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ZU GAST BEI PISONI

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KREUZWORTRÄTSEL

KREUZWORTRÄTSEL

von Nathan Lüders

Zwischen Südtirol und dem Gardasee liegt ein Tal mit sieben Seen, das Valle dei Laghi – Tal der Seen – genannt wird. Ein mediterranes Mikroklima ermöglicht dort neben der fast senkrechten Felswand des Monte Casale den Anbau von Oliven, Früchten und Wein. Inmitten der Anbauflächen ist die Heimat der Destillerie Pisoni.

Ich fahre dem Navi nach von der Brenner-Autobahn herunter, aus den Bergen heraus, zwischen den Seen und den Feldern hindurch, und lande im kleinen Dörfchen Pergolese, das früher Masi di Lasino hieß – aber dazu später mehr. Fast jeder Quadratmeter des überraschend flachen Lands zwischen den Felsen ist mit fein aufgereihten Bäumchen bepflanzt.

Auf den Feldern werden viele unterschiedliche Pflanzen gezogen, viele der Früchte hätte ich erst weiter im Süden erwartet. Aber kaum ist man einen Schritt herausgetreten aus den schroffen Alpen ist man hier schon in Bella Italia angekommen.

Als die Straße zwischen den Anbauflächen immer enger wird, und ich froh bin, dass es kaum Gegenverkehr gibt, erkenne ich, dass einige der Felder Zum Wohl! Redakteur Nathan Lüders mit Destilleriechef Elio Pisoni

auch mit Weinreben bepflanzt sind. Hier wachsen also die Trauben, die nach dem Keltern als Trester von der Familie Pisoni zu Grappa gebrannt werden. Tatsächlich passiere ich gleich auch den Piazza Don Vittorio Pisoni. Ich bin offenbar auf der richtigen Fährte.

An der Brennerei zwei Straßen weiter begrüßt mich Elio Pisoni, einer der beiden Brüder, die gemeinsam mit zwei Cousins das Familienunternehmen heute führen.

Don Vittorio, nach dem der Platz benannt ist, war ein Onkel seines Vaters, erzählt er – und ist gleich mitten in der Familiengeschichte, in der seit Generationen und Jahrhunderten der Anbau von Wein eine große Rolle spielt. Schon im 15. Jahrhundert beim Konzil von Trient wurde ein Carlo Antonio Pisoni mit Wein und Weinbränden als Hoflieferant

des Fürstbischofs offiziell registriert. Die im Brennerei-Logo und auf der Fassade des Gebäudes vermerkte Jahreszahl 1852 geht allerdings „nur“ zurück ins 19. Jahrhundert – und damit auf Baldessare Pisoni, den Stammvater des heutigen Familienbetriebs. Damals war die Region noch Teil des Herrschaftsgebiets des Kaisers von Österreich. Von den acht Söhnen, die in den ersten Weltkrieg zogen, blieb einer verschollen. Zwei Brüder wurden Priester: Don Luigi und Don Vittorio – ebenjener, nach dem die Piazza benannt ist.

Zwei weitere Brüder, Oreste und Giulio Pisoni, bauten die landwirtschaftlichen Betriebe wieder auf. Da Baldessare Pisoni schon vor dem Krieg verstorben war, hatten seine Frau, Angela Pisoni und die einzige Tochter, Maria Pisoni, die Landwirtschaft aufrechterhalten und sogar weiterhin Weinbrand „acquavita“ hergestellt.

In der nächsten Generation waren es wieder zwei Brüder, Arrigo und Vittorio, Söhne von Giulio, die mit Hilfe der Onkel und der Tante das Geschäft weiterführten. Cousin Gino, ein Sohn von Oreste, bestellte die Felder: Längst hatten sich die Pisonis auf mehr Obst- und neue Weinsorten spezialisiert, es gab kein Getreide und kein Vieh mehr. Arrigo und Vittorio bauten vor allem die Brennerei weiter aus: Neue Grappa-Sorten in erlesener Qualität wurden zum Kerngeschäft. Dazu feine Liköre, die aus dem hochwertigen Grappa oder Obstbränden hergestellt werden.

„Für Produkte wie Limoncello (Zitronenlikör), Mirtillo (Heidelbeerlikör) oder Rosolio (Rosenlikör) wird bei Pisoni ausschließlich hauseigener Grappa verwendet.“

Entsprechend limitiert sind die Produkte allerdings auch: Eine Massenproduktion kommt für Pisoni nicht infrage. Alles soll ehrliche Handarbeit bleiben. Und der Grappa wird nur in zwei Monaten des Jahres produziert – nämlich dann, wenn die Traubenernte stattfindet. Im September und Oktober laufen die Brennblasen ununterbrochen. Trester, der nicht mehr hundertprozentig frisch ist, wird nicht verwendet. Nur so kann der Qualitätsanspruch von Pisoni gehalten werden. Denn auch bei einer sonst häufig üblichen Kühlung verliert der Trester rasant an Qualität. Elio Pisoni ist überzeugt davon, dass bester Grappa ausschließlich bei der direkten Verarbeitung entsteht. In der 2004 zum 150jährigen Jubiläum neu eingerichteten, modernen Brennerei von Pisoni wird doppelt destilliert. In den beiden ersten großen Brennkolben wird der frische Trester in einem Wasserbad erhitzt.

Palmen vor Dolomitensteilwänden: mediterranes Mikroklima im Tal der Seen.

Während der Tresterzeit im Herbst wird der Pool von den Brennanlagen beheizt.

Nur wenn der Zoll dabei ist, kann Elio Pisoni dem Grappa bei der Reifung zusehen.

Die von den Weinbauern der regionalen Kooperative angelieferten Trester werden nicht zwischengelagert, sondern direkt verarbeitet, solange sie frisch sind.

Die Wassertemperatur lässt sich gut kontrollieren und die gärenden Pressrückstände geben durch diese Methode besonders viele und filigrane Aromen ab. Im zweiten Destillationsvorgang wird der Trester-Rohbrand mittels Wasserdampfdestillation zum Feinbrand, dem edlen Grappa.

Vorlauf und Nachlauf werden sorgfältig abgetrennt, wobei bei Pisoni der Brennmeister noch selbst sensorisch den richtigen Zeitpunkt bestimmt – und von Hand den Hebel umlegt. Nichts ist in dieser Brennerei automatisiert oder von Computern gesteuert. Denn, so erklärt Elio Pisoni: Jede Weinlese ist anders und damit auch jeder Trester und jeder Grappa. Ein Computer würde diese feinen Unterschiede nicht bemerken.

Die verschiedenen, sortenrein gebrannten Trester ergeben charakteristische Trentino Grappas. Der Hausgrappa, Pisoni Grappa Trentina, ist eine Cuvée dieser regionalen Spezialitäten.

Ein Teil der Ausbeute eines Jahres wird in Holzfässer gefüllt, um die begehrten gereiften Grappa-Sorten zu erhalten, die je nach Verweildauer im amtlich verschlossenen Lagerraum Barricata oder Stravecchia heißen.

Lieblinge von Pisoni

Regionale Trester, regionale Kräuter: Die Familie Pisoni ist tief verwurzelt im Valle dei Laghi.

Doch nicht nur die Trester, sondern auch andere Zutaten, stammen direkt aus dem Trentino. Wildwachsende Kräuter, Wurzeln und Beeren werden im Trentiner Hochgebirge gepflückt und in Pisoni Grappa eingelegt. Dabei entsteht unter anderem der Grappamara – ein herausragender Kräutergrappa mit regionalspezifischem Geschmack. So scheinen die Schätze, die das Valle dei Laghi mit seinen sieben Seen und dem mediterranen Mikroklima inmitten des Hochgebirges zu bieten hat, alle in der Brennerei Pisoni in Pergolese zusammen-geführt zu werden.

Neben den Brüdern Elio und Giuliano, ihrem noch heute aktiven Vater Arrigo sowie den Cousins Andrea und Francesco, die gemeinsam die Familienbetriebe führen, prägt den Ort auch bis heute Arrigos Onkel Don Vittorio: Der beliebte Pfarrer hatte einst sogar dem Dörfchen den Gemeindestatus und den Namen Pergolese gegeben.

1 | Pisoni Grappa Stravecchia Trentina / 40 % Vol. / 0,7 L 2 | Pisoni Grappamara - Kräuter-Grappa / 40 % Vol. / 0,7 L 3 | Pisoni Riccardo Schweizer Grappa Bianca / 40 % Vol. / 0,7 L 4 | Pisoni Rosolio Rosenlikör / 21 % Vol. / 0,7 L

Grappa-Brennkunst und moderne Malerei: die Riccardo Schweizer Edition von Pisoni

BILDMATERIAL: NATHAN LÜDERS „Uva e Vino“ – Trauben und Wein – heißt das Kunstwerk von Riccardo Schweizer, das Etiketten besonderer Pisoni Grappas ziert. Der Trentiner Maler war ein Schüler von Pablo Picasso und ein Freund der Familie Pisoni. Im Brennereigebäude ist das Original ausgestellt.

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