Panorama @ Architektur Südtirol 2013

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sĂźdtirol 2013 bauen + handwerk


noa* n network of architecture

Symbiotisches Multiversum

Fotos © Martina Jaider

Der Weiterbau und die Renovierung des Hotels Panorama in Kaltern Alles fließt. Alles hat miteinander zu tun. Fixpunkte gibt es erst dann, wenn ein Experiment zu einer Materialisierung geführt hat. Die Rede ist von Quantenphysik? Nein, von Architektur. Diese hier knapp umrissenen Axiome gehören zum Alltag des Planungskollektivs noa* (network of architecture), das sich 2010 um die beiden Architekten Stefan Rier und Lukas Rungger in Bozen zusammengefunden hat. Begleitet werden sie dabei von einer Reihe ausgewählter Baukünstlern und Interior Designern, Modespezialisten und Grafikern, Schriftstellern und Produktgestaltern, Musikern und Fotografen, die in wechselnder Konstellation an noa*-Projekten mitwirken und dabei in Dimensionen vorstoßen, die in ihrer geballten Komplexität sonst in Südtirol nur selten anzutreffen sind. Sie alle sind Suchende mit globalem Weitblick, wobei eine international gültige Formensprache zusammen mit Fundstücken vor Ort ihren Architekturstil definiert. Auf dem Programm stand 2012/13 – nach dem Gewinn eines geladenen Wettbewerbs unter dem Jury-Vorsitz des renommierten Architekten Walter Angonese – die Erweiterung und Renovierung des – in seinen ältesten Teilen – aus den 1960er Jahren stammenden – damals Drei-Sterne – heute Vier-Sterne-Hotels „Panorama“ in Kaltern. Ein Projekt, das inzwischen für den European Hotel Design Award“ sowie den „LEAF interior design award“ nominiert ist. Der viergeschossige (E+3) Familienbetrieb hatte sich über drei Generationen immer wieder erneuert und angepasst. Nun wurde er – im Rahmen eines ersten Bauabschnitts – durch das noa*Kollektiv in einer modernen, hochkomplexen Formensprache 58

so umgestaltet, dass dem traditionsreichen Bestand einerseits hinreichend Platz zum Erzählen und Erinnern bleibt, andererseits die weitergeschriebene Baugeschichte offensichtlich ist. Im Mittelpunkt standen dabei der Umbau des Erdgeschosses in ein öffentliches, miteinander verflochtenes Raumkontinuum, die Modernisierung und Erweiterung von insgesamt 17 – im ersten und zweiten Obergeschoss bereits vorhandenen – Doppelzimmer und Suiten, der Ausbau des Dachgeschosses in ein Vollgeschoss und die Planung und Errichtung einer neuen Wellnessanlage im Untergeschoss – einschließlich eines Indoor-Outdoor-Pools. Durch diese Eingriffe wurde das Hotel um insgesamt rund 2.000 m² Nutzfläche erweitert.


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noa* auf Spurensuche Entsprechend der Wettbewerbsaufgabe, das halbkreisförmige Grundstück optimal zu nutzen und dabei die vorgesehenen Erweiterungen möglichst perfekt mit dem Bestand zu verbinden, wurde der Zubau innerhalb von acht Monaten in massiver Kreuzlagenholzbauweise und KlimaHaus B-Qualität realisiert. Das Konzept hierfür hatte noa* – im Rahmen einer vorausgegangenen konstruktiven Spurensuche – aus dem dörflichen Kontext und lokalen Traditionen abgeleitet und entwickelt. So wurden etwa die Konturen der umgebenden Rebenlandschaft auf das Gebäude projiziert. Die neuen Terrassenbrüstungen aus Lärchenholz spielen mit Pergolen und Satteldächern der Umgebung. Alte Gemäuer feierten ihre Wiederauferstehung und bis dato verdeckte Wandmalereien leuchten nun wieder. Ferner wurde etwa altes Dachstuhlholz zum Bau der neuen Außensauna genutzt.

Die Neustrukturierung des Erdgeschosses Im Zuge der 2012/13 erfolgten Baumaßnahmen strukturierte das noa*-Kollektiv das etwa 400 m² große Erdgeschoss in insgesamt neun Bereichen komplett neu. So präsentiert sich nun die Lobby – in unmittelbarer Nähe zum Haupteingang – als einladende, großzügig dimensionierte Bibliothek. Zur Rechten liegen die Rezeption, die Bar und die Kaminlounge, links davon die Weine-Lounge sowie die ringsherum angesiedelten drei Restaurants mit Buffet und Stube. Letztgenannte lassen sich – in überschaubarer Größe – schnell und flexibel kombinieren, wobei sie direkt an den bestehenden Wintergarten im Süden angebunden sind. Was die Materialisierung anbetrifft, zeigt sich der neu strukturierte, öffentliche EG-Bereich mit Böden aus Eiche und lokalem Porphyr. An den Wänden dominiert eine Kombination aus weißem Putz und Lehmputz. Die Decken treten mit Eichenholzelementen und

integrierten Leuchtkörpern in Erscheinung. Für die Möblierung wählten die Planer astfreies, unbehandeltes Eichenholz in Verbindung mit Massiveiche. An der Rezeption dominiert roher Stahl. 59


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Fotos © Martina Jaider

Zahlen – Daten – Fakten Weiterbau + Renovierung des Hotels Panorama in Kaltern (1. Bauabschnitt) Bauherrschaft: Familie Huf, Kaltern Generalplanung: noa* - network of architecture, Bozen Dr. Arch. Stefan Rier Dr. Arch. Lukas Rungger Geladener Wettbewerb: 2011 – 1. Preis Baubeginn 1. BA: Oktober 2012 Fertigstellung 2. BA: Mai 2013

Projekt-Partner ■ Artess Wellness des P.P., St. Pauls ■ Audiotech, Meran ■ Lichtstudio Eisenkeil, Marling ■ Gatterer Home, St. Lorenzen ■ KTB-Group, Bozen ■ MC Thermoprofessional OHG-SNC, Eppan ■ Metek GmbH, Frangart-Eppan ■ Niederbacher Prostahl GmbH, Kaltern ■ LEX RESCH - Vacuum Systems, Kardaun ■ Tischlerei Rier Josef GmbH, Seis am Schlern ■ Rubner Türen AG, Kiens ■ Sanikal KG, Eppan ■ Simonazzi GmbH, Völs am Schlern ■ Tip Top Fenster, Mühlbach ■ TopHaus AG, Brixen

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Der Umbau der Obergeschosse Alle 17 im ersten und zweiten Obergeschoss vorgefundenen Gästezimmer wurden vergrößert und modernisiert, sodass ihre Nutzfläche nun zwischen geräumigen 25 und 30 m² variiert. Hier bestimmen Böden aus geräucherter Eiche, diverse Leinenstoffe und Eichenmöbel das stimmungsvolle Ambiente. Lehmputz und Fliesen verleihen den Nassbereichen ein bodenständiges Flair, wobei alle Bäder offen angeordnet sind. Jedes Zimmer verfügt über eine in Eichenholz gefertigte Fensterlounge, die zum Relaxen einlädt. Als Bindeglied zwischen Innen und Außen vermitteln die neu gestalteten Räume dem Gast den nachhaltigen Eindruck, drinnen im Draußen zu wohnen. Eine weitere wichtige Bauaufgabe bestand darin, das bis dato nicht ausgebaute Dachgeschoss mittels einer leichten Holzkonstruktion zu einem Vollgeschoss aufzustocken. Dieses nimmt nun drei jeweils 35 m² große Suiten mit vorgelagerter Terrasse auf.

Die neue Wellness-Welt Komplettiert wird der symbiotische Entwurf der oberirdischen Stockwerke durch die neu geschaffene, rund 200 m² umfassende WellnessWelt im Untergeschoss. Die hier bereits bestehenden Saunen blieben erhalten. Das ebenfalls vorgefundene Freischwimmbad wurde mit einem Indoor-Pool verbunden. Ferner entstand eine neue Salzgrotte, ein Ruheraum sowie – im

Außenbereich – eine neue Außensauna. Auf gleicher Ebene ordneten die Planer eine komplett neue Küche sowie einen Weinkeller an.

Das Interior Design Wesentlich zum modernen Charakter des quantitativ und qualitativ erweiterten Hotels trägt die Neugestaltung der öffentlichen Bereiche im Erdgeschoss sowie die Neuinterpretation der bisherigen Dach- und Untergeschossebenen bei. Diese ursprünglich dunklen und abgetrennt wirkenden Zonen erfahren durch den Um- und Ausbau eine großzügige Transformation hin zu einer inszenierten Öffentlichkeit und zu lichtdurchfluteten Räumen. Im Erdgeschoss verstärken zwei großzügige Sonnenterrassen im Süden und Westen den räumlichen Dialog zwischen Innen und Außen. Diesen Eindruck unterstreichen raumhohe Glasschiebeelemente sowie die Balkone, die nun mit einem hohen Pflanzenbewuchs in Erscheinung treten und dadurch das Vorhandensein eines vertikalen Grüngürtels suggerieren.

Leidenschaft zum Detail Objekte, Mobiliar, Lampen und Stoffe – jedes dieser Gestaltungselemente wurde vom noa*-Kollektiv im Sinne einer gesamtheitlichen Design-Philosophie konzipiert und mit Leidenschaft zum Detail von lokalen Handwerkern ausgeführt. In den Zimmern zählen die individuell gestalteten Panorama-Lounges, Multime-


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diaboards und maßgefertigten Kleiderhaken zu den funktionalästhetisch herausforderndsten Objekten.Ferner finden sich im öffentlichen Bereich der Eingangsebene in der Bibliothek abgehängte Infoboxen für Bücher und Magazine aus Eichenholz, modulare Couchelemente aus Leinenstoff in der Kaminlounge und abgehängte Deckensegellampen als Referenz an die Windsurfer des Kalterer Sees.

Das ausgewählte Team um noa* Zahlreiche Künstler aus dem Umfeld von noa* beteiligten sich während der ersten Baustufe mit ganz spezifischen Arbeiten an

der Erweiterung und Renovierung des Hotels Panorama. Dazu zählen Markus Pescoller, Bruck (Sonderputz Weinreben-Rendering), Aurelien Thomas, London (Hotel-Willkommensschild), Clemens Waldhart, Graz (Branding mit Jahreszahlen), Siegfried Anrather, Kaltern (Aquarelle), Lukas Rungger, Bozen (Fassadenprojektion des 1960er Altbaus auf dem erweiterten Bestand), Karl Anrather, Margreid (Historienmalerei in der Weinlounge), Ulrike Prader, Bozen (Entwurf des HotelLogos), Martina Jaider, Kastelruth (Dokumentationsfotos), Elisabeth Mitterer, Brixen (Beleuchtungskörper und Mobiliar) sowie Andreas Profanter, Bozen (Altholz-Weiterverwendung).

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Der geplante zweite Bauabschnitt Die für die kommenden Jahre ins Auge gefasste zweite Baustufe war integraler Bestandteil des 2011 von noa* gewonnenen Wettbewerbs gewesen. In ihr wird das Hotel Panorama nach Süden hin durch einen auf vier Ebenen (2 UG, EG, OG) organisierten, separat in Erscheinung tretenden Baukörper erweitert, der über eine erdgeschossige Galerie mit dem Bestand verbunden ist. Dabei sollen die beiden unteren, infolge der Hanglage natürlich belichteten Stockwerke ebenso wie das Erdgeschoss jeweils vier Gästezimmer und das Obergeschoss eine neue Wellnessanlage aufnehmen. Letztere wird die bestehende Wellness-Welt und den derzeitigen Außenpool ersetzen. ufo

Fotos © Martina Jaider

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