeit in der
nicht so, als wolle sie sich in der nächsten Zeit
Weile, nach der ich verzweifelt Ausschau halte.
wieder blicken lassen, um mir mein ohnehin
Eine kleine Ewigkeit in einem endlichen Leben.
schon vertrocknetes Gesicht zu gerben. Und da
Ich weiß, dass der Kampf gegen die Vergäng-
ich meinen Weg wohl fortan allein bestreiten
lichkeit bereits verloren ist, aber anstatt die
muss, so sei du doch mein Weggefährte und ich
weiße Flagge zu hissen, muss ich wenigstens
erzähle dir eine Geschichte. Über mich, meinen
versuchen den reißenden Strom der Vergäng-
Weg und ein Haus, das ich mit bloßen Händen
lichkeit zu überqueren, ihn wohlmöglich sogar
erbaut habe und das mein Leben von Grund
zu stauen. Es ist ein Jammer, wie einem alles
auf verändert hat.
aus den zitternden Händen gleitet, zu benetzt von Gräsern, Sträuchern und Morgennebel.
Seit langer Zeit schon bin ich auf der rastlosen Suche nach einem Ort, den ich wieder Heimat
Doch mittlerweile scheine ich eine Lösung für
nennen kann. Ich weiß um meinen Ursprung
mein Problem gefunden zu haben. Seit gerau-
und den Ort, an dem ich aufgewachsen bin. Ich
mer Zeit bestreite ich meinen Weg rückwärts.
schätze die alten Zeiten in vertrauten Regio-
Mit dem Rücken zum Ziel und dem Antlitz zum
nen und werde sie stets mit mir tragen, trotz-
Vergangenen. Ich bewege mich trotzdem in die
dem konnte ich nicht auf ewig dort verweilen.
gewollte Richtung, mache keinen Schritt zurück
Irgendetwas in mir hat mich dazu verleitet, von
und verliere das, was ich hinter mir gelassen
dannen zu ziehen. Schon damals kam dieses
habe, keineswegs aus den Augen. Mir entgeht
überwältigende Gefühl von Heimatlosigkeit
nichts, was ich zurück lasse. Ich kann alles
in mir auf. Ein Gefühl von Ohnmacht, obwohl
verfolgen und es so lange betrachten, bis der
ich da, wo ich lebte, beheimatet und behütet
Morgennebel, der auf den Wiesen schläft, es
war. Argwohn und Zweifel, an allem was mich
sanft in sich begräbt. Dann trage ich nur noch
und meine Umgebung ausmachte, regte sich
die Erinnerung an das Vergangene in mir, aber
in mir und trommelte wie ein Ungeborenes ge-
vielleicht ist diese von gleicher Bedeutung und
gen meine Menschenhülle und wand sich und
Kostbarkeit wie das einmalig Erlebte. Die Erin-
strampelte, bis ich etwas dagegen unternahm
nerung an einen Moment, der von großem Wert
und mich auf den Weg begab, eine neue Hei-
war, macht diese noch viel erlesener. Das Erle-
mat für mich zu finden. Nur deshalb befinde ich
senste daran ist aber, dass es mir gelungen ist,
mich auf diesem Pfad, meine Habseligkeiten,
die Vergänglichkeit in diesem Punkt zu besie-
Ängste und Zweifel in einem Jutesack hinter
gen. Mögen die Momente und Erlebnisse hin-
mir herziehend. Das bedingungslose Streben
ter dem Nebel kurzweilig gewesen sein- meine
nach Verbundenheit und Zugehörigkeit lässt
Erinnerungen, die ich mit mir trage, kann mir
meine Last so leicht wirken, als sei mein Ge-
der sprudelnde Strom der Vergänglichkeit nicht
päck mit Federn gefüllt. Doch wenn es etwas
entreißen. Ich weiß, dass er lechzend schäu-
gibt, das mich bisweilen zögern lässt und mich
mend über alles, was ich in meinem Jutesack
am Weiterschreiten hindert, dann ist es mein
den von Wurzeln durchwebten Weg entlang-
Bedürfnis nach Beständigkeit und Ewigkeit. Al-
befördere, herfallen will. Ich kann den Strom
les, was mich bewegt und mir kostbar ist, soll
förmlich schwappen und gurgeln hören.
Plötzlich muss ich an meine einstige Heimat
gewesen. Sicherheit ist etwas, wovon es nicht
denken. Der Sieg bedeutet mir auf einmal gar
mehr viel gibt in der hastigen Welt. Während
nichts mehr. Ich halte inne und stutze. Die Luft
ich zu bauen und zu werkeln begann, wuchs der
ist eisig geworden, der Himmel starr und ge-
Wunsch nach dieser Bleibe immer weiter. Was
froren. Seine Klarheit und Reinheit ist beein-
gibt es denn schöneres als einen Ort, an dem
druckend. Die Wolken sind für einen Moment
wir alle zusammenkommen und uns verbünden
weitergezogen. Erst hier wird es mir bewusst.
können? Eine Gemeinschaft, die nach Zugehö-
Heimatlos bin ich geworden. Entwurzelt, strau-
rigkeit und Verbundenheit strebt und eine gar
chelnd und ohne Bleibe. Ich merke plötzlich von
symbiotische Bindung miteinander eingeht –
welch unbändiger Kraft die Bindung zu meiner
danach sehnte ich mich. Gepackt von Euphorie
einstigen Heimat war. Wie konnte ich diese Ge-
und Enthusiasmus zog ich mit bloßen Händen
fühle missachten? Ich habe doch dort gelebt.
die noch weichen und feuchten Mauern aus
Erschreckend, wie man offenbar an sich selbst
Lehm, Erde und Stroh hoch. Das Haus musste
vorbeileben kann. Für wahr, ich habe dort ge-
erst aushärten, bis man es bewohnen konnte.
lebt. Und jetzt lebe ich nicht mehr, ich wandle nur noch. Einsamer und träger denn je. Ich will
Doch es wollte und wollte nicht trocknen -
dir sagen warum, und was sich auf meiner Pil-
selbst nachdem neun Tage ins Land gezogen
gerschaft zugetragen hat.
waren. Das Dach war kurz davor einzustürzen.
Vor einiger Zeit – ich hatte bereits diesen Pfad
Die Wände blieben klamm und glitschig. Fas-
eingeschlagen – fasste ich den Entschluss
sungslos strich ich mit meinen zitternden Hän-
nicht länger nach dem zu suchen, wonach ich
den über die zähe Mauermasse. Zweifel und
mich sehne, sondern inne zu halten und es
Angstzustände suchten mich wieder heim. Das
selbst herbeizuführen. Ich beschloss mir mein
Haus konnte nicht atmen, ebenso wenig wie
innigstes Bedürfnis, meinen pochenden Her-
ich. Atemnot stellte sich ein. Mein Herz raste.
zenswunsch zu erfüllen und mir meine Heimat
Vakuum. Das Haus drückte mir die trockene
selbst zu schaffen. So begann ich mir ein Haus
Kehle zu und ich drohte an dem, was ich selbst
zu bauen. Nicht nur für mich allein, sondern
erbaut hatte, jämmerlich zu ersticken. Mir war
für alle Heimatlosen und Wurzellosen, die mein
so, als sei ich unter meinem eigenen Gebilde
Verlangen nachempfinden konnten. Dieses
lebendig begraben worden. Mumifiziert in Klei
Haus – es sollte ein Ort werden, den ich endlich
und Lehm, konnte ich mich letztendlich doch
wieder mein Zuhause nennen konnte. Ich woll-
aus den eigenen Gemäuern befreien.
te alle Menschen zu mir einladen. Sie sollten
Als ich wieder vollständig zu mir gekommen
mich besuchen kommen und sich ebenso wohl
war, wurde mir das Ausmaß dieses Geschehens
fühlen, wie ich selbst. Sie sollten zu mir hinauf-
erst bewusst. Zwar konnte ich wieder atmen
kommen und mit mir aus den großen Fenstern
und hatte meine Freiheit wieder, nur muss-
das Treiben in der Welt aus sicherer Entfernung
te ich mein Haus dafür niederreißen. Es war
beobachten. Wir hätten es uns gut gehen las-
vollständig zerstört und dem Erdboden wieder
sen können in meinem Wolkenkuckucksheim.
gleich. Tief betrübt stellte ich fest, dass mein
In meinem Haus. In meinem Wolkenzimmer-
Haus sich mit dem Erdboden, aus dem es sich
haus. Da wäre es trocken, warm und sicher
erst empor hob, wiedervereinigt hatte.
Geschwächt und matten Gemüts zog ich aber-
Wer bin ich schon? Ich weiß es nicht. Seit ich
mals von dannen. Diesmal wagte ich es nicht
denken kann, habe ich versucht jemand zu sein
rückwärts zu laufen. Ich traute mich nicht auch
und dabei nie darauf geachtet, wer ich letztend-
nur einen scheuen Blick auf den Trümmerhau-
lich wirklich war. Definiert und gewertet habe
fen zurückzuwerfen. Zu schmerzvoll wäre der
ich mich allezeit nur durch die Augen anderer.
Anblick gewesen.
Als Kinder lernten und begriffen wir durch die Imitation unserer Umwelt. So sammelten wir
Ja, so war das. Seitdem bestreite ich meinen
Wissen und Erfahrungen, während sich unser
Pfad wieder so wie just in diesem Moment.
Charakter dadurch langsam ausbilden konnte.
Noch immer bin ich überzeugt davon, dass dies
Von unseren Knochen bis hin zu unserer Iden-
der richtige Weg ist. Auch wenn mir das Kreuz
tität – am Anfang unseres Seins waren wir alle
schmerzt und meine Beine von Schritt zu Schritt
weich, zart und ungeprägt – wie ein blankes
müder werden. Sie sind kurz vor dem Versagen,
Blatt Papier. Es bedarf an Zeit, bis wir vollstän-
doch ich gehe weiter, denn das ist mein Los.
dig aushärten und über eine ausgebildete Iden-
Der Horizont hält mit mir Schritt, während mir
tität verfügen. Das leere Blatt Papier füllt sich
ein Gefühl – ich glaube es ist Heimweh – das
nur allmählich.
Herz zuschnürt. Vor lauter Grübeln habe ich nicht bemerkt, dass die Wolken zurückgekehrt
Damit ist noch eine zweite Erkenntnis verbun-
sind. Sie müssen mit den Falten auf meiner
den, die mir erst einmal vollständig bewusst
Stirn gekommen sein. Erneut stellen sie sich
werden muss. Was ist, wenn nun der Weg die
zwischen mich und das Licht. Zwischen mich
Heimat ist? So lange wandere ich nun schon
und die endgültige Erkenntnis darüber, warum
umher und halte bedingungslos Ausschau nach
alles so gekommen ist, wie es gekommen ist.
diesem Ort – dem Zuhause – sagenumwoben und von mir seit jeher glorifiziert und ideali-
Der Abend bricht herein. Genauso langsam, wie
siert. Was ist, wenn ich diesen Ort schon von
es zu dämmern beginnt, beginne ich zu begrei-
Beginn meiner Reise an mit mir trage? Meine
fen, warum mein Haus nicht härten und das
Heimat – sie war immer da. Hier bei mir. In Mir.
Dach nicht halten wollte. Ich bin es. Ich bin der Grund dafür. Ich bin amorph. Formlos und ge-
Ich trug wohl die ganze Zeit Scheuklappen,
staltlos. Wie konnte ich jemals erwarten, dass
konnte weder links, noch rechts, noch nach in-
mein Haus Gestalt annehmen würde, wenn ich
nen schauen, sonst hätte ich sie entdeckt. Dem-
selbst ohne war und immer noch bin? Unser
nach ist mein Zuhause dort, wo ich mich gerade
Zuhause ist eine direkte Wiederspiegelung un-
befinde, ob ich schreite oder raste. Langsam
serer selbst. Wir sind exakt so, wie wir leben.
wird mir bewusst, was das für mich bedeutet
So, wie wir sind, gestalten wir auch unsere Um-
und für wie wertvoll sich diese Erkenntnis für
gebung. Solange ich also ohne Form und Profil
meinen weiteren Weg erweist. Alles scheint
bin, so ist es auch mein Haus. Solange ich nicht
nun umgekehrt zu sein, denn anstatt einem
im Reinen mit mir und meinem Wesen bin, wird
utopischen Ort hinterher zu jagen, an dem ich
auch mein Haus es nimmer sein. Auch Identi-
wohnen kann, wohnt er selbst längst in mir. Ihr
tätslosigkeit geht mit diesem Schicksal einher.
könnt euch sicher vorstellen wo.
Unbeschreiblich sind die Gefühle, die mich jetzt
Mit einem breiten, triumphierenden Lächeln
beflügeln und vollkommen in sich aufnehmen.
begebe ich mich auf meine letzte Etappe für
Ich kann sie kaum in Worte fassen. Ich glau-
heute. Immer noch zitternd vor Stolz und Glück.
be, es sind Wohlbehagen und Leichtigkeit und
Auch wenn diese Erkenntnis mich mehr gekos-
das große bebende Glück, die sich da regen.
tet hat, als ich wollte und alles, was mir lieb
Außerdem das Gefühl von grenzenloser Frei-
war. So wird sie trotz glänzender Gegenwart
heit und Unabhängigkeit, denn fortan bin ich
und Zukunft auf ewig als Pyrrhussieg in meiner
an keinen Ort und keine Lokalität mehr gebun-
Erinnerung haften bleiben.
den. Und da ist noch ein anderes Gefühl. Ich wage es kaum zu definieren. Es ist das Gefühl
Mittlerweile ist die Nacht angebrochen. Scha-
von Heimat. Obwohl ich gehe, spüre ich, dass
les Mondlicht erleuchtet meine letzten Schritte.
ich endlich angekommen bin. Ich spüre wie die
Unter einem Haselnussstrauch lasse ich mich
Last und das Joch von mir abfallen und mein
für heute nieder, gönne meinen wunden Füßen
Gang immer leichter und freier wird. Fast, als
den Frieden der mondgetränkten Nacht und
wolle ich aufsteigen. Ich habe den Schlüssel für
halte Ausschau nach Sternenstaub am Him-
mein wirkliches Haus gefunden. Und er passt,
melszelt. Wehmütig und trotzdem unendlich
denn ich habe ihn selbst gegossen. Feierlich
glücklich seufze ich leise, schließe die Augen
und voller Ehrfurcht betrete ich das erste Mal
und lausche dem leisen Rauschen der blatt-
mein Wolkenzimmerhaus und es ist wahrhaftig
kargen Bäume, durch die der Wind fährt. Jener
noch schöner, noch wärmer und noch sicherer,
Wind, der durch Wald und Flur gen Innenland
als ich es mir ausgemalt hatte. Die Aussicht ist
geht und mich jede Nacht sanft in den Schlaf
noch überwältigender, als in meinen Träumen.
wiegt.
Zwar bin ich vollkommen in mir geschlossen, doch werde ich den Blick nach draußen nie ab-
Manchmal ist es mir dann so, als könne ich
wenden.
Salz im Winde riechen.
Mein Wolkenzimmerhaus ist das Wertvollste, Edelste und Mächtigste, was ich je besessen habe und niemand kann es von mir nehmen. Weder Mensch noch Tier können es erschüttern oder gar zerstören. Nicht einmal die Natur – und wenn sie noch so tobt und wettert.
„In den Augen wohnt der rasche Blick, der zu entflammen und froh zu ruhen vermag, der das Licht bis tief in die Kammern des Herzens führt. Ich fühle die Berührung des Lebens mit allen Gliedern, wie das Wasser den Windhauch spürt, der seine Oberfläche bewegt. Jeder Sinn hat sein seliges Amt, aber du hast das herrlichste, mein Herz, in dir wohnt das Heimweh.“ Waldemar Bonsels, „Himmelsvolk“, 1915
Rosa Fey
ROS A LIE F E Y IST 19 JAHRE ALT, F OTO G RA F IN U ND GESTALT ERIN U ND WO HN T IN MÜN CHEN.
alie y
W W W. R O S A L I E F E Y.CO M
ROSALIE FEY
kleine Fetzen Leicht schwankend, aber doch lässig steht er
Er erkennt es einfach nicht. Und bald wird es
an der Bar.
zu spät sein.
Alle sind gegangen, er blickt ins Leere, ein
Was übrig bleibt, sind Geschichten - kleine Fet-
Blick ohne Ziel in völliger Abwesenheit.
zen. Der Mann mit den Blauen Augen.
Er zieht weiter, was macht das schon. Lange
Er kratzt es zusammen, versucht sich zu kon-
wartet keiner gerne. Es ist so traurig, ihn so
zentrieren. Doch schafft es nicht.
zu sehen. Wenn man so wie er nur in Fetzen denkt, nicht in Geschichten.
Eine Träne läuft an ihm herunter - er geht wei-
Betrunken oder nüchtern ist er nicht im Stan-
ter und sucht etwas neues. Eine Geschichte,
de, das komplette Bild zu erkennen.
die er im Stande ist zu begreifen.
Ste
S T EV E N LÜDTK E IST 18 JAHRE ALT, F OTOGRAF UN D LE BT IN BERLIN.
even W W W. FAC E B O O K .CO M / S T E V E N LU DT K E F OT O G R A F I E
Am Fenster STEVEN LÜDTKE Als ich begonnen habe, mir über „meine Ge-
denschaft zu ihr. Ich würde gern in naher Zu-
schichte“ Gedanken zu machen, bin ich auf
kunft mal im Ausland arbeiten, neue Kulturen
Grenzen gestoßen. Denn eigentlich bin ich zu
entdecken und verschiedene Lebensstile ken-
jung, um eine Lebensgeschichte erzählen zu
nenlernen.
können. Viel mehr stecke ich voller Tatendrang und will den Wunsch umsetzen, eines Tages
Zudem möchte ich in der kommerziellen Mode-
meine eigene Geschichte schreiben zu können.
fotografie bleiben, mich etablieren und meine
Momentan möchte ich nur das Hier und Jetzt
Passion zu ihr weiter ausbauen - denn ich bin
leben, dennoch bin ich gespannt, wohin mich
der Meinung dass ich in der Arbeit mit Men-
meine Wege führen werden.
schen eher dazu fähig bin, meine Ideen umzusetzen.
Ich stelle mir die Frage, wie meine Geschichte einmal aussehen könnte und was ich von mei-
Ich möchte meine Grenzen entdecken und sie
ner Zukunft erwarte. Ich blicke aus dem Fens-
überschreiten. Ich möchte einfach nie auf-
ter und sehe so viele Wege: Wege, die ich ge-
hören, das zu machen, was mir Spaß macht!
hen könnte.
Wenn ich in dem Alter bin, in dem ich behaupten kann, eine Geschichte zu haben, möchte ich
Noch ist ungewiss, welche Richtung ich kon-
sagen können, dass mich mein Leben glücklich
kret einschlagen werde. Fakt ist aber: Meine
gemacht hat und dass ich in der Lage war, mei-
Zukunft liegt in der Fotografie, in meiner Lei-
ne Ziele zu erreichen.
Jon Cars
JO NA S CA RS TEN S IST 21 JAHRE ALT, STU D ENT, BLO G G ER UN D AMATE UR-SCHAUSPIE LER UND LEBT I N WE IMAR.
nas stens W W W. I T S O U R S . D E W W W.C A R G O CO L L E C T I V E .CO M /J O N AS C A R S T E N S
Alles Schwarz JONAS CARSTENS F OT O : P H I LOT H E U S N I S C H
Eigentlich ist mir das immer unangenehm,
wie immer alle in der Schule sind. So mit keine
wenn mich einer danach fragt, also nach mir.
Lust drauf haben und dem ganzen Kram. Und
Ich bin nämlich kein großer Erzähler. Also,
so war’s auch. Also fast die ganze Zeit. Weil,
wenn mich einer fragt, dann erzähle ich schon.
wie das eben so ist, wenn man jung ist, da war
Aber es ist eben nichts Erzähltes. Das kommt
ein Mädchen. Klar, du kennst das. Kennt jeder.
dann von mir. Und da soll’s ja eigentlich auch
Das ist jetzt nichts, was einen richtig umhaut.
bleiben. Aber du hast mich gefragt. Also erzähl
Aber die war anders. Ich mein’, ich hab’ echt
ich‘s dir. So, wie ich das eben kann.
jetzt seitdem auch viele Mädchen gesehen. Aber die war anders, das hab ich damals schon
Also, ich war, als ich klein war – und das ist
gewusst, ich hab’s einfach sofort gemerkt,
echt schon ’ne Weile her – in der Schule. So
dass die was Besonderes ist.
Also immer, wenn ich keine Lust hatte, auf
mit sie immer da ist oder so. Und auch immer
Schule und den ganzen Kram, dann hab’ ich
erst mal ganz klein.
mir sie vorgestellt. Oder hab’ einfach zu ihr rüber geguckt. Sie saß in der Reihe links von mir.
Aber das ging dann irgendwie nicht mehr. Ir-
So eine Reihe weiter vorn, schräg über’n Gang.
gendwie hat das nicht gepasst. Das war zu
Das kennst du sicher auch, oder? Das mit den
klein. Dann hab ich’s eben größer gemacht.
Gängen, das ist ja bestimmt heute noch so. Das
Erst nur so ein bisschen. Aber dann hab’ ich
war jedenfalls einfacher da rüber zu schauen,
angefangen, die ganze Wand voll zu malen.
als sie mir immer nur vorzustellen.
Und als die erste voll war, hab’ ich die nächste genommen. Das war dann immer so, als wäre
Genau … und, dass muss ich jetzt wahrschein-
sie auch da. Also immer wenn ich gemalt habe.
lich dazu sagen, ich hab’ mich nie getraut, sie
Und das hat echt gut getan, zu wissen, dass sie
irgendwie mal groß anzusprechen. Klar, wenn
da ist. Weil sie ja weg war und so.
man mal in so Gruppen in der Schule zusammen arbeiten musste. Oder mal so auf ’nem
Aber weißt du, wenn dann da in deinem Zimmer
Geburtstag von Kumpels oder so. Aber jetzt
immer jemand ist, der eigentlich nicht da ist.
nicht so, wie man das vielleicht aus Hollywood
Das ist komisch. Das hab ich nicht ausgehal-
kennt. Also mit ein blindes Huhn findet auch
ten. Ich konnte nicht mehr schlafen. Nicht mehr
mal ’n Korn.
essen. Eigentlich ging irgendwie gar nix mehr. So richtig nix. Ich hab’ mir ’nen Eimer Farbe ge-
Ja, jedenfalls ging die mir nicht mehr aus dem
kauft. Und Pinsel. Und bin raus gegangen. Erst
Kopf. Die Schule war dann vorbei und alle sind
war’s nur das Haus, in dem ich wohne. Dann
irgendwie weggegangen. Studieren, Ausland
die Straße. Der Block. Das Viertel. Die ganze
und so. Also wirklich alle. Sie auch. Nur ich
Stadt ist voll von ihr.
eben nicht. Ich bin hier geblieben. Aber ich konnte nicht mehr aufhören. Ich habe Die war weg. So richtig. Irgendwie aber auch
weitergemalt. Und wieder von vorn angefangen.
nicht. Weil, in meinem Kopf war sie ja noch da.
Das Haus, die Straße, der Block, das Viertel.
Da saß sie eben immer schräg links vor mir in
Die Bilder haben sich überlagert, sich gegen-
der Reihe. Wie vorher ja auch. Also der Gedan-
seitig verdeckt. Ich wusste nicht mehr, wo ich
ke war auf jeden Fall noch voll da.
angefangen und wo aufgehört hatte. Ich hab’ einfach immer wieder über alles drüber gemalt.
Jedenfalls hab’ ich dann angefangen, sie zu
Immer gleich.
malen. Ich hab das gemalt, was ich von ihr im Kopf hatte. Erstmal immer nur so ganz klein.
Irgendwann konnte ich nichts mehr erkennen.
Irgendwie in’n Kalender rein. Oder mal in’er
Da war nichts mehr. Sie war weg. Alles war
Kneipe auf so ’ne Serviette oder so. Aber dann
dann schwarz. Ich bin nach Hause gegangen
hab’ ich irgendwann angefangen, das auch bei
und habe mich hingelegt. Da konnte ich wieder
mir zu Hause zu machen. Erst auf Papier. Und
schlafen. Und sie, sie war nur noch ein Eimer
dann so an die Wand neben meinem Bett. Da-
Farbe und ein Pinsel.
JU G
JULIAN GEHRIN G IST 18 JAHRE ALT, S CHÜLE R UN D LE BT IN ST UTT GART.
ULIAN GEHRING W W W. FAC E B O O K .CO M /C L E V E R L E S S P H OT O S H O P T
JULIAN GEHRING
GarteN Eden Montagmorgen, acht Uhr. Der Nebel mindert
Ein kurzer Blick auf die Uhr sagt mir, dass ich
die Sicht. Während ich die Straße entlang lau-
schon viel zu spät bin. Egal, denn der Blick
fe, kann ich meinen eigenen Atem vor mir se-
nach vorne lässt mich weiter träumen. Ich stel-
hen.
le mir ein Leben ohne Stress vor, ein Leben ohne Schule. Einfach nur leben. Als Mensch al-
Langsam durchbricht die Sonne das nas-
lein. Wie im Garten Eden.
se Grau, ich schaue nach links, schaue nach rechts. Schön ist es hier. Meinen Weg zur Schu-
Vor mir taucht die Schule auf, ich bin angekom-
le habe ich schon immer gemocht - auch wenn
men. Und wache auf aus meinem Traum, der
ich die Schule selbst nicht wirklich mag.
viel zu schnell vorbeigegangen ist.
Ich laufe und laufe. Auf meinem Weg verliere
Die Flure sind schon leer, ich sollte mich beei-
ich mich in der Umgebung. Es ist wie ein Traum,
len.
ich vergesse all den Stress.
La Wo
LAURA WOLF IST 24 JAHRE ALT, KOMMUN IK ATION SDE SIGN E RIN UN D LE BT IN DUN E DIN.
W W W. L AU R AWO L F D E S I G N . D E
aura olf
Unser Revier LAURA WOLF
Unser Dörfchen mit seinen elf Häusern, fünf
nach dem Rechten zu sehen. Wir überprüften
davon Höfe, als Ausgangspunkt unserer – jetzt
die Wasserqualität, den Fortschritt des Frosch-
täglich wirkenden – Ausflüge. Ausflüge… jeder
laichs und die Blätter der Bäume nach Käferbe-
für sich eine Reise, ein Abenteuer mit uns als
fall oder Ähnlichem.
Protagonisten. Anfangs blieben wir in der Nähe … die „Squaw“ als erster heimlicher Treffpunkt
Wir blieben also immer auf dem Laufenden was
ist uns bis heute geblieben.
die Oasen betraf. Mit (noch zu) jungen Jahren ergatterten wir das alte Mofa deines Bruders,
Bald vergrößerten wir unser Revier. Wir streun-
unseren hübschen metallic-blauen Herkules!
ten umher, jeden Tag in eine neue Himmelsrichtung. Schnell stoßen wir dabei auf die „Oasen“
Mit ihm waren wir jetzt um einiges schneller
(kleine Eilande inmitten der Kuhwiesen, ein
als zuvor – barfuß über Stock und Stein – und
Baum, drei Sträucher, ein kleiner Tümpel- ein
konnten unser Revier weiter vergrößern. Das
verwunschenes Fleckchen Erde).
war großartig!
Bald hatten wir auf unseren Kontrollgängen
Jetzt waren wir schneller außer Sichtweite und
gut Strecke zurückzulegen um bei allen Oasen
somit auch schneller in unserer eigenen Welt.
Mit mehr Revier gingen aber auch mehr Aufga-
möglichst schnell in den Stall zu bringen und
ben einher. Wie Ranger in einem Nationalpark
so kam es, dass wir früh zu Jeep-Fahrerinnen
durchstreiften wir unser Territorium (ca 10 km )
wurden. Kofferraum auf, eine von uns mit dem
immer wieder aufs Neue um nach dem Alten zu
Kälbchen und unserem ständigem Begleiter,
sehen und Neues zu entdecken. Im Wald sahen
dem Schäferhund Moritz, hinein; die andere
wir nach, ob bei den Rehfutterplätzen genug
hinters Steuer und „Vollgas!“ – am besten mit
Heu war (wenn nicht wurde sofort bei deinem
offenen Fenstern und Türen.
2
Papa Alarm geschlagen und meistens durften wir selbst dieses Missgeschick beheben).
Offen war auch der Fußraum auf der Fahrerseite – der Rost hat hier sein Werk vollbracht.
Auf den Wiesen sahen wir nach, was die Her-
Aber das störte uns keineswegs… auch nicht
den trieben und wie weit die trächtigen Kühe
bei schlechtem Wetter, wenn wir schnell durch
waren. Nicht zu selten waren wir die ersten
Matsch und Pfützen fuhren und uns alles von
vor Ort und Stelle bei einer Geburt und wuss-
unten ins Gesicht spritzte.
ten dank des vielen Beobachtens und Mithelfens im Stall genau was zu tun war. War das
Wir waren jetzt endgültig frei und unabhängig
Neugeborene dann heraus, galt es das Kleine
in unserem so sehr geliebten Revier.
Cha Pfa
CH A R LOT TE PFAHLE R IST 18 JAHRE ALT, ZU R ZEIT RE ISEN DE AM AN DERE N E N DE DER WE LT UND LEBT E IGEN T LICH IN HEIDE LBERG.
arlotte ahler
CHARLOTTE PFAHLER
Wildes Nichts Es war wie das anhaltende Seufzen eines Rie-
pig, glatt, wie das gleitende, schlitternde Ge-
sen. Als wäre die Luft um ihn schon einmal
räusch eines Backblechs auf weichem Holz.
geatmet worden, eingesogen, gierig, in den Lungen umher gewirbelt, gesaust, verbraucht
Durch sein drittes Auge sah er klebrige Schlie-
und ausgehustet worden, durch die Kehle nach
ren, säuselnde Sirenenvögel oben in Berghän-
oben geschossen, hinaus ans Sonnenlicht,
gen über Silberpappelwäldern. Als er registrier-
ausgelaugt, nicht mehr für atmendes Leben
te, dass er kein drittes Auge besaß, schüttelten
geeignet.
die kreischenden Federtiere lachend ihre Indigoflügel und ließen sich hinab sacken in das
Kein Duft, kein Geruch überhaupt...
Tal, das ihn umschloss. Alt, schon immer dort, Kerben an der Lehne.
Viel mehr eine vage Leere, eine angenommene,
Eine Übelkeit arbeitet sich im Körper nach
unvollkommene Hohlstelle im Raum um ihn,
oben.
beengend dazu. Hatte er nicht noch eben dort gesessen? Warum war er gegangen? Die flatternde Seide hatte ihn nun fest gepackt, Vor ihm eine Schlucht. Eine gläserne Schlucht
kaum Luft drang durch seinen weit offenste-
aus nicht gedachten Gedanken, die pochend,
henden Mund, zitternde Lippen rangen nach
wild und drängend gegen eine unsichtbare
einem Keuchen.
Trennwand hämmerten, die ihn einschloss in seiner Seifenblasenwelt.
Obwohl die Vögel verschwunden waren, war ihm, als höre er in weiter Ferne ein bellendes
Nur das Schillern fehlte.
Rumoren, als sei ein Schwarm von Rotkehlchen in der Unterwelt entflohen.
Klaustrophobisch zog sich der Schleier enger, ein sanfter, seichter Hauch, fest wie der Körper
Dann machte er einen Schritt nach vorn und
einer trocken ledrigen Würgeschlange, schup-
verschwand.
Jo Kons
JO NA S KONS TAN DIN IST 21 JAHRE ALT, S TU D ENT UN D LEBT IN FURTWAN GE N.
onas standin
JONAS KONSTANDIN
bear in remembran There was a hill above a glimmering place, bustling space. A hill being full of mystery, hidden mere for the blind man. Unveiling its oddness not before an ungodly hour. For those who are holding out time. In a moment of being lies the highest of feelings. Not alone, but with prickling inside. There was a step to a higher place. Not caring about what could happen or detain a saving grace. Might call it an adventure or a childish night. Just looking forward to a glorious sight. Discovering serious man holding you back. And realizing what makes him a poor wreck. There was a neat room waiting for its deflowering. With joy making a game of it, answering back the fate of aging. Handing over all the reins of sanity. To the power of child’s philosophy. Ending up with smoke in a floured paradise. And realizing what makes an outstanding personality. Don’t slip away.
Dedicated to Paula Korth.
nce
Sp
pY
SPY IS AN URBAN ART IST LIV IN G IN MADRID. W W W. S PY.O R G . E S
Tape SPY Towards the end of the 80’s I began to paint
My first experiments were greatly influenced
graffiti, attracted by the graffiti art that I saw
by graffiti, and in a more formal style, I began
in the street.
using my name almost as an excuse. Without knowledge of the work that other artists were
Self-taught, I began to develop my own paint-
developing in other parts of the world, I be-
ings and identify my own style. I didn’t have ex-
gan to promote my identity with methods dif-
perience and I was never formally educated at
ferent from graffiti, big posters with my name
an art school, but I was powerfully attracted to
in san serif letters, changing billboard adver-
the idea of seeing my name everywhere.
tisements so that the message was different, changing the names of the subway stations for
At that time, I dedicated much of my time to
my name…
that discipline, for years I painted trains, tags, silvers, murals… and became quite well-known
It was a natural evolution, the move from graf-
in the world of graffiti in Spain.
fiti to urban art brought me to develop new ideas, I wanted to work with new methods beyond
After several years of painting graffiti, in the
the graffiti discipline and the media in which I
mid-90’s, I began a phase that is the most simi-
best developed myself was outside in an urban
lar to the work that I am doing today.
environment.
Although many other artists not related to graf-
Sometimes the place suggests an idea to me,
fiti had already used the city as a base, at that
and then there are times that a social circum-
time, it was not usual to see independent artis-
stance prompts me to develop an intervention,
tic interventions in the street that had nothing
other times an idea takes me to a place and
to do with graffiti or post-graffiti.
other times I simply want to say something and look for the best way to do so.
All those years of working in the street have given me a sharpened sense when it comes to see
I try to be receptive to the dialogue with the city
the city as an artistic base with great possibili-
that for many years has been the framework
ties to carry out my current works of urban art.
where I have expressed and communicated my ideas.
I like to generate some type of reaction with
With respect to the public that receives my
my work, I try to awake and create a more lu-
work, I have heard all kinds of opinions, but
cid conscience with my interventions. Irony and
generally they are positive. There are those
humor is a way to make the receiver an accom-
who see it as a free and selfless act with which
plice, create a dialogue and make one think
they feel identified, and there are those who
that the work communicates something with
see it as vandalism.
which one identifies. They are small bits of intention that make the
When people are receptive to the dialogue with
person who receives them see their routine as
the city, they encounter the works, they recog-
an urbanite hatching.
nize that the works don’t have an institutional aspect and don’t appear to have been author-
If the passer-by who sees the piece likes it, they
ized. They think that someone spends their
see the work as a romantic act and will take
time doing these interventions freely and spon-
part of the intervention with them.
taneously. This circumstance makes a great connection with the recipient of the work and
Daily we see ourselves enveloped, invaded,
they become part of it.
eclipsed by images and things that we don’t ask for, encountering artistic demonstrations
In non-legal terms perhaps my favourite piece
in the street seems to produce a relief from so
is the police car with tape in New York. It is one
much overcrowding.
of those jobs that was the hardest for me to de-
The cities are a great base for the type of activ-
cide to do. In and of itself the execution of the
ity that I carry out. They are uncovered like a
work was simple although very risky. Now that I
framework with great possibilities in which to
think about it, I wouldn’t do it again. I was very
act.
lucky because I think the car was broken down. After passing by there for several days without
The majority of the interventions are autono-
paying it much attention, I realized that it was
mous which implies that generally speaking
just sitting there seemingly abandoned. I had
they are no-legal. There is no institutional per-
bought the tape for other reasons, but the last
mit to do them. I look for the best option and
time I passed by the car I decided to just do it.
time to carry them out. They are mainly devel-
It was a flash and in a matter of a minute I had
oped in large cities, where they are born and
encircled the car with the tape.
live creating a dialogue with the recipient of the work. The object of the works is to commu-
I left, and returned a little while later to take a
nicate through the transformation of the urban
picture; the car was still there.
scenery.
Le C
LES L IE CLIO IST SÄN GE RIN UN D LEBT IN BE RLIN.
eslie Clio
W W W. L E S L I E C L I O.CO M
LESLIE CLIO INTERVIEW
T E X T: J O N AS M E Y E R
F OT O S : O L E W E S T E R M A N N
Friedrichshain an einem Samstag mitten im
Jonas:
Dezember. Der Schnee, der sich in den letzten
In deiner Biografie heißt es, deine Augen hät-
Tagen so sanft und weiß über die Stadt gelegt
ten schon mehr gesehen als die deiner Alters-
hat, klebt inzwischen wie vernarbt auf den Bür-
genossen...
gersteigen rund um den Boxhagener Platz und mischt sich mit dem pechschwarzen Streugra-
Leslie (lacht):
nulat zu einer seelenlosen grauen Masse.
Ja, das kann man in gewisser Weise sagen. Ich habe nach dem Abi meiner Heimatstadt Ham-
Grau ist heute auch die Haltung des Berliner
burg den Rücken gekehrt und bin zwei Jahre
Himmels, der sichtlich gelangweilt irgendetwas
lang durch die Welt gereist: Ich war in Australi-
zwischen Regen und Schnee nach unten fal-
en, Neuseeland, Indien, Thailand, Amerika und
len lässt. Und grau sind die Gesichter der we-
ganz viel in Europa unterwegs. Da sieht und
nigen Menschen, die sich eilig und vermummt
erlebt man einfach viel.
aus den schmalen Hauseingängen heraus- und wieder hineinflüchten. Winterwunderland sieht
Jonas:
irgendwie anders aus.
Gab es einen bestimmten Grund, warum du für so lange Zeit hinaus in die Welt gezogen bist?
In wenigen Minuten sind wir mit der jungen Sängerin Leslie Clio verabredet, erst zum Inter-
Leslie:
view, dann zum Shooting im benachbarten Stu-
Nein, ich hatte einfach das Gefühl, mal was
dio des Fotografen Ole Westermann. Während
anderes sehen zu müssen. Außerdem bin ich
wir warten, gehen uns die Klänge ihrer Single
seit meiner frühen Kindheit schon immer viel
„Told you so“ durch den Kopf, die sie vor weni-
gereist - ich bin echt gerne unterwegs und lebe
gen Monaten veröffentlicht hat – gerade das
viel dem Koffer. Als ich ein Baby war, muss-
Richtige, um seine Stimmung gegen das um
ten mich meine Eltern auch ins Auto packen,
sich greifende Grau zu schützen.
die Musik aufdrehen und mit mir um den Block fahren, damit ich eingeschlafen bin.
Da ist sie auch schon. Mit hellen, wachen Augen und einem großen Lächeln steuert Leslie
Jonas:
auf uns zu und begrüßt uns freundlich. Wie ihre
Hattest du während dieser zwei Jahre eine Vor-
Single ist auch die junge Sängerin ein willkom-
stellung davon, wohin du in deinem Leben steu-
menes Kontrastprogramm zu diesem grauen
ern willst?
Wintersamstag. Trotzdem ist es kalt hier draußen, also flüchten wir uns in die tiefen Plüsch-
Leslie:
sessel des Café Macondo an der nächsten
Ehrlich gesagt bin ich kein Mensch, der riesige
Ecke.
Pläne schmiedet. Ich habe mir auch nie viele Gedanken über meine Zukunft gemacht. Es war
Jetzt erstmal was für die Seele: einen Milchkaf-
immer irgendwie dieses Gefühl da, dass ich ir-
fee und eine heiße Schokolade, bitte!
gendwann irgendwo ankomme.
Während dieser zwei Jahre gab es tatsächlich
Trotzdem bleibt es ungemütlich kalt, weshalb
nie einen Moment, in dem ich mir ernsthafte
wir uns glücklich schätzen, drinnen im Warmen
Sorgen darüber gemacht hätte, wohin ich gehe
zu sitzen und die eisige Welt da draußen aus
oder was aus mir wird. Ich bin nicht sonderlich
der Distanz zu beobachten. Immer tiefer versin-
spirituell, aber ich habe gewusst, dass sich al-
ken wir in den ausladenden Plüschsesseln und
les auf irgendeine Art und Weise fügen wird
klammern uns an unseren Tassen fest.
und dass alles, was passiert, einen Sinn hat. Und so ist es dann auch gekommen: Ich wuss-
Wir schweigen für eine Weile und lauschen der
te, dass ich singen will und nichts anderes.
alten Kaffeemaschine, die sich anhört wie eine
Und genau das tue ich jetzt.
alte Dampflok.
Jonas: Seit wann besteht dieser feste Wunsch, Sänge-
Jonas:
rin zu werden?
Wie ging es nach der Weltreise in deinem Leben weiter?
Leslie: Schon immer! Natürlich gab es Phasen in mei-
Leslie:
nem Leben – etwa während der Pubertät – , in
Als ich zurück in Hamburg war, habe ich an ei-
denen dieser Wunsch mal mehr und mal weni-
ner kleinen Privatschule eine Gesangsausbil-
ger präsent war. Trotzdem war er nie weg: Mei-
dung gemacht. Ich muss sagen, dass ich zwar
ne Antwort auf die Frage, was ich mal werden
immer das Bedürfnis hatte, Sängerin zu wer-
will, war Zeit meines Lebens „Sängerin“.
den, aber nie wirklich gefühlt habe, dass mein Fähigkeiten ausreichen könnten. Natürlich sa-
Jonas:
gen Eltern und Freunde immer, dass man das
Sind dir die musikalischen Gene in die Wiege
gut macht – aber das ist leider kein professio-
gelegt?
nelles Feedback. Als ich während der zwei Jahre für einige Zeit
Leslie:
in New York war, habe ich oft Open Mic Sessi-
Nö, interessanterweise gar nicht. Meine Eltern
ons besucht und anderen zugehört. Mich aber
spielen kein Instrument oder machen in sonst
selbst mal nach vorne zu wagen und mitzuma-
irgendeiner Art und Weise Musik. Bei uns zu-
chen, darauf wäre ich nie gekommen. Ich bin
hause lief aber immer viel Musik, vor allem
eh nicht so der Typ, der sich in den Mittelpunkt
Swing. Ich habe als Kind immer mitgesungen,
drängt. Die anschließende Gesangsausbildung
wenn ich irgendwo Musik gehört habe, und
hat in mir unendlich viel Selbstbewusstsein er-
bin unter anderem dadurch früh mit der eng-
zeugt und mir ein starkes Urvertrauen mit auf
lischen Sprache in Berührung gekommen. Das
den Weg gegeben. Diese Unterstützung war
hilft mir beim Songschreiben heute sehr.
einfach großartig, weshalb ich auch von Hamburg nach Berlin gezogen bin.
Der Milchkaffee und die heiße Schokolade wer-
Jonas:
den serviert, wir machen eine kleine Pause.
Konnte dir Hamburg damals nicht das musika-
Draußen wird es allmählich freundlicher, der
lische Umfeld bieten, das du gesucht und ge-
Himmel lichtet sich, es fällt kein Regen mehr.
braucht hast?
„LESLIE, WENN DU DAS JETZT MACHST, DANN BIST DU KOMPLETT WEG VON DER MUSIK!“
Leslie:
Jonas:
Ich liebe Hamburg sehr. Ich bin hier geboren
Wie habt ihr euch denn genau kennengelernt?
und es ist meine Heimat. Wenn man aber hier sein ganzes Leben verbracht hat, kennt man
Leslie:
irgendwann jede Ecke, die Stadt wird zu klein.
Durch eine gemeinsame Freundin, der ich mal
Es war für mich einfach kein Reiz, in den Lä-
alte Gesangsaufnahmen von mir gezeigt hatte.
den aufzutreten, in denen ich eh in den letzten
Sie hatte sie behalten, wochenlang angehört
Jahren immer rumstand und wo mich alle ken-
und irgendwann an Niko weitergegeben. Der
nen. Also musste etwas Neues her.
hat mir daraufhin die Instrumentalversion von „Told you so“ geschickt und mich ins Tonstu-
Jonas:
dio eingeladen. Als ich das Band erhalten und
Dann bist du also nach Berlin aufgebrochen...
angehört habe, dachte ich nur: Wow! Das ist genau die Musik, die ich machen will! Also bin
Leslie:
ich in sein Studio und habe das Stück einge-
...und bin dort in eine WG gezogen und habe
sungen.
ganz viel Socializing betrieben: Ich bin viel
Es war quasi musikalische Liebe auf den ers-
ausgegangen, habe viel gefeiert und mich mit
ten Blick: Niko hatte genau die Künstlerin ge-
etlichen Musikern getroffen.
funden, mit der er seine Platte produzieren
Das war auch eine Zeit lang ganz nett, aller-
konnte, und ich war bei meinem Sound ange-
dings habe ich nach etwa einem Jahr gemerkt,
kommen.
dass ich mal irgendwie zu Potte kommen muss. Alles war so unproduktiv und ging mir zu
Jonas:
langsam. Und da ich so ein Schaffensmensch
Das Besondere an „Told you so“ ist ja, das es
bin, habe ich kurzerhand eine Ausbildung zur
sich im Kopf festsetzt. Ehrt es dich, wenn Men-
Raumausstatterin angeleiert: Komischerwei-
schen deine Musik dauernd bei sich tragen,
se hatte ich nach nur zwei Anrufen schon am
weil sie sich in ihr Gedächtnis eingebrannt
nächsten Tag ein Vorstellungsgespräch und
hat?
noch vor Ort eine Zusage. Bevor ich mich aber endgültig entschieden habe, habe ich noch mit
Leslie:
zwei, drei Freunden darüber geredet, die alle
Es freut mich auf jeden Fall sehr. Ich hätte mir
meinten: „Leslie, wenn du das jetzt machst,
im Traum nicht gedacht, dass der Track zu ei-
dann bist du komplett weg von der Musik! Hab’
nem Hit wird, den die Leute rauf und runter hö-
einfach noch ein wenig Geduld, das wird schon!
ren. Ich hatte keinerlei Erwartungen.
Aber du und Raumausstatterin? Never ever!“
Dass sich die Leute tatsächlich in meiner Mu-
Meine Freunde sollten recht behalten: Schon
sik finden und damit was anfangen können,
eine Woche später habe ich den Produzenten
macht mich einfach nur unendlich glücklich.
und Thees Uhlmann-Gitarristen Nikolai Potthoff kennengelernt – der Wendepunkt!
Wir brechen auf, denn Ole Westermann erwar-
menten, weiten Flächen und viel Hall erzeugt
tet uns schon.
hat. So haben wir es geschafft, nicht diesem klassischen Retro-Soul-Pop zu verfallen, son-
Es fällt nicht leicht, die gemütlichen Sessel und
dern einen neuen Twist reinzubringen, da die
die heiße Schokolade gegen den Berliner Win-
Stücke raugher instrumentiert und mit einem
ter einzutauschen. Mit Schal und Handschuhen
Pop-Teppich unterlegt sind.
bewaffnet geht es wieder raus in die Kälte. Nur wenige hundert Meter müssen wir laufen, dann
Jonas:
wird es wieder warm.
Was ist die inhaltliche Grundidee deines Albums?
Also los geht’s. Leslie: Wir alle sind Menschen und haben die gleichen Jonas:
Wünsche, Träume, Ängste und Sorgen. Manche
Am 8. Februar erscheint dein Album „Gladys“.
von uns nehmen ihre Gefühle, machen daraus
Spürst du einen gewissen Druck, weil die Er-
Musik und stellen sie anderen Menschen hin
wartungshaltung nach dem Erfolg von „Told
in der Hoffnung, dass sie damit was anfangen
you so“ so hoch ist?
und sie als Ventil für ihre eigenen Gefühle nutzen können.
Leslie (lacht):
So dreht sich „Gladys“ auch hauptsächlich um
Ne, da bin ich total tiefenentspannt. Ich mag
Liebe und Herzschmerz. Ich habe dabei über-
das gesamte Album sehr. Und es gibt mindes-
haupt kein Problem, mein Herz rauszusingen,
tens noch einen Track, der genauso toll ist wie
da ich mittlerweile weiß, dass ich nicht mit To-
„Told you so“.
maten beworfen werde, wenn ich auf der Bühne stehe, sondern dass meine Musik die Leute
Jonas:
tatsächlich berührt.
Du selbst bezeichnest deine Musik als modernen Soul-Pop. Ist Soul die Musikrichtung, die
Wir sind da. Ole Westermann begrüßt uns mit
dich dein Leben lang begleitet hat?
der Kamera in der Hand und bittet uns herein.
Leslie:
Tür zu, Heizung hoch. Das Set ist schon aufge-
Ja, definitiv. Ich bin mit den alten Motown-
baut, wir können direkt loslegen.
Sachen oder Songs von Stevie Wonder aufgewachsen. Aber auch New Soul-Künstler wie
Jonas:
Erykah Badu haben mich sehr geprägt. Mit
Wie wirst du die letzten Wochen vor dem Al-
dieser Musik sind bei mir einfach ganz viele
bum-Release verbringen?
Erinnerungen verbunden. Es gibt total viel, was mich musikalisch inspi-
Leslie:
riert hat. So haben sich im Laufe meines Le-
Ich werde noch einmal verreisen, und zwar
bens ganz viele Puzzleteile angesammelt. Niko
nach Vietnam - diesmal allerdings nur drei Wo-
und ich haben versucht, mit dem Album all’
chen. Ich will einfach nochmal den Kopf frei be-
diese Puzzleteile zusammenzusetzen und zu
kommen, bevor das Album veröffentlicht wird.
einem großen Ganzen werden zu lassen, das
Ich werde relaxen, viel Musik hören, schreiben
meinem eigenen Stil entspricht.
und für mich sein. Und ich werde versuchen, so
Niko war da einfach perfekt, weil er ein sehr
viel Input wie möglich zu sammeln, um später
kantiges Arrangement mit vielen Trip-Hop-Ele-
im Studio wieder viel Output geben zu können.
Es ist einfach wichtig, nochmal Energie tanken
Alle Fotos sind im Kasten, wir sind fertig.
zu können, bevor man in Berlin wieder zum Workaholic wird. Das neue Jahr wird nämlich
Leslie Clio wirft ihren Wintermantel über, legt
richtig busy: Wir planen eine Präsi-Tournee
Schal und Handschuhe an und verabschiedet
und eine Tour im Herbst, darüber hinaus gibt
sich. Draußen wartet nach wie vor der Berliner
es unzählige Termine, auf die ich mich aber
Winter. Und obwohl der Himmel mittlerweile
alle sehr freue.
fast freundlich wirkt, ist es immer noch bitterkalt.
Jonas: Denkst du manchmal daran, wie sich dein Le-
Schnell wieder die Tür schließen, sonst wird es
ben entwickelt hätte, wenn du Niko nicht ge-
ungemütlich.
troffen hättest? Bevor sich die Stimmung dem allgegenwärtiLeslie:
gen Dezembergrau ergeben kann, gehen uns
Nein, niemals. Ich bin kein Grübler. Ich bin
wieder die Klänge von „Told you so“ durch den
mir außerdem ganz sicher, dass ich trotzdem
Kopf.
Musik gemacht hätte. Dann würde die Platte vielleicht nicht so klingen, wie sie jetzt klingt.
Manchmal braucht es eben nur gute Musik.
Aber dafür anders. Ich hätte so oder so etwas gemacht, wo ich sehr ich wäre. Und das wäre
Und heiße Schokolade.
so oder so der Gesang. Es gibt ja viele Menschen, die sich ständig fragen, warum sie überhaupt auf der Welt sind. Ich bin froh, dass ich darauf schon immer eine Antwort hatte: Ich bin da, um andere Menschen durch meine Musik glücklich zu machen. Das ist einfach mein Ding.
Für die Seele.
Luk Lei
LUK AS LE ISTE R IST 23 JAHRE ALT, F OTO G RAF UN D FRE ISCHAFFEN DER K ÜN ST L ER UN D LEBT IN FURTWAN GE N.
kas ister W W W. LU K AS L E I S T E R . D E
Das Ende LUKAS LEISTER Nun bin ich angekommen.
Ein Sprung in die kalten Fluten, um den Staub und Dreck der vergangenen Reise von mir zu
Angelangt an dem Ort, wo sich brausende See
spülen. So lange und so weit einer ungewissen
und regungsloses Land gegenüberstehen. Zwei
und vor allem kalten Zukunft entgegenschwim-
schweigende Kolosse, die Stirn an Stirn auf
men, bis Arme und Beine im eisigen Wasser ih-
eine kleinste Schwäche des Gegenübers war-
ren Dienst einstellen.
ten. Oder doch kehrtmachen und den Rückweg anNur dort, wo das Wasser auf den Strand auf-
treten. Dorthin, wo das auf mich wartet, was
schlägt, hört man die Wellen brechen. Vorboten
ich schon viel zu lange nicht mehr sehen kann,
eines großen Machtkampfes in der Ruhe vor
aber trotzdem jetzt schon so sehr vermisse.
dem Sturm. Während sich das Zwielicht der Dämmerung Trotzdem reibt der sandige Wind jetzt schon
über meine Sehkraft hermacht, See und Land
wie Schleifpapier an meiner Haut und peitscht
vor meinen Augen zu einem dunkelblauen
Körner in die von der schweren Reise offenen
Matsch verschwimmen, wird mir eins klar:
Wunden. Genau hier will und muss ich bleiben. Hier bin ich also angekommen am Scheideweg
Hier wird es geschrieben.
meiner Geschichte, um eine Entscheidung zu treffen.
Das Ende meiner Geschichte.
Jo Mey
J ONAS ME YER IST DE SIGN E R UN D HE RAUSGE BER UN D LEBT IN BE RLI N.
onas yer
W W W. J M VC . D E
Der Berg
F OT O : M A X I M I L I A N L E D E R E R
JONAS MEYER Den Berg, den mag man nicht, hier unten im
Und die Leute klagten. Sie konnten ihn nicht
Tal. Zu fremd wirkt er. Viel zu fremd. Und fremd,
verstehen. Und wollten es nicht.
das passt so gar nicht in das schöne Tal, wo man sich kennt und schätzt und freundlich
Wie konnte er sie denn nur verlassen? Sie und
grüßt und alles weiß. Jeder. Über jeden.
das Tal, das schöne Tal, wo man sich kennt und schätzt und freundlich grüßt und alles weiß. Je-
Auf den Berg, auf den klettert man auch nicht.
der. Über jeden.
Hat man nicht zu klettern. Sagt hier jeder. Wirklich jeder. Man würde ja das Tal verlassen. Das
Aber ihr Klagen hörte er nicht. Wollte er auch
schöne Tal, wo man sich kennt und schätzt und
nicht hören. Denn er fühlte diese Sehnsucht.
freundlich grüßt und alles weiß. Jeder. Über je-
Diese tiefe Sehnsucht.
den. Er kletterte den Berg hinauf. Und kletterte und Im Stich lassen würde man es sogar, das Tal.
kletterte. Hinein in den Nebel. Und ins Unge-
Und das geht natürlich nicht. Absolut nicht.
wisse.
In Acht nehmen müsse man sich außerdem.
Es vergingen Monate über Monate, Jahre über
Denn jeden würde er verändern, der Berg. Je-
Jahre. Er kletterte immer weiter, immer weiter
den, der trotz Warnung einmal hochgeklettert
nach oben. Und je weiter er kletterte, desto
ist. Als ein Anderer würde man zurückkommen,
mehr wurde der Berg sein Freund.
als ein ganz Anderer - wenn man denn zurückkommt.
Weil er ihn hielt. Und diese Sehnsucht in ihm schürte.
Und wer will schon ein Anderer sein, hier unten im Tal. Im schönen Tal, wo man sich kennt und
Und je mehr der Berg sein Freund wurde, des-
schätzt und freundlich grüßt und alles weiß. Je-
to weniger konnte er es verstehen, dass dieser
der. Über jeden.
Berg den Menschen so fremd ist, den Menschen unten im Tal. Im schönen Tal, wo man
Einmal aber, da gab es einen, der lebte auch im
sich kennt und schätzt und freundlich grüßt
Tal. Sein Leben lang. Sein ganzes Leben lang.
und alles weiß. Jeder. Über jeden.
Er sah den Berg an. Irgendwann. Und der Berg sah ihn an. Plötzlich war da diese Sehnsucht in
Und während er kletterte und kletterte, kam
ihm. Diese tiefe Sehnsucht.
ihm ein Gedanke. Vielleicht müssten die Leute im Tal einfach losklettern. So wie er. Heraus
Jetzt wollte er nicht mehr leben im Tal, im schö-
aus dem Tal. Dem schönen Tal, wo man sich
nen Tal. Und wollte nicht mehr jeden kennen
kennt und schätzt und freundlich grüßt.
und schätzen und freundlich grüßen und alles wissen. Über jeden.
Und nichts weiß über den Berg.
Also ging er. Einfach so.
Und die Sehnsucht.
Da
W I R DA N K E N D I E UN S S E I T W E G BE GL E I BE ST Ä R K E N, UN SER BESON DER ER DA N K
OHN E DIE DIE NEUN TE AUS
OLE WESTERMAN DAVID PAPROCKI JANETTE LIESKE MAXIMILIAN LED
anke
N A L L EN VON G A NZE M H E RZE N, T Ü B ER ZW EI JAH RE N AUF UN SE RE M T E N UND U NS JED E N TAG I N DE M WA S WIR TU N. G ILT D I E S E N AU S S ERG EW Ö H NLICH E N MEN SCHE N,
SG ABE D ES MY P M AG A ZINE NICH T DAS WÄRE , WAS SIE IST:
NN // OSMAN BALKAN / / I // ANDREAS SCHLIETER // E // SUSANNE BECK // DERER // BENEDIKT AMARA //
M Y P M AG A ZINE T HE M Y PAG ES M AG A ZIN E // S C H L ES IS CH E S TR. 1 9 , 1 0997 BE RLIN, GERMAN Y // + 49 ( 0) 3 0 . 2 2 3 9 3 1 7 2 / / INFO@ MYP-MAGAZIN E.COM // H E R AUS G EBER & REDA K T ION : J ONAS ME YER & LUK AS LEIST ER // KO NZ EPTION & D ES IG N: JONAS ME YER / JMV C // F OTO GRA F IE & BILD BEARBEITUN G: LUK AS LEIST ER FOTOGRA FI E // C OV E RM O D EL: ELLEN / /
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WE CAN BE HEROES JUST FOR ONE DAY // I N S P I R I E RT D U R C H D I E W U N D E RVO L L E M U S I K VO N DAV I D B OW I E .