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1. Das Wichtigste in Kürze – eine Zusammenfassung

Die private Finanzierung der Politik hat sich in der Schweiz über die Jahre als effizient, effektiv und als wenig missbrauchs- und korruptionsanfällig erwiesen: Die Schweizer Politik funktioniert seit Jahrzehnten ohne grössere Verwerfungen und Finanzskandale. Die direkte Demokratie ist intakt: Bürgerinnen und Bürger haben im System mit privater Politikfinanzierung eine zusätzliche Möglichkeit, ihre Meinung zu artikulieren. Neben dem Stimm- und Wahlzettel, neben Initiative und Referendum können sie durch eine finanzielle Unterstützung eines Politakteurs oder einer Kampagne ihrer Meinung Nachdruck verleihen. Diese privaten Spenden fliessen nicht nur zu den traditionellen parlamentarischen Parteien, sondern in den letzten Jahren vermehrt zu den immer zahlreicheren und aktiveren NGOs oder politischen Pop-up-Komitees. Die gesellschaftlichen und technologischen Entwicklungen der letzten Jahre verlangen allerdings nach Modifikationen am heutigen System. Stichworte dazu sind erhöhte Transparenzforderungen, Diskrepanz in den regulatorischen Rahmenbedingungen für unterschiedliche Politakteure und neue Online-Fundraising-Möglichkeiten. Vor diesem Hintergrund werden in dieser Studie Vorschläge gemacht, wie das System der privaten Finanzierung der Politik mit all seinen Vorteilen gegenüber einer staatlichen Finanzierung gestärkt werden kann. Nur ein System mit privater Politikfinanzierung ist kompatibel mit dem schweizerischen Verständnis von direkter Demokratie. Der aufgezeigte Weg basiert auf einer erstmaligen und umfassenden Darstellung und Quantifizierung der politischen Finanzierungsströme in der Schweiz. Eine solche Gesamtsicht erlaubt eine fundierte Wertung und Einschätzung des heutigen Systems. Bislang waren ausführliche Informationen zu den politischen Mitteln, deren Herkunft,

Empfängern und Verwendung weitgehend unbekannt: Die wildesten Behauptungen wurden in den Raum gestellt. Niemand wusste, wer wen und in welchem Ausmass finanziert. Nur häppchenweise schafften es Medienschaffende oder Forschungsinstitute, da und dort etwas Licht ins Dunkel zu bringen. Diese Studie zeigt die schweizerischen Eigenheiten der politischen Finanzierung in aller Deutlichkeit auf: Rund 90 Prozent der finanziellen Mittel stammen aus privaten Quellen; von Privatpersonen und der Privatwirtschaft. Der Anteil der öffentlichen Mittel liegt unter 10 Prozent, aktuell bei jährlich 7,6 Millionen Franken. In den meisten europäischen Ländern ist der Anteil der staatlichen Finanzierung der Politik weit höher, am höchsten mit nahezu 80 Prozent in Österreich. Einzig in Grossbritannien liegt der Anteil der privaten Geldgeber in einer ähnlichen Grössenordnung wie in der Schweiz. In Ländern mit staatlicher Finanzierung ist die Transparenz der politischen Geldströme naturgemäss gross; der Staat muss seine «Subventionen» gegenüber der Öffentlichkeit detailliert ausweisen. In Ländern mit einem hohen Anteil an privater Finanzierung hingegen, wie der Schweiz oder Grossbritannien, ist die Transparenz der politischen Gelder eher gering. Es erstaunt deshalb nicht, dass in diesen beiden Ländern eine verbesserte Transparenz immer wieder zur Debatte steht. Dabei wird aber oft übersehen, dass die Privatsphäre von Privatpersonen geschützt ist und dass dieser Schutz der Privatsphäre insbesondere in der Schweizer Demokratie mit ihren Besonderheiten einen hohen gesellschaftlichen und staatspolitischen Wert geniesst. Die Studie zeigt auch, dass die substanziellen Beiträge von Privatpersonen das eigentliche finanzielle Rückgrat der Schweizer Politik bilden, und nicht etwa – wie häufig behauptet – die Beiträge von grossen Unternehmen. Von den im Wahljahr 2019 insgesamt von Privaten gespendeten 90 Millionen Franken stammen rund drei Viertel von Privatpersonen und nur ein Viertel von privaten Unternehmungen. Auch eine andere weitverbreitete Ansicht wird in dieser Studie widerlegt: Es sind nicht die politischen Parteien, sondern die NGOs, die über die grössten Budgets für politisches Engagement verfügen.

Die jährlichen kumulierten Budgets der Bundesparteien betragen mit rund 20 Millionen Franken gerade mal die Hälfte der kumulierten Budgets der NGOs. Als NGOs betrachtet werden in dieser Studie neben den traditionellen NGOs auch Wirtschafts- und Branchenverbände, Gewerkschaften und andere politische Bewegungen. Es wurde allerdings nicht das ganze Budget dieser Organisationen in den Berechnungen eingeschlossen. Es wurde nur mit demjenigen Teil gerechnet, der in monetärer Form für konkrete politische Aktivitäten verwendet wurde. Mit diesen Zahlen wird klar, dass die politischen Parteien relativ schwach dotiert sind, obwohl sie für die Funktion eines demokratischen Systems als Transmissionsmechanismus zwischen dem Volkswillen und dem Staat fundamental wichtig oder, in neuerer Terminologie, systemrelevant sind. Die Studie bestätigt hingegen die Vermutung, dass die links-grünen NGOs (inkl. Gewerkschaften) mit 20 bis 23 Millionen Franken Budget für politische Aktionen zu den finanzstärksten Akteuren in der Schweiz gehören. Sie verfügen nicht nur über ein um ungefähr 20 Prozent höheres Politikfinanzierungsbudget, sondern für die Finanzierung von Abstimmungskampagnen auch über ein um rund ein Drittel höheres Budget (17 bis 20 Millionen Franken) als die bürgerlichen NGOs (inkl. Wirtschafts- und Branchenverbände). Das wohl eindrucksvollste Resultat der Studie ist, dass die privaten Spender – Privatpersonen wie Unternehmen – die Politakteure in der Schweiz nach wie vor mit substanziellen Mitteln unterstützen. Auch wenn dies aufgrund des auf die Jahre 2019 und 2020 beschränkten Betrachtungszeitraums nicht exakt nachgewiesen werden kann, lassen die Schätzungen vermuten, dass die privaten Spenden in den letzten Jahren deutlich zugenommen haben und dass sich dieser Trend fortsetzen wird. Die Mittel flossen jedoch vermehrt über Online-Kanäle und zu neueren Politakteuren. Es ist davon auszugehen, dass die neuen Transparenzregeln der Schweiz (Gegenvorschlag zur TransparenzInitiative) die bestehenden Ungleichgewichte der Finanzierung der staatstragenden Parteien und der NGOs (inkl. der politischen Ad-hoc- und Pop-up-Komitees und anderer Parallelorganisationen) vergrös-

sern und damit das System der privaten Politikfinanzierung gefährden könnten. Ein Blick auf die Entwicklung in westeuropäischen Ländern mit weitgehender staatlicher Finanzierung zeigt, wohin der staatliche Weg führt. Auch diese Länder hatten ursprünglich ein System mit vornehmlich privater Finanzierung. Im Lauf der letzten Jahrzehnte wurde der staatliche Anteil dann kontinuierlich erhöht. Dies wurde und wird auch heute mit der Public-Policy-Funktion der parlamentarischen Parteien sowie der besseren Transparenz der Mittelherkunft und -verwendung begründet. Internationale Vergleiche zeigen jedoch, dass das System der staatlichen Politikfinanzierung zu einem enormen Anstieg der Politikkosten je Wähler und zu einer ausufernden Bürokratie führt. Weiter resultiert eine aus demokratischer Sicht unerwünschte Machtverschiebung von den Bürgern zur Politik und zur Verwaltung. Die subventionierten Politakteure geraten in eine problematische Abhängigkeit vom Staat. Die Missbrauchsanfälligkeit wird zudem durch erhöhte Transparenz nicht verringert. Diese hängt viel mehr von anderen Elementen des politischen Systems ab, wie den direkten Einflussmöglichkeiten des Volks und von systemimmanenten Checks und Balances zur Vermeidung allzu grosser Machtfülle von Einzelpersonen oder finanzstarker Interessengruppen. Aufbauend auf diesen Ergebnissen und Erkenntnissen werden acht Postulate zur Erhaltung des Systems der privaten Finanzierung der Politik aufgestellt. Dies nicht zuletzt, weil der jetzt eingeschlagene Weg mit absoluten Werten für die Transparenzanforderungen möglicherweise in eine Sackgasse führt: • Postulat 1: Der Staat muss seine Anstrengungen zum Schutz der

Privatsphäre von Privatpersonen verstärken. Nur eine geschützte

Privatsphäre ermöglicht die für eine funktionierende Demokratie zentrale freie Meinungsäusserung. • Postulat 2: Zur Vermeidung von Diskriminierung einzelner Politakteure, sollen die steuerlichen Abzugsmöglichkeiten für Beiträge privater Geldgeber an alle, das heisst namentlich für die Parteien sowie die bürgerlichen und links-grünen NGOs, unabhängig von

deren Art und Rechtsform, synchronisiert werden, das heisst die

Abzugsmöglichkeit von Spenden an alle Politakteure soll auf 20 Prozent des Einkommens erhöht werden (Bundessteuer). Für testamentarische Spenden und andere grössere Spenden ohne direkte politische Forderungen oder Verpflichtungen sollen spezielle steuergünstige Rahmenbedingungen geschaffen werden. • Postulat 3: Sämtliche Politakteure – namentlich alle Parteien sowie alle bürgerlichen und linksgrünen NGOs – müssen sich an dieselben Transparenzregeln im Rahmen der Politikfinanzierung halten. • Postulat 4: Auf eine weitgehende und für die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger nicht entscheidungsrelevante Offenlegung von finanziellen Beiträgen an Politakteure soll verzichtet werden. • Postulat 5: Die Unternehmen sollen sich im Rahmen ihrer Verbände auf einheitliche Transparenzregeln zu den politischen Aktivitäten und Spenden (Standesregeln) einigen und diese im Sinn einer

Selbstregulierung umsetzen. • Postulat 6: Für bedingungslose Spenden von Unternehmen an Politakteure, das heisst namentlich für die Parteien sowie die bürgerlichen und links-grünen NGOs, zur Unterstützung ihres Betriebs und ihrer Basisarbeit sollen grosszügige steuerliche Abzugsmöglichkeiten geschaffen werden. Eine Erhöhung der staatlichen Beiträge ist keine Option. • Postulat 7: Die Politakteure sollen in Eigenverantwortung Regeln zur Transparenz ihrer Finanzierung aufstellen und einführen. Ein koordinierter Ansatz aller Politakteure mit einheitlichen Regeln und Bemessungsgrundlagen im Sinn einer Selbstregulierung wäre als Entscheidungshilfe für die Bürgerinnen und Bürger am sinnvollsten. • Postulat 8: Die funktionale Transparenz ist als Richtlinie zur Veröffentlichung von für den Bürger relevanten Informationen zur Politikfinanzierung einzuführen.

Das zentrale Element dieses Programms zur Erhaltung des Systems der privaten Finanzierung der Politik ist das von der Ökonomie abgeleitete

Konzept der funktionalen Transparenz. Gemäss diesem Konzept sind zusätzliche Informationen dann sinnvoll, wenn sie dem Entscheidungsträger den Entscheid erleichtern und verbessern. Auf die Politikfinanzierung angewendet heisst dies, dass zusätzliche Transparenz dann und nur dann sinnvoll ist, wenn sie den Entscheid der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger erleichtert oder beeinflusst. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn ein Geldgeber versucht, durch seinen Mitteleinsatz versteckten Einfluss auf einen Politakteur – verbunden mit Eigennutz – zu gewinnen. Konkret heisst das, dass es Sinn macht, Spenden über einem gewissen Prozentanteil des Budgets oder Spenden mit klaren politischen Forderungen transparent zu machen. Transparenz macht wenig Sinn, wenn sie beispielsweise für einen absoluten Beitrag ab 15 000 Franken bei einem Gesamtbudget des empfangenden Politakteurs von 5 Millionen Franken gefordert wird. Wird dieser Betrag allerdings einem Politakteur gespendet, der über ein Budget von 50 000 Franken verfügt, macht Transparenz Sinn. Am Schluss der Studie ist ein Exkurs mit sieben Grundsätzen und 14 praktischen Tipps zum Fundraising der Politakteure angefügt. Mit den bei Politakteuren immer weiter verbreiteten CrowdfundingAktionen gewinnt zum Beispiel das Prinzip der Schwarmlogik an Wichtigkeit in der Schweizer Politik – und damit auch in der Schweizer Politikfinanzierung. Ob es um Weiterentwicklungen in diesem oder einem der weiteren aufgezeigten Handlungsfelder geht: Es ist staatspolitisch zentral, dass die Politakteure ihr Fundraising weiterentwickeln und damit die für den Fortbestand der direkten Demokratie elementar wichtige private Politikfinanzierung gestärkt und weiterentwickelt wird.

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