Kunst und Auktionen

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AUSSTELLUNGEN berichte / kritiken / termine

sehenswert Der amerikanische Fotograf Clifford Coffin schickte Models in die Wüste: Zwischen goldenen Dünen präsentierten sie Bademode (Abb., American Vogue, Juni 1949). Im Fokus standen jedoch nicht die Produkte, sondern Bildkomposition und Inszenierung. Ähnlich wie Coffin balancierten auch Erwin Blumenfeld, Guy Bourdin und Helmut Newton zwischen Kommerz und Kunst. Gemeinsam sorgten sie dafür, dass die Grenzen zwischen reinen Auftragsarbeiten und innovativen Fotoexperimenten verschwammen. Wie aktuell ihr damaliger Ansatz war, zeigt noch bis 19. Oktober die Ausstellung „Zeitlos schön: 100 Jahre Modefotografie von Man Ray bis Mario Testino“ im Züricher Museum Bellerive – anhand von 150 Vintage-Prints aus den Archiven des Verlags Condé Nast.

Immer dieser Perlenohrring In Den Haag wurde das Mauritshuis nach der Renovierung und Erweiterung eröffnet

Unter dem Vorplatz ist ein neues Foyer entstanden, auch das alte Haus erhielt eine Schönheitsoperation worden war – und das ist selbst für Holland keine Selbstverständlichkeit, wie in Amsterdam die jahrefressenden Erweiterungen des Rijksmuseums und des Stedelijk gezeigt haben. So konnte es König Willem-Alexander auch termingerecht am 27. Juni eröffnen – begrüßt von einem lebendigen „Mädchen mit dem Perlenohrring“, die dem König den Schlüssel des Hauses überreichte. Das Mauritshuis neben dem Binnenhof hatte Johan Maurits 1633 / 44 als Stadtpalais für sich bauen lassen. Die acht Jahre als Generalgouverneur in Brasilien – wo er mit zwei Prozent an dem lukrativen Handel der Vereinigten Westindischen Compagnie beteiligt war – hatten seinem Vermögen so gutgetan, dass er dabei nicht zu geizen brauchte. Allerdings war es, nachdem Johan Maurits zum Statthalter des brandenburgischen Kurfürsten in Kleve und Mark ernannt worden war, oft verwaist und diente deshalb zuerst unterschiedlichen repräsentativen Zwecken, dann als Botschafter-Residenz. Nach einem Brand am Weihnachtsabend 1704 blieben zwar nur die Außenmauern stehen,

Das lebendige „Mädchen mit dem Perlenohrring“ bei der Eröffnungszeremonie des renovierten Mauritshuis

doch hinter der frühklassizistischen Fassade wurde das Haus nach den ursprünglichen Plänen wieder errichtet, wenngleich mit einer abgewandelten Innendekoration. Anfang des 19. Jahrhunderts, inzwischen in Staatsbesitz, zog schließlich kurzzeitig die neue Nationalbibliothek ein, ehe es 1822 als Königliche Gemäldegalerie dem Publikum offenstand. Mit jeweils vier Räumen, zwei Kabinetten und einem größeren Saal auf beiden Etagen blieb es allerdings ein kleines Museum. Jedoch mit einer ungewöhnlichen, sehr konzentrierten Sammlung. Trotzdem wurde der Platz knapp, musste zu viel im Depot verharren. Das hat sich nun geändert. Dank einer Erweiterung können von den gut 800 Gemälden und Plastiken, die das Mauritshuis besitzt, jetzt ständig etwa 250 gezeigt werden – weitere 150 hängen seit 2010 in der Galerij Prins William V., einem langgestreckten Saal im gegenüberliegenden Buitenhof, der bereits 1774 als repräsentative, gelegentlich auch dem allgemeinen Publikum zugängliche Galerie diente. Wechselausstellungen finden künftig in dem Hauptsaal und der Rotunde des denkmalgeschützten Art-déco-Gebäudes auf der gegenüberliegenden Straßenseite statt – nach dem

Sponsor, der ein Zehntel der Bausumme zuschoss, „Royal Dutch Shell-Flügel“ benannt. Dort verfügt das Mauritshuis nun über einen großen Vortragssaal, Werkräume und ein Museumscafé. Da die Straße, die beide Häuser trennt, jedoch nicht verbaut werden durfte, musste eine besondere Lösung gefunden werden. Deshalb entschied sich der Architekt Hans van Heeswijk – nach dem Vorbild des Louvre mit dem großen Foyer unter der Glaspyramide – für eine Eingangshalle unter dem Vorplatz und der Straße, die beide Häuser übersichtlich verbindet und zugleich den seit den späten Achtzigerjahren ins Untergeschoss verlegten engen Zugang durch das Domestikenportal ablöst. Das alte Haus, zuletzt in den Achtzigerjahren renoviert, wurde ebenfalls einer Schönheitsoperation unterzogen, sozusagen einer rückwärtsgewandten. Denn mit venezianischen Leuchtern, blau und grün gemusterten Seiden als Wandbespannung, mit der Rekonstruktion der Kamine und einigen über dem Kamin und als Supraporten in die Täfelung eingelassenen Gemälden bemühte man sich um eine Annäherung an die Gestaltung im 17. Jahrhundert. Nur bei dem Goldenen Saal wählte man, indem die Wand- und Deckengemälde

Abb.: American Vogue, © 1949 Condé Nast; Mauritshuis, Den Haag, Fotonummer 140627MauritshuisPP325, Fotograf: Patrick Post

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as Bild misst gerade einmal 45 mal 40 Zentimeter. Doch dem „meisje met de parel“ ist in Den Haag nicht mehr zu entkommen. Ob auf Stiften, Tüchern oder einem Trolley, ob auf Büchern, Broschüren oder meterhohen Fahnen, allenthalben ist man ihrem fragenden Blick ausgesetzt. Seit Tracy Chevalier 2001 die Liebesgeschichte um Vermeer und seine (fiktive) Magd ausgesponnen hat und zwei Jahre später Scarlett Johansson jene Grit im Film verkörperte, ist das Gemälde für das Museum zu einem wertvollen Markenzeichen geworden. Davon profitierte in den letzten beiden Jahren die Wanderausstellung, die Vermeers Werke nach Amerika, Japan und Italien führte – und die mit rund 2,2 Millionen Besuchern dem Mauritshuis in Den Haag einiges eintrug. Denn die Erweiterung des „Koninklijk Kabinet van Schilderijen“, wie die berühmte Sammlung niederländischer Gemälde des Goldenen Zeitalters offiziell heißt, erforderte rund 30 Millionen Euro. Immerhin wurde der Etat genauso eingehalten wie die projektierte Bauzeit, nachdem das Haus im April 2012 geschlossen


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25. juli 2014 / nr. 12 / kunst und auktionen

des Venezianers Antonio Pellegrini wieder ihren ursprünglichen Platz erhielten, die Ausstattung nach dem Brand von 1704 als Vorbild. Während im Treppenaufgang des zweiten Geschosses die Gemälde wie in früheren Jahrhunderten Rahmen an Rahmen hängen, ist auf eine solche Staffelung in den Museumsräumen verzichtet worden. Dort kann man dem „Lachenden Jungen“ von Frans Hals und Paulus Potters berühmtem „Stier“ begegnen, dem frühen wie dem späten

Noch lässt sich nicht sagen, ob die intime Atmosphäre des Hauses zu erhalten sein wird Rembrandt, Porträts von Anthonis van Dyck, dem älteren und dem jüngeren Jan Breughel oder Hans Holbein. Und natürlich dem „Mädchen mit dem Perlenohrring“ sowie – neuerdings durch den Roman von Donna Tartt ebenfalls zu besonderer Aufmerksamkeit gelangt – dem „Distelfink“ von Carel Fabritius. Dazu gesellen sich frühe Niederländer wie Hans Memling, Jan Gossaert, Gerard David oder Rogier van der Weyden und einige Italiener der Zeit. An großen Namen und bedeutenden Werken mangelt es dem Haus nicht. Aber man kann natürlich auch mit ein wenig Unernst bestimmten Motiven nachspüren. Beispielsweise den Austern, nach denen die junge Frau greift, die – skeptisch herausfordernd – aus dem Bild von Jan Steen schaut, oder denen sich Mann und Frau, in Blicken längst einig, bei Frans van Mieris zuwenden. Denn die Meeresfrüchte galten als Aphrodisiakum, ließen deshalb die Gemälde zwischen Moralpredigt und Anzüglichkeit changieren. Oder man sucht detektivgleich versteckte Selbstporträts der Maler, die sich beispielsweise auf dem Prunkstillleben von Abraham van Beyeren und dem Küchenstillleben von Joachim Beuckelaer entdecken lassen. Und nicht zuletzt darf man zu klären versuchen, ob jenes berühmte „petit pan de mur jaune“, jenes „kleine gelbe Mauerstück“, über das Marcel Proust den Poeten Bergotte in seinen letzten Minuten grübeln lässt, tatsächlich auf Vermeers „Ansicht von Delft“ zu finden ist. Das Mauritshuis – das klassizistische Gebäude wie seine Sammlung – ist nach wie vor eines der schönsten Museen, nicht nur, wenn es um nieder-

Das Mauritshuis in Den Haag

ländische Malerei geht. Deshalb mag man begrüßen, dass es sich künftig nicht mehr wie bislang, wenn das erste Geschoss einer Wechselausstellung vorbehalten blieb, auf eine bescheidene Auswahl beschränken muss. Trotzdem schwingt bei dieser Veränderung eine gewisse Skepsis mit. Denn die erzwungene Konzentration war zugleich eine Tugend, weil – anders als bei den großen Museen wie dem Rijksmuseum, die den Besucher mit ihrer Fülle frustieren können – im Mauritshuis eine Intimität herrschte, die dem Kunstgenuss höchst zuträglich war. Bei den Sonderausstellungen, die sich meist mit dreißig, vierzig Gemälden zufriedengaben, fühlte man sich nicht durch das Übermaß des Unterschiedlichen eingeschüchtert, konnte man sich entspannt auf jedes Bild einlassen. Diese Zurückhaltung prägte auch die Auswahl auf Reisen: In Amerika waren lediglich 45, in Japan sogar nur 35 Gemälde zu sehen. Ob eine entsprechende Atmosphäre in dem neuen Saal zu bewahren sein wird, auch wenn man dem großen Raum mit Stellwänden mehr In-

timität zu verleihen versucht, lässt sich noch nicht sagen. Die gegenwärtige Übersicht, die mit Gemälden und Urkunden die Geschichte des Hauses aufblättert, gehorcht als Dokumentation anderen Präsentationsregeln. Erst wenn im Februar 2015 die „Höhepunkte der Frick-Collection“ aus New York mit 65 Altmeistergemälden zu Gast sein werden, wird sich zeigen, ob der hinzugewonnene Raum auch ein Zugewinn ist. Damit verbindet sich zugleich die Frage, ob die Besucher, die der Sonderausstellung wegen gekommen sind, künftig den Weg ins alte Haus finden. Denn die Malaise vieler Museen ist, dass die wechselnden Ausstellungen beachtet werden, der eigentliche Museumsbesitz aber im Schatten bleibt. Dem Mauritshuis ist zu wünschen, die Ausnahme von dieser Regel zu sein. peter dittmar

p den haag Mauritshuis – Koninklijk Kabinet van Schilderijen www.mauritshuis.nl

Von Propsten und Bischöfen Abb.: Mauritshuis, Den Haag, Foto: Ivo Hoekstra

Das Wiener Dorotheum befasst sich mit der Geschichte seines Gebäudes

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er das Wiener Dorotheum betritt, dem wird wohl bald eines klar: Dieses Gebäude mit seiner dreischiffigen Anlage diente ursprünglich einem anderen Zweck. Tatsächlich wurde der Ort – bevor der Habsburger Kaiser Joseph II im Jahr 1788 hier das damalige „Versatz- und Fragamt“ einrichten ließ – sakral genutzt: Vor 600 Jahren wurde hier der Grundstein zu einem Augustiner-Chorherrenstift, St. Dorothea, gelegt, genau an jener Stelle, wo noch früher eine Kapelle stand, die auch der Heiligen Dorothea geweiht war – dieser jahrhundertelangen Geschichte verdankt das heutige Auktionshaus seinen Namen. Nun, anlässlich des sechshundertjährigen Jubiläums, widmet sich das Haus in einer kleinen, bloß einen Raum umfassenden Ausstellung der Ge-

schichte des Klosters (Kuratoren: Karl Holubar, Wolfgang Christian Huber). Von diversen Urkunden, Auf- und Grundrissen des Gebäudes über Kunstwerke, die einst für diesen Ort bestimmt waren (etwa Porträts von Propsten und Bischöfen), bis hin zu Grundbüchern und Bibelausgaben spannt sich der Bogen des Mini-Rundgangs, der bei der Auflösung des Stifts endet: Als dieses 1782 aufgehoben wurde, verbrachte man einige der damals hier lagernden Archivalien und Kunstobjekte ins Stift Klosterneuburg; der Großteil davon wurde jedoch vier Jahre später bei einem Brand zerstört. Die meisten Exponate finden sich heute in anderen Institutionen, beispielsweise der Österreichischen Nationalbibliothek. Die hier versammelten Kunstwerke, etwa ein Epitaph des Meisters der Sigismundlegende, mehrere Elfenbeinarbeiten oder

auch die düsteren Heiligenporträts, offenkundig aus einer Serie stammend, zählen nicht unbedingt zu kunsthistorischen Highlights. Doch auch mit solchem Material ließe sich eine halbwegs spannende Schau zusammenstellen, würde man sich etwa auf bestimmte Fragen fokussieren. Allerdings geschieht dies hier nicht – das Material wird nüchtern chronologisch präsentiert, Dokument folgt auf Dokument, Porträt auf Porträt. So ist die Ausstellung eine recht trockene, um nicht zu sagen: fade Angelegenheit. nina schedlmayer

p wien „600 Jahre Augustiner Chorherren in

der Dorotheergasse. Vom Stift zum Dorotheum“, Palais Dorotheum, bis zum 28. August, www.dorotheum.com


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