Theatermagazin März 2014

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DIE LIEBE ZU DREI ORANGEN  von Sergei Prokofjew

MAGAZIN

THEATER MÄRZ 2014


EDITORIAL

Eine Beilage zur Ausgabe vom 1. März 2014 TITEL Heike Wessels in DIE LIEBE ZU DREI ORANGEN

Liebes Publikum, liebe Mitgestalter, liebe Bürger, »Nicht einen Intendanten hat Mannheim, sondern so viele Intendanten wie Einwoh­ ner.« Diese Binsenweisheit kennt in Theaterdeutschland jeder, der sich ein wenig umgehört hat. Die Mannheimer, sie sind berühmt für ihre Theaterliebe, sie durchleben Begeisterung und Enttäuschung und sie wollen mitgestalten. Sehr oft klappt das – nicht nur, aber ganz besonders im Rahmen der Mannheimer Bürgerbühne. Manchmal geht es aber auch nicht ganz so glatt, wenn eigensinnige Künstler ihre Vorstellungen am Mannheimer Nationaltheater umsetzen. Das ist ganz im Sinne der freien Kunst, und dennoch bleibt die Frage, ob die Kunst sich für oder gegen die Stadt entfaltet, ob die Menschen sich einfangen lassen von ihrem Theater und ob das häufig beschwo­ rene Ziel, Theater für die Stadt machen zu wollen, die Bürger auch erreicht. Die Aussage von der Zahl der Intendanten muss inzwischen neu gelernt werden, denn Mannheim hat wirklich nicht mehr nur einen, sondern fünf Intendanten. Was bedeutet das für unser Mannheimer Publikum? Dazu gibt es am 02. März 2014 um 11.00 Uhr im Theatercafé erstmals Tischgespräche mit dem Intendanten-Team. Diskutieren Sie mit!

REDAKTION Anselm Dalferth (ad), Katharina Blumenkamp (kb), Ingoh Brux (ib), Merle Fahrholz (mf), Elena Garcia-Fernandez (egf), Lea Gerschwitz (lg), Stefanie Gottfried (sg), Stefanie Hahnemann (V.i.S.d.P.), Maike Kasse­bom (mk, CvD), Anita Kerzmann (ak, Fundraising), Dr. Dorothea Krimm (dk), Dr. Ralf Klöter (rk), Katrin Dod (kd), Anne Richter (ari), Eva-Maria Steinel (ems), Eva Wagner (ew), Linda von Zabienski (lvb) MITARBEIT AN DIESER AUSGABE Freunde und Förderer des ­Nationaltheaters Mannheim e. V., Frida Bräumer KONZEPTION Anzinger | Wüschner | Rasp GESTALTUNG Michael J. Böhm

Auch wenn die Stadt und ihre Menschen für uns im Fokus stehen – das National­ theater Mannheim ist auch andernorts ein gern gesehener Gast. Im März 2014 ist eine Vielzahl von Gastspielen geplant. Nach dem überwältigenden Erfolg mit Bernarda Albas Haus in Teheran stehen nun Auftritte der Sparten Schnawwl, Schauspiel und Ballett u. a. in Frankfurt am Main, Madrid, Meran und Winterthur auf dem Programm.

FOTOS Hans Jörg Michel, Christian Kleiner

Toi, toi, toi den Fernreisenden und bis bald in Ihrem Nationaltheater

Sämtliche personenbezogenen Bezeichnungen, die in dieser Publikation im Maskulin verwendet werden, sind geschlechtsneutral zu verstehen. Gemeint sind alle Geschlechter.

Ihr Ralf Klöter Geschäftsführender Intendant

ANZEIGEN Doris Horwedel DRUCK Mannheimer Morgen ­Großdruckerei und Verlag GmbH

SERVICE Theaterkasse 0621 1680 150 Vorverkauf Schnawwl 0621 1680 302 Abobüro 0621 1680 160

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»PERDONATA!«

Lorenzo di Toro, Ludmila Slepneva; szenische Probe in markierter Dekoration

Verdis Stiffelio als Oper im Spannungsfeld von Gnade und Gesetz

»PERDONATA!« »Verziehen!« ist das zentrale Wort im letzten Finale von Verdis Stiffelio. Doch wer muss wem verzeihen – und warum? Die Situation, in der wir uns befin­ den, ist für eine italienische Oper des 19. Jahrhun­ derts äußerst ungewöhnlich: Handlungsort ist eine evangelische Kirche, Handelnde sind ein Prediger und seine Gemeinde, der im Mittelpunkt der Ver­ sammlung stehende Text ist die neutestamentliche Geschichte von Jesus und der Ehebrecherin. Der Prediger selbst trägt die Passage nur zögerlich vor, nach pietistischem Brauch hatte er die Bibel ledig­ lich aufs Geratewohl aufgeschlagen. Ist die Auffor­ derung zum Verzeihen eine göttliche Weisung? Stiffelio, alias Rodolfo, ist gefangen zwischen zwei Funktionen – die des Predigers (Stiffelio) und die des Ehemanns (Rodolfo). Seine Gattin Lina, die ihn zunächst nur als Rodolfo kennengelernt hatte, lei­ det unter dieser doppelten Identität. In ihrer emo­ tionalen Unsicherheit lässt sie sich von Raffaele verführen, obwohl sie ihren Ehemann aufrichtig liebt. Für Lina beginnt der Weg in die Vernichtung. Der Fehltritt wird sowohl von ihrem Vater als auch ihrem Gatten bemerkt. Sie bereut, doch Stiffelio ist nicht bereit, ihr zu verzeihen. Er verlangt die Schei­ dung. Lina sieht hierin eine Chance, denn wenn er ihr als Mann nicht zuhört, so muss doch der Seel­ sorger die Worte einer reuigen Sünderin vernehmen.

»HERR, ERBARMEN, VERSAGE MIR NICHT DEINE GÜTE.« Wenn ein Bibeltext im Mittelpunkt eines Opern­ finales steht, muss das musikalische Konsequen­ zen haben. Verdi inszeniert auf der Bühne einen liturgischen Vorgang, der fast ins Mystische hinein­ greift. Die Kirchenszene beginnt mit einem langen Orgelvorspiel, anschließend setzt der Chor (bzw. die Gemeinde) ein mit dem a cappella gesunge­ nen 6. Psalm: »Bestrafe mich nicht, Herr, in deinem Zorn.« Eine ernsthaft-feierliche Stimmung wird

kreiert, unterstützt von der wieder einsetzenden Orgel und einer repetitiven Trompetenfigur, die Stif­ felios Ankunft begleitet. Der Prediger selbst verfällt in einen rezitativischen Tonfall, also das Gegenteil einer im Finale erwarteten großen Kantilene. Eine kurze, aber eindringliche Chorreplik auf das bibli­ sche »Perdonata!« beschließt die Oper, die weib­ liche Hauptfigur ist fast nicht mehr zu vernehmen. Es ist kein opulentes Opernfinale, aber auch kein Weihefestspiel. Das Verstummen Linas negiert ein lieto fine – es ist ein kompromisslos-offener Schluss. Dieses Finale bekamen die wenigsten Zeitgenossen so zu sehen. Drei Tage vor der Urauf­ führung am 16. November 1850 mussten entschei­ dende Änderungen vorgenommen werden, da sich, so berichtet ein Triester Kritiker, dem »kirchlichen Zensor […] die allerkatholischsten Eingeweide her­ umdrehten.« Religiöse Anspielungen und Symbole, sowie die Darstellung der sakralen Riten und kirch­ lichen Handlungen wurden verboten, anstelle der Passage des Johannes-Evangeliums traten allge­ meine Floskeln. Da es Verdi nicht gelang, die Zensur von der Harmlosigkeit des Librettos zu überzeugen, arbeitete er das Werk 1856 vollständig um. Aus Stif­

felio wurde Aroldo. In dieser Neufassung änderte Verdi jedoch nicht nur den Text, sondern auch die musikalischen Nummern, die sich am stärksten von der Konvention abhoben. Aroldo überlebte, Stiffelio versank in der Vergessenheit – erst 2003 konnte die Originalfassung dieser Oper wieder rekonstruiert werden.

»WER VON EUCH OHNE SÜNDE IST, DER WERFE DEN ERSTEN STEIN.« Verdi war zu Beginn der 1850er Jahre auf der Suche nach neuen, ungewöhnlichen Stoffen. Neben dem Reiz, ein rigides protestantisches System und die (Selbst-)Vernichtung eines Teils seiner Mitglieder auf die Bühne zu bringen, mag es auch einen bio­ graphischen Grund für die Vertonung des Stiffelio gegeben haben: 1849 zog Verdi mit seiner Gelieb­ ten Giuseppina Strepponi in das kleine Städtchen Busseto, wo sie in wilder Ehe lebten. Die in Liebes­ dingen durchaus mit einer Vorgeschichte belastete Dame wurde fortan Ziel einer gnadenlosen Demüti­ gungskampagne der Bürger. mf

STIFFELIO von Giuseppe Verdi Premiere am 29. März 2014 um 19.30 Uhr im Opernhaus anschließend Premierenfeier im Theatercafé Musikalische Leitung Alois Seidlmeier |  Inszenierung Regula Gerber | Bühne  Roland Aeschlimann Kostüme Andrea Schmidt-Futterer  |  Choreografie Guido Markowitz | Dramaturgie  Merle Fahrholz Chor  Tilman Michael Mit  Ludovica Bello, Galina Shesterneva/Ludmila Slepneva; Michail Agafonov/Martin Muehle, Thomas Berau/Jorge Lagunes, Uwe Eikötter/Benedikt Nawrath, Sung Ha/Peter Maruhn, David Lee/Juhan Tralla Einführungsmatinee: 23. März 2014 um 11.00 Uhr im Theatercafé Weitere Vorstellungen: 5. und 9. April 2014


FESTLICHER OPERNABEND – ELEKTRA

© Kevin Maltby

© Barbara Eichinger

am 23. März 2014 um 19.30 Uhr im Opernhaus

Catherine Foster

Jane Henschel

Der Zauberflöte folgt ein weiterer Festlicher Opernabend mit drei fulminanten Gästen: Catherine Foster als Elektra, Jane Henschel als Klytämnestra und Günther Groiss­ böck als Orest bringen Richard Strauss’ Elektra in der Inszenierung von Ruth Berg­ haus, einen großartigen Klassiker des Mannheimer Opernrepertoires, zum Strahlen. CATHERINE FOSTER, die wichtigste Debütantin der letztjährigen Bayreuther Fest­ spiele, wo sie als Brünnhilde gefeiert wurde, gilt auch als eine Elektra von »außeror­ dentlichem Format und ungebrochener Strahlkraft, sie zieht die lyrischen Bögen so unangestrengt und sicher, wie sie das komische Parlando beherrscht« (Opernwelt). Seit 2009 hat sie sich die großen Bühnen erobert, z. B. war sie als Turandot an der Deutschen Oper Berlin, als Brünnhilde in Hamburg, Shanghai/Köln, Budapest, Essen sowie als Elektra in Kopenhagen und Köln zu hören.

Große Erfolge feierte die amerikanische Mezzo­so­ pranistin JANE HENSCHEL am Royal Opera House in Covent Garden als Fricka, Waltraute, Erda, Ulrica, Klytämnestra und Mrs. Grose. Auch an der Bay­ erischen Staatsoper, der Mailänder Scala und der Deutschen Oper Berlin trat sie mit wichtigen Partien ihres Fachs auf. Ihre Para­ derolle ist die Amme in Die Frau ohne Schatten, die sie bereits u. a. an der Metro­ politan Opera, in Los Ange­ les, Paris und Wien sang.

Günther Groissböck

GÜNTHER GROISSBÖCK war an der Wiener Staatsoper und in Zürich engagiert und zählt zu den international gefragtesten Bässen seiner Generation. Er singt Rollen wie Sarastro, Wassermann, Colline, König Heinrich, Fafner und Hunding an den bedeutendsten Häusern der Welt, von New York bis Wien. Der Auftritt als Orest in Mannheim wird ein Rol­ lendebüt sein. dk Mit freundlicher Unterstützung unseres Hauptsponsors

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»NICHT AUFFALLEN, NICHT ZIMPERLICH SEIN, NICHT  KLAGEN …« Gedanken zu Fassbinders Film Die Ehe der Maria Braun und Borcherts Stück Draußen vor der Tür, heute DIE TRAUMATISIERTEN In Bezug auf den TV-Dreiteiler Unsere Mütter, unsere Väter schrieb der 1954 geborene Journalist Wolfgang Michal: »[…] Erst in den neunziger Jahren […] stieß man auf das Phänomen der ›transgenera­ tionalen‹ Traumatisierung […] Die Kinder und Enkel, also die sekundär Traumatisierten, imaginieren das, was ihre Eltern ›erlebt‹ haben. Doch indem sie es imaginieren (also fiktionalisieren), beschö­ nigen sie es zugleich […] Anders als die Väter und Mütter der Achtundsechziger […] waren ›unsere Mütter, unsere Väter‹ 1933 noch viel zu jung, um schuld sein zu können […] sie wurden von Gewalt beschädigt und erwachten geschlagen […] Und schwiegen. […] Es ist der verständliche Wunsch von Kindern, ihre Eltern in Schutz zu nehmen und zu verstehen. Aber es ist eben auch ein hilfloser Ver­ such von sekundär Traumatisierten, die sich keine eigenen Meinungen und Gefühle zutrauen, weil sie glauben, Rücksicht auf die verletzten Seelen ihrer Eltern nehmen zu müssen. […] Wir sind alle infiziert von den Überlebensstrategien unserer Mütter und Väter: nicht auffallen, nicht zimperlich sein, nicht klagen. Diese Verhaltensweisen funktionieren im Krieg wie im späteren Berufsleben. […] Im Gesicht von Angela Merkel, die stellvertretend für uns als Außerirdische oder Rätselhafte stigmatisiert wird, kann man die transgenerationale Traumatisierung wiedererkennen. Vielleicht ist die Kanzlerin bei der Mehrheit der Deutschen gerade wegen ihrer ›Emotionslosigkeit‹ so beliebt. […] Zu fragen wäre deshalb: Was ist das für ein Land, das von sekun­ där Traumatisierten regiert wird? […] Ist es nicht auffällig, wie tonlos, zahnlos, mitleidlos wir ›unser Europa‹ zusammenzimmern? Muss es nicht erstau­ nen, dass unsere politische Kultur unfähig ist, eine wirksame Protestbewegung gegen die ›Finanzdik­ tatur‹ zu erzeugen? […] Vielleicht ist unsere unein­ gestandene Ich-Schwäche die direkte Folge der schweren Ich-Verletzung unserer Eltern im Zweiten Weltkrieg. […]«1

EMOTIONSLOSIGKEIT UND DIE EHE DER MARIA BRAUN

WOLFGANG BORCHERT UND DIE KONZENTRATION AUFS EXISTENZIELLE

Möglicherweise eine zutreffende Diagnose. Doch ist es erlaubt, so generell von »Ich-Verletzung« und »Trauma« zu sprechen? Sind die Erfahrungen nicht zu unterschiedlich? Und, wie einer der Gestalter der Wehrmachtsausstellung (1995 – 2004), Hannes Heer, kritisiert: Ist es nicht undifferenziert, von den »Opfern des Krieges und der Gewaltherrschaft« zu sprechen? Wie das nach Heer Ernst Jünger getan habe, als er 1944 in seinen Tagebüchern geschrie­ ben habe, die Schicksale der »Deutschen« würden denen der »Juden« gleichen – also Kesselschlacht gleich Holocaust?2 Ja, es ist nicht nur undifferen­ ziert, es ist schändlich. Und dennoch, an der von Wolfgang Michal diagnostizierten ›Emotionslosig­ keit‹ ist etwas dran. Und genau damit hat auch Fassbinders Maria Braun zu tun. Deren Ehe beginnt im Bombendonner der letzten Tage des zweiten Weltkriegs und endet 1954 mit dem WM-Sieg der deutschen Fußballnational­ mannschaft. Maria, die sicher nicht zufällig den gleichen Nachnamen wie Hitlers Geliebte Eva trägt, arbeitet an ihrem persönlichen Wirtschaftswunder, doch letztlich zerbricht ihr kontrollierter Aufbau­ wille an der selbst erzeugten emotionalen Kälte. Auch Sönke Wortmanns Das Wunder von Bern aus dem Jahr 2003 nimmt die Nachkriegsgesellschaft in den Focus und endet mit dem deutschen Fuß­ ballsieg bei der Weltmeisterschaft. Doch während Wortmanns mythisierender, sinnstiftender Film einen nationalen Neuanfang feiert, ist Fassbinders Ehe der Maria Braun aus dem Jahr 1978 ein bitterer Kommentar auf die junge Bundesrepublik. Maria lässt Gas aus dem Herd ihres neu gebauten Hauses verströmen und zündet sich eine Zigarette an. Zum euphorischen Schrei des Reporters »Aus! Aus! Das Spiel ist aus! Deutschland ist Weltmeister!« zeigt Fassbinder das zerstörte Haus und Marias Leiche.

Ein Schrei des Grauens ist Borcherts Draußen vor der Tür. Während Maria Braun wegdrückt und ver­ drängt, bricht es aus Beckmann heraus: »Ich kann nicht mehr. Ich halt es nicht mehr aus!«. Borcherts Protagonist kommt mehr tot als lebendig von der Ostfront nach Hause und geantwortet wird ihm: »Doch, man hält das aus! Das ist das Leben, man hält das aus!« Wolfgang Borchert hat selbst am Russlandfeldzug teilgenommen. Er war achtzehn, als der Krieg ausbrach, vierundzwanzig, als der Krieg zu Ende war, und zwei Jahre danach war er tot. Über Theodor Pliviers Roman Stalingrad (1945) schrieb er: »[…] nackt, wirr, sinnlos, formlos, wahr­ haftig. […] Mosaiksteinchen dieses grauenhaftes­ ten apokalyptischen Gemäldes […] Und die Steine heißen Hunger, Schrei, Schmerz, Tod. Heißen Eis­ sturm, Eiter, Einschlag. Heißen Heldentum und Kannibalismus, Elend und Qual, Lüge, Selbstmord und Gehorsam. Und sie heißen Blut und Kot und Schnee, Preußens Gloria und Viehtreiben. Und alle zusammen heißen: Hitler! Heißen Stalingrad! Hei­ ßen Krieg! […]«3 »Nackt, wirr, sinnlos, formlos, wahrhaftig« – das gilt auch für Borcherts eigenes Schreiben, seine Konzentration aufs Existenzielle. Allerdings blei­ ben die historischen Zusammenhänge – die spezi­ fischen Umstände von Naziherrschaft und zweitem Weltkrieg – auf der Strecke. Doch auch hier ist etwas dran. Und vielleicht ist das Nackte, Wirre, eben NICHT-Sinnstiftende, das bei Draußen vor der Tür immer präsent ist, die einzige Möglichkeit der Kunst, dem Trauma zu begegnen? – voraus­ gesetzt, man stellt nicht, wie zuerst Adorno, die Unsagbarkeit des Traumas in den Mittelpunkt der ­Überlegungen.

DRAUSSEN VOR DER TÜR/DIE EHE DER MARIA BRAUN von Wolfgang Borchert/Rainer Werner Fassbinder Premiere am 8. März 2014 um 19.00 Uhr im Schauspielhaus anschließend Premierenfeier in der Lobby Werkhaus Inszenierung Dominic Friedel | Bühne Maren Greinke | Kostüme  Karoline Bierner Video Stephan Komitsch | Dramaturgie  Stefanie Gottfried Mit  Sabine Fürst, Almut Henkel, Michaela Klamminger, Ragna Pitoll, Dascha Trautwein; Thorsten Danner, Jacques Malan, Peter Pearce, Sven Prietz, Sascha Tuxhorn Voraufführung: 7. März 2014  |  Weitere Vorstellungen: 18. und 29. März 2014

DIE SUCHE DER NACHGEBORENEN Gleichwohl, die Suche der Nachgeborenen ist schwierig, und die Gefahr, den eigenen Abwehr­ mechanismen zu folgen und der Mythisierung Vor­ schub zu leisten, groß. Mindestens so groß wie das Angehen der Frage: Wer bleibt eigentlich heute, im Jahr 2014, in Deutschland, dem ›ökonomischen Superstar‹4, ›draußen vor der Tür‹ und was hat das möglicherweise mit ›unserer‹ Geschichte zu tun? Den Doppelabend Draußen vor der Tür / Die Ehe der Maria Braun am Nationaltheater inszeniert der Regisseur Dominic Friedel, Jahrgang 1980. Das jüngste Mitglied des künstlerischen Produkti­ onsteams ist die Regiehospitantin Friederike Rhein, Jahrgang 1995, und das älteste Mitglied der Schau­ spieler, Jacques Malan, Jahrgang 1956. sg

1  Wolfgang Michal: »Unsere Mütter, unsere Väter«. Wunschtraumata der Kinder, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.03.2013 2  Karlen Vesper: Kesselschlacht gleich Holocaust? Romani Rose und Hannes Heer über Vernichtung und Vertreibung, Schuld und Verantwortung, in: neues deutschland, 10.03.2009 3  Wolfgang Borchert: Allein mit meinem Schatten und dem Mond. Briefe, Gedichte und Dokumente, Reinbek bei Hamburg 1996 4  Dustmann, C., Fitzenberger, B., Schönberg, U., Spitz-Oener, A. (2014): From Sick Man of Europe to Economic Superstar: Germany‘s Resurgent Economy. Journal of Economic Perspectives 28 (1), pp. 167-188.


GROSSE STIMMEN AM NTM Hochkarätige Gäste in »Elektra« und »Tosca« im März In allen vier Vorstellungen von Richard Strauss’ Elektra wird in der Titelrolle die britische Sopranistin Catherine Foster sin­ gen, die gefeierte Brünnhilde des letztjäh­ rigen Bayreuther Festspiel­Sommers. Ihr wird »betörende Klangschönheit in allen Lagen, natürliches Spiel und eine schier unbegrenzte Kondition, vorbildliche Intona­ tion und Wortdeutlichkeit« (Neuer Merker) attestiert.

In den ersten zwei Vorstellungen von Gia­ como Puccinis Tosca singt eine der ganz großen Verdi­Sängerinnen, Michèle Crider, als Gast die Titelrolle. Michèle Crider ist regelmäßig an den weltweit größten Häusern wie der Met und in Covent Garden, Berlin, Wien, München und Hamburg, Mailand, Rom, Zürich, Madrid, Moskau und Amsterdam zu hören. Neben Verdi gehören auch die großen Puccini­Rollen wie Madama Butterfly, Tosca und Manon Lescaut zu ihrem Repertoire. dk

ELEKTRA

TOSCA

von Richard Strauss mit Catherine Foster (Elektra)

von Giacomo Puccini mit Michèle Crider (Tosca)

Musikalische Leitung Dan Ettinger Inszenierung Ruth Berghaus

Musikalische Leitung Dan Ettinger Inszenierung Renate Ackermann

am 14., 20., 23. (FOA) und 27. März 2014 um 19.30 Uhr im Opernhaus

am 28. und 31. März 2014 um 19.30 Uhr im Opernhaus

KEVIN O’DAY IN KANADA Im Frühling 2014 widmet sich Kevin O’Day der Arbeit auf internationaler Ebene. Vom 20. bis 22. Februar präsentiert er am Ballet British Columbia eine neue Choreografie im Rahmen des dreiteiligen Ballettabends Grace Symmetry. Kombiniert wird die Premi­ ere seines Stücks mit Musik von John King und Arbeiten der Choreografen Medhi Valer­ ski und Wen Wei Wang.

Wenig später ist der Mannheimer Ballett­ chef selbst auf der Bühne zu sehen, wenn er im Harbourfront Center in Toronto zusam­ men mit Robert Glumbek zum letzten Mal Die vier Jahreszeiten zeigt. Als »Artists to watch 2014« bezeichnete das kanadische Now­Magazine die beiden Künstler, die in ihrem Stück den Kreislauf des Lebens nachzeichnen.

»KLIMAZONEN« 5. Kammermusikmatinee am 9. März 2014 um 11.00 Uhr im Oberen Foyer Als »pianta fuori di clima«, eine Pflanze außerhalb ihres natürlichen Klimas, hat Giuseppe Verdi das Streichquartett einmal bezeichnet. Der abstrakte Instrumentalsatz des Quartetts war für ihn mehr eine Sache der Deutschen. Dennoch hat er die Quartette Mozarts, Haydns und Beethovens intensiv studiert. Niedergeschlagen haben sich seine Studien in seinem einzigen Streichquartett ebenso wie im Orchestersatz seiner Opern. Wenige Wochen vor der Stiffelio­Premiere widmet sich die 5. Kammermusikmatinee dem Kammermusiker Verdi und stellt ihm mit Beethovens Streichquartett op. 95 eines der kompromisslosesten Kammermu­ sikwerke des deutschen Komponisten gegenüber. Mit Sergey Tsoy, Nadja Nevolovitsch (Violine), Alexander Petersen (Viola) und Fritjof von Gagern (Violoncello) egf

Noch 2.412 Stunden bis zur Uraufführung von »Böse Geister« …

STIMMEN Adriana Hölszkys neues Musiktheater ist ein Werk der Stim­ men und ihrer vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten: Zwischen fast gesprochenen Passagen, ariosen Momenten und expres­ siven Ausrufen nutzt die Komponistin alle Möglichkeiten der Stimmbehandlung, um mit einem großen Spektrum an fanta­ sievollen Klangfarben das Drama einer Gesellschaft zu zeich­ nen. Klar verständliche Passagen wechseln mit Situationen, die simultan auf der Bühne spielen und in denen sich die Stimmen verschränken: Die Bedeutung des einzelnen Wortes tritt dann hinter den emotionalen Ausdruck zurück. Dieses vielstimmige Geflecht wird vor allem vom Chor getragen, der in bis zu 32 Einzelstimmen ausnotiert ist: Er ist manchmal blockweise zu hören, dann bewegen sich Töne wie Wellenbe­ wegungen durch die einzelnen Stimmen und mal hört man ein Raunen, das an ein Stimmengewirr auf einem großen Platz erinnert. Neun Gesangssolisten ragen aus diesem Orchester der menschlichen Stimme heraus und jede Partie ist außeror­ dentlich anspruchsvoll. Lassen Sie sich von dem Reichtum der menschlichen Stimme überraschen! ad

BÖSE GEISTER

von Adriana Hölszky

Uraufführung am 31. Mai 2014 im Opernhaus im Rahmen des Festivals Theater der Welt 2014 Musikalische Leitung Roland Kluttig Inszenierung Joachim Schloemer Die Uraufführung wird gefördert von der Stiftung Nationaltheater Mannheim. Die Vergabe des Kompositionsauftrags an Adriana Hölszky wurde ermöglicht durch die Ernst von Siemens Musikstiftung. Mit freundlicher Unterstützung von Deloitte

SWR Konzertreihe Mannheim Freitag, 28. März 2014 | 19.30 Uhr Konzerteinführung: 18.30 Uhr Ottorino Respighi »Pini di Roma« sowie Werke von Maurice Ravel, Luciano Berio und Pascal Dusapin Kim Kashkashian, Viola SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg Dirigent: Alain Altinoglu

THEATER DER WELT 2014 Nicolas Stemann zeigt Elfriede Jelinek-Uraufführung zur Festivaleröffnung in Mannheim Die österreichische Literatur­Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek schrieb ihren jüngsten The­ atertext Die Schutzbefohlenen als Reaktion auf die Tragödie um die Asyl suchenden Men­ schen aus Somalia und Eritrea vor der Küste von Lampedusa. In ihrem Text verschränkt sie die Katastrophe, ihre Ursachen und ihre Folgen mit Motiven aus Aischylos’ Tragödie Die Schutzflehenden und gibt den Geschichten der Asylsuchenden eine Stimme. Nicolas Stemann gilt als einer der Stars des aktuellen deutschen Regietheaters, der in den letzten Jahren in der Auseinandersetzung mit Elfriede Jelineks Texten, aber auch mit klassi­ schen Stoffen, neue theatrale Formen gefunden hat. Er inszeniert den komplexen und berüh­ renden Text von Elfriede Jelinek als sprach­ und bildmächtiges Oratorium, das uns in Form und Inhalt mit der Aporie der nie eingelösten Humanität Europas konfrontiert. Das Festival THEATER DER WELT 2014 eröffnet am 23. Mai im Schauspielhaus mit diesem hoch aktuellen und brisanten Thema. Das gesamte Programm wird am 11. März 2014 veröffentlicht! • www.theaterderwelt.de

Tickets: 07221 300200 swr2kulturservice.de


LEON UND LEONIE Eine Komödie  von der  Einschulung

Probenfoto mit Maike Wehmeier (Leonie), David Benito Garcia (Leon) und Sebastian Brummer (Tigran)

Die Dramaturgin Anne Richter fragte den Autor Thilo Reffert nach Thema und Form seiner Arbeit. Anne Richter: Welche Einschulung hast du als Erschütterung erlebt: deine oder die deiner Kinder? Thilo Reffert: Meine Einschulung ist so lange her, dass es davon nur zwei (!) Schwarz-Weiß-Fotos gibt. Und die wurden erst einige Tage später bei einem Fotografen gemacht. Meine Mutter hatte mich extra gekämmt und Bimbo, ein gewaltiger Schimpanse, saß mit breiten Armen und breitem Grinsen in meiner Schultüte. Unter ihm war die Tüte leer, was mir wie ein Betrug vorkam, aber meine Mutter sagte: »Sieht doch keiner.« Neben mir stand meine Schwester und hielt ihre kleine Schultüte fest. Der Fotograf sagte: »Hier kommt das Vögel­ chen raus.« Damals war vieles anders als heute. Das Neubau-Viertel, in das wir gezogen waren, war nicht fertig. Fertig waren zwar die Häuser, aber es gab kein Grün und keine Spielplätze, nur Baustellen überall; es war herrlich. Niemand wurde zur Schule gefahren. Wir liefen. Und unser Schulweg war die erste echte Freizeit, eine Zeit ohne Aufsicht, wunderbar. Wenn es regnete, entstanden riesige Matschlandschaften und wir bauten Staudämme von gewaltigen Aus­ maßen und ließen sie anschließend wieder brechen. Ich kam oft zu spät nach Hause. Meine Mutter schimpfte dann wegen der Schuhe, aber mein Vater sagte: »Lass doch den Jungen.« Anne Richter: Welche Rolle spielt der Konkurrenzkampf unter Geschwistern? Thilo Reffert: Ich denke, Geschwister sollten vor allem miteinander sein, nicht gegeneinander. Das ist natürlich einfacher gesagt, wenn von allem genug da ist: genug zu essen, reichlich Spielzeug und genügend Elternzeit. Der wahre Zusammenhalt erweist sich, wenn etwas davon knapp wird. Oder wenn die Unterschiede größer werden. Dann knirscht es schon mal. Trotzdem, vielleicht bin ich zu romantisch, aber ich halte die Familie für den letzten Raum, der nicht durchkapitalisiert ist, wo nicht Leistung zählt und Konkurrenz herrscht, sondern (zögert etwas) Liebe. In der Familie wird nichts vermarktet und nichts verkauft, weil das Schenken die Austauschform ist. Die Hornhaut auf den Ellen­ bogen bildet sich noch früh genug. Anne Richter: Du schreibst Prosa, Hörspiele und für die Bühne. Wie befruchtet sich das? Thilo Reffert: Es geht mir immer darum, eine Geschichte zu erzählen, das ist das allerwichtigste. In welchem Medium das dann passiert, ist beinahe zufällig oder beliebig. Es gilt dann nur, auf die Besonderheiten des Mediums einzuge­ hen. Zum Beispiel ist die Situation verschieden, in der ein Kind die Geschichte wahrnimmt: Im Theater sitzt es mit vielen anderen zusammen, ein Hörspiel hört es eher allein, ein Buch wird vielleicht vorgelesen. Oder der Einsatz der Mittel: Im Buch kann ich keine Geräusche einsetzen. Im Hörspiel kann niemand blass

werden. Oder schweigen, das ist ganz schwer im Hörspiel! Andererseits werde ich im Theater nie und nimmer 26 Schauspieler bekommen. An all das muss ich beim Schreiben denken. Aber das funktioniert ganz gut, weil bei der zweiten und dritten Durcharbeitung des Stoffes eine gewisse Sicherheit entsteht im Umgang mit den Figuren und dem Plot. Leon und Leonie zum Beispiel entstand zuerst als Theaterstück, das hatte mit einem Preisausschreiben zu tun. Danach wollte ich ein Hörspiel daraus machen, aber Verwechslungsgeschichten im Radio sind sehr schwierig. So kam ich selbst, als erzählender Autor, ins Spiel und es ergaben sich Dialoge mit mei­ nen Figuren. Der Autor, also ich, hatte eine ganz bestimmte Vorstellung vom Gang der Geschichte: Leon sollte zur Schule gehen, Leonie nicht. Aber dann gehen die Kinder ihre eigenen Wege. Sie lehnen sich gegen ihren Autor auf und lernen, auf eigenen Beinen zu stehen – wie Kinder im richtigen Leben. Am Ende ist der Autor unwichtig geworden. In der Prosafassung, die als drittes ent­ stand, ist es noch einmal anders. Da liegt der Schwerpunkt auf Leonies innerem Erleben. Das blieb im Theater- und im Hörspieltext ja der Inszenierungs- und Schauspielkunst aufgegeben. Allen medialen Umsetzungen ist aber gemeinsam, dass letzten Endes das Pub­ likum die Arbeit macht. Ob im Theater, vor dem Radio oder übers Buch gebeugt, immer ist es die Phantasie der Kinder, die aus Buchstaben (wie diesen hier) ein Erlebnis schafft.

LEON UND LEONIE Ein Stück von der Schultüte von Thilo Reffert ab 6 Jahren Premiere am 7. März 2014 um 18.00 Uhr im Schnawwl Inszenierung  Theo Fransz  |  Bühne und Kostüme  Bettina Weller  Musik  Till Rölle  |  Dramaturgie Anne Richter | Theaterpädagogik  Monika Schill Mit Simone Oswald, Maike Wehmeier; Sebastian Brummer, David Benito Garcia, Uwe Topmann Öffentliche Hauptprobe für Pädagogen: 5. März 2014, 18.00 Uhr, Schnawwl Anmeldung unter Tel. 0621 1680 302 Weitere Vorstellungen: 9., 10. und 13. März 2014


HIGH AND LOW Das Jetztmusik Festival am 29. März am Nationaltheater Mannheim Die Grundintention des Jetztmusik Festivals war es schon immer, elektronische Musik mit anderen Ausdrucksformen wie Tanz, Film, Literatur und bil­ dender Kunst in Verbindung zu bringen. Das Ziel: ein Aufbrechen von verkrusteten Grenzen, eine Öff­ nung für neue, ungewohnte Erfahrungen und damit auch für ein neues Publikum. Für eine Woche im Jahr wird Mannheim zu einem Ort des Experiments, des Aufeinandertreffens. Ein faszinierendes Experiment ist auch die Zusam­ menarbeit von Magic Mountain High und dem Kevin O’Day Ballett am 29. März im Schauspielhaus. Mit Impros auf ständig wechselnden Synthesizern und Klang­Modulatoren treibt das DJ­Trio Magic Moun­ tain High Clubgänger in ganz Europa auf die Tanz­ fläche. Kein Auftritt ist wie der andere – dasselbe Credo pflegt das Kevin O’Day Ballett mit seiner Improvisationsreihe Impromptu. Im Rahmen des Jetztmusik Festivals verschmelzen Elektromusik und Tanz zu einer spannungsgeladenen Liveperfor­ mance. Was Musiker und Tänzer in der ästhetischen Pra­ xis am Abend umsetzen, ist schon tagsüber Thema des Symposiums »High and Low. Thinking, Writing

verbunden? Diskutieren Sie mit. Der Eintritt zum Symposium ist frei. Um Anmeldung unter www.jetztmusikfestival.de wird gebeten. Matthias Rauch

Nationaltheater und Jetztmusik Festival präsentieren:

IMPROMPTU – GET HIGHER am 29. März 2014 um 20.00 Uhr im Schauspielhaus

Kevin O’Day Ballett NTM, Metaboman und Large M beim Jetztmusik Festival 2013

and Managing Culture. Zu einer Bestandsaufnahme aktueller kulturpolitischer Diskurse zwischen Schwanensee und Hip­Hop« in der Lobby Werk­ haus. Zentrale Fragen dabei sind: Hoch­ und Pop­ kultur – wie sinnvoll ist diese Unterscheidung? Auf welchen Prämissen beruht sie? Wie prägt die Unterscheidung zwischen großer Kunst und trivi­ alem Pop das Denken und Reden über Kultur und welche kulturpolitischen Konsequenzen sind damit

HIGH AND LOW. THINKING, WRITING AND MANAGING CULTURE. Zu einer Bestandsaufnahme aktueller kultur­ politischer Diskurse zwischen Schwanensee und Hip­Hop. Symposium und Podiumsdiskussion am 29. März 2014 ab 10.00 Uhr in der Lobby Werkhaus

AUTORENTREFF MIT MARIANNA SALZMANN am 16. März 2014 um 20.00 Uhr in der Lobby Werkhaus »Ich kann eigentlich nicht nicht schreiben, wenn ich an einem neuen Ort bin«, so die Autorin in einem Interview, als sie Ende 2012 in Istanbul ankam. Ihr mehrmonatiger Türkeiaufenthalt und die dortigen Proteste gegen die Regierung haben

ihr Stück Hurenkinder Schusterjungen nachhaltig beeinflusst. Es entstand als Auftragswerk für das Nationaltheater. Marianna Salzmann, geboren 1985 in Wolgograd, wurde für ihre Stücke mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Kleist­Förderpreis 2012.

Die Inszenierung von Hurenkinder Schusterjungen im Studio (Regie: Tarik Goetzke) wurde zum diesjährigen Festival Radikal Jung nach München eingeladen. Im Anschluss an eine Vorstellung sprechen Autorin und Regisseur über das Stück. lg

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DAS SCHAUSPIEL IM IRAN Das Ensemble von Bernarda Albas Haus hinter der Bühne des Teheraner Vahdat­Theaters. Am 21. und 22. Januar 2014 gastierte das Schauspiel des Nationaltheaters beim 32. Fadjr Festival, dem berühmten iranischen Theaterfestival. Die Schauspieler aus Calixto Bieitos Inszenierung wurden vom Publikum bejubelt, Nicole Heesters in der Titelrolle der Bernarda Alba als »beste Schauspielerin« des Festivals ausgezeichnet. Im Sommer wird Bernarda Albas Haus von Federico García Lorca wieder in Mannheim zu sehen sein. Das Gastspiel im Iran erfolgte mit freundlicher Unterstützung durch das Unternehmer­Ehe­ paar Bettina Schies und Klaus Korte, Fa. Korte Bauteile GmbH, Heidelberg und dem Gesund­ heitsunternehmen Roche.

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EIN WAHRNEHMUNGSDRAMA Elmar Goerden, der zuletzt am Theater Basel und am Josefstädter Theater in Wien gearbeitet hat, inszeniert in Mannheim Die Wildente von Henrik Ibsen. Vor Probenbeginn hat er seinen Schauspielern einen Brief geschrieben. Darin beschreibt er seine Lesart des Stücks und die Entstehung der Spielfassung. Der folgende Text ist ein Auszug aus dem Brief.

Nach meiner Erfahrung mit dem Menschenkund­ ler Ibsen (nach Hedda Gabler, Rosmersholm, Nora, John Gabriel Borkman ist Die Wildente meine fünfte Ibsen-Inszenierung), empfiehlt sich eine detektivi­ sche Lektüre. Ibsens Stücke sind eigentlich immer Lawinenabgänge, die ohne eine gewisse Kenntnis der darunter liegenden Gesteinsformationen unver­ ständlich bleiben. Die Unausweichlichkeit seiner Dramen, die scheinbare Wahllosigkeit der Handeln­ den, das Verhängnishafte, ist bei Ibsen nie Ausdruck einer Schicksalsmacht (wie bei den alten Griechen), sondern der Kollaps der Gegenwart unter den müh­ sam versteckten Lasten der Vergangenheit. Ibsen zeigt diese Vorgeschichten nie szenisch, sondern »versteckt« sie in halben Sätzen, Andeutungen, manchmal – im Ausbruch – als gefährlichste Waffe im Stellungskrieg (Angriff, Verteidigung) seiner Figuren. Diese Vorgeschichten sind sozusagen die Batterien für den Lauf der Handlung und oft sind es die unausgesprochenen, die das Leben der Figuren entscheidend bestimmen. Das ist keine Erfindung von Ibsen, sondern eine urmenschliche Mechanik, die den mal verdrängenden, mal offenlegenden Ver­ kehr zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein regelt. Das Verdienst von Ibsen besteht aber darin, dies für die Bühne dynamisch zu entfalten und sei­ nen Gestalten wesenhaft einzuschreiben. Die Handlung ist meist auf nur wenige Tage kom­ primiert, die ihr zugrundeliegenden Geschichten sind dagegen durchweg generationsübergreifend. Ein therapeutischer Familienaufsteller hätte an Ibsens Stücken seine helle Freude. Dazu gehört, dass das Arsenal und die Macht der im Stück vor­ kommenden, aber nicht auftretenden Figuren und Vorkommnisse gewaltig ist. Die Familiengeschichte der Werles ist ohne die verstorbene Mutter und die Umstände ihres Todes ebenso wenig zu denken, wie die Ekdalsche ohne Hjalmars mutterlose Erziehung und den Prozess gegen seinen Vater. Die Ereignisse der Vergangenheit für sich so oder so zu erinnern, erlaubt es den Figuren, so oder so zu handeln. Die Vergangenheit legitimiert das Handeln der jeweili­ gen Figur, sie zieht daraus ihre Berechtigung. Jede Version hält sich für die einzig wahre (»Es war doch alles ganz anders!«). Zusammengenommen erge­ ben sie ein vollkommen widersprüchliches Bild von Wahrheitskollisionen. Das ist das eigentliche Spiel­ feld der Wildente. Ein Wahrnehmungsdrama. Ich glaube, dass darin das Faszinosum Ibsenscher Figuren für Schauspieler liegt. In der Komplexität verschiedener Schichten, in der anstrengenden Gleichzeitigkeit von Vergangenheit und Gegen­ wart. Im Veräußern und Verschweigen. Die Werles und Ekdals sagen nicht alles, was sie denken und bedenken nicht alles, was sie sagen. Bei aller Red­ seligkeit bleiben sie letztlich undurchdringlich. Bei aller familiären Gebundenheit bleiben sie letztlich für sich. Sie erschließen sich nicht der a ­ nalytischen Durchdringung. Man kommt ihnen nicht auf den letzten Grund, findet keinen Schlüssel, der alle Winkel zugänglich machen würde. Das gilt es als Qualität und nicht als Manko zu erkennen. Für die Arbeit des Schauspielers folgt daraus, dass

Anne-Marie Lux, Edgar M. Böhlke, Elmar Goerden (Probenfoto)

sich zum einen nicht alles aus einer schlüssigen, wesent­lichen Logik entwickeln muss und dass zum anderen nicht die psychologische Beglaubigung des Schauspielers der entscheidende Maßstab ist, son­ dern immer das Verhalten, die Äußerung der Figur. Die wirkliche Autorität des Stückes liegt daher so wenig beim Schauspieler wie beim Regisseur, sondern im inneren und äußeren Wesen von Hed­ vig Ekdal, Gina Ekdal geb. Hansen, Gregers Werle, Hakon Werle, Hjalmar Ekdal, dem alten Ekdal. Dem beizukommen ist dabei eine Frage sowohl der Neu­ gier als auch der Demut. Eine zentrale Eigenheit von Ibsens Stücken besteht darin, dass es ausnahmslos Familien­ stücke sind. Für Ibsen existiert das Individuum niemals als reines Ich oder Du, sondern immer nur in seiner »gebundenen« Form als Ehemann, Ehe­ frau, Geschwister, Kind. Der Organismus »Fami­ lie« bietet ihm den unverzichtbaren Humus für ein bürgerliches Schlachtfeld. Es ist sozusagen die kleinste, älteste und damit uns vertrauteste gesellschaftliche Einheit. Ibsens Gutshöfe, Stadt­ wohnungen, Zimmer, Dachkammern sind Gehäuse familiärer Unentrinnbarkeit. Dort bündeln sich die unterschiedlichsten Lebenslinien zu einem kom­ plizierten, generationenübergreifenden Gespinst der Bezüge und Abhängigkeiten existentieller, emotionaler aber auch materieller Natur. Ein ide­ ales Aufmarschgebiet für alte und neue Gespens­ ter in jeglicher Form. Jeder hat Eltern, fast jeder Geschwister, viele sind oder waren verheiratet, getrennt, haben Kinder bekommen, nie bekommen oder verloren. Für Spieler und Zuschauer gilt, sich daran zu erinnern, dass auch sie jemandes Kind, jemandes Mutter, Vater, Geschwister, jemandes große Liebe, schlimmster Alptraum, enttäuschte Hoffnung, nie heilende Wunde sind. Die Zeitgenossenschaft, das Gegenwärtige von Ibsen und seinen Stücken ist kein Selbstläufer, der sich quasi von selbst einstellt. Dazu war er ein zu entschiedenes, oppositionelles (manchmal auch konformes) Kind seiner Zeit. Für mich ergibt sich daraus die Notwendigkeit einer deutlichen Fassung. Mit dem Anspruch einer größtmöglichen Vergegen­

wärtigung. Warum? Im Theater seiner Zeit war für Ibsen die Tabuisierung bestimmter Vorgänge und Handlungen unverzichtbar. Damit nahm er es auf. Wie auch mit der herrschenden Moral. Wir dürfen nicht so tun, als hätte sich seitdem nichts Wesent­ liches geändert. Die Figuren der Stücke spielen noch auf denselben Saiten, aber vor einem gründ­ lich veränderten Resonanzraum. (…) Eine Figur wie der verkrachte Doktor Relling war in der Wildente der Uraufführung noch eine Ungeheuerlichkeit, da er so radikal die Tugend- und Wahrheitsmoral des 19. Jahrhunderts vom Sockel stieß. Heutzutage ist das Rellingsche Gedankengut keine Neuigkeit mehr, sondern vertraute Lebenspraxis, die niemand mehr ernsthaft in Abrede stellen würde. Folglich sollte man versuchen, seine dramatischen Anord­ nungen zu transponieren. D. h. gewissermaßen ein zeitgenössisches Haus über einem historischen Grundriss zu errichten. Was dazu gehört, wird die Fassung deutlich machen. Das alles kann uns auf der Probe herzlich egal sein, denn Gregers oder Gina oder der alte Ekdal wissen von keinem Herrn Ibsen, sie haben ganz andere Nöte … Elmar Goerden

DIE WILDENTE von Henrik Ibsen Premiere am 22. März 2014 um 19.30 Uhr im Schauspielhaus anschließend Premierenfeier in der Lobby Werkhaus Inszenierung Elmar Goerden | Bühne Silvia Merlo/Ulf Stengl  |  Kostüme  Lydia Kirchleit­ ner | Musik Helena Daehler | Licht Robby Schumann | Dramaturgie  Ingoh Brux Mit  Helena Daehler, Anne-Marie Lux, Anke Schubert; Edgar M. Böhlke, Ralf Dittrich, Reinhard Mahlberg, Klaus Rodewald Weitere Vorstellung: 23. März 2014


DIE FREUNDE UND FÖRDERER BERICHTEN BEI UNSERER NÄCHSTEN BEGEGNUNG am 19. März im Anna-Reiss-Saal der rem hören unsere Mitglieder »Drei Bässe«. Die Begegnung mit John In Eichen, Magnus Piontek und Bartosz Urbanowicz werden sie mit Spannung verfolgen. Der Abend wird moderiert von Mar­ ketingdramaturgin Dr. Dorothea Krimm. (Eintritt für Mitglieder frei, für Nichtmitglieder 10 Euro).

ZU GAST IM NATIONALTHEATER war auf Einladung unseres Vereins die Gesellschaft der Freunde des Badischen Staats­ theaters Karlsruhe. 41 Mitglieder unter Führung ihres Vorsitzenden Dr. Bernd Krüger besuchten die hochgelobte Aufführung der Weinberg-Oper Der Idiot, in die zuvor Dramaturgie-Assistentin Elena Garcia-Fernandez eingeführt hatte. Diese Oper wurde gewählt, weil Karlsruhe fast gleichzeitig die Weinberg-Oper Die Passagierin herausbrachte. Die Karlsruher zeigten sich von der Aufführung stark beeindruckt und luden unseren Verein zu einem Gegenbesuch ein. Beide Vereine sind Mitglied des Dachverbands MUTHEA, der Bundesvereinigung deutscher Musik- und Theater-Fördergesellschaf­ ten e. V.

DIE STIFTUNG NATIONALTHEATER MANNHEIM unterstützt vielfach das bedeutende internationale Theaterfestival »Theater der Welt«, das vom 23. Mai

bis 8. Juni in Kooperation mit dem Nationaltheater stattfindet. Die Stiftung beteiligt sich daran mit einem stattlichen Förderbe­ trag aus den Zinserträgen der Stiftung. Darüber hinaus hat sie ihre Stifter eingeladen, gemein­ sam eine bildgewaltige Schau­ spiel-Revue mit 106 Beteiligten zu besuchen, die einer der Höhe­ punkte dieser »Dokumenta des Theaters« sein wird.

DER ARNOLD-PETERSEN-PREIS geht an den Schauspieler Sascha Tuxhorn, der zuletzt als Dan­ ton in Dantons Tod von Georg Büchner auf sich aufmerksam gemacht hat. Der von dem Heidelberger Unternehmer Roland Ernst gestiftete Preis für eine herausragende künstleri­ sche Nachwuchsleistung, der zu Ehren des lang­ jährigen Mannheimer Generalintendanten Arnold Petersen (†) eingerichtet wurde, ist mit 5.000 Euro dotiert. Über die Preisverleihung entscheidet eine unabhängige Jury, der außer Roland Ernst noch Bri­ gitte Bauer, Dr. Karl-Ludwig Glück, Ulla Hofmann, Alfred Huber und Horst-Dieter Schiele angehören. (freunde.nationaltheater.de/arnold-petersen-preis)

NACHLESE. Drei Herren, eine Dame (Christi­ ane Albert, Robert Lovasich, Christoph Rox und Matthias Wollenweber) waren zu Besuch bei der Begegnung mit der Flötengruppe des Nationalthe­ aters. Interessante Lebensläufe wurden unter der

Gesprächsleitung von Sabine Schweitzer (jetzt Operndirektorin in Bielefeld) ausgebreitet. Bemer­ kenswert ist das freiwillige Engagement einzelner Musiker in der Selbstverwaltung des Orchesters und der Musikalischen Akademie sowie außer­ halb des NT-Orchesters auf dem Gebiet der Neuen Musik. (Mehr auf unserer Website freunde.national­ theater/floetengruppe)

UNSERE NÄCHSTE THEATERFÜHRUNG bietet am 15. März um 15.00 Uhr einen Blick hinter die Kulis­ sen mit Renate Helling. Treffpunkt ist die Lobby im Werkhaus, Mozartstraße. Eintritt frei, auch Nichtmitglieder sind herzlich willkommen. Anmel­ dung nur an Doris Brachmann, Tel. 06 21 16 80 5 32, doris.brachmann@mannheim.de

Freunde und Förderer des Nationaltheaters Mannheim e. V. c/o Sparkasse Rhein Neckar Nord Dezernat III Postfach, 68151 Mannheim freunde@nationaltheater.de www.freunde.nationaltheater.de Tel. 0621 734721 Geschäftsführer Richard Dietmann

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SCIENCE-FICK-DICH zur Premiere von Brilliant Adventures von Alistair McDowall am 15. März 2014 im Studio Wie Alistair McDowall die Grenzen zwischen Realismus und Fantastik überwindet, ist voller Überraschungen. Mit spie­ lerischer Ernsthaftigkeit verbindet er dabei psychologische Motive mit Perspektivwechseln und den Fantasiewelten aus Play Station, Dr. Who und Star Wars. Dass er dabei nie die exis­ tenziellen Konflikte der Figuren verrät, ist das Besondere. Bril­ liant Adventures ist ein Stück über zwei Brüder, über verlorene Jugend und soziale Verrohung. Berührend ist, wie hilflos und zartfühlend die beiden Brüder mit ihrem Vater, dem Drogen­ wrack an der Leine umgehen. In jedem von ihnen steckt mehr Mitgefühl, Respekt und Freundschaft als in Ben, der Menschen ausschlachtet wie ein Schrotthändler kaputte Autos. Ben ist ein vom Neo­liberalismus erschaffenes Monster.

Martin Aselmann und Stephan Weber als Luke 1 und Luke 2 auf den Proben zu Brilliant Adventures.

Die schönen Tage von Middlesbrough sind längst vorbei. Im 19. Jahrhundert galt die Stadt im Nordosten Englands als Eldorado der Eisen- und Stahlindustrie. Danach ging es mit ihr bergab. Dem wirtschaftlichen Nieder­ gang folgte der soziale. 2007 kam »Ironopo­ lis« als »worst place to live in the UK« in die Schlagzeilen. Heute bricht Middlesbrough nur noch Negativrekorde: miese Löhne, schlechte Bildung, hohe Kriminalität, Alkohol- und Dro­ genmissbrauch. Jeder fünfte lebt mittlerweile von der Sozialhilfe. Und sogar der Smog ist hier gesundheitsschädlicher. Wer es schafft, zieht weg. Wer bleibt, hat Pech gehabt. Hier spielt Brilliant Adventures, das 2013 in Man­ chester uraufgeführte Stück von Alistair McDowall (geb. 1987). In einer heruntergekommenen Sozialbau­ siedlung hat der 19-jährige Luke, ein ver­ sponnenes Physikgenie, eine neue Wohnung bezogen. Zwischen Bücherbergen, CDs, Play Station und Goldfischglas lebt er in seiner eigenen Welt und bastelt an der Erfindung, einer Zeitmaschine. Sein älterer Bruder

Rob, der ein halbnacktes Drogenwrack an der Hundeleine führt, holt ihn zurück in die Realität. Wenn man in Cracktown auf dem Marktplatz wohnt, wie Rob sagt, sollte man auch den Standortvorteil zum Dealen nutzen. Aber Luke will von Drogen und Robs JunkieFreunden nichts wissen. Und auch nichts von dem smarten Ben. Einem Geschäftsmann aus London, der ganz Cracktown kontrolliert, für den Rob und sein Kumpel Greg arbeiten, der Menschen wie Gegenstände aufkauft und der es auf Lukes Erfindung abgesehen hat. Sein Angebot – die Zeitmaschine gegen ein neues Leben für beide Brüder in einer besseren Wohngegend – wird abgelehnt. Luke ist nicht käuflich, die Zeitmaschine unbezahlbar. Weil sein Geld nicht überzeugte, benutzt Ben Gewalt. Im finalen Showdown, nach einem blutigen Handgemenge, landet Ben in der Zeitmaschine und wird in die Zukunft geschickt. Anschließend stülpt sich Rob das Goldfischglas über den Kopf, nimmt seinen Vater auf den Arm und beamt sich mit der Zeitmaschine ins Jahr 1990, zurück in seine Kindheit.

Die Zukunft gehört dieser seelenlosen Maschine. Und natürlich hat Ben recht: Wenn es in Cracktown keinen Menschen auch nur im Geringsten interessiert, dass Rob seinen Vater an der Hundeleine spazieren führt, dann ist dieser Gegend nicht mehr zu helfen. Jedenfalls nicht mit Spielplätzen und Bürgerhäusern. »Science-Fiction nährt sich wie alle Fantastik von Metaphern, die sie zu buchstäblichen Wahrheiten erklärt: Der Ausbeuter wird zum Blutsauger, die Ästhetin zur Elfe und die Aufwand­ sersparnis zur Zeitmaschine. Wenn Fantastik gut ist, vergisst sie, wofür die Metaphern stehen, und dreht und wendet sie, bis ihnen eine Art anti-empirischer Plausibilität zuwächst«, so Dietmar Dath. Anders ausgedrückt: Wo Reformen nichts nüt­ zen, hilft nur die Zeitmaschine. Der Schurke wird ins Jahr 6228 geschickt. Für die anderen der Resetknopf gedrückt, zurück in die Kindheit. Vielleicht klappt es beim nächsten Mal, in einem anderen Leben, mit einer schöneren Zukunft. ib

DIE EIERLEGENDE WOLLMILCHSAU:

Wir haben sie

BRILLIANT ADVENTURES von Alistair McDowall Premiere am 15. März 2014 um 20.00 Uhr im Studio anschließend Premierenfeier im Casino Inszenierung Robert Teufel |  Bühne und Kostüme Friederike Meisel | Video Regina Hess |  Licht Damian Chmielarz | Dramaturgie  Katharina Blumenkamp Mit  Martin Aselmann, Michael Fuchs, Markus Gläser*, David Müller, Matthias Thömmes, Stephan Weber* *Studierender in der HTA-Praxiszeit Voraufführung 14. März 2014 Weitere Vorstellungen 18. und 29. März 2014

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MENSCHEN IM NTM DIESMAL MIT AUSSTATTUNGSASSISTENTIN MARCELA SNASELOVA

Mein Arbeitstag beginnt morgens mit Proben und danach gibt es meistens Dinge in den Werkstät­ ten zu klären, oder Recherchen und Organisato­ risches, bis abends die nächste Probe ist. Auf den Proben fotografiere ich viel zu Dokumentations­ zwecken. Wenn ein Stück kurz vor der Premiere steht und die letzten Proben auf der Originalbühne sind, ist es besonders wichtig, dass ich da bin und schaue, dass alles an seinem Platz ist, even­ tuell den Umbau koordiniere und für einen rei­ bungslosen Ablauf der Endproben sorge. Ich betreue eine Produktion eigentlich vom Modell des Bühnenbilds bis zum Abend der Premiere. Welche Aufgaben machen dir besonders viel Spaß? In jedem Stück gibt es immer wieder neue He­ rausforderungen, am Anfang einer Produk­ tion denke ich oft »das lässt sich ja so eigent­ lich gar nicht umsetzen«, und am Ende klappt es doch. Dieser kreative Prozess und das Tüf­ teln an Einzelheiten machen mir sehr viel Spaß. Marcela Snaselova

Du bist Ausstattungsassistentin im Schauspiel. Was genau machst du in deinem Beruf? Einiges (lacht). Eine meiner Hauptaufgaben ist die Kommunikation zwischen den Kostüm- und Büh­ nenbildnern und Regisseuren, die als Gäste von außerhalb für die einzelnen Produktionen kommen und den Werkstätten des Nationaltheaters. Wäh­ rend der Probenphase für ein neues Stück küm­ mere ich mich um die Beschaffung der nötigen Bühneneinrichtung (d. h. Ausstattungsgegenstände wie Requisiten, Möbel, Bühnenelemente, Kos­ tüme). Dazu gehe ich in die Werkstätten oder in die Lager und den Fundus im Spielhaus, Neckarau oder Käfertal. Wenn ein Regisseur oder Ausstatter einen bestimmten Wunsch hat oder wir die Requisiten nicht so haben, wie sie gebraucht werden, muss ich recherchieren, ob wir sie irgendwo anders herbe­ kommen oder selbst etwas entwerfen und herstel­ len lassen. Wir suchen immer nach einer Lösung.

Wie bist du zu deinem Beruf gekommen? Gab es einen besonderen Moment, in dem du wusstest: »Das ist es, was ich später machen möchte!«? Ich habe mich bereits sehr früh für die Theaterwelt interessiert und habe immer schon viele Stücke gelesen, für die ich dann auch gleich B ­ ühnenbilder und Kostüme im Kopf hatte. Während meines Modedesign-Studiums wurde mir ziemlich bald klar, dass es mich eher in Richtung Theaterkos­ tüm zieht als zur Alltagsmode. Am Theater kann man viel kreativer sein und hat mehr Freihei­ ten, weil es ja nicht darum geht, auf der Straße gut auszusehen, sondern eben darum, die rich­ tige Bühnenpräsenz der Rolle zu erzeugen. Und bald wusste ich, dass ich nicht nur die Kostüme, sondern auch das Bühnenbild gestalten wollte. Für die Produktion WUNDERLAND, die Ende März wieder aufgenommen wird, hast du die Kostüme gemacht. Wie entstehen solche Kostüme? Woher hast du die Ideen?

Vorgabe für WUNDERLAND war, dass wir Menschen von heute haben, die aber nicht wirklich kostümiert sind, sondern die durch schlichte Kleidung schnell und einfach die verschiedensten Menschen der heutigen Zeit darstellen können. Die Schauspieler müssen mit einem Kostüm in fast 20 Rollen passen. Das war die Bedingung, die ich versucht habe zu erfüllen, und trotzdem einen gewissen Charme auf die Bühne zu bringen. Das war eine echte Heraus­ forderung, weil man über diese unauffälligen Kos­ tüme gleichzeitig auch so viel rüberbringen muss, und wir haben bis zum Ende noch daran gefeilt. Die Kostüme für WUNDERLAND sind in nur zwei Farben und sehr neutral gehalten, so dass dem Zuschauer viel Interpretationsspielraum bleibt. Trotzdem hat jeder Schauspieler kleine Eigenhei­ ten in seinen Kostümen. Michaela Klamminger ist zum Beispiel eher körperbetont angezogen und Katharina Hauter etwas lockerer und offener, dass sie dann auch mal die »alte Omi« spielen kann. Uns war außerdem wichtig, dass sich die Schau­ spieler in ihren Kostümen wohlfühlen. Ich habe mich zu allererst gefragt: Was würden die Schau­ spieler eigentlich privat anziehen? Was ist das Besondere an WUNDERLAND und warum sollte man sich die Inszenierung unbedingt ansehen? Es ist ein modernes und sehr lebhaftes Stück vol­ ler Witz, Musik, erzählten Bildern und auch gesell­ schaftskritischen und phantasievollen Momenten. Obwohl es eine sehr temporeiche Inszenierung ist, kann man alles nachvollziehen und kennt die meis­ ten dieser Szenen tatsächlich aus dem eigenen Leben. Es ist wie ein Ausschnitt aus jedermanns modernem Alltag, mit einem Spritzer Witz und Humor und man kann oft über sich selbst lachen. Insgesamt finde ich es schön geschrieben und super inszeniert. Sogar für mich, die ich die kom­ plette Produktion miterlebt habe, gibt es jedes Mal wieder etwas Neues zu entdecken, was ich vorher noch nicht bemerkt habe. Es ist ein Stück, das wirk­ lich großen Spaß macht! Das Interview führte Frida Bräumer.

DAS LETZTE WORT DIE KOLUMNE DER HAUSAUTORIN

Theresia Walser ist in der Spielzeit 2013/2014 Haus­ autorin am NTM. Ermöglicht wird der Aufenthalt der Hausautorin durch die freundliche Unterstützung der

Immer wieder gibt es Sätze, die – aus weiß nicht welchen Gründen – an mir hängen bleiben. Für solche Sätze suche ich dann in einem Stück eine Unterkunft. Manchmal generieren sich aus sol­ chen aufgeschnappten Sätzen ganze Figuren, die einen dann in Welten entführen, die man überhaupt nicht vorausplanen kann. Nicht lange her, saß ich in einem Altdamencafé, ein paar Tische weiter saß ein älteres Ehepaar. Sie redeten über ihren Garten. Die Frau wollte, dass der Mann endlich einen Zweig vom Kirschbaum absägt, damit wieder Licht ins Wohn­ zimmer kommt. Darauf erwiderte der Mann, dass er

das leider nicht könne, weil es regnet. So ging das eine Weile hin und her. Alles, was die Frau von ihrem Mann wollte, konnte nicht getan werden, weil es regnet. Irgendwann sagte sie nach einer kürzeren Pause: Der Peter hat mir jeden Wunsch erfüllt und was sich sonst noch so gehört. Ohne seinen zwei­ ten Teil, wäre dieser Satz wahrscheinlich nicht an mir hängen geblieben. Aber dieses »und was sich sonst noch so gehört« machte ihren Satz auf eine Weise ungeheuerlich, bei der man ahnt, dass darin ein ganzes Leben steckt. Es gibt Sätze, denen sieht man ein ganzes Leben an, wie einem Gesicht.


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