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sĂźdtirol 2012 bauen + handwerk
Projekte n Messner Haus in Seis
Ein Anzug passend zum Haus Das neue Messner Domizil in Seis am Schlern Zahlen – Daten – Fakten Das Messner Haus, Kastelruth Bauherrschaft: Christine Mulser, Kastelruth Generalplanung: noa* – network of architecture, Bozen Dr. Arch. Stefan Rier Dr. Arch. Lukas Rungger Baubeginn: Frühjahr 2013 Fertigstellung: Weihnachten 2013
Welche Ausformungen eine kompromisslos komplex definierte Architektur annehmen kann, demonstriert die Kreativplattform noa* in Bozen mit dem Zukunftsprojekt „Messner Haus“ in Seis, das nach kürzlich erlangter Baugenehmigung 2013 realisiert werden soll. Darin verschmelzen Dimensionen wie Architektur und Innenarchitektur, Interior-Design, Produkt-, Mode- und LichtDesign zu einem übergeordneten Kosmos, in dem sich Innen und Außen, historische und aktuelle Reminiszenzen sowie Reflexionen der Nutzer auf unterschiedlichen Raumund Zeitebenen mannigfaltig durchdringen. Ein ähnlich komplexes Projekt – die Erweiterung des Hotels Valentinerhof in Kastelruth – war von noa* bereits 2011 fertiggestellt worden. Es wird an anderer Stelle in dieser Ausgabe vorgestellt. Das neue Wohnhaus liegt auf 1.050 m Höhe an der Rosengartenstraße im historischen Ortskern von Seis und nimmt – mit einer Kubatur von etwa 1.100 m³ – den Standort des alten, abgebrochenen „Messner Hauses“ ein. Die Organisation des Neubaus soll auf vier Ebenen
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erfolgen, von denen das Sockelgeschoss zwei Wohneinheiten, das erste Stockwerk eine Geschosswohnung und die beiden darüber angeordneten Etagen eine Maisonette aufnehmen. Spezifisch bei diesem Raumprogramm ist die Staffelung von „öffentlich“ im unteren Gebäudeteil zu „privat“ auf den oberen Ebenen.
Das architektonische Konzept Die ins Auge gefasste Architektur des neuen Messner Hauses korrespondiert mit seinem künftigen Standort, wobei sie sich an die traditionelle, bäuerlich geprägte Bautypologie der unmittelbaren Umgebung anlehnt. Dabei präsentiert sich der neue Baukörper mit einem gemauerten und verputzten Sockel, über dem sich eine dreigeschossige Leichtbaukonstruktion aus Holz erhebt. Dieses Holzrahmentragwerk wird zum Leitmotiv des vorgesehenen Architekturkonzeptes. Das dreidimensionale Rahmenfachwerk besitzt – wie bei den früheren Bauernhäusern – statische Funktion. Zugleich ergänzen die Verstrebungen der Holzträger die klassische Architektur des Satteldachs.
Projekte Messner Haus in Seis n
Gezielt positionierte „Löcher“ an allen 5 Fassaden des Gebäudes zelebrieren das radikale Konzept eines dynamischen Dialogs des Hauses mit seiner Umwelt: Haus trifft Dorf trifft Haus. Am dramatischsten resultiert diese Kontextualität in der offenen Dachterrasse, die subtil geschützt den Blick auf das Schlernmassiv eröffnet.
Das Interior Design-Konzept Durch die aus dem Jahre 1898 stammende Eingangstür gelangt der Besucher in das Innere des Gebäudes. Hier wird das Konzept des Dialogs zwischen öffentlichem und privatem Raum zum Leitthema des Entwurfs. Der bis zu sechs Meter hohe Innenbereich ähnelt in seinem Erscheinungsbild einem Heustadel und ist in seiner gesamten Dimension wahrnehmbar. Dieser Raum wird nicht von Wänden geteilt. Er bleibt frei und definiert sich als halböffentlicher Raum, in den die Wohnungen als Boxen hineingestellt sind. Damit fungiert er konzeptionell als Filter zwischen öffentlichem Dorf und privaten Individualbereich. Eine offene Treppe im halböffentlichen Raum führt zu den intimen Bereichen der Wohnungen. Schlaf- und Gästezimmer, Bad und Sauna sind in vier weißen Kuben untergebracht, welche – als Boxen im Baukörper – vom dreidimensionalen Holzfachwerk getragen werden. Sie schweben im Raum und geben dem Gebilde ein Gefühl futuristischer Leichtigkeit. Der Verzicht auf eine klassische Raumaufteilung resultiert aus dem Wechselspiel von offenen und geschlossenen Raumsequenzen. Die Kuben unterschiedlicher Größe sitzen, hängen, stehen im Raum und übernehmen die Funktion als Raumteiler bzw. Raumverbinder. Dazwischen liegen einzelne Terrassen, die Platz für weitere Funktionen – etwa für begehbare Kleiderschränke und eine Bibliothek – bieten.
Das textile Konzept Eine weitere – bereichernde – Dimension dieses aus der Verschmelzung von Innen- und Außenarchitektur sowie einem avantgardistisch interpretiertem Raumbegriff bestehenden Konzeptes stellt die Einbeziehung von Textilien in das Interior-Design dar. Damit wird Raum geschaffen für die Integration von Mode- und Traditionselementen, die das Lebensgefühl unterschiedlicher Epochen markieren. Zur ihrer stimmigen Einbindung kooperierte noa* mit dem Modedesigner Philipp Pezzei sowie der renommierten Tuchfabrik Moessmer in Bruneck, die bis heute authentische Mode in traditionellem Stil herstellt und als geschätzter Partner u.a. mit Prada und Armani zusammenarbeitet. Für das Messner Haus entwickelten sie eine textile Ausstattungslinie, welche im Haus in transformierter Form als Hängematten, Stühle, Lampen und Taschen genutzt werden aber auch als Kleidungsstücke vom User in den Aussenraum getragen werden sollen. Das Haus interagiert somit durch den Besitzer mit der Außenwelt. Die Verschmelzung von Innen und Aussen, von privat und öffentlich soll somit nicht nur bei Architektur und Innenarchitektur sichtbar sein sondern alltäglich gelebt werden können. ufo 13
Interview n noa* Architekten
Stefan Rier (*1979) erwarb sein Interior Design-Diplom am Centro Studi „Andrea Palladio“ Verona und seinen Abschluss in Architektur an der TU Ferrara. Dort arbeitete er zuerst als Architekt und Projektleiter mit Architekt Demetz, später in Bergamo mit Prof. Massimiliano Mandarini und schließlich mit Matteo Thun in Mailand zusammen. Sein Staatsexamen absolvierte er an der Universität Genua. Im Zentrum seiner bisherigen Arbeit standen nachhaltige Projekte im Büro- und Hotelbereich, Landschaftsgestaltungen sowie Entwürfe im Segment des Möbel- und Produktdesigns. Heute ist er Mitglied der Architektenkammer Bozen.
„Wir ziehen gern an roten Fäden“ Interview mit den Gründern des Bozner Architektur- und Designstudios noa*, Lukas Rungger und Stefan Rier Die Welt ist ein Dorf und das von dem Architekten Lukas Rungger und dem Designer Stefan Rier 2010 in Bozen gegründete Architektur- und Designstudio „network of architecture“ – kurz noa* – baut es mit internationaler Unterstützung auf eine befreiende Art weiter. Nicht mit herkömmlichen Werkzeugen von Architektur und Design, sondern mit einem evolutionären Konzept der Emergenz, in dem das Ganze deutlich mehr ist als die Summe seiner Teile. Dabei stellt die ganzheitliche Herangehensweise an jedes von noa* bearbeitete Projekt die zentrale Strategie dar. Kennengelernt hatten sich beide bei Matteo Thun in Mailand, wo sie an mehreren Bauvorhaben in den Bereichen Tourismus, modernes Wohnen und zeitgemäße Arbeitswelten maßgeblich beteiligt waren. Es folgte ein knappes Jahrzehnt intellektuell spannender Wanderjahre mit kreativen Stopps in New York, London, Berlin, Mailand, Ferrara und Graz, welche die Weltoffenheit und Internationalität beider Protagonisten erklären. Heute definiert sich noa* durch Kooperationen mit namhaften Künstlern und Designern von Projekt zu Projekt neu. Wichtige Inputs lieferten hier etwa Gian Frey (Zürich), Martino Gamper (London), Martin Schgaguler (Genf), Giulia Minozzi & Delica Fior (Mailand) oder Jakob Maurer von der Fakultät für Design an der Freien Universität Bozen. Gegenwärtige Projekte inkludieren einen innovativen concept store für das Modelabel Chervo in Peking, einen neuen Masterplan für die Lagune von Grado, eine Reihe von Vier- und Fünf-Sterne-Hotels in der norditalienischen Hochalpenregion sowie mehrere Villen im Südtiroler Grödner Tal. 14
architektur südtirol: Herr Rungger, Herr Rier, wie kaum ein anderes Planungsbüro in Südtirol entwickeln Sie zusammen mit Spezialisten unterschiedlicher Provenienz fachübergreifende Architekturkonzepte. Welche Vorteile bringen diese Projekte den späteren Nutzern – im Vergleich zu konventionell entworfener Architektur? noa*: Als Architekturschaffende interessieren uns Gegensätze jeglicher Natur: Gerne vergleichen wir uns in unserer methodologischen Herangehensweise an Baukunst mit dem Beruf bzw. der Berufung eines Orchester-Dirigenten. Während dieser als künstlerischmusikalischer Leiter eines musizierenden Ensembles mit seiner Aufgabe wächst, versuchen wir Interdisziplinarität zu dirigieren und konzentrieren uns dabei auf die Qualität des Zusammenspiels von Profis am Bau bis ins letzte Detail. Die Eröffnung eines Hotels ist für uns dann die Konzertpremiere. Was in der Musik vorwiegend durch Gehör passiert, lenken wir durch das Visuelle, das Taktile, das Olfaktorische, das Auditive. Ein Spiel der Sinneswahrnehmungen generiert dabei die Kreation von komplexen Atmosphären. Als architektonische Dirigenten präsentieren wir bereits bei Planungsbeginn dem Bauherr ein Konzept, das in weiterer Folge von sorgfältig selektierten Spezialisten interpretiert und realisiert wird. Die von uns vorgegebene Dimension von innerer und äußerer Architektur manifestiert sich als „Skript“ und dient als Grundthematik für alle weiteren Eingriffe.
Interview noa* Architekten n
Lukas Rungger (*1977) arbeitete nach erfolgreich absolvierten Studium an der TU Graz als Architekt bei Prof. Hans Gangoly (Graz), anschließend in London bei Softroom und schließlich im Mailänder Büro von Matteo Thun. Nach seinem Staatsexamen an der IUAV Venedig beschäftigt er sich vorrangig mit städtebaulichen Projekten, nachhaltigem Wohnbau, der Planung von Hotels sowie Innenarchitekturen von Shops, Bars und Restaurants. Rungger war Mitglied des Royal Institute of British Architecture. Heute gehört er der Architektenkammer Bozen an.
Der Reiz des „über den Tellerrand blicken“ motiviert uns zu immer wieder neuen Versuchen, die unterschiedlichsten Metiers verschmelzen zu lassen. Wenn mal nix verschmelzen will oder kann, kommt es auch ab und zu zu einer Explosion, immer im kreativen Sinne, die uns neue Wege aufzeigt. Langfristiges Ziel muss es für uns sein, unser Netzwerk und noa*s Spezialisten so früh wie möglich in den Entwurfsprozess mit einzubeziehen, um das endgültige Produkt schon in seiner Prototypen-Phase so zu modellieren, damit es am Ende all seinen Anforderungen gerecht werden kann. Was in technischen Bereichen bereits Gang und Gebe ist – z. B. muss bereits vor der Genehmigungsplanung ein Brandschutzprojekt oder GeologieGutachten erstellt werden – versuchen wir verstärkt als noa*s baukünstlerische Norm in den Prozess zu integrieren. So gilt etwa in den USA oder England für öffentliche Bauten schon lange der sogenannte „percent for art“, der ein bestimmtes Budget für sogenannte „Kunst am Bau“ vorsieht. Dies sollte auch im privaten Bereich unserer Ansicht nach „der“ Standard werden. Anstatt auf von Designern entworfene Marktprodukte zurückzugreifen, versuchen wir jedes Projekt als Unikat an- und durchzudenken: dafür kann es nur maßgeschneiderte Individual-Lösungen geben. Wir maßen uns jedoch in keinster Weise an, sozusagen alles selbst zu machen und uns als Universaldesigner aufzudrängen, die glauben, alles selbst zu können. Vielmehr sind wir davon überzeugt, dass einzigartige Architektur nur durch das Zusammenspiel von einzigartigen Kreativen entstehen kann – einem Kollektiv von Könnern ihres Fachs, deren Fachwissen nie und nimmer von Singularien erreicht werden kann. Wir ziehen dabei gerne rote Fäden.
Der Anspruch des Schaffens eines architektonischen Gesamtkunstwerkes artikuliert sich in unser derzeitigen Arbeit am stärksten beim Projekt „Messner Haus“: die Außen-Hülle, die äußere Schale des Wohnraums, jene Schale die mit der Gesellschaft in Bezug tritt, wird maßgebend vom Genius Loci, der Seele des Ortes, beeinflusst. Wir schreiben diesen Begriff inhaltlich weiter mit dem Anspruch eines „genuine loci“, als Ode an die Authentizität. Der Baukörper beschreibt einen ortstypischen Stadel und will sich nicht der Bevölkerung aufdrängen, sondern eingliedern. Die Innenhülle hingegen wird als intimer Entfaltungsraum der Bewohner gesehen. Zwischen Außen-Fassade und Innenraum entsteht ein konzertiertes Spannungsfeld, welches Spuren hinterlässt. Die Außen-Fassade zeigt Spuren eines zeitgemäßen Innenlebens und im Innenleben wirkt die Fassade wiederum als prägende äußere Hülle, die transzendierende Räume schafft. Das Innere charakterisiert sich als großer offener Raum, in welchem verschiedene Kuben hängen, die je Höhe immer intimere Räume vorsehen. Der Eingangsbereich mit Wohn und Kochbereich dient als Filter zwischen dem Ich und seiner Umwelt. Der wesentliche Vorteil eines „fächerübergreifenden“ Entwurfsansatzes liegt im finalen Mehrwert von Architektur: Konventionelles Entwerfen wird ersetzt durch eine neue „Dimension“, wird also erweitert und dadurch komplexer, kritischer, intensiver, weitsichtiger, vernetzter, zeitgemäßer, reicher an Attributen. Stets steht, sitzt, oder liegt der Mensch im Zentrum unseres Schaffens, umgeben von Lebensräumen die sich wie Hüllen um ihn stülpen und auf verschiedene Projektionsebenen wirken. Architektur und Entwurfsprozess werden zum Dialog zwischen Menschen, dem Innenraum, dem Außenraum und dem Bezug mit dessen Umfeld.
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Neue universelle Sinnlichkeit Die Erweiterung des Traditionshauses „Hotel Valentinerhof“ in Kastelruth Angetreten mit dem höchst ehrgeizigen Anspruch, durch interdisziplinäre Zusammenarbeit potentielle Gesamtkunstwerke zu schaffen, vereint die 2010 in Bozen von dem Architekten und Innenarchitekten Stefan Rier sowie dem Architekten Lukas Rungger gegründete Kreativplattform noa* eine ausgewählte Reihe an international tätigen Baukünstlern und Interior-Designern, Modedesignern und Grafikern, Schriftstellern und Produktgestaltern, Musikern und Photgraphen zu einem in Südtirol bisher kaum anzutreffenden Innovations-Cluster. Ziel dieses buntgemischten Haufens ausgewiesener Individualisten ist es, fachübergreifende Konzepte zu entwickeln, welche alle nur denkbaren Dimensionen ganzheitlicher Raumgestaltung ausschöpfen und diese als neue Sicht von Innen- und Außenarchitektur sowie Design jeder Provenienz präsentieren. Unbestreitbarer Vorteil dieser Philosophie: Optimal umgesetzt lässt sich damit die Ideenvielfalt ansonsten ausschließlich auf ihr Fach konzentrierter Sparten-Spezialisten zu Masterplänen einer neuen, universellen Sinnlichkeit fokussieren. Diesen nicht eben leichten Ansatz versuchten die noa* Mitarbeiter 2011 im Rahmen der quantitativen und qualitativen Erweiterung des Hotels Valentinerhof in Kastelruth zu realisieren, für die sie die Generalplanung – einschließlich Architektur, Inneneinrichtung, Landschaftsgestaltung, Beleuchtung und Produktdesign – übernahmen. Dabei entstand im Osten des Altbaus aus dem Jahre 1963 ein 1.100 m² umfassender Zubau auf drei Ebenen, der in seinem unteren Teil eine etwa 350 m² große Wellnessoase, im mittleren und oberen Bereich jeweils sieben sensitiv und stilvoll eingerichtete Suiten aufnimmt. Nach außen hin präsentiert sich der Massivbau mit Natursteinfassade und vorgesetzter Lärchenholz-Schalung, die im vorgelagerten Gartenbereich in einem Außenpool, einem biologischen Teich sowie einer Sauna im See ihre geschmackvolle Entsprechung findet. Hand in Hand mit diesen neuen Impulsen ging die Aufwertung des ursprünglichen Drei-Sterne-Betriebs in ein formidables Vier-Sterne-Hotel im KlimaHaus B-Standard. Der Familienbetrieb „Hotel Valentinerhof“ liegt auf rund 1.200 m Seehöhe in der Gemeinde Kastelruth an der Landstraße zur Seiser Alm. Maßgeblich für das Architekturkonzept war das Bestreben der Planer, den Neubau auf der Basis lokaler Traditionen in die atemberaubende Natur zu integrieren. Aus der Konfiguration des alten und des neuen Baukörpers resultiert die Form einer Arena, die sich Richtung Süden sowie zum nahegelegenen Schlernmassiv hin öffnet. Der Kontrast zwischen der Weite des Bozner Talkbodens und der imposanten Präsenz des dominanten Bergmassivs wird dabei durch die beiden Baukörper gespiegelt und formal dialogisiert. Komplementär dazu soll das Panorama Hauptaugenmerk bleiben. 106
Die Architektur Das Hotel erhält mit der nun geschaffenen Wellnesslandschaft ein wesentliches neues Element, das seine bisherige Identität erweitert und zusätzlich akzentuiert. Aus diesem Umstand leitete noa* die Entwurfsidee ab, das Element Wasser zu einem der Leitbilder ihres Konzeptes der Architektur sowie des Interior- und Produkt-Designs zu machen. Verzahnt werden dabei die Holz- und Glaselemente der vorgesetzten Fassade, die sich im vorgelagerten Pool und Natursee spiegelt.
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Fotos © Herbert Rier
Reminiszenzen der Kastelruther Bautradition – wie etwa die Heuharpfen, die Futterhäuser der Paarhöfe sowie die traditionellen Holzzäune – standen Pate bei der Formfindung der hölzernen Gebäudehaut. Die unregelmäßigen Formen der Holzrahmen kragen mit unterschiedlichen Längen in die Landschaft und werden Teil von ihr. Dabei entstehen Räume, welche die Kluft von innen und außen überbrücken und aufheben. Diese Rhythmik vermittelt dem Besucher das Gefühl, drinnen im Draußen geborgen zu sein. Dadurch wird er Teil dieser großartigen Landschaft. Intensiviert wird diese
Anmutung durch raumhohe Glasfassaden, tiefe Terrassen und die für die Region typischen Heutücher aus Leinen, die Wärme ausstrahlen und – ganz praktisch – eine sanfte Trennung zwischen den einzelnen Zimmerterrassen bilden. Das Projekt wurde vor kurzem nominiert als Anwärter für den "Sleep" European Hotel Design Award 2012. Am 20. November findet in London in Anwesenheit der Architekten die Verleihung des Awards statt. Sie finden Auskunft unter: http://www.thesleepevent.com/ 107
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Fotos auf dieser Seite © Herbert Rier
Das Interior Design Die 14 Suiten in den beiden Obergeschossen verfügen über einen annähernd quadratischen Grundriss. Raumhohe Schiebetürelemente erlauben eine maximale natürliche Belichtung, wodurch auch die nachgeordnet situierten offenen Badezimmer hinreichend Tageslicht erhalten. Alle Betten orientieren sich zum Tal hin, sodass das komplette Schlern-Panorama bereits morgens erlebbar wird. Die Leseecke bildet ein großes Futon und wird von einem traditionellen Heutuch umrahmt. Diese Tücher wurden eigens von noa* für das Hotel entworfen und – nostalgisch – von Hermann Kühbacher auf seinem originalen Webstuhl aus dem Jahre 1901 handgewoben. Die Leinenbaren stammen aus dem Pragsertal und sind bis zu 90 Jahre alt. Die Wellness-Oase teilt sich in Pool- und Saunabereich. Das Schwimmbad zeigt sich mit einem kleineren Einstiegsbecken im Inneren und ist verbunden mit einem 70 m² großen Außenpool. Die ihn umschließenden Massageliegen laden zur Erholung ein und gewährleisten einen atemberaubenden Blick auf die Berge. Dabei ist das Becken von den Fassadenrahmen umschlossen und nimmt die gesam-
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te Länge des westlichen Gebäudetrakts ein. Das Wasser – als dominantes Gestaltungselement – schwappt entlang einer 15 m langen Kante talabwärts in Richtung des großzügig dimensionierten Sonnendecks. Finnische Sauna, Kräutersauna, Dampfbad sowie unterschiedliche Ruhe- und Schlafzonen ergänzen die Welt der Nackten im Osttrakt. Dabei verfügt die finnische Sauna über ein sich weit öffnendes Panoramafenster. Die Kräutersauna liegt 1,5 m unter dem Wellness-Niveau. Die Blickachse des Saunagängers befindet sich somit auf Wasserspiegelhöhe der Seelandschaft. Daraus folgt, dass sich dem Besucher beim Eintritt in die Seesauna ein gespiegelter Rundumblick auf Berg und Tal erschließt. Der Raum fungiert somit als Zentrum der Seelandschaft, wobei die Glasflächen das Wasser in das Innere reflektieren. Auch im Dampfbad – dem einzigen Raum ohne Öffnungen nach außen – ist das Element Wasser permanent präsent. Hier fällt über eine schräge Wand das nasse Element in die Tiefe und schwemmt das Licht, das über Steinkuben eindringt, mit sich. Das Rauschen des Wasserfalls beruhigt und verzaubert.
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Foto © Daniele Lodice, Bologna, Mailand
Foto © Daniele Lodice, Bologna, Mailand
Foto © Herbert Rier
Zahlen – Daten – Fakten
Das Produkt Design
Die Materialien
Jedes Gestaltungselement wurde von noa*auf der Grundlage einer interdisziplinären, gesamtheitlichen Design-Philosophie konzipiert und mit bemerkenswerter Liebe zum Detail von Fachhandwerkern ausgeführt. Als besondere Herausforderung entstanden dabei – in Zusammenarbeit mit einem römischen Glasbläser (Massimo Colasanti) und einem Berliner Designer (Jakob Maurer) – im zentralen Treppenhaus handgeblasene und mit Wasser gefüllte Glasbehälter, die – als Essenz des Gesamtkonzeptes – im dreigeschossigen Atrium schweben. Die dabei realisierten Formen leiten sich aus – in der Umgebung gefundenen – Steinen ab, die als Negativform der Glaselemente fungierten. Die Leichtigkeit dieser internen „baumelnden Hausseele“ bildet einen dramatischen Kontrast zu den massiven Felsformationen der umgebenden Außenwelt.
Das Projekt verwendet ausschließlich traditionelle, naturnahe Baumaterialien wie Stein, Holz, Glas oder Leinen. Auch bei der Verarbeitung dieser Baustoffe wurde darauf geachtet, dass überlieferte Arbeitsabläufe zum Einsatz kamen. Jeder Raum des Hotels wurde – vor seiner Einrichtung – auf seine Spezifität und Dimensionierung hin untersucht. Die dabei entstandenen dreidimensionalen Resultate bildeten sodann den Ausgangspunkt für die Wahl der hier eingesetzten Materialien. In einem nächsten Schritt führte noa* die ausgewählten Hölzer, Fliesen, Stoffe, Teppiche und Lampen zu einem in sich stimmigen Farb- und Materialkonzept zusammen. Das Resultat stellt jeweils einen eigenen kleinen Kosmos dar, der eine neue universelle Sinnlichkeit atmet. ufo
Hotel Valentinerhof, Kastelruth Bauherr: Mulser Walter, Seis am Schlern Generalplanung: noa*– network of architecture, Bozen Dr. Arch. Stefan Rier Dr. Arch. Lukas Rungger Baubeginn: März 2011 Fertigstellung: August 2011 Projekt-Partner baucenter OHG/Snc, Bozen BetonMix, Brixen ■ METEK GmbH-srl, Eppan ■ Tischlerei Rier Josef GmbH, Seis am Schlern ■ Rubner Türen AG, Kiens ■ Sanikal KG, Brixen ■ Sedis GmbH, Natz/Schabs ■ Maler Seebacher & Co.KG, Seis ■ Simonazzi Johann & Co. OHG, Völs am Schlern ■ Sonnenpool GmbH, Lana ■ Tip Top Fenster, Meransen/Mühlbach ■ ■
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