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der empirischen Daten

Mit der zunehmenden Globalisierung und der damit verbundenen Internationalisierung der Schweizer Grossunternehmungen, aber auch vieler kleinerer und mittelgrosser Unternehmungen, geht das Verständnis für die Eigenheiten des Schweizer Politsystems zunehmend verloren. Entsprechend stehen die finanziellen Mittel der Wirtschaft an die Parteien und die Wirtschafts- und Branchenverbände immer wieder zur Disposition.

2.4. Systematik, Definitionen und Erfassung der empirischen Daten

In dieser Studie wird die Schweizer Politikfinanzierung erstmals in ihrer Gesamtheit erfasst, dargestellt und analysiert. Dazu notwendig sind eine klare, teilweise neue Definition von Begriffen und eine einheitliche Systematik der Analyse.

Politikfinanzierung – statt nur Parteienfinanzierung Der Begriff Politikfinanzierung steht in der Literatur für die Verwendung öffentlicher und nicht öffentlicher Mittel zum Zweck der Gewährleistung eines funktionierenden demokratischen Willensbildungsprozesses.5 Häufig wird dabei die Finanzierung der politischen Parteien mit der Politikfinanzierung gleichgesetzt. Diese verengte Fokussierung auf die Finanzierung von Parteien wird den veränderten Kräfteverhältnissen in der Schweizer Politik aber immer weniger gerecht. Deshalb wird in dieser Studie die Grössenordnung der Finanzen der Bundesparteien genauso erhoben wie jene der anderen Politakteure auf nationaler Ebene. Ziel ist es, die absolute Finanzkraft aller Politakteure zu erfassen und zu vergleichen. Wegen der mehrheitlich fehlenden öffentlich zugänglichen Informationen muss vieles geschätzt werden. Die absoluten Grössen sind deshalb mit der notwendigen Zurückhaltung zu interpretieren, sie liegen eher im konservativen Bereich. Da bei allen Politakteuren dieselben Schätzmethoden mit derselben Zurückhaltung angewandt wurden, weisen die relative Finanzkraft und die Relationen unter den verschiedenen Budgets eine höhere Verlässlichkeit auf als die absoluten Grössen.

Diese Analyse der Schweizer Politikfinanzierung beinhaltet folglich nicht nur die Parteien und die traditionellen weiteren Politakteure wie beispielsweise die Wirtschafts- und Branchenverbände oder die Gewerkschaften, sondern auch die politisch immer aktiveren neuen NGOs und politischen Bewegungen. Die Schlussfolgerungen dieser Studie, der Massnahmenkatalog (Kapitel 8) und die Tipps für die Organisation der Finanzierung von Politakteuren in Kapitel 9 basieren auf einer auf diese Weise erarbeiteten gesamtheitlichen Basis. Um eine aussagekräftige Struktur der Analyse zu erhalten, wird zwischen Finanzierungsquellen, Politakteuren und Kampagnen unterschieden. Diese drei Kategorien werden in jeweils zwei Gruppierungen unterteilt. In der Kategorie Finanzierungsquellen wird primär zwischen staatlicher und privater Finanzierung unterschieden, wobei bei Letzterer zwischen Privatpersonen und Unternehmen unterschieden wird. In der Kategorie Politakteure werden die aus der Optik der Politikfinanzierung relevanten Protagonisten in der Schweizer Politlandschaft in Parteien und NGOs geclustert. NGOs ihrerseits werden aufgeteilt in bürgerliche NGOs und links-grüne NGOs. 6 In der dritten Kategorie wurden die Ausgaben der erfassten Politakteure für Kampagnen erhoben, aufgeteilt in Abstimmungs- und Wahlkampagnen. Die Ausgaben der Wahlkampagnen der Parteien und der Kandidierenden werden separat erfasst. Der analytische Rahmen ist in der Abb. 1 grafisch dargestellt. Er dient als Basis für die Erhebung. Nicht erfasst sind Ausgaben für andere Aufgaben, wie zum Beispiel Ausbildung oder allgemeine Informationen für Mitglieder. Solche Ausgaben können bei einzelnen NGOs einen substanziellen Anteil der Ausgaben ausmachen. Sie sind aber für diese politische Analyse nicht relevant, sie würden das Ergebnis eines Vergleichs der relativen politischen Kraft eines Akteurs teilweise erheblich verzerren. Alle drei Kategorien und die darin eingebetteten Gruppierungen weisen Unschärfen auf und bedingen eine individuelle Beurteilung.

Abbildung 1: Analytischer Rahmen und Struktur der Erfassung der Schweizer Politikfinanzierung

Finanzierungsquellen Politakteure

Private Politik nanzierung

Privatpersonen Unternehmen

Parteien Kampagnen

Abstimmungskampagnen nanzierung

Staatliche Politik nanzierung NGOs

Bürgerliche NGOs (Wirtschafts-/ Branchenverbände) Links-grüne NGOs (inkl. Gewerkschaften)

Wahlkampagnen nanzierung

Parteienwahlkampagnen Kandidierendenwahlkampagnen

Finanzierungsquellen Die erste Kategorie Finanzierungsquellen umfasst die beiden Gruppen Finanzierung durch Private und Finanzierung durch den Staat. Die private Politikfinanzierung wiederum setzt sich zusammen aus der Finanzierung durch Privatpersonen und jener durch Unternehmen. Diese Unterscheidung kann nicht immer trennscharf vorgenommen werden. Beispielsweise ist bei grosszügigen, publikumswirksamen privaten Geldgebern nicht immer klar auszumachen, ob die Finanzen aus den privaten Mitteln oder aus der Geschäftskasse stammen. In der Schweiz gibt es im strengen Sinn keine staatliche Finanzierung von Politakteuren. Im Unterschied zu Deutschland oder Österreich werden die politischen Parteien nicht direkt finanziert. Jedoch erfolgt seit 1970 eine öffentliche Finanzierung zugunsten der Mitglieder der eidgenössischen Räte und der Fraktionen. Diese jährliche Finanzierung der Fraktionen dient gesetzlich definiert zur Deckung der Kosten ihrer Generalsekretariate. Bei dieser besonderen Form staatlicher Beiträge stellt sich die Frage, ob und inwiefern diese bei der Analyse der Finanzierung der Bundesparteien miteinbezogen werden sollen. Da

diese Analyse von einem umfassenden Bild der Politikfinanzierung ausgeht, werden hier die Fraktionsbeiträge zur staatlichen Finanzierung gerechnet. Sie sind für diesen Zweck bestimmt und decken die Kosten des parlamentarischen Arms der Parteien, der Fraktionen. Gleich und doch anders gelagert ist der Fall bei NGOs. Die Finanzierung politischer Kampagnen in der Schweiz mit Bundesmitteln ist untersagt, dies gilt auch für NGOs. Eine klare und saubere Abgrenzung zwischen politischen Kampagnen und Informations- und Bildungsarbeit, für die einige NGOs Mittel vom Bund erhalten, ist in der Realität jedoch nicht immer einfach. Aus diesem Grund hat der Bund die Vorgaben für die Verwendung der Mittel in Richtlinien geregelt. Dazu gehört eine umfassende Kontrolle inklusive vertraglich vereinbarter Berichterstattungen. Seit 2021 dürfen Schweizer NGOs für Informations- und Bildungsarbeit in der Schweiz keine Mittel des Bundes mehr verwenden. Aufgrund dieser neuen Regel ist es auszuschliessen, dass NGOs, die sich in der Schweiz als Politakteure betätigen, politische Kampagnen mit staatlichen Geldern finanzieren. Deshalb werden die Gelder des Bundes für die Informations- und Bildungsarbeit von NGOs in der vorliegenden Analyse nicht berücksichtigt.7

Politakteure auf nationaler Ebene Bei den Politakteuren wird grundsätzlich zwischen Parteien und NGOs unterschieden. Der Begriff Politakteure8 wird definiert als Summe aller Parteien, bürgerlicher NGOs, das heisst Wirtschafts- und Branchenverbände, sowie links-grüne NGOs, inklusive der Gewerkschaften. Die Finanzierung wird entlang dieser Gruppen erfasst. Alle erhobenen und geschätzten Daten beziehen sich auf nationale Politakteure. Auf die Erfassung der kantonalen und kommunalen Ebene wird verzichtet. Die Unschärfe aufgrund der auf kantonaler und kommunaler Ebene vielfach fehlenden und schwer abgrenzbaren Daten wäre zu gross und deshalb deren Interpretation nicht aussagekräftig. Dies ist wichtig zu bemerken, da es bei allen Politakteuren zusätzliche Organisationen gibt, die auch auf kantonaler und kommunaler Ebene ihre Tätigkeit mit Beiträgen von Privaten oder der Zentrale finanzieren.

Es werden einzig die Kantonalparteien analysiert und als interne Finanzierungsquelle mehrerer Bundesparteien miteinbezogen, sie werden aber in der Gesamtübersicht konsequenterweise ausgeblendet.

Bundesparteien im Fokus Die Schweizer Gesetzgebung definiert den Begriff der politischen Partei nicht. Formell stammt der Begriff aus der Bundesverfassung.9 In der Studie werden Parteien berücksichtigt, die auf Bundesebene organisiert sind und Einsitz im Bundesparlament haben. Namentlich sind dies SVP, SP, FDP, CVP, Grüne, GLP, BDP und EVP.10 Auf die Trennung zwischen Partei- und Fraktionskasse11 wird verzichtet. Sie bringt in der Schaffung der Übersicht über die Schweizer Politikfinanzierung keinen Mehrwert, zumal die Höhe der Fraktionsbeiträge des Bundes in der Analyse berücksichtigt werden. Dabei wird in Kauf genommen, dass im staatspolitischen Gefüge die Parteien einerseits als private Vereine organisiert und andererseits die Fraktionen Teil des Parlaments und damit Teil des Staats und seiner Institutionen sind. Entschädigungen (Löhne usw.) von Mandatsträgern wie zum Beispiel Bundesrichter, National- und Ständeräte werden nicht erfasst, da diese nicht an die Parteien fliessen, sondern an die Mandatsträger selber. Es handelt sich dabei um Entschädigungen für deren Arbeit in ihren Mandaten. Bundesparteien erheben jedoch auf diese Mandatsentschädigungen Abgaben, die in die Parteikasse fliessen. Diese hingegen werden als solche als Teil der Finanzierung der Parteien berücksichtigt.

NGOs Bisher konnte sich weder in der öffentlichen Diskussion noch in der Fachwelt eine einheitliche Definition von NGOs durchsetzen. Generell definieren sich diese durch ihre öffentliche Sichtbarkeit, eine Ausrichtung auf explizit formulierte politische und nicht politische Ziele sowie ein zum Teil ehrenamtliches Personal.12 In dieser Studie wird ein umfassender Begriff von NGO zugrunde gelegt. So werden auf bürgerlicher Seite auch die Wirtschafts- und Branchenverbände zu den NGOs

gezählt, konkret zu den bürgerlichen NGOs. In die Analyse einbezogen werden dabei hauptsächlich der Wirtschaftsdachverband economiesuisse, der Arbeitgeberverband, der Gewerbeverband, der Versicherungsverband, SwissHoldings, SwissBanking, Interpharma, scienceindustries und der Bauernverband. Diese Terminologie ist sicherlich gewöhnungsbedürftig, jedoch ist diese Begriffsanwendung – abhängig von der jeweiligen Definition – in der einschlägigen Literatur nicht unüblich. Analog wurde auf der links-grünen Seite geclustert. So schliesst der Begriff der links-grünen NGOs13 neben den sich stark politisch engagierenden WWF, Greenpeace, Transparency International auch die Gewerkschaften (Schweizerischer Gewerkschaftsbund und Travail Suisse) mit ein. Ebenso werden Organisationen wie Operation Libero und Klimastreik – als «politische Bewegungen» bezeichnet – unter dem Begriff der linksgrünen NGOs subsummiert.14 Im Fall von Operation Libero ist diese Zuteilung unscharf. Es sind auch Exponenten des bürgerlichen Lagers bei Operation Libero engagiert und bei den Wahlen 2019 unterstützt worden (GLP, CVP, FDP). Die Zuteilung zu dieser Kategorie der Politakteure ist aufgrund der vergangenen Abstimmungspositionierungen jedoch treffender als eine Zuteilung zur Kategorie der bürgerlichen NGOs. Einbezogen werden bei beiden Formen von NGOs nur jene, die zumindest teilweise im politischen Tagesgeschäft auf Bundesebene involviert sind. Organisationen wie zum Beispiel Avenir Suisse, die mit ihren Analysen in den letzten Jahren zwar näher ans politische Tagesgeschäft gerückt, aber nicht direkt involviert sind, werden nicht einbezogen. Bei NGOs sämtlicher Couleur war die Abgrenzung zwischen jenem Teil der Budgets, der für Politikfinanzierung eingesetzt wird und jenem, der in Form von nicht monetärer Unterstützung oder für nicht politische Zwecke (z. B. Entwicklungshilfe, Schulungsangebote eines Verbands) Verwendung findet, eine grosse Herausforderung. Um den für diese Studie relevanten Teil der Budgets zu eruieren, der von den NGOs für die Finanzierung politischer Aktionen eingesetzt wird, wurde

auf die wenigen öffentlich verfügbaren Informationen zurückgegriffen. Ein grosser Teil musste geschätzt werden, dies im Rahmen iterativer Prozesse und vertraulicher Expertengespräche.

Kampagnen In der dritten Kategorie wird die Verwendung der Finanzmittel für Kampagnen analysiert. Es werden zwei Gruppen unterschieden: Die Finanzierung von Abstimmungskampagnen und die Finanzierung von Wahlkampagnen. Die Finanzierung der Wahlkampagnen wiederum wird getrennt nach Wahlkampagnen von Parteien und Wahlkampagnen von Kandidierenden angeschaut. Die Finanzierungen der Kandidierenden bei den National- und Ständeratswahlen werden separat erfasst. Im Schema ausgeklammert werden die Wahlausgaben der Kantonalsektionen. Der Begriff Wahlkampagne wird aus der Perspektive der Bundesparteien für die alle vier Jahre stattfindenden eidgenössischen Wahlen verstanden. Erhoben werden die Zahlen des letzten Wahljahrs 2019. Erhebungsbasis der Abstimmungskampagnen in einem Nicht-Wahljahr bildet das Jahr 2020.

Kontextualisierung des Betrachtungszeitraums bezüglich der Abstimmungskampagnen Anders als die jeweils vierjährlichen Budgets der Wahlkampagnen der Parteien sowie der Kandidierenden können die kumulierten Abstimmungsbudgets von Jahr zu Jahr stark variieren. Zum einen aufgrund der sich teilweise unterscheidenden Anzahl Abstimmungsvorlagen pro Kalenderjahr und zum anderen aufgrund der unterschiedlichen finanziellen Mittel, die bei den jeweiligen Vorlagen von den Politakteuren mobilisiert werden können. Vor diesem Hintergrund ist für den Analysezeitraums der Jahre 2019 und 2020 eine Relativierung vorzunehmen. Insbesondere im Jahr 2020, in welchem über das Jagdgesetz und insbesondere die KVI abgestimmt wurde, standen den links-grünen Politakteuren ausserordentlich viele – teilweise über Jahre gesammelte – Finanzmittel zur Verfügung. Das Jahr 2020 kann deshalb bezüglich der

Finanzierung von Abstimmungskampagnen als ein ausserordentliches Jahr angesehen werden. Die Höhe der absoluten Beträge kann nicht ohne weiteres als allgemein gültig eingeordnet werden. Das ebenfalls analysierte Jahr 2019 hingegen weist als Wahljahr keine auffälligen Besonderheiten auf. Die Jahre 2019 und 2020 wurden für die Analyse ausgewählt, da zum Zeitpunkt der Erarbeitung der Studie für diese beiden Jahre das aktuellste Zahlenmaterial verfügbar war. Die Wahl dieser beiden Jahre hat den Vorteil, dass sowohl ein Bild für ein Wahljahr (2019) als auch für ein Nicht-Wahljahr (2020) abgedeckt wird.

Weitere Abgrenzungen Das Datenmaterial basiert soweit als möglich auf öffentlich verfügbaren Quellen. Diese setzen sich hauptsächlich aus Publikationen, Veröffentlichungen, Medienmitteilungen und Website-Inhalten, einschlägigen Studien sowie Büchern und Medienberichten zusammen und werden jeweils referenziert. Da viele Lücken in der Datenbasis bestehen, sind Schätzungen notwendig. Diese basieren auf dem Knowhow der Autoren, auf Proxy-Variablen und auf mündlichen Angaben von Experten. Die Datenquellen von NGOs, namentlich von politischen Bewegungen, Gewerkschaften oder Verbänden, sind besonders unergiebig. Diese Zahlen mussten folglich grösstenteils geschätzt werden, insbesondere weil nicht einfach deren Gesamtbudgets übernommen werden können, sondern versucht werden muss, auf Basis der Ausgaben für politische Kampagnenarbeit Schätzungen für die eigentliche politische Arbeit vorzunehmen. Bei internationalen Organisationen, die in der Schweiz als Politakteure auftreten, wie zum Beispiel dem WWF, kommt zudem die Frage dazu, ob und inwiefern die für politische Kampagnen eingesetzten Gelder aus der Schweiz oder aus ausländischen Quellen stammen. Diese Fragestellung konnte nicht bei allen Politakteuren zuverlässig geklärt werden und wurde deshalb nicht berücksichtigt.

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