#06 Winter 2012 | 2013

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#06 Kรถlner Kulturen Magazin | www.null22eins-magazin.de

Freiexemplar | Wert 3 Euro



Editorial

Editorial Menschen schauen viel und gerne. In die Vergangenheit oder Zukunft, wenn sie ungeklärte Fragen haben. Auf andere Menschen, wenn sie Reaktionen brauchen oder einsam sind. Auf andere Teile des Lebens, wenn sie ihren Horizont erweitern wollen – oder sie schauen dafür doch wieder in die Vergangenheit, in die Zukunft, auf andere Menschen. Der Blick, die Sicht auf Dinge, Perspektiven können vieles ändern – oder auch nicht. Anders sehen kann ein Ausdruck innerer Zerrissenheit sein oder einen Fortschritt im Denken bedeuten. Die Fragen nach der Perspektive beim Bewerten von Erlebtem, Gesehenem, Erfahrenem muss jeder für sich selbst beantworten. Ein objektives Bild entsteht aber erst beim Teilen dieser Perspektive. Ein Reim zur Winterzeit, der dunkleren, der oft unbeliebteren…

Blicke schweifen in Sterne nah und fern. Blicke streifen Themen, unbewusst, manchmal auch bewusst und gern. Blicke sind verschieden, sind deutbar, nicht stet. Blickwinkel, unterschiedliche, sind es, worum es geht…

Unabhängig von Festen zur Besinnlichkeit, sind Blicke und ihre Winkel ein entscheidender Punkt für die Aktualität einer Zeit. Viele können auf alles schauen, viele können daraus Neues bauen. Aber was hält, was bleibt, sind vermittelte Perspektiven, die Mensch nicht allein bewerten kann, sondern mindestens zu zweit… Wir ermutigen dazu, sich ein eigenes Bild zu machen: von Inhalten dieser Ausgabe, von Dingen des alltäglichen Lebens, von dem Gestern, Heute, Morgen – mit allen Blickwinkeln und Perspektiven. Viel Spaß beim Lesen!

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Inhalt

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Dezember – Februar

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Impressum Herausgeber

V.i.s.d.P

Redaktionsschluss

artishocke e. V. Genovevastraße 65 • 51063 Köln redaktion@null22eins-magazin.de

Redaktion u. redaktionelle Mitarbeit

Jan Aengenvoort, Charlotte Braun, Robert Filgner, Marie-Luise Hofstetter, Şehnaz Müldür, Adam Polczyk, Saskia Rauchmann, Jochen Schwill, Saskia Seipp, Hendrik Sämisch, Maximilian Voigt, Britta Wanderer, Christine Willen.

Robert Filgner robert@null22eins-magazin.de

Layout

Stefanie Grawe, Nadine Magner, Leo Pellegrino, Stephanie Personnaz, Julia Ziolkowski.

Şehnaz Müldür sehnaz@null22eins-magazin.de

Fotos

Evi Blink, Alessandro De Matteis, Gilbert Flöck, Christoph Kraneburg, Adam Kroll, Antje Lepperhoff, Anna Shapiro, Britta Wanderer.

Ausgabe #06: 15. November 2012

Illustrationen

Jan Dienstknecht, Leo Pellegrino, Nadine Magner.


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Jan Dienstknecht

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Deutz

Über Brücken gehen, auf die Rheinseite mit dem schönsten Blick auf Altes und Neues in Köln. Über Grenzen hinweggehen, auf die Seite der Schaffenden und der Moderne… zumindest in Diskussionen findet der Wandel in Deutz schon lange statt. Fruchtbare Beispiele gibt es weiterhin wenige. Der Hafen, genauso wie ein ehemaliges Wohnviertel am Bahnhof, durften bislang noch nicht loswandeln. Mal sehen, was das Jahr 2013 für die rechtsrheinische City bringt. Immerhin: Der Ausblick – auch innerhalb des Veedels – ist schon immer besonders. Text /// Robert Filgner Fotos /// Foto Alessandro De Matteis, Antje Lepperhoff, Britta Wanderer

Wenn wandeln darf


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Werkschau


Werkschau

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Der WEg zur Kunst Die Kölner Grafikdesignerin Ann-Kathrin Nikolov hat von ihrem Australienaufenthalt nicht nur unvergessliche Erinnerungen mitgebracht, sondern auch noch etwas ganz Entscheidendes: Inspiration. Text /// Saskia Seipp

Ob auf Skateboards, Snowboards oder Leinwänden – Ann-Kathrin zeichnet, illustriert und bemalt alles, was ihr in die Hände kommt. Daraus entsteht dann eine gelungene Mischung verschiedener Streetartelemente wie Sprüh- und Stenciltechniken, die mit Zeichnungen und freier Malerei zu Collagen vereint werden: Urbaner Expressionismus mit einer Prise Gesellschaftskritik. Doch was hat das alles mit Australien zu tun? AnnKathrin Nikolov verbrachte während ihres Studiums ein Auslandssemester in Melbourne. Danach stand fest: Eines Tages würde sie dorthin zurückkehren. Nachdem sie mehrere Jahre in Werbeagenturen gearbeitet hatte, packte sie ihre Sachen und flog wieder nach Downunder. Dort angekommen, kaufte sie sich einen Van und fuhr quer durchs Land. „Das hat nicht nur den Kopf freigemacht, ich hatte auch endlich Zeit und Muße, das zu tun, was ich von Herzen gern mache: Kunst.“, sagt Ann-Kathrin. Mit unheimlich viel Produktivität fertigte sie Bilder an und verkaufte diese auf zwei Vernissagen. Zurück in Deutschland ging es weiter. Bis heute entwickelt sie immer wieder neue Motive, die nicht nur in Köln, sondern auch schon auf Ausstellungen in Hongkong zu sehen waren. Zu ihren Werken ist noch eine besondere Persönlichkeit hinzugekommen: Mr. Little. Eine Kunstfigur, die vielen Menschen aus dem Herzen spricht und

Fragen stellt, die jedem einmal durch den Kopf gehen. Antworten bekommt Mr. Little meistens von einem Hund, der aber auch gelegentlich die Initiative ergreift und den Dialog eröffnet. Schaut man sich alle Motive nacheinander an, ergeben ihre Gespräche sogar eine zusammenhängende Geschichte. Themen wie Liebe und Freundschaft aber auch Ängste und Sorgen sind wesentlicher Bestandteil – eben alles, was ein abwechslungsreiches Gefühlsleben ausmacht. Mr. Little gibt es nicht nur auf Papier, sondern auch mitten in der Kölner Innenstadt. Denn wer wachen Auges durch die Straßen geht, kann ihn manchmal entdecken. Immer dann, wenn Ann-Kathrin ungenutzte Werbeflächen bemalt oder mit Sprühkreide Mr. Little ganz groß werden lässt.

Weitere Infos /// www.nikolov-design.de www.mr-little.com


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Artishocke

Text /// Marie-Luise Hofstetter Fotos /// Make Up 10-11-12 aLessandro De Matteis & Sarah Hartgens 12-13 Anna Shapiro & Eugen Herber

dévelopée

danse Ästhetik für mehrere Sinne. Die Faszination von Ballett findet auf vielen Ebenen statt. Nicht alle sind positiv. Ein Bericht über die Licht- und Schattenseiten eines Tanzsports und die Wichtigkeit der Entwicklung des persönlichen Selbstwertgefühls. Scheinbar schwerelos gleiten die Füße im Rhythmus der Musik über das Parkett. Die Arme, in vollendeten, grazilen Bewegungen, harmonieren mit jedem Schritt und jedweder Sprung wird begleitet vom anmutig leidenden Blick der Tänzerin. Ballett, das seinen Ursprung an den italienischen und französischen Fürstenhöfen des 15. und 16. Jahrhunderts hat, ist eine Sportart, die auch heute noch Millionen Menschen weltweit in ihren Bann zieht. Nur durch jahrelanges, möglichst tägliches Training am Barrée, einer vertikalen Tanzstange, und im Milieu, der „Mitte“ des Raumes, kann die klassische Technik erlernt und perfektioniert werden. Gestecktes Ziel einer Ballerina ist es in der Regel, Grazie, Eleganz und Leichtigkeit in Perfektion auf die Bühne zu bringen und dabei niemals die enorme körperliche Anstrengung, die hinter einer jeden Bewegung steckt, für das Publikum sichtbar werden zu lassen. Auch in meinem Leben spielte Ballett vierzehn Jahre lang eine zentrale Rolle. Mehrmals wöchentlich trainierte ich mit den anderen Tänzerinnen stundenweise in meiner Ballettschule Arabesque, Attitude und Sur-le-cou-de-pied vor dem Ganzkörperspiegel. Am Ende einer Einheit schlenderte ich jedes mal aufs Neue erschöpft nach Hau-


se, in dem Bewusstsein, meinem Ziel wieder einen Schritt näher gekommen zu sein. Ich wollte eine dieser grazilen Ballerinas werden, die ich so gerne auf den Ballettbühnen dieser Welt beim Tanzen bewunderte. Eben jenes stundenlange Posieren vor riesigen Spiegeln, eingezwängt in Kleidung, die jedes Gramm Körperfett sichtbar werden lässt und der damit einhergehende, ständi-

ge Vergleich mit den anderen Tänzerinnen, bringen jedoch häufig wenig glamouröse Konsequenzen mit sich. Leider musste ich im Laufe der Jahre immer häufiger miterleben, wie junge Mädchen, die dem Traum, eine Primaballerina zu werden, nachjagten, schlimmen Essstörungen verfielen, um einem vermeintlichen Ideal zu entsprechen. Selbstverständlich darf diese Beobachtung

nicht pauschalisiert werden, jedoch halte ich es aus persönlicher Erfahrung für ratsam, erst dann mit ernsthaftem Balletttraining zu beginnen, wenn das eigene Selbstbewusstsein ausreichend gefestigt ist, um sich so sicher zu sein, nicht an etwas zu zerbrechen, das eigentlich von so großer Schönheit ist. Ich für meinen Teil habe nach einer mehrjährigen Pause meine Freude an Ballett


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Artishocke

während unseres Fotoshootings für null22eins wiederentdeckt. Obwohl ich einige Tage nach den Aufnahmen noch unter unsagbarem Muskelkater litt und völlig zerschundene Füße hatte, so habe ich dennoch beschlossen, bald wieder mit dem Training zu beginnen. Denn heute, fünf Jahre nach meiner letzten Ballettaufführung, glaube ich endlich bereit für diesen Sport zu sein. Die Aufnahmen ließen uns erneut feststellen, wie wundervoll tänzerische Bewegung und bildnerische Technik, sprich Fotografie, miteinander harmonieren. Im Idealfall schlüpft der Fotograf in die Rolle eines kongenialen Partners in puncto Liebe und Verehrung der Tanzkunst.


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Eben dieses faszinierende Verhältnis beider Künste wird derzeit im Tanzmuseum des Deutschen Tanzarchivs Köln / SK Stiftung Kultur in der Ausstellung „Lichtspiele – Wie Film und Fotografie Tanz sehen“ präsentiert. Eindrucksvoll unterstützt werden die Fotografien zudem von zahlreichen Filmaufnahmen aus 100 Jahren Filmgeschichte. Ziel der Ausstellung im Mediapark ist jedoch nicht, dem Besucher aufzuzeigen, wie der allgemeine Blick auf Tanz in der Vergangenheit gewesen ist, sondern wie vielseitig und geistvoll die individuelle Sichtweise der Fotografen und Filmemacher ist. Verantwortlich für den Inhalt der Ausstellung, die bis zum 18. August 2013 läuft, sind Thomas Thorausch und Klaus-Jürgen Sembach. Wer das seit 1997 existierende Tanzmuseum und die aktuelle Ausstellung selbst entdecken möchte, kann dies übrigens jeden Montag kostenfrei tun. Weitere Infos /// Tanzmuseum des Deutschen Tanzarchivs Köln / SK Stiftung Kultur Im Mediapark 7, 50670 Köln www.sk-kultur.de/tanz/tanzmuseum

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Die Erneuerbaren regeln das schon selbst


Text /// Hendrik Sämisch, Jochen Schwill, Jan Aengenvoort Illustration /// Jan dienstknecht Weitere Infos /// www.next-kraftwerk.de

Was passiert eigentlich, wenn Solaranlagen in Bayern unter der Sonneneinstrahlung ächze­­n, an der Nordseeküste die Windräder einen Rekord nach dem anderen jagen, aber niemand den sauberen Strom abnimmt? Wenn just an solch einem Tag die Leute lieber grillen, als die Mikrowelle anzuschmeißen? Und wenn dann noch die Autokonzerne dank Sommerferien weniger Autos über ihre Fließbänder rollen lassen als gewöhnlich? Mit solchen Fragen konfrontierten uns die Professoren des Energiewirtschaftlichen Instituts der Universität Köln gerne, als wir an unseren Doktorarbeiten schrieben. In ihnen ging es um den Effekt der Erneuerbaren Energien auf die Strommärkte und -netze, aber auch um virtuelle Kraftwerke.

Die richtige Vernetzung machts. Digitale Welten können helfen, die realität effizienter zu gestalten. Und hier sprechen wir von wahrer Effizienz. Keine visionären Doktorarbeiten, sondern Ein echter Beitrag zur Energiewende. Letztere lösen ein zentrales Problem der Ener­­ giewende: Die Stromproduktion eines Windrads oder einer Solaranlage ist nicht planbar. Die Stromnetze werden dadurch stärker beansprucht als früher, die Angst vor einem Blackout steigt. Ein virtuelles Kraftwerk steuert diesem naturgegebenen Nachteil von Sonne und Wind entgegen, indem es solche Erneuerbaren Energien miteinander vernetzt, deren Stromproduktion planbar – oder korrekt: regelbar – ist. Dazu zählen vor allem Biogas- und Biomasseanlagen, aber auch manche Wasserkraftwerke und Blockheizkraftwerke. Ist zu viel Strom im Netz, etwa weil es in Norddeutschland stürmisch ist und Windstrom das Netz verstopft, fährt das virtuelle Kraftwerk herunter und speichert den Energieträger zwischen. Die Netze werden innerhalb kürzester Zeit entlastet. Ist zu wenig Strom im Netz, fährt das virtuelle Kraftwerk hoch, verwandelt das zwischengespeicherte Biogas oder das gestaute Wasser in Strom und speist innerhalb weniger Minuten die dringend benötigten Strommengen als Regelenergie in das Netz ein. Die Quintessenz: Die Erneuerbaren regeln das schon selbst. Gut für das Stromnetz, lukrativ für die Anlagenbetreiber.

Doch grau ist auch diese Theorie, nur die Praxis würde grün sein. Wir waren erstaunt, dass es noch Ende 2009 so gut wie keine virtuellen Kraftwerke in Deutschland gab. Dabei sind sie ein wichtiger Baustein für das Ziel vieler Menschen in Deutschland, den Stromverbrauch eines Tages zu 100 Prozent aus Erneuerbaren Energien decken zu können. Die Doktorarbeiten rückten in die Ferne. Jetzt galt es Investoren zu suchen, Mitarbeiter, Büroräume und nicht zuletzt Anlagenbetreiber, die mit uns zusammenarbeiten möchten. Heute steuern wir über unser Leitsystem in den Vulkanhallen in Ehrenfeld einige Hundert regelbare Anlagen, die gemeinsam auf die Leistung eines mittleren Gaskraftwerks kommen. Das Potenzial ist weiterhin groß, denn von den über 7.000 Biogasanlagen in Deutschland sind erst einige Hundert in virtuellen Kraftwerken wie unserem Next Pool vernetzt. Entscheiden sich immer mehr dafür, wertvolle Regelenergie bereitzustellen, sind auch spontane Massengrillfeste kein Problem mehr.


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Köln Szene

Seit 2009 arbeitet der freiberufliche Designer und Doktorand Till Beutling gemeinsam mit Lukas Höh, der als VJ und Kurator des Festivals „Platine“ bekannt ist, an computerbasierten Installationen. 2011 schloss sich der hauptberufliche Programmierer Daniel Dormann an und seither entwickeln sie zu dritt Projektionen, die sich nicht nur zu Musik bewegen. Und das „klappt erstaunlich gut, weil jeder ganz andere Komponenten und skills mitbringt“, sagt Lukas, dessen Steckenpferd die Verbindung von Musik und Bewegtbild ist. „Wir haben vor allem Spaß an der Sache“ pflichtet auch Daniel bei, der als Programmierer die Software für die Installationen meist selbst schreibt. Als VJ – Visualjockey, der klassischerweise Musik visuell aufbaut oder unterstützt – arbeiten sie oft und gerne, verstehen sich dann aber als Dienstleister, der für den jeweiligen DJ die Clubwände bespielt. Als Klangfiguren können sie künstlerisch ganz neue Wege gehen und sind nicht unbedingt an einen Auftraggeber gebunden. Zwar können sie von diesem Projekt allein nicht leben. Alle sind hauptberuflich ausgelastet und nutzen dann die freie Zeit, um neue Ideen zu sammeln und umzusetzen. „Die Schwierigkeit ist glaube ich eher, dass wir Klangfiguren so lieb haben, dass wir schnell mal alles andere stehen und liegen lassen – was vielleicht Kohle mit sich gebracht hätte“ meint Daniel. Die drei umtriebigen Jungs und ihr Projekt profitieren aber auch gerade von den Überschneidungen ihrer beruflichen und privaten Interessen, die sich so gegenseitig befruchten. Neben den regelmäßigen Engagements in Kölner Clubs ist im Sport-und Olympia-


Köln Szene

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Klangfiguren Farbige Lichtkreise, die Passanten hinterher hüpfen oder sichtbar gemachte Datenmengen des W-LAN-Netzes – drei Design-Tüftler der Gameboy-Generation experimentieren mit Lichtfresken und raumgreifenden Installationen.

Museum die einzige permanente Ausstellung von Klangfiguren zu sehen. Dort sind die letzten 10 Jahre der Sportgeschichte mit Projektionen an Wand und Decke dargestellt. Eigentlich aber finden die drei 80er-Jahre-Kinder die Kurzlebigkeit ihrer Kunst charmant. Sie sei „eine Fläche wie ein weißes Blatt Papier, das immer andere Inhalte aufnehmen kann“. Wie auch bei ihrer Vision einer Art Flash MobProjektion auf den verschiedenen Kölner Brücken, die aber noch geheim bleiben soll. Denn Öffentlichkeit und Feedback freut sie natürlich, viele der Projekte verwirklichen sie jedoch ganz egozentrisch einfach für sich selbst. Die Ideen entstehen hauptsächlich im Austausch. Wenn die Zeit es zulässt, schließen sie sich ein paar Tage zu dritt ein und „folgen den eigenen Wahnsinnigkeiten“. Entweder sie entwickeln dann die Technik für einen interessanten Inhalt oder beginnen mit vorgefundener Technik, die sie spannend finden. Daniel merkt dazu an, dass gerade der neue Hirnstrommesser angekommen sei, mit dem sie unbedingt etwas basteln müssten. Till nennt diese Phase der Ideenfindung „Selbstfindungsloops gepaart mit technischen Möglichkeiten“. Ein Ergebnis dieses kreativen Prozesses war die Installation #1, bei der in diesem Jahr ein Schaufenster eines Designshops zu einer reaktiven Projektion umgebaut wurde, mittels einer Webcam, die mit einer Software vor dem Schaufenster vorbeigehende Passanten abgelesen hat. Projizierte Kreise und Punkte „folgten“ den Menschen dann über die Fensterfläche. Auch Stimmen wurden über ein Mikrofon als Input benutzt und so änderten sich die farbigen Formen in der Größe, wenn gesprochen wurde. Das Einbeziehen äußerer Gegebenheiten findet sich immer wieder in ihren Arbeiten – die Installation cluttAR 1.0 etwa visualisiert Datenpakete von W-LAN-Netzen in Form von Quadern, die in einem Monitorbild in eine stetig wachsende Skulptur verwandelt werden. So wird der uns umgebende Datenmüll sichtbar gemacht. Aber: Der vermeintlich kritische Ansatz ist nicht eben intentioniert. Es geht eher darum, „die W-LAN-Verbindung, die uns sowieso immer umgibt, für unsere Zwecke zu nutzen“, so Lukas. Und Da-

niel fügt hinzu: „Wir können auch gut Sachen machen, die einfach schön anzugucken sind oder die einfach mal nur Spaß machen“, letztlich bleibt es, wie bei jeder Form der Kunst, dem Betrachter selbst überlassen, welche Deutung er hineingeben möchte. Zu Köln meinen die drei: Der Klüngel hat ihnen schon viele Auftritte in Clubs verschafft und zu einer Einladung zu einer Projektion im Dom würden sie nicht nein sagen, aber Till schließt mit einem Appell: „Alle sollen mehr machen!“ Und meint damit die Kölner Kulturlandschaft, in der ruhig etwas mehr und spontaner passieren dürfte. Klangfiguren jedenfalls freuen sich über jeden neuen Ansatz und vor allem den Austausch.

Text /// Britta Wanderer Fotos /// alessandro de matteis Weitere Infos /// www.klangfiguren.com

„Selbstfindungsloops gepaart mit technischen Möglichkeiten“


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Kölner Orte

Kunstwerk Köln

Tor zur Kultur Zwischen Deutz und Mülheim öffnet sich ein riesiger Industrieraum. Bereits seit 1995 belebt das „Kunstwerk“ ein SahneStück der kreativen Räume Kölns. Der Kunstwerk Köln e.V. hat erkannt: Das muss auch die Öffentlichkeit erfahren. Die wahre Aussagekraft eines Kunstwerks liegt im Auge des Betrachters. Gefühlt wissen viele Kölner von dem „Kunstwerk“ – einer Insel für Künstler, geparkt direkt neben der Messe und immerhin eine der ersten Umnutzungen der Gebäude des riesigen Industrieareals zwischen Deutz und Mülheim. Aber eben eine Insel, irgendwie abgeschottet, früher sogar gewollt. Das soll sich in Zukunft ändern. Nähere Betrachtungen dieses „größten selbstverwalteten Atelierhauses Deutschlands“ wagen bisher nur wenige. Das ist auf der einen Seite gar nicht mal schlecht. „Denn schließlich ist ein Atelierhaus eine Arbeitsstätte“, sind sich die Künstler Cornelia Baltes, Lisa Busche und Gilbert Flöck einig. Gerade um professionell arbeiten zu können, mag es der Künstler an sich nicht, dass ihm „Fremde“ auf die Finger schauen. Das ist nicht nur für die drei erhaltenswert: Das Kunstwerk Köln ist für die professionellen Künstler ein Ort, an dem sie gerne arbeiten.

Die Ursprünge des verschlossenen, später exklusiven Charakters sind vielschichtig. Einerseits geht der Blick Gilbert Flöcks zurück in die Gründungszeit, als die Räumlichkeiten der ehemaligen Gummifabrik besetzt wurden und ein Sammelsurium für Künstler aller Gattungen (auch im menschlichen Sinne) war: „Das ist mit heute nicht zu vergleichen. 1996 war vieles gar nicht vorzeigbar, von dem was hier abging.“ Näheres blenden wir an dieser Stelle aus. Nur so viel, dass die Vorstellungen von einer damaligen Hippie-Kommune gar nicht so abwegig sind. In den vergangenen Jahren „verschloss“ sich die Gemeinde aber eher ungewollt. Zwei Jahre lang lag die Öffentlichkeitsarbeit relativ brach, da große Investitionen in die Infrastruktur des Gebäudes gestemmt werden mussten. Modernisierungen und Brandschutzmaßnahmen waren notwendig geworden, um das Kunstwerk zu erhalten. Erst Ende 2011 erhielten die über 150 bildenden Künstler, Kunsthandwerker und Musiker in ihren 80 Ateliers, Werkstätten und 15 Musikstudios wieder Sicherheit, dass ihr Kunstwerk auch Zukunft hat: Das 30-jährige Nutzungsrecht im Pachtvertrag für das Gebäude konnte bestätigt werden. Damit hat der Kunstwerk e.V., also der Verein über den sich das Atelierhaus selbst trägt, neue Planungssicherheit. Das zeigt sich auch in den Planungen für 2013: Die Vorstandsmitglieder haben weitere Möglichkeiten gefunden, einerseits Investitionen zu sichern, andererseits der Öffentlichkeit Räume des Kunstwerks zugänglich zu machen. Öffnete sich das Kunstwerk bisher vor allem zur „Langen Nacht der Museen“ und am Tag der „Offenen Ateliers“ sollen verstärkt eigene Veranstaltungen Interessierte in die ehemalige Gummifädenfabrik Kohlstadt ziehen. Immerhin bieten die unteren Etagen zwei wunderschöne jeweils 300m2 große Räume – eine Ausstellungshalle und einen Veranstaltungskeller. Fünf bis sechs


kölner orte

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Text /// Robert Filgner Fotos /// Gilbert Flöck & Christoph Kraneburg Weitere Infos /// KUNSTWERK KÖLN E. V. Deutz-Mülheimer-StraSSe 127 51063 Köln www.kunstwerk-koeln.de

Ausstellungen pro Jahr, wovon einige von den Kunstwerkern selbst kuratiert und andere von Kuratoren organisiert werden, sollen Künstler aus nah und fern an die Grenze zwischen Deutz und Mülheim holen. Mit „TOPITs!“ startete im vergangenen November eine neue Reihe, die „ohne Grenzen, lauter, gewagter, unverschämter und bedingungsloser“ neun große und laute Arbeiten im Ausstellungsraum zusammenführte. Der Keller ist schon länger Partylocation und Musikerbühner. Die „jamit!“ beispielsweise bereichert den Partykeller einmal im Monat durch eine echte Jamsession – offen für jeden. Das Kunstwerk Köln und der Kunstwerk Köln e.V. werden künftig sicher verstärkt wahrgenommen. Diese Ansammlung von Kreativen ist eben keine „lebendige Wand“ hinter der Messe mehr, sondern vielmehr das Einfallstor in die Kulturlandschaft der ehemaligen Industrie. Gilbert Flöcks Installation „Köln-Attendorn“ wird dafür ein deutliches Zeichen setzen. Wohl ab Ende Januar schmückt ein über 30 Meter großes Gesamtkunstwerk das Dach des Atelierhauses. Direkt an der Zoobrücke wird das Kunstwerk damit für jeden Kölner und Köln-Besucher ein bisschen „sichtbarer“.


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Film

Ein junger Mann bahnt sich seinen Weg in die Welt der Filme

Zum Glück Talent erkannt Er hat schon mit Halle Berry und Tom Hanks zusammengearbeitet, jetzt kommt sein erster eigener Film. Alles ist ein paar Stufen kleiner, dafür aber auch viel persönlicher.

Text /// CHARLOTTE BRAUN FOTOS /// Rolf Franke actorsphotography

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in See. Um ihn herum vereinzelt Bäume. Jogger und Radfahrer ziehen ihren Runden, genießen das schöne Wetter. Hier und da ist das Zirpen einer Grille zu hören. Es ist eine idyllische Stimmung. Doch die Ruhe wird schlagartig durchbrochen. Von weitem ist das laute Knattern eines Fahrzeuges zu hören. Ein alter silberner Bus passiert die Strecke, ist auf dem Weg in die Stadt. Der Busfahrer, ein Mann mittleren Alters. Er schaut starr auf die Straße, wirkt müde. Der Schatten seiner Schirmmütze kann seine tiefen Augenringe nicht verdecken. Die Insassen sind in Gespräche vertieft oder schauen verträumt aus den Fenstern – völlig gebannt von der Schönheit der Natur. Plötzlich bremst der Fahrer stark ab. Die Reifen drehen durch. Der Bus rutscht Richtung See, bis er mitten auf dem Gehweg stehen bleibt. Die Fahrgäste fluchen, ein Mann beschimpft den Fahrer lautstark: „Was soll der Mist, haben Sie keine Augen im Kopf?“ Cuuuut! Cut! Das war zwar alles schon sehr schön, aber leider laufen uns hinten Leute durch’s Bild. Das müssen wir nochmal machen. Die Komparsen waren aber schon gut. Das nächste Mal bitte wieder so“, ruft ein junger Mann. Der sportliche Typ trägt eine Mütze und hält ein Klappbrett in seinen Händen. Sein Name ist Stefan Hoppe. Er dreht heute seinen ersten eigenen Film: seine Abschlussarbeit für die Hochschule. „Zum Glück“ lautet der Arbeitstitel seines Werks. Das Drehbuch hat er selbst geschrieben, setzt es nun mithilfe einiger Mitstudent und ein paar befreundeten Filmleuten um.

Das Team als Grundlage für den Erfolg „Es ist ein komisches Gefühl, jetzt hier am Set zu stehen. Vor einem halben Jahr habe ich noch an der Geschichte geschrieben, jetzt sehe ich Teile davon schon auf einem kleinen Bildschirm“,


Film

erklärt der Jungregisseur. Natürlich sei er aufgeregt, aber in erster Linie freue er sich, endlich loslegen zu dürfen. Fünf Tage lang wird gedreht, Szene für Szene umgesetzt. Verschiedene Locations werden dabei aufgesucht und immer wieder kommen neue Komparsen dazu. Es ist ein straffer Zeitplan, große Probleme dürfen nicht aufkommen. „Wir drehen hier einen Studentenfilm, schaffen daher nur vier bis fünf Bilder am Tag. Es dauert einfach, bis wir uns eingearbeitet haben und alles stimmig ist.“ Das ist verständlich, schließlich ist es gar nicht so einfach, die verschiedenen Bereiche miteinander zu verknüpfen. Stefan muss dafür sorgen, dass die Kommunikation und auch die Logistik stimmen. Denn nur dann können die Szenen- und Kamerawechsel problemlos ablaufen. „Das alles hier wäre nicht ohne mein großartiges Team möglich. Denn nur, wenn alle ihre Arbeit gut machen, kann das Endprodukt die Zuschauer am Ende begeistern.“

schwer. Doch ich will immerhin erreichen, dass der Zuschauer bis zum Ende des Films dabei ist und mit einem netten Gefühl nach Hause geht“, erklärt der angehende Regisseur.

„Du musst als Regisseur funktionieren“ Von Schwierigkeiten darf man sich in dieser Branche nicht so schnell unterkriegen lassen, das hat Stefan auch schon während seines Praktikums in Babelsberg gelernt. Ein halbes Jahr lang war er am Set von Tom Tykwers neuester Produktion „Cloud Atlas“ als Assistant Director Production Assistant (AD PA) im Einsatz. Auch hier lief nicht immer alles perfekt. „Als Regisseur ist es dein Job, die Stimmung am Set zu kompensieren. Du darfst nicht zeigen, wie es in dir aussieht und

Der Schnitt entscheidet über den Verlauf des Films Mittlerweile sind die Dreharbeiten abgeschlossen. Doch es gibt noch genug Arbeit. Jetzt muss das Material geschnitten, die besten Szenen aneinandergebastelt werden. „Gerade befinde ich mich an dem Punkt, wo der Film noch in verschiedene Richtungen gehen kann. Denn nicht nur die Bilder sind entscheidend. Anhand der Musik und des Schnitts kann ich unterschiedliche Atmosphäre kreieren“, erzählt Stefan. Er habe zwar schon eine bestimme Stimmung im Kopf, aber das würde nicht heißen, dass der Film am Ende auch so aussehen würde. Deshalb sei dieser Prozess der Filmproduktion besonders spannend. „Ich bin davon überzeugt, dass der Film was werden kann. Doch jetzt geht es darum, richtig abzuwägen. Was will ich mit meinem Film erzählen? Welche Bilder brauche ich dazu? Welche braucht der Zuschauer?“ Das alles geht im Schnitt nur über‘s Ausprobieren. Oft müssten an dieser Stelle auch Szenen gestrichen werden, wenn sie für den Zuschauer unverständlich erschienen. Natürlich mache er das nur sehr ungern, aber wichtig sei ihm vor allem, dass der Zuschauer am Ende Gefallen an seinem Film findet. „Mir ist es wichtig, dass die Leute meinen Film mögen. Sie sollen aus dem Kino kommen und auch noch nach der Vorstellung darüber nachdenken, was sie gesehen haben. Natürlich ist das beim Kurzfilm, wie es jetzt der Fall ist,

raushängen lassen, dass du gerade vielleicht echt keine Lust mehr hast. Im Gegenteil: Es wird alles auf dich abgewälzt und du musst dann die Löcher stopfen“, schildert der Film-Absolvent seine Erfahrungen. Es sei ungemein wichtig, die Rolle des Motivators ohne Unterbrechung auszuführen. Schließlich handelt es sich um die eigene Geschichte. Das, was man selbst im Kopf hat. Interessierte dürfen sich schon jetzt auf die Premiere des Films im Frühjahr 2013 freuen. Dann werden sie sehen, welches Talent in dem jungen Mann aus Hennef steckt. Und dann wird auch Stefan erfahren, wie sein erster Film beim Publikum ankommt. Doch das Wichtigste hat der junge Regisseur bereits geschafft: „Meine Familie konnte sich nie wirklich etwas unter meiner Arbeit vorstellen. Doch jetzt, nachdem sie am Set gewesen sind, haben sie sich sogar bei mir bedankt. Dafür, dass sie mithelfen und verstehen durften, was ich da eigentlich mache. Zu hören, dass die Eltern stolz auf einen sind, ist sowieso das schönste Lob.“

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fotostrecke

JERI-JERI at WAX TREATMENT CARNIVAL WEEKEND OPEN AIR AFRICA SPECIAL BERLIN,2012


Musik

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Lockerheit und KomplexitAEt Fotos /// Adam Kroll /// Jeri-Jeri Weitere Infos /// adamkrollphotography.de ndagga.com


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fotostrecke

Jeri-Jeri Pagaye Mbaye

Modou Mbaye

Mbene Diatta Seck

Das Trommeln der Sabar ist für den Jeri-Jeri Clan mehr als Musik, mehr als der so geschaffene Sound namens Mbalax, der nicht nur im Senegal und Gambia populär ist: Es ist eine Lebensform, traditionell gelernt und ausgeübt ausschließlich innerhalb von Griot-Familien, die als Trommler, Musiker, Sänger und Erzähler in den westafrikanischen Gesellschaften meist hoch verehrt und bewundert werden. Sie sind Bewahrer und Übermittler von Tradition und Oral-History. Der Jeri-Jeri Clan als eine der einflussreichsten Griot-Familien überführt Werte wie Respekt, Disziplin und Toleranz über den Mbalax in ein popkulturelles Feld. Die Dub- und Techno-Ikone Mark Ernestus brachte den Sound nach Europa. Adam Kroll hat die Jeri-Jeri Trommler in Berlin porträtiert. Ein tiefer Blick in die Seele außergewöhnlicher lockerer Menschen. Ein festgehaltener Moment komplexer Musik.


Fotostrecke

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Bada Seck


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Karen Eliot

Der gestรถrte Organismus


Zwischenraum

bar ist er. Aus dieser Gesichtslosigkeit heraus ist Karen Eliot geboren worden. „You need more useless stuff!“ Karen Eliot ist die Urheberin dieser Dekodierung. Sie hat erkannt, wonach der kollektive Körper, von dem sie sich abgespalten hat, verlangt. Und sie rebelliert dagegen. Als PowerSeller08 erinnert sie Käufer bei eBay an ihr ungewolltes Mitwirken am Konsumkörper, indem sie Produkte anbietet, die laut ihrer Profilbeschreibung „Machtpositionen auf der Welt stärken oder schwächen“. Denn über Macht will ja schließlich jeder verfügen, oder? Im ewigen Kreislauf der Ausbeutung sind verschiedene Bahnen aktiv. Durch seine Kauf-

Seit 1985 speist sich die multiple Identität Karen Eliot aus der Verneinung der Autorschaft in der Kunst. Die weltweit – und zuletzt auch verstärkt in Köln – unter dem Pseudonym entstandenen Werke schaffen ein gemeinsames Korpus, das kräftig an Machtstrukturen rüttelt. Allein von Luft und Liebe kann der Mensch nicht leben. Um einen Rückzugsort zu haben, braucht er eine Wohnung. In dieser Wohnung ein gemütliches Bett, um morgens ausgeruht zur Arbeit gehen zu können. Neben dem Bett eine stilvolle Lampe, um beim abendlichen Surfen mit dem MacBook besser sehen zu können, welche Vintagesessel und Flat-Screens gerade wieder im Angebot sind. Konsum ist unser Sauerstoff und das Organ, mit dem wir inhalieren, ist das Internet. „You need more useless stuff!“, schreit es uns an, ohne dass wir es merken. Denn seine kruden Worte verstecken sich hinter dem neuen Paar fetter Sneaker oder dem neuen sexy Lippenstift, der durch einen einzigen Klick direkt in dein Wohnzimmer flattert. Und schon bist du Teil eines kollektiven Organismus, in dem ein einzelner Käufer über einer gesichtslosen Masse schuftender Kinder und gequälter Tiere steht. Vermeintlich. Denn auch diesem einen Käufer gesellen sich viele andere bei, die nach ihrem Sauerstoff lechzen. Gemeinsam erhalten sie alle, Ausgebeutete und Ausbeutende, diesen einwandfrei weil unauffällig funktionierenden Körper aufrecht. Noch nicht einmal ein Gesicht hat er, so unschein-

kraft hat der Konsument Macht über den modernen Sklaven, der das Konsumgut herstellt. Aber auch über dem Konsumenten selbst schwebt eine mächtige Instanz, die sein Begehren nach immer mehr Besitz anheizt. Besitz von Dingen und Geld, aber auch Besitz von Ruhm. Karen Eliot ist Künstlerin, aber sie würde ihre Kunst nie nur des Geldes wegen produzieren. Ja, noch nicht einmal nur der Popularität wegen. Deswegen gebraucht sie die Gesichtslosigkeit für ihre eigenen Zwecke. Aktuell arbeitet sie an einer virtuellen Plattform, die die Grenzen von Kreativität aufheben soll. Jeder soll auf „Das Soziale Kunstwerk, ein Online-Experiment“ zugreifen können. Ohne Einschränkungen. Selbst auf Benutzerprofile wird verzichtet. Somit inszeniert Karen Eliot in Zeiten des unumstößlichen Facebook, des Gesichts-Buches, ein Fest der Anonymität. Jeder, der diese Plattform nutzt, wird Karen Eliot. Das, was du vorher zu deiner Persönlichkeit zähltest, deine Familiengeschichte bis hin zu deiner eigenen Geburt, existiert dann nicht mehr. Das einzige, was deine Geschichte ausmacht, ist fortan das, was andere vor dir als Karen Eliot schufen. Du bist jetzt eines ihrer vielen

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Gesichter und hast somit kein Gesicht mehr. So kommt es zum verdrehten Abbild des Organismus, zur Zeichnung eines Gegenbildes, das vom Tod der Autorschaft lebt. „Unsere heutige Kultur beschränkt die Literatur tyrannisch auf den Autor, auf seine Person, seine Geschichte, seinen Geschmack, seine Leidenschaften“, schreibt Roland Barthes in „Der Tod des Autors“. Das Werk müsse von seinem Verfasser unabhängig sein und auch so gelesen werden, um sich in seiner Interpretation vollständig entfalten zu können. Der „moderne Schreiber“ wird demnach ohne eigene Gefühle oder Eindrücke erst mit der Entstehung des Werks selbst geboren. Und auch der „Leser ist ein Mensch ohne Geschichte, ohne Biographie, ohne Psychologie. Er ist nur der Jemand, der in einem einzigen Feld alle Spuren vereinigt, aus dem sich das Geschriebene zusammensetzt“. Die Auslöschung der Autorschaft beschränkt sich nicht nur auf den literarischen Text. Auch nicht nur auf das Kunstwerk im Allgemeinen. Sie umfasst die Identität – desjenigen, der das Werk produziert hat ebenso wie die des Rezipienten. Die Störung des Organismus kann nur durch das Ablegen der eigenen Vergangenheit erfolgen, durch die Loslösung von dem, was Konsumgüter oder die Selbstdarstellung auf der Facebook-Wall einem bedeutet haben. Useless stuff, nicht nur frisch aus der chinesischen Massenproduktion stammend, sondern auch aus dem Ego. Sich davon zu befreien, ist der wichtigste Schritt, um Karen Eliot zu verstehen und zu werden. Text /// Şehnaz Müldür Illustration /// Leo Pellegrino Weitere Infos /// www.kareneliot.de www.socialartwork.org


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kunst

Zauber der Nostalgie Mit fotorealismus zur端ck in die Goldenen Jahre der 60er und 70er


kunst

Thomas Kobusch liebt die kleinen Details: Spiegelungen an Autos oder ein eigenwilliger Lichtschein. Es gibt viele Wege, sich individuell im Fotorealismus auszutoben.

null22eins: Ihre Bilder wirken sehr realistisch, wie fotografiert. Wo sehen Sie dabei Ihren persönlichen Stil? Sagen wir mal so, ich lege eigentlich gar nicht so viel Wert auf einen persönlichen Stil, den ich mir anziehe. Der persönliche Stil oder wie immer man das nennen möchte, ist die Transformation der Umwelt in meine Hand, in den Pinsel hinein. Das ist meine Subjektivität, die auf der Leinwand entsteht. Von daher ist der Fotorealismus meine Bildsprache. Das bin ich. null22eins: Die Motive, die Sie auswählen, sind schon etwas Kfz-lastig. Wie kommt das? Ich habe ein Faible für Autos, allerdings nur für eine bestimmte Sorte. Ich verharre ein bisschen in den 60er und 70er Jahren. Früher hatten die Autos Eleganz und Stil. Eine eigene Formensprache, auf die heute kein Wert mehr gelegt wird. Es geht mir aber mehr darum, Autos zu malen, als Autos toll zu finden. Autos malen ist schön, weil sich im Lack viele Sachen spiegeln. Der Himmel, das was auf der Straße, auf dem Bürgersteig, vor dem Auto passiert, spiegelt sich. Und wenn man das malen kann und es sieht dann auch noch schön aus, dann gefällt mir das sehr gut. null22eins: Wie suchen Sie Ihre Motive aus? Ich muss mit Fotos arbeiten. Es ist eine Vermischung aus Foto, ein bisschen Arbeit mit Photoshop und eben auch mit dem, was ich dabei haben will. Es gibt meinetwegen ein Foto von einer Tankstelle, da sind aber keine Bäume drauf, da ist kein Mond drauf, auch kein Telegrafenmast und andere Farben. Das ist das dritte Bild von meiner Serie, die ich begonnen hab. Die Serie heißt „The Golden Years“. Die goldenen Jahre waren für mich Ende der 50er bis Ende der 60er Jahre. Das war eine Zeit, die mich stark geprägt hat. Mein Vater war Journalist und dementsprechend viel in der Welt unterwegs. Und aus dieser Zeit hat er schöne Fotos mitgebracht. Genau da gehe ich dann mit meiner Malerei rein, setze meine Kunst um.

null22eins: Was empfinden Sie beim Malen? Das ist auf der einen Seite eine ganz meditative Arbeit, was das Handwerkliche angeht, also mit einem winzigen Pinsel zum Beispiel weiße Farbe in blaue Farbe zu setzen und dann möglichst genau zu arbeiten. Es gibt aber auch Fälle, wo ich denke: Wow, das ist malerisch sehr schwierig, da muss ich mir handwerklich etwas anderes einfallen lassen, damit ich das hinbekomme. Das Ergebnis, das fertige Bild, ist das Entspannende. Dann kann ich mich zurücklehnen und sagen: Ah ja, so sollte es sein. Jetzt sieht es aus, wie ich das gerne hätte. Dann fällt ein Teil der Anspannung weg und die Entspannung kommt. null22eins: Sie malen Porträts auch nach Auftrag. Haben Sie schon einmal eine Anfrage abgelehnt? Ja, das hatte ich einmal. Da hatte ich nicht das Verhältnis zu einer Person gehabt, und auch nicht bekommen, trotz Anstrengung. Ich hätte das Porträt weiter malen können, aber es wäre einfach nicht die Person gewesen. Es kommt auch schon mal vor, dass ich zufrieden bin, aber der Auftraggeber nicht. Mir ist es schon ein paar mal passiert, das ich sehr realistisch ein Foto wiedergegeben habe und dann den Leuten aufgefallen ist: Das stimmt zwar, sieht alles so aus wie auf dem Foto. Aber dieses Foto spiegelt den Menschen gar nicht wider. Es werden unheimlich oft lachende Menschen, grimassierende Menschen gezeigt. Es zeigt aber den Menschen nicht richtig. Ein Mensch mit geschlossenem Mund, der melancholisch in die Ecke schaut, gibt den Menschen oft viel mehr wieder als so ein Fun-Foto. null22eins: Geben Sie ihre Bilder gerne weg oder haben Sie auch Wehmut? Ich habe bei jedem Bild Wehmut! Denn jedes Bild hat, wie ich es nenne, eine malerische Geschichte. Zum Beispiel bei einem Bild da oben links, war ich jetzt nicht so gut, wenn der Kunde jetzt nicht an der Tür stände, würde ich mich nächste Woche noch mal dransetzen. Und das kann man ins Unendliche ausdehnen.

Text /// Christine Willen Fotos /// alessandro de matteis Weitere Infos /// www.kinderportraet.de


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porträt

Das Buch ist nicht nur Datenträger, sondern Träger einer Seele. Ein Artikel von der Erfindung des Rades, und über die Frage nach analogen Dingen in einer digitalen Welt.

Es ist wieder einmal so weit: Die Debatte über die Zukunft des Buches ist in vollem Gange. Wird der E-Reader mit seiner E-InkTechnologie das Buch verdrängen? Wird der Tablet-PC-Klatschroman auf unserer Toilette zum Alltag? Und wird das Bücherregal durch eine Animation ersetzt, die die Buchtitel des Computers abbildet? Fragen, die den einen ein Stück näher an Star Wars heran bringen und den anderen Angst einjagen. Die Antworten sind gleich und eindeutig: Das Buch wird nicht verschwinden.

Das Buch: individuelles Kulturobjekt Denn ob der E-Reader die gemütlichen Stunden vor dem Kamin übernehmen wird oder ob er nur in Schulen und Universitäten seinen festen Platz findet, hängt von uns ab, von unserer Vorstellung vom Buch. In der Diskussion um diesen alten Datenträger schwingen Emotionen mit. Was ist das Buch eigentlich? Eben nur reiner Datenträger oder Lebensabschnittsgefährte? Kommunikationsgrund oder ein Ort für Kommunikationsflüchtige? Klar ist, dass das Buch ein Wesen, einen Charakter, ja eine Seele hat. Gegeben und geformt vom Leser, in seiner Kindheit und durch das Erwachsenwerden. So hat jeder eine andere Vorstellung von dem, was das Buch ist und was es werden kann. Dies ist die Überlebensgrundlage des Buches. Es wird so lange nicht verschwinden wie dieser Charakter, diese Seele in unseren Köpfen existiert.

Wir betreten das Büro von Prof. Wiemken am Fraunhofer-Institut für naturwissenschaftlich-technische Trendanalysen. Um uns herum: Bücher. Gerade ist er dabei seine Privatbibliothek dem Institut zugänglich zu machen und hat hunderte Bücher von Zuhause mitgebracht. Bücher über Technik-Philosophie, -Geschichte und -Vorausschau stehen in Regalen und liegen auf Stapeln: „Ich frage mich, ob mal jemand an den Regalen entlang laufen wird und sich einfach von den Buchtiteln fangen lässt,“ sagt er, während seine Blicke über Titel wie „Die Grenzen künstlicher Intelligenz“ von Hubert L. Dreyfus oder „Unsere Zukunft im All“ von Arthur C. Clarke wandern. Seine Sammlung ist mit der Zeit auf über 3.000 Exemplare gewachsen. Dabei gab es keinen Plan. Viele Bücher fielen ihm beim Stöbern in die Hand, auf Flohmärkten: „Bücher sind für mich individuelle Kulturobjekte. Zu manchen Titeln fallen mir ganze Lebensgeschichten ein, das Buch liegt mir also am Herzen. Aber wenn ich mit einem nüchternen Blick auf die aktuellen Entwicklungen schaue, wird das E-Book das Buch aus Papier in die Randmärkte abdrängen, ja vielleicht sogar

Text /// Maximilian Voigt fotos /// alessandro de matteis


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Wir, Es und das


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porträt

ganz verdrängen. Bevor das geschieht, müsste das E-Paper allerdings mehr dem gewohnten Bild des Buches entsprechen, um vom Konsumenten angenommen zu werden.“

Bilder auf Grund der Technik einmal hatten, werden heute digital hinzugefügt. Und über diesen Effekt Gefühle übertragen. Das Wesen des Bildes ist ein ähnliches geblieben.

Die Macht der Gewohnheit

Das Buch von Morgen

Um welche Art der Gewohnheit es sich handelt, zeigt Jean-Philippe de Tonnac mit seiner Definition des Buches. Er beschreibt es mit der Erfindung des Rades. Niemand könnte daran denken es neu zu erfinden. Das Rad wird immer rund bleiben. Ob man die Anfänge des Buches auf die ersten Kodizes etwa im 2. Jahrhundert nach Christus datiert oder auf die wesentlich älteren Papyri, man hat stets einen Datenträger vor sich, der sich trotz aller Wandlungen treu geblieben ist. Das „Rad des Wissens und des Imaginären“. Diese Macht der Gewöhnung, die verhindert ein bestehendes System zu verändern, nennt Jaron Lanier eine Lock-in-Situation. Wer könnte sich vorstellen, dass das Internet morgen nicht mehr der klassische Browser ist? In den Anfängen des WWW gab es viele andere und bessere Designvorschläge. Aber der heutige wurde angenommen und hat sich in die Gesellschaft integriert. Es ist in dieser Form nicht mehr zu ändern, dass in die Eingabemaske www.null22eins-magazin.de eingegeben wird. Ein System, was so stark in seinem Dasein ist wie das Buch, kann nur von einem anderen ersetzt werden, was die gleiche Handhabung, die gleichen Gefühle verursacht. Es müsste also Buch bleiben. Ein Beispiel dafür ist die analoge Fotografie. Die Effekte, die analog fotografierte

Das Buch wird also Buch bleiben. Was aber wird sich verändern, welchen Charakter­zug des analogen Buches wird das Digitale übernehmen? Denn der Mensch liebt nichts mehr als seine Möglichkeiten zu erweitern. Das digitale Buch ist nicht nur mit dem Bangen um das Analoge behaftet, sondern auch mit Chancen für das Digitale. Menschen, die früher selten gelesen haben, kann das neue Medium dazu anregen. Bücher, die schwer erreichbar sind oder in der Gesellschaft keine große Rolle spielen, bekommen mit dem E-Ink-Paper neue Chancen. Die Universitäts- und Schulliteratur, die allgemein nicht positiv behaftet ist und jedes Jahr Tonnen an Papier schluckt, könnte an den E-Reader übergehen. Schon heute bietet er die Möglichkeit, durch Touchscreens wie mit einem Stück Papier zu arbeiten. Mit speziellen Modellen lassen sich Randnotizen und Markierungen machen. Neben all den Chancen neuer Technologien muss sich der Konsument stetig eine Frage stellen: Was gewinne, was verliere ich durch die neue Technologie? Hätte es damals diese romantische Begegnung mit Laura oder Daniel gegeben, wenn ich im Zug statt Hermann Hesses „Narziß und Goldmund“ den E-Reader FX2013 in Händen gehalten hätte? Fühle ich auf die gleiche Weise etwas erlebt zu haben, wenn ich statt dem gelesenen Buch den immer gleichen E-Reader in der Hand halte?

Das Analoge im Digitalen In der heutigen Zeit bietet das Buch eine der wenigen Möglichkeiten sich von der sonst so technisierten Welt zurückzuziehen. Der eigenen Natürlichkeit näherzukommen und sich damit auseinanderzusetzen, wo unser Ursprung liegt. Die Diskussion um die Zukunft des Buches wird zu einer Diskussion um die Zukunft des Analogen in einer digitalen Welt.

Jaron Lanier warnt in seinem Buch „Gadget“ vor dem Verlusst der Persönlichkeit und der Individualität im Internet und der Auswirkung auf das reale Leben. Eine Gefahr, die viele technische Entwicklungen mit sich bringen. Was wird zum Beispiel aus dem Bücherregal als Einrichtungsgegenstand? Eine Möglichkeit wäre ein Raum, der statt einer Rauhfaser- eine Bildschirmtapete hätte. Ein neuer Bewohner würde nicht mit Bücherregal, Stehlampe und Bildern einziehen, sondern lediglich eine SD-Karte in einen Leser schieben und schon wäre der Umzug erledigt. Die Bildschirmwände würden sein Leben abbilden. Ist das in Zukunft Ausdruck der Persönlichkeit? Wie wird das Buch von den nächsten Generationen gesehen, wenn sie mit Tablets und E-Readern aufwachsen? Fragen, denen auch die Angst vor Veränderung zugrunde liegen. Als Gutenberg den Buchdruck erfand, war man beunruhigt, er könnte die Kunst in der Architektur verdrängen. Damals waren Gebäude wie Bücher, sie haben Geschichten und Traditionen überliefert. Heute stehen die Gebäude noch und die Bücher haben die Überlieferungen auf andere Art übernommen. Die Welt ist nicht schlechter geworden, nur die Kunst in der Architektur eine andere. Veränderung braucht Vertrauen in die Zukunft und das Wissen, dass wir selbst die Zukunft formen und keine geheimnisvollen, stillen Kräfte. Der Konsument, der Leser hat die Macht.


„ Tim. Gründer von TBOOKS COLOGNE. Buchmacher, Buchliebhaber und Buchhorter.

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Jedes Buch hat eine Seele. Reine Datenträger sind für mich wenige und selbst die haben Geschichten. Ein Lexikon wäre zum Beispiel so einer. Wenn ich da mal schnell was nachschlagen möchte … Nein, schnell ist kein Wort, das ich mit Büchern verbinde. Bücher sind langsam. Bücher saugen die Zeit in sich auf. Bücher saugen Erlebtes auf und geben es später wieder ab. So kann auch aus einem eher anspruchslosen Roman etwas Besonderes werden. Ich frage mich dann häufig, wer schon alles in diesem Buch geblättert hat und für die vergilbten Seiten und Eselsohren verantwortlich ist. Allein der Geruch sagt immer so viel über ein Buch aus! Ist es neu? Hat es lange in einer Bibliothek gestanden? Das Papier nimmt einfach alles auf. Papier ist sowieso eine sehr schöne Sache. Ich mag, wie es sich anfühlt und wie vielgestaltig es ist. Das beschäftigt mich auch immer sehr bei meinen Arbeiten. TBOOKS lebt vom Durchblättern. Die haptische Erfahrung des Buches, das Gefühl von Papier, ist etwas, was das Buch auch in Zukunft noch halten wird. Gerade wenn es um das Buch als Gesamteindruck geht, wenn das Papier neben dem gedruckten Inhalt etwas vermitteln soll, wird es weiterhin analog bleiben. Meine Publikationen sind als Alternative zu herkömmlichen räumlichen Ausstellungen zu sehen. Das Buch wird zum Raum für die Zeichnungen und Fotos. Da spielt nicht nur das Abgebildete eine Rolle, sondern auch die Aufmachung. Ebenso wie es bei einer Ausstellung nicht nur auf die Arbeiten, sondern auch auf die Hängung und die Präsentation ankommt. Dann hält irgendwann jemand das Buch in der Hand und blättert. Hält inne, fühlt vielleicht über die Seiten, vertieft sich in das Abgebildete und steckt es dann hoffentlich wie einen Schatz in die Tasche. Wird das später noch jemand machen? Ein Buch nehmen und sich in hunderte von Seiten vertiefen? Wenn nicht, da würde doch etwas verloren gehen …


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Musik

Text /// SASKIA RAUCHMANN FOTO /// Anna Shapiro Weitere Infos /// www.victory-valley.de


Musik ictory Valley – so bezeichnen sich vier Kölner „Dorfjungs“ aus Eitorf. Die Hobbymusiker schließen sich 2008 als akustische Neuerfindung ihrer ehemaligen Schülerband zusammen. Von diesem Moment an proben Florian Deutzmann (Gesang, Gitarre), Marc Schwellenbach (Cajon, Percussion) und die Brüder Martin Villwock (Gitarre, Background) und Christian Villwock (Bass, Background) einmal die Woche nach Feierabend. In der klassischen Bandbesetzung covern sie zunächst bekannte Songs aus dem Genre Rock/Pop. So entstehen wunderbar melodische Neuinterpretationen von allgemein bekannten Musikern wie Eric Clapton, The Killers oder den Red Hot Chili Peppers. Doch auf Dauer geben sich die Jungs nicht mit dem Covern zufrieden und beschließen, ihren Sound für das Schreiben eigener Stücke zu verwenden.

Hausgemachter Akustik-Sound Dies erleichtert Victory Valley den Zugang zum Publikum, da bei ihren Konzerten Mitsingen und -klatschen erwünscht ist. Und wer kann sich schon zurückhalten, wenn der eigene Lieblingssong gespielt wird? Dadurch herrscht auch ohne große Bühnenshow eine ausgelassene Stimmung. Die Band hat einfach Spaß an der Musik und vermittelt so auch Klassiker wie „Wonderwall“ mit Leichtigkeit. Diese haben sie sich jedoch hart erarbeitet. Zum einen weil die einzelnen Mitglieder in der Vergangenheit bereits einige Banderfahrungen mit anderen Musikern gesammelt haben und zum anderen durch jahrelangen Musikunterricht. Daher gelingen auch die anspruchsvollen Soli. Spätestens dabei merken auch die kritischen Zuhörer, dass die Jungs nicht nur sehr sympathisch sind, sondern auch musikalisch etwas zu bieten haben. Und so stört es die anwesenden Männer im Publikum nicht, dass das Programm ein wenig an die Playlist der eigenen Freundin erinnert. Damit erklärt sich der hohe Frauenanteil unter den Fans, der besonders laut jubelt, wenn der Sänger einen der selbstgeschriebenen Songs seiner Freundin widmet. Dennoch kann man Victory Valley nicht als Boyband mit Kuschelrockcharakter bezeichnen. Martin holt ab und an seine Mundharmonika oder sein Banjo raus. Dann klingt die Band eher nach Folk und lässt vermutlich auch die Herzen derjenigen höher pochen, die gerne Mumford and Sons hören.

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Alltagsleben mit Musik In den selbst komponierten und geschriebenen Songs werden Alltagsthemen verarbeitet. So geht es mal um Frauen, mal um gute Musik und mal um das Erwachsensein. Letzteres kommt in dem Song „The Backyards“ besonders gut zur Geltung. „Mit diesem Lied erinnern wir uns an die eigene Kindheit und machen uns bewusst, dass sie irgendwann vorbei ist“, sind sich die Jungs einig. Das Erwachsensein ist gerade ein besonders großes Thema, da die Bandmitglieder zwischen Ende 20 und Mitte 30 sind und bis auf Florian alle an einem Punkt angekommen sind, wo sie nicht mehr studieren oder Praktika machen, sondern einen gewissen Arbeitsalltag erleben. Da ist es besonders für die zwei Lehrer Martin und Christian wichtig, über die Musik ihre Kreativität auszuleben und eine Entwicklung zu spüren. Christian verrät, dass er sogar davon träumt, „das mit der Musik irgendwann professionell zu machen. Aber nicht als freiberuflicher Bassist, sondern vielleicht als Tontechniker.“ Denn er ist bereits jetzt für den guten Ton von Victory Valley zuständig. Dafür würde er auch in Kauf nehmen, neben Job und Band noch ein paar Kurse an einer Fernuni zu belegen. Auch Marc ist für die Band nicht nur als Musiker wichtig. Er ist hauptberuflich in der Film- und Fernsehbranche unterwegs und kann somit anhand von eigenem Können und mit Hilfe seiner Arbeitskollegen schöne Videos produzieren. Diese sind im Internet auf der eigenen Homepage abrufbar und wurden innerhalb von vier Wochen schon fast 4.000 mal angeschaut. Die Fangemeinde ist also bereits groß und wächst beständig. Somit scheinen die Jungs auf dem richtigen Weg zu sein. Sie haben sich bewusst entschlossen, keine Garagenband zu bleiben, sondern ihre Musik aus eigener Kraft hochzuziehen. Zurzeit arbeiten sie an den Aufnahmen für ihr erstes Album. Ihre Bodenständigkeit können sie dabei gar nicht verlieren: „Wir lassen das anfangs kleine Bandprojekt einfach weiterhin wachsen, ohne fremdbestimmt durch äußere Zwänge zu sein“, meint Florian. Und so probieren sie sich weiter aus – auch mit neuen Instrumenten wie Trompete – und überlegen „in Zukunft vielleicht auch mal einen Gastmusiker für eine Aufnahme dazu zu holen“. Mit dieser flexiblen und lockeren Herangehensweise behalten sie ihre jugendliche Leichtigkeit und bieten trotz authentischem Sound einiges an Abwechslung.


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ANZEIGEN

Musik in KÖLN Hier erhalten Musiker eine Plattform, sich zu präsentieren. Die Talente unterstützen ihren Auftritt und helfen, diese Seite zu produzieren. Interesse? E-Mail an: redaktion@null22eins-magazin.de

Von Nah und Fern

ANCIENT ASTRONAUTS Foto: Tobias Freytag

Längst Vergangenes und noch weit in der Zukunft Liegendes treffen in der Musik von Ancient Astronauts zusammen. Das zweiköpfige DJ- und Production-Team Kabanjak und Dogu hat sich einer vielfältigen Mischung elektronischer und analoger Musik mit den Schwerpunkten Hip Hop, Dopebeats, Reggae, Dub und Funk verschrieben. Diese ganz eigenen Verbindungen bewähren sich schon seit Jahren. Künstler wie Rashaan Ahmad, The Pharcyde, Akua Naru und Fort Knox Five verweisen auf eine lange Liste internationaler Collabos, die die Beiden schon eingegangen sind. Die ein oder andere davon gibt es auf dem aktuellen Album „The Orion Nebula Remixes“ zu hören, auffindbar auf der Website der von Köln aus agierenden Astronauten. weitere Infos /// www.ancientastronauts.de

klar voraus

plus49 plus49 sind eine Band ohne Image. Seit zehn Jahren konzentrieren sie sich auf kreative Ideen und Experimente. Sie komponierten 2003 den Kölner Flughafengong, Musik für Kunstausstellungen und TVSender und nahmen drei Alben auf. Dieses Jahr stand im Zeichen des Bow&Arrow Crowdfunding Projektes. Die Idee war eine Single, die transparent die Mechanismen des Musikgeschäftes offen legen sollte. Die Band sprach über finanzielle Verluste, über nicht mehr vorhandene Budgets und überzeugte damit ihre Fans, 3.540 Euro für einen einzigen Song zu spenden. Bow&Arrow wurde von Ekki Maas (erdmöbel) produziert und im Abbey Road Studio gemastert. Seit November steht der Song in den Playlisten deutscher Radios und erscheint Anfang 2013 als Vinyl-Single. Ende Januar kommt nun das vierte Album von plus49. weitere Infos /// www.facebook.com/plus49 www.plusvierneun.de Foto: Promo

Freie Talente

The Blackberries The Blackberries bloß als weitere Indie-Rock Band einzustufen, greift zu kurz. Dafür bieten die vier Musiker ein zu großes musikalisches Spektrum an. Gespielt wird, was ihnen gefällt. Einschränkung ist eh langweilig. Nachhören kann man das auf ihrem gerade erschienenen Debütalbum „Music For The Night“. Zwölf Songs sind darauf zu finden, die sich thematisch und musikalisch um die Nacht drehen – verpackt in zackigen Indie-Rock, strahlende Pop-Perlen, melancholisch folkige Klänge oder mit Streichern und Bläsern unterlegte Balladen. Im einen Moment zieht es den Hörer auf die Tanzfläche, um ihn im nächsten wieder auf den Boden der Tatsachen zurück zu holen. „Music For The Night“ ist ein abwechslungsreiches und eigenwilliges Album geworden, dem jedoch nie der rote Faden verloren geht. Der heiße Tipp derzeit in Deutschland. weitere Infos /// www.facebook.de/theblackberries www.the-blackberries.de


Musik

KUNST, MUSIK UND DESIGN IM KOLLEKTIV

NOORDEN Grafik: Alex Ketzer

Seit Mitte 2011 wummern aus Raum Zwei der Kunstetage Deutz elektronische Klänge über die Flure. Denn wo bis vor einigen Jahren noch Gummifäden verarbeitet wurden, wird heute Kunst, Musik und Design vom NOORDEN-Kollektiv produziert und veröffentlicht. Live kann man NOORDEN bei der monatlichen Eventreihe „Cluster“ erleben – denn dort verbinden sich eine Ausstellung, ein Konzert und eine Party mit verschiedenen DJs zum „kulturellen Rundumschlag“. Wir verlosen ein Exemplar der Geburtstags-CD-Box „Jubilee“, zwei Noorden-Pakete mit CD, Poster und Fanzine und als Trostpreis fünf OP1-CDs. Einfach auf facebook.com/noorden.org die oben abgebildete Grafik suchen und liken. weitere Infos /// www.noorden.org www.soundcloud.com/noorden www.noorden.bandcamp.com

Foto: Promo

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Kรถln Szene

Die Kunst der Sprache

Text /// charlotte Braun Illustrationen /// nadine magner


Köln Szene

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Du bist Du! Du sagst, es geht dir gut, doch dein Inneres zerfrisst dich. Du sagst, der Knast ist dir egal, doch nachts träumst du von der Freiheit. Du sagst, du bist ein harter Junge, und doch sehnst du dich nach Zärtlichkeit. Du trainierst, um stark zu wirken, doch unter deiner stählernen Brust schlägt auch nur ein Herz, das sich nach Liebe sehnt. Du redest wie einer aus´m Ghetto, doch fühlst du dich jemandem nahe, kannst du zum Poeten werden. Du tust so, als ob du mit allem selber fertig wirst, doch in Wahrheit sehnst du dich nach jemandem, der mit dir deine Probleme teilt. Du machst immer einen auf hart, gehst aber nur warm duschen und cremst dich danach noch schön ein. Du schaust immer mit deinem geübten „Killer-Blick“, um gefährlich zu wirken, doch deine Augen lügen nicht. Ich kann es sehen, dieses Licht, das dich zeigt und nicht diesen ganzen Knacki-Mist. © N. T. (*1991)

Es gibt viele Möglichkeiten, sich auszudrücken. Eine der schönsten und zugleich schwersten ist die dichtung. Es gibt keinen Ort, an dem ihre Künstler nicht anzutreffen sind. Auch die JVA Ossendorf gibt der Poesie eine Chance.

Die Kunst der Sprache. Nicht jeder ist ihr gewillt, nicht jeder ist mit ihr beschenkt. Ja, die Kunst der Sprache ist ein Geschenk: Die Begabung, Buchstaben und Worte nicht einfach hintereinander zu reihen, sondern ihnen Leben einzuhauchen. Es werden Geschichten erzählt. Von neuen Ländern, anderen Kulturen, spannenden Abenteuern. Doch nicht nur das Ferne kann anziehend oder aufregend sein. Ist es nicht viel reizvoller, einmal in sich selbst hineinzuhören? Was erzählt die eigene innere Stimme? Es gibt sicherlich einige Geschichten. Denn: Der menschlichen Seele entgeht nichts. Sehnsüchte, Träume, der Wunsch nach Vergebung oder einer zweiten Chance – irgendetwas beschäftigt jeden von uns.

Nackt auf dem Weg zur Erlösung Die Poesie ist eine Möglichkeit, dem Tiefsten in uns, eine Stimme zu geben. Doch es braucht Mut, Leidenschaft, Talent und ein feinfühliges Gespür, sich dieser Herausforderung zu stellen. Nicht jeder Mensch ist in der Lage, den dunklen Tunnel zu durchwandern und am Ende dem Licht gegenüber zu stehen.

Poesie ist die Kunst der Sprache. Nicht jeder von uns ihr Künstler. Doch ist die Poesie erst einmal Teil eines Menschen geworden, lässt sie ihn nicht mehr los. Gedanken kreisen, verformen sich wie von selbst zu Versen, ganzen Gedichten. Der Künstler offenbart sich, entledigt sich seiner Kleidung, zieht quasi völlig blank. Nackt steht er da und gibt alles von sich preis. Es kostet Überwindung, doch am Ende wartet die Erlösung. Ketten werden gesprengt, Gitter aufgebrochen. Schwere Gedanken können weichen, die Seele zu neuer Kraft finden.

Gitterperspektiven – Für eine neue Zukunft Und wo sehnt sich der Mensch am meisten nach Freiheit? Dort, wo er gefangen gehalten wird. Dort, wo er für das bestraft wird, was er getan hat. Im Gefängnis. Und eben dort sind auch sie anzutreffen: Poeten, Künstler der Sprache. Getrieben von dunkler Vergangenheit suchen sie den Weg in eine neue Zukunft. Ein Leben ohne Hass, Wut und Neid. In Gedichten lassen die Inhaftierten ihren Gedanken freien Lauf. Sie verarbeiten, was sie getan und erlebt haben. Sie zeigen Reue,

wollen Fehler wieder gutmachen. Sehnen sich nach ihren Familien, ihrer Heimat. Egal, was einmal gewesen ist. Jetzt haben sie etwas gefunden, das sie können. Etwas, das ihnen Halt und Zuversicht gibt: Die Kunst der Sprache. null22eins hatte das Glück, sich ein Bild von den Texten Ossendorfer JVA-Insassen machen zu dürfen. Wir waren überrascht, welche tiefgründigen Gedanken und Gefühle uns entgegenströmten. Man taucht ein in eine Welt, die einem so fern und dann irgendwie auch so nah ist. Jeder von uns verspürt eine große Sehnsucht in sich, nur weiß er oft nicht, wie er sie deuten soll. Nur selten traut er sich, ihr mehr Platz einzuräumen oder gar über sie zu sprechen oder zu schreiben. Wir gewähren euch Einblicke in eine Auswahl der Gedichte einiger JVA-Insassen und zeigen, wozu die Kunst der Sprache fähig ist.


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Köln Szene

Mein Leben Ich wuchs ganz normal im „Osten“ auf, mein Leben nahm auch ‚nen normalen Lauf. War in der Grundschule, dann kam der „Westen“, ging auf´s Gymnasium als einer der Besten. In der 7. hat der Absturz begonnen, da hab ich zum 1. Mal Drogen genommen. Erst Gras, dann Pilze und LSD. Ab der 10. dann Pillen und Schnee. Trotz der Drogen fand ich‘s ABI nicht schwer, danach musst ich dann zur Bundeswehr. Später studierte ich an der Hamburger TU, doch der Absturz kam heftig und im Nu. Damals in der Schule noch Klassenbester, schaffte ich an der Uni nur ein Semester. Ich schmiss also dann mein Studium hin, nicht wegen Unwissenheit, sondern Heroin. Nach Entgiftung fing ich meine Lehre an, dreieinhalb Jahre zum Elektrofachmann. Trotz dass ich weiter hab Heroin genommen, hab ich letztendlich meinen Gesellenbrief bekommen.

Er hält den Schlüssel in der Hand So sieht er aus im ganzen Land Sein Anblick ist nicht immer schön Er hält den Schlüssel in der Hand Die Hose schwarz, die Bluse grün Unnahbar, manchmal arrogant Man sieht ihn so vorm Haftraum stehen Er hält den Schlüssel in der Hand Der gibt ihm Macht, das kann man sehen Er geht mit dir. Das ist bekannt Du darfst ja nicht alleine gehen Er hält den Schlüssel in der Hand Und wartet drauf ihn umzudrehen Bist eingesperrt, bist wie verbannt Denkst nur: „Wie war das Leben schön“ Er hält den Schlüssel in der Hand Kann jeden Tag nach Hause gehen Doch der Kalender an der Wand Sagt: „Du bist frei und darfst nun gehen“ Er hält den Schlüssel in der Hand Jetzt gehst du fort und er bleibt stehen Die Hose schwarz, die Bluse grün Und hält den Schlüssel in der Hand Sieht so die Zeit vorübergehen Und macht das fast ein Leben(s)lang © Çağdaş D. (*1981)

Dann finanzierte ich die Sucht durch meinen Beruf und merkte, wie ich mir ein Doppel leben schuf. Einerseits Arbeit, Wohnung, ganz normal, anderseits täglich die Schorre, sonst Höllenqual. Ich ging nach Köln und arbeitete dort. Doch durch‘s junken war die Arbeit bald fort. Das Arbeitslosengeld war nur nie genug, drum finanzierte ich alles durch Diebstahl, Betrug. Früher oder später musste das schlimm enden, anfangs begann sich noch langsam das Blatt zu wenden. Zu viele Straftaten und zu oft ertappt, bis mich dann die Polizei geschnappt. Meist bei Verhandlungen noch davon gekommen, doch der Anfang vom Ende hatte begonnen. Nicht lange Zeit später, so etwa 2 Jahr´, lieferten sie mich ein in die JVA. Nun muss ich halt mein Leben ändern, und nicht mehr blind durch‘s Leben schlendern, muss die Finger weg lassen vom Heroin, und nach ‚ner Therapie im Leben bleiben clean! Mein altes Leben soll für ein besseres weichen und dies kann ich nur so erreichen: Ich muss immer kämpfen bis mein Ziel erreicht, sollte ich fallen, aufstehen! Nicht aufgeben denn ES REICHT! ©Frank W. (*1979)


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Fern Nun denk ich öfters an die ferne Heimat wieder, und eben gerade bei dem Gedanken auch an dich. Es schmerzen mich noch immer die gleichen Bilder, von sommerlichen Feldern, die in der tiefen Abendsonne glühn, von frischen Wäldern mit kühlen Bächen und ruhigen Seen. Die ich genau wie dich gewiss sobald nicht wiederseh. Die Nächte sind geprägt von ruhelosem Wachen. Und meine Tage oft von traumlos totem Schlaf. Und was ich jetzt noch alles denk und fühl und mache wirkt zielvergessen bald und fruchtlos bleibend gleich. Denn so wie auch der OkaWango, der nie das Meer erreicht Scheint all mein Streben und mein Bemühn zu keinem wirklich sinnerlebtem Schaffen je zu führen. Droht trostlos steht’s im Wüstenboden zu versinken, um mich herum in Kalahari dürrer Trockenheit.

Kinder Es beschütze euch der Mond in der Nacht, die Sonne am Tag, wenn sie lacht. Ein Herz, was euch vermisst und eine Seele, die euch jeden Tag küsst. Für euch bin ich bereit zu leben und alles zu geben.

© Andreas G. (*1964)

© Joachim B. (*1954)

Knastfenster Ich schaue mit verlorenen Blicken durch Gitterstäbe, die mein Gemüt ach so drücken. Doch es liegt in der Luft so ein sonderbarer Duft. Es sind die Düfte der Natur, die sich erheben, sie fluten mein Herz, spenden Leben. Sie beglücken meinen Sinn, egal wo ich auch bin. Jetzt ist mein Blick wieder klar, die Natur ist doch so wunderbar. © Joachim B. (*1954)

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Bühne frei für Heureka In der Alten Feuerwache nahe dem Ebertplatz treffen sich jeden Montagabend acht Menschen, um ihrem gemeinsamen Hobby nachzugehen: Theaterspielen. Der Name des Theaterensembles Heureka stammt ursprünglich aus dem Altgriechischen und bedeutet: „Ich hab’s gefunden.“ Und was der Zuschauer bei einer Aufführung der achtköpfigen Theatergruppe findet, hat es in sich: Mit Stücken wie David Gieselmanns „Herr Kolpert“, John von Düffels „Balkonszenen“ und Éric-Emmanuel Schmitts „Hotel zu den zwei Welten“ hat Heureka das Publikum bereits mehrmals in seinen Bann gezogen.

Unter der Leitung der Theaterpädagogin Bettina Berg-Linde gehen Jörg Küster, Annette Sievers, Günter Elsemanns, Justus Meier, Christina Kuhn, Iris Sijben und Janneke Berg ihrer Leidenschaft nach. Technische und dramaturgische Unterstützung erhalten sie von Beate Küster und Niels Sijben. Kennengelernt haben sich die Akteure ursprünglich während Improvisationstheaterkursen an der Volkshochschule. Nachdem


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diese abgeschlossen waren, entschieden die Teilnehmer, an ihr Hobby anzuknüpfen und ihre eigene Theatergruppe zu gründen. Mit Erfolg. Denn Heureka besteht seit über zehn Jahren. Auch wenn längst nicht mehr alle Darsteller in Köln wohnen, so führt sie die gemeinsame Leidenschaft jede Woche in die Domstadt. Denn: So etwas wie die Heurekas gibt es woanders nicht, musste ein Akteur nach seinem Wegzug aus Köln und bei der Suche nach einer neuen Theatergruppe feststellen. Zwar haben alle einen unterschied­ lichen Background, durch die lange ge­ meinsame Zeit verbindet die Heurekas untereinander aber ein sehr freundschaftliches und vertrauensvolles Verhältnis. Gemeinsam haben sie auch schon so manche Höhen und Tiefen überstanden. Die perfekte Voraussetzung also für gute Teamarbeit. Von

der Requisite bis hin zum Infoflyer kümmern sie sich selbst um alle Arbeiten, die für einen gelungenen Auftritt erforderlich sind. Jedes Jahr wird ein neues Stück aufgeführt. Zwischen den einzelnen Produktionen wird intensives Schauspieltraining betrieben. Parallel dazu wird von der Gruppe das nächste Stück ausgesucht. Dazu werden viele Theater­ stücke gemeinsam gelesen, und oft sind sich die Heurekas schnell einig, ob ein Stück zu ihnen passt oder nicht. Manchmal kann die Suche etwas dauern, aber das Warten auf den „Heureka!“-Moment – wenn das passende Stück endlich gefunden ist – lohnt sich! Noch vor der eigentlichen Rollenverteilung findet eine intensive Auseinandersetzung mit dem Stück statt: Worum geht es? Wer sind die Charaktere? Welche Emotionen werden vermittelt? Ist dies geschehen, heißt es für die Schauspieler Text lernen, Text ler-

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nen, Text lernen, um richtig in die Proben einsteigen zu können. Zu Beginn jeder Probenphase fahren die Heurekas ein Wochenende weg, um sich voll auf das Stück einlassen zu können. An diesen zwei Tagen wird meist das Grundgerüst angelegt, sodass die montäglichen Proben der Arbeit an den Szenen dienen. Zu sehen ist das Heureka-Ensemble meistens bei Auftritten in Köln im Theater im Hof, auch im Rahmen der Langen Theater­ nacht. Am Deutschen Amateurtheaterpreis haben sie bereits teil genommen und auch in der Kultur­nacht ihr Programm zum Besten gegeben. Die dortige Musikschule sowie das Jugendhaus waren auch schon Gastgeber. Bestimmt werden das nicht die einzigen bleiben. Denn wer hätte solche leiden­schaft­ lichen Menschen nicht gern zu Besuch?

Text /// Saskia Seipp Fotos /// anna shapiro Weitere Infos /// www.heureka-theater.de


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Netzwerken

Zehn Jahre Kunstmesse ART.FAIR und drei Jahre BLOOOM beweisen eines: „Mit Konventionen brechen“ ist kein veraltet daherkommender, idealistischer Spruch. Es gibt tatsächlich Wege, die gar nicht aus Neuem bestehen müssen und dennoch ganz neue Ansätze verwirklichen können – und das auch noch mit Erfolg. Kunstmessen bilden einen bedeutenden Teil der Kreativwirtschaft und werden oft als eigenes, abgeschlossenes System betrachtet. Dass es so exklusiv gar nicht sein muss, zeigt die ART.FAIR. Als „Messe für Sammler aber auch Einsteiger“ ist sie mittlerweile unter den größten Kunstmessen Deutschlands anzusiedeln, in ihrer Ausrichtung aber recht einzigartig und im wahrsten Sinne fairer als andere Veranstaltungen ihrer Art. So bietet sie mit der angeschlossenen, interdisziplinären Messe BLOOOM eine ganz besondere Plattform. Die BLOOOM ist die Kunstschau, die zusammenführt (konvergiert) – also künstlerische Grenzbereiche wie Foto- oder Videokunst einschließt – und jungen oder noch unbekannten Kunsttalenten zur Blüte verhelfen möchte. An dieser Stelle soll übrigens einmal klar erwähnt sein, dass „BLOOOM“ für „Blütezeit“ steht (to bloom = blühen, bloom = Blüte). Das dritte „o“ könnte man als verbindendes Element zwischen dem noch Unbekannten und dem Etablierten interpretieren. Und das nimmt diese Messe wörtlich. Attraktive finanzielle Rahmenbedingungen geben gerade jungen Galerien die Möglichkeit, sich auf der BLOOOM einem wirklich großen und internationalen Publikum zu präsentieren. Zusätzlich werden mit dem auf der Messe ver-

liehenen BLOOOM Award by WARSTEINER gezielt junge Künstler gefördert. So geht es eben nicht um einen Geldpreis, sondern um eine aktive Positionierung der kreativen Newcomer auf dem Kunstmarkt: Den teilnehmenden Künstlern winken Förderungen im persönlichen und real anpackenden Bereich. Die Erstplatzierten erhalten unter anderem ein Mentoring-Programm und werden intensiv durch einen erfahrenen Coach betreut. Zudem werden sie auf andere Kunstmessen begleitet und mit relevanten Entscheidern vernetzt. Allein die Chance für die zehn Finalisten des BLOOOM Award by WARSTEINER, auf der mit 34.000 Besuchern großen Bühne im Staatenhaus vertreten zu sein, ist für viele bereits ein Gewinn.

Kunst wirklich zugänglich machen

Auf diese Weise beginnt für junge Kunstschaffende der Aufbau des so wichtigen Netzwerks aus Galeristen, Sammlern und Freunden der eigenen Kunst; im Idealfall der Übergang in eine nachhaltige Wirtschaftlichkeit – auch Künstler wollen sicher leben. Und hier wiederum knüpfen wir an die Gründer der ART.FAIR, Walter Gehlen und Andreas Lohaus, an. Zwei Macher, die kein Problem damit haben, auch so genannt zu werden. Denn ihr Weg ist schon weit vorangeschritten, ihr Netzwerk etabliert. Aus selbst interessierten, nicht wirklich im Kunstmarkt involvierten, dafür aber sehr kreativen Köpfen sind heute angesehene Größen der rheinländischen Kunstszene geworden, ja, der rheinischen Kreativwirtschaft. So wundert auch nicht, dass Uta Berg (Dezernentin für Wirtschaft der Stadt Köln) und Garrelt Duin (NRW-Wirtschaftsminister) die Grußworte zur Eröffnung der Jubiläums-ART.FAIR am 31. Oktober 2012 sprachen. Die Gründer der Messe haben keine Barrieren im Kopf. Aus dem Drang, sich selbstständig zu machen, gingen Andreas Lohaus und Walter Gehlen ihren eigenen Weg und starteten das erste Projekt. „Die Idee hinter der ART. FAIR war, den Menschen die Kunst näherzubringen. Und dafür die Einstiegshürden zu senken.“ Man merkt sofort, dass Andreas Lohaus das nicht sagt, um jemandem auf den Schlips zu treten. Immerhin hat Köln seit Jahren mit der Art Cologne und der Cologne Fine Art & Antiques (inklusive ihrer Vorgänger-Messen) etablierte Berührungspunkte zur Kunst. Dabei aber alle Facetten aufzuzeigen – auch preislich – war dennoch neu. Lohaus und Gehlen leben von ihrem Mut, Dinge einfach anzugehen, statt darüber nur zu reden. Dabei spielen Konkurrenzgedanken eine untergeordnete Rolle. Mit diesem barrierefreien Denken eckt man in der sensiblen Kunstwelt zwar schon mal an. Sich davon aus der Ruhe bringen lassen, ist für Lohaus ausgeschlossen: „Das Konzept hinter einer Idee muss schon gut sein, ein bisschen Planen braucht es auch. Aber noch wichtiger ist das Anfangen“, so der 48-Jährige. „Zum Glück machen das heute sehr viele Unternehmensgründer. Es ist ja schließlich auch einfacher geworden, wenn man alleine überlegt, welchen Aufwand man früher für die erste eigene Website betreiben musste.“

Es geht um mehr als die Kunst

Text /// robert filgner Fotos /// Alessandro De Matteis & art.fair Boris Breuer

Die Kreativwirtschaft ist in aller Munde – neue Start-Ups lassen die Grenzen zwischen Design, Kunst, Kultur und Wirtschaft schon länger verschwinden. Heute entscheidet der Mix, die Kombination aus manchmal schon längst Bekanntem und Neuem – so entstehen Innovationen. Und so bleibt auch das jüngere Projekt BLOOOM von Lohaus und Gehlen ein Innovatives. Die BLOOOM setzt sich selbst überhaupt keine Grenzen, genauso wenig wie der BLOOOM Award by WARSTEINER. Erstmals weltweit ausgeschrieben und weiterhin ohne Einschränkungen hinsichtlich Gattung und Stil, sammelte der Wettbewerb in seiner Bewerbungsphase Einreichungen aus 29 Ländern aller sechs Kontinente. „Die BLOOOM entwickelt sich immer weiter, auch dank des richtigen Mäzenen dahinter“, lässt Lohaus einfließen. „Catharina Cramer,


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Köln ist eine Stadt für Kreative Wie man ohne Grenzen im Kopf Großes aufbauen kann, haben die Gründer der Kölner ART.FAIR bereits bewiesen. Sie wollen ihre Ansätze aber auch in weitere Köpfe tragen – nicht nur in weitere Branchen. das tun sie schon. Nein, es geht darum, den Entscheidern, den Machern, die Augen zu öffnen.


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die geschäftsführende Gesellschafterin der Warsteiner Gruppe, ist nicht nur Schirmherrin des Awards und sponsert ihn. Ihre Familie sammelt auch seit mehreren Generationen Kunst. So befindet sich beispielsweise ein Portrait ihres Großvaters von Andy Warhol in ihrer Sammlung.“ Die Bewerbung für den nächsten BLOOOM Award by WARSTEINER, den 2012 die Düsseldorferin Johanna Flammer gewann, startet ab April. Andreas Lohaus und Walter Gehlen schauen auf die Kunstwelt in unmittelbarer Umgebung, in Amsterdam, Brüssel, Düsseldorf, Rotterdam oder Karlsruhe ist für die beiden ebenso wichtig, wie das kreative Potential in der Domstadt. „Kölns kreative Szene ist groß. Hier gibt es viele kleine Gruppen, die erstaunlich viel bewegen“, erkennt Lohaus an. Es schade dennoch nicht, sich von anderen inspirieren zu lassen, Vergleiche zu ziehen oder eben die rheinländische Szene an anderen Orten bekannt zu machen. Der globalisierte Kunstmarkt fordert zum Umdenken auf. Statt sich aneinander zu messen, besteht heute die Herausforderung darin, Brücken zu schlagen und Synergien zu entwickeln. Die beiden Messen im Staatenhaus werden mit Sicherheit auch 2013 mit steigenden Besucherzahlen rechnen können. Aus elitären Bildinterpretationen ein buntes Event zu machen, somit einer jungen, dynamischen Zielgruppe alle Facetten der Kunstwelt näherzubringen, ist ein zukunftsfähiger Ansatz. Der Erfolg der vergangenen Jahre gibt den Köpfen dahinter Recht. Vielfalt statt

Weitere Infos /// www.art-fair.de www.blooom.de

Monotonie. Machen statt nur darüber sinnieren. Und erkennen statt nur schauen. Letzteres ist übrigens ein besonderes Anliegen von Lohaus: „Die selbstständigen Macher sollten ihren Wert noch besser begreifen, sich in ihrem Umfeld besser sehen. Sie sind in ihrer Summe in dieser Stadt eine echte Größe und nicht weniger wert als die großen, bekannten Firmen.“ Und damit meint er, dass die Kreativen als fünftes „K“ neben Karneval, Kirchen, Kölsch und Köln als Aushängeschild der Stadt einfach mehr Beachtung finden sollten. In diesem Sinne gehen die beiden Macher von ART.FAIR und BLOOOM mit guten Beispiel voran: Zur Eröffnung der Messen lassen sie die Wirtschaftsverantwortlichen von Land und Stadt sprechen – als Zeichen, welchen Stellenwert diese kreative Wirtschaft hat.


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Ausblick

#07 Foto: Gerhard Richter

Acting Accomplices „Wer bist du?“ oder „Was ist das?“ – eine simple Syntax, die meistens eine komplexe Antwort oder gar neue Fragen verlangt. Das ist vermutlich ein Grund, warum wir im Alltag andauernd versuchen ein bestimmtes Bild unserer Mitmenschen zu fixieren und uns geradezu an Definitionen festhalten, sobald sie einmal ausgesprochen sind. Wie aber definiert man eine Gruppe von Personen? Vielleicht über verbindende Merkmale wie Geschlecht, Interessen, Religion? Und wenn man diese dann gesammelt hat, reichen allein Fakten um den Kern zu ergründen? Oder braucht es vielleicht doch etwas anderes? Mit der Frage nach dem Kern und dessen Darstellung hat sich auch eine Gruppe junger KISD-Studenten beschäftigt. Sie haben sich 2011 dazu entschlossen, ein neu gegründetes Theaterensemble zu begleiten und zu porträtieren. Innerhalb eines Jahres entstand ein immer schärferes Bild. Dabei wurde allen Beteiligten klar, dass es sich bei den „Acting Accomplices“ nicht nur um ein paar Schauspieler handelt, die sich entschlossen haben zusammenzuarbeiten, sondern dass vielmehr ein Netzwerk entstanden ist. Wir berichten in der nächsten Ausgabe über die Menschen, die das Herz darin bilden und stellen das Endprodukt der Zusammenarbeit zwischen Designstudenten und jungen Schauspielern vor. Und wer sich vorher selbst ein Bild machen möchte, kann dies bei ihrer Aufführung „Kaltes Land“ im artheater machen, vom 12. bis 14. Dezember 2012. (Saskia Rauchmann)

Kölns Kreativität Köln ist eine Medienstadt – sagt man. Köln ist eine Industrieregion – sagt man. Und was war nochmal die Dienstleistungsgesellschaft? Es gibt einige Begriffe, die bereits im Schulunterricht häufig im Zusammenhang mit Köln fallen. Wenn man auf den Dom blickt, wissen die meisten, dass ziemlich nah daneben die größte öffentlich rechtliche Rundfunkanstalt Deutschlands sitzt und gegenüber, auf der anderen Seite des Rheins, der älteste Privatsender Deutschlands. Man sieht im gesamten Stadtbild riesige Löcher ehemaliger Industrieanlagen. Aber was soll das jetzt mit Kreativität zu tun haben? In der nächsten Ausgabe machen wir den Rundumschlag: Es wird Zeit, einmal zu erklären, warum Köln ein neues Wort lernen sollte (das überhaupt nicht neu ist). Dieses Wort lautet „Kreativwirtschaft“ und bietet eine echte Zukunft für Köln –

eigentlich. Denn es wird noch lange nicht so gesehen. Ein Großteil der Hauptdarsteller in den vergangenen Ausgaben von null22eins sind aber genau mit diesem Wort verbunden. Und sie sind Gestalter dieser Stadt, die das noch nicht ganz erkennt. Mit Sicherheit können wir keine umfassende Lösung anbieten, warum der Wandel der Zeiten, gerade im „kreativen“ Dienstleistungssektor, noch nicht in allen Köpfen ankommt. Allein die Potenziale einmal aufzuzeigen, zu erklären, warum die vielen kleinen Akteure auch für das so gerne große Köln wichtig sind, kann aber vielleicht ein Schritt in die richtige Richtung sein. Ein Betrag zum Frühling, nicht nur für Verantwortliche und Entscheider, sondern auch, um das Verständnis für diese „Wirtschaft“ zu verbessern.


artishocke e.v.

sinne


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Leck mich null22eins #06


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