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LAGERUNGSLEXIKON

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ORANGEN GENIESSEN

ORANGEN GENIESSEN

Vom Holz zum Fass und dann zum Refill

von Nathan Lüders

Wenn man einen Whisky oder Cognac – oder aber auch einen braunen Rum, Grappa oder Tequila im Glas hat, hat das Destillat meist schon mehrere Jahre in Holzfässern verbracht. Mindestens drei Jahre müssen es bei Whisky sein. In den Fässern werden die Spirituosen weicher, runder und facettenreicher im Geschmack; je nach Holzart und Dauer der Reifung kommen unterschiedliche Aromen hinzu. Manche Fässer sind mehrere Jahrzehnte im Einsatz – für eine Vielzahl verschiedener Abfüllungen. Doch wie werden Holzfässer hergestellt? Und worauf achten Brennereien bei der FassAuswahl?

Böttcher, Fassbinder, Küfer und Daubenhauer

Böttcher, Küfer und Fassbinder sind Synonyme und bezeichnen heute den handwerklichen Beruf der Fassherstellung. Auch Kübler, Fassler, Gentner oder Schäffler sind alte regionale Bezeichnungen für denselben Beruf. Während die Handwerker früher verschiedenste Gefäße herstellten – etwa Bottiche, Kübel oder Küfen, wovon sich unter anderem die verschiedenen Berufsbezeichnungen ableiteten –, sind heute fast nur noch die Holzfässer zur Wein- oder Spirituosenlagerung gebräuchlich. Daher gibt es nur noch wenige hochspezialisierte Betriebe, die Fässer herstellen.

Die Daubenhauerei ist eine Tätigkeit, die dem Fassbau voraus geht und früher auch ein eigener Beruf war. Dabei geht es darum, aus Baumstämmen die perfekten Dauben zu gewinnen – die Längsstreben aus Holz, aus denen das Fass zusammengesetzt wird. Das Holz sollte längs gehauen, das heißt gespalten werden, sodass es an den Kanten noch glänzt. Würde es gesägt, wäre es matt und an den Schnittstellen könnten Markstrahlen des Holzes geöffnet werden. Diese sind im lebenden Baum die Transportleitungen für Wasser und Nährstoffe. Zwar schließen sie sich im Laufe der Zeit und werden durch mehrjährige Lagerung des Holzes vor der Verarbeitung trocken gelegt. Dennoch könnte auch die im Fass gelagerte Flüssigkeit später noch entlang solcher Markstrahlen auslaufen. Jedes Holz ist anders, selbst vom selben Baum

Perfekt geeignet sind lange Stämme, die an schattigen Plätzen möglichst ohne Austriebe und Äste über 200 Jahre in die Höhe wachsen und gleichmäßige, feine Jahresringe aufweisen. Die Stämme zu nahe an Gewässern gewachsener Bäume haben sehr große Abstände zwischen den Jahresringen und werden von Küfern verächtlich als „Wasserarsch“ bezeichnet. Denn Fässer aus diesem Holz halten nicht lange und es kommt häufiger vor, dass der Inhalt „durchschlägt“ (aus dem Fass rinnt).

book-open Fassbau und -aufbereitung

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Im Maison Ferrand (Frankreich) sind alte Cognac-Fässer jahrzehntelang im Einsatz. Manchmal werden einzelne Längshölzer (Dauben) ausgetauscht, wodurch „Zebrastreifen“ entstehen.

Neben den Unterschieden verschiedener Baumarten gibt es auch deutliche Unterschiede nach Standort. Amerikanische Weißeiche, französische, slawonische oder deutsche Eiche – jede hat ihre besonderen Eigenschaften, die auch im Geschmack der gelagerten Spirituose erkennbar sind. Erfahrene Küfer erkennen sogar innerhalb desselben Waldes oder zwischen verschiedenen Hölzern vom selben Stamm die feinen Unterschiede in der Beschaffenheit. Und auch die unterschiedliche Weiterverarbeitung durch die Küfer bringt unterschiedliche Noten hervor. Feuer und Wasser bringen das Fass in Form

Das für seine Expertise in der Fasslagerung bekannte Maison Ferrand (Cognac Ferrand, Plantation Rum), arbeitet mit vier verschiedenen „Tonnelleries“ (frz.: Fasshersteller) zusammen, von denen jede ihren distinkten Fassgeschmack mitbringt. Je nachdem, wo die Bäume geschlagen wurden, wo und wie lange das Holz zur Trocknung gelagert wurde und welche Toasting-Verfahren angewendet werden, entwickeln die Dauben unterschiedliche aromatische Eigenschaften. Toasting bedeutet, dass die Fässer von innen ausgebrannt werden. Dabei werden verschiedene Bräunungsgrade von leicht über mittel und stark getoastet bis hin zu „charred“ (verkohlt) unterschieden. Für Wein werden die Fässern meist nur leicht bis mittel getoastet, bei Cognac und anderen Spirituosen gerne auch stärker. American Oak Charred Barrels bringen etwa besondere Kokosnuss-Aromen hervor, die mit europäischer Eiche selbst durch das Verkohlen nicht möglich sind. Neben dem Geschmack ist die Hitze des Feuers auch für die Form der Fässer wichtig. Um die Dauben zu biegen und mit den metallenen Fassbändern zusammenbinden zu können, werden sie innen mit dem Feuer erhitzt und von außen befeuchtet. Die innere Wärme zieht das Holz zusammen, die kühle Feuchte dehnt es außen aus, sodass aus vorher geraden Dauben ein bauchig gewölbtes und dichtes Fass entsteht.

Next Level Ageing: ZebraFässer für Kombi-Reifung

Ein gut verarbeitetes Holzfass kann problemlos mehrere Jahrzehnte zur Lagerung von Spirituosen verwendet werden. Zur Konservierung des Fasses ist es sogar besser, wenn es immer „belegt“ ist und keine längeren Leerphasen hat. In den Kellern alter Cognac-Häuser sind teilweise noch Fässer aus dem 19. Jahrhundert in Gebrauch. Teilweise reifen besondere Schätze mehrere Jahrzehnte lang im selben Fass. Doch nicht immer ist eine besonders lange Lagerung gleichbedeutend mit höherer Qualität. Auch besonders lange lagernde Spirituosen müssen in ihren Fässern

regelmäßig geprüft werden: Verbessert sich der Geschmack durch die weitere Reifung? Und später: Welche Fässer vermählt der Master Blender zu einer Abfüllung? Meist werden Destillate daher im Laufe der Reifung auch umgefüllt. Generell soll das Destillat am Anfang der Reifung frische Holznoten „aufsaugen“ und diese später in einem älteren Fass „verdauen“. Irgendwann ist ein Fass aber auch ausgelaugt und bringt kaum noch Reifungseffekte. Zur Wiederbefüllung mit einem neuen Destillat kann man dann die innere Schicht des Holzes abschaben und das Fass neu ausbrennen, um wieder stärkere Holz-Aromen und eine schnellere und verbesserte Reifung beim frischen Destillat zu erzielen. Ein solches Verfahren wird als STR bezeichnet (Shaved, Toasted, Recharred). Bei besonderen Finishings wird hingegen direkt nach der Abfüllung der einen Spirituose das nicht weiter bearbeitete Fass mit der nächsten Spirituose befüllt. Hier geht es ja um den spezifischen Geschmack, den die vorherige Belegung in das Fass eingeprägt hat – etwa beim Double Ageing im Maison Ferrand, wo Plantation Rum in den alten CognacFässern nachreift. Manchmal werden bei alten Fässern auch einzelne Dauben ausgetauscht, um das Fass zu reparieren oder den Geschmack mit dem neuen Holz zu verändern. Bei Ferrand sind einige wegen der Streifenoptik „Zebra Barrels“ genannte Fässer in Verwendung. Teils werden sie auch von vornherein mit Dauben unterschiedlicher Holzarten gebaut, um deren geschmackliche Eigenschaften zu kombinieren. So gehört zur hohen Spirituosenkunst der Fasslagerung, wie sie beispielsweise im Maison Ferrand unter anderem mit Ferrand Cognac und Plantation Rum gepflegt wird, nicht nur das Blending aus verschiedenen Fässern, sondern bereits der Fassbau mit verschiedenen Hölzern und deren Präparation mittels unterschiedlicher Verfahren. 1 | Redbreast 12 Jahre Whiskey - 0,7 L / 40 % Vol. Vol. Aus getoasteten Eichen- und Oloroso-Sherry-Fässern. 2 | Berta Tre Soli Tre Grappa Invecchiata - 0,7 L / 43 % Vol. Reift 8 Jahre in Fässern mit unterschiedlichen Holzarten und Toastings. 3 | Ziegler Aureum Classic 8 Jahre - 0,7 L / 43 % Vol. Unter anderem aus leicht getoasteten Kastanienholz- und stark geoasteten Ex-Bourbon-Fässern. 4 | Plantation Black Cask - 0,7 L / 40 % Vol. Reift in stark getoasteten Fässern, genannt: „charred oak‟ .

Alexandre Gabriel (links) von Plantation legt besonderen Wert auf die Herkunft, aber auch auf die Lagerung von Rum. Die Reifung im Fass ist für ihn wie das Großziehen eines Kindes.

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Wie beeinflusst Toasting den Geschmack?

Die Angaben beziehen sich auf französisches Eichenholz.

Kokosnuss Leicht Medium Stark Verkohlt

Süße Vanille

Rauchig Holzige Noten

Schärfe Tannine

Medium getoastet

Amerikanisches Weißeichenholz, wie es bei Bourbon Whiskey üblich ist, und das dunklere europäische Eichenholz sind die beiden Sorten, die am häufigsten zum Fassbau verwendet werden. Bourbon muss laut US-Gesetzen immer in frischen Fässern reifen. Diese werden meist so ausgebrannt, dass sie die typischen Vanille- und Karamellnote erzielen. Durch das Toasting wird bei Temperaturen von 150 bis 200°C die im Holz enthaltene Zellulose aufgespalten. Dabei entsteht unter anderem Holzzucker, der unter der Flamme natürlich karamellisiert. Das Vanillin entsteht hingegen aus den festeren Holzbestandteilen, die Lignine genannt werden. Es ist naturidentisch zum selben Aromastoff aus der echten Vanilleschote und wird für die Lebensmittelindustrie meist aus den Holzresten der Papierherstellung produziert. Je nach Hitze und Dauer des Toastings können unterschiedliche Geschmacksrichtungen verschieden stark ausgeprägt werden. Bei verkohlten Fässern sorgt die dicke Holzkohleschicht auch für rauchige Noten, die sich von denen des Torf-rauchs bei Scotch Whisky differenzieren lassen (etwa bei Johnnie Walker Double Black Whisky). Außerdem sorgt die Kohle für eine dunklere Farbe der Spirituosen (wie bei Original Dark Rum von Plantation). Besonders starkes Verkohlen bei bis zu 300°C heißt auch „Alligator-Charring“, weil die dabei entstehende Optik an der Fass-Innenseite an die Schuppenpanzer am Rücken der Krokodile erinnert. Am häufigsten sind für Rum oder Whisky allerdings leicht bis mittelstark getoastete Fässer im Gebrauch, weil damit bei den meisten Holzsorten der größte Facettenreichtum im Geschmack erzielt wird. Siehe Grafik oben „Medium getoastet“ .

Stark getoastet

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