Projekt "Decades" - 1960er - Typografie, Grafikdesign, Werbung

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WERBUNG, TYPOGRAFIE UND GRAFIKDESIGN DER 60ER JAHRE



INHALTSVERZEICHNIS Grafikdesign______________________________ 3 Lufthansa ___________________________ 7 Olympischen Spiele 68 _________________ 13 Typische Typographie der Sechziger Jahre ________ Verwendete Schriften___________________ Entworfene Schriften ___________________ Technische Revolution der 60er ___________

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Werben in den Sechzigern ____________________ Der zündende Funken __________________ Mit viel mehr Witz und Pfiff ______________ Die zwei Seiten der Werbung _____________ Die Klassiker dieser Zeit _________________

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Grafikdesigner ____________________________ Karl Gerstner _________________________ Massimo Vignelli ______________________ Willy Fleckhaus _______________________ Paul Rand ___________________________ Saul Bass ____________________________

53 53 67 77 89 99

Impressum _______________________________ 125


GRAFIKDESIGN


In den 60ern waren besonders flächige Grafiken sehr modern. Bei Designer wie Saul Bass waren die bunten Flächen sehr beliebt und wurden gekonnt als Stilmittel eingestzt.

FLÄCHEN

Brian Pike 1964

Barbara & Hannes Geissler 1963

Neben den Flächen fand man auch sehr viele Linien auf Plakaten, aber auch im Magazin- und Buchdesign wieder. Man könnte sie als Abwandlungen der Flächen sehen, als filigranere Stilelement.

LINIEN

Saul Bass 1960

Herbert W. Kapitzki 1963

Illustrationen und gezeichnete oder gemalte Plakate sind noch „Überbleibsel“ aus den 50er-Jahren. Doch in den 60er-Jahren werden diese vor allem flächiger und abstrakter. Besonders in der Werbung waren sie noch sehr beliebt. Und obwohl sie in dieser Branche meist traditionell blieben, so wurden bei Plakaten gerne auch sehr moderne, skizzenhafte Illustrationen verwendet.

ILLUSTRATIONEN

Saul Bass 1961

unbekannt 1963

Besoders zu Ende der 60er, insbesondere mit der „Hippie“-Friedensbewegung, kamen psychedelische Muster und Grafiken in die Mode. Dies waren nur die Anfänge, in den 70ern war dieser Stil viel stärker noch vertreten. Die psychedelische Kust wird mit Woodstock, freier Liebe und Drogen in Verbindung gesetzt.

PSYCHEDELISCH

Heinz Edelmann Yellow Submarine 1967/68

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Ernst Fuchs 1968

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LUFTHANSA CORPORATE DESIGN 1963

Die Ulmer Studie

Anfang der 1960er-Jahre gibt es bei Lufthansa vorerst keine Anstrengungen, sich um einen neuen visuellen Auftritt zu bemühen, schon gar nicht im Sinne eines universellen Wandels in der Gestaltung. Der Weg zu einem neuen Corporate Design wird erst durch Hans G. Conrad geebnet. Lufthansa wirbt Conrad von der Werbeabteilung des Elektrogeräteherstellers Braun ab. Er nimmt die Stelle des Werbeleiters nur unter der Zusicherung an, völlig freie Hand in der Abteilung zu haben und neue Wege bei Werbung und Design von Lufthansa beschreiten zu können. Unmittelbar nach Antritt seiner neuen Tätigkeit im April 1962 bereitet Conrad schon alles vor, um einen Auftrag an seinen ehemaligen Lehrer Otl Aicher zu vergeben, der sich mit der Neuentwicklung des Lufthansa Designs beschäftigen soll. Aicher hat in der noch jungen Disziplin der Erscheinungsbilder bereits einige Projekte erfolgreich realisiert und betreibt nicht nur ein eigenes Gestaltungsbüro, sondern leitet neben seiner Lehrtätigkeit ab Mitte der 1950er-Jahre auch die Entwicklungsgruppe E5 an der HfG Ulm.

1955 PanAm Das legendäre Logo und die Corporade Identity wurde wegen ihres guten Designs als Vorbild für das Lufthansa Design verwendet. 1955 ist die Weltkugel in das Logo eingebaut worden und 1957 dann der Schriftzug PanAm.

1961 F. H. K. Henrion 1961 redesignte Frederick Hery Kay Hernien das KLM Logo. Die Krone blieb vom alten Logo erhalten, wurde aber aus einer simplen Linie, vier blauen Kreisen und einem Kreuz an der Spitze kreiert. Das Logo ist bis heute noch erhalten und wurde nur einmal 1991 leicht überarbeitet.

1967 Massimo Vignelli Das AmericanAirlines Logo ist halb-rot, halbblau, gesetzt in den Farben des Heimatlandes. Dieses Logo ist eines der wenigen Logos weltweit, die keine Veränderungen brauchen und heutzutage noch in Verwendung sind.

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E5 waren eine Geschäftsidee der Ulmer Schule, damit den Studierenden Praxiserfahrung ermöglicht wird und den Dozenten lukrative Aufträge brachte. Organisiert wie ein kleines Unternehmen, gehörte die Gruppe der Abteilung «Visuelle Kommunikation» an und wickelte Aufträge z.B. für Pfaff oder Braun ab. Im Juli 1962 erfolgt recht zügig die Beauftragung der E5. Unter der Projektnummer »1400« sollen im Jahresbericht Richtlinien & Normen der visuellen Gestaltung, Displaysystem und Flugzeugkennzeichnung bearbeitet werden. Etwa vier Monate veranschlagen Otl Aicher und sein Team für diese Aufgabe, die mit einer wichtigen Analyse beginnt. Für die Realisierung bringt Aicher die beiden Studierenden Tomás Gonda für das grafische und Hans Nick Roericht für das Produktdesign zusammen, die von dem Typografie-Dozenten Fritz Querengässer unterstützt werden. Bereits bei den ersten Treffen wurden die wichtigsten Entscheidungen getroffen. So ist man sich einig, auf Illustrationen in Zukunft völlig zu verzichten und stattdessen auf das Mittel der Fotografie zu setzen. Auch, dass man das Hauptaugenmerk auf die technischen Aspekte der Lufthansa-Dienstleistungen legt. Dass das klare und schnörkellose Ulmer Designverständnis auch hier Anwendung finden wird, steht außer Frage. Im Laufe des Entwicklungsprozesses werden außerdem eine durchgängigen Typografie und einheitliche Formate, die visuelle Straffung des Signets, die Überarbeitung des Wortzeichens, die Überprüfung der Qualität und Quantität der Hausfarben und die Systematik der Bildsprache in Angriff genommen. Man bezieht sich auf das Lufthansa-Design der 1920er-Jahre. Auch wird das erst wenige Jahre zuvor standardisierte Auftreten der damals richtungsweisenden amerikanischen Fluglinie Pan Am genauer untersucht und als positives Beispiel genützt. Die zwei Fotografen Erwin Fieger und Hans Hansen werden beauftragt das entsprechende Bildmaterial für den neuen Auftritt zu liefern. Bei ihren Reisen um die Welt entstehen eindrucksvolle Farbfotografien, die in den folgenden Jahren und Jahrzehnten ein wichtiger Bestandteil des neuen Firmenimages werden.

1964 Lufthansa-Werbeabteilung

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In den folgenden Monaten werden Bereiche wie Farbe, Bildzeichen, Typografie und Formate ausgearbeitet. Da Aicher zu der Zeit viel unterwegs ist und parallel noch an anderen Projekten arbeitet, ist es vor allem Tomas Gondá, der die Designelemente verantwortlich betreut und ausarbeitet - stets in Absprache mit Conrad und Klaus Wille in Köln. Zusammen mit den Texten Aichers werden die Arbeiten in einer rund 70 Seiten starken Dokumentation im Oktober 1962 vorgelegt und gleichzeitig dem Lufthansa-Vorstand in Präsentation vorgestellt. Im Februar 1963 erteilt der Vorstand die Freigabe zur Realisierung. Daraufhin entsteht das erste eigentliche Designmanual der Lufthansa, ein Ringordner mit dem Titel «Lufthansa-Werbung Richtlinien und Normen CGN XE 3». In verkürzter Form sind vor allem die Standards zu Bildmarke, Typografie, Farben und Formaten definiert. Ab Mitte 1963 erfolgt dann stätig die Umstellung auf das neue Design. Die vollständige Implementierung des Designs wird 1967 abgeschlossen. Lufthansa hat nun eines der fortschrittlichsten Corporate Designs weltweit, das nicht nur für konkurrierende Luftfahrtunternehmen zum Vorbild wird.



DESIGN FÜR DIE OLYMPISCHEN SPIELE 68 OP-Art trifft auf präkolumbische indische Kunst

Das Logo der XIX Olympischen Sommerspiele 1968 ist einerseits ein psychedelisches OP-Art-Design und bezieht sich anderereseits auf die präkolumbische, indianische Kunst Mexikos und greift damit auch den kosmopolitischen Anspruch des Landes auf. Der Bezug auf die OP-Art sollte zudem Dynamik und ein modernes Gefühl vermitteln. Der Schriftzug „MEXICO 68“, der auf den geometrischen Formen der Huichol-Indios basierte, wurde von dem Amerikaner Lance Wyman und dem Briten Peter Murdoch designt. Die beiden Grafiker nahmen auf Einladung des Chefs der Grafikabteilung der Olympischen Spiele 1968 am Wettbewerb teil. Das Logo war in Mexiko-Stadt omnipräsent. Sogar die Uniformen waren mit ihm gestaltet. Der Bezug auf die mexikanische Tradition setzte sich in weiteren Symbolen fort, so wird, zum Beispiel, der Azteken-Kalender des Anthropologischen Museum das Emblem der Spiele 1968.

Entwicklung des Logos

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Mexiko, Mexiko Er hörte leise Schritte hinter sich. Das bedeutete nichts Gutes. Wer würde ihm schon folgen, spät in der Nacht und dazu noch in dieser engen Gasse mitten im übel beleumundeten Hafenviertel? Gerade jetzt, wo er das Ding seines Lebens gedreht hatte und mit der Beute verschwinden wollte! Hatte einer seiner zahllosen Kollegen dieselbe Idee gehabt, ihn beobachtet und abgewartet, um ihn nun um die Früchte seiner Arbeit zu erleichtern? Oder gehörten die Schritte hinter ihm zu einem der unzähligen Gesetzeshüter dieser Stadt, und die stählerne Acht um seine Handgelenke würde gleich zuschnappen? Er konnte die Aufforderung stehen zu bleiben schon hören. Gehetzt sah er sich um. Plötzlich

erblickte er den schmalen Durchgang. Blitzartig drehte er sich nach rechts und verschwand zwischen den beiden Gebäuden. Beinahe wäre er dabei über den umgestürzten Mülleimer gefallen, der mitten im Weg lag. Er versuchte, sich in der Dunkelheit seinen Weg zu ertasten und erstarrte: Anscheinend gab es keinen anderen Ausweg aus diesem kleinen Hof als den Durchgang, durch den er gekommen war. Die Schritte wurden lauter und lauter, er sah eine dunkle Gestalt um die Ecke biegen. Fieberhaft irrten seine Augen durch die nächtliche Dunkelheit und suchten einen Ausweg. War jetzt wirklich alles vorbei.

Mod-Kleider mit Elementen, grafisch verschidene Sportarten darstellten.

Linien

Psychadelisch

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Piktogramme der 19. Olympischenspiele.

Flächen

Illustrativ/malerisch

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TYPISCHE TYPOGRAFIE DER SECHZIGER JAHRE In der Welt der Typografie und des Schriftentwurfes geht es ebenso wild und ereignisreich her, wie es für die 60er typisch ist: Miteinander unverträgliche Satzsysteme buhlen sich um die Gunst des Gewerbes; es werden alteingesessene Regeln über Bord geworfen und Neue entwickelt während Andere wiederum standhaft bleiben und an der „alten Schule“ festhalten. Durch das Experimentieren mit Buchstaben und Schrift werden neue Wege der Typografie definiert: Einige zeigten sich als vorübergehende Merkmale der 60er Jahre während Andere die nachfolgenden Jahrzehnte maßgeblich beeinflussten.


HÄUFIG VERWENDETE SERIFENSCHRIFTEN Baskerville

Ob Renaissance-Antiqua oder Barock-Antiqua: Auch in den 60ern werden die klassischen Schriften weiterhin gerne für den Mengensatz verwendet. Ein gutes Beispiel dafür ist das Twen: Fleckhaus benutzte die Times und die Baskerville für den Fließtext des Magazins.

John Baskerville kreierte 1754 die gleichnamige Schrift, da ihm die zeitgenössischen Caslon-Schriften nicht gefielen. Man bezeichnet sie als Antiqua des Übergangs. Die fast waagrechten Serifen an den Gemeinen und eine annähernde senkrechte Betonung der Strichstärken zählen zu den besonderen Merkmalen der Schrift.

Garamond Die Garamond-Schrift zählt zu der Schriftgruppe der französischen Renaissance-Antiqua. Sie wurde von den Typografen Claude Garamond im Jahr 1531 entworfen. Er war der Erste, der eine Kursive als Bestandteil eines Schriftschnittes entworfen hatte und setzte damit den Grundstein für die Entwicklung der Schriftfamilie. Da die Garamond durch Eleganz und ihre gute Lesbarkeit glänzt, ist sie für den Mengensatz sehr gut geeignet.

Caslon

Die Caslon Antiqua gehört zur Schriftklassifikation der Barock-Antiqua und wurde von William Caslon I. im Jahr 1725 entworfen. Die Caslon zählt, gemeinsam mit der Baskerville, zu den Schrift-Standards der Barockoder Übergangsära. Ihr Erfolg ist besonders auf die technische Zweckmäßigkeit sowie ihrer optimalen Lesbarkeit zurückzuführen.

Times New Roman

Die Times ist eine Barock-Antiqua-Schrift die 1931 von Stanley Morison entworfen wurde. Er entwickelte sie für die Londoner Tageszeitung The Times, weil er der Meinung war, das diese eine neue, eigene Schrift brauche. Dieser Font löste schließlich die Times Old Roman ab und wurde als die Times New Roman weltberühmt.

Plakat der britischen Zeitung The SundayTimes, veröffentlicht 1960

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BELIEBTE SERIFENLOSE SCHRIFTEN DER 60ER Die sechziger Jahre sind die Blütezeit der serifenlose linear-Aniqua: Sie wurden häufig als Werbeschriften, deren Wesen ja die Erregung von Aufmerksamkeit sein soll, verwendet und gerne als Überschriften in diversen Printmedien eingesetzt. Zahlreiche Schriften waren im Gebrauch, wie die Gill, die Futura oder die Akzidenz Grotesk: Hier ein kurzer Überblick.

Helvetica

Die Helvetica gehört zu der Gruppe der serifenlosen Linear-Antiqua und hat einen klassizistischen Charakter. Max Miedinger entwarf die Schrift, gemeinsam mit Eduard Hoffmann, als Wunderwaffe gegen Futura und Akzidenz Grotesk. Sie wurde 1957 auf den Markt gebracht. Die Schrift trat in den 60er Jahren einen unvergleichlichen weltweiten Triumphzug an. Das Original wurde durch ihr Omnipräsenz in den Augen mancher Kritiker quasi zu einer Art „typografischen Landplage“. Unzählige Corporate Designs basieren auf der Helvetica als Hausschrift, unter anderem bei Lufthansa, BMW und der Deutschen Bahn. Das liegt allerdings nicht an der Einfallslosigkeit der Designer, sondern daran, dass die Helvetica aufgrund ihrer Verbreitung immer und überall verfügbar war – in Zeiten des Bleisatzes ein wichtiges Kriterium. 23

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Gill

Univers

Die Gill wurde ursprünglich zum Bemalen von Ladenschildern verwendet. Sie besaß vorerst aufgrund der fehlenden Notwendigkeit noch keine Minuskel. Als der künstlerische Berater der Monotype Corporation Eric Gill den Vorschlag machte, eine serifenlose Schrift zu entwerfen, kam es zu den ersten Entwürfen für Kleinbuchstaben. Die Schrift wurde 1928 schlussendlich von Monotype herausgegeben.

Bei der Univers handelt es sich um eine serifenlose Linear-Antiqua, die in den Jahren 1950 bis 1956 von Adrian Frutiger entworfen und dann 1957 von der Pariser Schriftgießerei Deberny & Peignot veröffentlicht wurde. Sie ist für ihre sachliche und kühle Eleganz sowie ihre gute Lesbarkeit auch aus größerer Entfernung bekannt.

Eine Besonderheit der Gill Sans äußert sich im großen Unterschied der Formensprache der Typen zwischen den verschiedenen Schriftschnitten. Die Linien sind an- und abschwellend gestaltet. Die Gemeinen mit Rundungen, wie a, c oder e, scheinen ein wenig nach links zu kippen.

Sie ist der Helvetica auf den ersten Blick recht ähnlich, welche etwa zur gleichen Zeit entworfen wurde Die Univers genoss große Popularität in den sechziger und siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts und gilt bis heute als eine der am meisten genutzten serifenlosen Schriftarten.

Akzidenz Grotesk Die Akzidenz-Grotesk, kurz AG, ist eine Grotesk-Schrift, die 1896 von der H. Berthold AG herausgegeben wurde. Sie wird zu der Gruppe der Serifenlose Linear-Antiqua gezählt. Die Schrift gilt als Meilenstein in der Schriftgestaltung. Viele Schrifttypen, wie zum Beispiel die Helvetica, wurden durch sie beeinflusst. Plakat für Lego,die Headline ist in einem Schriftschnitt der Gill gesetzt Katalogcover für das Stedelijk Museum 1966, verwendete die Univers Werbeplakat für VW 1961 in Akzidenz Grotesk Plakat für eine Ausstellung von Herman Miller 1962 in Akzidenz Grotesk

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Günther G. Lange war der künstlerischer Direktor der H. Berthold AG und fügte zwischen 1966 und 1972 die unterschiedlichen Zweige der AG für den Fotosatz zu einer harmonischen Familie zusammen – Dies bescherte der Schrift neue, glühende Anhänger. Für viele der Gestalter ist sie bis heute die einzig wahre typografische Geliebte, neben der keine andere Schrift eine Chance hat. ❤

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DIE NEWCOMER DER 60ER JAHRE Obwohl es aufgrund der technischen Gegebenheiten, die sich rasch änderten, für die Schriftgestalter sehr fordernd war, wurden in den 60ern viele neue Schriften auf den Markt gebracht. Das Sortiment reichte von serifenlose-linear-Antiquen bis zu zahlreichen Varianten der Serifenschriften.

SERIFEN- FONTS: Es wurden einige der Schriften auf klassischer Basis entwickelt, wie die Albertina von Blokland 1965, 1967 die Concorde von Lange, sowie die erfolgreiche Sabon von Tschichold, auf die genauer eingegangen wird. Auf der Suche nach einer modernen, serifenbetonten Schrift erlebt in den späten 1960er Jahren die Serifenbetonte Linear-Antiqua eine kleine Blütezeit. Im sechsseitigen Artikel der Fachzeitschrift „Gebrauchsgraphik“ vom Juni 1968 ist geht hervor, dass Egyptienne-Schriften, wie zum Beispiel die Serifa, vermehrt von den Grafikern verwendet wurden.

Sabon

SERIFENLOSE FONTS: Auf den Trend, serifenlose Schriften zu verwenden, reagierten einige der Schriftgestalter: Novaresse mit der Eurostile 1962, Excoffon mit seiner Antique Olive 1962, Meier mit der Syntax 1969 sowie Lubalin auch 1969 die Avant Garde auf den Markt brachte. Weitere Informationen zu den bekanntesten und beliebtesten serifenlose Schriften sind auf den nachfolgenden Seite zu finden.

Eurostile Syntax Avant Garde 27

Buchcover, Titel gesetzt in der Schrift Eurostile

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Sabon Sie entsteht 1964 aus der Hand des schweizerischen Schriftentwerfers Adrian Frutiger. Die ersten Schnitte für den Handsatz wurden ab 1967 bei der deutschen Schriftgießerei „Bauerschen“ veröffentlicht. Die Serifa ist das Ergebnis eines Experiments zur Kreuzung einer serifenlosen Erfolgsschrift mit dem Bedarf an einer Modeschrift: Eine Egyptienne, die keine sein soll.

Die Sabon ist eine typische Renaissance-Antiqua mit einen klassentypisch runden, klaren Schriftbild und sehr guten Leseeigenschaften von Jan Tschichold. Ausgangspunkt für die Sabon sind zu Beginn der 1960er Jahre Klagen namhafter deutscher Drucker. Gefordert wird eine Schrift, die unabhängig vom verwendeten Satzsystem (Hand- oder Maschinensatz nach Linotype oder Monotype) stets gleich aussieht. Es soll sich um eine klassisch anmutende Schrift in der Tradition der Renaissance-Schriften nach dem Vorbild Claude Garamonds oder Robert Granjons handeln. Die neue Schrift soll außerdem schmaler laufen als Garamonds Vorbilder, um den Raum- und Zeitbedarf des Satzes wirtschaftlicher gestalten zu können.

Adrian Frutiger zählt die Serifa in keinem Fall zu seinem Lieblingsschriften und er spricht ihr auch jeden Bezug zur den historischen Egyptienne-Schriften ab. Er wollte ursprünglich immer lesefreundliche Schriften zeichnen: Die Serifa ist als Schrift im Leseprozess jedoch unbeliebt – sie ist einfach nicht fließend genug wegen ihrer breiten Laufweite und ist darum für Plakate, Headlines oder Logos deutlich besser geeignet. Für das ursprüngliche Ziel, eine Egyptienne als Entsprechung zur Univers zu entwerfen genügte es jedoch nicht, nur Serien auszubauen. Die ganze Schrift musste umgedacht werden. Die Serifa wurde kein Riesenwerk und bleibt neben anderen serifenbetonten Schriften wie etwa Rockwell oder Memphis das kleine Kind: Mit deren geometrische konstruierten Serifenbetonten ist sie nicht vergleichbar. Frutiger war jedoch mit den Entwurf der Serifa den anderen Schriftentwerfen ein Stück voraus, da Ende der 60er Serifenbetonte Linear-Antiqua oft als prägnante und eindringliche Headlines gesetzt wurden.

Dass Jan Tschichold den Auftrag für die Entwicklung der Sabon erhält, erscheint wie ein Augenzwinkern der Typogeschichte. Er hat dem Bauhaus längst abgeschworen und sich traditionalistischeren Ansätzen verschrieben. Nun erhält seine Schriftschöpfung Sabon aber genau die Attribute, die er nach seinem Ausstieg aus dem Bauhaus so kritisch hinterfragt hat: die Gleichförmigkeit der Vereinfachung in Dienste der maschinellen Reproduzierbarkeit.

Vorprobe zur Serifa mager und halbfett der Bäuerschen Gießerei im Jahr 1967

Eigentlich erscheint die Forderung der deutschen Druckhäuser ohnehin wie der Wunsch nach einem Neuanstrich der Titanic: Die Satzsysteme, für die die Sabon entwickelt werden soll, haben ihre technische Zeit schon längst überschritten. Die Setzmaschinen von Linotype und Monotype, mit ihren Letter- und Zeilengussverfahren ebenso wie der Handsatz, stehen vor dem technologischen Aus. In wenigen Jahren wird der Fotosatz mit seinen neuen Möglichkeiten die Szenerie im professionellen Schriftsatz dominieren. Als Ergebnis aller Mühen entsteht in Zusammenarbeit der drei Schriftgießereien Linotype, Monotype und D. Stempel schließlich 1966 die Sabon, die im deutschen Sprachraum ein umgehender Erfolg wird und sich in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren im Werkdruck, aber auch im Akzidenzdruck weithin großer Beliebtheit erfreut.

ABCDEFGH I J KLM NOPQRSTUWXYZ

abcdefghijklmnop qrstuwxyz 40 29

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Syntax

Eurostile

Avant Garde

Die Syntax wurde von Hans Eduard Meier entworfen und nach etwa 14 Jahren Arbeit 1968 auf den Markt gebracht. Sie vereint die Klarheit der Groteskschriften mit der Wärme und Lesbarkeit der Renaissance-Antiqua. Die Großbuchstaben von der Syntax wurden von dem Schweizer Schriftgestalter aus der sehr frühen Römischen Lapidarschrift abgeleitet, die keine Serifen hatte und Kontrast kaum kannte.

Der Schriftentwerfer Aldo Novarese veröffentlichte 1962 die Eurostile. Sie ist eine serifenlose, konstruierte und geometrische Schrift. Mit ihren charakteristischen sanft gerundeten Ecken im Kontrast zu den rechtwinkeligen Punzen erinnert sie an die Röhrenform der angehenden Farbfernsehära in den 60ern. Die Microgamma, eine Großbuchstabenschrift, ist der Vorläufer und entstand bereits 1952, in Zusammenarbeit mit Alessandro Butti. Erst als der Italiener zehn Jahre später Kleinbuchstaben entwarf und die Schrift in Eurostile unbenannte, wurde sie erfolgreich und prägte das typografische Bild der damaligen Zeit.

Jan Tschichold war voll des Lobes und bezeichnete die Syntax als vorzüglich, sehr gut leserlich und gut zugerichtet. Er meinte des Weiteren, sie wäre sogar besser als die mit ihr verwandten Gill Sans.

Das berühmteste Anwendungsbeispiel dieser Schrift ist das Wappen der Apollo-10-Mission: Ein Ereignis, das am 23. Mai 1969 rund 80 Millionen Menschen auf ihren Fernsehern mitverfolgten.

1968 entwarf Herb Lubalin für ein Kunstmagazin den gleichnamigen Schriftzug, der dafür als Logo eingesetzt wurde. Mit dieser Wortmarke wollte er etwas noch nie dagewesenes Verkörpern, da die Zeitschrift auf Leute abzielte, die ihrer Zeit voraus waren. Die Versalien der Schrift wurden aufgrund ihres Erfolges bis 1970 zum Alphabet ausgebaut. Obwohl sich Herb Lubalin damit weit weg von den Lesegewohnheiten der damaligen Zeit entfernte, wurde die Avant Garde schließlich zu einer der populärsten Schriften der 60er und 70er. Die konstruierte Schrift wird durch ihre schwierige Handhabung jedoch oft nicht richtig angewendet und gilt deshalb für viele als die meist-missbrauchte Schrift der Welt.

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Es entstanden noch einige weitere Schriftfamilien, die zwar keine Ligaturen, aber dafür Versalien und Gemeine haben. Diese sind sehr geometrisch, die Rundungen der Buchstaben bilden markante, vollkommene Kreise. ❤

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DER BOOM DER ANTIQUA VARIANTEN Bei Antiqua-Varianten handelt es sich um Zierschriften für dekorative Zwecke, deren Lesbarkeit stark variiert. Unzählige Schriftmischungen, Abwandlungen, Hommagen, und schlichte Fälschungen überschwemmen den Schriftmarkt der 60iger, die aufgrund ihrer abweichenden Merkmale eine Einordnung in die Schriftklassen 1 bis 6 unmöglich machen. Für die Antiqua-Varianten gibt es einige Merkmale: Sie haben häufig einen ausgeprägten Dekorationscharakter, bestehen manchmal nur aus Großbuchstaben und können Mischformen zwischen zwei oder mehr Schriftarten sein. Zu den Zeiten des Bleisatzes war der Schriftmarkt übersichtlich und wohlgeordnet: Die Schriften ließen sich verhältnismäßig leicht und eindeutig in Klassen einordnen. Durch den Lichtsatz wurde es dann aber leichter, Schriften herzustellen und am Markt zu verwerten – und die Schriftenvielfalt nahm zu. Die zunehmenden Entwürfe und die Verwendung von Antiqua-Varianten, sowie von illustrierten Schriftzügen könnten auch an den vorherrschenden Zeitgeist der 60er liegen: Weg von jeder Autorität, von überholten Moralvorstellungen mit ihren verkrusteten Normen und Strukturen, und hin zu Freiheit und Individualität. Die Schriften schufen eine Distanz zu der so biederen Wohlanständigkeit der 60er Jahre. 33

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Viele der Schriftentwerfen, Kalligrafen und Illustratoren pfiffen auf alle Routine: Sie griffen neue Ideen auf und setzte sie in die Tat um. Dabei umgingen sie manchmal die sonst zu berücksichtigten Normen und begannen damit, neugierig, sowie experimentell, mit Typografie und Schrift umzugehen. In den späten Sechzigern wurde die Schrift vermehrt visuell eingesetzt: Also nicht in erste Linie funktional im Sinne einer flüssigen Lektüre, sondern vielmehr übergroß, plakativ, und in machen Fällen sogar stellvertretend für Fotografie oder Illustration. So entstand ein bildhafter Umgang des Alphabets, in dem die Schrift in den Vordergrund rückt und ein Thema visualisiert.

Das populäre rückte in den Mittelpunkt des Interesses. Pop, das war der zum Kunstwerk erhobenen Alltag. Das Rüde, Triviale und Banale erhielten eine Aura von Bedeutung und wurden plötzlich Gegenstand des ästhetischen Diskurses. Als ein Ausdruck von Konkurrenz zum fernsehen, verlangt man nach einer größeren, wirkungsmächtigeren sowie überraschender Typografie, die man zunehmend als Gesamtkunstwerk betrachtete.

Eine Antiqua-Variante ist beispielsweise die Revue von Colin Brignall. Inspiriert durch Poster aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die Revue 1968 veröffentlicht. Es handelt sich um eine Groteskschrift mit stark geschwungenen Buchstabenformen, einer unregelmäßigen Grundlinie sowie abgeschnittenen Abstrichen einiger Versalien wie z.B. des F und des H. Revue bietet sich für Auszeichnungszwecke wie beispielsweise Plakate, Werbeanzeigen und Anschlagbretter an.

Woodstock-Festivals 1969

„Lass dir mal Fanta schmecken“ Werbeplakat 1986 Plakat für den Ball der Arbeitsgemeinschaft „junge Generation“ 1967

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DIE TECHNISCHE REVOLUTION DER 60ER: BLEISATZ & FOTOSATZ Ab Mitte der sechziger Jahre vollzog sich auf dem Gebiet der Reproduktionstechnik ein immer schnellerer Wandel. Erst wurde die konventionelle sowie fotografische Technik perfektioniert, daraufhin schlugen sich die rasanten Erneuerungen auf dem Gebiet der Elektronik durch.

Die jahrhundertealte Kunst des Setzten mit beweglichen Bleilettern ist innerhalb weniger Jahre von elektronischen Techniken verdrängt worden. Langwieriges Schneiden und Gießen der Bleiletter, das Ausschließen der Zeilen mit Blindmaterial und die Zusammenfügen zur Seite – all das hatte sich nun erübrigt. Begonnen hatte der Abschied von Blei aufgrund der Fotosatzmaschine. Die große Zeit der so imposanten und schweren Gieß- und Setzmaschinen – der Wunderwerke der Mechanik – waren vorbei. Mit dem Staromat und Hadego konnten nur große Schriften gesetzt werden, der Mengensatz wurde weiterhin mit der Monotype gedruckt. Erst durch Lumitype wurde 1962 der Einsatz von Bleilettern erstmals überflüssig. Bald erfasste diese Entwicklung die Schriftgießereien und deren qualifizierten Hand- und Maschinensetzer. Gutenbergs Bleisatz-Welt war zwar noch einige Jahre in Ordnung, seit dann aber das kleine Fotosatzgerät Diatype für den Akzidenzsatz auf den Markt kam, verstärkte sich der Gebrauch des Fotosatzes Jahr für Jahr.

Unter Fotosatz versteht man sowohl die manuelle als auch die maschinelle Herstellung von Schriftsatz auf dem fotografischem Weg. Endprodukt ist ein Film oder Fotopapier, das direkt oder auch nach erfolgter Filmsatzmontage für die Kopie der Druckformen verwendet werden. Die Ursprünge des Fotosatzes gehen bis ins 19. Jahrhundert zurück. Doch erst Mitte des 20. Jahrhunderts fanden diese auch Eingang in das Druckereigewerbe. Man unterscheidet in Fotosetzgeräte, die manuell bedient wurden und in Fotosetzmaschinen, die mechanisch oder später elektronisch gesteuert wurden. ❤

Die Fotografie einer Diatype, die auf einem Katalog der Firma Berthold abgebildet war.

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MONOTYPE

STAROMAT & HADEGO

LUMITYPE & DIATYPE

DIATRONIC

1897

1950

1962

1966

Die Monotype ist eine Setzmaschine, die 1897 vom dem amerikanischen Ingenieur Tolbert Lanston erfunden wurde. Die Arbeitsvorgänge Setzen und Gießen sind – anders als bei der Linotype-Setzmaschine – nicht mehr in einer Maschine vereint. Der Setzer sitzt am sogenannten Taster. Mittels einer mechanischen Tastatur, wird der Text eingetippt, wobei auf einem Papierstreifen ein Löchercode ensteht. Die Löcher im Papierstreifen werden anschließend von der räumlich getrennten Gießmaschine erfasst, die im Gegensatz zur Linotype keine kompletten Zeilen, sondern einzelne Lettern gießt. Diese werden zu einer Zeile gereiht und verlassen fertig ausgeschlossen die Maschine, damit diese Zeilen gleich anschließend zu den Druckstöcken zusammengestellt werden können.

Die mechanische Setzmaschine aus der Zeit des Bleisatzes findet bis ins 20. Jahrhundert weiterhin Verwendung. Im Gegensatz zur Linotype werden dabei anstelle von ganzen Zeilen einzelne Buchstaben gegossen.

VORTEILE

Mechanisches Setzen anstelle von Handsatz, deutlich effizienteres und schnelleres Arbeiten wird dadurch ermöglicht

NACHTEILE

Gestank durch Einsatz von Blei der zu Übelkeit führen kann, sehr hohe Lärmbelastung

Anfang der fünfziger Jahre gab es für den Satz von Titelzeilen zwei neue Techniken: Staromat und Hadego. Der Staromat ist ein Titelsetzgerät für den Fotosatz. Diese wurden für den Satz von großen Schriftzeilen wie Überschriften und großen Zeichen, etwa für Plakate oder Akzidenzen, eingesetzt. Das Gerät musste in der Dunkelkammer, einem separaten und lichtdichten Raum betrieben werden, weil das Fotomaterial offen auf der Arbeitsfläche lag. Man schob dabei eine Plastikschiene mit negativ ausgesparten Buchstaben über einen Belichter, schaltete dann kurz das Licht an und der Buchstabe erschien auf dem mit Entwicklungsflüssigkeit getränkten Fotopapier. Beim Hadego wird mit Lettern aus Kunststoff gearbeitet. Diese werden zuerst einzeln zusammengesetzt und dann zeilenweise fotografiert.

Licht statt Blei: Ein Umbruch bahnt sich am Anfang der 50er Jahre an. Für den Satz von Titelzeilen gibt es von nun an zwei neue Technologien: Staromat und Hadego.

Lumitype ist der Name einer Fotosetzmaschine für den maschinellen Schriftsatz. Das Gerät wurde von den Franzosen René Higonnet und Louis Moyroud erfunden, mit der ca. 30000 Zeichen pro Stunde gesetzt werden können.

Lumitype und Diatype sind eine Weiterentwicklung der Technik des Fotosatzes. Nun konnte man erstmals auch Mengensatz direkt auf Film auf die Offsetdruckplatten belichten.

1966 wird erstmals mit digitalisierten Schriften gearbeitet. Die Schrift wird mittels einer Kathodenstrahlröhre in einzelne Punkte oder senkrechten Linien aufgelöst, die dann beim Belichtungsvorgang auf das fotografische Material aufgezeichnte werden.

Mit der Diatronic-Fotosetzmaschine und Digisetzanlage wird ein neuer Höhepunkt in der Ära des Fotosatzes markiert: Zum ersten Mal wird mit digitalisierten Schriften gearbeitet.

VORTEILE:

große Experimentiermöglichkeiten Flexible Einstellung von verschiedenen Schriftgrößen möglich, große Zeitersparnis, der Arbeitsprozess kann mitverfolgt werden

VORTEILE:

Immense Zeitersparnis im Gegensatz zum Bleisatz, keine Während des Setzens werden keine Chemikalien verwendet, sitzen im normalen Raum wird möglich

VORTEILE:

NACHTEILE:

NACHTEILE:

Hochkonzentriertes Arbeiten vonnöten, Tippfehler können nicht ausgebessert werden, muss Arbeit nochmal von Vorne beginnen

Die Diatronic ist eine Maschine für die Herstellung von Schriftsatz. Sie wurde 1967 von der Berthold AG entwickelt. Als Kompaktgerät vereint die Maschine Tastatur, Recheneinheit und Belichter in einem Gehäuse. Die Maschine hat einen Display, auf dem nur das zuletzt getippte Zeichen zu erkennen ist. Weitere Satzparameter, wie z.B. Schriftgröße, Zeilenabstand oder Seitenposition werden angezeigt. Es können bis zu 18.000 Zeichen in der Stunde auf fotografisches Filmmaterial belichtet werden, das in einer Kassette in das Gerät eingelegt wird.

Gibt Display, auf dem das zuletzt getippte Zeichen zu erkennen ist, Korrekturen von Fehlern sind möglich, kann Schriften mischen

Nur für den Satz von großen Schriftzeilen wie Überschriften und großen Zeichen geeignet, Arbeiten in einer dunklen,stinkenden Kammer, der Mensch wird isoliert

Die Diatype ist ein Schriftsatzgerät für den Fotosatz., die von der Firma Berthold entwickelt wurde. Sie ist ein halbautomatisches mechanisches Fotosatzgerät, das man im Tageslicht benutzen kann. Eingesetzt wurde die Diatype hauptsächlich für den Satz von Akzidenzen und Formularen.

NACHTEILE:

großer hoher Platzbedarf und hohe Anschaffungskosten

Beide Setzmaschinen verfügten über eine Art Schreibmaschinentastatur, ein Relaissystem sowie einer Belichtungseinheit. War eine Zeile fertig, erfolgte die Belichtung der Buchstaben durch eine rotierende Negativscheibe. Mit den Austausch der Schriftscheibe konnte man die Schrift wechseln.


Werbung hieß ganz zu Beginn der 1960er noch Reklame und bezog sich vor allem auf die Anzeigen in Zeitschriften oder Romanheften. Obwohl die Werbung damals nicht präsent war wie heute, prägten sich die Sprüche aber schnell ein und man erinnert sich heute noch an einige der Werbeslogans von Produkten, die es längst nicht mehr gibt.

WERBEN IN DEN SECHZIGERN


M E D H C A N E H C U S R E D AUF

N E K N U F M E D N E D N Ü Z

Werbung hieß zu Beginn der Doch nach wie vor legte es die WerSechziger noch Reklame und bung darauf an, die Konkurrenz in bezog sich vor allem auf An- allem auszustechen – und zwar auf zeigen der Zeitschriften bzw. allen Gebieten und auch mit allen Magazine. Obwohl damals die Mitteln, die nach dem sogenannten Werbung nicht so dermaßen „Truth-in-Advertising“-Gesetz, das gegen einen irreführenden Wettbepräsent war wie heutzutage, werb, die gerade noch so zulässig prägten sich diese jedoch gut waren. Es wurde übertrieben, vorein und viele erinneren sich gegaukelt und gelogen, was jedoch noch an Werbeslogans von all selten störte, weil die Bilder, Worte den Produkten. und die Konzepte immer im GrenzMan stelle sich einmal vor, die Werbeanzeigen in dem Kapitel wären das einzige Quellenmaterial, auf das sich ein Historiker bei seiner Beschäftigung mit den wilden Sechzigern stützen könnte. Das Bild, das auf diese Weise von der Gesellschaft entstehen würde, hätte mit der eigentlichen sozialen und politischen Realität jener Zeit leider nur kaum Ähnlichkeit. ln der Werbung nahm man weder den Krieg in Vietnam, noch „Sex, Drugs and Rock’n’Roll“ zur Kenntnis oder nur ganz am Rande. Das heißt jedoch nicht, dass es den Anzeigen an Stil, Geschmack oder Humor gefehlt hätten. Werbung ist letztendlich eine künstlich erzeugte Wahrheit bzw. Realität. Manche der Slogans der Zeit waren natürlich zutreffend, wie zum Beispiel Make-up überdeckt Makel, Cola, Fanta oder Sprite schmecken süß, schlechter Atem riecht übel.

bereich von Gut und Böse angesiedelt waren. Des weiteren waren Amerikaner in diesen Jahrzehnt schon so gut darauf getrimmt, alles zu glauben und für bare Münze zu nehmen, was die Medien verkündeten, dass sie auch die Werbung leichtgläubig konsumierten und nicht als Verkaufsmaschine wahrnahmen. Folglich wurden Anzeigen und TVSpots eher als eine gute Unterhaltung betrachtet. In den Sechzigern entwickelte sich die Werbung weg von allzu langen Texten hin zu bildorientierten Kompositionen mit kurzen und einprägsamen Sätzen. Die Suche nach der zentralen Idee und der besten Strategie zur genialsten Vermarktung des Produkts, bedeutete eine radikale Abkehr von den Strategien der Vergangenheit, mit sehr langen und ausschweifenden Texten, und führte zum neuen Genre der kreativen Werbung. ❤ 41

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MIT VIEL MEHR WITZ UND PFIFF Infolge des Prinzips der „BigIdea“ war die Werbung in den Sechzigern lustiger und unterhaltsamer als je zuvor. Durch raffinierte Ideen und Einfälle versuchte man neue Kunden zu gewinnen. Je schlagkräftiger die Aussage auf dem Plakat, je besser die Strategie, desto mehr lassen sich überzeugen. Ein anhaltendes und immer wieder kehrendes Bombardement mit Slogans und Bildern zermürbt spürbar die Widerstandskraft der Menschen und erhöht den Grad der Wiedererkennung. Wenn das angepriesene Produkt dann auch noch die Eigenschaften besaß, war das natürlich um so besser. Unbedingt notwendig war es nicht. Denn nicht immer gab es wirklich ebenbürtige „Gegner“ für ein paar Unternehmen. Genannt seien hier die Kampagnen für die in den Sechziger Jahren wichtigen Marken, wie Volkswagen, Triumph, Maidenform und Clairol. Sie erfüllten nicht nur einfach ihren Zweck. Es wurde eine Aura um sie kreiert und der Mythos verliehen den Produkten und SalesAppeal und einen Status. Auf diese Weise erhielten sie große Marktanteile. Anders, wenn mal ein neuer Gegner auftauchte, der sie mit noch gewaltigerer und stärkerer Mythologisierungsmacht herausforderte. So entwarfen z.B. Doyle Bernbach in den Sechzigern für Volkswagen eine Kampagne, die den Käfer über Nacht zum begehrtesten und bestverkauften Kleinwagen in Amerika machte. Sie stilisierten angebliche Nachteile des kleinen Volkswagens zu Vorteilen. Dies war eine geniale und vor allem strategische Meisterleistung, die neue Kunden anlockte. 43

1962: Werbeanzeige für Suppen von Knorr

1963: Werbeanzeige für VW; Nachteile des VWs werden zu Vorteilen umformuliert, womit man wiederum Kunden gewinnen will

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DIE ZWEI SEITEN DER WERBUNG 45

Zu dieser Zeit gab es interessanterweise zwei Gestaltungsarten bzw. Gestaltungsmöglichkeiten der Werbung. Einerseits behielt man bei den Anzeigen die typisch illustrative Form der 1950er bei und andererseits war man sehr innovativ und mutig mit puren Anzeigen.

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Links und Rechts: Werbeanzeige für Kühlschränke von Ignis und frimatic im Jahre 1961


Links und Rechts: Werbeanzeige für Zigaretten von Smart und Memphis im Jahre 1965 und 1969

Dabei gab es keine Art von erkennbarem System nachdem man beurteilte, was illustrativ, flächig oder realitätsnah aussehen sollte. Mode-, Zigaretten-, Technik-, Lebensmittel- oder Getränkewerbungen konnten einmal so und einmal so aussehen. Frimatic und Ignis Dieses Beispiel zeigt sehr gut den Wandel, der in den Sechziger Jahren stattgefunden hat. Die Anzeige von Frimatic bleibt dem illustrativen Stil der 50er treu und zeigt einen Kühlschrank als ein schon fast verträumtes, magisches Motiv in der Nacht vor einer hellen Laterne und einer Großstadtkulisse. Ignis hingegen ist extrem flächig und spielt mit knalligen und herausstechenden Farben. Auch an der Typografie erkennt man eindeutig einen Wandel. Im Vergleich wirkt die Frimatic-Schrift schon fast verstaubt im Gegensatz zur groß angelegten serifenlosen und fetten Ignis-Schrift. Smart und Memphis Einen richtig extremen Unterschied kann man bei den Zigarettenwerbungen von Smart und Memphis sehen. Smart erstellte eine ganze Serie von sehr illustrativen Anzeigen, die sehr knallige und auffallende Farben enthielten. Dabei wurde ein Tier gezeigt und darunter ein paar knackige Wörter – wie bei dem Zebra, das in der Anzeige „…für unentschiedene steht“. Auf den ersten Blick würde wahrscheinlich niemand glauben, dass es sich hierbei um eine Zigarettenwerbung handelte. Durch die knalligen Farben würde man wohl zuerst an eine Werbung für Kinder denken. Ganz im Gegensatz 47

dazu steht die Werbung von Memphis Diese zeigt sehr schlicht ein Foto von einem Picknick, mit einer Decke, Polstern, Früchte, Snacks und Besteck. Der krasse Unterschied liegt vor allem an der Aussage, die man vermitteln möchte bzw. die hinter diesen Anzeigen stehen. Außerdem sprechen die zwei Marken ganz unterschiedliche Gruppen an, sodass man sich bei der Gestaltung danach richten muss. Meinl Kaffe Ein weiteres interessantes Beispiel sind die Anzeigen von Meinl Kaffe. Überraschend ist in diesem Fall, dass sogar innerhalb einer Marke mehrere Gestaltungsmöglichkeiten ausprobiert werden. Einmal ist man schlicht und flächig mit einem aussagekräftigen Satz und das andere Mal nutzt man verschiedene Fotos. Man muss dabei auch beachten, dass dies alles innerhalb eines Jahrzehnts geschah und dass zwischen den Anzeigen nicht ein paar mehr lagen. Gestaltungsmerkmale der Anzeigen Man erkennt dennoch ungefähr, welche Anzeigen vermehrt welchen Stil, Farben oder Typografie nutzen. Anzeigen für Lebensmittel oder Getränke sind meist mit sehr knalligen Farben ausgestattet, sie springen einem also sofort ins Auge. Das hat sicherlich damit zu tun, dass man einem das Produkt richtiggehend „schmackhaft“ machen möchte. Werbungen für Autos oder für Technikerrungenschaften enthalten z.B. sehr viel Text. Diese bewerben natürlich bestmöglich das angepriesene Produkt. 48

Links und Rechts: Werbeanzeige für Meinl Kaffee im Jahre 1961 und 1968


DIE KLASSIKER DIESER ZEIT

In den Sechzigern entstanden auch mehrere Klassiker mit vielen raffinierten Headlines und Slogans, die darauf abzielten, in das Unterbewusstsein der Masse einzudringen. Einige davon waren harmlos und einigen fehlte jeder Pep. Aber viele Werbeslogans dieser Zeit setzten sich durch und blieben bestehen.

Links: Werbeanzeige f체r die Versicherung Allianz im Jahre 1963

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Oben: Werbeanzeige f체r den VW K채fer im Jahre 1966

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1965: Werbeanzeige für Esso mit dem typischen Tiger

Und das vor allem besonders auf einen für Lucky Strike Filters: „Show Me A Filter Cigarette That Really Delivers And I‘ll Eat My Hat!“ So schwerfällig der Wortschwall auch daherkommt, er wurde doch unvergesslich durch das dazugehörige Foto eines Models mit angebissenem Hut. Eine weitere unvergessene Großkampagne rief dazu auf, gesellig zu sein und Pepsi zu trinken – „Be sociable, Have a Pepsi“. Fast alle Illustrationen zeigten junge Menschen aus der Mittelschicht die sich in Amerikas Skilokalen und Penthouses tummeln und offensichtlich gern Pepsi trinken. „Prefer Pepsi“ hieß denn auch ein weiterer Slogan. Die Pepsi-Werbung ermutigte, das Leben zu genießen, und die Slogans wurden zu Mantras einer ganzen Generation. Bestimmte Anzeigen gelten heute als Klassiker, weil sie einen Lifestyle propagierten, der dem Zeitgeist entsprach. Werbung wird nie neutral sein. Stets muss sie behaupten, dass eine Sache besser als eine Sache andere ist, und auch diese andere Sache soll selbstredend die Beste sein. ln den Sechzigern nahm man Abschied von agressiven Werbestrategien. An statt die Verbraueher mit schalen Phrasen und Bildern zu erschlagen, versuchte man nun mit kreativer Verspieltheit ihre emotionale Einstellung zu verbessern. Und das funktionierte, wie man ja sehen konnte. Ganz unabhängig von den jeweiligen Methoden, mit denen die einzelnen Anzeigen auch in diesem Buch operieren: Als Rückgrat jeder kapitalistischen Marktwirtschaft verfolgt die Werbung natürlich ein ganz simples Ziel. Es gilt, einen so hohen Grad der Wiedererkennung zu erreichen, dass die Konsumenten bejubeln, ersehnen und verlangen, was immer man ihnen verkaufen möchte. Und genau das ist – auf einen kurzen Nenner gebracht – die „Big ldea“. 51

Gib mir Farbe, Scotty! Wünschen Sie sich auch mehr Farbe in ihrem Leben? 10 Gründe warum Farbfernseher viel besser sind als Schwarz-Weiß-Fernseher

1) Von nun an wissen wir endlich, welche Farben die Hemden der Crew von Star Trek haben! Was für eine Erleichterung!

Kür: Werbeanzeige für einen Farbfernseher mit amüsantem Text

5) Ein Fußballspieler bekommt jetzt nicht mehr die „Arschkarte“, sondern nur eine rote Karte.

9) Sogar ein Testbild wirkt jetzt viel interessanter und spannender als vorher.

2) Jetzt wissen wir endlich, warum der Stier auf das Tuch losgeht beim Stierkampf. Er sieht rot!

6) Von nun an blicken uns die strahlend blauen Augen von Paul Newman aus dem Fernseher an. Was für ein Anblick!

10) Kommen Sie schon, Farbfernsehen ist eine R-E-V-O-L-U-T-I-O-N! Das ist doch schon Grund genug, oder nicht?

3) Mit rotem Blut ist der Freitags-Krimi gleich noch fesselnder.

7) Ein Stück Schokolade wirkt gleich viel realer! Und vor allem noch verführerischer.

Farbfernsehen macht ihr Leben auf Knopfdruck lebendiger, spannender und vor allem bunter!

4) Ab jetzt sind wir uns endlich sicher, dass Paulchen Panther auch wirklich pink ist!

8) So kann man endlich seinem grauen Alltag entfliehen, oder nicht?

Geben Sie ihrem Leben Farbe mit einem Fernseher von Sony bei Ihrem Händler.

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Karl Gerstner, geboren 1930 in Basel, ist gelernter Typograph, Werbegrafiker von internationalem Rang und als Künstler Autodidakt. Er gehört zu jenen Gestaltern, „die genau wissen wollen, was sie tun“. Deshalb denkt er nicht nur vor, sondern auch nach: das heißt, er schreibt über das, was er gemacht hat.

KARL GERSTNER


Holzäpfel-Möbel

Capital

Akzidenz Grotesk

Coop Schweiz

Werbeplakate

Logo, Plakat und Prospekt perfekt durchdacht.

Eine Wirtschaftszeitung mir komplexen Raster

Die einzig Wahre, doch mit ein paar Mangel, die Karl Gerstner jedoch beseitigte.

Robby 75, Teddy 75, Teddymat Hauswaschmittel der Firma Coop.

Das beste aus jedem Produkt zeigen und einzigartige Werbeplakate schaffen.

Karl Gerstner Karl Gerstner ist Grafikdesigner und bedeutender Vertreter der Schweizer Typografie. Er studiert in den 1960er Jahren an der Gewerbeschule Basel unter Emil Ruder. Durch die von ihm mitbegründete Werbeagentur GGK (Gerstner, Gredinger und Kutter) gehen seine Arbeiten um den Globus. Die GGK ist lange eine der bekanntesten Werbeagenturen in der Schweiz. Gerstner gehört mit seinen wegweisenden Arbeiten zu den wichtigsten Exponenten der modernen Schweizer Gebrauchsgrafik. Zu Gerstners bekanntesten Werken gehört das 1963 erschienene Buch „Programme Entwerfen“. In vier Essays stellt Gerstner die Grundlagen seiner gestalterischen Methode dar. Es sind keine Rezepte, sondern ein universelles System zur Erarbeitung individueller Lösungen.

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CAPITAL WIRTSCHAFTSMAGAZIN Für die Gestaltung von Capital dient ein typografischer Raster als formales Gerüst. Insbesodnere für Periodikas wie Capital ist der Raster ein zuverlässiges Regulativ für Satz, Tabellen, Bilder etc.; ein formales Programm a priori für x unbekannte Inhalte. Der Nachteil des Rasters, wie er ihn in den 50er Jahren verwendet hatte: er ist starr und verleitet dazu, die Gestaltung in Routine erstarren zu lassen. Die Herausforderung für die neuer Aufgabe ist also: das höchste Maß an Konstanten bei größtmöglicher Variabilität. Für Capital wurde dafür den mobilen Raster entwickelt. Als Typograf wirkt Felix Berman mit.

Raster: Die kleinste Einheit beträgt zehn Punkt; Grösse der Grundschrift plus Zeilenzwischenraum. Grundfläche für Text und Bildspiegel ist ein Quadrat. Darüber befindet sich die Titelund Sonderzone.

Das Quadrat ist in der Vertikalen eingeteilt in eine, zwei, drei, vier, fünf und sechs Spalten. Ebenso in der Horizontalen. Das Quadrat besteht aus 58x58 Einheiten. Das Faszinierende dabei: dass alle die verschiede-

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nen Spalten - bei einem gleichbleibenden Spaltenzwischenraum von 2 Einheiten ohne Rest in 58 aufgehen. Für unsere Zwecke ist 58 eine einmalige Zahl.


HOLZÄPFEL Logo: Karl Gerstern entwarf ein Typolabel, das heißt ein Label aus typografischen Elementen. Ohne zu zögern greift er zur Berthold Akzidenz und setzt den Namen. Das ist das Logo. „Seine einzige Qualität besteht in der Deutlichkeit, mir der es seinen Namen sagt.“

Prospekt: Schlägt man den Prospekt auf, steht in der Mitte der Unternehmer selbst. Da der Prospekt nicht nur in der Mitte, sondern auch auf beiden Seiten geheftet war, wird entweder nach links oder rechts weitergeblättert. Beim ersten Blättern bekommt man einige Basiselemente zu sehen und das Prinzip erklärt. Dann deutet sich ein kleines Büro an, welches beim Weiterblättern erweitert wird. Das Ganze weitet sich dann aus zu verschiedenen Typen von Büros bis zur Bürolandschaft. Alles sowohl im Prospekt wie in der Wirklichkeit endlos kombinieren.

Plakat: Das Plakat soll für die Gesamtheit der Büromöbelprogramme werben. Es personifiziert die verschiedenen Programme. Außerdem illustriert es, dass es sowohl für kleine, sowie für grosse Bedürfnisse geeignet ist. Das Grundmotiv wird vielseitig genutzt, wie zum Beispiel für Anzeigen, für Einladungen, zu Präsentationen und so weiter.

Plakat

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„Ich bin noch der Auffassung, ein Grafikdesigner braucht nicht mehr als eine Schrift. Eine die der Zeit entspricht. Also keine Antiqua aus der Renaissance.“ Für Karl Gerstner war dies die Akzidenz Grotesk von Berthold.

Warum die Akzidenz Grotesk?

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Sie ist ein Erbstück einer handwerklichen Tradition, in der noch ein ungerheures Wissen und eine große Sensibilität für die komplexen Gesetzmäßigkeiten einer Druckschrift stecken.

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Doch Gerstner befand, dass Schriften den Bedürfnissen der Zeit angepasst werden müssen. Er baute die Schrift aus und führte kursive Schnitte ein, somit entstand eine einheitlich konstruierte Schrift.


COOP WASCHMITTEL

Die Waschmittel Roby, Teddy und Teddy automat waren Grobwaschmittel der Coop Eigenmarke. Die Marke sollte von Grund auf überarbeitet werden. Die Qualität des Produkte dem Stand der Konkurrenten ebenbürtig werden. Und dann müssen sie in ihrer Anmut wegkommen vom Ruch einer biederen Hausmarke. Sie sollen mordender werden, sich selbstbewusst abhebe von den Persiens und Ariels. Sie sollen der Kundin das Gefühl vermitteln, das Neuste, sprich: das Beste auf dem Markt zu bekommen. Zuerst werden die Namen geändert. Aus Roby und Teddy werden Robby 75 und Teddy 75 (Coop feiert 75jähriges Jubiläum), aus Teddy automat wird Teddymat. Außer den

Namen sind es die Grundfarben Rot, Blau und Gelb, welche die Produkte differenzieren. Das Motiv – Wasserwellen und Schaum – verbindet die drei Produkte und hebt den Sortimentscharakter hervor. Stehen mehrere Produkte zusammen, kumuliert sich deren Wirkung: das Motiv setzt sich in den einzelnen Produkten wie in allen drei ohne Umbruch fort; auch die schmalen Seitenflächen sind einbezogen. Die Packungen werden so zum Displaystück in mannigfacher Kombinierbarkeit.

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Nescafé

WERBEPLAKATE VW 1500, 1963

Sinar Kamera 65

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MASSIMO VIGNELLI Massimo Vignelli, geboren 1932 in Mailand, Italien, ist ein umfangreicher Designer. Als Gründer, mit seiner Frau Lella, von Vignelli Associates fungierte er bereits als Verpackungs- und Möbeldesigner und als Designer für Schilder im öffentlichen Raum und Innenarchitekt. Massimos Leitspruch: „Kann man eine Sache designen, kann man alles desingnen“, erklärt auch seine Brandweite an Talenten. Vignelli setzt besonders Wert auf Einfachheit, durch die Verwendung geometischen Grundformen in all seinen Arbeiten.


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MASSIMO VIGNELLI LELLA VIGNELLI

I like design to be semantically correct, syntactically constistent, and progmatically understandable. I like it to be visually powerful, intellectually elegnat, and abore all timeless.

03 04 05 Corporate Identety, Poster Design, Book & Magazine Design

Interior Design, Architectural Design, Frunitue Design

Packaging Design, Product Design, Transportation Graphics

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STENDIG CALENDAR Im Jahr 1966 für die Firma Stendig von Massimo Vignelli entworfen, wurde er noch im gleiche Jahr in die ständige Sammlung des MoMA aufgenommen, als einziger Kalender überhaupt. Seit nun mehr als 40 Jahren ist der Stendig Calendar ein Design-Klassiker. Mit seiner gigantischen Übergröße von 91,5 × 122 cm ist er ein absoluter Blickfang an der Wand. Zahlreiche Designer und Innenarchitekten, wie zum Beispiel die Finnin Susanna Vento, setzen den Stendig Calendar immer wieder bei der Gestaltung von Räume ein. Der Kalender ist puristisch in schwarz und weiß gehalten. Die Grundfarbe der einzelnen Blätter wechselt sich über die Monate immer wieder ab.

Massimo Vignellis Stendig Kalender hängt als einziger Kalender überhaupt seit 1966 im MoMA

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NY SUBWAY SIGNS

Die New Yorker U-Bahn ist einer der ältesten und größten Komplexnetzwerke von Massentransport in der Welt. Sie ist ein Produkt der Zusammenführung drei Zuglinien, was die fehlende Uniformität erklärt. Trotz dieseser Mängel funktioniert das U-Bahnsystem erstaunlich gut. Unimark International (Massimo Vignelli) wurde 1966 beauftragt ein Grafiksystem für die Beschilderung zu kreieren. Bob Noorda, ein Partner, erstellte eine umfangreiche Analyse der Entscheidungspunkte und über die Wege der Passagiere. Eine essentielle Aufgabe für die weiterführende Arbeit. Vier Arten von Zeichen entstanden: 1. Linien Indifikation 2. Richtungsanzeige 3. Informationsanzeige 4. Sationsanzeige Die neu designten Schilder wurden so kreiert, dass sie wie bewegliche Lettern, frei einsetzbar und verschiebar waren. Es entstand eine simple Lösung für ein altes und komplexes Problem. Helvetica wurde zur Hausschrift der New Yorker U-Bahn. 1970 folgte der Neuentwurf des U-Bahn-Planes, welcher jedoch 1979 wieder ersetzt wurde. 73

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MULTITALETN MR. VIGNELLI

1968 Packungsdesign für Nuts & Bolts Men’s Toiletries

1964 Plakat für XXXII Biennale D’Arte die Venezia

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1967 CI für American Airlines

1967 Plakat für Knoll International (1966-1980 alle grafischen Arbeiten)

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WILLY FLECKHAUS

Fleckhaus fing ohne jegliche Ausbildung oder Abschluss als Journalist an, wechselte aber dann ins Metier der Grafiker. Fleckhaus war ein echter Allrounder und hat so ziemlich alles von Zeitschriften, 端ber Plakate bis hin zu B端chern gestaltet und designt. Sein immenses Interesse an Kunst und Themen, die die Jugend bewegen, zeigten sich in seiner Gestaltung bzw. seinen Layouts.


DEUTSCHLANDS ERSTER ART DIRECTOR Bei Fleckhaus verband sich das amerikanische Editorial Design und die Schweizer Grafik. Er hat die visuelle Kultur der sechziger Jahre verstanden und geprägt. Nicht ohne Grund wurde er lange „der teuerste Bleistift“ in Deutschland genannt.

Jugendzeitschrift, deren gestalterische Zu Fleckhaus’ bekanntesten Werken Leitung er später übernahm. Darauf- zählen seine Entwürfe für die Buchfolgten einige Beratungsaufträge, u.a. reihen des Suhrkamp Verlags. Darunfür das Kölner Verlagshaus namens ter die Bibliothek Suhrkamp im Jahr 1959, Editon Suhrkamp (1962) und DuMont-Schauberg. 1956 erstellte Fleckhaus die Neukon- Suhrkamp Taschenbuch sowie für die zeption des Ausstellungskatalogs der Taschenbücher des Insel Verlags. Photokina und das Design der Messe. Erst im Jahr 2004 änderte der Verlag Für die Photokina arbeitete er dann sein Titeldesign und die Typografie der Edition Suhrkamp und des Suhrdie daraufolgenden zwanzig Jahre. 1959 wechselt er innerhalb des Bund- kamp Taschenbuchs. Verlags vom „Aufwärts“ zur Wochen- Weiter war er längere Zeit gestalterSeine Kindheit verbrachte zeitung „Welt der Arbeit“. isch verantwortlich für das Magazin Fleckhaus in Velbert. Dort Im Jahre 1959, nachdem seine Berat- der Frankfurter Allgemeinen. Dann war er in der katholischen Jugendbe- ungstätigkeit für die Publikation des entwarf er noch die Logos der Zeitwegung aktiv. Zwischen den Jahren Presseamtes zum Thema der Bundes- schrift „Quick“, des Fernsehsenders 1943 und 1945 war Fleckhaus Soldat wehr bei seinem Arbeitgeber Anstoß WDR und der wohltätigen Aktion und geriet ungefähr gegen Ende des erregte, schied Fleckhaus auf eigenen „Ein Herz für Kinder“. Zweiten Weltkriegs in Norditalien in Wunsch beim Bund-Verlag aus. Mit Generell war Fleckhaus ein Mensch, Kriegsgefangenschaft. den Bekannten Adolf Theobald und der immer seinen eigenen Kopf hatte. Fleckhaus arbeitete ungefähr ab 1946 Stephan Wolf gründet er kurz darauf .Egal um was es ging, er setzte seine beim Kunstverein in Niederberg und die Jugendzeitschrift „twen“, die da- Ideen durch und wusste um sein geab 1948 als Redakteur der Zeischrift mals frischen Wind in den überaus stalterisches Können. „Fährmann“. Im Jahre 1950 wechselte grauen Zeitungsmarkt der Sechziger Bis zu seinem Tod 1983 lehrte er im Fleckhaus als Redakteur zum Bund- brachte. Nach ca. 12 Jahren wurde Fachbereich Kommunikationsdesign Verlag, arbeitete dann längere Zeit die Zeitschrift leider nach 129 Aus- an der Bergischen Universität Wupfür die Zeitschrift „Aufwärts“, einer gaben im Mai 1971 eingestellt. pertal Typografie. ❤

Mit seinem Layouts und Gestaltungsprinzipien war er modern und innovativ. Er brachte frischen Wind in die triste Zeitschriftenlandschaft der damaligen Zeit und erntete dafür nicht nur Anerkennung, sondern wurde auch heftig kritisiert.

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Der Revolutionär


DAS SONDERHEFT

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Es gab bis in die 1960er in Deutschland keine Zeitung, Zeitschrift oder Illustrierte, die es so verstanden hat, die Sympathie der jungen Menschen zu erringen und über alles zu berichten, was die Teens und jungen Erwachsenen anging. Und war sie auch schon: twen. Ein kleiner Blick auf die Zeitschriften, die es in den fünfziger Jahren zu kaufen gab, zeigt eindeutig das Fehlen eines Magazins für die doch zunehmend kaufkräftige, konsum- und freizeitorientierte, an internationalen Trends interessierte Generation um die zwanzig. „Bravo“, 1956 im Münchner Verlag Kindler & Schiermeyer gestartet, wandte sich an die 13- bis 17jährigen. „Konkret“, aus dem „Hamburger Studentenkurier“ hervorgegangen, sprach eine Leserschaft an, die politisch interessiert war. Hinzu kam eine große Palette an illustrierten Blättern, politisch oder gewerkschaftlichen Jugendzeitschriften, Frauen- und Kulturzeitschriften, die allerdings kaum das angestrebte Publikum erreichten. Was in der Tat fehlte, war eine Zeitschrift modernen Zuschnitts, das die Wünsche und Träume einer weniger skeptischen als optimistischen Generation an der Schwelle zu den 1960er Jahren auszudrücken wusste. Tatsächlich war der Erfolg des Blatts, das relativ rasch zum unersetzlichen Ratgeber in Sachen Mode, Freizeit und Konsum avancierte, keineswegs vorprogrammiert. Den Teens wurde gesagt, wie man sich richtig anzog und man sagte ihnen, wie man „liebt“ und noch vieles mehr. Damals noch schüchtern als „Sonderheft Nr. 1“ deklariert, erschien es im April 1959 erstmals auf dem Markt, wobei man zunächst nicht wusste, ob es je eine Nummer zwei geben würde. Genau genommen war twen zuerst lediglich gedacht als eine einmalige Sonderausgabe des bereits sehr erfolgreichen Blattes „Student im Bild.

Immerhin 104 Seiten hatte die erste Ausgabe, die im Format etwas größer war als alle späteren 128 Ausgaben bis 1971. Das Cover der twen hatte der junge Reinhart Wolf fotografiert. Als Chefredakteur nannte damals das Impressum den Mitbegründer Adolf Theobald. Fleckhaus stand für „Bildredaktion und Gestaltung“. Die Verlagsleitung besorgte Stephan Wolf. Wie schon der Titel deutlich machte, suchte twen eine Leserschaft jenseits der Grenzen des Unicampus zu erreichen, Jugendliche also oder besser: junge Menschen zwischen zwanzig und dreißig Jahren. Nach einer lokalen Studentenzeitung und einer überregionalen, so Stephan Wolf, habe man sich gesagt, müsste man jetzt eigentlich eine Jugendzeitschrift machen. Entscheidend für den großen Erfolg, sowie die rasch einsetzende internationale Resonanz sollte letztlich aber das kompromisslos moderne Design werden, das Willy Fleckhaus, damals 33 Jahre alt, dem Magazin von seiner ersten Nummer an verordnet hat. Der enge Formsatz ist zum Erkennungszeichen der seiner vorrangigen Ästhetik geworden, wie die Futura, die neben der Times, der Baskerville oder der Garamond zu seinen Lieblingsschriften gehörte. Im Gegensatz dazu lehnte er die Helvetica strikt ab. Stets habe Fleckhaus erzählt, weiß Uwe Göbel zu berichten, „dass er in seinem Schriftenmusterbuch die vierzehn Seiten stehen lässt, die er benötigte. Die anderen interessierten ihn keineswegs.“ „Die Grundqualität von Fleckhaus“, meint Christian Diener, „war dieses ungemein sichere Gefühl für die Satzbreiten, für Schriftgrößen, Schriftfamilien, für Laufweite, damit konnte er gut umgehen. Ich erinnere mich, als er einmal einen Umschlag machen musste damals gab es ja noch keine Kopiergeräte oder so etwas, da nahm er einfach irgendwelche Buchstaben, die schnitt er stundenlang aus, und darauf schnitt er sich noch ein Stück Papier aus in den entsprechenden Proportionen. Und darauf schob er die Buchstaben hin und her – und plötzlich war Willy beseelt im ☞ 82

NUMMER 1


Umgang mit der ganzen Typografie“, so Christian Diener, „diesen schwarzen und weißen Flächen, da war er ganz großartig. Das ist für mich ein Phänomen: Dieser Fleckhaus konnte ja nicht viel, aber was er dann konnte, konnte er gigantisch.“ Gedichte und Geschichten, Essays, und Romanauszüge von zum Teil sehr bekannten Autoren erschienen regelmäßig in twen, ohne dass man sie etwa als Kulturzeitschrift verstanden hätte. Letztlich war twen doch ein Blatt zwischen den eingeführten Kategorien, ein sich avantgardistisch generierendes Periodikum, dessen affirmativer Grundgestus trotz bisweilen heftiger Attacken etwa gegen die organisierte Jugend oder die katl1olische Kirche, trotz kritischer Analysen oder politischer Kommentare unübersehbar blieb. Daß sich früh eine seltene Phalanx gegen twen, eine Front aus „Klerikalen und Kommunisten, Altjugendbewegten und Berufstabuisten“ konstituierte, nahm man nicht ohne Genugtuung zur Kenntnis, schien dies doch zu bestätigen, daß man, fernab ausgetretener Pfade, auf dem richtigen Weg war. Nur zu gern zitierte man die publizistischen Gegner, etwa das Neue Deutschland oder auch das in West-Berlin erscheinende katholische Petrus-Blatt. Willy Fleckhaus hatte nicht einfach eine Zeitschrift „gut“ gestaltet, vielmehrwar es ihm auf Anhieb gelungen, einer vagen Vorstellung von jugendlicher Avantgarde zu einem eindeutigen und merkfciliigen Ausdruck zu verhelfen. Mit einem klaren Raster, spielerischer Typografie, großen eindrucksvollen Bildern verhalf er Twen zu einem einzigartigen Erscheinungsbild zu dieser Zeit. Nicht die einzelnen Illustrationen, Fotografien, Berichte, Glossen, Geschichten und Gedichte waren primär die Botschaft. twen als ganzes Produkt war die Message. ■

1968: typische Aufmacherseite, extrem große und schmale Typo, die fast über beide Seiten geht

1968: Bilder wurden meist großzügig angeordnet oder waren gar randabfallend

1962: Text und Bild konnten auch zusammenspielen; rechts war meist eine Werbung zu sehen 1962: Cover der Twen; immer simpel und direkt in der Aussage

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SUHRKAMP UND INSEL VERLAG Fleckhaus arbeitete noch sehr lange für den Suhrkampverlag und darauffolgend auch für den Inselverlag. Die vielen Bücher, die in dieser Zeit von ihm gestaltet wurden, standen in einem ziemlichen Gegensatz zu den sehr bunten der Edition Suhrkamp. Sie waren eher schlicht, hatten aber durch die gewählte Typografie trotzdem ihren Charme.

1966: Design für das Buch von Herman Hesse

1963: Die ersten Bände der neuen Reihe erschienen in den schillernden Farben

SPEKTRUM DES GEISTES 85

Siegfried Unseld hatte die Idee einer Reihe, die „zwischen der Bibliothek Suhrkmamp und dem Taschenbuch“ stehen sollte. Offensichtlich bestärkt durch die optische Konkurrenz durch den dtv (Deutscher Taschenbuchverlag), schlug Fleckhaus vor, die ebenfalls zumeist weißen Buchumschläge der Bibliothek Surhkamp nun in der neuen Reihe mit neuen, klaren und starken Farben zu kontrastieren. Unseld brachte gleich den Gedanken ein, für die unterschiedlichen literarischen Gattungen jeweils eine Farbe

festzulegen. Der erste Entwurf von „Ich sehe ein endloses Band, das sich Fleckhaus variierte die Idee Unselds wieder schließt, so selbstverständlich und splitterte das Spektrum in seine wie die Natur, präzise und schön.“, Farbzonen auf. Die Gattungen soll- waren seine Worte nachdem er eine ten nicht auf eine Farbe beschränkt, Lösung gefunden hatte. sondern auf einen Teil des Spektrums Egal zu welcher der literarischen Gateingegrenzt werden. Allerdings war tungen sie nun gehörten, sollten sie ein Problem unlösbar: die einzelnen eine der vielen Farben von Violett, Bände einer Gattung würden mit so über Blau, Grün, Gelb und Orange, großem zeitlichen Abstand erschei- und Rot annehmen. Diese Idee war nen, dass sich die Kraft dieser Farb- mutig und faszinierend. Rasch war abstufungen nicht entfalten könnte. eine sachlich-nüchterne Typografie Fleckhaus suchte darauf nach Lös- gefunden, die die emotional aufgelaungen für dieses Problem. denen Regenbogen-Farben bändigte. 86

1967: Coverdesign für ein Buch des Inselverlags


PIPER UND BORINGHIERI Ungefähr zwanzig Jahre stand Willy Fleckhaus im Dienst des Suhrkamp Verlages, bis sich das Verhältnis zwischen Siegfried Unseld und ihm deutlich verschlechterte. Als er ein Angebot von Piper Verlag bekam, lehnte er es nicht ab. Er und noch andere Designstudios bekamen den Auftrag, den Bücher des Verlags ein neues Gesicht zu geben. Die einzige Vorgabe bei dem Design war es, die zwei markanten farbigen Balken beizubehalten. Fleckhaus ignorierte dies geflissentlich und brachte sein

Piper: Typische Coverdesigns für den Buchverlag Piper, die grundsätzliche Gestaltung und Typografie blieben meist gleich

eigenes Design durch. Typisch für ihn war die Typografie, die extrem groß und eng gesetzt war. Ab dem Jahr 1980 arbeitete er zusätzlich noch für den Verlag Boringhieri, zu dem er wohl vorrangig durch seinen italienischen Assistenten kam. Eine schwache Leistung war die Gestaltung der Bücher des Verlages. Sie sahen meist seinen übrigen Arbeiten ähnlich und leider wurde auch an der Qualität des Materials gespart. Dennoch arbeitete Fleckhaus noch bis zu seinem Tod für das Verlagshaus.

Boringhieri: Typische Coverdesigns für den Buchverlag Boringhieri; viel Weißraum, freigestellte Bilder, komprimierter Satz

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UND WIE GEHT ES DANN WEITER?

Zu Anfang der 60er hatte Fleckhaus der Zeitschrift „Quick“ einem Redesign unterzogen. Vor dem Redesign sah es wie viele andere nach einem billigen Blatt aus, doch er schaffte es, der Zeitschrift einen Stil und hauptsächlich Ordnung zu geben. Ende 1970 war twen dann leider eingestellt worden. Proteste von Lesern, von Art Directoren sowie von seiten der werbenden Wirtschaft führten Anfang 1971 zu einem sehr kurzen Wiederaufleben des Magazins. Man versuchte die twen in „seriösere“ Gewässer zu lotsen, aber interessanterweise ohne Fleckhaus. Die Unternehmung scheiterte leider kläglich und twen wurde wieder eingestellt. Mit dem Rauswurf wurde Fleckhaus jedoch keineswegs arbeitslos. Nach wie vor gestaltete er, vielgerühmt und

vielbeachtet, die Buchumschläge für Shuhrkamp. Was ihm jedoch fehlen sollte, war eine Plattform wie twen, auf der er sich ausleben konnte. Die Zeitung „Die Zeit“ überlegte sich damals, genau wie das britische Blatt „The Times“ ein eigenes Magazin herauszubringen. So wurde Willy beauftragt, ein vorab Sondermagazin zu gestalten, welches aber ziemlich floppte und nicht erfolgreich war. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung überlegte sich ebenfalls ein Magazin. Jedoch waren die damaligen Angestellten, die nicht an das Spiel und Spaß eines Magazins gewöhnt waren, überfordert mit der neuen Aufgabe. So kam Fleckhaus wieder ins Spiel und gestaltete das Magazin, welches am Ende doch eine Ähnlichkeit mit dem früheren twen hatte. 88

Links: Fleckhaus gestaltete unter anderem lange Zeit das Cover des Frankfurter Allgemeine Magazin Rechts: Für das Magazin „Quick“ überarbeitete er Layout und Logo


Paul Rand war ein bekannter Grafikdesigner, der vor allem f端r seine vielen Firmenlogos ber端hmt wurde. Er arbeitete immer nach seinen eigenen Regeln und hielt diese strikt ein.

PAUL RAND


DESIGN IS A WAY OF LIFE Mit diesem Satz erklärte er seine lebenslange Hingabe an seine kreative Arbeit und sein Schaffen.

der zwei Zeitschriften „Esquire“ und „Du verstehst micht nicht.“ Obwohl er „Apparel Arts“. 1938-45 gestaltet er immer sehr kritisch war, begründete die beachteten Titel der Zeitschrift er immer, warum er diese oder jene „Direction“. In den zwei darauffol- Arbeit nicht gut (genug) fand. Sollte genden Jahren arbeitet Paul Rand in dann jemand noch so dreist sein und der New Yorker Werbeagentur „Wil- seine Autorität infrage stellen, dann Er wird im Jahr 1914 als liam H. Weintraub“. Dort arbeitet er verweigerte er jegliche weitere AntPeretz Rosenbaum in New mit dem Werbetexter Bill Bernbach worten zu der Arbeit. York geboren. Mit seiner grafischen zusammen. Ab 1956 ist Paul Rand Auch verweigerte er es immer, dem Arbeit gehört zu den Pionieren des als freier Grafikdesigner und Berater Kunden mehr als eine Idee zu zeigen. amerikanischen Grafikdesigns. Paul der Firmen Westinghouse und IBM Er war der Meinung, dass, wenn man Rand entwickelte zahlreiche Logos tätig. Zudem lehrt er als Professor mehrere Ideen präsentierte, man seifür Firmen wie Westinghouse, NeXT für Grafikdesign an der Yale Univer- ne Position als Designer schwächte. Computer, IBM, UPS, abc oder die sity in New Haven, Connecticut. Er gab auch selten Arbeit an zweite Yale University. Paul Rand schreibt viele Bücher, wie weiter. Rand erarbeitete so viel wie 1929-34 studiert Paul Rand in New z.B. „Thoughts on Design“ (1947), möglich allein und gab nur im äußerYork am Pratt Institute, an der Par- „Design and the Play Instinct“ (1955), sten Fall eine Arbeit ab. sons School of Design sowie der Arts „A Designer‘s Art“ (1985) und „De- Mit der Zeit hatte Rand schon solch Students League. Paul Rands frühe sign, Form and Chaos“ (1993). eine Reputation, dass er die WerbunArbeiten sind von der europäischen Generell war Rand eher ein schwieri- gen von Dubonnet signierte, obwohl Avantgarde, von Kubismus und Kon- ger Mensch. Die Menschen, die mit es eigentlich nicht sein Werk war. Er struktivismus sowie vom deutschen ihm oder unter ihm arbeiteten hatten hatte lediglich das ursprüngliche ErBauhaus beeinflusst, und er wendet es nicht immer leicht mit ihm. Wenn scheinungsbild der Werbung etwas deren Gestaltungsprinzipien auf das er mit der Arbeit einer seiner Mitar- abgeändert. Grafikdesign an. beiter nicht einverstanden war, sagte Trotz allem schätze man ihn sehr für 1936-41 ist Paul Rand Art Director er: „Deine Arbeit ist nicht gut.“ oder seine grafische Arbeit und Ideen.❤ 91


1967: Zweite Überarbeitung des IBM Logos

GOOD DESIGN IS GOOD BUSINESS

1961: Überarbeitung des Logos von UPS

1962: Logo für den Fernsehsender abc in den USA.

1968: Logo für den Elektrofachhändler Westinghouse

Rand wurde vor allem durch die zahlreichen Unternehmenslogos berühmt. Er hat viele Logos entworfen, darunter IBM, EF, UPS, ABC, next usw.

von signierten Dokumenten.“ Und genau dafür sollte das Logo stehen. Selbst wenn man es versuchen sollte, ein Dokument zu fälschen, wird es immer löchrig bleiben. Ein weiterer Aspekt, der verdeutlicht werden sollte, war die Assoziation von Zusammengehörigkeit und Zusammenhalt. Zwar sind die einzelnen Streifen auseinander gerückt, aber man könnte sie trotzdem jeder Zeit zu einem Ganzen zusammenfügen. Fehlt jedoch ein Streifen, ließe es sich auch nicht mehr zusammenfügen.

Rands Herausforderung war es nun, das Schild in eine moderne Form zu bringen. Er verbesserte und vereinfachte die Konturen des Logos und brachte eine serifenlose Kleinbuchstaben ein. Des weiteren platzierte er die Kontur eines Pakets mit einer Schleife oberhalb des neuen Schildes, sodass es wie eine kleine Krone wirkte. Er hatte nur eine Woche, um verschiedene Skzizen des neuen Logos zu erbringen. Jedoch genau wie er es immer hielt, stellte er dem Kunden nur einen Logoentwurf vor, den er am besten hielt. Er hatte zuvor sein Logo „getestet“, indem er es seiner Tochter zeigte und fragte, was es sei. Sie antwortete, dass es ein Geschenk sei und Rand war sich sicher, dass dies das neue Logo werden würde.

IBM Das IBM Logo wurde seit 1888 ganze sechs mal überarbeitet. 1972 wurde das Logo zu guter letzt bearbeitet und wurde bis heute so beibehalten. Interessant bei dem Logo von IBM ist, dass Paul Rand es nicht in seiner Schriftart veränderte, sondern lediglich in seinem äußeren Erscheinungsbild. Paul Rand wollte die Serifenbetonte Linear-Antiqua , auch Slab-Serif genannt, nur etwas abändern und zu der Zeit angemessener, sprich frischer und moderner gestalten. Er wusste, dass dieser plötzliche Wechsel, den das neue Logo mit sich bringen würde, zunächst einmal eine Entfremdung für IBM bedeuten würde. Paul Rand wartete einige Jahre, bevor er das “Streifen-Logo” vorstellte. Manch ein Kreativer würde sich wohl wünschen, nur mal ein paar Wochen in Ruhe ein Logo entwickeln zu dürfen. Aber damals hatte man noch die Zeit und die nahm man sich auch. Die Art des Logo soll vor allem eine Assoziation hervorrufen und das ist Sicherheit. Einer der Leitgedanken war damals „Maßnahmen zum Schutz gegen Fälschungen 93

UPS Einer der wichtigsten Gründe, warum Paul Rand häufig von amerikanischen Unternehmen beauftragt wurde, war seine unheimliche Fähigkeit – oder eher Besessenheit – Witz und das gewisse Etwas in das CI der Unternehmen ABC Ein Jahr nach der Einführung des neuen UPS Logos, zu bringen. Er erstellte Systeme (oder eher Logos) die humanistisch, wurde Rand beauftragt, das Logo von ABC (American wenn nicht sogar spielerisch anmuteten. Ein Paradebei- Broadcasting Company) zu erstellen. Wieder wurde er spiel davon ist sein Redesign vom UPS Logo (United erst engagiert, als andere Designer schon viele Entwürfe Parcel Service). Bevor man Paul beauftragte, wurden gebracht hatten und gescheitert waren. So musste es dann noch einige andere Designer konsultiert, um das Logo zu natürlich in aller Schnelligkeit fertig gestellt werden, als überarbeiten. Das ursprüngliche Logo war ein Schild, in Rand zum Zug kam. dem die Initialen gesetzt waren mit einem braunen Hin- ABC belegte den dritten Platz unter den drei nationalen tergrund. Viele der vorgeschlagenen Entwürfe zeigten, Networks and hatte ein ebenso drittklassiges Logo, wo dass das Schild etwas zu antuiquiert war. Obwohl Rand alle Buchstaben groß geschrieben waren. Paul Rand hatte genauso dachte und der Meinung war, man sollte das sofort erkannt, dass die Buchstaben von ABC eine natürliche rhythmische Kombination von Formen war. Darum ändern, wurde ihm gesagt, er solle es beibehalten. 94


setzte er das neu entworfene Logo in wickelte Transistoren, EnergieerzeuKleinbuchstaben in einer Schrift, die gungsanlagen Elektronik und Atomder Futura ähnlich war. Sein Design reaktoren. Das ursprüngliche Logo basierte dabei nur auf Kreisen. wurde von dem damaligen UnternehZuletzt setzte er die drei Buchstaben mensgründer George Westinghouse in weiß in einen schwarzen Kreis. Es kreirt. Es war ein W in einem Kreis war einfach simpel wie direkt und unter dem ein extrem breiter rautenvoller Charakter und es wurde sofort förmiger Balken stand, der das Wort akzeptierte ohne irgendeine Debatte. „Westinghouse“ beinhaltete. Obwohl Später versuchte man das Logo noch es immer wieder aktualisiert wurde, einmal zu redesignen, jedoch schei- kam es nie wieder an die Aktualität terten alle engagierten Grafiker und und Originalität des Originals heran. Rand war mehr oder weniger amü- Man erkannte, dass das Design nicht siert davon. Deswegen ließ man das mehr passte und dass Westinghouse Logo so wie es war. designtechnisch veraltet war. Dieses harsche Erwachen zwang WestingWestinghouse house’ Präsident Mark Cresap dazu, Westinghouse war ein großes Unter- sofort zu handeln. Beeindruckt von nehmen mit vielen großen Büros und den Erfolgen von IBM, heuerte er Standorten in der ganzen Welt, es ent- bald Eliot Noyes an. Dieser sollte als

Conultant-Director of Design für die grafische Identität, Architektur und Produktdesign verantwortlich sein. Noyes rekrutierte dann später in weiterer Folge Charles Eames um an den Produkten und Anzeigen zu arbeiten und Rand um das Logo zu überarbeiten und neu zu gestalten. Rand brauchte einige Monate für das endgültige Logo, obwohl Rand die Idee dazu angeblich schon in den ersten dreißig Minuten kam. Das neue Logo war ein Kreis, in dem wiederum ein dünnes W stand. An den oberen Enden des W kamen größere Kreise, um den Eindruck einer Steckdose zu schaffen. Unter dem W kam wieder der Balken zum Einsatz, der im alten Logo auch vorhanden war. Pete Seay, der in den späten sechzigern in die

Firma kam, war der Meinung, dass er ein Genie war. Er hatte im Prinzip das alte Logo hergenommen und all die ursprünglichen Elemente beibehalten und erstellte daraus trotzdem ein neues Logo.

Bücher resultierte, welches zusätzlich zum neuen Logo, eine Menge an Beispielanwendungen enthielt. Es wurde eine extrem hohe Summe an Geld in dieses Buch investiert und war dementsprechend eine sehr aufwendige und zeitintensive Angelegenheit. Weitere Arbeiten Leider lehnte es Henry Ford ab, mit Rand entwickelte noch extrem viele der Begründung, dass es eine zu radiLogos und Marken, welche sich fort- kale Veränderung war, auch wenn das laufend in der großen Markenland- entworfene Logo den damaligen Ausschaft entwickelten. sehen der Autos entsprach. In 1966, einer Zeit in der sehr viele In den 1980ern strebten die meisten der Firmen unter einem „Redesign- der jungen Firmen eher junge DesiFieber“ litten, entschied die Firma gner an. Steve Jobs, der Gründer von Ford ihr Logo zu erneuern und die Apple, beauftragte jedoch Rand, um Schrift in eine ovale Form zu stellen. seine neue Computerfirma NeXT ein Rand wurde dazu eingelanden, einen Design zu geben. Entwurf zu gestalten, welcher dann in Es war schwierig genug, ein seriöses eines seiner höchst interessantesten und sinnvolles Logo zu designen und

dabei gleichzeitig mit dem Entwurf in die Zukunft zu verweisen. Genau das war es aber, was man von Rand verlangte. Man gab ihm einen Monat, um ein Logo zu entwerfen, das solch eine symbolische Kraft hatte wie der Speicher eines Siliziumchips. Er entschied sich dafür, das Wort in einen Würfel zu stellen, um das Produkt an sich darzustellen. Das Logo war nur zum Teil erfolgreich, da man eben den Würfel gleichstellte mit dem Produkt (das natürlich nicht so aussah), aber er bestand darauf, dass genau die Form essenziell für das Logo war. Nicht ohne Grund wandten sich viele Firmen an Rand, um ein Design zu entwerfen. Man wusste um seine Erfahrung und sein grafisches Können und der Erfolg gab ihm recht.

Links oben: Logo für das Fashionmagazin „Esquire“, 1938; Rechts oben: Logo für Messervertrieb Shur Edge, 1947; Links unten: Logo für den Maschinenhersteller Cummins, 1962; Rechts unten: Nie verwendetes Ford Logo, 1966

Links oben: Logo für die Universität Yale in den USA, 1985; Rechts oben: Logo für die Computerfirma Next, 1986; Links unten: Logo für die Kleidungsläden der Firma The Limited, 1988; Rechts unten: Logo für die Reise- und Bildungsdienstleistungen des Unternehmens Education First, 1993

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UNIFORMITY AND CONSEQUENCE ca. 1940: Typische Werbungen des Brandy „Coronet“

1953-57: Die einprägsamen Werbungen für die Zigarren von „El Producto“

Damals war es üblich, dass die Werbungen per se designte und layoutete. Folglich kam das Problem auf, dass eigentlich keine einheitliche Linie bei all den Werbungen einer Marke zustande kam. Das änderte Paul Rand, indem er Anzeigen erstmals konsequent mit einem bestimmten Design gestaltete, sodass die Wiedererkennbarkeit stieg. 97

Coronet Diese Marke war eine seiner ersten Klienten. Er designte den Coronet-Brandy-Mann. Dessen Kopf mutete einem Brandyglas an und die Punkte im Hintergrund sollten die Bläschen bei einem kohlensäurehaltigen Getränk symbolisieren. In Folge gestaltete er alle Anzeigen für den Brandy. Diese enthielten dann immer den Mann, die Bläschen und abgewandelte Formen der Nachricht, dass Coronet mit Ginger Ale, Cola und Soda schmecke.

El Producto Für die Zigarren der Marke El Producto schuf er ebenfalls eine Art Maskottchen, indem er einfach die Zigarre als Mann darstellte. Dadurch, dass er die Zigarre zu einem Männchen stilisierte, ergaben sich dann auch automatisch die Anzeigen, die er gestaltete. Die Idee war simpel und genial zugleich, denn die Werbungen waren einprägsam und stellten das beworbene Produkt bestmöglich in den Mittelpunkt der Kampagne. 98


L U A S SS A B

ve ati räv o p n n der u n d i er er ei ies s ein gner it. S ne D l i i e ul. ilt a kdes r Z re se und a g e e S it st aner rafi nser ond nzen s se i G s u n e rm as k D eri ten her nsbe requ este n A der Am nds mac ns, i itelf spät olde Mur ch ge lme sig n T ns e G of a Do en Fi De äre nd u h Th my nnt. In d ehr ne end r, si wit nato eka ng: e, s Im leg aile an er A hlb nfa eiter ne. gar Tr e M ) od wo er A e w spän s so enTh 955 959 rst d viel -Vor Bas kum (1 n 1 ar e en ilm aul Do vo s w folg e F ält S en es. da ern reich erh ür d creat 60 folg 969 ar f an er hr 1 Osc hy m J a nen W ei rfilm ta


EVERYONE LIKES SAUL AND HIS WORK Spannende Einblicke in sein Leben und seine Person: Ein Mensch voller Mut mit viel Talent und Begeisterung.

Saul am Filmset zwischen den Requisiten

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Saul erweist sich nicht nur als gut organisierter Selbstständiger sondern zeigt auch erstaunliche Führungsqualitäten, die seine Company unter anderem so erfolgreich macht. Saul schenkt seinen Mitarbeitern Anerkennung und beflügelt so zusätzlich seine leidenschaftlichen Mitarbeiter. Er schafft eine lockere und dennoch hochprofessionelle Atmosphäre, in der genügend Raum für Kreativität bleibt.

Saul arbeitet seit seinem sechzehnten Lebensjahr in der Werbe- und Grafikbranche. 1950 beschließt der damals Dreißigjährige, seinen hohen Posten als Art Director einer Agentur in Los Angeles an den Nagel zu hängen. Beschäftigt damit, mit Konzernen und Direktoren zu kommunizieren, Saul’s Liste an Arbeiten ist vielseitig: das Personal zu leiten und durch das Saul ist verantwortlich für einige der Büro zu hetzen, kam das zu kurz, was bekanntesten Firmenlogos der Welt. ihm wirklich wichtig war: Das Desi- Er entwarf die Logos der Fluglinignen. 1952 machte er sich zunächst en United Airlines und Continental als „one-man-concern“ selbstständig, Airlines, auch das berühmte Logo im Laufe der Jahre kam Pesonal hin- des US-Telekommunikationsriesen zu: die Saul Bass & Associates war AT&T stammt von ihm. 1962 denun geboren! Er heiratet 1961 seine signte Saul das Bilderbuch „Henri‘s Assistentin und große Liebe Elaine. walk to Paris“. Des Weiteren war der Als 1964 Tochter Jennifer und 1967 fleißige Mann an der Entstehung etJeffrey geboren wird, arbeitet Elaine licher Werbespots beteiligt, beispiels. trotz Mutterschaft weiterhin mit Saul weise für Rainier Beer, die Puppe an Kurzfilmen und Titelsequenzen. Baby Tenderlove, IBM und Hallmark. Seine Leidenschaft gilt aber einem anderen Medium: Er beurteilt die Werbung im Gegensatz zum Film als – aus kreativer Sicht – weniger erfüllend. Er begründet dies mit der dichten, zeitlichen Begrenzung eines Spots und deren kleineren Umfang. Saul’s Aussage, er seie als Produzent eines Werbespots eher ein Maurer als ein Architekt, verstärkt seine Ansicht dazu nochmals.

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Saul’s absolute Leidenschaft gilt dem Film. Beim Designen vom Titelfrequenzen am Beginn oder Ende eines Films steht ihm weitaus mehr Zeit zur Verfügung als die üblichen 30 bis 40 Sekunden eines Werbespots. Es bleibt viel Zeit und Raum für seine inhaltlichen Ideen, bunten Kreationen und beweglichen Grafiken. Er macht sich in der Hollywood-Szene bald einen Namen: Der Durchbruch gelang ihm dann 1955 schließlich, als er die Eröffnungssequenz zu Otto Premingers „Der Mann mit dem goldenen Arm“ gestaltete. Für die Filme des berühmten Regisseur und seinen engen Freund Alfred Hitchcock, gestaltete Saul zahlreiche Titelfrequenzen. Er schuf dafür eine ganz neue Bildersprache, die es zuvor im Kino nicht gegeben hatte. In den 50ern war es damals üblich gewesen, den Titel einfach auf einen Vorhang zu projizieren, der beim Beginn der ersten Szene gehoben wurde. Durch Saul’s Vorspänne war nun erstmals die Verkündigung des Filmtitels nicht mehr statisch, nahm Bezug auf die Handlung des Filmes und war fließend in das Medium integriert. ❤


IDOL AS ARTIST AND AS PERSON Ein Grafiker mit Moral, der die ethischer Verantwortung seines Jobs wahrnimmt. Saul vertritt eine liberale Ansicht und Weltanschauung. Er lehnt Werbung, die mithilfe von sozialen Status, mit Sex oder Vornehmtuerei Produkte bewirbt, strikt ab und verweigert Arbeitsaufträge, die er nicht mit guten Gewissens vertreten kann oder die seinen Sinn für Gerechtigkeit verletzt. Er macht sich viele Gedanken: Über die Menschen, Über die Arbeit, über Probleme, über das Leben – und designt kostenlos Plakate, Einladungen und Logos für None-Profit-Organisationen, an deren Sache er glaubt. Seine Beiträge reichen von Einladungen für die Southern California Peace Cruscade und die Plaintiffs Against the Blacklist bis hin zu der Great Issue Foundation und Transport-a-child. Er entwarf 1963 für die UNESCO das Plakat für The Human Rights Week. 1957 designte er ein Plakat für eine öffentliche Diskussion bezüglich der AtomkraftPolitik, bei der wichtige Sprecher wie beispielsweise der Friedens-Nobelpreisträger Dr. Linus Paul zugegen war.en 1959 setzte Saul abermals ein Zeichen: Mit dem Symbol für SANE (Sane Nuclear Policiy) vermittelte er seinen Mitmenschen, das die Zukunft in jedermann’s Hand liegt. ❤

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Saul Bass wans’t just an artist who contributed the first several minutes of someone in history, in my opinoon his body of work qualifies him as one of the best filmamekers of this, or any time. Steven Spielberg

The great thing in working with Saul, if you were composing music for main titles, is that your music never got a better break. Elmer Bernstein

One of my first mentors, Saul believed in me when I was a student, pushing my work when others are not interested. His extraordinary vision and creativ talents left their unique imprint on me. George Lucas

I believe that there are a few artists in our time who have created as memorable a series of designs and objects. Saul truly shaped the vision of our time. Milton Glaser

Saul is everything I’d always wanted in a colleague or boss. He go for that extre percentage and, with him, you achieve things you never dreamed you were capable of. Saul knows exactly what he wants to do and I would visually explore different ways of expressing his concept. It, in the process of that exploration, other more interesting ideas surfaced, we would develop those together as well. Any ideas that answered the criteria is welcome. Art Goodman Saul anderstood and harnessed the power of images, and his energy and ideas trancended the boundaries that have traditionally separated design, film, architecture and art. He helped tranform ourvisual landscape and shaped our sense of it was irrepressible in his search for the best solution. Harald M. Williams The screen has found in Saul Bass the creative artist capable of distracting the spectator from his own immediate experience... those who know him see Bass constantly in love with the well-presented image, marvelously modulating each emotion, and with a sensibility perfectly balanced by a sense of humor. Raymond Gid 105

If Saul Bass can die, none of us are safe. Ray Bradhury Saul could find the precise words to express the most complex visual ideas and he could create images to express any verbal concept. Irving Kerschner A man who speaks up to the world, an artist with soul; a person with conscience. Daniel Taradash Saul Bass disposes of a rich scale of forms and expression and an astoundingly vast artistic range... (that revals) the wit and ferility of a felicitious imagination. Ludwig EbenhĂśh

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REINVENTING MOVIE TITLES Saul, der legendäre Vater des Filmvorspanns und der Mann hinter Hitchcocks Eröffnungssequenzen, erlangte an Berühmtheit mit seiner audiovisuellen Gestaltung von Bewegtbild durch Typografie und Grafik-Design und wurde zum Wegbereiter für Motion Graphics als eine eigenständige Disziplin.

Saul begreift die Grafik Alfred Hitchcock, gab in einem Interals ein integrales Element view mit Francois Truffaut an, dass des Films und beschreibt einen ge- ihm die visuelle Gesamtwirkung der lungenen Vorspann als einen inhalts- Filme im Grunde wichtiger sei, als relevanten Prolog. In der Umsetzung die eigentliche Handlung. Er hatte heißt das nicht selten, dass grafische Saul nach der ersten Zusammenarund filmische Elemente zu einer Be- beit seines Films North by Northwest deutungseinheit verschwimmen. Der gleich zweimal in Folge verpflichtet. New Yorker macht aus der Notwendigkeit eine Kunst. Seine Vorspänne Saul Bass’ Faszination für das Medisind ein animiertes Spiel aus Farben um Film entspricht also wohl in etwa und Formen, erzählen Geschichten, der Faszination der Filmschaffenden noch bevor der eigentliche Film be- für seine Grafik. Er spielt nicht nur ginnt. Im Vorspann zu Hitchcocks mit den illustrativen Elementen und Vertigo wird das Auge der Haupt- Schrift, sondern auch mit filmischen darstellerin zum grafischen Element, Mitteln wie Einstellungen und Kadie spiralartigen und geometrischen merafahrten, und tut dies mit einer Liniengebilde zum Symbol für die Kunstfertigkeit, die Otto Preminger, inhaltliche Essenz des Films. Und die Alfred Hitchcock und ähnlich renomkinetische Typografie im Vorspann mierte Regisseure dazu veranlasst hat, zum Film Psycho scheint nicht nur ihn nicht ausschließlich als Designer die gespaltene Persönlichkeit des und Typografen, sondern auch als Norman Bates, sondern auch den ab- Berater am Set mit einzubeziehen. gehackten Rhythmus der legendären Saul’s Blick war der Blick eines GraDuschszene wiederzuspiegeln. fikers, der sich wie kaum ein anderer seiner Kollegen in das Medium Film Dass Bass nicht nur Titel-Sequenzen einfühlen kann.❤ kreieren, sondern einem Film auch eine beträchtliche Menge an visueller Identität verleihen konnte, wird bereits an den frühen Beispielen seiner Arbeit für Otto Preminger deutlich.

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1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1965 1965

The Man with the Golden Arm The Seven Year Itch Attack! Storm Center Around the World in Eighty Days Edge of the City The Pride and the Passion The Young Stranger Love in the Afternoon Saint Joan Cowboy The big Country Vertigo Bonjour Tristesse Anatomy of a Murder North by Northwest Some Like it Hot Psycho Exodus The Facts of Life Ocean’s Eleven The Magnificent Seven Spartacus One, Two, Three Something Wild West Side Story Walk on the Wild Side Nine Hours to Rama The Cardinal The Victors It’s a Mad, Mad, Mad, Mad World In Harm’s Way Bunny Lake is missing Seconds Grand Prix

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SAULS TICKET TO

HOLLYWOOD

Die erste Sequenz in diesen Film sorgte für großes Aufsehen, denn so künstlerische Filmtitel und Plakate waren vor Saul Bass in den 50ern keine Selbstverständlichkeit.

Abgeschieden wohnen sie in Buchstabhausen an der Küste des Semantik, eines großen Sprachozeans. Ein kleines Bächlein namens Duden fließt durch ihren Ort und versorgt sie mit den nötigen Regalien. Es ist ein paradiesmatisches Land, in dem einem die gebratenen Satzteile in den Mund fliegen. Nicht einmal von der allmächtigen Interpunktion werden die Blindtexte beherrscht – ein geradezu unorthographisches Leben. Eines Tages aber beschloss eine kleine Zeile Blindtext, ihr Name war Lorem Ipsum, hinaus zu gehen in die weite Grammatik. Der große Oxmox riet ihr davon ab, da es dort wimmele von bösen Kommata, wilden Fragezeichen und hinterhältigen Semikoli, doch das Blindtextchen ließ sich davon nicht beirren. Es packte seine sieben Versalien, schob sich sein Initial in den Gürtel und machte sich auf den Weg. Als es die ersten Hügel des Kursivgebirges erklommen hatte, warf es einen letzten Blick auf die Skyline seiner Heimatstadt Buchstabhausen, die Headline von 109

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THE MAN WITH THE GOLDEN ARM Alphabetdorf und die Subline seiner eigenen Straße, der Zeilengasse. Wehmütig lief ihm eine rhetorische Frage über die Wange, dann setzte es seinen Weg fort. Unterwegs traf es eine Copy. Es warnte das Blindtextchen, da, wo sie herkäme wäre sie zigmal umgeschrieben worden und alles, was von ihrem Ursprung noch übrig wäre, sei das Wort „und“ und das Blindtextchen solle umkehren und wieder in sein eigenes, sicheres Land zurückkehren.

und so dauerte es nicht lange, bis ihm ein paar heimtückische Werbetexter auflauerten, um es mit Longe und Parole betrunken machten und es dann in ihre Agentur schleppten, wo sie es für ihre Projekte wieder und wieder missbrauchten. Und wenn es nicht umgeschrieben wurde, dann benutzen Sie es immernoch.

Weit hinten, hinter den Wortbergen, fern der Länder Vokalien und Konsonantien leben die Blindtexte. AbgeDoch alles Gutzureden konnte es nicht überzeugen und schieden wohnen sie in Buchstabhausen an der Küste des so dauerte es nicht lange, bis ihm ein paar heimtückische Semantik, eines großen Sprachozeans. Ein kleines BächWerbetexter auflauerten, es mit Longe und Parole betrun- lein namens Duden fließt durch ihren Ort und versorgt ken machten und es dann in ihre Agentur schleppten, wo sie mit den nötigen Regelialien. sie es für ihre Projekte wieder und wieder mißbrauchten. Und wenn es nicht umgeschrieben wurde, dann benutzen Es ist ein paradiesmatisches Land, in dem einem gebraSie es immernoch. Die Copy warnte das Blindtextchen, tene Satzteile in den Mund fliegen. Nicht einmal von da, wo sie herkäme wäre sie zigmal umgeschrieben wor- der allmächtigen Interpunktion werden die Blindtexte den und alles, was von ihrem Ursprung noch übrig wäre, beherrscht – ein geradezu unorthographisches Leben. sei das Wort „und“ und das Blindtextchen solle umkeh- Eines Tages aber beschloß eine kleine Zeile Blindtext, ihr ren und wieder in sein eigenes, sicheres Land zurückkeh- Name war Lorem Ipsum, hinaus zu gehen in die große ren. Doch alles Gutzureden konnte es nicht überzeugen weite Grammatik. ❤ 111

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SOME FAMOUS FILM POSTERS

Saul Bass fing mit einfachen Grundformen und Gebrauch von Primärfarben die Essenz von Filmklassikern auf deren Plakaten ein. Zu jedem Film designte er Plakate, Anzeigen oder Einladungen zu der Premiere. Das weinende Auge der Bonjur Tristesse soll ein kraftvolles und berührendes Symbol für die Liebe, Verlust, Unschuld und Sehnsucht darstellen. Anatomy of a murder ist dem zugleich ähnlich wie anders: die kräftige Farbe sowie die synonyme und flächige Darstellung zog sich durch die gesamte Kampagne.❤ 113

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Alfred Hitchcook war so angetan von Saul’s Arbeiten zu „Vertigo“ und „Northwest“, dass der berühmte „König der Spannung“ ihn nicht nur darum bat die Titelfrequenz für seinen nächsten Film zu kreieren, sondern Saul auch als Berater für seinen Horrorfilm Psycho einsetzte. Der Film Psyho war ein low-budget Horrorfilm, der von einen psychisch gestörten Motelmanager handelt. Die Titel vermitteln Ordnung und Unordnung, Funktion und Störung, Unruhe und düstere Vorahnung. Er kombinierte durch die Balken eine verstörende Stimmung mit Ordnung. Trafen diese aufeinander offenbarten sie einen Namen oder Titel, der rasch von der Bildfläche verschwand. Die grauen Balken gleiten mit gleicher Gewichtung über den Screen, aber variieren in ihrer Geschwindigkeit und Länge. Es entstehen zahlreiche starke Kontraste: Schwarz und Weiß, Vertikal und Horizontal, Lang und Kurz. Am Ende des Vorspanns findet ein fließender Übergang weg von den Balken hin zu dem Ort statt, an dem die erste Szene stattfindet. 115

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OCEANS ELEVEN

Der amüsante, animierte Vorpann zu den „Rattenpack“-Film, in den Hauptrollen mit Angie Dickinson, Frank Sinatra, Dean Martin, Peter Lawford, Sammy Davis Jr. und Richard Conte, in dem der spektakulärsten Raubüberfall auf ein Casinos geplant wird den es je gegeben hat, folgt der Musik komponiert von Nelson Riddle. Der Film spielt in Las Vegas. Der Stil des Titels soll das extravagante Nachtleben der Stadt widerspiegeln, mit all ihren spektakulären, blinkenden und farbigen Schildern. Die Bilder des Vorspannes, wie auch die Namen, setzen sich aus vielen kleinen Punkten zusammen, welche die bunten, auffälligen Farben, in der die Stadt beleuchtet

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wird, simulieren soll. Im Laufe der Frequenz entsteht aus den Punkten ein Spielautomat, auf dem anstelle der üblichen Symbolen drei Martinis und ein Betrunkener erscheint. Der Vorspann endet mit einem Würfelspiel, auf dem der Name des Regisseur, Lewis Milestone erscheint. Zusammenfassend lässt sich sagen, das Saul einen humorvollen und witzigen Vorspann gestaltete, deren blinkende Icons sich herrvoragend auf die grellen, helle Bildschirme Las Vegas in den späten 1950er Jahre beziehen.

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Für diesen ulkigen, comicartigen Film wollte Saul ein Gefühl von Wahnsinn vermitteln und das Publikum kontinuierlich überraschen und amüsieren. Die Titelsequenz ist ein dreieinhalb Minuten andauernder, animierter Cartoon, unterlegt mit einer fröhlichen Musik von Ernest God.

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ITS A MAD MAD MAD MAD WORLD Der Vorspann entfesselt die pure Kreativität: Aufgebaut auf das Symbol eines Weltballes entsteht eine Serie voll mit visual puns. Die Stimmung war lustig: Die Herausforderung bestand darin zu entdecken, wie viele verschiedene Möglichkeiten in der Idee des skizzierten Globus steckten. Die Welt verwandelte sich von einem Ball zu einen Ballon, vom Dosenöffner zu einer aufziehbaren Spieluhr, zu einem Jojo bis zu einem Ei. Es hüpfte, wurde aufgeschnitten und durchsägt: Außerdem wurde die Welt 120

aufgeblasen, in Stücke gerissen und durch die Luft gewirbelt. Dies und noch mehr ist im Vorspann aufzufinden. Wie zu den Film selbst auch gab es viele Voraussetzungen, die es zu erfüllten galt: Die Titelsequenz treibt damit Schabernack und bringt sie schließlich zu einem sinnvollen Punkt. Während der Globus durch einen Überfluss an humorvollen und lustigen Verwandlungen reist, springt die Hintergrundfarbe von orange zu rot und gegen Ende zu einem grellen, auffälligen Pink.


SHORT FILMS

Nach den vielen Vorspännen verspürt Saul den Wunsch, Anfang, Mitte und Schluss eines Films zu machen. Ein wichtiger Impuls, um mit Kurzfilme zu beginnen. Er hörte leise Schritte hinter sich. Das bedeutete nichts Gutes. Wer würde ihm schon folgen, spät in der Nacht und dazu noch in dieser engen Gasse mitten im übel beleumundeten Hafenviertel? Gerade jetzt, wo er das Ding seines Lebens gedreht hatte und mit seiner Beute verschwinden wollte! Hatte einer seiner zahllosen Kollegen dieselbe Idee gehabt, ihn beobachtet und abgewartet, um ihn nun um die Früchte seiner Arbeit zu erleichtern? Oder gehörten die Schritte hinter ihm zu einem der unzähligen Gesetzeshüter dieser Stadt, und die stählerne Acht um die Handgelenke würde gleich zuschnappen? Er konnte die Aufforderung stehen zu bleiben regelrecht schon hören. Gehetzt sah er sich um. Plötzlich erblickte er den schmalen Durchgang. Blitzartig drehte er sich nach rechts und verschwand zwischen den beiden Gebäuden.

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Beinahe wäre er dabei über den umgestürzten Mülleimer gefallen, der mitten im Weg lag. Er versuchte, sich in der Dunkelheit seinen Weg zu ertasten und erstarrte: Anscheinend gab es keinen anderen Ausweg aus diesem kleinen Hof als den Durchgang, durch den er gekommen war. Die Schritte wurden lauter und lauter, er sah eine dunkle Gestalt um die Ecke biegen. Fieberhaft irrten seine Augen durch die nächtliche Dunkelheit und suchten einen Ausweg. War jetzt wirklich alles vorbei, waren alle Mühe und alle Vorbereitungen umsonst? Er presste sich ganz eng an die Wand hinter ihm und hoffte, der Verfolger würde ihn übersehen, als plötzlich neben ihm mit kaum wahrnehmbarem Quietschen eine Tür im nächtlichen Wind hin und her schwang. Könnte dieses der flehentlich herbeigesehnte Ausweg aus seinem Dilemma sein? Langsam bewegte er sich nun auf die offene Tür zu, immer dicht an die Mauer gepresst. Würde diese Tür zur seine Rettung werden? Er hörte leise Schritte hinter sich. Das bedeutete nichts Gutes. Wer würde ihm schon folgen, spät in der Nacht und dazu noch in dieser engen Gasse mitten im übel beleumundeten Hafenviertel? Gerade jetzt, wo er das Ding seines Lebens gedreht hatte und mit seiner Beute verschwinden wollte! Hatte da etwa einer seiner zahllosen Kollegen dieselbe Idee gehabt, ihn beobachtet und abgewartet, um ihn nun um die Früchte seiner Arbeit zu erleichtern? Oder gehörten die Schritte hinter ihm zu einem der unzähligen Gesetzeshüter dieser Stadt?

1962

1964

1968

Apples and Oranges

The New York World‘s Fair From Here to Here The Searching Eye

Saul im Schneideraum vor der Moviola 1960

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Why Man Creates


WHY MAN CREATES

Im Jahr 1969 wird Saul für seinen animierten Kurz-Dokumentarfilm „Why Man Creates“ mit dem Oscar in der Kategorie des Besten Dokumentar-Kurzfilm ausgezeichnet

Eine wunderbare Heiterkeit hat meine ganze Seele eingenommen, gleich den süßen Frühlingsmorgen, die ich mit ganzem Herzen genieße. Ich bin allein und freue mich meines Lebens in dieser Gegend, die für solche Seelen geschaffen ist wie die meine. Ich bin so glücklich, mein Bester, so ganz in dem Gefühle von ruhigem Dasein versunken, dass meine Kunst darunter leidet. Ich könnte jetzt nicht zeichnen, nicht einen Strich, und bin nie ein größerer Maler gewesen als in diesen Augenblicken. Wenn das liebe Tal um mich dampft, und die hohe Sonne an der Oberfläche der undurchdringlichen Finsternis meines Waldes ruht, und nur einzelne Strahlen sich in das innere Heiligtum stehlen, ich dann im hohen Grase am fallenden Bache liege, und näher an der Erde tausend mannigfaltige Gräschen mir merkwürdig werden; wenn ich das Wimmeln der kleinen Welt zwischen Halmen, die unzähligen, unergründlichen Gestalten der

Saul mit Art Goodman am Boden seines Büros mit der ausgerollten Skizze für den Kunstgeschichte-Turm

Saul und Elaine bei der Arbeit 1967

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Würmchen, der Mückchen näher an meinem Herzen fühle, und fühle die Gegenwart des Allmächtigen, der uns nach seinem Bilde schuf, das Wehen des Alliebenden, der uns in ewiger Wonne schwebend trägt und erhält; mein Freund! Wenn’s dann um meine Augen dämmert, und die Welt um mich her und der Himmel ganz in meiner Seele ruhn wie die Gestalt einer Geliebten, dann sehne ich mich oft und denke: Ach könntest du das wieder ausdrücken, könntest du dem Papiere das einhauchen, was so voll, so warm in dir lebt, dass es würde der Spiegel deiner Seele, wie deine Seele ist der Spiegel des unendlichen Gottes! Mein Freund – aber ich gehe darüber zugrunde, ich erliege unter der Gewalt der Herrlichkeit dieser Erscheinungen. Eine wunderbare Heiterkeit hat meine ganze Seele eingenommen,

gleich den süßen Frühlingsmorgen, die ich mit ganzem Herzen genieße. Ich bin allein und freue mich meines Lebens in dieser Gegend, die für solche Seelen geschaffen ist wie die meine. Ich bin so glücklich, mein Bester, so ganz in dem Gefühle von ruhigem Dasein versunken, dass meine Kunst darunter leidet. Ich könnte jetzt nicht zeichnen, nicht einen Strich, und bin nie ein größerer Maler gewesen als in diesen Augen blicken. Wenn das liebe Tal um mich dampft, und die hohe Sonne an der Oberfläche der undurchdringlichen Finsternis meines Waldes ruht, und nur einzelne Strahlen sich in das innere Heiligtum stehlen, ich dann im hohen Grase am fallenden Bache liege, und näher an der Erde tausend mannigfaltige Gräschen mir merkwürdig werden; Wenn ich das Wimmeln der kleinen Welt zwischen Halmen, die unzähligen, unergründlichen Gestalten der Würmchen, der Mückchen näher an meinem Herzen fühle, und fühle die Gegenwart des Allmächtigen, der uns nach seinem Bilde schuf, das Wehen des Alliebenden, der uns in ewiger Wonne schwebend trägt und erhält; mein Freund!

THE MODERN WORLD

LEONARDO & MICHELANGELO

RENNAISSANCE

MIDDLE AGES

DARK AGES

ROME

GREECE Die humorvolle und animierte Kunstgeschichte der Welt, deren Ideen einen Turm bilden. Die Frequenz läuft von Boden zur Spitze hinauf.

EGYPT EARLY MAN 125

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IMPRESSUM Eine Arbeit von Claudia Dießner, Daniela Kondelik und Virginie Lang im Sommersemester 2013/14 unter der Betreuung von Ulrike Pötschke. Typische Typografie, Saul Bass: Claudia Dießner Werben in den Sechzigern, Willy Fleckhaus, Paul Rand: Daniela Kondelik Grafikdesign, Karl Gerstner, Massimo Vignelli: Virginie Lang

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DIE WILDEN SECHZIGER Mondlandung, Farbfernsehen, Woodstock – das alles geschah in den 60ern. Es war eine Zeit des Wandels, Umdenkens und Umschwungs. Doch nicht nur historisch gesehen hat sich in dieser Zeit viel getan, sondern auch im Bereich der Werbung, Typografie und Grafikdesign gab es einige Umbrüche. Diese Broschüre soll einen Einblick in diese Bereiche geben und des weiteren Grafiker vorstellen, die diese Zeit beeinflusst und sozusagen mitgestaltet haben.


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