JUNI 2011
#00 KÖLNER KULTUREN MAGAZIN | WWW.NULL22EINS-MAGAZIN.DE
FREIEXEMPLAR
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EDITORIAL
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Editorial
EDITORIAL
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RAUM KULTUR PERSPEKTIVE KÖLN Gemalt, vertont, mitten im Überall, von Menschen mit Visionen, von Menschen mit eigenem Kopf – Kultur ist so vielfältig wie das Leben in Köln. null22eins ist die Vorwahl einer Großstadt, die eine Fülle an kulturellen Möglichkeiten vorzuweisen hat. Und es ist der Name eines neuen Magazins, das die zahlreichen Facetten kultureller Räume widerspiegelt – die Spannbreite reicht vom Antiquariat von nebenan über den kreativen Visionär von morgen bis hin zum Partyleben dieser Stadt.
Einen anderen Blick auf Räume haben auch Peter Schreck und Anu-Cathrin Beck. Die beiden stehen für die Umsetzung des Coworking in Köln. Diese neue Form des Arbeitens lässt Grenzen verschwinden, sowohl räumlich als auch ideell. Wie ‚Coworking Cologne‘ wächst und was genau dahinter steht, ist ab Seite 44 zu lesen.
null22eins verkörpert eine einfache Idee: Köln ist ein kultureller Ameisenhaufen. Soll heißen, hier wuselt unwahrscheinlich viel, quer durcheinander, mit – eigentlich – einem gemeinsamen Ziel. Der Installationskünstler Allan Gretzki Die ganzen Arbeiterameisen zu bündeln, hat null22eins zum Spaziergang auf die ihnen eine Stimme und damit wieder rechte Rheinseite eingeladen und dabei einen sicheren Platz im öffentlichen Bean Details über seine Arbeit und seine An- wusstsein dieser Stadt zu geben, ist im sichten zu (Kölner) Räumen teilhaben las- Interesse aller Beteiligten – ob nun selbst sen. Ab Seite 16 werden Weg und Erkennt- Kunst Schaffender, engagierter Bürger nisse dieser Begegnung nachgezeichnet. oder professioneller Medien- und Öffentlichkeitsarbeiter. Durch die Veröffentlichungen in diesem Magazin soll eines gewahrt bleiben: ein realitätsnaher Blick auf Kölner Themen. Dass dieser nicht allumfassend oder abschließend sein kann, ist wohl verständlich. Die Macher dieses Magazins sind sich im Klaren, dass ihre Beiträge auch kritisch angenommen werden können. Das ist auch gut so. Journalismus braucht Reaktionen. Wir laden hierzu bereits jetzt sehr neugierig ein.
Hinter null22eins steht der noch kleine Verein artishocke e.V., der sich als Netzwerk versteht und mit bislang sehr wenigen Mitteln ein unabhängiges Magazin für Köln anbieten will. Die Mitwirkenden dieser Ausgabe sind Studenten, Journalisten, Kunstschaffende, engagierte Menschen und Medienmacher, die alle durch diese Stadt verbunden sind. null22eins versucht auf Werbung zu verzichten. Unsere „Null-Ausgabe“ erhält lediglich Unterstützung von einer Druckerei. Damit das so bleibt, müssen auch der Verein und das Netzwerk dahinter wachsen. Die Realisierung dieser ersten Ausgabe war nur durch ehrenamtliches Engagement möglich, für das wir uns bei allen Beteiligten bedanken. Und für alle, die null22eins nun in der Hand haben: Viel Spaß beim Lesen! null22eins
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INHALT
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KÖLNER KULTUREN MAGAZIN | WWW.NULL22EINS-MAGAZIN.DE
Nr Null
06 ALT / NEU /// IN GEDENKEN AN DIE PAPIERFABRIK 08 KÖLN-SZENE /// LOW BUGDET
Wer es nicht gesehen hat, kann sich keine Meinung machen: eine Kölner Kneipe, die keine Veedelskneipe ist
24 BÜHNE /// SCIENCE SLAM
Von der Kunst, Wissenschaft künstlerisch und unterhaltend darzustellen – ein Erfolgsprogramm
26 MUSIKER /// X-RAY HARPOONS Erfolg auch ohne Debutalbum
27 TONTRÄGER
The Sounds, Ken Guru & The Highjumpers, The Delegators
28 KONZERTE
Liebe auf den zweiten Blick: 10 Jahre Egotronic Trash Deluxe: The Monsters
29 ZWISCHENRAUM /// LIMELIGHT
Ein Laden von Weltformat muss sich zwei Anwohnern beugen – ein Problem mitten im Kölner Raum
10 KONSUM /// DINGE VON ANDEREN
Was sich hinter dem Lifestylegefühl von Flohmarkt- und Antiquitätenkäufern verbirgt
14 KULTURGUT /// SCOPITONES
Sperrige Holzkisten als Vorfahren heutiger Musikvideoclips
16 PORTRAIT /// RAUMOLOGISCHES
Installationskünstler Allan Gretzki im Gespräch: von Menschen und Mauern
20 UNI /// LE DEBUT
Wohin nach der Mensa? Eine Kultparty auf Locationsuche
22 FOTOGRAFIE /// INSZENIERUNGEN
Ein ganz eigener Blick der Fotografin und Diplomdesignerin Vera Drebusch auf das Objekt Mensch
30 FOTOSTRECKE /// EIGELSTEIN
Bunter als gedacht präsentiert sich ein altes Schmuddelviertel. Überzeugungsarbeit per Fotografie
34 SPORT /// MOVE ARTISTIC
Neue Bewegungsformen auf dem sprunghaften Weg nach oben
36 ILLUSTRATION /// EINE DER GUTEN
Ansehnliches aus vielen Bildern: Collagen, Illustrationen, Animationen – kurz: schöne Kunst
INHALT
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Impressum 38 WISSENSCHAFT /// KAFFEESACHSEN
Kaffeekonsum ist Kultur: Eine Untersuchung von „Kaffeetrinken im Sozialismus“
40 MODE /// KLEINE SCHWESTER
Handgemachtes, das verbindet: eine Design-Geschichte mit viel Herz
Herausgeber
E-Mail: redaktion@null22eins-magazin.de
V.i.s.d.P Redaktion u. redaktionelle Mitarbeit Layout Fotos
Coverfoto Druck
42 MUSEUM /// FREMD IN KULTUREN
Ein Rundgang durch das neue Rautenstrauch-JoestMuseum im Kölner Kulturquartier
Anzeigen
Robert Filgner, Şehnaz Müldür Jens Alvermann, Christina Andras, Daniel Deininger, Robert Filgner, Katarina Fritzsche, Karol Herrmann, Şehnaz Müldür, Adam Polczyk, Stephan Strache. Christian Beauvisage, Helena Kasemir, Leo Pellegrino, Julia Ziolkowski Christian Beauvisage, Vera Drebusch, Sabine Große-Wortmann, Antje Lepperhoff, Judith Uhlig Christian Beauvisage Druckhaus-Köln Robert-Bosch-Str. 6 50181 Bedburg E-Mail: www.druckhaus-köln.de artishocke e.V., Genovevastr. 65, 51063 Köln Telefon: 0221. 94 68 604 E-Mail: redaktion@null22eins-magazin.de
44 NETZWERKEN /// COWORKING COLOGNE
Eine neue Form des Arbeitens erobert die Stadt. Coworking lässt dabei Grenzen verschwinden
artishocke e.V. Genovevastr. 65, 51063 Köln
http:// Redaktionsschluss
null22eins-magazin.de Ausgabe #00: 24. Mai 2011
Urheberrechte für Beiträge, Fotos und Illustrationen sowie der gesamten Gestaltung bleiben beim Herausgeber oder den Autoren. Abdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Herausgebers! Alle Veranstaltungsdaten sind ohne Gewähr.
46 HOEHEPUNKTE /// CITYLEAKS FESTIVAL 47 AUSBLICK /// ERIC UND DIE BOARDS
Gedruckt auf FSC Papier. Bitte recyceln!
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Köln-szene KÖLN-SZENE
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h H c C s i S I t T n N e E d D u U t T s S s gEeS sTtIiG nS üN gÜ G nTt aN rA uR aU sTtA rEeS R r dEeR uFf D aU A r nEeR hEeN cH aC aA A sEe sS aS rA sTtR S
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text: ROBERT robert FILGNER Filgner TEXT: Fotos: CHRISTIAN christian BEAUVISAGE, beauvisage, FOTOS: Judith UHLIG uhlig JUDITH
Köln-szene KÖLN-SZENE
Man KANN Kann ALLES alles ZUM zuM MAN low BUDGET budget SAGEN, sagen, NUR nur LOW nicht RESTAURANT. restaurant. NICHT Der einzige Beitrag in der Bild-Zeitung über sie macht die Besitzer schon ein bisschen stolz. Oder besser formuliert: trotzdem. Ein Restaurant war das Low Budget nie. „Wir sind einmal auf ihrer ‚In-Liste‘ gelandet, mit diesem knallhart recherchierten Satz. Damals gab es an Samstagen zum Fußball schauen ‚Toast Hawaii‘ und ein paar Schnittchen“, erklärt Lothar, einer der beiden stets gut gelaunten Köpfe hinter der Theke des nun schon 15 Jahre alten Lokals. Das Low Budget auf der Aachener Straße ist eine Kneipe, in der die Kneipenwelt noch in Ordnung ist. Ein echter Low Budget-Gänger schaut darüber hinweg, wenn der Billardtisch mal wieder schief steht, nörgelt nicht, wenn der nächste Euro im Kicker kleben bleibt. Genauso gemütlich kümmern sich die Chefs darum, dass schnell alles wieder funktioniert – einen freundlich dummen Spruch immer oben drauf.
erfrischend uncool Erfrischend Das „erfrischend uncoole“ Lokal, wie so manch ein Gast zu sagen pflegt, liegt inmitten von Szenekneipen und Cocktail-Einerlei-Läden, zwischen Studentenviertel und Schaulauf-Passagen, zwischen Ring und (naja grob) Aachener Weiher. Eigentlich könnte man das Low Budget selbst zu einer Szenekneipe erklären, doch wird man damit den seit Jahren hier einkehrenden echten Fans nicht gerecht. Und erst recht nicht den beiden Machern dahinter: Lothar und Albert, zwei Namen, die zu keinem der beiden Gesichter passen und sich dennoch sofort einprägen.
Vor mittlerweile 15 Jahren übernahmen die Beiden ein echtes Kneipen-Loch. Alles, was ab fünf Uhr morgens noch laufen konnte und/oder im Hellen nicht durch die Stadt laufen wollte, traf sich hier – in der damaligen Wunderbar – zum Feierausklang. Die Aachener Straße war geprägt von den Langzeit-Klassikern Roxy und Six Pack sowie damals noch dem EWG – dem Urtreff aller Kunstschaffenden im Veedel. Das Image, das den Laden heute noch prägt, wurde also bereits früh geschaffen: etwas anrüchig und polarisierend. „Am Anfang war es gar nicht einfach hier. Die ersten zwei Jahre mussten wir erst mal damit verbringen, dem doch sehr eigenwilligen Publikum, dem Grobvolk, klar zu machen, dass wir ein eigener und vor allem neuer Laden sind“, erzählt Lothar in seiner gewohnt ironischen Art. Die Erfolgsgeschichte Low Budget ging danach richtig los. Mit der ‚Offenen Wunde‘ ging 1999 hier die erste ständige OpenMicrophone-Veranstaltung an den Start. Aus den Anfangsjahren dieser offenen Bühne ging auch Johann König hervor, der beste Kumpel des damaligen Moderators Rupert Schieche. Und auch heute noch ist der zweite Samstag in den dunkleren Monaten von September bis Mai diesem „dilettantischen“ Spektakel reserviert.
schickimicki Kein Schickimicki Aber was ist jetzt das typische Publikum in diesem Laden? „Wir wollten damals keinen Schickimicki-Laden und sind es bis heute nicht. Daher drehen die ganz jungen Dinger, die sich hierher verlaufen, auch schnell wieder ab“, so Lothar. Also kein Schickimicki. Gut. Doch einfach Kölsch- oder Veedelskneipe ist es auch nicht. Im Low Budget findet man viele Stammgäste, aber eben auch stets neue. „Alle sechs Monate kommt ja Frischfleisch in die Stadt und für Studenten sind wir schon immer interessant.“ Und außerdem hat der Laden ja doch auch einiges zu bieten. Während das Low Budget oft nur auf „Tequila vom Fass, Name ist Programm,
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Warum das geht, weiß eigentlich auch keiner“ reduziert wird, muss man sich nur einmal länger in den Kneipenraum oder den hinteren Spiele- und Bühnebereich setzen. Hier greift Lothar nochmal ein: „Es gibt bei uns drei Kategorien an Gästen: die, die nur hinten sind. Die, die nur vorne sind. Und die, die hin und her switchen.“ So erklärt sich auch, wie Menschen, die meinen Stammgäste zu sein, andere Stammgäste nie zu Gesicht bekommen. Dass sich das Low Budget so lange und so gut behauptet, liegt vor allem an der Atmosphäre. Selbst an Wochenenden, wenn der Laden aus allen Nähten platzt und Sauerstoff zur Mangelware wird, gerade im hinteren Bereich – einer früheren Bowlingbahn mit entsprechendem Schlauch-Charakter –, findet jeder seinen Platz. Bier gibt’s eh nur an der Theke. Abgerechnet wird zum Schluss vom Deckel. An Kicker und Billard wechselt man sich durch. Und das Wichtigste: Für das musikalische Wohl ist stets gesorgt. Die Musik passt einfach in den Laden: „Das Low Budget ist als Rock‘n‘Roll-Kneipe gestartet. Gitarren müssen einfach sein“, findet nicht nur Lothar. Das Gesamtprogramm kann man Selbstläufer nennen. Und das freut auch die beiden Gründer. Immerhin sind sie an Wochenenden mittlerweile auch lieber Gast.
weitere INFOS inFos WEITERE Mehr zum Laden und dem kompletten Programm unter www.lowbud.de
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IN GEDENKEN
und niemals gehst du ganz ... FOTOS: ANTJE LEPPERHOFF, JUDITH UHLIG
DIE PAPIERFABRIK WAR EIN ERFOLG INMITTEN VON INDUSTRIEKULTUR. BRACHEN HAT KÖLN JA NOCH GENUG. EINE DAVON KANN DIE GESCHICHTE WEITERSCHREIBEN. NUR WELCHE?
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KONSUM
> Fotos: Copyright
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KONSUM
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DINGE VON Marginalspalte opultorum nostis pula derce imissernum nonsi contem fex mo us facesso licaperes senduci onosus
ANDEREN
DER ERWERB GEBRAUCHTER GEGENSTÄNDE IST MEHR ALS NUR DER WUNSCH, GÜNSTIG EINZUKAUFEN. DAHINTER STECKT DIE GESCHICHTE EINER KONSUMFORM, DIE FÜR SICH SELBST BEDEUTUNG SCHAFFEN WILL.
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TEXT:
Ş EHNAZ MÜLDÜR
FOTOS: SABINE GROSSEWORTMANN
stellte der Philosoph und Soziologe Jean Baudrillard fest: „Die Gegenstände des täglichen Gebrauchs … zeigen eine sprunghafte Zunahme, die Bedürfnisse werden immer vielfältiger, die Produktion beschleunigt ihr Kommen und Gehen, und schließlich ermangeln wir der Wörter, um alle mit Namen zu benennen.“ Was hat sich heute, über 40 Jahre nach dieser Aussage, die den Grundstein für Baudrillards Abhandlung ‚Das System der Dinge‘ legte, geändert? Eigentlich gar nichts. Mehr denn je konsumieren wir, als gäbe es kein Morgen. Und fast scheint es, als täten wir dies gar nicht freiwillig, sondern als würden wir dazu genötigt – durch uns verschlingende gesellschaftliche Strukturen, die Politik, die Medien, das zurückschlagende Imperium, durch Pippi Langstrumpfs Truhe voller Golddukaten. Oder noch schlimmer: durch unsere eigene Psyche. Denn hinter dem Unvermögen, Namen für unsere Konsumgegenstände
zu finden, steckt nicht fehlende Eloquenz, sondern der unbewusste, allzu menschliche Mechanismus der Verdrängung: Man kauft etwas, es befriedigt einen nicht, man geht los und kauft das Nächste und auch das befriedigt nicht. Der Mangel ist nicht nur ein Mangel an Worten, sondern vor allem ein Mangel an der Fähigkeit, die Dinge mit einer persönlichen Bedeutung für einen selbst aufzuladen.
Die Wertigkeit der Dinge Vielleicht lässt sich aus dieser Beobachtung heraus auch erklären, warum eben nicht immer alles „so schön neu“ sein muss, wie es beispielsweise von Peter Fox besungen wird, sondern auch mal alt und abgenutzt sein darf. Denn Dinge, die schon mal jemand anderem gehört haben, erzählen ja bereits eine Geschichte. Wie lässt sich sonst erklären, dass jeden Sonntag unzählige Personen dies- und vermutlich auch jenseits des Mondes sich zu unchristlichen Zeiten aus dem Bett quälen, um über Flohmärkte zu streifen? Was sonst steckt hinter der Entwicklung vom leicht schambesetzten Second Hand-Schnäppchenjäger zum Second Hand-Trendsetter mit ausgeprägtem Sinn für Vintage-Chic? Woher sonst stammt das Phänomen der Antiquitätensammler? Insbesondere im Verhalten letzterer offenbart sich der Wunsch
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KONSUM
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nach Bedeutung. So erklärt Peter van den Hoogen, Besitzer des Antiquitätengeschäfts auf der Venloer Straße 28: „Der Wert der verkauften Gegenstände ist sehr oft nichts Erlesenes oder Teures, sondern teilweise handelt es sich einfach nur um ein ausgefallenes Stück. Der Wert ist somit ein ideeller.“ Die Motive für das Sammeln sind unterschiedlich. So kommt seit nunmehr zwei Jahren jeden Monat ein sehr junger, nämlich gerade einmal 11-jähriger Käufer in seinen Laden und sieht sich nach alten Büchern um. Der Inhalt der Werke interessiert ihn dabei herzlich wenig, er mag einfach die schönen Einbände. Dann wiederum kriegt Peter van den Hoogen regelmäßig Besuch von einer Kundin, die einen klassischen Krimi nach dem anderen verschlingt. Auch das ist Sammeln.
Der Sympathiefaktor Das Kaufen alter Sachen ist mitunter persönlicher, vertrauter, heimeliger. Am Flohmarktstand unterhält man sich mit dem Verkäufer darüber, wie die angepriesene überdimensionale Kuckucksuhr in den Familienbesitz gelangt ist. Im Second HandShop gerät man mit der Dame an der Kasse in verbale Schwärmereien über das Revival von Peeptoe-Schuhen. Und im Falle des Antiquitätenladens in unmittelbarer Nähe zum Stadtgarten kann man bei einer gemeinsamen Zigarette mit dem Ladenbesitzer über den Preis eines Drehscheibentelefons feilschen. Man kennt sich eben. Daher würde Peter van den Hoogen sich auch nie in seinem Geschäft vertreten lassen. Seine Kunden wollten schließlich mit ihm sprechen, erklärt er, da er ihr Umfeld kenne und umgekehrt. Wenn er ein neues Stück im Laden hat, von dem er denkt, dass es einen bestimmten Kunden interessieren könnte, ruft er einfach an und gibt Bescheid. Die Bedeutung von Dingen, ihre Geschichte ist letztlich immer auch an Menschen und so auch stärker an das Käufer-VerkäuferVerhältnis gebunden, als es bei neuen Sachen der Fall ist. Da kauft man dann vielleicht nicht ganz so gerne von einem weniger freundlichen Verkäufer oder gibt umgekehrt einem unsympathischen Käu-
fer ungern etwas in die Hand: „Es gibt Kunden, für die empfinde ich auf Grund ihres Auftretens nicht so viel Sympathie. Da ist es mir auch egal, ob ich verkaufe. Und es gibt Kunden, die kennen eben den Wert der Dinge, beispielsweise weil sie sammeln. An die verkaufe ich natürlich lieber.“ Da ist er also wieder, der viel beschworene Wert. Den gibt es aber eben auch, wenn ihn außer dem Besitzer kein Mensch erkennen kann. Peter van den Hoogen hat schon sehr lange, bevor er sein Geschäft vor mehr als 17 Jahren eröffnete, im Belgischen Viertel gewohnt. Die Menschen hier kennen ihn; und wenn jemand umzieht oder verstirbt, wird er angerufen, um sich die Gegenstände in der Wohnung anzusehen und mitzunehmen. Klar, dass nicht alles davon in seinem Laden landen kann. Doch mitgenommen wird es trotzdem – um den Kunden nicht das Gefühl zu geben, dass ihre für sie unermesslich wertvollen Sachen eben doch nicht so kostbar sind. Deshalb verkauft der erfahrene Händler auch auf Flohmärkten – beispielsweise Porzellan, Kaffeemaschinen oder „langweilige Taschenbücher.“ Und woher weiß man, was für den Flohmarkt und was für den Laden taugt? Die schlichte, aber
KONSUM
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Ein Blick in Peter van den Hoogens Antiquitätengeschäft auf der Venloer Straße
eigentlich gar nicht einfache Antwort: „Erfahrungssache. Nach Jahren weiß ich, was direkt in den Container kann, was auf den Flohmarkt, und was in den Laden. Der Kunde selbst kann es nicht wegwerfen, aber ich habe da keine Hemmungen.“
Individualität durch Konsum? Während der Eine sich nicht von einem inkontinenten Samowar trennen kann, weil der noch von der verstorbenen Oma stammt, errichtet und pflegt der Andere im Erwerb gebrauchter Dinge vor allem einen bestimmten Lifestyle. Den Couchtisch von einem Sperrmüllhaufen zu haben, scheint interessanter, als ihn im Möbelgeschäft erworben zu haben – und
zwar nicht nur, weil das die günstigere Variante ist. Die Motive sind unterschiedlich: Manche Kunden wollen einfach nur für möglichst wenig Geld einkaufen. Andere sind auf der Suche nach einem bestimmten Buchtitel, nach vier zusammenpassenden altmodischen Stühlen, nach einem Hirschgeweih oder was auch immer. Und dann gibt es noch diejenigen, die „sich selbst einfach mit alten Sachen befassen und wohl fühlen“, wie Peter van den Hoogen sagt. Inzwischen allerdings, ergänzt er, gebe es nur noch sehr wenige spezialisierte Kunden. Man gibt heute eben nicht mehr so viel Geld für Antiquitäten und Sammlerstücke aus. Doch auch hier bestätigen Ausnahmen die Regel. Denn was seinen Kundenstamm angeht,
„gibt es natürlich auch die Leute, die Zeitschriften wie diese lesen“ – Peter van den Hoogen hält eine Ausgabe der Deco hoch – und einen bestimmten, darin vorgestellten Einrichtungsstil für sich entdecken. „Kunden werden stark beeinflusst durch Trends, die auch von diesen Zeitschriften gemacht werden“, erläutert er. Hier überschneiden sich offenbar die Skalen für den ideellen Wert. Einerseits sehnen wir uns als Konsumenten nach möglichst viel Individualität, die wir durch das Aufladen von Bedeutung erzeugen wollen. Andererseits geht mit diesem Vorgang einher, dass die Geschichte der Gegenstände nicht nur die Geschichte ist, die wir ihnen selbst geben, sondern immer auch eine, die sie (selbst als neue, noch verpackte, frisch aus China importierte Konsumgüter, aber das ist wieder eine andere Geschichte) schon mitbringen. Der Kontext, in den wir sie einordnen wollen, ist dabei entscheidend. Wer sich für ungewöhnlich designte Lampen aus den 80ern interessiert, kann daher in Peter van den Hoogens Laden schon auch mal bei einem alten Stück aus dem gerade von vielen Individualisten verpönten Ikea landen. So stellt er, im Grunde genommen Bezug nehmend auf mehrere Jahrzehnte des Konsumierens, fest: „Sicher gibt es auch viel Schrott bei Ikea, aber es gibt überall Schrott.“
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KULTURGUT
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DIE KURZE PHASE DER SCOPITONES
Charme
in sperrigen Holzkisten TEXT: CHRISTINA ANDRAS FOTOS: SCOPITONEARCHIVE.COM
IM FRANKREICH DER 60ER JAHRE ENTSTANDEN WUCHTIGE VIDEO-JUKEBOXEN, AUF DENEN MAN NACH GELDEINWURF DIE VORFAHREN UNSERER HEUTIGEN MUSIKVIDEOCLIPS SEHEN KONNTE. AUSSER DEM BUDGET HAT SICH BIS HEUTE NICHT SO VIEL VERÄNDERT.
Kaum einer hat heutzutage von den so genannten Scopitones gehört. Dabei handelt es sich um eine Art Jukebox für Musik videos. Die großen Kästen entstanden wohl aus militärischen Restbeständen des Zweiten Weltkrieges und hatten nur eine sehr kurze Blütezeit. In Frankreich waren sie am beliebtesten, von dort aus verbreiteten sie sich zunächst vor allem nach Westdeutschland und England und schließlich auch in die USA. Auf ähnlichen Prinzipien beruhten auch die Cineboxen, die Color-Sonics und die schwarzweißen Vorreiter aus den USA von 1939, die Panorams, die auch liebevoll Soundies genannt wurden.
KULTURGUT
Lustige Filmchen auf Knopfdruck Auf zumeist 16mm-Rollen wurden kurze bunte Filme zu Musikstücken nach Geldeinwurf abgespielt. Nachdem sich in den 1940er Jahren die Jukebox verbreitet hatte, kam in den 60er Jahren die „Film-Jukebox“ in Form von Scopitones und ähnlichen Modellen auf. Da sie vor allem zur Unterhaltung in Kneipen eingesetzt wurden, kristallisierte sich schnell ein bestimmter Stil der Filme heraus: Sie waren bunt, schrill und sexuell ziemlich freizügig. Je mehr Go-Go-Girls in den Filmen leicht bekleidet zur Musik herumhüpften, desto besser. So kam es auch oft zu grotesken Kontrasten der Inhalte von Musik und Film. Traurige Balladen wurden oftmals genauso überdreht filmisch in Szene gesetzt wie lustige Tanzlieder.
Inszenierung mit wenig Budget Für die Clips gab es oftmals keine Drehbücher oder sonstige Pläne. Durch das auf etwa 1.000 Euro pro Film beschränkte Budget, in das auch die Kopien schon mit einberechnet werden mussten, wurde improvisiert, was das Zeug hielt. Man machte zum Beispiel verrückte Dinge auf einem Rummelplatz, tanzte mit Staubwedeln und Kochgeschirr und lockerte den zusammenhanglosen Wahnsinn
mal eben mit einem Flic Flac schlagenden Akrobaten auf, weil dieser vielleicht gerade zufällig anwesend war. Gerade diese Improvisation und Planlosigkeit machen die Filme so sympathisch und begründen sicherlich einen großen Teil der Anziehungskraft, die heute noch für die Sammler der Scopitones und der dazugehörigen Clips ganz groß ist. Der Seltenheitswert der Geräte, die nur eine kurze Blütezeit von drei Jahren zwischen 1962 und 1965 erlebten, dürfte den Scopitone-Kult noch steigern. Kaum jemand erinnert sich an sie – alleine das dürfte den Kultfaktor für den kleinen Kreis an Sammlern und Nerds ins Unermessliche wachsen lassen.
Faszination mit jähem Ende Die gut einen Meter breiten und 1,80 m hohen, 180 kg schweren Holzkisten mit Bildschirm standen nicht nur in Kneipen und Lokalen, sondern versüßten den Reisenden auch an Bahnhöfen und Flughäfen die Wartezeit mit ihren schrillen Videoclips. Da das Fernsehprogramm noch nicht farbig war, übten die Scopitones, die irgendwie aussahen wie die armlose, hölzerne, verunglückte Version eines Roboters, auf die Leute eine große Faszination aus. Doch diese währte nicht lange. Gegen Ende der 60er Jahre verschwanden
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die Scopitones wieder aus der Öffentlichkeit. Viele sind heute nicht mehr erhalten. Die meisten gingen irgendwie verloren oder kaputt. Doch wieso der rasche Abgang? Die Anschaffung war teuer, die Wartung aufwendig, sie nahmen nicht gerade wenig Platz weg und dann kam auch noch das Farbfernsehen, was das endgültige Aus für die urigen Kisten mit ihren skurrilen Filmchen bedeutete. Nach dem Ende ihrer Hochzeiten fristeten sie ihr Dasein als Informationsstände für die NASA, in Bergwerken oder als Werbefilmabspielgeräte bei Autohändlern. Heute sind nur noch sehr wenige Scopitones in der Öffentlichkeit zu sehen. Vielleicht hat man Glück und sieht in einem Technikmuseum mal eins in der Ecke stehen. Und wer sich mal in Nashville, Tennessee aufhält, könnte im Belcourt Theatre eines der letzten verbliebenen Scopitones in Aktion sehen. Heute bietet das Internet einige Archive, in denen die Filme von damals gesammelt werden. Echte Scopitoneliebhaber sind nostalgische Bastler und Sammler, die sich in eine Zeit zurückversetzen, die nur ganz kurz existierte. Sie halten die sperrige Holzkisten mit ganz eigenem Charme in Ehren und sichern so ein kurzes Stück Musikgeschichte für die Nachwelt.
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PORTRAIT
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TEXT: ŞEHNAZ MÜLDÜR
VON MENSCHEN UND MAUERN EIN RAUMOLOGISCHES GESPRÄCH MIT ALLAN GRETZKI
Das Institut für Raumologie hat keinen Empfang, keine Seminarräume, keine Fenster. Die einzige Möglichkeit es zu besuchen, ist auf die Website zu gehen. Allan Gretzki, Installationskünstler und Mitbegründer der Institution, die sich mit Räumen beschäftigt, ohne selbst mit einem materiellen Raum vertreten zu sein, steht inmitten wild fotografierender Kölnbesucher vor dem Dom und wartet – mit einer Idee im Kopf. Er hat sich für unser Gespräch einen bestimmten Platz überlegt: „Das schön kitschige Postkar-
tenmotiv direkt am Rheinufer.“ Ob das bereits der erste verschiedener „Unorte“ ist, von deren besonderer Anziehungskraft auf sich selbst er in seinem Buch ‚Life and Work’ spricht?
Kahler Boden , bemalte Wände In Deutz angekommen – über die Dauerbaustelle mit dem leer geräumten Obdachlosentreffpunkt, vorbei an dem ein oder anderen mit „I ♥ Köln“-Taschen und Schwarzwaldfigürchen voll gestopf-
Foto: Vera Drebusch
VERÄNDERUNGEN IM ÖFFENTLICHEN UND PRIVATEN RAUM SIND BESTANDTEILE VON ALLAN GRETZKIS ARBEIT. DER KÖLNER INSTALLATIONS KÜNSTLER ÜBER SEINE PROJEKTE, GRAFFITI UND ROSENVERKÄUFER.
ten Touristenshop, an der raumtechnisch höchst spleenigen Philharmonie und den unzähligen Schlössern liebeskranker Brückenpassanten –, suchen wir uns einen sonnigen Platz auf der Mauer am Ufer. Direkt neben ein paar inzwischen recht traurig den Kopf hängen lassenden Rosen. In der Tat ganz schön kitschig hier. Aber auch im Kitsch gibt es Unstimmigkeiten. Ein Blick nach links, eine abgesperrte Fläche. Allan erzählt mir, dass dort früher Bäume standen, die im vergangenen Jahr alle für ein Bauvorhaben der Stadt gefällt
wurden. Die Fläche ist nun kahl, die Absperrung sieht ein wenig nach polizeilich abgeriegeltem Tatort aus. Eine Veränderung im Stadtbild Kölns, die für einen wenig charmanten Umgang mit der Natur spricht – und meinem Gesprächspartner, dem Raumologen, ebenso auffällt wie die schwadronierenden Pfandflaschensammler oder die Herren, die die traurigen Exemplare neben uns und unzählige weitere, hoffentlich frischere Rosen unters Volk mischen. „Erinnerst du dich an den Michael Jackson-Schrein, den es hier gab? Der Hintergrund ist der, dass Jackson hier im Hyatt kampiert hat, wenn er in Köln war, um einen Blick auf den Dom zu haben. Deswegen haben sie den Schrein hier aufgebaut.“ Zeitweise war der improvisierte Andachtsort für den verstorbenen Sänger verschwunden, tauchte dann wieder auf und brachte Kritzeleien auf den umliegenden Wänden mit sich, in denen die Fans ihre Trauer zum Ausdruck brachten. Da die Wände aber sauber gehalten werden sollten, lebte eine Initiative auf, deren Ergebnis das Anbringen von Papierpostern an den Wänden war, auf denen künftige Trauerbekundungen Platz finden sollten. „Da frage ich mich: Was hat jetzt Michael Jackson mehr als andere Menschen geleistet, um einen Schrein zu kriegen, wie berühmt muss man wie lange sein, damit jemand einen Schrein für einen errichtet, wann hört man auf, so einen Schrein zu pflegen?“ Fragen, die Allan sich stellt, wenngleich er selbst auch schon mal einen Schrein errichtet hat: die Installation ‚Graffiti is Dead – Hall of Fame‘. Ein Kunstwerk, an dem sich die Besucher aktiv beteiligen konnten, indem sie Gegenstände zur Andacht hinterließen und so selbst Teil der Kunst wurden.
Privat-öffentliche Kunst Pärchen, die via Sicherheitsschlössern der halben Welt ihre Jahrestage mitteilen, Musikfans, die die Trauer um ihr Idol an einem öffentlichen Platz loswerden wollen, Rosenverkäufer, die in persönliche Gespräche hinein ihre Ware darbieten und eine aus privaten Habseligkeiten verschiedener, einander auch fremder Menschen zusammengesetzte Gedenkstätte zu Ehren einer Subkultur und ihrer Vertreter. Was ist in den heutigen Raumkonzepten ein öffentlicher Ort, was ein privater? „Privater Raum sind ja eigentlich nur noch die vier Wände der eigenen Wohnung“, meint Allan dazu. Er gehe bei seinen Projekten nicht unbedingt strategisch vor, erzählt er, „aber ich arbeite halt im öffentlichen Raum und dadurch, dass ich in Institutionen ausstelle, verändere ich eben auch den privaten Raum.“ Als Beispiel bringt er das Helios-Gelände in Ehrenfeld: Einem Bauherr gehört alles, obwohl die Räume öffentlich begehbar sind – „es ist pseudo-öffentlich.“ Vielleicht spielt diese Überlegung auch in seine ‚InstALLANtions‘ mit ein. Hinter diesem verbalen Ungetüm stehen Kunstwerke, die der 31-Jährige mithilfe unterschiedlichster Materialien an verschiedenen Orten aufbaut, ablichtet und wieder abbaut – und die alle die Buchstaben A L L A N darstellen. Somit macht er nicht nur seinen gleichermaßen pseudoöffentlichen wie pseudo-privaten Namen publik, sondern liefert auch ein Statement zu den Vervielfältigungsmechanismen der Gegenwart: Informationen tauchen auf, sind binnen weniger Sekunden ungeachtet jeder räumlichen Distanz für eine Vielzahl von Menschen abrufbar und können ebenso schnell wieder von der Bildfläche verschwinden – eine Form der Mediennutzung, die mit „Status“-Meldungen
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> Foto: Allan Gretzki
auf Facebook, Twitter und Konsorten dem Schwarmverhalten gleicht. „Broken Windows-Theorie“, ergänzt Allan und liefert damit ein entscheidendes Stichwort. Dieser ursprüngliche Erklärungsversuch der Soziologie, wie es zu Verwahrlosung und Kriminalität kommen kann – in einem leer stehenden Haus schlägt jemand eine Fensterscheibe ein, der nächste Vorbeikommende tut es ihm gleich und so weiter –, lässt sich in mehrere Richtungen denken, die anscheinend alle Einfluss auf den öffentlichen und so auch privaten Raum haben. Ein Beispiel: Flaschensammler. „Früher hast du hin und wieder mal jemanden gesehen, der das gemacht hat, jetzt läuft dir an jeder Ecke einer über den Weg, der Flaschen sammelt. Also werden jetzt auf einmal alle ärmer oder macht’s einfach einer vor und alle anderen nach?“ Ersetzt man „ärmer“ durch „verliebter“, kann man die gleiche Frage in Bezug auf
die Schlösser entlang der Hohenzollernbrücke stellen. „Einer fängt an, immer mehr ziehen nach und irgendwann versucht jeder die, die schon vorher da waren, zu übertrumpfen und hängt ein noch größeres, noch fetteres Schloss auf. Mit Graffiti ist es genau das Gleiche.“ Meine Irritation über diese Aussage – übrigens noch verstärkt durch einen Rosenverkäufer, der auf uns zukommt – weicht mit der Erklärung, die Allan, der selbst schon weit mehr als ein Mal die Sprühdose in der Hand hatte, gleich hinterher schiebt: Hat sich ein Sprayer irgendwo verewigt, kommt ein anderer und will mit einem noch größeren Bild und einem noch aggressiveren Style sein Revier markieren. Das Stichwort Reviermarkierung spiele, so Allan, tatsächlich eine große Rolle bei Graffiti, das ja vor allem ein Sich-Mitteilen ist – oder zumindest ursprünglich war. Durch das Aufgreifen von Urban Art als
Lifestyle in der Werbung findet eine viel stärkere Kommerzialisierung als früher statt, Sprayer-Ausrüstungen sind leichter erhältlich und werden von immer Jüngeren gekauft, die oft noch nicht über die nötige Fingerfertigkeit verfügen und dadurch mehr schmieren denn sprühen, geschweige denn über den Zusammenhang reflektieren, an dem sie sich beteiligen. „Früher fand eine stärkere Auseinandersetzung zwischen einem selbst persönlich und der ganzen Subkultur statt. Man ist einfach viel gewissenhafter damit umgegangen.“ Nichtsdestotrotz bleibt der privatöffentliche Faktor bei Graffiti erhalten. Privat, denn „es handelt sich eigentlich um etwas Individuelles, um die Inschrift eines Individuums, das durch einen bestimmten Style geprägt ist.“ Öffentlich, weil jeder, der schon mal in einen Bahnhof eingefahren ist oder überhaupt auch
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Die Installationen ‚Warten auf Wladimir‘ und ‚Graffiti is Dead‘
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Fotos: Allan Gretzki
Foto: Allan Gretzki
Foto: Yoko Dupuis
nur das Haus verlassen hat, diese Selbstdarstellung, oft verknüpft mit einer Message, sehen und – ob nun positiv oder negativ – darauf reagieren und die eigene (Raum-)wahrnehmung davon prägen lassen kann.
Raum und Mensch So greift Graffiti-Kunst auch in das Wirkungsfeld der Schönen Künste ein. „Kunst persifliert die Strategien der GraffitiKünstler“, setzt Allan an. Oft gehe es nicht darum, Fragen aufzuwerfen, die vorher noch niemand gestellt hat: „Das macht Kunst ja leider immer weniger.“ Stattdessen besinnt man sich darauf, den eigenen Namen offen zu legen – die ewige Vervielfältigung von sich selbst, die in den ‚InstALLANtions‘ mitschwingt. Aber ist das denn so schlimm? Irgendwann sei doch schon alles gesagt worden, da könne man doch
nichts Neues mehr erfinden, behaupte ich. Allans Reaktion: „Doch! Doch, es geht immer. Kunst muss im Idealfall immer etwas Neues aufwerfen. Dabei geht es nicht darum, ob die Menschen sich jetzt fragen: ‚Ist das Kunst oder nicht?’“ Ziel seiner eigenen Arbeit ist daher nicht zuletzt die Einbindung Dritter, die er neben der ‚Hall of Fame‘ beispielsweise auch in der Rauminstallation ‚Warten auf Wladimir‘ für die Mockba-Ausstellung 2010 in Dortmund erreicht hat: Er veranstaltete in den Ausstellungsräumen, einem Wohnhaus, eine Willkommensfeier für einen der früheren Bewohner. Allerdings wusste keiner der Gäste, dass Wladimir eines Tages plötzlich verschwand und seitdem nicht wieder aufgetaucht ist. Entsprechend warteten nicht nur alle gemeinsam auf den Ehrengast, sondern sie waren auch gemeinsam enttäuscht, als er – logischerweise – nicht zu seiner Fete erschien. Vermutlich wäre dieser Effekt nicht ganz so stark gewesen, wenn der Künstler die Installation nicht in Wladimirs Wohnräumen, sondern an einem anderen, beliebigen Platz durchgeführt hätte. So wird zwar auch der letzte private Ort, die eigene Wohnung, öffentlich – aber was nutzt schon ein Raum ohne andere Menschen, mit denen man ihn teilen kann? Die Leute rechts und links von uns auf der Mauer, die Verliebten, die Sprayer und die Flaschensammler sehen das sicher nicht anders. Und Allan, der Raumologe, wohl auch nicht.
WEITERE INFOS Mehr von und über Allan Gretzki gibt es unter und allangretzki.com und raumologie.de.
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TEXT: ADAM POLCZYK FOTOS: SASCHA GROSS
LE DEBUT WOHIN NACH DER MENSA?
DIE GRÖSSTE MENSA-PARTY EUROPAS STEHT VOR DEM AUS. DIE EINMALIGE ATMOSPHÄRE AUF VIER EBENEN IN DER MENSA STEHT VORERST NICHT ZUR VERFÜGUNG. DOCH DIE MOTIVIERTEN MACHER SUCHEN EINE NEUE LOCATION.
April 2011: Erstmals seit elf Jahren findet keine ‚Le Debut‘ statt
Zu jedem Semesterbeginn ein Pflichttermin für Neu-Studenten: Die ‚Le Debut‘ hat seit elf Jahren Erstsemester und alte Hasen, aber auch einfach nur Musikbegeisterte vereint und sich zu einer der größten Studentenpartys in Europa gemausert. Die 24. Ausgabe der Partyreihe sollte eigentlich im April dieses Jahres zum Sommersemesterbeginn ausgerichtet werden, wurde jedoch kurzfristig abgesagt. Ob sie im Oktober wieder stattfindet, steht noch in den Sternen. Die 23. und vorerst letzte ‚Le Debut‘-Party fand am 22. Oktober 2010 in der Uni-Mensa statt. Die Semesterparty des Asta (Allgemeiner Studierendenausschuss) der Universität zu Köln, hat sich zu einem festen Bestandteil des Kölner Studentenkalenders manifestiert. Partywütige Erstsemester trafen auf alteingesessene Studenten aller Fakultäten, um sich auf den drei Areas und den insgesamt 3.000 qm großen Partybereich zum Semesterbeginn musikalisch einzustimmen. Über 3.500 Studenten feierten im Erdgeschoss zu Indie / Britpop Hymnen oder House /Electrohouse, im Obergeschoss zu Minimal / Techhouse oder 90er Jahre Trash Pop oder suchten kurzzeitige Entspannung in den beiden kuscheligen Lounges.
Von Studenten für Studenten Das Hauptorganisationsteam für diese Non-Profit-Party, von Studenten für Studenten, besteht momentan aus fünf Personen und bis zu 200 weiteren Helfern, die extra für die Partys eingestellt
werden. Thilo Heyer (23 Jahre) und Marc Lehmann (26 Jahre), beide BWL-Studenten und Angehörige der Hochschulgruppe ‚Die Unabhängigen‘ sind derzeit die Hauptverantwortlichen, die voller Elan und Einsatz versuchen, die ‚Le Debut‘-Tradition nicht aussterben zu lassen. „Das Besondere an den ‚Le Debut‘Partys ist, dass für alle Studenten etwas dabei ist. Alleine die angebotenen fünf, sechs Areas sorgen für eine große musikalische Vielfalt. Es ist ein Treffpunkt für Studenten aller Hochschulen, Fakultäten sowie jungen Menschen aus sämtlichen Veedeln Kölns. Selbst Reisegruppen partywilliger Menschen aus München sind schon zu diesem einzigartigen Partyevent gekommen, das dazu noch für jedermann erschwinglich ist. Für viele ist es somit ein fester Termin in ihrem Partykalender geworden, an dem man mit alten Freunden und Kommilitonen gemeinsam feiern und tanzen kann“, berichtet Thilo Heyer mit ein wenig Wehmut in seiner Stimme.
Interesse von allen Seiten Studenten, Hochschulen, die Stadt Köln und viele externe Partner, wie die Dom Brauerei, haben elf Jahre Hand in Hand gearbeitet, um eine reibungslose und
LE DEBUT NÄCHSTE PARTY AM
?.?.2011 KONTAKT: THILOHEYER@GMX.DE
Das Organisationsteam sucht neue Räumlichkeiten, um die ‚Le Debut‘ zu retten
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Aus und vorbei? Die Mensa-Party ‚Le Debut‘ bot Musik und Spaß für jeden Geschmack. Jetzt wird eine neue Location gebraucht
einzigartige Veranstaltung auf die Beine zu stellen. 23 Mal wurde bislang in der Uni-Mensa an der Zülpicher Straße, in unmittelbarer Nähe zur Universität und dem Partyviertel Kwartier Latäng, gefeiert. Die 24. ‚Le Debut‘ steht jedoch auf der Kippe. Auf Grund der Umstrukturierung des Asta, der dadurch nicht mehr der eigentliche Ausrichter der Veranstaltung ist und das benötigte Kapital zur Verfügung stellt, ist die Uni-Mensa als besondere Partylocation erstmals in der ‚Le Debut‘-Geschichte weggefallen. Aus diesem Grund sucht das Organisationsteam um Thilo und Marc derzeit nach einer adäquaten Ersatzlösung im Kölner Raum. Zwischenzeitlich stand sogar ein Parkhaus im Mediapark als Ausweichort zur Diskussion, aber aufgrund der schwierigen Sicherheitsbestimmungen und der Zurückhaltung des Besitzers ist leider nichts daraus geworden. „Da die UniMensa ein ganz besonderer Ort für die ‚Le Debut‘ war, würden wir uns sehr freuen, wenn wir eine genauso ausgefallene Partyräumlichkeit in Köln finden könnten, die für 3.500 Gäste Platz bietet. Das Parkhaus
hätte so einen originellen Rahmen bieten können“, so Marc Lehmann.
Sicherheit hat Vorrang Seit dem tragischen Vorfall bei der Loveparade in Duisburg am 24. Juli des vergangenen Jahres, bei dem 21 Menschen starben und zahlreiche weitere verletzt wurden, gehören die Sicherheitsbedenken zum größten Problem bei der Locationsuche, obwohl das Team bereits jahrelange Erfahrung mit Großevents sammeln konnte und ein 40 seitiges Sicherheitskonzept erstellt hat. Damit Europas größte Mensa-Party im Oktober zum 24. Mal die Tore öffnen kann, startet das Organisationteam an alle damaligen und hoffentlich zukünftigen ‚Le Debut‘-Besucher den Aufruf: Falls ihr wisst, wo es in Köln eine passende Location gibt, die ausgefallen und groß genug ist, um bis zu 3.000 Menschen zu fassen, dann meldet euch bei Thilo und Marc. Denn sonst fällt in Zukunft ein wichtiger Termin im Kölner Studentenkalender für alle Zeiten weg.
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FOTOGARFIE
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FOTOGRAFIE
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BILDERKUNST
inszenierungen von menschen „MITTELS DER FOTOGRAFIE VERSUCHE ICH MEINE UMWELT ZU REFLEKTIEREN.“
Den Schwerpunkt ihrer fotografischen Arbeit setzt Vera Drebusch in Bilder von Menschen aus ihrem direkten Umfeld. „Dann sind die Bilder für mich meist stärker, als wenn ich Fremde fotografiere“, erläutert die Fotografin und Medienkünstlerin. Ihre Arbeit zeichnen sich darüber hinaus durch ein hohes Maß an Experimentierfreude aus. So reicht die Bandbreite ihrer Werke von klassisch an-
mutender Fotografie über bewegte Bilder in Form von Experimentalfilmen bis hin zu Ton- und Textarbeiten oder auch Objekten. Das Medium Fotografie bleibt allerdings ein Schwerpunkt, zu dem sie immer wieder zurückkehrt.
WEITERE INFOS www.veradrebusch.de www.mockba-ausstellung.de
Alle Fotos: Copyright Vera Drebusch
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S ci en ce
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TEXT: ADAM POLCZYK FOTOS: SCIENCESLAM.DE
Ein komplexes Wissensuniversum lebhaft, teils artistisch erklärt
‚SCIENCE SLAMMER SIND DIE NEUEN UNTERHALTUNGSKÜNSTLER. LIEBESGEDICHTE WAREN GESTERN, HEUTE IST HERZMUSKEL IN. Alltäglich suchen wir nach Antworten. Wir stellen Fragen, die uns immerzu beschäftigen. Wir forschen. Wissenschaftler tun dies hauptberuflich und meist auf sehr speziellen Gebieten. Daraus entsteht das ihnen zugesprochene Fachchinesisch, weshalb sie außerhalb von Wissenschaftskongressen selten Raum finden, ihre Antworten offen darzulegen. Beim ‚Science Slam‘ haben jetzt junge Gelehrte eine Möglichkeit, die oft trocken klingenden Themen lebhaft und artistisch der Welt zu präsentieren. In zehn Minuten versuchen junge Forscher das meist aus Studenten bestehende Publikum auf eine Reise in ihr komplexes Wissensuniversum mitzunehmen. Themen aus Physik, Geschichte und Chemie werden so für jedermann begreifbar. Der beste Effekt: Es ist unterhaltsam und nicht selten Comedy pur. Bereits in zehn Städten Deutschlands funktioniert die kneipentaugliche Darbietung wissenschaftlicher Sachverhalte. In Köln fand bereits der vierte ‚Science Slam‘ am 25. Mai im Bogen 2, in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs, statt.
Genügend Mut, auf die Bühne zu gehen
Nach langer Suche nach „geeigneten Wissenschaftlern“ gelang der Durchbruch
Die Idee zum ‚Science Slam‘ kam der Hamburgerin Julia Offe, promovierte Molekularbiologin und Wissenschaftsjournalistin, als sie von der Veranstaltung im Haus der Wissenschaft in Braunschweig hörte. Am gleichen Abend entstanden die ersten Entwürfe für das Projekt ‚Science Slam‘. Julia Offe besuchte die damals bereits etablierten Poetry Slams in Hamburg und sprach eine Moderatorin an, ob diese bei einem ‚Science Slam‘ die Zuschauer durch das Programm führen könnte. Als schwierig erwies sich die Suche nach geeigneten Wissenschaftlern, die genügend Mut hatten, auf der Bühne aufzutreten. Monatelang machte sie ihren Freundeskreis damit verrückt, verteilte Flyer in den Mensen und suchte den Kontakt zu Pressestellen. Im Mai 2009 fand dann endgültig der erste ‚Science Slam‘ in Hamburg statt. Das Event war auf Anhieb so gefragt, dass über hundert Leute bei der Erstveranstaltung nach Hause geschickt werden mussten, weil die ausgesuchte Location aus allen Nähten zu platzen drohte. Nach und nach entstanden ‚Science Slams‘ in Berlin, Kiel, Münster, Freiburg und Köln. Die Universitäten in Hamburg und
SL Science
in Köln waren sehr angetan von Julia Offes Idee und unterstützten sie durch Werbung auf ihren jeweiligen Homepages. „Leider finden nicht alle Hochschulen dieses Konzept gelungen und reden von einer Trivialisierung der Wissenschaft“, so die Organisatorin.
Anfang letzten Jahres fragte der lokale Radiosender Kölncampus bei Julia Offe an, ob man die Veranstaltung nicht auch in Köln anbieten könnte. Als besonders geeignet erschien da der Bogen 2 am Hauptbahnhof. Beim dritten Kölner ‚Science Slam‘ im Januar kamen mehr als 350 Gäste. Das war nun auch für diese Location zu viel, so dass etliche weitere Besucher keinen Einlass fanden. Falls sich dieser Andrang weiterhin so entwickeln sollte, dann würde man für die fünfte Veranstaltung in Köln nach einer neuen Location suchen müssen. Diese sollte in dem Fall ähnlich wie der Bogen 2 außerhalb des akademischen Kontextes liegen und über die so wichtige Kneipenatmosphäre verfügen, um das besondere Liveerlebnis beizubehalten.
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‚Science Slam‘ – Wissenschaft auf der großen Bühne: www.scienceslam.de
AM Von Windkraft und Hormonen
Beim ‚Science Slam‘ im Januar ging es thematisch sehr technisch zu. Der Kölner Heinz Oliver Adria erklärte sehr anschaulich, wie Windkraftwerke besonders effektiv genutzt werden können. Die Physikerin Karin Everschor referierte über stromreduzierte Magnetisierungsdynamik. Im Mai stand eine Kölner Psychologin auf der Bühne und brachte dem Publikum Oxytocin näher, ein Hormon, das im Körper für Empathie sorgt und maßgeblich für das Sozialverhalten ist. Außerdem betrat ein Bielefelder Biotechnologe die Wissensbühne und brachte dem Publikum spezifische Aufreinigungsverfahren von Proteinen näher. Die Bandbreite der Themen ist unermesslich – genauso wie die Präsentationsmethode: von echter Standup-Comedy über Powerpoint-Präsentation bis hin zu Live-Experimenten. Der Wissenschaftler nutzt das, was er für richtig und meistens ausgefallen genug hält, um das Publikum zu begeistern. Schließlich stimmen die Besucher darüber ab, wer am Ende des Abends zum Sieger gekürt wird.
Wissenschaftler treffen interessiertes Publikum Für Julia Offe ist neben der Unterhaltung und Kneipen-Atmosphäre beim ‚Science Slam‘ noch der persönliche Bezug zwischen Wissenschaftlern und interessiertem Publikum wichtig. „Die jungen Wissenschaftler sind wie du und ich und versuchen dir gewisse Thematiken, die sie selber erforscht haben, in einfachen Worten näher zu bringen. Es handelt sich oftmals um Sachverhalte von denen man nicht nur spannende Antworten
erwartet, sondern hin wieder auch die Fragen dazu gar nicht versteht.“ Daraus entsteht letztlich weiteres Interesse. Der aufmerksame Zuschauer hat noch richtig viel gelernt. Ihr eigenes Promotionsthema möchte die Gründerin der ‚Science Slams‘ in Deutschland sehr ungern auf der Bühne aufführen: „Ich habe fünf Jahre an meiner Doktorarbeit geschrieben und bin danach ein Jahr lang jeden Tag mit dem Gedanken aufgewacht: Gott sei Dank – fertig. Ich habe mit dem Thema abgeschlossen und kann es mir gar nicht mehr anschauen. Von daher wäre ich nicht in der Lage, mein Promotionsthema auf der Bühne vorzustellen. Das soll nicht heißen, dass ich nicht nachvollziehen kann, was es heißt, auf der Bühne zu stehen. Ich habe schon beim Poetry Slam meine eigenen wissenschaftlichen Texte vorgetragen.“ Die ‚Science Slam‘-Gemeinde wächst unterdessen stets weiter. Anfang April fand der erste ‚Science Slam‘ in Göttingen statt. Außerdem wird es in diesem Jahr auch eine erste Veranstaltung in Magdeburg geben.
Anmerkung der Redaktion: Amitabh Banerji, Chemiker an der Uni Wuppertal, gewann am 25. Mai den vierten Kölner Science Slam. Sein Thema: „Fantastic Plastic“ über Elektrolumineszenz in organischen Leuchtdioden (OLEDs)
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x-ray harpoons TEXTE: DANIEL DEININGER, STEPHAN STRACHE FOTOS: PROMO
OHNE ABSTURZ AB IN DEN GARAGE-OLYMP: X-RAY HARPOONS. BEKENNTNISSE EINES FANS.
Auf Geheiß von mit tadellosem Musikgeschmack gesegneten Freunden begab ich mich im Mai 2009 zur Buttshakers-Show in den Sonic Ballroom. Bei Astra und Kettenfett bekam ich von diesen leider weniger als erwartet mit, fesselte mich doch ihr Support, die X-Ray Harpoons, derart, dass ich augenblicklich vergaß, eigentlich wegen der Franzosen anwesend zu sein. Und das trotz meiner fehlenden Affinität zu Trashfilmen der 60er Jahre. Mit dem Release ihrer Debütsingle im April 2010 war es endgültig um mich geschehen… Kaum verwunderlich also, dass sich unsere Wege alsbald wieder kreuzten. Bei strahlendem Sonnenschein treffe ich
in Bonn Patrick und Calle. Patrick bleibt bei Cola – weniger zur Schonung seiner Stimme für kommende Gigs, als vielmehr seiner Arbeit sowie dem Heimweg von selbiger Tribut zollend. Bei invertierter Rollenverteilung halte ich mich an Pils, während der vermeintliche Bandleader an seinem koffeinhaltigen Erfrischungsgetränk nippt. Als einzig verbleibendes Gründungsmitglied wirkt er auch im Bonner Biergarten ähnlich präsent wie auf der Bühne. Sympathisch, bescheiden und vor allem sich selbst weitaus weniger wichtig nehmend, als er für die Band zu sein scheint, weiß er unaufgeregt aber umso unterhaltsamer aus fünf Jahren Bandgeschichte zu berichten. Wenig spä-
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TONTRÄGER Rezensionen THE SOUNDS – SOMETHING TO DIE FOR
Vom Vorprogramm auf die große Bühne: X-Ray Harpoons Aufstieg in den Garage-Olymp ist geglückt – ohne Eskapaden und ohne Debutalbum
ter stößt Calle, der Gitarrist, zu uns und bedient erfreulicherweise das Klischee, ebenfalls Bier zu ordern. Calle lebt Musik. Um Musik und seine Tochter hat er sein „Restleben“ arrangiert. Jeglicher Sensationslust des geneigten Lesers zum Trotz werden keinerlei Gründungsmythen, legendäre Abstürze, orgieske Deflorationen williger Groupies oder ähnliches aufgetischt – nein, die beiden üben sich gentleman-like in vornehmer Zurückhaltung. Klinkenputzen zwecks potentieller Engagements haben sie längst nicht mehr nötig: Spätestens seit ihrem viel beachteten Debütrelease sowie dem Beisteuern von ‚Charlotte’s Remains‘ auf dem Tribut-Sampler ‚Fuzztones Illegitimate Spawn Vol. II‘ genießen sie nun den Luxus, dass Booker und Veranstalter sie hofieren. Neben diversen Auftritten im deutschsprachigen Raum führte sie ihr Weg auch nach Moskau und auf eine 14-tägige Frühlingstour quer durch Frankreich. Ein- bis zweimal im Jahr beehren sie überdies ihr Wohnzimmer, den Kölner Sonic Ballroom. Auf die Frage, mit wem sie gerne noch die Bühne teilen würden, reagieren die beiden mit einem Lächeln. Potentielle Idole haben entweder bereits das Zeitliche gesegnet oder teilten schon mit ihnen die Bühne. Aller Bescheidenheit der Band zum Trotz sind die X-Ray Harpoons längst im Garage-Olymp angelangt. Mittlerweile hoffen andere Bands, mit ihnen die Bühne teilen zu dürfen. Dabei verkommen sie nicht zu einer „Garage-CoverBand“, sondern kreieren ihren eigenen, latent trashig-originären Sound. Durch die individuellen Einflüsse der einzelnen Bandmitglieder wirken die einzelnen Lieder wenig homogen – die X-RayHandschrift tragen sie jedoch alle. Zu unsterblichem Ruhm fehlt lediglich die Fertigstellung ihres Debütalbums und / oder der Suizid eines Bandmitglieds. Letzteres wäre jedoch weniger wünschenswert. Neben der Arbeit am Album wartet bereits eine Split-Single mit den Fortune Tellers auf ihren Release. Zwecks möglichst authentischer Konservierung ihres Sounds üben sie sich konsequenterweise in analoger Aufnahmetechnik. Um dabei das Fehlen jeglicher Nachbearbeitung zu kompensieren, ist eine Aufwärm-Tour durch Spanien und Portugal in Planung. Band müsste man sein …
Ausgezeichnetes Album der schwedischen Indie-Rocker, die es einmal mehr schaffen, einen gekonnten Spagat zwischen ElectroPop und rockigen Gitarren-Riffs zu schlagen. Dabei überzeugen vor allem die Stimme der charismatischen Frontfrau Maja Ivarsson und die flächigen Soundcollagen, die dem nunmehr vierten Longplayer des nordisch-kühlen Quintetts eine unglaubliche Tiefe verleihen. Zehn Songs und kein einziger, bei dem Langeweile auch nur in Spuren aufkommt. Sehr zu empfehlen neben dem titelgebenden Track ‚Something To Die For‘ sind ‚Better Off Dead‘ sowie der großartige ‚No No Song‘.
KEN GURU & THE HIGHJUMPERS: THE SOUND OF KEN GURU & THE HIGHJUMPERS Ihrem, leider lediglich elf Lieder zählenden Debüt, der sieben Dresdnern merkt man weder Alter (gerade der Pubertät entflohen) noch Herkunft (häufig klingen deutschsprachige Offbeatcombos nach Blaskappelle) an. Musikalisch erstaunlich frühreif, zimmern sie fast schon spielend aus den besten Zutaten der Musikgeschichte (Ska, Reggae, Soul, Funk und eine wenig Beat) ihr eigenes Ding. Als musikalisches Ausrufezeichen, welches nicht nur den eigenen Sound definiert, sondern vielmehr auch verdeutlicht, wie moderner Early Reggae klingen muss, trägt diese Platte ihren Titel ‚The Sound of Ken Guru & The Highjumpers‘ völlig zu Recht.
THE DELEGATORS: MOVIN‘ ON Wenn es überhaupt eine Legitimation für Liebeskummer gibt, dann die, dass die Delegators den perfekten Soundtrack für selbigen liefern. Warmer, herzergreifender Rock Steady gewürzt mit einer Prise Northern Soul zwischen Herzschmerz, Aufbruchstimmung und Augenzwinkern. Eine tighte Rhythmusgruppe trifft auf Janets zuckersüßen Gesang. Einziger Wehmutstropfen bleibt, dass die sechs durchweg famosen Lieder ihrer DebütEP lediglich als MP3-Download erhältlich sind.
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MUSIK
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KONZERTREVIEWS
LIEBE AUF DEN ZWEITEN BLICK 10 JAHRE EGOTRONIC Auch wenn zu ihren Anfängen ihr tetris-artige 8bit-Gedudel mehr nervte als erfreute, passten ihre Attitüde und ihr Habitus doch wunderbar zur Adorno-Lektüre. Egotronic brach mit den gängigen linksalternativen Musikkonventionen, ohne gleichzeitig ihre ganz bestimmte Ablehnung und Abscheu zu vernachlässigen. Und zwar gegenüber dem geopolitische Interessen vertretenden, deutsche Tugenden wieder bejubelnden Deutschland um die Jahrtausendwende. Ihr, den Voyeurismus der digitalen Medien bedienende, Sänger Torsun verkörpert die Band mit seiner Mixtur aus demotauglichen, sloganhaften Aussagen und seiner sympathischen, selbstzerstörerischen Lebensweise durch berauschende Substanzen jeglicher Couleur, sodass sich diese im Laufe ihrer zehnjährigen Bandgeschichte zur antideutschen Vorzeigeband entwickelte. Wenngleich sie mittlerweile in den popkulturellen Mainstream der Indie-Szene integriert scheinen, vermitteln sie immer noch spielend, wenngleich plakativ und wenig differenziert, den euphorisierten, mitravenden Kids politische Inhalte. Auf Grund ihres Einflusses auf die Jugend kann man die agitatorischen Verdienste Egotronics gar nicht genug würdigen und erfreulicherweise haben sie sich zudem auch noch musikalisch weiterentwickelt.
Zu ihren Jubiläumsfeierlichkeiten Anfang Mai in Hamburg und Berlin ließen Egotronic es entsprechend gemeinsam mit ehemaligen Bandmitgliedern und Weggefährten groß krachen. Auf die nächsten zehn Jahre!
Foto: egotronic 2010
TRASH DELUXE THE MONSTERS IM GEBÄUDE 9
Foto: DESBOROUGH
Lange mussten die Fans gellender Unterhaltung ausharren – am 01. April war es dann endlich wieder soweit: Stampfend und schnaubend luden Beat-Man Zeller und seine lautstarke Kombo ‚The Monsters‘ zum infernalen Freudentanz. Als diesjährigen Schauplatz hatte sich die Band das Gebäude 9 ausgesucht. Eingebettet in ein Rahmenprogramm aus 60‘s Trash spielenden DJ‘s und Menschen mit Schmalztolle und/oder Petticoat waren die Eidgenossen im roten Orchesteranzug als krönender Abschluss einer Veranstaltung namens Monster Maniac Soul Time eingeplant. Bereits am frühen Abend waren die Hallen des Gebäude 9 gut gefüllt, und so ließ der Beat-Man sich
die Gelegenheit nicht entgehen, im feinen Zwirn ein Bad in der Menge zu nehmen. Gegen 0.30 Uhr nahm das Spektakel dann seinen Lauf: Innerhalb weniger Minuten schaffte es die Band, selbst „brave“ Mädels in Ballerinas zum körperkontaktbetonten Mittanzen zu bewegen. Als dann zu dem Titel ‚Black‘ auch noch alle Lichter ausgingen, war die Menge nicht mehr zu stoppen. Nach gut eineinhalb Stunden und insgesamt zwei Zugaben à zwei Titeln verabschiedeten sich die Berner Krawallmacher und hinterließen ein hochzufriedenes, euphorisiertes Publikum.
ZWISCHENRAUM
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Platz für Ideen, Orte für Kreativität oder einfach nur Stätten des Lebens – eine Stadt wie Köln bietet an und für sich Räume ohne Ende. Doch gibt es dabei oft Probleme. Zwischennutzungskonzepte, Umnutzung, städtisches Interesse vs. Kreative vs. Alternative vs. Anwohner. Der erste Teil unserer „Raumschau“ greift ein „privates“ Problem auf.
RUHESTÖRUNG LIMELIGHT: EINE ERFOLGSGESCHICHTE MUSS SCHLIESSEN, WEIL ZWEI NACHBARN ETWAS DAGEGEN HABEN. IN DER HAUPTROLLE: EIN DENKMALGESCHÜTZTES GEBÄUDE IN JUNKERSDORF.
Es war einmal eine Kaserne in Köln-Junkersdorf, bewohnt von Belgiern. Diese hatten einen schönen Kino- und Veranstaltungssaal. Nach dem Abzug der Streitkräfte wandelte sich das Gebiet in unmittelbarer Nähe zum Stadtwald in ein schickes Viertel – im wahrsten Sinne. Und auch der schöne Saal blühte wieder richtig schön auf. Den horrenden Preisen für Land und Haus geschuldet, haben sich dort vorwiegend zahlungskräftige Städter angesiedelt. Das gefiel dem Saal ganz gut, konnte er sich doch so noch weiter entfalten. Unten den Neuankömmlingen befanden sich allerdings auch Nörgler, wie der Saal schnell merkte. Ein Hin und Her begann – mal geschlossen, mal ganz vital, mal hoffnungsvoll und dann … Das Schicksal des Saals ist nun besiegelt. Viele, sehr viele Menschen vor Ort erfreut das nicht – wohl nur ein paar, die ihr Ruheidyll in direkter Nachbarschaft zum FC-Domizil endgültig durchgesetzt
TEXTE: ROBERT FILGNER FOTO: WOLFGANG WEIMER
haben. Doch ganz das Ende von der Geschichte ist das wohl noch nicht. Ein paar tapfere Menschen machen weiter. Der Glanz, das Interieur des Saals, soll weiterziehen, an einen neuen, einen sicheren Ort. Mal sehen wohin die Reise führt. Doch manches wird bleiben: ein fader Beigeschmack von wahrem „Volkswillen“ in so mancher Gegend und ein leeres, großes Gebäude, einsam inmitten von „reinem“ Wohnen stehend.
WEITERE INFOS Das Limelight gilt als Bühne von Weltformat und ist über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Noch 2010 traten hier Robbie Williams und Bon Jovi auf. Die Diskussionen und Reaktionen zum endgültigen Aus sind nachlesbar unter www.limelight-cologne.de.
Limelight Theater - Köln: Norah Jones-Konzert
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BUNTER
ALS GEDACHT DER EIGELSTEIN GEHÖRT ZU DEN VERSCHRIENEN ECKEN KÖLNS – EIN DUNKLES PFLASTER IM WAHRSTEN SINNE DES WORTES SEI ER. DIE FOTOGRAFIN SABINE GROSSE-WORTMANN S TRAFT DIE BÖSEN ZUNGEN LÜGEN.
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PLATTFORM FÜR NEUE BEWEGUNGSFORMEN
SPRUNG AUF DIE GROSSE BÜHNE
TEXT: KAROL HERRMANN FOTOS: MOVE PRODUCTIONS
‚MOVE ARTISTIC‘ ERFREUT SICH IN KÖLN IMMER GRÖSSERER BELIEBTHEIT. DIE BEIDEN GRÜNDER WOLLEN MEHR: DIE AUFMERKSAMKEIT DER SHOWINDUSTRIE.
Als Marc Dressen und Alex Pach 2003 an der Deutschen Sporthochschule die Bewegung ‚Move Artistic‘ ins Leben riefen, konnten die damaligen Studenten noch nicht ahnen, dass sie wenige Jahre später eine 1.000 qm2 große Trainingshalle betreiben würden. Im Vogelsanger Industriegebiet, nahe am Technologiepark, finden jeden Nachmittag mehr als 30 Jugendliche den Weg in den so genannten Move Artistic Dome. Sie üben sich in Saltos und Schrauben, es wird sich durch Stangen an einem selbstgebauten Gerüst gehangelt und von meterhohen Kisten gesprungen. Ein ausgedienter Mercedes dient als natürliches Hindernis. Die einzige Regel: Es gibt keine.
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WEITERE INFOS Move Artistic Dome Teichrohrsängerweg, 50829 Köln www.move-artistic.com
„‚Move Artistic‘ ist eine Plattform für neuartige Sportarten wie Parkour, Free‑ running und Tricking“, klärt Pach auf. Parkour und Freerunning, einst aus Frankreich herübergeschwappt, werden seit einigen Jahren immer beliebter. Dabei geht es um die möglichst effiziente (Parkour) und kreative (Freerunning) Überwindung von Hindernissen auf einem vorgegebenen Weg. Unter Tricking können sich hierzulande dagegen nur die wenigsten was vorstellen. „Tricking verbindet Elemente von Breakdance, Bodenturnen und Kampfsportarten, wie Karate oder Capoeira“, sagt Dressen. Nicht zuletzt, weil er seine Kindheit in Asien verbrachte und von den dortigen Kampfkünsten geprägt wurde, gilt er als deutscher Pionier dieser noch so jungen Bewegungsform.
Mitgliedschaft ab 20 Euro Dressen, ein Europameister im Freestyle Karate und Pach, ein ehemaliger Bundesligaturner der ersten Garde: Zusammen mit 13 weiteren Trainern geben sie im Move Artistic Dome ihr Können an die Jugendlichen weiter. Über 250
Mitglieder haben sich bereits angemeldet. Eine monatliche Mitgliedschaft für freies Training gibt es ab 20 Euro zu erwerben. Workshops und Spezialkurse für Tricking, Breakdance, Capoeira oder Parkour werden regelmäßig angeboten, müssen aber extra bezahlt werden.
Perfekt für die Werbeindustrie Das kommerzielle Potenzial erkennend, entschieden sich die beiden 2007 zur Gründung der eigenen Agentur. Seitdem bieten sie Firmen Showpakete für Events, Messen, Werbekampagnen, TV-Shows und Filme an. Das erklärte Ziel: „Weg vom Underground – hin zu den Großveranstaltungen“, wie Pach offen zugibt. „Warum nicht mal mit einer neuen Show den Kölner Karneval aufmischen?“ Durch die spektakulären wie ästhetischen Bewegungsabläufe wurde bald auch die Werbeindustrie auf die Kölner aufmerksam. So nutzten bereits renommierte Autohersteller wie VW oder Porsche die dynamischen Showeinlagen für Produktpräsentationen. Heute finanzieren die Jungunternehmer mit ihrer Agentur und
der Halle längst ihren Lebensunterhalt. Weil sich nicht alle hauseigenen Akrobaten für die große Showbühne eignen, haben sie sich ein Netzwerk mit den Besten der internationalen Szene aufgebaut. Jüngst vermittelten sie Artisten für die TV-Serie ‚Niedrig und Kuhnt‘ und den Kinderfilm die ‚Teufelskicker‘. Durch die Thematisierung in den Medien erhofft man sich langfristig eine Etablierung als Trendsportart.
Grosses Event in Köln Das nächste große Event steht derweil schon ganz oben auf der Agenda: ‚The Big Trick‘ heißt die selbst kreierte Veranstaltung, die am 6. und 7. August im Move Artistic Dome stattfinden wird. Dabei wird sich die Crème de la Crème der internationalen Tricking-Szene messen. „In den letzten Jahren kamen zwischen 500 und 600 Zuschauer. Das wollen wir diesen Sommer übertreffen“, sagt Pach, bevor er seinen Trainingsanzug überstreift, das Agenturbüro verlässt und in der Halle verschwindet.
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ILLUSTRATION & ANIMATION
Eine Der Guten
SABRINA TIBOURTINE IST „EINE DER GUTEN“. DIE FREIBERUFLICHE ILLUSTRATORIN UND ANIMATORIN BEEINDRUCKT MIT IHREM PORTFOLIO: VON COLLAGEN FÜR DIVERSE MAGAZINE BUNDESWEIT ÜBER KUNSTDRUCKE BIS HIN ZU SELBST GESTALTETEN BÜCHLEIN UND KALENDERN.
Alle Illustrationen: Copyright Sabrina Tibourtine
SABRINA WURDE 1979 IN PARIS GEBOREN UND WUCHS GUT BEHÜTET IM SAUERLAND AUF. NACH MEHREREN EUROPAESKAPADEN, EINEM GESCHEITERTEN KUNSTGESCHICHTS- UND EINEM GEGLÜCKTEN DESIGNSTUDIUM IN KREFELD UND LONDON ARBEITET SIE SEIT 2005 IN KÖLN.
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WEITERE INFOS www.eine-der-guten.de sabrina@eine-der-guten.de
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WISSENSCHAFT
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ZUM KULTURGUT KAFFEETRINKEN
Kaffeesachsen STUDIEN- UND EXAMENSARBEITEN ALLER FACHRICHTUNGEN, KREIERT IN STICKIGEN UNIBIBLIOTHEKEN, VERDIENEN EINEN RAUM, SICH UND VOR ALLEM IHREN FACETTENREICHTUM ZU PRÄSENTIEREN.
Den Anfang macht eine Geschichtsarbeit von Anne Hallbauer, Studentin aus Dresden, die mehrere Jahre in Köln lebte. 2010 untersuchte sie in ihrer Bachelorarbeit die Kaffeekultur in der ehemaligen DDR. Ein nicht zu unterschätzendes Thema: Oder wer kennt schon die „Kaffeesachsen“, die bereits vor langer Zeit mit ihrem Kaffeekonsum auffielen und – etwas zugespitzt – sogar Einfluss auf die Geschehnisse Ende der 1980er Jahre hatten?
Auszüge aus „Kaffeetrinken im Sozialismus“ „In einer Ausgabe der Mitteilungen des Instituts für Marktforschung Leipzig aus dem Jahr 1974 findet man den Hinweis, dass eine kontinuierliche Versorgung der Bevölkerung mit Bohnenkaffee von großer Bedeutung ist. Dass Kaffee auch in der ehemaligen DDR getrunken und geschätzt wurde, überrascht dabei sicherlich wenig. Auch die weiteren Ausführungen und Statistiken spiegeln die Beliebtheit des ehemals exotischen Genussmittels wieder. Diesem Bild entsprechen auch andere Quellen: Ob in privatem oder dienstlichem Umfeld – Kaffee war allgegenwärtig, nicht wegzudenken, ein Attribut des Alltags.“
WISSENSCHAFT TEXT: ANNE HALLBAUER, ROBERT FILGNER FOTO: KA DI / PHOTOCASE.COM
„Immerhin widmen sich die vorliegenden Gedanken nicht ausschließlich dem DDRKaffee selbst, sondern vielmehr der Idee, die mit dem Genuss von Kaffee bei den Verbrauchern in der ehemaligen Republik einherging. Diese Idee steht in engem Zusammenhang mit dem sogenannten Mangelbegriff, der für viele Bereiche der Konsumlandschaft der DDR zutreffend erscheint. Die Mangelsituation ergab sich jedoch nicht aus einem Defizit in der Grundversorgung, sondern vielmehr aus dem wachsenden Anspruch der Bevölkerung nach Mode und ebensolche Güter erwerben zu können, wie sie außerhalb der westlichen Republikgrenzen zugänglich waren, bzw. Qualitätsdifferenzierung boten. Und Kaffee ist für diesen Anspruch das wohl prominenteste Beispiel.“
chist, die Menschen allesamt demoralisieren, würde man die Zufuhr des geliebten Kaffees sperren. Die Arbeitermacht bei uns darf sich Fehler erlauben, nur den nie, das Herbeischaffen des Kaffees auch nur einen Moment lang zu vergessen.“
Was sind denn Kaffeesachsen?
Und?
„Zu Zeiten der DDR war der Kaffeekonsum in Sachsen am höchsten, was wiederum parallel zur Tradition der so genannten Kaffeesachsen15 läuft.“
„Auf der Bühne des Sozialimus der DDR spielte Kaffee also eine wichtige Rolle, die an eine Zweitbesetzung nicht zufriedenstellend hätte vergeben werden können. Dabei war nicht das fehlende Talent der Ersatzkaffees ausschlaggebend, sondern vielmehr das Prinzip „Bohnenkaffee“, der seinen festen Platz in den Herzen der DDR-Kaffeetrinker hatte und höchstwahrscheinlich auch immer haben wird. Denn obwohl die deutsch-deutsche Gegenwart sich nicht mit materiellem Mangel konfrontiert sehen muss, würde der Entzug von Kaffee wohl auch heute dazu führen, dass Fassungslosigkeit und Empörung das Publikum aufstehen lassen.“
Achtung: eine korrekte Fußnote (andere Fußnoten wurden als Platzgründen entfernt):
Kaffeetrinken gehört fest zur deutschen Kultur. Das galt in Ost wie West. Anne Hallbauer belegt in ihrer Bachelorarbeit, wie ein Mangel bei der Kaffeeversorgung auch das heutige System ins Wanken bringen würde
„15: Der Begriff des „Kaffeesachsen“ entspricht mutmaßlich zweierlei Quellen. Zum einen wird der Region, dem Erzgebirge insbesondere, ein immenser Verbrauch an Ersatzkaffeegetränken im 19. Jhd. zugeschrieben. Zum anderen wird den Kursachsen eine wichtige Rolle für das Entstehen des Kaffeebewusstseins der deutschen Nation nachgewiesen. (Vgl. Heise, Ulla: Süße muss der Coffee sein!, Begleitbuch zur Ausstellung 28.4.-12.6.1994, Leipzig 1994, S. 8.)“
Dieser Buchauszug aus dem Jahr 1977 beschreibt mit wenigen Worten, was Kaffee den Menschen in der DDR bedeutete und dass seine Wegnahme gewissermaßen einen Zustand der Gesetzeslosigkeit auslösen würde. Der tägliche Kaffeegenuss kann als moralisierende Instanz, als Halt, der den Menschen Struktur und Kraft für den Alltag verleiht, verstanden werden. Sicher entspricht diese Interpretation der Realität nicht in gleichem Maße, doch ist sie auch nicht weit davon entfernt.“
Hier ist der Autorin wohl recht zu geben.
Zurück zum Thema „Die wohl prägnanteste Schilderung zum Stellenwert der braunen Bohne im Leben der DDR-Bürger bietet Paul Gratzik in seinem Roman „Transportpaule“: „Der Lebensrhythmus der Menschen zwischen ihren alten und neuen Mauern richtet sich nach ihren Kaffeepausen. Sie trinken ihn süß, heiß und in ziemlichen Mengen. Man könnte, wäre man Anar-
WEITERE INFOS Die komplette Arbeit „Kaffeetrinken im Sozialismus - Die Rolle von Kaffee in der DDR“ ist zu finden unter www.examicus. de (Rubrik: Sprach- und Kulturwissenschaften / Geschichtswissenschaften / Zeitgeschichte)
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r e t s e w h c Kleine S
HANDGEMACHT
t s n u K e groß „KUNST KOMMT VON KÖNNEN“, SAGEN VIELE MENSCHEN EINFACH SO DAHER. KUNST BEDARF VOR ALLEM HINGABE, KREATIVITÄT UND EINES FESTEN WILLENS. EIN GANZ BESONDERES BEISPIEL.
TEXT: ROBERT FILGNER FOTOS: ANTJE LEPPERHOFF
Das macht gute Laune. Aus einem Hobby wird etwas richtig großes: Eine neue Motivation zurück ins Leben. Die Geschichte von Linda und Sabrina Vossbruch könnte herzerfrischender kaum sein. Sabrina und ihre kleine Schwester verbindet sehr viel. In so ziemlich jeder freien Minute nähen sie zusammen. Im vergangenen halben Jahr haben sie zwei große Kisten gefüllt. Angefangen mit Handytaschen und „Taschentücher-Taschen“ sind die Produkte von Monat zu Monat anspruchsvoller geworden. Heute zählen Kindermützen und kleine Tierchen wie der Nasenbär, aber auch Schlüsselanhänger, unter anderem
das Dom-Kissen, zu ihren „Lieblingen“. „Wir machen alles zusammen, schon immer. Und das wird auch immer so bleiben“, sagt Sabrina, die nur an den Wochenenden in Köln sein kann. Die 22-jährige Grundschullehramt-Studentin verbindet aber viel mehr mit ihrer Schwester. Linda bekam vor sieben Jahren Stammzellen von Sabrina. Die heute 19-Jährige war an Leukämie erkrankt. Doch damit leider nicht genug: Eine komplizierte Virusinfektion hat die vergangenen Lebensjahre von Linda geprägt und ihr fast das Leben gekostet. Die Familie schenkte ihr stets Kraft.
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So begann Linda 2009 eine Ausbildung zur Raumausstatterin, bevor ein weiterer lebensbedrohlicher Rückschlag ihr erneut Kräfte raubte. Gut gelaunt und voller Motivation schaut sie heute dennoch nur auf die positiven Seiten zurück: „Der angefangenen Ausbildung habe ich meine Nähleidenschaft zu verdanken. Anfangs musste ich einfach nur nähen, nähen, nähen. Ein Praktikum beim WDR hat meine Fertigkeiten dann nahezu perfektioniert: Ich nähte Stoffe aneinander, bekam aber auch ‚Extraaufgaben‘, wie zum Beispiel den Duschvorhang meines Chefs.“
Nachdem sie ihren ersten Reißverschluss nähen konnte, kam Sabrina ins Spiel. „Ich habe ihr kleine Mäppchen genäht, mit Reißverschluss. Das konnte ich ja nun“, erzählt Linda sichtlich stolz. Auf die Handwerkskunst von Linda setzte Sabrina dann noch kleine Gimmicks, verspielte Verschönerungen und gemeinsam entwickelten sie neue Motive. Daraus hat sich nun die beeindruckende Sammlung an kleinen Schätzen entwickelt, die ab jetzt auch einen eigenen Namen trägt. Ihr Vater hat für die beiden eine Internetadresse gesichert: www.kleineschwester.com. Hier zeigen sie nun ihre Unikate und vielleicht
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wächst daraus ja noch viel mehr. „Später, nach der Ausbildung, hätte ich gerne einen eigenen kleinen Laden. Natürlich mit Sabrina zusammen“, schwärmt Linda. Und was, wenn ihr schon vorher richtig Erfolg habt? „Unser Vorrat ist ja noch ganz ordentlich. Neue Ideen gehen uns auch nicht aus. Spätestens in den nächsten Semesterferien von Sabrina legen wir uns weiter richtig ins Zeug.“ Darauf freuen sich beide tierisch. Die gemeinsame Freizeit der Schwestern ist ein großer Spaß und ein wichtiger Anker für Linda – auf dem Weg zurück ins ganz normale Leben.
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MUSEUM
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MUSEUMSBESUCH IM RAUTENSTRAUCH-JOEST MUSEUM KÖLN
FREMD IST DER FREMDE NUR IN DER FREMDE TEXT: JENS ALVERMANN, KATARINA FRITZSCHE Foto: Rheinisches Bildarchiv
DAS RAUTENSTRAUCH-JOEST-MUSEUM ERSTRAHLT SEIT HERBST VERGANGENEN JAHRES IN NEUEM GLANZ – EIN RUNDGANG IM KÖLNER KULTURQUARTIER. Der Gedanke an den Besuch eines völkerkundlichen Museums löst sicherlich nicht bei jedermann Begeisterung aus: Vor dem geistigen Auge erscheinen zufällig wirkende Ansammlungen von Artefakten in zahllosen Vitrinen mit allerlei Getöpfertem, diversen Werkzeugen und Holzmasken inklusive Wurmbefall. Natürlich das stets freundlich gestimmte Wachpersonal nicht zu vergessen, das mit einem harschen „Nicht anfassen!“ jegliche Begeisterung für die leicht angestaubten Exponate im Keim erstickt. Glücklicherweise haben sich viele Museen mittlerweile dieses Images entledigt: Mit zeitgemäßen Vermittlungsstrategien, modernen Medien und durchdachten Inszenierungen werden den Besuchern heute neue Bedeutungszusammenhänge und Betrachtungsweisen der ausgestellten Objekte erlebnisorientiert vermittelt. Das Rautenstrauch-Joest-Museum, wel-
ches im Herbst letzten Jahres mit dem Zusatz ‚Kulturen der Welt‘ neu im Kölner Kulturquartier eröffnete, reiht sich in dieses Bild in besonderer Weise ein. Neu ist hier nicht nur der zusätzliche Name des Museums, sondern auch die Ausstellung selbst. Während das seit 1906 bestehende Museum im Vorgängerbau am Ubierring eine nach Regionen strukturierte Ausstellung präsentierte, wird die Sammlung nun entlang verschiedener Themen inszeniert, die Menschen auf der ganzen Welt betreffen – vom Wohnen bis hin zu Formen der Bestattung. Der Weg durch die Ausstellung lässt die Besucher mithilfe eines Kultur vergleichenden Ansatzes in ganz unterschiedliche Bereiche menschlicher Lebensgestaltung eintauchen. Jeder Ausstellungsraum vermittelt dies durch seine ganz eigene Atmosphäre. Bereits im Foyer des Museums erwartet die Besucher ein imposant wirkender indonesischer Reisspeicher aus Sulawesi. Das kunstvoll verzierte Wahrzeichen des neuen Museums lässt die Fülle von faszinierenden Exponaten in der Ausstellung erahnen. Ehe man es sich versieht, ist man Teil des Ausstellungsparcours: Fremde Welten ziehen vorbei, Tod und Jenseits und dann
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eine riesige, prächtig verzierter Stier aus Bali. Man sieht magische Objekte, nimmt Platz an einem Forschertisch und erlebt meditative Momente auf der ‚Om-Couch‘. Der Kultur vergleichende Ansatz der Dauerausstellung regt dazu an, die eigene kulturelle Prägung aus einer erweiterten Perspektive neu zu betrachten.
„Man ist ein Esel in Europa zu leben, theuer und hat absolut nichts.“ Wilhelm Joest, 1882 Durch eine Projektion verschiedener Begrüßungsformen aus aller Welt betreten die Besucher die Ausstellung des Rautenstrauch-Joest-Museums. Nach einer Einstimmung durch ein Musikinstrumentenensemble aus Java widmet sich der erste der beiden großen Ausstellungsbereiche unter dem Leitthema „Die Welt erfassen“ verschiedenen Begegnungsebenen mit fremden Kulturen aus europäischer Sicht. Unter dem Titel ‚Begegnung und Aneignung: Grenzüberschreitungen‘ wird die in Europa herrschende Sehnsucht des 19. Jahrhunderts nach Exotik, fernen Ländern und einer Erweiterung des Horizonts durch die Begegnung mit dem Fremden am Beispiel von Forschungsreisenden wie Wilhelm Joest und Max von Oppenheim skizziert. „Man ist ein Esel in Europa zu leben, theuer und hat absolut nichts“, stellte Joest 1882 im Zuge seiner Reisen fest. Seiner Schwester Adele Rautenstrauch hinterließ er eine über 3.500 Objekte umfassende Privatsammlung, welche heute den Grundstock der Museumssammlung bildet. Mit der Zeit ist die Sammlung beträchtlich gewachsen, sodass sie gegenwärtig etwa 60.000 Artefakte aus Afrika, Asien, Amerika und Ozeanien und etwa 100.000 ethnographische Fotografien umfasst. Ein Teil der Abteilung ist als überdimensionierte Bücherwand inszeniert und lädt die Besucher dazu ein, in herausziehbaren Schubladen und Büchern intuitiv zu stöbern und in einem virtuellen Buch interaktiv zum Thema „Begegnungen“ zu blättern. Auch die folgenden Abteilungen dieses ersten Ausstellungsbereichs zeichnen sich durch einen abwechslungsreichen und anregenden Aufbau aus. Die Abteilung ‚Der verstellte Blick‘ fokussiert bestehende Vorurteile gegenüber afrikanisch-stämmigen Menschen in einem begehbaren Vorurteils-Container. Die sich anschließende ‚Die Welt in der Vitrine‘ präsentiert das Museum bewusst auch als Ort des Sammelns, Be-
trachtens und Interpretierens von ethnographischen Objekten. Den ersten Teil des Themenparcours abrundend lädt die Abteilung ‚Ansichtssachen?!: Kunst‘ zur Diskussion der Frage nach dem künstlerischen beziehungsweise ästhetischen Wert eines Artefakts sowie nach seiner ethnografischen Bedeutung ein. Der zweite Teil der Ausstellung gibt unter dem Titel ‚Die Welt gestalten‘ einen vielseitigen Einblick in Formen der Lebensgestaltung. Auch hier fallen die gelungen Darstellungsformen auf: Installationen wie die ‚DuftBar‘ oder die ‚ErfahrBar‘ machen die Erkundung zum Erlebnis. Die in diesem Kontext aufbereiteten Themenbereiche wie ‚Der Körper als Bühne: Kleidung und Schmuck‘, ‚Der Inszenierte Abschied: Tod und Jenseits‘ und ‚Vielfalt des Glaubens: Religionen‘ und ‚Zwischen Welten: Rituale‘ ergänzen den Einblick in die vielfältigen Formen menschlichen Daseins auf wirkungsvolle Weise. Der Weg durch die Ausstellung endet, als Pendant zu seinem Beginn, mit unterschiedlichsten Formen der Verabschiedung aus aller Welt. Die Ausstellung des Rautenstrauch-Joest-Museums lässt sich gut auf eigene Faust oder mithilfe der Audioguides erkunden. Hier stehen eine Highlight-, eine Themen- und eine Juniorführung zur Auswahl. Mit seiner zeitgemäßen Präsentation gehört das Rautenstrauch-Joest-Museum unbestritten zu den modernsten Museen seiner Art. Die hier vermittelten Inhalte bieten neue Einblicke, regen das Interesse an und lassen den Besucher auch über die eigene kulturelle Prägung nachdenken. Karl Valentin ist mit seinem in der Ausstellung zu lesenden Zitat „Fremd ist der Fremde nur in der Fremde“ sicherlich Recht zu geben, das Museum ‚Kulturen der Welt‘ trägt aber gerade zu einem besseren Verständnis anderer Kulturen bei und hebt insbesondere Verbindungen hervor. Ein Besuch im Rautenstrauch-Joest-Museum bietet sich daher ganz sicher nicht nur an verregneten Sonntagnachmittagen an.
WEITERE INFOS Rautenstrauch-Joest-Museum Kulturen der Welt, Cäcilienstraße 29-33, 50676 Köln www.museenkoeln.de/rjm Telefon: 0221-221-23620 Öffnungszeiten: Di bis So 10.00 – 18.00 Uhr Do 10.00 – 20.00 Uhr
Fotos: Martin Claßen und Arno Jansen
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NETZWERKEN
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COWORKING COLOGNE
Revolutionares Arbeiten TEXT: ROBERT FILGNER FOTOS: SABINE GROSSE-WORTMANN
DAS „ÖKOSYSTEM DER KREATIVEN WISSENSARBEIT“ NIMMT FORMEN AN. MIT DEM COWORKING SPACE GASMOTORENFABRIK UND DEM BETAHAUS KÖLN STEHEN DIE ERSTEN BEIDEN ECKPFEILER FÜR EINE NEUE ART VON ARBEITEN UND NETZWERKEN.
Helle Räume, Schreibtische, Steckdose, Internet, Getränke und Papier: Das sind fast alle Mittel, die Coworking braucht. Das „Zusammenarbeiten“ bietet einen Büroplatz für alle, die ihn brauchen. Das Ganze ist aber nicht einfach nur eine Plattform für Selbstständige und Freischaffende, Computer-Nerds, die Frischluft brauchen, Journalisten oder Meconomy-Anhänger, um dem einsamen eigenen Schreibtisch oder dem Café zu entfliehen: Coworking ist kein kurzlebiger Trend, sondern eine neue Form des Arbeitens. Gerade in Berufen, die kein nine-to-five kennen oder die von Kreativität unter Zeitdruck geprägt sind, sind die Angebote um den Mitinitiator der Bewegung in Köln, Peter Schreck, eine moderne Alternative mit viel Perspektive. Die Idee dahinter geht noch viel weiter: In Zeiten von sozialem Netzwerken un-
terliegt auch – mehr oder minder logisch folglich – die Arbeitswelt immer stärker dem Netzwerk-Gedanken. In der Kreativenwelt, die heute alle Bereiche des Arbeitens berührt, da Innovationen und somit Kreativität überall gefragt sind, kann der Austausch aber nicht nur im virtuellen Raum stattfinden. „Es sind oft Zufälle, spontane Begegnungen, die zu neuen, gemeinsamen Projekten führen“, sagt auch Peter Schreck, der in Mülheim den ersten Coworking Space mit aufgebaut hat. „Bei Coworking trifft man immer wieder auf neue Leute mit neuen Ideen.“ Der Coworking Space Gasmotorenfabrik in direkter Nachbarschaft zum Deutzer Messegelände ist durch Peter und seine Mitstreiter der beste Beweis, wie aus gemeinsamen Ideen etwas Neues entstehen kann. Seit Mai 2010 werden die Räumlichkeiten zum Arbeiten und
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zum Austausch genutzt. Die Idee wird weiter umgesetzt und nun durch das im Mai eröffnete betahaus in Ehrenfeld noch verstärkter ins „kreative Mileu“ getragen.
Kreative Revolution Das Ziel von Coworking Cologne, der übergeordneten Plattform, ist ein „Ökosystem für kreative Wissensarbeit“. Diese Formulierung nutzt Peter schon seit er vor zwei Jahren begann, die aus den USA stammende Idee, die mit dem Berliner betahaus nach Deutschland kam, auch in Köln umzusetzen. Das Prinzip Coworking setzt die „kreative Revolution“ um, die Wolf Lotter, Mitgründer des Magazins brandeins, in seinem gleichnamigen Buch erklärt: „Bedürfnisse exakt, genau und präzise erfüllen“, gilt dabei als ein Schwerpunkt zukünftiger Arbeit und nicht nur als Schlüssel für den Wandel in der Industrie. Für Ideengeber, Kreative und letztlich Macher bedarf es eben eines ganzheitlichen Ansatzes: „Die Menschen, die wir ansprechen, sehen in einem flexiblen Arbeitsort und in der Möglichkeit, die für ihre Arbeit notwendigen Ressourcen zu teilen, ihre eigenen konkreten Bedürfnisse, um neue Ideen umzusetzen“, so Peter. „Wir möchten dazu beitragen, dass Coworker alles wissen, was wo und wie erreichbar ist, damit eigene Ideen umsetzbar sind. Coworking selbst ist dabei wie ein Werkzeug zu verstehen.“
Netzwerk auf allen Ebenen Dazu gehört neben dem Arbeiten auch das Netzwerken. Fähigkeiten und Kontakte vor Ort zu teilen oder voneinander zu lernen, ist dabei ebenso fester Bestandteil, wie einfach nur Menschen zu finden, die helfen können, etwas Neues zu produzieren. So entstand in Mülheim neben dem Coworking Space auch die DingFabrik, ein FabLab, wo aus Ideen konkrete Produkte werden. Und nicht nur so entsteht schließlich echte Wertschöpfung. Daher hört für Peter Coworking auch
nicht mit ein oder zwei zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten auf: „Ganz Köln, ganz NRW, Deutschland und darüber hinaus sollen ein einziger Coworking Space werden und so ein komplettes Ökosystem bilden.“ Neben den 35 flexiblen Arbeitsplätzen und beiden Besprechungsräumen in Mülheim, die jeder Interessierte in der Spanne von zwölf Euro für einen Tag bis 120 Euro für einen ganzen Monat nutzen kann, wurde Anfang Mai eine weitere Arbeits- und Begegnungsmöglichkeit in Köln eröffnet. Das betahaus Köln direkt an der Venloer Straße/Ecke Innere Kanalstraße hat Anu-Cathrin Beck mitbegründet. Sie hat sich im April 2010, inspiriert vom betahaus Berlin, in eine Idee verliebt und „einfach losgelegt“. Schnell lernte sie Peter kennen und schnell hatte sie vor allem ein Problem zu lösen: die richtige Immobilie zu finden. „Ich wollte entweder ins Belgische Viertel oder nach Ehrenfeld. Klar, dass das eine lange und anstrengende Suche mit sich brachte.“ Aus der dahinter stehenden Community kam aber viel Motivation und Tatkraft, so dass die 25-Jährige zusammen mit ihren drei weiteren Geschäftspartnern in nur knapp einem Jahr ihr Ziel erreichte. Das betahaus Köln belebt zudem durch das angeschlossene Café das gesamte Gebäude, den Patrizia Tower, der bisher eher trostlos wirkte. „Nun sind wir genau auf der Grenze zwischen beiden Stadtteilen – eine 1-A-Lage“, erzählt Anu mit etwas Stolz und Erleichterung. Mit dem betahaus in Ehrenfeld nimmt Coworking in Köln weitere Konturen an. Das Netzwerk wächst und die Plattform Coworking Cologne ist auf dem besten Wege, das Ökosystem der kreativen Wissensarbeit zu etablieren.
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Die Revolution für kreatives Arbeiten ist in vollem Gange. null22eins bleibt dran und wird die Projekte weiter begleiten.
WEITERE INFOS www.coworkingcologne.de www.koeln.betahaus.de www.coworking.de (Übersicht über alle Coworking Spaces in Deutschland) Stichworte zum Weitergoogeln: Citizen Space, FabLab, Meconomy, Kreative Revolution
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HOEHEPUNKTE
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hoehepunkte AUSSTELLUNGEN
THEATER/TANZ
FESTIVALS
UNPOLISHED | 16. JULI – 28. AUGUST
RAUM 13 | 18. JUNI
KÖLNER SCHLARAFFENTAG | 09. JULI
Junges Design aus Polen zwischen traditioneller Volkskunst und aktuellen Konsumgewohnheit: Dabei kommen ungewöhnliche Kombinationen heraus. 100 Designobjekte von 20 jungen Gestaltern aus Polen zeigt diese Ausstellung im Museum für Angewandte Kunst.
MADE IN KÖLN. KÖLNER MARKEN FÜR DIE WELT | 11. JUNI – 11. SEPTEMBER Das Kölner Stadtmuseum zeigt typische Kölner Produkte und ihren Werbeweg durch die Welt. Doch keine Angst: Das ist keine reine 4711-Ausstellung.
raum 13 – „das Deutzer Zentralwerk der schönen Künste“ ist ein neues Forum und Arbeitszentrum für junge, zeitgenössische Kunst im Großraum Köln. Am 18. Juni feiert dieses Zwischennutzungskonzept Eröffnung! Mit dem Tanz-Theater-Stück ‚TRETET EIN, DENN AUCH HIER SIND GÖTTER!‘ wird die ehemalige Hauptverwaltung der KHD-Werke (Deutz-Mülheimerstraße 147-149) wieder mit Leben gefüllt.
„DANCERS“ | 01. – 02. JULI Renommierte Balletttänzer aus der ganzen Welt gewähren einen Einblick in ihr Leben: ein interaktives Tanz-, Video- und Ton-Erlebnis im Rautenstrauch-Joest-Museum.
Das Odonien lädt zum Open Air der besonderen Art: Der 5. Kölner Schlaraffentag verzaubert mit Genuss für Ohr und Gaumen. Zum Konzept gehören selbst mitgebrachte Leckereien und ein kunterbuntes Programm.
AMPHI FESTIVAL | 16. – 17. JULI Elektro, Future Pop, Rock, ‚Neue Deutsche Härte‘ oder Mittelalterrock: Im Tanzbrunnen versammeln sich seit fünf Jahren aber vor allem Anhänger düsterer Musiksparten.
24. JUNI - 02. JULI | RHEINLANDHALLEN
CITYLEAKS PREVIEW An sich geht das CityLeaks Festival erst im September über die Bühne. Doch die Veranstalter sind bereits im Juni mit einer Preview im Rahmen des PopDesignFestivals am Start. Gleichzeitig wird auch schon gemalt, und zwar vom 22. bis 26. Juni im Design Quartier Ehrenfeld. Was genau hat es aber nun mit dem ersten ‚Cologne Urban Art Festival‘ auf sich? Mitorganisator Georg Barringhaus erklärt: „Der Name des Festivals ist schon der erste Hinweis: Es werden Informationen in der Stadt geleakt, die andere Inhalte tragen, als die, die uns in der Werbung täglich begegnen.“ Wichtig ist den Veranstaltern in diesem Zusammenhang auch, dass die hier produzierte Kunst politische, soziale und ökologische Themen im öffentlichen Raum ansprechen soll. „Das ist ein ganz wichtiger Punkt, denn es sollen Bilder entstehen, die eine realere Welt zeigen als irgendwelche Hochglanzbilder, die uns Freiheit suggerieren, wenn wir eine bestimmte Zigarettenmarke rauchen.“ Daher werden auch rund 25 lokale wie internationale Künstler an die Farbtöpfe gebeten, die sich kritisch mit Themen der Gesellschaft auseinandersetzen. Mit dabei ist beispielsweise Faces on Book, der Skizzen verschiedener FacebookProfile macht und so die Bewegungen in sozialen Netzwerken und den Umgang damit aufzeigt. Der Künstler, der selbst lieber anonym bleiben will, wird bereits im Juni in Köln sein.
Der geographische Schwerpunkt dieses ersten CityLeaks Festivals liegt auf Südamerika. Spannend daran ist neben den politischen Bewegungen der Region, dass Straßenkunst dort anders wahrgenommen wird als in Deutschland. „Während wir uns hier um Genehmigungen kümmern müssen, können in Brasilien die Wände einfach bemalt werden, ohne dass sich jemand daran stört.“ Im September wird das Festival mit einer Aktions- und einer sich anschließenden Ausstellungswoche mit dem vollen Line-Up, Workshops und Partys in der vollen Bandbreite wiederkehren. Foto: CityLeaks
AUSBLICK
im september FOTOGRAFIE
ERIC UND DIE BOARDS
„Nur wer selbst erlebt hat, was es bedeutet, am hauseigenen Sicherheitsdienst vorbei erfolgreich die Treppenstufen im Hinterhof zu springen, um sich anschließend in letzter Sekunde vor Mann und Hund über den Zaun zu retten, kann die Magie wirklich nachvollziehen.“ So wird das Phänomen, die Lebenseinstellung Skateboarding in Eric Mirbachs Bildband
‚Incidentals‘ beschrieben. Der Kölner Fotodesigner lichtet seit über zehn Jahren Skateboarder über den gesamten Globus ab. Dabei fängt er nicht nur ihre Bewegungen, sondern auch ihre Stimmungen ein. Im Gespräch mit null22eins liefert er Einblicke in die Subkultur.
POPULÄRWISSENSCHAFTLICHES
DER MENSCH ALS INDUSTRIEPALAST Fritz Kahn: Dieser Name ist nur wenigen ein Begriff. Sein ‚Mensch als Industriepalast‘ ist da schon bekannter. Damit veranschaulichte er in der Weimarer Republik die Funktionen des menschlichen Körpers als eine Art Fabrik. Kleine Männchen bedienen metaphorische Organ-Maschinen, die in einem Querschnitt das innere des Körpers zeigen. Noch heute im 21. Jahrhundert wird dieses Bild immer wieder in Kultur und Kunst aller Art sowie in der Werbung zitiert. Doch Kahn hatte noch viele andere Metaphern und Visualisierungen auf Lager. Er veröffentlichte sie in Büchern, die zu Verkaufsschlagern wurden. Was dahinter steckt,
wie populärwissenschaftlich-naive Wissensvermittlung zum Produkt wurde und welche Ideen Kahn selbst damals aufgriff, wird in der nächsten Ausgabe ans Licht kommen.
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