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Glücksbringer und Unholde

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JAPANS MYTHISCHE TIERE & FABELWESEN

Ob als göttliche Boten, freundliche Helfer oder listige Trickser – Tiere sind in der japanischen Mythologie, Folklore und Religion allgegenwärtig. Nicht selten haben Symboliken und Darstellungen ihren Ursprung in China, die insbesondere während der Heian-Zeit nach Japan kamen. Viele der Mythen, in denen tierische Wesen auftauchen, wurden erstmals in Japans ältesten Schriftwerken, dem Kojiki sowie dem Nihon shoki, erwähnt. Auch in der heutigen Zeit sind jene Tiere vielerorts anzutreffen, sei es als Gegenstand traditioneller Bräuche oder in der Popkultur. Wir stellen sechs Tiere

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und Fabelwesen sowie ihre Bedeutung genauer vor. (Text: Diana Casanova, Illustrationen: Yuri Sakurai)

Mehr auf der Webseite: Kultur-Erbe > Religion & Übernatürliches

DER KOI

Untrennbar mit der westlichen Vorstellung von Japan und dessen Kunst und Ästhetik verbunden ist der Koi-Karpfen. Man findet ihn dabei nicht nur in traditionellen Gärten als typischen Teichbewohner. Einer berühmten chinesischen Legende zufolge schwimmen diese Fische gegen die gefährlichen, reißenden Strömungen des Gelben Flusses an. Jene, die es die mächtigen Wasserfälle hinauf bis zum Drachentor schaffen, verwandeln sich in prächtige Drachen, die gen Himmel emporsteigen können. Kois gelten als Symbol für Durchhaltevermögen, Ehrgeiz und Mut, aber auch für Glück und Langlebigkeit. Das macht sie auch zu einem beliebten Motiv in der traditionellen Tattoo-Kunst irezumi. Am Kindertag, dem 5. Mai, sind die Fische häufig als farbenfrohe Flaggen in ganz Japan zu sehen – ein Ausdruck des elterlichen Wunsches, ihre Kinder mögen so stark und erfolgreich wie der Koi werden.

DER TANUKI

Als geliebter Bestandteil der japanischen Folklore sieht man vielerorts kleine Statuen eines tanuki, z.B. vor Gebäuden oder Schreinen. Diese zeigen ihn typischerweise als rundliches, Waschbär-ähnliches Wesen mit Strohhut, großen Augen und noch größeren Testikeln. Man sagt den tanuki magische Fähigkeiten nach, mit denen sie sich in Objekte, Tiere oder sogar Menschen verwandeln können. Sie seien fröhliche und schelmische Reisende, die mit ihren Kräften den Menschen auch einmal Streiche spielen. In der modernen Zeit hat besonders der Ghibli-Film „Pom Poko“ (1994), der sie als soziale, Spaß liebende Wesen darstellt, zu diesem Image beigetragen. Nicht zu verwechseln mit Mardern oder Waschbären, sind tanuki – auf Deutsch „Marderhunde“ – nachtaktive, in Ostasien heimische Tiere aus der Familie der Hunde, die im wahren Leben wenig mit dieser drolligen Vorstellung gemeinsam haben.

DER FUCHS

Füchse (kitsune) spielen besonders im Shintōismus eine wichtige Rolle, denn sie gelten als heilige Vertraute des Inari, Gott des Reises und der Fruchtbarkeit. In ganz Japan sind ihm Schreine gewidmet – der Fushimi Inari Taisha in Kyōto mit seinen tausenden, roten torii gehört zu den berühmtesten. Kitsune gelten als intelligente Glücksbringer und magische Gestaltenwandler mit bis zu neun Schwänzen. Je nach Erzählung seien sie aber auch durchtrieben und rachsüchtig. Ab einem gewissen Alter könnten sie die Gestalt von Menschen annehmen, bevorzugt eine weibliche. Während der Edo-Zeit gab es den Aberglauben, dass eine schöne Frau, der man nachts allein begegnet, ein verwandelter Fuchs sein könnte, der Männer verzaubern will. Daher gelten Füchse auch als Symbol der Weiblichkeit und Sexualität. Eine Legende einer solchen Fuchsfrau handelt von Kuzunoha, die einen Menschen heiratete und ein Kind gebar.

DER AFFE

Weil sie in ganz Japan heimisch sind, nehmen Affen häufig eine große Stellung in Legenden ein. Mal sind sie Helden, mal böse Geister und mitunter sogar Boten zwischen der göttlichen und der menschlichen Welt, wie die Affengottheit Sarugami, die dem Berggott Sannō dient. Als eine der bekanntesten Figuren chinesischer Folklore fand auch der übermenschlich starke Affenkönig Sun Wukong, der sogar die Elemente manipulieren kann, seinen Weg in die japanische Kunst- und Märchenwelt. Dieser ist die Vorlage für den Charakter Son Goku des weltberühmten Mangas „Dragon Ball“. Ebenfalls im Westen bekannt sind die drei Affen, die „nichts sehen, nichts hören, nichts sagen“. Sie gehen auf das japanische Sprichwort mizaru, kikazaru, iwazaru mit derselben Bedeutung zurück. Die Verbendung -zaru ähnelt dem Wort für „Affe“ (saru), woraus sich die Verbindung mit den Tieren ergab.

DER KRANICH

Ein weiteres Tier, das mit Japan assoziiert wird, ist der (Mandschuren-)Kranich. Seine elegante Form und das charakteristische, rote Haupt sind Gegenstand vieler Gedichte und Kunstwerke des vormodernen Japans. Als monogame Tiere stehen Kraniche für Glück und Treue, die angeblich bis zu 1 000 Jahre alt werden und den Menschen Wünsche erfüllen. So handelt das Märchen Tsuru no ongaeshi von einem verarmten Mann, der einen Kranich vor dem Tod rettet, der sich wiederum aus Dank in eine Frau verwandelt und ihm zu Wohlstand verhilft. Seit Ende des 2. Weltkrieges gilt besonders der Origami-Kranich als Symbol für Frieden und Hoffnung. Dies geht auf die Geschichte des Mädchens Sasaki Sadako zurück, das den Atombombenangriff auf Hiroshima 1945 überlebte, doch später an Leukämie starb. Sie beschloss 1 000 Papier-Kraniche zu falten, damit sich ihr Wunsch nach Heilung und Frieden erfüllen möge.

DER DRACHE

Der Drache ist womöglich das berühmteste Fabelwesen der Welt, dessen Aussehen und Charakter von Region zu Region stark variieren können. In Asien zeichnet er sich durch seinen schlangenartigen, flügellosen Körper sowie – anders als in westlichen Darstellungen – durch seine enge Verbindung zum Wasser aus. Auch hier wurde das Bild des Drachen maßgeblich durch chinesische Folklore geprägt, die ihm u.a. Tapferkeit, Weisheit und Güte zuspricht, selten Böses oder Zerstörung. Eine der ersten drachenähnlichen Darstellungen in japanischen Legenden war Yamata no Orochi, ein achtköpfiges Schlangenwesen, das vom Sturmgott Susanoo aus dem Himmelsreich verbannt wurde. Auch die Schutzgottheit Ryūjin, manchmal gleichgesetzt mit dem Meeresgott Watatsumi, ist ein Drache, der in einem Palast unter dem Meer lebt und mit magischen Juwelen die Gezeiten beherrscht.

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