Ă„STHETIK DES VERFALLS Fotografische Impressionen von Thomas Deicke
Ă„STHETIK DES VERFALLS Fotografische Impressionen von Thomas Deicke
Die Sanduhren erinnern nicht bloĂ&#x; an die schnelle Flucht der Zeit, sondern auch zugleich an den Staub, in welchen wir einst verfallen werden. [Georg Christoph Lichtenberg | 1742-1799]
Der stete gesellschaftliche und wirtschaftliche Wandel hinterlässt eine Fülle verlassener Architektur. Sie fristet oftmals ein trostloses Dasein und/oder wartet auf den Abriss. Für viele Menschen sind diese sog. Lost Places ein Schandfleck, der dringend beseitigt werden muss. Andere wiederum schwelgen bei ihrem Anblick in Erinnerungen an das Gestern, weil sie dort beispielsweise einen großen Teil ihres Berufslebens verbrachten. Nur wenige Menschen machen sich die Mühe, sich ausgiebig mit dem Hier und Jetzt zu befassen. Just dies ist der Ausgangspunkt meiner fotografischen Entdeckungsreisen. Ich bin kein Historiker, der die Geschichte dieser Orte dokumentieren will. Mich interessieren bei meinen Erkundungen vielmehr zwei Aspekte: - Die Schönheit des Morbiden. - Das meist außergewöhnliche Spiel des Lichts. Ich wünsche Dir viel Spaß, mich auf meinen Entdeckungsreisen zu begleiten. Eine Nennung der gezeigten Orte findest Du am Ende des Buches und weiterführende Informationen sowie weitere Arbeiten von mir kannst Du meiner Homepage www.urbex-online.de entnehmen.
GEISTERSTADT PIER Im Frühjahr 2014 besuchte ich die Reste des kleinen Örtchens Pier in Nordrhein-Westfalen. Die Totenglöckchen spielten schon ihr makabres Lied. Noch gut ein Jahr und von dieser Gemeinde wird nichts mehr übrig sein. Die riesigen Schaufeln der Braunkohlebagger des Tagebergbaus Garzweiler haben gewaltigen und kaum stillbaren Hunger. Und Pier wird einer der nächsten Happen sein, den sie sich einverleiben. Einst lebten in dem beschaulichen Dorf 1.500 Menschen. Von ihnen ist nichts mehr geblieben und meine luxemburgische Freundin brachte es bei unserem Besuch gut auf den Punkt: „Thomas, aber die Vögel zwitschern wenigstens noch!“. Richtig. Das war aber auch schon das einzige Leben in Pier. Ich gebe zu, dass der Zeitpunkt meines Besuchs vielleicht etwas verwegen war – nämlich Ostern 2014. Ein Blick in die Bibel offenbart die Perspektive – auch für Pier. Denn irgendwann sollen die ausgekohlten Bereiche (so heißt das im Fachjargon) rekultiviert werden. Man will sie neu bebauen und bewirtschaften. Die Planer träumen von Ackerland, saftigen Weiden und vor allem von Seen, die den Freizeitwert der Region steigern. Die RWE rechnet vor, dass dies allerdings bis 2030 dauern kann. Kurzum: Die Geisterstadt Pier wird wieder auferstehen – nicht nach wenigen Tagen, das steht allerdings fest. Aber so eng sollte man das vielleicht auch nicht sehen. Die Bibel ist ja auch nicht immer ganz genau.
KASERNE FORST ZINNA
Die Kaserne Forst Zinna gehört zum Gebiet der Stadt Jüterbog – einst eine der größten Garnisonsstädte in Deutschland. Der Grundstein der Kaserne wurde 1934 gelegt. Seinerzeit errichtete die Wehrmacht rund um Jüterbog verschiedene neue Standorte, die – dem Zeitpunkt ihrer Entstehung entsprechend – in Altes Lager, Neues Lager und Lager III benannt wurden. Letzteres war die Kaserne Fort Zinna, die das Militär zwischenzeitlich auch auf den Namen Waldlager oder Adolf-Hitler-Lager taufte. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs zog die sowjetische Armee ein und nutzte Forst Zinna lange Zeit als Internierungslager für Angehörige anderer Staaten. Sie wurden hier im Regelfall gegen ihren Willen hier festgehalten, um sie mit Sammeltransporten in die Herkunftsländer abzuschieben. Später – nämlich nach 1947 – zog auf Beschluss der SED die neu gegründete Deutsche Verwaltungsakademie Walter Ulbricht hier ein. Die noch von der Wehrmacht errichteten Bauten (Kaserne, technischer Bereich, Kino und Theater sowie Sportstätten) konnte sie hervorragend nutzen. All diese Bauten wurden seinerzeit in einer parkähnlichen Landschaft platziert, was den neuen Nutzern sehr dienlich erschien. Die Aufgabe der neuen Bildungseinrichtung war, die politische Elite an die schrittweise Entstehung der Selbstverwaltung der Besatzungszone bzw. die Gründung der DDR heranzuführen. 1953 wurde das Gelände wieder von der Sowjetarmee übernommen. Seit der Wende stehen sie leer.
MALBERG BAHN Bist Du eigentlich schon einmal mit einer Bergbahn gefahren? Ich nicht … würde es aber gern. Ich stell mir das gemütliche Bergaufzuckeln recht amüsant vor. Fast einhundert Jahre konnten sich Kurgäste und natürlich die Einheimischen eines kleinen Kurorts in Rheinland-Pfalz über diese praktische Annehmlichkeit freuen. Denn das Ziel dieser kleinen Reise war wirklich sehenswert. Oben auf dem Berg angekommen, bietet sich einem eine wundervolle Aussicht. Da die kleine Bergbahn heute als technisches Relikt gehandelt wird und nicht mehr in Betrieb ist, musste ich den beschwerlichen Weg zu Fuß auf mich nehmen … und das bei Minusgraden. Aber ich wollte unbedingt wissen, warum die Bergbahn einst so beliebt war. Abschließend ein Blick in die Vergangenheit: Im Jahr 1882 entschloss sich die Gemeinde wegen des Fernbleibens ihrer Kurgäste, eine neue Attraktion zu errichten. Die Ratsherren beschlossen, eine Bergbahn auf den 350 Meter hohen „Hausberg“ der Gemeinde zu errichten … natürlich mit einem gastronomischen Betrieb am Ende der kurzen Reise. Da Beschlüsse von Gemeinden nie schnell in die Tat umgesetzt werden, begannen die Bauarbeiten erst im Jahr 1886. Dann ging es allerdings schnell: Die feierliche Eröffnung fand bereits im Juli des Folgejahres statt.
GEISTERSTADT DOEL Am grauen Strand, am grauen Meer Und seitab liegt die Stadt; Der Nebel drückt die Dächer schwer, Und durch die Stille braust das Meer Eintönig um die Stadt. Es rauscht kein Wald, es schlägt im Mai Kein Vogel ohne Unterlass; Die Wanderganz mit hartem Schrei Nur fliegt in Herbstesnacht vorbei, Am Strande weht das Gras. Doch hängt mein ganzes Herz an dir, Du graue Stadt am Meer; Der Jugend Zauber für und für Ruht lächelnd doch auf dir, auf dir, Du graue Stadt am Meer. [Theodor Storm | 1817 – 1888]
Wirklich ansehnlich war das kleine Örtchen Doel im belgischen Flandern noch nie. Es ist eingekesselt von den Kühltürmen eines der beiden Atomkraftwerke des Landes und den Ausläufern des Containerhafens Antwerpens – dem drittgrößten Hafen dieser Art in Europa. Und dennoch ist es schon seit Jahren ein Hotspot für Fotografen aus aller Herren Länder. Gut möglich, dass man bei einem Rundgang und an einem sonnigen Tag dort auf einen Schlag Fotografen aus Holland, Belgien, Frankreich und Deutschland trifft. Sie alle schlendern (mehr oder weniger) bedächtig durch den 400 Jahre alten Ort, bleiben mal hier und mal da stehen, um ihre Eindrücke festzuhalten. Was sie anzieht? Nun: Doel gilt gemeinhin als Geisterstadt. Die meisten Einwohner gaben schon vor Jahren Haus und Hof auf. Ihre Häuser wurden verriegelt und verrammelt. Sie verfallen nach und nach. Zwischendrin findet man dann immer mal wieder einen gepflegten Vorgarten der Ausharrenden. Oder soll ich vielleicht eher sagen … der Hoffenden. Doch worauf hoffen Sie!? Das sich das Rad der Zeit zurückdreht? Undenkbar.
HUNTER S HOTEL
Vom früheren Glanz dieses Luxushotels ist nicht mehr viel übrig. Der Ort ist verschlafen. Man könnte glauben, flott mal einhundert Jahre in die Vergangenheit versetzt worden zu sein. Nicht nur, dass der Eigentümer die Zimmer liebevoll im alten Stil erhielt. Nein, selbst in den Schränken und Schubladen sind noch Gegenstände und Kleider aus längst vergangener Zeit.
Ganz besonders beeindruckend fand ich natürlich auch die Gaststube des Hunters Hotel. Ein Kleinod, von dem ich hoffe, dass es noch möglichst lange in diesem Zustand erhalten bleibt. Als ich den Raum betrat, konnte ich vor meinem inneren Auge förmlich den Glanz vergangener Zeiten sehen und auch Sissi, die einst das Hotel besuchte und nun in einer Ecke saß und die heimische Küche genoss.
STATION HERMESKEIL Kleine Jungen spielen mit der Spielzeugeisenbahn und große Jungen legen sich ein Dampflok-Museum zu. Beide geben sich mit gleicher Leidenschaft ihrem Hobby hin – wenn auch die großen und echten Lokomotiven etwas teurer in der Anschaffung und gar im Unterhalt sind als deren kleine Brüder von Merklin.
Das Dampflok-Museum in Hermeskeil wird einem solchen Enthusiasten geleitet – nämlich Bernd Falz. Er machte 1986 seine große Leidenschaft zum Beruf, erstand den alten Lokschuppen unweit vom Hermeskeiler Bahnhof und gleich noch ein riesiges Bahnbetriebsgelände dazu. Fortan sammelt er hier alte Dampflokomotiven, E- oder Dieselloks. Sie stammen teilweise noch aus der Preußenzeit von 1913 oder aus der DDR. Über 50 Lokomotiven hat er bisher zusammengetragen. Und das Besondere: Die wenigstens Loks sind restauriert oder wenigstens in einem fahrbereiten Zustand. Böse Zungen würden behaupten, dass er letztlich Eintritt für einen Lokomotiv-Friedhof nimmt. Ich sehe das anders und ich habe es genossen, die vielen alten und rostigen Dampfrössern zu erkunden. Da waren viele Überraschungen dabei.
MÄDCHENINTERNAT
NOTRE
DAME
Was für eine herrliche Umgebung für ein Internat: ein kleines Dorf nahe der deutschfranzösischen Grenze mit gerade einmal 750 Seelen und vielen mittelalterlichen Bauten. Dies ist genau die richtige Umgebung, um jungen Mädchen Zucht, Ordnung und Bildung zu vermitteln ... so waren die Gedanken der Gründer dieses Internats im Jahr 1925. Möglich wurde das alles, weil ein wohlhabender Bürger der Region dem Priesterseminar von Nancy dieses prachtvolle Grundstück spendete. Natürlich gingen die Wirrungen des Zweiten Weltkriegs nicht spurlos an diesem Ort vorüber. Unmittelbar nach der Besetzung des Gebiets durch die deutschen Truppen konfiszierten diese den Bau, um ihn bis zur Befreiung durch die Amerikaner zu nutzen. Nach dem Krieg wurde der Lehrbetrieb schnell wieder aufgenommen. Im Internat wohnten bis zu 626 Schülerinnen. Warum die Einrichtung 2001 aufgegeben wurde, kann ich nicht sagen. Auf jeden Fall kam das Ende für die Bewohnerinnen plötzlich und unerwartet. Seither schlummert das Gebäude. Hoffnung für eine Nachnutzung gibt es ... eine Grundschule ist vor einiger Zeit eingezogen und nutzt einen Trakt des ehemaligen Internats.
SANATORIUM HEENICH Im Sanatorium Heenich wurden fast 30.000 an Tuberkulose erkrankte Menschen behandelt oder fanden hier ihre letzte Lebensstation. Eine gewaltige Zahl die zeigt, welche Bedeutung das Sanatorium für die Region hatte. Seine Geschichte ist ein Spiegelbild des Kampfes gegen die Volkskrankheit Tuberkulose. Das Sanatorium wurde im Mai 1907 eingeweiht. Die Heilstätte erfreute sich von Anfang an besonderem Wohlwollen des Landesfürsten. Immerhin war sein Sohn an Tuberkulose erkrankt und wurde hier behandelt. Aber einmal abgesehen von dem prominenten Patienten beherbergte das Sanatorium viele Angehörige des Mittelstandes, die ihre Behandlung selbst zahlten. Mit drei Mark pro Tag war das für Sie erschwinglich. Fast die Hälfte aller Patienten waren im Jahr 1921 sogenannte „Selbstzahler“ – im Gegensatz dazu waren es im Jahr 1955 nur noch drei Patienten. Die Belegung des Sanatoriums erreichte 1955 mit fast 76.000 Verpflegungstagen ihren Höhepunkt. Die Kurdauer betrug im Durchschnitt 140 Tage. Die Mehrzahl der Patienten war seinerzeit zwischen 20 und 30 Jahre alt. Diesen Patienten fiel es besonders schwer sich mit den Einschränkungen eines so langen Kuraufenthaltes und den strengen ärztlichen Anordnungen abzufinden. Die Fortschritte, die Ärzte mit der Chemotherapie erzielten, führte letztlich dazu, dass zu Beginn der 1970er-Jahre die Zeit der Tuberkulosesanatorien abgelaufen war. Die Lungenheilstätte Heenich teilte das Schicksal vieler anderer Sanatorien.
HOF
TER
BEKE
Was für ein herrlicher Ort: ein kleiner Wald vor den Toren der Stadt – abseits des üblichen Trubels. Mitten im Wald ein Teich mit einer kleinen Insel darin. Die Geschichte des Hof ter Beke reicht viele Jahrhunderte zurück. Der landwirtschaftliche Betrieb wurde erstmals 1328 erwähnt, wobei erste Bauten auf der eben erwähnten Insel erst Mitte des 16. Jahrhunderts folgten. Wie nicht anders zu erwarten wechselten mit der Zeit wiederholt die Eigentümer des Anwesens. Die wundervolle Orangerie des Hofs ter Beke und der kleine Turm nebendran sind der Familie Geelhand zu verdanken. Ullens Geelhand entschloss sich Mitte des 19. Jahrhunderts die damaligen Gebäude auf der kleinen Insel (teilweise) abzureißen, um dort ein „kleines Wasserschloss“ zu errichten. In den Jahren 1859 bis 1864 setzte er seine Pläne in die Tat um. Nach dem Zweiten Weltkrieg erwarb eine Wohltätigkeitsorganisation das Anwesen. Sie quartierte hier behinderte Kinder ein, die sonst keine Bleibe hatten. Nach Auszug des Kinderheims übernahm 1978 die Gemeinde den Hof ter Beke. Seither steht er leer.
GROUPE
FORTIFIÉ JEANNE D
RC
Die Feste Kaiserin (franz. Groupe fortifié Jeanne d’Arc) liegt acht Kilometer westlich von Metz. Die Anlage entspricht hinsichtlich Größe, Form und Positionierung der einzelnen Bauten dem Idealbild einer deutschen Festung gegen Ende des vorletzten Jahrhunderts. Daher müsste die Erkundung der Anlage insbesondere für diejenigen interessant sein, die sich für Militärgeschichte ganz besonders interessieren. Das Gelände der Feste ist dreieckig. Die Seiten sind 1.300, 700 und wieder 1.300 Meter lang. Auf der West- und Ostseite befinden sich jeweils Infanteriewerke. Die vier Artilleriewerke sind mittig angeordnet – alles in allem sind es vier Panzerbatterien, die man sich ansehen kann. Die Feste Kaiserin wurde seinerzeit von 1.900 Soldaten verteidigt. Natürlich sind alle Bauten über unterirdische Tunnel miteinander verbunden. Befreundete Fotografen berichteten mir , dass im Inneren der Anlage wohl noch etliche Dinge zu entdecken sind. Ich kann das nicht bestätigen. Allerdings drang ich nicht in alle Gebäude vor. Anders als die meisten Festungen bei Metz wurde die Feste Kaiserin noch nach dem Weltkrieg genutzt. Von hier aus überwachten unter anderem die Amerikaner und Kanadier den Luftraum über Nordfrankeich. Seit einigen Jahren ist die Feste allerdings verlassen.
Die modernen Kriege machen viele Menschen unglücklich, solange sie dauern, und niemand glücklich, wenn sie vorüber sind. [Johann Wolfgang von Goethe | 1749 – 1832]
BILDUNGSMINISTERIUM Ist dies ein Vorzeichen? Das bisherige Bildungsministerium steht leer und das schon seit langer Zeit! Es ist zwar rundum gut geschützt gegen Eindringlinge, was allerdings nichts an dem Umstand ändert, dass niemand weiß wie es mit diesem Prachtbau weitergehen soll. Es fehlt das Geld, um es wieder in Schwung zu bringen und es fehlen Investoren, sie sich dieses denkmalgeschützten Gebäudekomplexes annehmen. Kurzum: Es gibt einen fortwährenden Streit zwischen den Parteien, dem Amt für Denkmalspflege und weiteren „(alt-)klugen Menschen“, der munter hin und her geht. Eine tragbare Lösung ist nicht in Sicht. Letztlich kann ich die Investoren verstehen, die keine Chance sehen, diesen historischen Bau aus dem Jahr 1954 für sich zu vereinnahmen. Der Gebäudekomplex besteht aus zwei Teilen – nämlich einem Prachtbau mit weitläufigen Sälen und ausgesprochen großzügigen Büros und einem mehrstöckigen Stahlbetonbau (ungedämmt ist er auch noch), der wirklich keinen Reiz versprüht, dort moderne Büros einzurichten. Ich glaube, dass es noch Jahre dauern wird, bis man eine Lösung für das ehemalige Kultusministerium findet.
GARAGE EINES SCHAUSTELLERS
GEISTERSTADT IMMERATH Fast 1000 Jahre gibt es diese Gemeinde schon und jetzt dies: Das kleine Örtchen Immerath in Nordrhein-Westfalen liegt unglücklicherweise im Abbaugebiet des Tagebergbaus Garzweiler und muss daher umsiedeln. In absehbarer Zeit wird von diesem Ort außer den Erinnerungen bisheriger Einwohnern, alten Bildern und Einträge im örtlichen Archiv nichts mehr übrig sein. Denn die Umsiedlung der Bevölkerung und anschließende Abriss aller Häuser soll 2017 abgeschlossen sein, damit dann die riesigen Schaufelbagger der RWE Schicht für Schicht das Erdreich abtragen können, um an die Braunkohle darunter zu kommen. Ich kann die Wut und Trauer der Menschen in Immerath gut verstehen: Sie wuchsen hier auf, ihre Familien leben seit Generationen im Ort und jetzt sollen sie Haus und Hof zum Zeitwert verkaufen. Ihnen wird großzügig angeboten, in den Ort "Immerath (neu)" umzusiedeln. Seit 2006 geht das nun schon so. Und ein Großteil der Menschen, die einst den besonderen Charme der Gemeinde ausmachten, folgte dem Angebote. Was bleibt ihnen auch anderes übrig.
POWER PLANT FU-4 Das imposante Power Plant FU-4 gehörte einst zu einem Ensemble mehrerer Hochöfen, die von hier aus mit der notwendigen Energie versorgt wurden. Die Hochöfen entstanden gegen Ende des vorletzten Jahrhunderts – konkret zwischen 1980-81 und 1897-98. Erbauer der Anlagen war ein Stahlbaron aus Deutschland. Warum Deutschland? Der Industriekomplex befindet sich doch eigentlich in Frankreich! Das ist schnell erklärt: Nach dem für Frankreich verloren gegangenen deutsch-französische Krieg 1870-71 erklärte das Deutsche Reich die Regionen Elsass und Lothringen zu Deutschland gehörten. Die deutsche Schwerindustrie bzw. die Industriebarone damaliger Zeit erkannten schnell die Chancen und weiteten ihre Geschäftstätigkeit auf das sog. Reichsland Elsass-Lothringen aus. Später – nämlich nach dem Ersten Weltkrieg – gewann Frankreich die verlorenen Regionen zurück und freuten sich über den Zugewinn der zwischenzeitlich entstandenen Schwerindustrie insbesondere in Lothringen. 1965 begann das langsame Sterben der Hochöfen – die Nachfrage sank und es gab nicht mehr genug Aufträge, um eine solch umfangreiche Anlage angemessen auszulasten. Eine in den frühen 1970er-Jahren geplante Rundumerneuerung musste verschoben werden. Die Stahlkrise hatte die Region fest im Griff. Das endgültige Aus der letzten noch befeuerten Hochöfen kam 1991. Das war auch das Ende des Power Plants FU-4 – keine Hochöfen, kein Kraftwerk, um diese zu betreiben. Eine schlichte Logik.
Das Erdöl ist eine nutzlose Absonderung der Erde – eine klebrige Flüssigkeit, die stinkt und in keiner Weise verwendet werden kann. [Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg – 1806]
PUITS SIMON II Die Namensfindung kann in der Wirtschaft gelegentlich ganz einfach sein: Der Name der Grube Simon II geht auf den ersten Geschäftsführer der Betreibergesellschaft zurück, nämlich auf den Ingenieur William Simon, CEO des Unternehmens Houillères Petite-Rosselle (1905-1913). Alles in allem verfügte Puits Simon über vier Schächten, von denen heute nur noch die Tagesanlagen von I und II vorhanden sind. Leider wurde in den letzten Jahren auch die Kohlenwäsche in unmittelbarer Nähe der beiden Fördertürme abgerissen. Mich faszinierten zwei Gebäude – die Waschkaue mit dem angrenzenden Verwaltungsgebäude und das Maschinenhaus.
Glück auf, Glück auf, der Steiger kommt. Und er hat sein helles Licht bei der Nacht, und er
hat sein hel-les Licht bei der Nacht schon an - ge - zündt‘, schon an - ge - zündt‘.
PAPIERFABRIK KNOECKEL Die Ursprünge der Papierfabrik Knoeckel reichen bis ins Jahr 1888 zurück. Sie stellte lange Zeit transparente und fettdichte Papiere (sogenannte Pergamyne) her. Wegen schlechter Marktlage und -chancen meldete die Geschäftsleitung im Jahr 2000 Insolvenz an. Kurz danach schloss das Unternehmen und die Maschinen wurden abgebaut. Seitdem sind die Gebäude dem Zerfall preisgegeben. Als würde das nicht reichen, wütete am 30. Mai 2006 ein Großbrand auf dem Firmengelände. Die Polizei vermutete Brandstiftung, konnte damals aber keinen Täter fassen.
HEILSTÄTTEN BEELITZ Die Landesversicherungsanstalt Berlin (kurz LVA) errichtete zwischen 1898 und 1930 südlich von Berlin einen der größten Krankenhauskomplexe der Region – nämlich das Tuberkulosekrankenhaus Beelitz. Es war für seine Zeit mustergültig und lieferte die Blaupause für viele Lungenheilstätten in Deutschland und angrenzenden Ländern. Zur Erinnerung: Zur Jahrhundertwende erkrankten an der Schwindsucht - so wurde die Tuberkulose damals auch genannt - Millionen Menschen. Man sagt, dass diese tückische Krankheit in und um Berlin mehr Opfer forderte, als zuvor die Pest. Jeder dritte Todesfall und jede zweite Arbeitsunfähigkeit war auf die TBC zurückzuführen. Insbesondere Arbeiter und Tagelöhner waren davon betroffen. Wegen der Überbelegung der Mietskasernen und Hinterhöfe Berlins herrschten dort katastrophale hygienische Verhältnisse. Dies plus eine fehlende gesundheitliche Vorsorge, Mangelernährung sowie die ständig schwere körperliche Arbeit waren die Hauptursache, die zur Erkrankung führten. Der entscheidende Durchbruch gegen die TBC gelang Robert Koch, der 1882 den Tuberkel-Bazillus entdeckte. Es gelangen erste wirksame Erfolge gegen die heimtückische Krankheit. Diese Erkenntnisse und der enorme Druck, der durch das Heer der Erkrankten entstand, veranlasste die Landesversicherungsanstalt zum Bau der o.g. Heilstätte. Man entschloss sich, auf einem ca. 200 Hektar großem Waldgrundstück zwei Lungenheilstätten und zwei Sanatorien – jeweils für Männer und Frauen – zu errichten. Das Motiv der LVA war schlicht: Sie finanzierte die Rentenversicherung und reagierte mit dieser Investition auf die drohende Rentenlast wegen Erwerbsunfähigkeit der bei ihr versicherten Arbeiter.
LUXUSHOTEL
IN DEN
ALPEN
Die verstorbenen Familienmitglieder würden sich im Grab umdrehen, wenn sie vom Schicksal ihres Hotels wüssten. Es ist schon eine besondere Leistung, ein traditionsreiches Hotel mit Ursprung im 16. Jahrhundert in die Insolvenz zu führen. Aber es geht ... früher zählte es zu den ersten Adressen im Lande. Hier nächtigten Könige und Kaiser. Sie alle kamen wegen der Thermalquellen, die den Ort (und somit auch das Hotel) bekannt machten.
M47 MEDIUM TANK 90
MM
GUN
Der M47 Patton trägt die offizielle Bezeichnung "M47 Medium Tank 90 mm Gun". Er war ein mittlerer Kampfpanzer der US-Armee und man setzte ihn vornehmlich während des Kalten Kriegs ein. Das US-Militär baute ihn mit recht geringer Stückzahl und ersetzte ihn bald durch den M48 bzw. M86A1. Dennoch galt er als „Verkaufsschlager“ mit großer Beliebtheit im Mittleren Osten. Der M47 wurde beispielsweise von den jorda-nischen Streitkräften im Sechstagekrieg 1967 auf der West Bank gegen Israel eingesetzt. Sie Jordanier verloren seinerzeit nicht nur den Krieg, sondern auch etliche ihrer M47 durch die israelische Luftwaffe. Weitere Kampferfahrungen sammelte das Militär mit dem M47 bei der Invasion von Zypern durch die türkischen Streifkräfte im Jahr 1974. Seinerzeit gelang es der zypriotischen Nationalgarde, einen Kampfpanzer von den Türken zu erbeuten, der dann bis 1993 im Einsatz war. Da etliche europäische Staaten den M47 ebenfalls einsetzten, gab es ihn hierzulande in recht großer Stückzahl. Nachdem man ihn wegen veralteter Technik aus dem Verkehr zog, dienten viele Exem-plare auf den Truppenübungsplätzen Europas als sogenanntes Hartziel.
FORSTER TUCHFABRIKEN Die Tuchfabriken in Forst waren im 19. Jahrhundert wegen eines einzigen Produkts – nämlich ihrer preisgünstigen Nachahmung des englischen Buckskin – weit über die Grenzen der Region hinaus bekannt. Forst galt ihretwegen als „Tuchstadt des Ostens“ und die Gemeinde wuchs in der Kaiserzeit zur zweitgrößten Stadt der preußischen Provinz Brandenburg. In den 1920er-Jahren des letzten Jahrhunderts übertraf Forst mit seinem Konzentrationsgrad textilindustrieller Bevölkerung sogar alle anderen Textilzentren in Deutschland. Knapp 90 Prozent aller Menschen, die in Industriebetrieben beschäftigt waren, lebten von der Tuchproduktion. Das Ende dieser ruhmreichen Zeit folgte: Die Weltwirtschaftskrise ging an der Gemeinde und den Tuchfabriken nicht spurlos vorbei. Und gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wurde der Stadt der Garaus gemacht. Von beiden Ereignissen erholte sich Forst bis heute nicht. Heute ist die Gemeinde meiner Ansicht nach nur noch ein Schatten ihrer großen Vergangenheit.
Man sollte die Wahrheit dem anderen wie einen Mantel hinhalten, dass er hineinschlüpfen kann – nicht wie ein nasses Tuch um den Kopf schlagen. [Max Frisch | 1911-1991]
STÜHLE, SESSEL UND SO
MAISON HEINEN Wer auf die Welt kommt, baut ein neues Haus. Er geht und lässt es einem zweiten; der wird sich’s anders zubereiten, und niemand baut es aus. [Johann Wolfgang von Goethe | 1749-1832]
Das Maison Heinen ist ein kleiner Bauernhof in einem kleinen Dorf in Luxemburg. Das Äußere lässt nicht vermuten, dass die Familie, die hier einmal wohnte, betucht gewesen sein musste. Und sie hatte einen Sinn für schöne Dinge. Das erahnt man aber erst beim Rundgang durch das Wohnhaus. Denn die Decken im Erdgeschoss sowie einige Türen sind mit einer wundervollen Malerei verziert. Herrlich ist auch der Eingangsbereich. Er ist mit geschmackvollen Fliesen verziert. Heute würde ein Sammler viel Geld dafür bezahlen. Obendrein findet man im Gebäude in einigen Zimmern noch gut erhaltene, hochwertige Möbelstücke und in der einstigen "guten Stube" des Hauses steht - ich wollte es erst gar nicht glauben, denn ich vermutete das nicht in einem "schlichten Bauernhaus" - ein alter, riesiger Safe.
TRACTION SUD Der Schrottplatz lässt die Herzen großer Jungen schneller schlagen. Sein (ziemlich schroffer) Besitzer hat hier über viele Jahre hinweg eine ansehnliche Sammlung an Militärfahrzeugen und Lastkraftwagen zusammengetragen und "dekorativ" in der Natur verteilt. Angeblich verkauft er hin und wieder einzelne Sammlerstücke. Ich glaube allerdings, dass er mehr vom Eintritt lebt, den er von Besuchern verlangt. Der Preis einer Besichtigung liegt bei 20 bis 50 Euro pro Person ... je nach Lust und Laune. Und der Eigentümer hat einen Hund ... unheimlich schlecht erzogen. Ein Bekannter von mir musste schon einmal eine Bisswunde nähen lassen. Und dies nicht, weil er sich unberechtigt auf dem Gelände befand.
CENTRAL THERMIQUE
Central Thermique – ein Klassiker für Fotografen, die sich für stillgelegte Industrieanlagen interessieren. Ein Muss für die Fotografen, die den Ort noch nicht besuchten und ein riesiger Abenteuerspielplatz für die Jugend der Umgebung. Entsprechend runtergekommen präsentiert sich das Heizkraftwerk in Esch-sur-Alzette, der zweitgrößten Stadt in Luxemburg. In der Region wurden schon früh Eisenerze gefördert und gleich vor Ort in den Hütten verarbeitet. Ende der 40er-Jahre des letzten Jahrhunderts wurde die Idee geboren, das Gichtgas der umliegenden Stahlwerke Strom zu erzeugen. Kurze Zeit später wurde diese Idee durch den Bau der Central Thermique in die Tat umgesetzt. Der Strom, der hier erzeugt wurde, floss in das öffentliche Stromnetz von Esch. Mit dem Niedergang der Stahlindustrie in der Region folgte 1997 auch das Aus der Central Thermique. Inzwischen wurden große Teile der Anlage abgerissen, so dass nur noch das Kesselhaus und die Turbinenhalle übrig blieben. Wie bei vielen Industrieruinen denkt die Gemeinde auch über deren Abriss nach. Allerdings konnte sie die damit verbundenen Kosten noch nicht aufbringen.
LYZEUM WOBRÉCKEN Das Aus für dieses Lyzeum Wobrécken kam mit dem Schuljahr 2011/2012. Die Schüler verteilten sich auf andere Schulen in der näheren Umgebung. Eine weitere Nutzung der Gebäude schließt sich für das Bildungsministerium aus, da trotz diverser Instandsetzungsmaßnahmen in den letzten Jahren massiv in die Bausubstanz und Infrastruktur investiert werden müsste. Und dafür ist kein Geld vorhanden. Gleichzeitig sinkt die Zahl der Schüler, sodass für eine Revitalisierung auch kein Bedarf besteht.
HEERESBEKLEIDUNGSAMT Auf den ersten Blick denkt man beim Betrachten der Bauten an die typisch nord-deutsche Ziegelbauweise. Weit gefehlt. Die Gebäude haben ein für die damalige Zeit modernes Stahlbetonskelett und wurden nur äußerlich mit Ziegeln verblendet. Das erklärt den guten Zustand der Bauten – auch wenn das Land Brandenburg alle Bauten mit Schildern wie „Achtung Einsturzgefahr“ versah. Ferner unterscheidet sich der Komplex seiner Bestimmung entsprechend in einer weiteren Hinsicht von üblichen Kasernen die-ser Zeit. Die Etagen der Gebäude werden je-weils durch große Arbeitshallen geprägt, die einen Großteil der Grundfläche einnehmen. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde das Gelände von der GSSD genutzt – hier war die Garde Rotbanner Panzerregiment stationiert. Sie nutzte die 65.000 Quadratmeter von 1945 bis zu ihrem Abzug im Jahr 1994 für ähnliche Zwecke. Allerdings ging sie mit den Kohlen-wasserstoffen, die sie zur chemischen Reinigung nutzte, sorglos um, so dass die Böden stark kontaminiert sind.
PAPIERFABRIK HERMES „Die traditionsreiche Papierfabrik Hermes ist pleite! Sie reichte beim zuständigen Amtsgericht einen Insolvenzantrag ein. Das mittelständische Unternehmen, welches Recyclingpapiere herstellt, konnte seine Stromrechnung nicht mehr begleiten. Sie beläuft sich auf zehn Millionen Euro pro Jahr.“ Dies war die Topmeldungen der WZ am 29. Juli 2008. Ein Knaller für die Menschen, denn jeder von ihnen schaut mit Sorge auf die ständig steigenden Strompreise. Die wechselhafte Geschichte der Papierfabrik begann 1878. Der Unternehmensgründer Hugo Hermes kaufte die Papierfabrik Dr. Bock und wurde so vom Papiergroßhändler zum Produzent. Ein kluger Schachzug, weil er sein Unternehmen auf eine breitere Basis stellte. Die Entscheidung von Hugo Hermes zahlte sich aus: Irgendwann platzte es auf seinem bisherigen Betriebsgelände aus allen Nähten, so dass eine neue Betriebsstätte gesucht wurde. 1911 kam dann der große Umzug. Seither produzierte die Papierfabrik Hermes an dem Standort, der heute nur noch ein trauriges Abbild früherer Zeiten ist.
STÜHLE, SESSEL UND SO
GEISTERSTADT BORCHEMICH Die Gemeinde wurde im Jahr 898 n.Ch. erstmals urkundlich erwähnt. Seine Blütezeit hatte der Ort in den 60er/70er Jahren des letzten Jahrhunderts. Seinerzeit lebten hier 760 Personen. Auch ohne Garzweiler ging es mit dem Ort bergab. Zuletzt hatten hier nur noch etwas mehr als hundert Menschen ihr Heim. Und heute sind auch sie verschwunden viele von Ihnen siedelten um und wagen in Borschemich (neu) einen Neuanfang. Auch wenn der Tot der Gemeinde schon längst entschieden ist, spätestens am 23. November 2014 wird er dann "amtlich". An diesem Tag wird die kleine Pfarrkirche entwidmet. Das war es dann aus und vorbei.
Man weiß selten, was Glück ist, aber man weiß meistens was Glück war.
[Françoise Sagan | 1935 – 2004]
SCHROTTPLATZ CITROËN DS Die Göttin ist ein zwischen 1955 und 1975 produzierter Klassiker. Das Fahrzeug löst die zuvor 23 Jahre äußerlich kaum veränderten Modelle der Baureihe Traction Avand ab. Das ausschließlich mit VierzylinderReihenmotor ausgestattete Fahrzeug zählte zur Oberen Mittelklasse bzw. Oberklasse. Seine stromlinienförmige Karosserie und die neue hydropneumatische Federung waren ihrer Zeit weit voraus. Die Bezeichnung DS war eine Ableitung bzw. ein Wortspiel der Prototypenbezeichnung als „D“-Modelle. Die interne Bezeichnung war ursprünglich VGD (voiture à grande diffusion), sinngemäß „Fahrzeug mit großer Verbreitung und Stückzahl“.
FESTE WAGNER Die Feste Wagner (später Groupe fortifié de l'Aisne) liegt etwas elf Kilometer südlich der Metzer Enceinte, zweieinhalb Kilometer westlich der Feste Luitpold und acht Kilometer südöstlich der Feste Haeseler. Der Bau der Befestigungsanlage begann am 7. April 1907. Gut drei Jahre später konnte sie feierlich eingeweiht werden und man taufte sie auf den Namen Feste Wagner.
Die Festungsanlage besteht insgesamt aus sechs freistehenden Einheiten. Von Ost nach West handelt es sich dabei um das Infanteriewerk Verny, den Stützpunkt Lamencé, die 15-cm-Haubitzenbatterie, die 10-cm-Kanonenbatterie, das Infanteriewerk Avigy und last but not least die Seile-Schützengruppe. Wie bei solchen Festungen üblich, sind alle Bauten unterirdisch miteinander verbunden und die Werke wurden mit modernster Technik ausgestattet - jedenfalls für die damaligen Verhältnisse. Im Gegensatz zu vielen anderen Festungen rund um Metz war die Feste Wagner im Ersten Weltkrieg in Kampfhandlungen verwickelt. Von hier aus wurde 1914 der Bahnhof von Pont à Mousson beschossen. Im Mai 1915 wurde sie von der französischen Luftwaffe bombardiert. Nach Ende des Krieges fiel das gesamte Gebiet und somit selbstredend auch die Feste Wagner an die Franzosen. Sie gaben ihr den heutigen Namen Groupe fortifié de l'Aisne - er erinnert an die große Schlacht von Aisne im Jahr 1914.
Heute wird die Feste Wagner von einem Festungsverein gehegt und gepflegt. Er ermöglicht einem auch den Besuch der Kasernen und Batterien. Obwohl die Führungen spannend sein sollen, habe ich sie noch nicht genossen. Ich schaute mir vielmehr die Wehranlagen und Bunker von außen an. Auch das war aufschluss- und erlebnisreich.
ORIENT-EXPRESS Der Orient-Express ist eine Legende. Sein Mythos begann 1883 in Paris – denn von hier aus startete er im Oktober des Jahres zu seiner ersten Fahrt nach Konstantinopel (später Istanbul). Drei Nächte und zwei Tage dauerte die 3.186 Kilometer lange Fahrt. Gäste des Orient-Express waren millionenschwere Reisende, die mit angemessenem Komfort reisen wollten. Mata Hari, Marlene Dietrich, Brigitte Bardot oder Gracia Patrizia von Monaco ließen sich in der der Folgezeit vom besonderen Charme des OrientExpress verzaubern. Ausgedacht hatte sich das alles ein Belgier – nämlich der Ingenieur Georges Nagelmakers. Seine Idee: Wer wollte Luxuszüge bauen, um Bahnreisen für wohlhabende Kundschaft attraktiver zu machen. Sie sollten auf langen Strecken auf nichts verzichten und in gut ausgestatteten Schlafwagen ruhen. Leider hat der Zug, den ich in Belgien entdeckte, nicht mit dem großen Orient-Express zu tun. Ein Fotograf gab diesem Objekt den Namen – sicher in Erinnerung an den großen Ingenieur Nagelmackers, der aus der Region stammte. Ich fand die Idee fein und übernahm sie.
POWER PLANT ECVB Die Wurzeln des Power Plant ECVB reichen bis in das Jahr 1913 zurück. Das Kraftwerk war seinerzeit eines der modernsten Anlagen seiner Art und eine wichtige Grundlage für den wirtschaftlichen Aufstieg der Region. 1959 erfolgte eine umfassende Modernisierung der Anlage, die seither als Brennstoff Kohle, Öl und Erdgas verarbeiten konnte. Seinerzeit entstand auch das Kesselhaus, welches ist just besuchte. 1974 folgten weitere Großinvestitionen. Der Betreiber investierte in eine riesige Dampf- und eine weitere Gasturbine. Dies sollte den enormen Energiebedarf einer neu angesiedelten Papierfabrik sichern. Irgendwann in den 90er-Jahren des letzten Jahrhundert fiel die Entscheidung, diesen Standort aufzugeben, um in ein neues Kraftwerk zu investieren. Die Gründe, die zu dieser Entscheidung führten, konnte ich nicht recherchieren. Ich nehme an, dass die Verwendung von Asbest beim Bau des Power Plant ECVB eine wichtige Rolle spielte.
BERGBAU-UNIVERSITÄT
Die Lütticher Universität wurde 1817 von Wilhelm I. von Oranien Nassau gegründet. Sie ist heute im Zentrum der Stadt und auf dem Sart Tilman, einem 2.000 Hektar großen Waldgelände auf einer Anhöhe der Stadt angesiedelt. Einst gab es noch einen weiteren Standort der Universität: Er liegt abseits der Innenstadt, direkt an der Maas. Und er umfasste fünf weitläufige Gebäudekomplexe, in denen die sog. Bergbauuniversität untergebracht war. Bevor ich die Universität besuchen konnte, hatte ich schon viel von ihr gehört. Das war ein Mix aus Schauergeschichten (... Wachpersonal mit Hunden) und Lobliedern (... ein Kleinod unter den Lost Places). Letzteres bewahrheitete sich. Zum Glück. Ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Die einst französischsprachige Bildungsstätte machte auf mich den Eindruck als hätten die Professoren am Vormittag die letzte Vorlesung beendet.
VILLA VIKTORIASTIFT Frauen, Kinder, alte Menschen, Kranke, Soldaten … sie alle herbergten in der Villa Viktoriastift. Dies wiederum hätte sich der Kaufmann Heinrich L. natürlich nicht träumen lassen, als er zwischen 1919 und 1922 sein feudales Wohnhaus im neubarocken Stil erbaute. L. erblickte einst als Sohn eines armen Tagelöhners das Licht der Welt und brachte es in jungen Jahren als Eisenwarenhändler zu einem beträchtlichen Vermögen. Er genoss seinen schnellen Reichtum, denn er wusste wie sich Armut anfühlt. Doch wie heißt es so schön: „Hochmut kommt vor dem Fall.“ So auch hier. Der Kaufmann musste 1962 sein Heim verkaufen. Es fehlte das Geld zum Unterhalt, denn wirtschaftliche Probleme stellten sich ein. Zunächst erwarb eine Kinderheilanstalt das Anwesen, um dort Erholungsheim zu etablieren. Später zogen die Nazis ein und nutzten die Gebäude des Landguts als NSV-Müttergenesungsheim. Es folgte eine Zeit als Landesumschulungshof, als Altenheim und – dies war bis dahin der Tiefpunkt der Entwicklung – als Siechenhaus. Seit Anfang der 90er-Jahre des letzten Jahrhunderts steht die inzwischen unter Denkmalschutz stehende Villa Viktoriastift leer.
PATHOLOGIE ST. BARBARA Die von mir besuchte Pathologie befindet sich im Untergeschoss des Krankenhauses St. Barbara. Heute ist die Heilstätte ein großer Abenteuerspielplatz für die Jugend der Gegend. Die Polizei rückt regelmäßig dorthin aus, um Randale und Brandstiftung zu ahnden. Anscheinend haben die Jugendlichen großen Respekt vor dem Keller – samt der Pathologie. Denn die Räumlichkeiten sind noch relativ gut in Schuss.
CHÂTEAU
DES
SINGES
Meine Neugierde war sehr, sehr groß: Château des Singes. Warum nennen man das Herrenhaus bloß „Schloss der Affen“? Doch zuerst zur Historie. Das Château wurde im 17. Jahrhundert errichtet. Das Gebäude steht nun schon seit etlichen Jahren leer. Da der Denkmalschutz zugeschlagen hat, kann es nicht abgerissen werden - auch wenn das wegen der ausgesprochen maroden Substanz vielleicht angemessen sein würde. Naja, sei es drum.
Und warum das Gebäude Château des Singes genannt wird, erklärte sich auch schnell. Nix mit Affen oder Affengehege. Es gibt in dem Schloss vielmehr einen Raum mit leicht verblasster, aber noch immer beeindruckender Wandmalerei. Anscheinen liebte der Maler Affen, … sie kommen dort überall vor. So einfach kann die Lösung des Rätsels ein.
SPREEPARK Die Geschichte des Spreeparks im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick reicht ins Jahr 1969 zurück. Damals eröffnete auf einer Fläche von 29,5 Hektar der Kulturpark Plänterwald. Er war der erste und lange Zeit auch der einzige ständige Vergnügungspark in der DDR und weit über die Grenzen Berlins bekannt. Im Gegensatz zu westlichen Freizeitparks, die meist einem thematischen Konzept folgen und mit perfekt in die Landschaft eingebetteten Fahrgeschäften werben, war das Konzept des Kulturparks Plänterwald schlicht: Einen großen Teil der Anlage nahm eine einfache Asphaltfläche ein, auf der Fahrgeschäfte und Kirmesbuden dauerhaft aufgebaut wurden. Die Hauptattraktion des Parks war das Riesenrad, welches 1989 nochmals erneuert wurde und mit 36 Gondeln 45 Meter in die Höhe ragt. Es war das Wahrzeichen der umliegenden Gegend. Zu DDR-Zeiten besuchten jährlich bis zu 1,7 Millionen Menschen den Kulturpark Plänterwald.
Nach der Wende wurde die Betreibergesellschaft VEB Kulturpark Berlin zügig abgewickelt. Den Zuschlag erhielt die Spree-park Berlin GmbH, dessen Geschäfts-führer Norbert Witte war. In der Folgezeit gestaltete er den Freizeitpark nach westlichem Vorbild komplett um. Es entstanden unter seiner Regie viele neue Attraktionen, die Witte vom Freizeitpark Mirapolis bei Paris übernahm. Außerdem führte er einen pauschalen Eintrittspreis ein. Erwachsene zahlten 29 DM und Kinder 27 DM. Früher wurde das Geld direkt am Fahrgeschäft kassiert. Ferner ließ er die riesige Asphaltfläche rund um das Riesenrad aufbrechen, um eine attraktive Wasserlandschaft mit Wikingerschiff zu gestalten. Anfänglich wurde das neue Konzept gut angenommen. Mit der Zeit häuften sich jedoch die Probleme, so dass der Park 1999 wegen Überschuldung Insolvenz an-melden musste. Zum Schluss besuchten den Park noch 400.000 Personen.
HOTEL KOSMOS Das Hotel Kosmos gehört für mich zu einem Klassiker. Ich kenne das Objekt schon seit vielen Jahren – doch ich schaffte es bisher leider nie, dieses Hotel einmal zu besuchen. Vielleicht hätte ich nicht so lange warten sollen. Denn heute ist es nur noch eine Ruine. Nach einem Brand im Hauptgebäude und nachdem sich frühere Besucher im Gebäude „austobten“, wurde das Haus von der Gemeinde komplett verschlossen. Alle Fenster wurden vernagelt, so dass kein Licht mehr ins Innere dringt. Das Hotel Kosmos wurde 1934 errichtet. Die Betreiber der Herberge spezialisierten sich vor allem auf Jugend- und Gruppenreisen. 1965 wurde die Anlage, von der man einen herrlichen Ausblick über die umliegenden Gemeinden hat, erweitert. Es folgte ein großer Außenbereich mit ansprechendem Pool. Seither war das Hotel auch bei Familien sehr beliebt. Konnten die Eltern doch einen erholsamen Urlaub genießen, während sich der Nachwuchs im ausgedehnten Pool die Zeit vertrieb. 2002 wurde dem Hotel Kosmos aus Sicherheitsgründen die Genehmigung zum Betreiben der Außenanlage (insbesondere des Pools) entzogen. Dies kam mit Ansage, denn der Eigentümer hätte schon längst notwendige Sanierungsarbeiten vornehmen müssen. Diese drakonische Maßnahme der Gemeinde zeigte allerdings keine Wirkung. Selbst nachdem der Pool geschlossen werden musste, wurde nichts in die Anlage investiert. Ohne Außenanlage verlor das Hotel Kosmos allerdings seine Attraktivität für die Kernzielgruppe – nämlich den Familien. Es begann ein Teufelskreis … immer weniger Gäste, immer weniger Einnahmen, immer weniger finanzieller Spielraum für Investitionen. Dies alles endete im Jahr 2005 in der Insolvenz des Hotels. Seither steht die Anlage leer. Tiefpunkt war dann ein Brand im Jahr 2008, welcher das Treppenhaus des Hotels und die oberen Etagen schwer in Mitleidenschaft gezogen hat. Heute droht das Gebäude einzustürzen. Das Betreten wäre lebensgefährlich!
LABOR 1408 Das Labor war einst die zentrale Werkstoffprüfung eines namhaften Nähmaschinenherstellers. Hierher sendeten alle Standorte des Unternehmens ihre Materialproben, um sie von Experten untersuchen zu lassen. Die umfangreichen Akten im Labor 1408 dokumentieren ihre Arbeit. Beeindruckend fand ich, dass in dem Labor 1408 noch die komplette Gerätschaft zu finden war. Leider hinterließen die früheren Nutzer auch eine Vielzahl fragwürdiger Chemikalien, von denen mir einige die Farbe aus dem Gesicht trieben. Nachdem ich sie entdeckte, galt nur eins: nichts anfassen, möglichst nicht atmen und raus.
BOTSCHAFT
VON
SOMALIA
Somalia ist arm und zerrüttet – ein Bürgerkrieg mit seinen wahrhaft schrecklichen Folgen für die Bevölkerung bestimmt seit Jahren das Geschehen vor Ort. Deswegen warnt auch aktuell das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland vor Reisen in die Region. Ich zitiere: „Vor Reisen in das Land oder die Gewässer vor seiner Küste wird eindringlich gewarnt. Deutsche Staatsangehörigen wird dringend geraten, das Land zu verlassen. In der gesamten Region besteht für westliche Staatsangehörige ein sehr hohes Entführungsrisiko.“
Die derzeitige Botschaft des Landes befindet sich natürlich in Berlin, wo das politische Herz unseres Landes schlägt. Doch erinnern Ihr Euch bitte … vor etlichen Jahren war Bonn unsere Hauptstadt. Und demnach unterhielt man dort auch eine Vertretung. Sie befindet sich in einem beschaulichen Villenviertel und ist recht unscheinbar. Ein Wohnhaus aus den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts. Schlicht. Nur das Wappen an der Hauswand deutet noch heute darauf hin, dass hier zwischen 1987 und 1999 Weltpolitik betrieben wurde.
Heute gehört die Immobilie zu den Problemfällen in Bonn. Während allerdings andere Staaten ihre Botschaften zu komplett überzogenen Preisvorstellungen zum Verkauf anbieten und daher keine Käufer finden, ist hier das Problem etwas anders gelagert. Das Land befindet sich seit Jahren im Bürgerkrieg und die Bevölkerung hungert. Es gibt keine funktionierende Regierung. Insofern hat man andere Probleme als sich um den Verkauf einer unscheinbaren Immobilie in Bonn zu kümmern.
KLOSTER SANKT ANNA Das ehrwürdige Kloster St. Anna war einst ein Ort der Nächstenliebe, Einkehr und Erbauung. Die Tradition dieses Ortes reicht bis in das 12. Jahrhundert. Insofern kann der Gegensatz damals und heute kaum größer sein. Dieser Ort spielt eine traurige Rolle in einem Missbrauchsskandal in den Niederlanden. Der WDR fasste das Thema vor einiger Zeit auf seiner Homepage wie folgt zusammen: "74 Jungen und Mädchen starben in zwei Jahren ... mysteriöse Todesserien aus den 50er-Jahren in zwei katholischen Heimen sorgen für Aufregung. In einem Fall könnte sexueller Missbrauch im Spiel gewesen sein.“
POWER PLANT IM Das Kraftwerk wurde 1921 von dem Unternehmen Intercom errichtet. Dieses ging später im Energieversorger Electrabel S.A. auf, dem heutigen Marktführer in Benelux. Seinerzeit war Power Plant IM noch ein Kohlekraftwerk und zählte zu den größten und modernsten in Belgien. Etliche Jahre später (und parallel zum Niedergang des Bergbaus in Belgien) wurde das Kraftwerk auf Gas umgestellt. 2006 geriet Electrabel und somit auch dieses Kraftwerk in den Fokus von Greenpeace. Unter dem Motto „es ist Ihre Energie, die verschmutz“ demonstrierten sie gegen den Konzern, da der Konzern für 10 Prozent aller CO-2-Emissionen in Belgien verantwortlich war. Power Plant IM wurde 2007 geschlossen.
M41 WALKER BULLDOG Truppenübungsplatz Stolberg-Münsterbusch: Das Wrack des M41 Walker Bulldog ist ein echter Hingucker und leicht zu finden, da es Nahe dem Örtchen Münsterbusch steht. Der M41 war ein leichter Panzer, der zur Zeit des Kalten Krieges von den Amerikanern produziert wurde. Er stand ab 1952 im Dienst vieler Armeen. Der Eigenname des Panzers geht auf den US-General Walton "Bulldog" Walker zurück, der im Koreakrieg bei einem Unfall ums Leben gekommen ist. Der M41 war der Nachfolger des legendären M24 Chaffee, der sich als gut bewaffnet, aber zu schwach gepanzert er-wies. Die ersten Prototypen des M41 wurden ab 1947 entwickelt. Die Produktion des M41 endete 1965 bei 5500 Einheiten.
STADTBAD ST. JOHANN Mit Wehmut erinnern sich die Menschen in der Region an die Zeit als, das Stadtbad St. Johann noch täglich die Türen öffnete. Generationen haben hier schwimmen gelernt und ihre Freizeit verbracht. Kinder spielten im Wasser, Sportvereine trainierten für die nächsten Wettkämpfe oder Senioren drehten allmorgendlich ihre Runden im Wasser. Irgendwann war der Unterhalt des Schwimmbads mit seinen drei Badehallen für die Stadt allerdings zu teuer: Die Kosten des Unterhalts überstiegen die Einnahmen in einem nicht mehr vertretbarem Maße für eine klamme Stadt. Das Ende des Bads war vorprogrammiert – insbesondere, weil die Stadt parallel in ein neues Erlebnisbad investierte. Heute besteht das Stadtbad nur noch in den Köpfen der Menschen. Denn inzwischen wurde das Gebäude komplett entkernt, um dort ein Wohnpark zu errichten. Schicke Eigentumswohnungen in bester Lage. Erfahrene Opportunisten schwimmen so mit dem Strom, dass sie später behaupten können, sie wären abgetrieben worden. [Oliver Hassencamp | 1921-1988]
VILLA STOCKMANN Warum lassen Menschen solche Häuser leer stehen und verfallen? Warum verkaufen sie die Immobilie nicht? Zwei Fragen, die mir immer durch den Kopf gehen, wenn ich verlassene Wohnhäuser besuche. Und ich bin immer wieder überrascht, wo ich just solche Wohnhäuser überall finde. Die Villa Stockmann ist ein gutes Beispiel: Das äußerlich schlichte, innen aber recht nett geschnittene Wohnhaus befindet sich im Herzen eines wohlhabenden, gemütlichen Örtchens in Flandern. Es liegt nur einen Steinwurf vom kleinen Ortskern entfernt. Links und rechts von der Villa haben sich die Menschen niedliche Einfamilienhäuser errichtet, so dass das Grundstück samt Gebäude eher ein Fremdkörper in der sonst heilen Welt dieses Örtchens zu sein scheint.
EVS-PILOTENSCHULE Die EVS-Pilotenschule gehörte einst zu einem kleinen Flughafen, den die belgische Armee zur Ausbildung ihrer Piloten nutze. Dieser wiederum schaut selbst auf eine lange Tradition zurück. Er wurde 1922 als eröffnet und zählt zu den ältesten Flughäfen in Belgien.
Die Pilotenschule bezog die Gebäude in den 50erJahren des letzten Jahrhunderts. Militärische Ausbilder vermittelten hier den künftigen Fliegerassen Belgiens das notwendige Elementarwissen. Zum praktischen Unterricht wurden sie an andere Flugschulen versetzt. 1996 zentralisierte das Militär ihr Flugtraining. Das bedeutete das Aus der EVSPilotenschule. Übrig blieben einige Ausbildungslehrgänge an Wochenenden. Außerdem wird der Flughafen von einem örtlichen Fliegerclub genutzt.
Ich ermahne dich, Ikarus, dich auf mittlerer Bahn zu halten, damit nicht, wenn du zu tief gehst, die Wellen die Federn beschweren, und wenn du zu hoch fliegst, das Feuer sie versengt. Zwischen beiden fliege. [Publius Ovidius Naso| 43 v. Chr. - 17 n. Chr.]
STATION SOUVRET Jedem Eisenbahnliebhaber dürfte es beim Anblick dieses imposanten Friedhofs der Lokomotiven schwer ums Herz werden. Für mich wiederum ist dieser Lost Place ein Ort ganz nach meinem Geschmack. Es gibt viel zu entdecken. Vor Jahren nutzte die SNCB (Société Nationale des Chemins de fer Belges) ein altes Ausbesserungswerk als Abstellplatz für mehr als 50 Diesel-Lokomotiven. Beides – also die Werkshallen und Loks – gerieten in Vergessenheit. In dieser Zeit entwickelte sich der Ort zu einem Geheimtipp unter den Fotografen. Aber leider waren es nicht nur diese, die die Location besuchten. Das Ausbesserungswerk diente auch als Abenteuerspielplatz. Bei meinen wiederholten Besuchen sah ich mit Bedauern, dass einige Lokomotiven beschädigt wurden. Jüngst scheint sich die SNCB an dieses Ausbesserungswerk wieder zu erinnern. Sie transportiert seither nach und nach die Schmuckstücke ab, um sie endgültig zu verschrotten.
BAUSTOFFWERK ERLUS Wenn Du durch die Straßen Deiner Heimatstadt gehst, ist die Chance groß, auf den Dächern der Häuser Produkte der ERLUS-Baustoffwerke zu sehen. Die Ziegelei wurde 1842 als kleine Privatziegelei gegründet. Wegen erhöhtem Finanzbedarf wandelte der damalige Eigentümer sein Unternehmen allerdings schnell in eine Aktiengesellschaft um. Es folgte dann das übliche Auf und Ab solcher Unternehmen. Mal gab es viele zu bauen, mal waren Rohstoffe und Aufträge knapp. 1970 folgte die Umbenennung in die Erlus Baustoffwerke AG – inklusive der Umstrukturierung und späteren Schließung einiger Produktionsstandorte. Ich besuchte einen von ihnen.
SANATORIUM MENZEL Das imposante Sanatorium ist ein trauriges Beispiel dafür, dass die Starrköpfigkeit einer Gemeinde über Jahrzehnte hinweg durchaus nachvollziehbaren wirtschaftlichen Überlegungen finanzstarker Investoren entgegenstehen kann. Fraglich, ob dies alles zum Vorteil der Gemeinde war. Was ist passiert? Nun: Das Sanatorium steht seit 1978 leer und verfällt zusehends. Der damalige Eigentümer konnte es nicht mehr wirtschaftlich betreiben und sah auch keine Chancen für einen Neuanfang. Das hätte nicht unbedingt das Ende der Immobilie sein sollen. Denn seither interessierten sich durchaus einige Investoren mit spannenden Projekten für das ehemalige Sanatorium. Doch die Gemeinde hoffte auf den großen Wurf. Sie lehnte alle vor-gelegten Konzepte ab. Das Ergebnis dieser Politik konnte ich wiederum besichtigen.
KASTEEL HOGEMEIYR Ein Trauerspiel – vom einst feudalen Kasteel Hogemeyer ist heute nur noch eine „ausgeschlachtete Ruine“ übrig. Und dabei gab es hochtrabende Pläne. 2008 freuten sich die Gemeindeoberen nämlich, dass sie endlich das denkmalgeschützte Gebäude verkaufen konnten. Der neue Eigentümer – ein Verein – wollte dort ein Wohnhaus für Künstler und ein Zentrum für Kunde und Bildung von Kindern errichten. Es gab sogar einen Aufruf an die Gemeinde, sich in gewisser Weise an dem Projekt zu beteiligen. Man wollt den ursprünglichen Zustand des Gebäudes und der umliegenden Farm rekonstruieren und bat daher die Menschen, alte Bilder oder Zeichnungen weiterzugeben.
Etliche Jahre später – ich denke mal es war 20013 – besuchte ich das Gebäude. Ich kannte diese Vorgeschichte aus der Zeitung vor Ort und war ziemlich überrascht, dass das Kasteel Hogemeyer noch immer in einem erbarmungslosen Zustand ist. Der Putz blättert von den Wänden, das Dach ist undicht und die Räume im Inneren sind entkernt. Lediglich in einem Raum gab es eine Ansammlung verschiedener Dinge des neuen Eigentümers, die sich aber allesamt als Müll zusammenfassen lassen. Den einzigen Hinweis, dass sich auf dem Gelände wohl etwas tut, fand ich am Eingang. Dort hat der Besitzer nämlich ein Schild angebracht, welches Besuchern empfindliche und irrwitzig hohe Strafen androht.
PRAXIS
DR.
PAIN
Samstag, 23.38 h … spät am Abend und erschöpft von einer langen Fahrt kam ich in dem kleinen, feinen Kurort in Hessen an. Schicke Gründerzeitbauten empfingen mich. Allesamt restauriert und fein herausgeputzt. Die Gemeinde strotzt nur so vor Geld. Eine schöne Einkaufsmeile, diverse Kunstwerke am Wegesrand … wo man hinschaut, kann man die Zeichen des Wohlstands entdecken. Selbst die Kliniken des Kurorts sehen aus wie Fünf-Sterne-Hotels. „Du bist falsch“ … so schoss es mir durch den Kopf. Die Praxis für Urologie von Dr. Pain kann sich hier nicht befinden. Nicht in dem Ort. Hier gibt doch ein Arzt nicht seine Praxis auf! Eine solche muss hier doch eine Lizenz zum Gelddrucken sein. Mit diesen Gedanken suchte ich mir schließlich ein (bezahlbares) Hotel.
Sonntag, 7.45 h … noch immer recht ungläubig, dass ich den Ort meiner Begierde in dieser Gemeinde finden kann, begab ich mich auf die Suche. Und sie war erfolgreich: Die Praxis für Urologie von Dr. Pain befindet sich in einer schicken Stadtvilla aus den Anfangsjahren des letzten Jahrhunderts. Umgeben von einem dieser Fünf-Sterne-Kliniken und einem mondänen Hotel-Restaurant. Irgendwie unwirklich.
HAFTANSTALT BIRKHAUSEN Die Abschiebehaftanstalt Birkhausen wurde von der rheinland-pfälzischen Regierung 1996 in der Nähe von Zweibrücken errichtet. Die Haftanstalt konnte bis zu 880 Ausreisepflichtige aufnehmen. Knapp zehn Jahre wurde der Komplex aus Kostengründen geschlossen. Man verteilte die Insassen auf umliegende Haftanstalten.
Im Knast denkt mancher: Gott sei Dank gibt es Feilchen, die im Verborgenen blühen. [Joachim Ringelnatz | 1883-1934]
CONTINENTAL REIFENWERK Egal aus welcher Richtung man sich meiner Heimatstadt Hannover nähert ... irgendwann sieht jeder Besucher eines der vielen Continentallogos, die kreuz und quer über das Stadtgebiet verteilt sind. Die Geschichte des Traditionsunternehmens ist eng mit der jüngeren Geschichte der Stadt verbunden. Tausende Familien ermöglichte die Conti (wie die Firma in Hannover liebevoll genannt wird) ein gutes Auskommen. Dabei nahmen sie gern in Kauf, dass man in einigen Stadtteilen bei ungünstiger Wetterlage die Fenster geschlossen halten musste, da es erbärmlich nach Gummi roch. Angesichts dieser Vergangen- und Verbundenheit nahmen viele Hannoveraner Anteil daran, als im Stadtteil Limmer das ContiReifenwerk geschlossen wurde und langsam verfiel.
KASTEEL CHEVAL Beim Anblick des Kasteel Cheval würde jedem Filmproduzent, der auf der Suche nach der Kulisse für seinen nächsten Gruselfilm ist, das Herz aufgehen. Irgendwo im belgischen Nirgendwo, mitten in einem kleinen Wald, abseits gelegen und mit einem wundervoll verwilderten Garten entdeckte ich dieses alte Herrenhaus. Es steht schon seit etlichen Jahren leer und schlummert. Natürlich wir es gut beschützt von Löwen, die jedem ungebetenen Gast das Fürchten lernen. Leider konnte ich mir Kasteel Cheval nicht näher ansehen. Der Eigentümer wollte es nicht. Selbst mit viel Überredungskunst konnte ich nichts ausrichten - es blieb bei seinem NEIN. Vielleicht lag dies allerdings auch an meinem fehlenden Französisch- und wiederum seinen fehlenden Englischkenntnissen. Ich gebe zu, dass die Konversation auf dieser Basis nicht so ganz einfach war. Nun ja ... es hat nicht sollen sein. Also widmete ich mich den herrlichen Löwen, die den Eingang bewachten. .
ZOO VON TBILISI Der Zoologische Park von Tbilisi liegt – wie es der Name schon vermuten lässt – mitten im Herzen der georgischen Hauptstadt, die in Europa häufig und aus georgischer Sicht auch fälschlicherweise als Tiflis bezeichnet wird. Er ist der älteste und zugleich größte Tierpark der Kaukasenrepubik, die lange Zeit zum Sowjetreich gehört hat. Seine Gründung geht auf einen Stadtratsbeschluss im Jahr 1927 zurück. Und kein geringerer als P.A. Manteuffel, der damalige Direktor des Moskauer Zoos, hat ihn geplant und errichtet. Der Zoo wurde im Flusstal der Were errichtet. Eigentlich ist das ein ruhiges Bächlein … doch in großen zeitlichen Abständen kommt es zu Hochwasser. Am 14. Juni 2015 führte ein Unwetter zu eben einer solchen wuchtigen Überschwemmung, bei der mindestens neunzehn Menschen ums Leben kamen. Der Zoo wurde massiv in Mitleidenschaft gezogen. Dutzende Raubtieren, darunter Bären, Tiger, Löwen, Wölfe und ein Krokodil konnten aus ihren Gehegen ausbrechen und entkamen in die Straßen von Tiflis. Acht Löwen und sieben Tiger ertranken oder wurden später erschossen – unter ihnen befand sich auch ein seltener weißer Tiger, den die Polizei, nachdem er einen Menschen tötete, erlegte. Andere Tiere, darunter ein entlaufenes Nilpferd, wurden betäubt und wieder eingefangen. Insgesamt verlor der Zoo etwa 300 seiner Tiere.
SANATORIUM DIABLE
Natürlich wünsche ich jedem Menschen eine strotzende Gesundheit bis ins hohe Alter. Klar. Doch wenn es einmal nicht so laufen sollte, wäre ein Kuraufenthalt im Sanatorium Diable wünschenswert. Die Heilstätte liegt irgendwo im landschaftlich beeindruckenden Nirgendwo der Vogesen. Und zwar in ausgesprochen luftiger Höhe mit atemberaubenden Ausblick über die Landschaft. Leider ereilte das Sanatorium Diable das Schicksal so vieler Heilstätten. Die hohen Unterhaltskosten ließen sich nicht refinanzieren, so dass es im Dezember 2011 geschlossen wurde.
Das Haar In diesem einen blonden Frauenhaar Liegt aller Duft, der ihr zu eigen war; Liegt aller Glanz, der ihre Stirn umfloß, Liegt alle Anmut, die sie übergoß. So weich und fein und zart und biegsam war Das ganze Weib, wie dieses eine Haar. Und schling ich um den Hals den feinen Ring Umfängt er mich, wie mich ihr Arm umfing. Vor einer Stunde hing sie so an mir. Ich riß mich los, wie dieses Haar, von ihr; Doch wie ein Stück von ihrem Leben blieb Dies Haar bei mir zurück in stummer Lieb'. Und so mit seinem Leuchten noch einmal, Wie ein verlorener letzter Sonnenstrahl, Bringt einen Tag voll Seligkeit und Glück Mir dieses eine blonde Haar zurück. [Anton Alfred Noder | 1864 - 1936]
AGNUS DEI Klein, fein und verfallen. So präsentiert sich die Kirche Agnus Dei. Sie liegt an einer kleinen LandstraĂ&#x;e irgendwo im belgischen Nirgendwo.
Wer glaubt, ein Christ zu sein, weil er in die Kirche geht, irrt sich. Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. [Albert Schweitzer | 1875 - 1965]
CHÂTEAU JBB Dieses schicke Château war zuletzt Wohnsitz von Jean Bédel Bokassa und dessen Familie. Er war ein gefürchteter Gewaltherrscher, der sich 1966 an die Macht seines afrikanischen Heimatlandes putschte.
Bokassa übernahm dort zunächst die Macht als Staatspräsident, ernannte sich zum Vorsitzenden der einzigen Partei des Landes, löste das Parlament auf und schaffte die Verfassung ab. Diese mächtige Stellung reichte ihm allerdings nicht. Sechs Jahre nach der Machtübernahme ließ er sich zum „Präsidenten auf Lebenszeit“ ausrufen und vier Jahre später ernannte er sich sogar zum Kaiser seines Landes. Den Machterhalt sicherte sich Bokassa mit größter Härte. Etliche Gräueltaten gehen auf sein Konto, Morde und Folter gehörten dazu. Politische Gegner wanderten ins Gefängnis, um dann von der Bildfläche zu verschwinden. Man sagt ihm auch nach, dass er sich nicht zu schade war, selbst Hand anzulegen.
1979 beendete ein erneuter Militärputsch seine Herrschaft. Bokassa flüchtete über die Elfenbeinküste, wo er vier Jahre lebte, ins Exil nach Frankreich. Dort bezog er mit zehn seiner Kinder und einer Freundin dieses Château, wo er von 1983 - 1986 lebte. Nach der Rückkehr in sein Heimatland blieben die Verwandten in Frankreich. Sie waren die letzten Bewohner des kleinen Schlosses. Bokassa wurde während seiner Abwesenheit von der Justiz seines Landes wegen Mordes, Folter, Korruption und Kannibalismus zum Tode verurteilt. Das Urteil wandelte man 1986 in lebenslange Zwangsarbeit. 1993 kam er in den Genuss einer Generalamnestie anlässlich der Rückkehr des Landes zur Demokratie. 1996 verstarb der ehemalige Diktator.
VEB STRÖMUNGSMASCHINEN PIRNA In den 50er-Jahren des letzten Jahrhundert kam in der noch jungen DDR die Diskussion auf, ob der Staat eine eigene Luftfahrtindustrie inkl. eigener Entwicklung und Produktion benötigt und diese demnach aufbauen sollte. Karl Pätzold war seinerzeit Leiter der Verwaltung „Luftfahrtindustrie“ und beantwortete die Frage wie folgt: • •
Die DDR ist ein hochindustrialisiertes Land und es stehen erfahrene Kader des Flugzeugbaus zur Verfügung. Die DDR ist auf den Export von Industrieerzeugnisse angewiesen. Die Produktion von Flugzeugen und Triebwerken entsprechen dem Anspruch.
Pätzold beschrieb die damalige Haltung der Verwaltung und somit verwundert nicht, dass bald darauf der Beschluss gefasst wurde, in Pirna entsprechende Produktionsstätten zu errichten. Es wurde der VEB Entwicklungsbau Pirna gegründet, welcher Flugzeugtriebwerke konstruierte, erprobte und letztlich auch baute. Innerhalb kurzer Zeit wuchs die Belegschaft des neu gegründeten Volkseigenen Betriebs auf mehr als zweitausend Arbeiter und Ingenieure an. Das „Flugzeug 152“, gelegentlich auch nach dem Konstrukteur Brunolf Baade als Baade 152 benannt, war das erste in der DDR entwickelte Passagierflugzeug und ein wichtiges Vorzeigeprojekt des noch jungen Staates. Es wurde in Pirna konstruiert und im VEB Flugzeugwerke Dresden gefertigt. Leider kamen die hochtrabenden Pläne des Ministerrats der DDR nie richtig zum Fliegen. Insofern verwundert es nicht, dass bereits Anfang der 1960er-Jahre der Beschluss gefasst wurde, den noch jungen Industriezweit teilweise wieder aufzugeben. Die Produktionsstätten in Pirna wurden zum VEB Gasturbinenbau und Energiemaschinenentwicklung Pirna umgewandelt und befassten sich fortan mit der Entwicklung und Produktion von Strömungs- und Kraft- anlagen. 1970 entstand daraus wiederum der VEB Strömungsmaschinen Pirna. Der Betrieb stellte unter anderem hydrodynamische Kraftübertrager für Lokomotiven sowie Strömungskupplungen/-wandler für Gasturbinen her. Der VEB Strömungsmaschinen Pirna war einer der größten Arbeitgeber in der Stadt südöstlich von Dresden. Im Zuge der Privatisierung entstand 1990 als Nachfolgebetrieb die Strömungsmaschinen GmbH, die bereits fünf Jahr später in Insolvenz ging.
VAL SAINT LAMBERT Im wallonischen Kohlegürtel gehörte die Kunst der Glasherstellung und -verarbei-tung seit dem 17. Jahrhundert zu den wichtigen Industriezweigen der Region. Die Lage war hervorragend dafür geeignet. Es gab reiche Kohlevorkommen, ausge-dehnte Wälder, Bleiminen und Kalksteinbrüche. Obendrein hatte die Region schon früh eine gut ausgebaute industrielle Infrastruktur bzw. ein ausgezeichnetes Verkehrsnetz. Noch heute verfügt Lüttich nach Duisburg und Paris über den dritt-größten Binnenhafen in Europa. Die Geschichte der Cristallerie ist eng mit der Geschichte der lothringischen Kristallerie Saint Louis und Baccarat verbunden. 1802 gründete der Pariser Geschäftsmann Aimé-Gabriel
d’Artigues bei Namur die erste „cristallerie industrielle“. Wenige Jahre später – um 1826 – gründeten ehemalige Mitarbeiter von d'Artigues in Seraing bei Lüttich die heutige Kristallerie. Der Vertrieb erfolgte anfangs nicht unter eigenem Namen, sondern über ein Vertriebsnetz. In den Jahrzehnten danach expandierte die Kristallerie. Anfang des 1. Weltkriegs beschäftigte sie 2.800 Mitarbeiter; sie produzierten täglich mehr als 120.000 Glasgegenstände. Die beiden Weltkriege führten das Unternehmen wiederholt an den Rand des Ruins. Letztlich erholte es sich nicht von diesen Veränderungen. Heute arbeiten in dem Traditionsunternehmen noch etwas 60 Personen.
CINETIÈRE
DE L
ST
Der Cinetière de l’Est wurde im Jahr 1834 eröffnet und war für die Metzer das, was der Père Lachaise für die Pariser ist. Ein Friedhof für die Berühmtheiten. Geschichtlicher Hintergrund: 1829 gab es in Metz heftige Diskussionen um die verschiedenen Friedhöfe der Stadt. Sie wurden seinerzeit meist rund um die Kirchen und somit auf engstem Raum angelegt. Platzmangel herrschte allenthalben. Deswegen begann es in der Oberschicht der Stadt zu rumoren. Namhafte Ärzte, Richter, Philosophen und Geistliche wollten nicht in dieser Enge bestattet werden und wohlmöglich etliche Jahre aus Platzmangel exhumiert werden müssen.
Sie forderten ein größeres Gelände, welches „dauerhafte Nutzung“ verspricht. Als kurz darauf auch noch eine Cholera-Epidemie die Stadt heimsuchte, mussten die Stadtoberen handeln. Sie erstanden ein ansehnliches Grundstück im Westen der Stadt. Fünf Jahre später konnte der Cinetière de l’Est dann endlich eröffnet werden. Ich denke mal, dass nicht alle „Eröffnungsgäste“ die Feierlichkeiten mitbekamen. Soweit ein paar Worte zur Geschichte dieses wirklich sehr beeindruckenden Friedhofs von Metz. Traurig finde ich, dass etliche Gräber ziemlich runtergekommen sind – manche wurden sogar in den letzten Jahren (mutwillig?) zerstört. Letztlich macht dies allerdings auch den besonderen Charme des Friedhofs aus – zusammen mit dem ungepflegten, komplett verdorrten Rasen.
STADT
DER
MUMIEN
Wie kann man einen Menschen beweinen, der gestorben ist? Diejenigen sind zu beklagen, die ihn geliebt und verloren haben. [Helmut von Moltke| 1800-1891]
FESTE PRINZ FRIEDRICH KARL Die Feste Prinz Friedrich Karl gehört zu meinen persönlichen Favoriten unter den Festungs-bauten rund um Metz. Die Franzosen tauften die Anlage später auf den Namen Groupe fortifié St. Quentin. Als Standort wählten die Erbauer ein Felsplateau, welches sich 190 Meter über dem Moseltal erhebt.
Ihr führt Krieg? Ihr fürchtet euch vor einem Nachbarn? So nehmt doch die Grenzsteine weg; so habt ihr keinen Nachbarn mehr. Aber ihr wollt den Krieg und deshalb erst setztet ihr die Grenzsteine. [Friedrich Nietzsche | 1844 - 1900]
Die Bauarbeiten an dieser ausgedehnten Festungsanlage begannen bereits im Jahr 1867 – seinerzeit noch unter französischer Regie. Kurze Zeit später folge der DeutschFranzösische Krieg und die Besetzung der Region durch deutsche Truppen, die die Bauarbeiten fortführten und 1879 beendeten. Das besondere an der Feste Prinz Friedrich Karl ist (jedenfalls meiner Ansicht nach), dass man hier mehrere Generationen unterschiedlicher Festungstypen erkunden kann. Denn die Feste besteht letztlich aus mehreren Anlagen, die unterschiedlichen Konzepten folgten. 1867 begannen die Franzosen mit dem Bau des Forts Dious. Sie konnten die Bauarbeiten allerdings nicht beenden, weil zwischenzeitlich die gesamte Region unter deutscher Protektion stand. Doch das deutsche Militär vollendete den Bau gemäß französischer Pläne. Das Fort Dious (später von auch Ostfort genannt – abgeleitet von der Lage auf dem Plateau) folgt noch dem Bauprinzip einer Bastion. Die Bauweise wurde kurze Zeit später als veraltet angesehen, weil sie gegenüber (seinerzeit) moderner Militärtechnik nicht mehr ausreichenden Schutz bot.
C AMP HITFELD Wenn ich diesen Namen höre, denke ich unweigerlich an ein Ferienlager aus den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts. Wundervoll gelegen, mit viel Grün drum herum. Weit gefehlt: Das Camp Hitfeld war einst eine belgische Kaserne in unmittelbarer Nähe der Garnisonsstadt Aachen. Letztlich besteht dass Camp aus drei großen Arealen – zwei technische Bereiche mit riesigen Hallen für Fahrzeuge und Gerät sowie weiteren Lagerhallen. Mittig lagen die Unter-künfte. Im Regelfall handelt es sich um gedrungene, wind-schiefe Holzbaracken ohne nennenswerten Wohnkomfort. Ein besonderes Highlight ist mit Sicherheit die alte Kirche.
STATION MONTZEN Die Station Montzen ist ein eindrucksvoller Ort. Die Station wurde während des Ersten Weltkriegs von den Deutschen erbaut. Russische Zwangsarbeiter und andere Kriegsgefangene mussten hier schuften, damit das Militär den Nachschub sichern konnte. Die Geschichte dieses Bahnhofs wird auch während des Zweiten Weltkriegs nicht erfreulicher: Er war der letzte belgische Verschiebebahnhof für die Züge in Richtung der Vernichtungslager im Osten. Meist gab es hier den letzten Halt und für viele Menschen somit die letzte Chance, dem sicheren Tod zu entgehen.
KULTURPALAST RUBENSBERG Der Kulturpalast Rubensberg ist ein wahrlich imposanter Bau und ein wundervolles Beispiel für den Baustil des Sozialistischen Klassizismus, welcher in der Architektur als eine Variante des Neoklassizismus begriffen wird. Der herrschaftliche Bau wurde zwischen Mai und Dezember 1950 im als „Kulturpalast der Bergarbeiter“ errichtet. Es war der erste, strikt nach sowjetischem Vorbild entstandene Kulturpalast der DDR und insofern ein Baudenkmal mit besonderer Bedeutung. Die Einweihung fand am 14. Januar 1951 statt. Selbst der damalige Ministerpräsident der DDR Otto Grotewohl hat sich diesen Termin nicht entgehen lassen. Seinerzeit beherbergte der Bau etwa 900 Plätze, einen großen Saal für Tanzveranstaltungen, ein Restaurant, ein Café, eine Bibliothek sowie ein Damen-, Kinder-, Musik- und Billardzimmer. Später wurde der Kulturpalast Rubensberg vom Fern-sehen der DDR genutzt. Mit der Wende kam auch das Aus der Betriebsamkeit. Seither steht das Gebäude leer und verfällt.
CIRCUIT
DE
REIMS-GUEUX
Die Rennstrecke Reims-Gueux war zwischen 1926 bis 1966 eine der wichtigsten und bekanntesten Motorsportstrecken in Frankreich. Sie liegt malerisch eingebettet in die Landschaft inmitten der Champagne. Von Anfang an war der Kurs einer der schnellsten in Europa. Deswegen wurden hier bis 1966 elf der Grand Prix de l'Automobile Club de France ausgefahren. Charakteristisch für die Rennen waren ausgedehnte Wind-schattenduelle, gefolgt von Ausbremsmanövern vor den Haarnadelkurven. Häufig endeten in Reims solche Fahrerduelle aber mit schweren Unfällen – etliche Fahrer verloren dabei ihr Leben: Annie Bousquet (*1923; †1956) William Whitehouse (*1909; †1957) Herbert MacKay-Fraser (*1927; †1957) Luigi Musso (*1924; †1958) Claude Storez (*1927; †1959) Peter Ryan (*1940; †1962) Natürlich wurde im Verlauf der Zeit immer wieder in die Streckenführung und Sicherheitsmaßnahmen am Rand der Strecke investiert. Um sich aber dauerhaft als Rennstrecke profieren zu können, hätte der Betreiber Automobile Club de Champagne deutlich mehr investieren müssen. Er sah allerdings keine Chance, diese Gelder durch den nur zeitweise realisierten Rennbetrieb zu refinanzieren. Ab 1970 wurde der Kurs daher nicht mehr für privat organisierte Rennen genutzt.
GUT GENTZRODE Ein orientalisches Schlösschen in Deutschland! Und dann eigentlich nur ein Bauerhaus? Unglaublich, aber wahr. Die Geschichte vom Gut Gentzrode begann 1855. Damals erwarb der Tuchmacher Johann Christian Gentz einen unberührten Fleck in der Nähe des Städtchen Neuruppin, um dort zusammen mit seinem Sohn Ludwig Alexander Gentz einen landwirtschaftlichen Musterbetrieb aufzubauen. Es entstand u.a. das im maurischen Stil erbaute Herrenhaus plus baulich passenden Kornspeicher. Die Baukosten überstiegen allerdings das Budget und somit verkaufte die Familie das Anwesen. Notgedrungen. Es folgten etliche Besitzer mit ebenfalls großen Planen. Sie waren alle glücklos. Einer von ihnen wollte auf dem Gut beispielsweise Zuckerrüben anbauen. Leider ließ die Bodenqualität das nicht her. Und so weiter ... Der Untergang des Gut Gentzrode folgte mit dem Einzug der russischen Armee nach Ende des Zweiten Weltkriegt. Sie richteten hier erst einen Schießplatz ein - natürlich inkl. Munitionslager. Der verseuchte Boden zeugt heute noch von ihren Aktivitäten. Seit dem Abzug der russischen Truppen steht das Anwesen leer.
HAUS
DER
OFFIZIERE
Wünsdorf ist ein kleines Kaff rund 40 Kilometer südlich von Berlin. Um genau zu sein, ist es sogar nur ein Ortsteil von Zossen im Landkreis Teltow-Fläming mit heute gerade einmal 6.200 Einwohnern. Doch Wünsdorf galt lange Zeit als Verbotene Stadt - im Volksmund wurde dieser Fleck Erde auch Lenin-Stadt genannt. Denn hier war das Oberkommando der GSSD in der DDR. Doch der Reihe nach: Zu Beginn des letzten Jahrhunderts beschloss die Königlich Preußische Armee die bereits bestehenden Truppenübungsplätze rund um Jüterbog und Kumnmersdorf um ein weiteres Areal zu erweitern. Die Wahl für auf die Umgebung von Wünsdorf. Es entstand ein zusammenhängendes, 6.000 Hektar großes Areal. Diesem Beschluss folgten umfangreiche Bauarbeiten, denn es galt, den neuen Standort angemessen auszubauen.
Durch den Ersten Weltkrieg forcierte Wünsdorf zum Hauptquartier der Reichswehr. Das war eine für den Ort folgenschwere Entscheidung der Militärs. Es folgte ein systematischer Ausbau des Standorts, der letztlich die weitere Zukunft der Stadt bestimmen sollte. Denn nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten stationierte die Wehrmacht ab März 1935 in Wünsdorf das Oberkommando des Heeres und 1938 folgte auch das Oberkommando der Wehrmacht. Am 20. April 1945 wechselten abermals die Fahnen auf den Gebäuden der Garnisonsstadt ihre Farben. Die sowjetischen Truppen marschierten in die Stadt ein. Wegen der günstigen Lage richtete Marschall Schukow hier auch sein Hauptquartier ein, um sich auf die kommende Schlacht um Berlin vorzubereiten. Вюнсдорф, wie dieser Ort von den Russen genannt wurde, blieb auch während der DDR-Zeit eine Schaltzentrale der sowjetischen Macht, da es als Sitz des Oberkommandos der (Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland auserkoren wurde. Von hier aus startete bis 1994 ein täglicher Zug nach Moskau – eine direkte Verbindung zu Machtzentrale im Sowjetreich.
Für Bürger der DDR war das gesamte Areal natürlich Sperrgebiet und man gar gut beraten, dieses Gebiet nicht ohne triftigen Grund zu betreten. Innerhalb des riesigen umzäunten und ummauerten Geländes, welches die GSSD für sich vereinnahmte, befanden sich bis 1994 zahlreiche sowjetische Einrichtungen – militärischer Natur natürlich, aber auch Kindergärten, Schulen, Sportplätze, Schwimmbäder und last but not least Geschäfte. Der Abzug der Russen erfolgte 1994. Sie hinterließen eine menschenleere Militärstadt und ein Areal von 260 Hektar, welches vielfach durch Chemikalien, Altöle und Munitionsreste verseucht ist.
CHÂTEAU AMÉLIE Dieses herrliche Herrenhaus gehörte einst einer wohlhabenden Unternehmerfamilie. Ihr wirtschaftlicher Aufstieg begannen Ende des vor-letzten Jahrhunderts mit der Gründung einer Spinnerei. Das Fabrik-gelände lag in Sichtweite der Villa, die damals noch von einem üppig bewachsenen Park umgeben war. Gut dreißig Jahre später verstarb das Familienoberhaupt, sodass ein Sohn die Verantwortung für die Geschicke des Unternehmens übernehmen musste. Er hatte dabei ein glückliches Händchen. Unter seiner Regie expandierte die Spinnerei und die Familie profitierte davon. Dem neuen Unternehmenslenker ging es aber nicht nur um das Wohl der eigenen Familie. Er kümmerte sich auch vorbildlich um seine Angestellten und Arbeiter. Entgegen der Gepflogenheiten dieser Zeit errichtete er soziale Einrichtungen für seine Mitarbeiter. Er stellte ihnen angemessenen Wohnraum zur Verfügung und richtete Kindergärten ein. Der Niedergang der Spinnerei kam mit dem Zweiten Weltkrieg. Im Oktober 1944 bombardierten deutsche Truppen das Firmengelände. Sie legten es in Schutt und Asche. Dies bedeutete auch den finanziellen Niedergang der Familie, so dass bald danach das Château Amélie verkauft werden musste.
HEILSTÄTTE GRABOWSEE Die Entstehung der Lungenheilstätte Grabowsee nördlich von Berlin ist auf das Wirken des Stabsarztes Gotthold Pannwitz zurückzuführen. Er setzte sich seit 1895 im kaiserlichen Gesundheitsamt unermüdlich für die Er-richtung einer Lungenheilstätte zur Bekämpfung der TBC ein. Seine Idee: Er wollte mittellosen Kranken (vornehmlich aus der Arbeiterschicht) helfen, da diese Menschen nicht über die notwendigen Mittel für die Behandlung verfügten und somit kaum Aussicht auf Genesung hatten. Die TBC war damals eine Volkskrankheit, die insbesondere in der Arbeiterschicht wütete. Zur Verwirklichung seines Vorhabens gründete Pannwitz einen Verein, der Spenden sammelte. Seine Idee begeisterte schnell die Menschen. Bereits im März 1896 konnte ein Vorläufer der späteren Lungenheilanstalt entstehen. Einen Monat später zogen die ersten Patienten ein. Ähnlich wie in Beelitz kombinierten die Architekten einen ausgefallenen Baustil mit den Errungenschaften der damaligen Technik (Zentralheizung, elektrisches Licht, etc.). 1920 übernahm die Landesversicherungsanstalt Brandenburg das Sanatorium.
MONASTÈRE MONT G Puh … selten besuchte ich einen Ort solch beeindruckenden Ort. Und selten hatte ich bei meiner Visite solches Herzklopfen. Obwohl ich wusste, dass das Monastère Mont G schon seit vielen Jahren nicht mehr genutzt wird, fühlte ich mich unwohl. Überall fand ich deutliche Hinweise dafür, dass hier regelmäßig Besucher einund ausgehen. Aber meine Neugierde war groß und mich zu überwinden war lohnend.
Das Monastère Mont G wurde Anfang des 20. Jahrhunderts aus rotem Backstein – dem traditionellen Baustoff dieser Region Belgiens – errichtet. Es galt lange Zeit als das spirituelle Zentrum der hier lebenden Menschen. Warum die Gemeinde das ehrwürdige Kloster letztlich aufgab, vermag ich (leider) nicht zu sagen. Fest steht, dass die Räumlichkeiten schon seit mehr als zehn Jahren nicht mehr genutzt werden. An der Bausubstanz kann es nicht liegen … die ist hervorragend.
MILITÄRKRANKENHAUS JÜTERBOG Jüterbog ist heute eine beschauliche Gemeinde in Brandenburg. Sie war zeitweise allerdings eine der größten Garnisonsstädte Deutschlands. Mitte des 19. Jahrhunderts fasste das Militär den Beschluss, in Jüterbog einen königlich-preußischen Artillerieschießplatz zu errichten. Schnell folgten weitere Einheiten, sodass bald auch ein rein militärisch genutzter Stadtteil entstand. Nach dem 1. Weltkrieg fand der Garnisonsbetrieb in Jüterbog anfangs nur ein-geschränkt statt. Das änderte sich nach der Machtübernahme der Nazis. Nach und nach siedelte die Wehr-macht in Jüterbog Einheiten des Heeres, der Luftwaffe und der Waffen-SS an. Nach dem 2. Weltkrieg war das Örtchen bis 1994 – dem Abzug der GSSDTruppen – die wichtigste Militärbasis der UdSSR bzw. GUS in Deutschland. Man schätzt, dass bis zu 40.000 Soldaten dort stationiert waren. Natürlich benötigten die Soldaten auch entsprechende ärztliche Versorgung. Die Russen nutzen dazu ein mitten im nahen Wäldchen gelegenes Areal.
KRYPTA Eine Großstadt im Herzen Belgiens, die übliche städtische Hektik auf den Straßen und Bürgersteigen. Eine Hauptverkehrsstraße in unmittelbarer Nähe mit dem gewohnten Lärm und Gestank. Es geht zu wie in einem übervölkerten Taubenschlag. Dies ist das direkte Umfeld dieses ehrwürdigen Friedhofs, dessen Ursprung bis in das vorletzte Jahrhundert zurückreicht. "Wer will hier schon zur Ruhe kommen ...", das waren meine Gedanken bevor ich den Friedhof betrat. Doch ich wurde eines Besseren belehrt: Schon nach wenigen Schritten hörte ich Vogelgezwitscher und hatte Augen für das eher spärliche Grün, welches sich zwischen den vielen Gräbern einen Platz eroberte. In der Krypta verstärkte sich dann das Gefühl, seltsam von der Realität entrückt zu sein. Gedämpfte Stimmen aus weiter, weiter Ferne. Ein seltsamer Widerhall meiner Schritte und Gedanken. Selten hatte ein Ort eine derartige Wirkung auf mich.
ÉCOLE LABYRINTH Die Geschichte dieser Bildungseinrichtung begann im Jahr 1910: Seinerzeit fasste die Gemeinde den Beschluss, eine Schule speziell für Kinder mit leichter Behinderung zu errichten. Sie stiftete dazu ein 14 Hektar großes Naturgrundstück. Während der Wirren des Ersten Weltkriegs und in den Jahren danach schlummerte das Projekt.
Erst Jahre später besann man sich auf den gefassten Beschluss und setzte ihn in die Tat um. Die feierliche Eröffnung der Schule fand somit erst 1926 statt. Anfangs konzentrierte sich der Lehrbetrieb auf die Land- und Viehwirtschaft - ergänzt um die Kunst der Schuhmacherei, des Schreinerns und Korbflechtens. Mitte der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts änderte sich das Konzept der Bildungseinrichtung. Fortan bot man Studenten zwei Schwerpunkte: einen technischen sowie einen medizinisch-pädagogischen Zweig. Dies blieb bis zum Ende der Einrichtung im Jahre 2007 unverändert. Kurz nach Ende des Lehrbetriebs erwarb eine Immobiliengesellschaft das Areal. Sie plante die Errichtung von 280 Wohn-einheiten mit dem Ziel, eine Begegnungsstätte für Generationen zu errichten. Dieses Vorhaben konnten die Anwohner viele Jahre verhindern ... konnten ... denn inzwischen setzte die Immobiliengesellschaft ihr Interesse durch. Ein Teil der Gebäude wurde inzwischen abgerissen. Und die historischen Bauten, die seiner-zeit im Cottage-Stil errichtet wurden, und unter Denkmal-schutz stehen, sollen in Kürze umgebaut werden.
FILATURE BODIN August Bodin würde sich im Grab umdrehen, wenn er vom Ende seines vor 150 Jahren gegründeten Unternehmens erfahren würde. Sein Lebenswerk liegt in Schutt und Asche. Bodin begann seine Karriere 1842 als Zwölfjähriger in einer Textilfabrik seiner Heimatstadt. Innerhalb weniger Jahre stieg er vom Arbeiter zum Betriebsleiter auf. Einmal Geschmack an dieser Verantwortung gefunden, bemühte sich Bodin 1861 um einen Kredit über 200.000 Franken, um eine eigene Fabrik zu erwerben. Es war ein kleines und unbedeutendes Unternehmen mit weniger als hundert Arbeitern. Ein Investor ermöglichte ihm seinen Traum. Bereits 1871 begann Bodin damit, eine weitere Baumwollspinnerei zu bauen. 1897 folgte eine Spinnerei, die Jute und Hanf verarbeiten konnte. Sympathisch ist, dass Bodin bei all dem Erfolg seine Arbeiter nicht vergaß. Ihm verdankte er seinen Aufstieg und er bedankte sich mit der Finanzierung von Schulen, Kindergärten und einem Waisenhaus. Unter seiner Regie entstand auch eine Siedlung für die Mitarbeiter der Spinnerei. August Bodin starb im Mai 1917.
C ASERNE SAINT-AVOLD Saint-Avold ist eine Kleinstadt in Lothringen. Zwischen 1870 und 1918 gehörte die Gemeinde zum Deutschen Reich. Sie war preußische Garnisonsstadt und beherbergte unter anderem das 3. Lothringische Feldartillerie-Regiment Nr. 69. Im Ersten Weltkrieg dienten die Kasernen als Ausbildungsstandort für das 1. Ersatz-Bataillon des Infanterie-Regiments 173. Welche Dominanz das Militär in der Stadt seinerzeit hatte, zeigen folgende Zahlen: Saint-Avold zählte 1910 insgesamt 6.400 Einwohner, von denen 2.500 Soldaten waren. Auch nach dem Ersten Weltkrieg blieb der Ort Garnisons-stadt – diesmal allerdings unter französischer Flagge. Ab 1928 wurde in unmittelbarer Nähe die Maginot-Linie errichtet, sodass einige der deutschen Kasernen fortan Rückzugsraum für die Verteidigungslinie der französischen Armee boten. Im Zweiten Weltkrieg nahm am 27. November 1944 General Pattons 3. US-Armee Saint-Avold ein. Der Cimetière militaire américain vor den Toren der Stadt ist mit über 10.000 Gräbern amerikanischer Gefallener der größte US-Soldatenfriedhof in Europa.
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