Marco Buschmann: Die sterbliche Seele der Freiheit. Zur Verteidigung der liberalen Demokratie

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Marco Buschmann

Die sterbliche Seele der Freiheit

Zur Verteidigung der liberalen Demokratie

NZZ Libro


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© 2020 NZZ Libro, Schwabe Verlagsgruppe AG Lektorat: Jens Stahlkopf, Berlin Umschlag: TGG Hafen Senn Stieger, St. Gallen Gestaltung, Satz: Claudia Wild, Konstanz Druck, Einband: CPI Books GmbH, Leck Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der ­Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugs­ weiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werks oder von Teilen dieses Werks ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der ge­­ setz­lichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts. ISBN 978-3-03810-481-0 ISBN E-Book 978-3-03810-480-3 www.nzz-libro.ch NZZ Libro ist ein Imprint der Schwabe Verlagsgruppe AG.


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Vorwort

Das Jahr 2014 war noch ganz jung, als Christian Lindner und ich uns dazu Gedanken machten, mit welchen Begriffen und Kategorien wir die politische Landschaft in Deutschland vermessen sollten. Unsere Motivation war klar: Wir wollten in diesem unübersichtlichen Gelände einen Weg finden, um unsere schwer beschädigte Partei, die FDP, zurück ins Parlament zu führen und damit die ihr zugrunde liegende Geisteshaltung, den Liberalismus, für die politische Kultur unseres Landes zu retten. Wir beugten uns damals gemeinsam über ein weißes Blatt Papier. Christian zeichnete. Am Ende fand sich darauf eine Skizze, die schon eine große Ähnlichkeit mit «Abbildung 2: Das System der vier Schulen der sterblichen Seele» auf Seite 61 in diesem Buch hatte. Mit dieser Skizze arbeitete ich weiter. Christian schrieb dazu später in seinem Buch Schattenjahre, dass ich daraus «im Laufe der Jahre mithilfe von viel wissenschaftlicher Literatur ein fundiertes Analyse-Instrument geformt» hätte. Da lag es natürlich nahe, dieses Instrument irgendwann auch systematisch zu beschreiben. Daran gab es in Wissenschaft und Praxis durchaus ein gewisses Interesse. Jedenfalls erhielt ich eine Reihe von Einladungen an Universitäten, Hochschulen und in Seminare, um darüber zu berichten. Die Reaktionen waren auch stets freundlich. Doch schob ich die Arbeit immer wieder auf. Irgendwann konnte ich aber nicht mehr anders, als mit der Arbeit zu beginnen. Denn im Jahr 2014 begann sich auch immer deutlicher eine Entwicklung zu offenbaren, die nicht nur eine einzelne liberale Partei, sondern mittlerweile die liberalen Demokratien insgesamt in einer Weise herausfordert, wie es seit dem Fall der Berliner Mauer beispiellos ist. Ich kann und möchte nicht behaupten, in diesem Buch jedes Problem, das dafür verantwortlich ist, benannt zu haben. Ebenso möchte ich nicht behaupten, für jedes benannte Problem eine abschließende Lösung anbieten zu können. Aber vielleicht helfen meine Überlegungen, die eng mit dem Gedankengang ver-

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Vorwort

knüpft sind, der auf jenem weißen Blatt Papier begann, bei der Realisierung eines großen Ziels: nämlich der Verteidigung der liberalen Demokratie. Die Abgabe des Manuskripts fiel genau in die Zeit, in der die Coronakrise begann. Es spricht viel dafür, dass wir durch dieses weltgeschichtliche Phänomen auch etwas über die liberale Demokratie lernen werden. Aber aus der Nähe beurteilt sich das Ereignis nicht richtiger als mit einem gewissen Abstand. Denn der ist nötig, um Fakten zu sammeln und analytische Distanz zu gewinnen. Ich bitte daher um Nachsicht, dass dieses Phänomen nur am Rand eine Rolle spielt. Der besseren Lesbarkeit wegen verzichte ich auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers im Text. Jede Bezeichnung von Personengruppen meint gleichermaßen sämtliche Mitglieder unabhängig von ihrem Geschlecht. Bedanken möchte ich mich bei meiner Frau Janina für ihre Liebe, Geduld und ihre wertvollen Verbesserungsvorschläge, ohne die dieses Buch nicht möglich gewesen wäre. Eine große Hilfe waren mir auch meine Freunde Dr. Kai Kochmann und Dr. Lukas Köhler, die mir zu einzelnen Teilen des Manuskripts wertvolle Hinweise gaben. Genauso wichtig waren die konstruktiv-kritischen Hinweise von Jörg Asmussen und Wolfgang Büchner. Dank gilt meinem Lektor Jens Stahlkopf für die ausgesprochen sorgfältige Durchsicht des Manuskripts und seine guten Anregungen sowie meinem Verlag für sein intrinsisches Engagement für die Sache der politischen Freiheit und den unternehmerischen Mut, sich an diesem eigenwilligen Projekt einer Verbindung aus Verhaltenswissenschaft, Ideengeschichte und Politik zu beteiligen. Marco Buschmann Berlin, 12. April 2020

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Inhalt

Vorwort

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Freiheit und der sterbliche Teil der Seele

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59 61 74 89 99

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Kooperation: Seelenfrieden auf der Obstwiese  Rechtsstaat: Gewaltmonopol gegen ein Echo der Vergeltung  Marktwirtschaft: «tit for tat» zwischen Anbietern und Nachfragern  Demokratie: «tit for tat» mit dem Stimmzettel  Grundrechte: «tit for tat» zwischen Bürger und Staat

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Der Wiederbeginn der Geschichte  Zwei Teile der menschlichen Seele  Liberalismus und der sterbliche Teil der Seele

Elemente einer politischen Psychologie  Eine kurze Geschichte der politischen Psychologie  Schwarm- versus Individualitätsorientierung  Mord und Rufmord  Neophilie versus Neophobie  Post-hoc-Rationalisierung

Die vier Schulen der sterblichen Seele  Vier Schulen der sterblichen Seele  Schule I der sterblichen Seele: Liberalismus  Schule II der sterblichen Seele: Sozialutopismus  Schule III der sterblichen Seele: Patriarchenherrschaft  Schule IV der sterblichen Seele: ständischer Konservatismus

Die liberale Demokratie

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Inhalt

Bedingungen und Belastungen

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143 144 155 160 177

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185 188 193 196 199 201

Epilog: Mr. Spock und vier Mal Pille

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Personen- und Sachwortverzeichnis

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Anmerkungen

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Voraussetzungen der liberalen Demokratie  Hoffnung durch Wachstum  Grundrechtliche Experimentier- und Schönräume  Die Gefahren politischer Meinungsblasen  Funktionstüchtigkeit und Fehlerkultur

Die Sprache des sterblichen Teils der Seele  Sprachregeln  Halo-Effekt  «Cognitive ease»  Assoziative Aktivierung  Narrative Verzerrung  Konstruierter Konflikt

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Freiheit und der sterbliche Teil der Seele

«Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust, die eine will sich von der andern trennen: Die eine hält in derber Liebeslust sich an die Welt mit klammernden Organen; die andre hebt gewaltsam sich vom Dust zu den Gefilden hoher Ahnen.» Johann Wolfgang von Goethe, Faust I

Der Wiederbeginn der Geschichte «Die Menschen werden frei und gleich an Rechten geboren und bleiben es.» Das ist das große Bekenntnis aus der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789. Aber glauben wir heute noch daran? Würden wir heute noch applaudieren, wenn es heißt, «dass wir jeden Preis bezahlen, jede Last tragen, jedem Elend entgegentreten, jeden Verbündeten unterstützen, jedem Gegner widerstehen werden, um das Überleben und den Erfolg der Freiheit sicherzustellen», so wie es John F. Kennedy in genau jenem Jahr ausgerufen hat, als die Berliner Mauer errichtet wurde? Und würden wir heute noch der Ansicht zustimmen, dass «ebenso wie sich Wahrheit nur ausbreiten kann, wenn Journalisten Redefreiheit besitzen, es auch nur dann zu Wohlstand kommt, wenn Landwirte und Geschäftsleute wirtschaftliche Freiheit genießen», so wie Ronald Reagan es sagte, als er 1987 am Brandenburger Tor Michail Gorbatschow dazu aufforderte, die Berliner Mauer wieder niederzureißen? Wenn wir ehrlich zu uns selbst sind, dann tun sich die Gesellschaften des liberalen Westens heute immer schwerer damit, auf diese Fragen mit einem klaren Ja zu antworten. Dieses Buch möchte mithelfen, dass sich daran etwas ändert. Es bekennt sich zu diesem klaren Ja. Nach dem Fall der Berliner Mauer und des Eisernen Vorhangs im Jahr 1989 war die liberale Demokratie, die genau auf dem Gedanken aufbaut, 9


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Freiheit und der sterbliche Teil der Seele

dass Menschen frei und gleich an Rechten geboren werden, noch der un­­ bestrittene Sieger im Systemwettbewerb mit der Sowjetunion und ihren Satellitenstaaten. Der Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus schien ein für allemal bewiesen zu haben, dass es die Menschen zur Freiheit und zu rechtlicher Gleichheit drängt. Der liberale Westen besaß zu dieser Zeit nahezu unendliche Selbstgewissheit. Wie groß sie war, zeigt das berühmte Wort Francis Fukuyamas, der damals das «Ende der Geschichte» verkündete. Fukuyama stellt sich damit in die Tradition der deutschen Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel und Karl Marx. Beide hätten, so argumentierte der US-Politologe, nicht daran geglaubt, dass die Entwicklung menschlicher Gesellschaften unendlich weitergehe. Diese würde vielmehr einen Höhepunkt erreichen, an dem «es keinen weiteren Fortschritt in der Entwicklung grundlegender Prinzipien und Institutionen mehr geben würde, da alle wirklich großen Fragen endgültig geklärt wären».1 Hegel hat das vom preußischen Staat des 19. Jahrhunderts geglaubt. Marx hat das für sein sozialistisches Utopia prophezeit. Und Fukuyama hat das am Ende des 20. Jahrhunderts für die Institutionen des liberalen Westens gehofft. Denn angeblich gäbe es «einen kohärenten und zielgerichteten Verlauf der Menschheitsgeschichte, der letztlich den größten Teil der Menschheit zur liberalen Demokratie führen»2 werde. Der britische Politologe David Held ging noch weiter. Weil es fast eine Art naturgesetzlicher Entwicklung hin zur Freiheit gäbe und dieser Prozess zur Jahrtausendwende unumkehrbar weit gediehen sei, folge auf das «Ende der Geschichte» auch das «Ende der Politik».3 Das war Ausdruck einer allgemeinen Stimmung: Der Staat habe im Windkanal der Geschichte seine optimale Form gefunden. Das «anything goes» regierte. Es zählte nicht mehr links oder rechts, sondern jeder glaubte, vorne zu sein. Der «dritte Weg» war die Metapher der Stunde. Er vereinte angeblich, um mit Hegel und Marx zu sprechen, die alten Gegensätze von These und Antithese am Ende der Geschichte zur großen Synthese. Politische Grundsatzfragen erschienen mithin für die Zukunft überflüssig, dogmatisch und ideologisch. Die großen politischen Ideen hätten ihre historische Funktion erfüllt. Es schien, als seien sie Restposten des 19. Jahrhunderts: ohne jeden praktischen Nutzen und allenfalls noch mit Sammlerwert als Vitrinenstücke für Liebhaber. 10


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Der Wiederbeginn der Geschichte

Dieser Trend widerspiegelte sich auch in der Kultur. Die Schriftstellerin Juli Zeh beschreibt den Geist dieser Zeit so: «Politik war irgendwie ‹uncool› geworden. Da klebte plötzlich etwas Altmodisches, Verstaubtes, ja, Peinliches am engagierten Gewese.» Parteien reagierten darauf und inszenierten das eigene Programm zunehmend als «Anti-Politik».4 Die Labourpartei plakatierte in Großbritannien «Cool Britannia». Der damalige britische Premierminister Tony Blair wiederum war cool, weil er alles dafür tat, nicht wie ein Politiker zu wirken. Jedenfalls verkündete er sogar noch, während er das Amt des Regierungschefs ausübte: «Ich war niemals wirklich in der Politik. Ich bin niemals als Politiker groß geworden. Selbst jetzt fühle ich mich nicht als Politiker.»5 Dementsprechend spielten die großen Leitbegriffe der liberalen Demokratie im Geistesleben eine immer kleinere Rolle. Immer weniger Autoren nahmen sich ihrer immer seltener an. Sowohl das Interesse derjenigen, die darüber schrieben, sowie derjenigen, die darüber etwas lesen wollten, schrumpfte. Nimmt man die Erwähnungen der Begriffe Freiheit, Demokratie, Marktwirtschaft oder Verfassung zum Maßstab, so sinkt ihre Zahl in deutschsprachigen Büchern kurze Zeit nach dem Fall des Eisernen Vorhangs deutlich: 0,0180 % 0,0160 % 0,0140 %

Freiheit

0,0120 % 0,0100 %

Demokratie

0,0080 %

Verfassung

0,0060 % 0,0040 %

Marktwirtschaft

0,0020 % 0,0000 % 1990

1992

1994

1996

1998

2000

2002

2004

2006

Abbildung 1: Erwähnung ausgewählter Begriffe in deutschsprachigen Büchern gemäß Google Ngram

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Freiheit und der sterbliche Teil der Seele

Doch diese Vorstellung vom Staat, der keine Politik mehr benötigte und für den politische Orientierung eher hinderlich sei, bekam Risse. Besonders deutlich wurden sie nach der Finanz- und Eurokrise, die im Jahr 2008 ausbrach. Plötzlich war die politische Verwirrung groß. Das nimmt nicht wunder. Denn wenn eine Gesellschaft über Jahre hinweg auf politische Orientierungsdebatten verzichtet, verliert sie eben auch die Übung darin, sich in unübersichtlichen Zeiten politisch über ihre Richtung zu verständigen. Selbst konservative Publizisten wie der Thatcher-Biograf Charles Moore in Großbritannien und der damalige FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher in Deutschland taumelten plötzlich. Sie begannen zu glauben, «dass die Linke Recht hat»6 mit ihrer fundamentalen Kritik an Globalisierung und Marktwirtschaft. Während sich konservative Intellektuelle an das linke Lager wandten, machte ein Teil der Bevölkerung das rechte Lager stark. So dünnte die politische Mitte aus. Spätestens ab dem Jahr 2014 konnte das niemand mehr übersehen: Der rechtsradikale Front National erzielte bei den Europa­wahlen 2014 in Frankreich ein Rekordergebnis von fast 25 Prozent. Die ultrakonservative PiS errang bei den Parlamentswahlen in Polen ihr Rekordergebnis von fast 38 Prozent. Der ungarische Regierungschef Viktor Orbán verkündete, dass das Ziel seiner Politik «kein liberaler Staat, sondern ein illiberaler Staat»7 sei. Ziel dieser Attacke ist also nicht das Mehrheits­prinzip, sondern seine Bändigung durch Grundrechte, Rechtsstaat und Minderheitenschutz – eben das Liberale an der liberalen Demokratie. Daher lautet das Schlagwort der Anhänger Orbáns meist auch «illiberale Demokratie». Er feierte unter diesem ideologischen Banner gleich mehrere Wahlerfolge. Die Entwicklung setzte sich über die Jahre hin auch in anderen Ländern fort. Die rechtspopulistische AfD feierte 2016 bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt am 13. März ein Rekordergebnis von fast 25 Prozent. Am 23. Juni 2016 stimmte eine knappe Mehrheit im Vereinigten Königreich für den sogenannten Brexit, also den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union. In Österreich wäre am 4. Dezember 2016 fast der rechtspopulistische FPÖ-Kandidat Norbert Hofer zum Bundespräsidenten der Alpenrepublik gewählt worden. Am 20. Januar 2017 übernahm Donald Trump die Amtsgeschäfte als US-Präsident und setzte seinen Politikstil fort, der auf Populismus und radikale Polarisierung setzt. 12


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Elemente einer politischen Psychologie

«Wir sehen die Dinge nicht, wie sie sind, sondern wie wir sind.» Talmud

«Quod volumus, facile credimus.»/ Was wir uns wünschen, das glauben wir leicht. John Locke

Eine kurze Geschichte der politischen Psychologie George Lakoff ist einer der einflussreichsten Sprachwissenschaftler unserer Zeit. Fast jeder kennt seine berühmte Aufforderung: «Denken sie nicht an einen Elefanten!»37 Natürlich erscheint uns sofort das Bild des riesigen Rüsseltiers vor dem inneren Auge. Dabei soll doch laut Aufforderung genau das nicht passieren. Das ist die höchst praktische Demonstration dafür, wie schwer sich unser Denken mit Negationen tut: Wenn wir einen Begriff verneinen, rufen wir ihn im Geist auf. Lakoff hat aber nicht nur über Elefanten in unseren Köpfen nachgedacht. Ihn beschäftigten auch die Programme politischer Parteien. Dort fiel ihm etwas ebenso Einleuchtendes auf wie die Unmöglichkeit, nicht an einen Elefanten zu denken. Lakoff stellte fest, dass Parteiprogramme Hunderte von Einzelposi­ tionen umfassen. Bei Licht betrachtet gibt es aber meist keinen rational durchgängigen Gedanken, der diese Positionen mit Notwendigkeit oder gar logischer Konsistenz verbindet. Was er, ein bekennender Anhänger der Demokraten in den USA, aber sofort bemerkte, war, dass er so ziemlich jede Position des republikanischen Parteiprogramms spontan ablehnte.38 Das war jedoch nicht die Folge einer vertieften oder rationalen Beschäftigung mit dieser Vielzahl von Einzelpositionen. Es war mehr ein spontaner Impuls. Man könnte sagen: Es war ein kleiner Schubs des sterblichen Teils seiner Seele. 25


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Elemente einer politischen Psychologie

Lakoff entwickelte daraufhin eine entwicklungspsychologische Theorie der Politik. Seiner Ansicht nach nehmen wir im Alltag spontan eine ablehnende oder zustimmende Haltung zu konkreten politischen Positionen ein, wenn wir von ihnen hören oder lesen. Ob die Reaktion ablehnend oder zustimmend ist, hänge von bestimmten Charaktereigenschaften ab, die wir besitzen. Diese wiederum seien Folge unserer Erziehung: Wer einen strengen Vater habe, aus dem werde ein konservativ denkender Mensch, der später Republikaner wähle; wer jedoch fürsorgliche Eltern habe, der denke später als Erwachsener progressiv und wähle Demokraten.39 Man könnte an dieser These viel kritisieren. Auf der Hand liegt, dass sie sehr stark auf das Zweiparteiensystem der USA zugeschnitten ist. Was hilft das zweiteilige Modell strenger Vater versus fürsorgliche Eltern in einem politischen System mit derzeit sieben im Bundestag vertretenen Parteien wie in Deutschland? Man könnte auch kritisieren, dass die Wahl der Begriffe nicht wirklich trennscharf ist: Ist ein strenger Vater nicht auch fürsorglich, weil seine Strenge doch Ausdruck seiner Fürsorge ist? Aber wir stellen diese Bedenken zurück. Denn das Spannende ist, dass Lakoff sich in die Tradition Platons und dessen Überlegungen zum sterblichen Teil der Seele stellt. Schon in Platons Der Staat heißt es: «Wenn es nun fünf staatliche Verfassungsformen gibt, so wird es, was den einzelnen Menschen betrifft, auch fünf Arten von Seelenverfassung geben.»40 Platon argumentiert, dass es «Charaktereigenschaften»41 seien, die den Menschen dazu bringen, eine bestimmte Staatsverfassung zu tragen und der dahinterstehenden politischen Idee zuzuneigen. Er spart in seinem Werk auch nicht mit entwicklungspsychologischen Erklärungen für diese politisch wirksamen Charaktereigenschaften. Eine betraf etwa den «timokratischen Jüngling», also einen jungen Mann, der meint, die politische Stellung eines Menschen müsse von seinem Erfolg, Vermögen oder Kriegsglück abhängen. Dessen Überzeugungen folgten, so Platon, aus der Erziehung durch einen ehrbaren, aber politisch nicht ehrgeizigen Vater und «den Klagen der Mutter […], die sich nicht darein finden kann, dass ihr Mann nicht zu den Spitzen des Staates gehört, und sich dadurch zurückgesetzt fühlt hinter den anderen Frauen».42 Es gibt also eine psychologische Tradition von der Antike bis in die Gegenwart, die versucht, in das scheinbare Chaos der Vielfalt politischer Ideen und ihrer Anziehungskraft auf bestimmte Menschen ein wenig Ord26


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Eine kurze Geschichte der politischen Psychologie

nung zu bringen. Dazu haben auch andere Geistesgrößen bedeutende Beiträge geleistet. Jean Bodin gilt als Begründer der französischen Staatstheorie. Er hat gegen Ende des 16. Jahrhunderts seine sechs Bücher über den Staat veröffentlicht. Darin legte er auch eine politische Psychologie vor. Man müsse «von einer großen Variationsbreite der menschlichen Natur» ausgehen, die sich selbst innerhalb ein und derselben Stadt feststellen ließe. Wer «irgendwelche Veränderungen des Staates und der Gesetze» vorhabe, müsse «Veranlagung und Charakter» der Bürger genau kennen und die Maßnahmen daran anpassen.43 Eine systematische Typologie verfasste er nicht. Er belässt es vielmehr bei praktischen Ratschlägen. Einer lautet etwa: Eine Regierung solle in Glaubensfragen keine Gewalt anwenden. «Denn je stärkerem Zwang die Menschen unterliegen, desto störrischer werden sie.»44 Die moderne Psychologie würde hier von Reaktanz sprechen.45 Das meint eine Abwehrreaktion als Antwort auf psychischen Druck oder die Einschränkung von Freiheitsspielräumen durch Vorschriften und Verbote. Ein anderer Ratschlag Bodins hat sich bis in die Politik der Gegenwart als extrem wirkmächtig erwiesen. Zur Festigung eines Staatswesens nach innen empfiehlt er die «Schaffung eines äußeren Feindes, gegen den eine gemeinsame Front gebildet» werden könne.46 Das ist in gewisser Hinsicht die instrumentelle Antwort auf Reaktanz. Denn genau diese soll durch die Angst vor dem äußeren Feind überwunden werden. Dieser Ratschlag ist keine Kopfgeburt Bodins, sondern das Ergebnis aufmerksamer Beobachtung. Der psychologische Effekt dahinter wurzelt vermutlich in unserem genetischen Erbe. Jedenfalls lässt sich genau dieses Verhaltensmuster auch bei unseren engsten Verwandten, den Menschenaffen, beobachten: Wenn die sozialen Spannungen innerhalb einer Gruppe von Schimpansen zunehmen, dann suchen sie sich einen äußeren Feind. Das können zum Beispiel Großkatzen wie Löwen oder Geparden sein. Gegen diese stoßen sie dann kollektiv Drohungen aus. Die inneren Spannungen legen sich dann schnell. Das Verhalten ist selbst dann zu beobachten, wenn von den Großkatzen gar keine Gefahr ausgeht. Das gilt etwa für Zoos, wo beide Arten sicher voneinander getrennt leben.47 Im 19. Jahrhundert beherzigte Napoleon III. diesen Rat Bodins immer wieder. Erst wurde er zum Präsidenten Frankreichs gewählt. Dann folgten 27


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Elemente einer politischen Psychologie

Putsch, Diktatur und Selbsterhebung in den Kaiserstand. Immer wenn seine Stellung innenpolitisch umstrittener wurde, suchte er außenpolitische Konflikte, die ihn politisch festigten. Doch er hatte einen gelehrigen Schüler. Otto von Bismarck studierte die Politik des französischen Kaisers sehr genau. Das «Meisterstück» seines preußischen Schülers kostete Napoleon III. schließlich den Thron. Denn um die Einigung Deutschlands nach innen zu erzwingen, führte Bismarck – ganz nach dem Rat Bodins – bekanntlich einen erfolgreichen Krieg gegen den reizbaren Nachbarn im Westen herbei. Heute erkennen Experten wie Timothy Snyder beim russischen Präsidenten Wladimir Putin eine ähnliche Entwicklung wie bei Napoleon III. Ursprünglich demokratisch gewählt, habe er mittlerweile eine Art Diktatur errichtet.48 Russland erweckte lange Zeit den Eindruck, im Wettlauf zwischen USA und China keine Rolle mehr zu spielen. Daher steht Putin schon seit Jahren unter innenpolitischem Druck. Da wirkt es für ihn natürlich verlockend, den Weg Napoleons III. zu gehen. Russland demonstrierte jedenfalls auf der Krim und später in Syrien seine militärischen Fähigkeiten nach außen und schloss so die Reihen nach innen. Genau dieses Muster zeichnet auch die Politik des türkischen Staatschefs Recep Tayyip Erdoğan nach. Ursprünglich führte er demokratische und wirtschaftspolitische Reformen durch, die sich an westlichen Mustern orientierten. Spätestens seit dem gescheiterten Putschversuch von 2016, der sich gegen Erdoğan richtete, verfolgt er eine offen autokratische Innenpolitik und eine aggressive Außenpolitik, die zu Militäreinsätzen gegen die Kurden im Irak und zu militärischer Intervention in Lybien führten. Einen weiteren bedeutenden Versuch im Bereich der politischen Psychologie unternahm Karl Jaspers. Er war Arzt, Psychotherapeut und ein Philosoph von Weltrang. Seinen ersten Lehrstuhl für Philosophie erhielt er aufgrund seines Buchs Psychologie der Weltanschauungen, das im Jahr 1919 erschien. Dem Werk wird eine «durchschlagende Wirkung»49 bescheinigt. Eine der zentralen Forschungsfragen bestand darin, psychologisch zu erklären, «wie es dazu kommt, dass Menschen etwas anerkennen, richtig und recht finden».50 Dazu entwickelte Jaspers eine Reihe von «Geistes­ typen». Ihnen ordnet er unter anderem bestimmte politische Konzepte wie den Autoritarismus, den Liberalismus und den sogenannten Wertabsolutismus zu.51 28


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Eine kurze Geschichte der politischen Psychologie

Insbesondere das, was Jaspers Wertabsolutismus genannt hat, besitzt auch heute in öffentlichen Debatten große Relevanz. Darunter versteht er eine Abtrennung bestimmter Werthaltungen von den Menschen, die diese Werte praktizieren. Diese Trennung von «Wert und Wertträger» führe zu einer Verabsolutierung, die in eine «Verachtung des Individuellen», eine «Blindheit für Persönlichkeiten» und einen Mangel an Sinnlichkeit münde.52 Mathematisch ausgedrückt geht es nur noch um die Optimierung einer verabsolutierten Variable. Die Gefahr dahinter hat bereits der Ideenhistoriker Isaiah Berlin problematisiert. Er warnte vor dem gesellschaftlichen Leitbild eines «bestimmten ‹Optimums› von Verhaltens-, Denk- und Empfindungsmustern bei Individuen oder ganzen Gesellschaften».53 Das sei nämlich das Ende individueller Freiheit. Dem autoritären Geistestyp, von dem auch schon Jaspers sprach, ging Theodor W. Adorno in besonderer Weise nach. Auch er arbeitete mit der Idee, dass «die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaft­lichen Überzeugungen eines Individuums» ein «zusammengehaltenes Denkmuster» bildeten, das in Anhängigkeit von «der individuellen Charakterstruktur» stehe.54 Mithilfe von Interviews und Fragebögen, die in wesentlichen Teilen Konzepte der Psychoanalyse zugrunde legten, hat er diesen Zusammenhang empirisch erforschen wollen. Adornos Interesse galt deshalb dem «autoritären Charakter», weil er das Kernargument seiner Er­­klärung für den Siegeszug des Nationalsozialismus in der Weimarer Republik bildete. Zwar wird in der Wissenschaft mittlerweile die Art der Auswertung der von ihm erhobenen Daten stark angezweifelt.55 Die ­Forschungsfrage allerdings, was dem Autoritarismus seine Anziehungskraft verleiht, ist heute brandaktuell. Denn schließlich befinden sich in fast allen liberalen Demokratien des Westens autoritäre Kräfte auf dem Vormarsch. Verschiedene Disziplinen der Wissenschaft wie Psychologie, Neurologie, Biologie oder Evolutionspsychologie haben mittlerweile eine ganze Reihe neuer Erkenntnisse gewonnen. Sie lagen weder Platon noch Bodin, weder Jaspers noch Adorno vor. Sie lassen sich am einfachsten anhand zweier Gegensatzpaare darstellen, die wir Schwarm- versus Individualitätsorientierung sowie Neophilie versus Neophobie nennen werden. Sie werden uns später helfen, den Einfluss des sterblichen Teils der Seele auf das politische Denken besser zu verstehen. 29


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Elemente einer politischen Psychologie

Schwarm- versus Individualitätsorientierung Meterlange Regalwände politologischer und philosophischer Bibliotheken sind mit Abhandlungen über die Begriffe der Freiheit und der Gleichheit gefüllt. Sie behandeln schwierige Fragen: Schließen sich Freiheit und Gleichheit gegenseitig aus? Oder sind sie zwei Seiten einer Medaille? Bilden sie zwei Schalen einer Waage? Und wenn ja: Welche wiegt dann schwerer? Ist die Antwort abhängig von der Person oder Situation, um die es konkret geht? Oder gibt es endgültige und abschließende Wahrheiten über ihr Verhältnis zueinander? Die Fragen, die sich um beide Begriffe ranken, sind Legion. Aber selbst wenn der ganz überwiegende Teil der Menschen keine einzige Zeile dieser Abhandlungen gelesen hat, hat doch jeder sofort eine persön­ liche Meinung zu diesen beiden Schlüsselbegriffen Freiheit und Gleichheit. Das zeigt, dass sich hinter diesen rationalen Vernunftbegriffen, mit denen der göttliche Teil der Seele versucht, die Dinge in den Griff zu bekommen, Regungen des sterblichen Teils der Seele verbergen. Sie geben uns einen spontanen Schubs in die eine oder andere Richtung. Die eine Richtung bildet die Schwarmorientierung und die andere die Individualitätsorientierung. Bereits Immanuel Kant, der wichtigste Philosoph der deutschen Aufklärung, hat diesen «Antagonism», wie er es nannte, als eine Eigenschaft der menschlichen Natur beschrieben. Sein Konzept der «ungeselligen Geselligkeit» des Menschen beruht auf dem Gedanken, dass jedermann hin- und hergerissen sei zwischen der «Neigung, sich zu vergesellschaften« und «sich zu vereinzeln».56 Der große Ideenhistoriker Isaiah Berlin stellte für das 19. Jahrhundert fest, dass sich in politischen Debatten über alle Lager hinweg immer wieder zwei Grundtypen herauskristallisierten: die Idee, der Mensch sei «ein freies, von Natur aus gutes Geschöpf, das durch obsolete, korrupte oder zwielichtige Institutionen, die sich als Erlöser oder Beschützer oder als Hort geheiligter Traditionen maskieren, behindert oder enttäuscht wird»,57 oder er sei nicht in der Lage, «sich von sich aus zu retten; zu Recht suche er deshalb Hilfe bei großen Strukturen – Staaten, Kirchen, Gewerkschaften».58 Hans Kelsen, der früh einige Grundprinzipien der liberalen Demokratie skizzierte und sie in den 1920er-Jahren sowohl gegen Kommunismus als auch Faschismus gleichermaßen intellektuell verteidigte, sprach im Zusammenhang mit Freiheit und Gleichheit davon, dass es sich um «Urinstinkte»59 30


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Die vier Schulen der sterblichen Seele

«Vielleicht werd’ ich dir erzählen, was du sehen willst, hören willst Oder fühlen willst, erleben willst, was du spüren willst. Vielleicht nichts von dem, denn ich kann nicht sehen, wie du bist, Weil was ich denk nur in meinem Kopf ist.» Die Fantastischen Vier

Vier Schulen der sterblichen Seele Der sterbliche Teil der Seele nimmt Einfluss auf unser politisches Denken. Das heißt nicht, dass wir ihm ausgeliefert sind. Wenn wir eine politische Frage interessant oder wichtig genug finden, dann können wir durch bewusstes Nachdenken natürlich zu einem anderen Ergebnis kommen, als es uns der sterbliche Teil unserer Seele spontan als richtig nahelegt. Aber das ist anstrengend und geschieht daher nur, wenn wir dafür sehr motiviert sind. Gegen ihre eigene Intuition entscheiden Menschen eher selten. Wenn man den sterblichen Teil der Seele unterschiedlicher Menschen beschreiben möchte, so gelingt das durch die beiden Gegensatzpaare Schwarm- versus Individualitätsorientierung sowie Neophilie versus Neophobie. Das wurde im vorangegangenen Kapitel herausgearbeitet. Eine ähnliche Darstellung wählte bereits der Psychoanalytiker Fritz Riemann. Er sprach von den «zwei großen Antinomien»,127 in denen wir als Menschen leben. Seine beiden Antinomien ähneln auch den hier vorgestellten Gegensatzpaaren. Er sprach bei der ersten Antinomie von der «Forderung zur Individuation, also dazu, ein einmaliges Einzelwesen, ein Individuum zu werden», und von der «Forderung, sich einzuordnen in ein größeres Ganzes» und mithin «unser eigenes Wollen zu begrenzen zugunsten überpersönlicher Zusammenhänge». Bei der zweiten Antinomie sprach er vom «Impuls nach Dauer und Beständigkeit» sowie dem «Impuls, der uns immer wieder vorwärts, zur Veränderung und Wandlung treibt».128 Freilich betrifft 59


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Die vier Schulen der sterblichen Seele

der Großteil der Ausführungen Riemanns die pathologischen Übertreibungen dieser Neigungen. Das ist für einen Psychotherapeuten naheliegend. Denn er hat regelmäßig mit seelisch erkrankten Menschen zu tun. Für den Bereich der Politik in der Demokratie interessiert uns aber eher der gesunde Mensch, dessen Neigungsausprägungen sich im Rahmen des statistisch Üblichen bewegen. Es gibt noch einen weiteren wichtigen Unterschied. Anders als in Riemanns Darstellung, die sich diesen vier großen Antriebskräften gewissermaßen in Reinform widmet, interessieren uns hier die Mischformen aus jeweils zwei dieser Antriebskräfte. Es liegt nämlich nahe, beide Gegensatzpaare in einem Modell zu kombinieren. Am übersichtlichsten gelingt diese Kombination in einem Koordinatensystem. Dazu beschreibt die horizontale Achse das erste Spannungsfeld und die vertikale Achse das zweite. Dadurch entstehen vier Quadranten, in denen jeweils zwei Neigungen unseren Charakter vornehmlich prägen. Wenn wir sie kartesisch durchnumerieren, dann steht der Quadrant – oben rechts mit der römischen Ziffer I für die Kombination aus individualitätsorientiert und neophil, – oben links mit der römischen Ziffer II für die Kombination aus schwarmorientiert und neophil, – unten links mit der römischen Ziffer III für die Kombination aus schwarmorientiert und neophob sowie – unten rechts mit der römischen Ziffer IV für die Kombination aus individualitätsorientiert und neophob. Jedem einzelnen Menschen ließe sich – je nach seiner charakterlichen Veranlagung – ein Punkt in diesem Koordinatensystem zuordnen. Dieser Standpunkt beeinflusst entsprechend, welche politische Position er spontan für plausibel hält oder bei welcher er ein spontanes Störgefühl empfindet. Die Menschen, die sich im gleichen Quadranten wiederfinden, empfinden tendenziell ähnlich. Sie bilden sozusagen eine Schule intuitiv ähnlich denkender Menschen. So ergeben sich die vier Schulen der sterblichen Seele. Jeder Quadrant und mithin jede Schule der sterblichen Seele steht für die Kombination zweier Neigungen. Ansätze für ähnliche Modelle finden sich bereits in der Literatur.129 60


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Schule I der sterblichen Seele: Liberalismus Neophilie

II

I

Schwarmorientierung

Individualitätsorientierung

III

IV

Neophobie Abbildung 2: Das System der vier Schulen der sterblichen Seele

Wir wollen nun die vier Schulen der sterblichen Seele, die uns eher in die eine oder andere politische Richtung neigen lassen, genauer analysieren. Eines ist besonders wichtig für das Verständnis: Das Zusammentreffen zweier Neigungen führt nicht zu ihrer bloßen Summierung. Es entstehen Wechselwirkungen. Die Neigungen modifizieren sich gegenseitig. Dadurch lassen sich der wesentliche Inhalt und die Anziehungskraft der klassischen politischen Strömungen der Moderne auf bestimmte Menschen psychologisch gut verstehen. Die enge Verbindung von psychologischer Disposition im sterblichen Teil der Seele und politischem Denken wird im Folgenden anhand einer Reihe klassischer Texte und biografischer Elemente ihrer Autoren offenbar.

Schule I der sterblichen Seele: Liberalismus In Quadrant I unseres Koordinatensystems trifft sich Schule I der sterblichen Seele. Hier verbindet sich Individualitätsorientierung mit neophiler Neigung. Die Wechselwirkungen dieser beiden Neigungen liegen auf der Hand: 61


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Die vier Schulen der sterblichen Seele

Das Neue, für das man offen ist, ist insbesondere dann interessant, wenn es nützlich ist. Denn dadurch soll es die eigene Reputation steigern. Neue Kenntnisse aus Bildung und Ausbildung sollen sich als vorteilhaft erweisen, um die eigene gesellschaftliche oder materielle Stellung zu verbessern. Neue Erlebnisse und Erfahrungen wie kulturelle Aktivitäten oder Reisen sind dann besonders begehrenswert, wenn sie geeignet erscheinen, den eigenen gesellschaftlichen Status durch Respekt, Interesse oder Anerkennung anderer zu verbessern. Das Neue, nach dem man als Forscher sucht, ist etwas für den Einzelfall Konkretes, Nützliches und Anwendbares. Daraus speisen sich ein gewisses Selbstbewusstsein und eine tatkräftige Zuversicht. Diese Grundhaltung hat Isaiah Berlin in folgende Worte gefasst: «Der Mensch, sofern er nur will, ist, zumindest dem Prinzip nach, überall und unter allen Umständen imstande, […] Lösungen für seine Probleme zu finden und in die Tat umzusetzen.»130 Ideen, Konventionen oder Regeln, die den Möglichkeiten der Verbesserung des eigenen Status oder neuen Erlebnissen oder Erkenntnissen im Weg stehen, wirken spontan unplausibel. Ideen, Konventionen oder Regeln, die den Einzelnen vor Mord oder Rufmord131 durch die eigene Gruppe schützen oder ihm die Abweichung von Traditionen oder gewöhnlichen Standards erlauben, erlangen spontan Zustimmung. Da das Anders- und Neusein der intuitive Weg zum Reputationsgewinn erscheint, ist ein Konflikt nichts, dem man unbedingt ausweicht. Denn er eröffnet die Möglichkeit, die eigene originelle Position im Widerstreit zwischen Alt und Neu sowie Gewöhnlich und Außergewöhnlich zu demonstrieren. In Schule I der sterblichen Seele stößt am meisten die politische Lehre des Liberalismus spontan auf Resonanz. Wie plausibel das ist, zeigt eine kurze Beschreibung dieser Denkrichtung, die Bertrand Russel in seinem umfangreichen Werk zur Philosophie des Abendlandes verfasst hat: «Der frühe Liberalismus war optimistisch, tatkräftig und philosophisch, da er aufsteigende Kräfte repräsentierte […] Er stand philosophisch wie politisch in ausgesprochenem Gegensatz zu allem Mittelalterlichen, da mittelalterliche Theorien dazu verwendet worden waren, die Macht von Kirche und König zu sanktionieren, die Verfolgung zu rechtfertigen und der aufstrebenden Wissenschaft entgegenzuwirken […].»132 62


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Die liberale Demokratie

«Liberale Demokratie ist die Organisation eines Wettstreits, der von Leidenschaften lebt, die immer nahe dran sind zu explodieren.» Raymond Aron

Kooperation: Seelenfrieden auf der Obstwiese Die Mitglieder der vier Schulen der sterblichen Seele bewerten die meisten Sachverhalte, Herausforderungen und Entscheidungssituationen spontan unterschiedlich. Soll man etwas anders machen als früher? Die Anhänger von Schule I und II können sich das auf Anhieb gut vorstellen. Die Anhänger von Schule III und IV reagieren spontan skeptisch. Soll man für möglichst viele Lebensbereiche allgemein verbindliche Regeln schaffen? Die Mitglieder von Schule II und III können sich das auf Anhieb gut vorstellen. Die Anhänger von Schule I und IV reagieren spontan eher skeptisch. Und so weiter. Eine gute Staatsverfassung muss die Frage beantworten, wie sie bei all diesen unterschiedlichen Neigungen den inneren Frieden zwischen den vier Schulen der sterblichen Seele bewahrt und ein gedeihliches Zusammenleben ermöglicht. Kurz, sie muss klären, wie Kooperation unter Mitgliedern der verschiedenen Schulen der sterblichen Seele möglich wird. Um zu zeigen, wie dieses Kunststück in der liberalen Demokratie ge­­ lingt, müssen wir zunächst klären, wie Kooperation unter der Bedingung zustande kommt, die Ausgangspunkt der liberalen Demokratie ist: «Die Menschen werden frei und gleich an Rechten geboren und bleiben es.»243 Es ist relativ einfach, das scheinbar perfekte Zusammenleben utopisch zu konstruieren, wenn man sich auf die Seite einer der vier Schulen der sterblichen Seele schlägt. Schule I würde sich allein darauf beschränken, die Menschenrechte zu achten und zu schützen. Schule II würde dazu neigen, die Ordnung auf eine prophetisch begabte Person (Moses), Gruppe (die Avantgarde 107


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Die liberale Demokratie

der Partei bei Lenin) oder Institution (demokratischer Zentralismus) hin auszurichten. Diese Person oder diese avantgardistische Elite würde dann, so ist die Hoffnung, die richtige Zukunft für alle kennen und entsprechend handeln. Schule III würde sich einen starken und fürsorglichen Bewahrer der Welt, wie sie ist, wünschen, so wie Thomas Hobbes die Idee des Leviathan schuf, der durch einen starken «Oberherrn» agiert. Schule IV würde sich darauf konzentrieren, mit allen Mitteln eine Ordnung zu bewahren, die die eigenen Besitzstände möglichst schont. Doch jeder, der auf diese Weise nach der besten aller Welten oder zumindest nach einer guten Staatsverfassung sucht, müsste sich die berühmte Gegenfrage Robert Nozicks gefallen lassen. Er war neben John Rawls sicher der bedeutendste politische Philosoph des 20. Jahrhunderts. Nozick antwortete auf die Frage, wie die beste aller Welten aussehen solle, wie folgt: «Für wen? Die beste aller möglichen Welten für mich wird es nicht auch für dich sein. Die Welt, in der ich von allen, die ich mir vorstellen kann, am liebsten leben möchte, dürfte nicht genau die sein, in der du leben möchtest.»244 Will sagen: Wenn wir den Gedanken ernst meinen, dass die Menschen frei und gleich an Rechten geboren werden und es bleiben, dann gilt er für alle Menschen – egal welcher Schule der sterblichen Seele sie angehören. Dann müssen wir einen Weg zur Kooperation finden, der den Mitgliedern der einen Schule der sterblichen Seele nicht die Sehnsüchte und Hoffnungen einer anderen aufdrängt. Der Seelenfrieden der liberalen Demokratie kann keine apriorische Entscheidung für die eine oder andere Schule der sterb­ lichen Seele zugrunde legen. Das wäre kein Friede der Freiheit und der Gleichheit, sondern wohl eher eine Form der Unterdrückung. Der Seelenfrieden der liberalen Demokratie, in der alle Menschen den Anspruch darauf haben, so behandelt zu werden, dass sie frei und gleich an Rechten geboren sind und es bleiben, muss allen Schulen der sterblichen Seele einen Weg weisen, um miteinander friedlich leben zu können. Das führt zu einer weiteren schwierigen Frage: Wie kommt es zum friedlichen Zusammenleben und zur Kooperation auf Augenhöhe? Wie kann eine Ordnung des Zusammenlebens möglichst vermeiden, dass sie von vorneherein einzelne Schulen der sterblichen Seele mit Pauschalurteilen 108


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Kooperation: Seelenfrieden auf der Obstwiese

manichäischer Provenienz wie richtig und falsch, anständig und unanständig oder gut und böse versieht? Die sind so gut wie nie objektiv, sondern meist bloßer Reflex der eigenen Zugehörigkeit zu einer der vier Schulen der sterblichen Seele. Viele Einsichten darüber, wie Kooperation auf Augenhöhe zustande kommt, verdanken wir der Spieltheorie. Dabei handelt es sich um eine recht neue Disziplin der Mathematik. Zum Durchbruch verhalfen ihr der Mathematiker John von Neumann und der Wirtschaftswissenschaftler Oskar Morgenstern in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sie versuchten zu erklären, wie sich eine Mehrzahl von Menschen in Entscheidungssituationen verhalten, wenn sie alle gewinnen wollen. Die ersten Arbeiten dieser neuen Disziplin befassten sich mit Gesellschaftsspielen. Daher stammt auch ihr Name. Betrachtet man klassische Gesellschaftsspiele, so spricht manches auf den ersten Blick für das Weltbild des Thomas Hobbes. Er war der Meinung, dass die Welt ohne einen mächtigen «Oberherrn» in einem Krieg aller gegen alle versinkt. Oder man erkennt in Gesellschaftsspielen das Weltbild eines Karl Marx, der meinte, dass der Gewinn des Kapitalisten nur ein anderes Wort für die Ausbeutung des Arbeiters sei. Denn spielen zwei Menschen Karten oder Schach, so kann nur einer von beiden gewinnen. Wenn einer der beiden gewinnt, verliert der andere zwangsläufig. Solche Spiele nennt man Nullsummenspiele. Das bedeutet, dass der Gewinn eines Spielers immer mit dem Verlust eines anderen Spielers einhergeht. Daher bleibt die Summe aus Gewinn und Verlust immer null. Wer also gewinnen möchte, muss dem Mitspieler einen Verlust und damit also einen Schaden zufügen. Das nennen Spieltheoretiker «defektieren».245 Nullsummenspiele begünstigen also die Defektion des Mitspielers. Denn wenn keiner verliert, kann auch keiner gewinnen. Die Erkenntnisse der Spieltheorie zeigen jedoch, dass das Zusammenleben der Menschen nach anderen Prinzipien verlaufen kann als denen eines Nullsummenspiels. Die Spieltheorie kann zeigen, dass Menschen lernen können, sich einander nützlichere Optionen anzubieten, als nur zu versuchen, sich gegenseitig etwas wegzunehmen. Einfacher ausgedrückt könnte man das Argument wie folgt umschreiben: Statt sich um die Stücke eines kleinen Kuchens zu streiten, indem jeder versucht, dem anderen etwas weg109


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Die liberale Demokratie

zunehmen, versuchen Menschen gemeinsam den Kuchen einfach größer zu machen. Dann bleibt für jeden mehr. In der Managementlehre würde man von Synergie oder superadditiven Effekten sprechen. Das Spiel ist dann kein Nullsummenspiel mehr. Um sich das konkreter vorzustellen, liegt eine Methode nahe, die bereits viele politische Denker benutzt haben: ein Gedankenexperiment zu einer Art von Naturzustand. Wir stellen uns dazu zwei Menschen auf einer Obstwiese vor. Die Äpfel, die dort wachsen, hängen jedoch so hoch, dass sie keiner der beiden allein erfolgreich pflücken kann. Leitern oder Werkzeuge gibt es nicht. Beide können aber eine Räuberleiter bilden, sodass sie recht einfach an die Äpfel kommen. Sie haben also die Möglichkeit zur Kooperation. Natürlich stellt sich die Frage, wer in der Räuberleiter unten steht und wer oben. Denn wer unten steht, geht ja das Risiko ein, dass der andere sich einfach einen Apfel schnappt, beiseite springt und ihn allein verzehrt. Das wäre dann ein Nullsummenspiel: Wer oben steht gewinnt, wer unten steht verliert. Oben defektiert unten. Die Annahme eines Nullsummenspiels würde jede Kooperation auf Augenhöhe unterbinden. Der einzige Weg zur Kooperation wäre Zwang. Oben zwingt unten zum Beispiel durch die Androhung physischer Gewalt. Zwang ist aber in Anbetracht unserer Prämisse, dass alle Menschen frei geboren sind und es bleiben, immer ein Problem. Daher blenden wir ihn als Option hier aus. Ganz anders sieht die Lage aus, wenn man dieses Spiel über mehrere Runden spielt. Dann gilt der Grundsatz, dass man sich mindestens zwei Mal im Leben sieht. Denn wenn beide Spieler zwei Mal miteinander ko­­ operieren, haben sie zwei Mal einen halben Apfel – sprich, einen ganzen. Das ist schon genau so viel, wie sich durch Defektieren in der ersten Runde erreichen lässt. Ab der dritten Runde haben beide drei halbe Äpfel, also sogar mehr als sich durch Defektieren in der ersten Runde erreichen lässt. Das setzt aber voraus, dass man kooperiert und teilt. Sonst kommt einem der Partner abhanden, der notwendig ist, um mehr als nur einmal einen Apfel zu pflücken. Kooperation lohnt sich also selbst für vermeintliche Egoisten. Daher gibt es einen nutzenorientierten Anreiz, das Risiko einzugehen, unten zu stehen. Denn es lockt auf Dauer mehr Nutzen, als oben zu stehen und zu defektieren. Dazu muss man allerdings über mehrere Runden spielen. Das 110


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Die Sprache des sterblichen Teils der Seele

«Das ist der Weisheit letzter Schluss: Der verdient sich Freiheit wie das Leben, Der täglich sie erobern muss.» Johann Wolfgang von Goethe, Faust I

Sprachregeln In dem Film Die Unbestechlichen von Brian De Palma spielt Sean Connery den Polizisten Jim Malone, der gegen die italienische Mafia im Chicago der 1930er-Jahre kämpft. Als ein Auftragskiller versucht, ihn mit einem Messer umzubringen, erschießt er ihn mit seiner abgesägten Schrotflinte. Dabei ruft er: «Das kann nur ein Spaghettifresser sein. Kommt mit einem Messer zu einer Schießerei!» In der Wirklichkeit ist es meistens andersherum, die bösen Jungs und Mädchen haben die gefährlicheren Waffen als die guten. Das gilt oft auch für den politischen Meinungskampf. Populisten von links und rechts sind meistens sehr gut darin ausgebildet, sich an die Sehnsüchte des sterblichen Teils der Seele zu wenden. Sie bedienen sich dabei seiner Sprachregeln. Wenn die Verteidiger der liberalen Demokratie diese Sprachregeln nicht beherrschen, erscheinen sie mit einem Messer zu einer Schießerei. Das kann nicht gut gehen. Den steigenden Einfluss dieser Sprachregeln kann man auf der Basis verhaltenswissenschaftlicher Erkenntnisse recht plausibel nachvollziehen. Nach allem, was wir heute wissen, steigt er mit insbesondere vier Faktoren: erstens Zeitdruck, zweitens Komplexität bzw. «information overload», drittens geringes Interesse bzw. «low involvement» und viertens Unsicherheit durch große Ähnlichkeit der Entscheidungsalternativen.371 Für diese Faktoren lässt sich belegen, dass sie in den letzten 30 Jahren stärker wurden und folglich der Einfluss der Sprachregeln des sterblichen Teils der Seele zugenommen hat. 185


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Die Sprache des sterblichen Teils der Seele

Misst man den Zeitdruck etwa daran, wie berechenbar die Arbeitszeiten von Arbeitnehmern sind, dann hat er objektiv zugenommen. Jedenfalls hat das Marktforschungsinstitut TNS Emnid im Auftrag des DGB 2011 ermittelt, dass etwa 20 Jahre zuvor 27 Prozent aller Arbeitnehmer einen klassischen «nine till five»-Job hatten. Das meint klar definierte Arbeitszeiten von 9 bis 17 Uhr. Im Jahr 2011 waren es dagegen nur noch 16 Prozent. Der gefühlte Zeitdruck ist ebenfalls hoch. 80 Prozent der Arbeitnehmer klagen nach dieser Studie über zunehmenden Zeitdruck. Das Gefühl, keine Zeit zu haben und gehetzt zu sein, ist typisch für Phasen des technologischen, wirtschaftlichen, sozialen und politischen Wandels. In den bewegten 1960er-Jahren schuf Graham Greene den Begriff Burnout. Nach der Jahrtausendwende breitete sich das dahinter stehende chronische Erschöpfungssyndrom in den OECD-Staaten massiv aus. Ähnliche Erschöpfungzustände wurden in der Zeit der Industrialisierung mit dem Begriff der Neurasthenie diagnostiziert. Er entstand in den USA und machte im Deutschland des späten 19. Jahrhunderts mit seinen enormen technischen, wirtschaftlichen, sozialen und politischen Umbrüchen Karriere.372 Der Historiker Joachim Radkau schreibt dazu: «Ziemlich genau um 1880 wurden Klagen über Nervosität, Nervenschwäche, ‹Neurasthenie› zum Zeichen der Zeit: zuerst in den USA, kurz darauf aber mindestens ebensosehr in Deutschland.»373 Die Informationskomplexität bzw. der «information overload» nimmt täglich zu. 1993 gab es die erste Website. 2013 gab es fast 700 Millionen Websites – darunter zahllose Newsportale, die um unsere Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit buhlen. Eric ­Schmidt, der ehemalige CEO von Google, hat dazu folgenden Vergleich gezogen: Wenn man sämtliche menschliche Kommunikation bis ins Jahr 2003 aufgezeichnet hätte, benötigte man etwa fünf Milliarden Gigabyte Speicherplatz. Seit etwa 2010 häufen wir diese Datenmengen alle zwei Tage an.374 Diese Schätzung berücksichtigte, dass täglich über 900 000 Blog-Posts, 50 Millionen Tweets, 60 Millionen Facebook-StatusUpdates und 210 Milliarden E-Mails entstehen.375 Mittlerweile dürften diese Zahlen noch bedeutend größer sein. Anfang 2017 meldete das britische Internetanalyseunternehmen Netcraft jedenfalls, dass es weltweit über 1,8 Milliarden Websites geben würde.376 Während 1995 weniger als 1 Prozent der Weltbevölkerung Zugang zum Internet besaß, sind es im Jahr 2018 schon 186


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Sprachregeln

etwa 40 Prozent gewesen.377 Diese gewaltige Zahl an Nutzern generiert miteinander immer mehr Content und immer größere Datenmengen. Politik wird tendenziell immer mehr zu einem «low involvement»Thema. 1990 fanden 52 Prozent der Bundesbürger nach Zahlen des Marktforschungsinstituts TNS Emnid Politik interessant. 2012 sind es nur noch 24 Prozent. Freilich sind die Zahlen aus dem Jahr 1990 als Referenz mit einer gewissen Vorsicht zu genießen. Denn die Zeit war hochpolitisch durch den Fall des Eisernen Vorhangs und durch den Prozess der deutschen Wiedervereinigung. Insgesamt lässt sich jedoch feststellen, dass die Menschen Politik interessanter finden, wenn es bei Wahlen um etwas geht oder die Mehrheitsverhältnisse kurz vor den Wahlterminen knapp sind. Trotzdem ist der langfristige Trend rückläufig. Auch die Verunsicherung in Bezug auf Politik nimmt zu. 1990 meinten nach TNS Emnid noch 59 Prozent der Wähler in Deutschland, es mache einen Unterschied, ob die CDU oder die SPD regiert. 2012 waren es nur noch 30 Prozent. 46 Prozent meinen sogar, es gebe keine Unterschiede zwischen den Parteien. Im Dezember 2015 veröffentlichte das Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap sogar Zahlen, nach denen die Mehrheit der Bevölkerung die CDU «links der Mitte verortet».378 Das wirkt natürlich einiger­ maßen kurios, übernahm doch die CDU in der Bundesrepublik traditionell die Aufgabe, Sammlungsbewegung auf der Mitte-rechts-Seite des Parteienspektrums zu sein. Daher liegt hier ein klares Indiz für die Verunsicherung der Wähler in Bezug auf die politischen Parteien vor. Samuel L. Popkin hat einen Begriff dafür geprägt, unter welchen Bedingungen in einem solchen Umfeld politische Kommunikation stattfindet. Er spricht von «low information rationality».379 Seine These lautet, dass niemand an dem vorbeikommt, was Daniel Kahneman System 1 und dieses Buch den sterblichen Teil der Seele nennt. Wer erfolgreich kommunizieren wolle, sei zwingend auf diese Erkenntnisse angewiesen. Kommen wir also zur Sprache des sterblichen Teils der Seele. Die Sprache des sterblichen Teils der Seele und ihre vier Schulen verhalten sich wie Lautstärke und Stil in der Musik zueinander. In der Musik beispielsweise gibt es unterschiedliche Stilrichtungen wie Klassik, Pop, Rock oder Rap. Die meisten Menschen haben eine Vorliebe für einen dieser Stile. So ist es auch mit dem sterblichen Teil der Seele. Er neigt dazu, eine Vorliebe für eine 187


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Die Sprache des sterblichen Teils der Seele

bestimmte Art von Musik zu entwickeln. Bestimmte Charaktereigenschaften, die unter den Menschen unterschiedlich verteilt sind, begründen diese verschiedenen Neigungen zu einer der vier Schulen der sterblichen Seele. Was im Sound unserer bevorzugten Stilrichtung erklingt, erscheint uns spontan plausibler, vernünftiger oder gerechter. Die Sprachregeln der sterblichen Seele verhalten sich zu politischen Inhalten wie die Lautstärke zum Musikstil. Je lauter ich sie spiele, desto mehr Menschen können sie hören. Je mehr Menschen sie hören, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie auch jemand hört, der sie mag. Die Lautstärke richtet sich danach, inwiefern die Inhalte gemäß der Regeln der «low information rationality» aufbereitet sind. Das bedeutet zum Beispiel, je häufiger ich einen politischen Inhalt exponiere, desto mehr Menschen finden ihn zustimmungsfähig. Diese Sprachregel des sterblichen Teils der Seele haben wir bereits ausführlich unter dem Begriff «mere exposure» besprochen.380 Es treten aber noch eine ganze Reihe weiterer solcher Sprachregeln hinzu. Der Halo-Effekt ist nicht nur die Grundlage effektiver Markenführung in der Wirtschaft, sondern auch notwendiger Symbole in der Politik. Je einfacher ich den politischen Inhalt präsentiere, desto mehr Menschen halten ihn für richtig. In der Wissenschaft spricht man hier von «cognitive ease». Je angenehmer oder unangenehmer die Assoziationen sind, die Sprachbilder auslösen, mit denen politischer Inhalt präsentiert wird, desto angenehmer oder unangenehmer wirkt er. Das nennen Wissenschaftler die «assoziative Aktivierung». Je stärker ich meine Botschaft nicht als unverbundene Bruchstücke, sondern wie Perlen an der Kette einer klar und konventionell strukturierten Geschichte präsentiere, desto mehr Menschen werden sie plausibel finden. Dieser Effekt heißt «narrative Verzerrung».

Halo-Effekt Niemand würde spontan auf die Idee kommen, dass man die Fähigkeiten eines Politikers an der Form seines Kinns, die Qualifikation eines Soldaten an seiner Größe oder die Qualität eines Buchs an der Gestaltung seines Deckels festmacht. Aber das passiert jeden Tag. Diese Phänomene behandelt die Wissenschaft unter dem Begriff Halo-Effekt. Der Psychologe Edward Thorndike hat ihn als Erster beschrieben.381 188


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Epilog: Mr. Spock und vier Mal Pille

Was bedeutet das alles nun für die argumentative Verteidigung und Zu­­ kunftsfähigkeit der liberalen Demokratie? Dazu kommen wir auf den Be­­ ginn dieses Buchs zurück. Dort erfuhren wir, dass sich die beiden brillanten Wissenschaftler Richard Thaler und Cass Sunstein ein wenig über den sterblichen Teil der Seele lustig machen. Den göttlichen Teil der Seele vergleichen sie mit dem Vulkanier Mr. Spock. Das ist der erste Offizier auf der Brücke von Captain James T. Kirk aus der Fernsehserie Raumschiff Enterprise. Spock sei die emotionslose Inkarnation der reinen Vernunft. Den sterblichen Teil der Seele vergleichen sie dagegen mit Homer Simpson. Das ist das nie wirklich erwachsen gewordene große Kind aus der Zeichentrickserie Die Simpsons, das seine Impulse niemals unter Kontrolle hat. Beide, Thaler und Sunstein, stehen damit in der langen Tradition Platons, der den sterblichen Teil der Seele verachtete und gerade deshalb aus der Arbeit der Philosophen heraushalten wollte. Und da seiner Ansicht nach die Philosophen auch herrschen sollten, hatte der sterbliche Teil der Seele für ihn auch keinen respektablen Platz in der Politik. Wer die Fernsehserie Raumschiff Enterprise gut genug kennt, würde Thaler, Sunstein und Platon aber gleich zwei Dinge entgegenhalten. Erstens: Auf der Brücke von Captain Kirk ist der Gegenspieler von Mr. Spock kein liebenswerter Trottel, sondern der promovierte Arzt Dr. Leonard H. McCoy, Pille genannt. Dort steht ein gebildeter und hoch qualifizierter Mann für die emotionalen Reaktionen des Menschen, der unter dem Einfluss seines sterblichen Teils der Seele steht. Pille verkörpert vieles von dem, was Adam Smith «Sympathie» nannte. Wenn sie fehlt, dann kommt es nach David Hume zum Zusammenbruch des menschlichen Gemeinwesens. Politik kann und darf demgemäß also den sterblichen Teil der Seele weder ignorieren noch pauschal stigmatisieren. Zweitens: Die Pointe in nahezu jeder Folge von Raumschiff Enterprise ist, dass beide, Mr. Spock und Pille, Captain Kirk beraten. Erst im Zusammenspiel von Verstand und Intuition, von göttlichem und sterblichem Teil der 205


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Epilog: Mr. Spock und vier Mal Pille

Seele, kommen die Entscheidungen zustande, die den Erfolg am Ende jeder Folge bewirken. Das ist im Prinzip eine uralte Weisheit, die schon in der Antike bekannt war. Denn der Erzieher aller griechischen Helden von Jason über Achilles bis zu Aineias hieß Chiron. Er gehörte zu den Kentauren, war also ein Mischwesen aus Mensch und Tier. Wenn einige nun also sagen, dass erst der göttliche Teil der Seele den Menschen ausmache und der sterbliche Teil für das Tierische stehe, so musste der vollkommene Held der Antike also offenbar darin ausgebildet sein, beide Teile der Seele zu kennen und sie zu beherrschen. Wer sollte für diese Ausbildung besser geeignet sein als ein Wesen, das ganz offenkundig beides in sich vereinigt? Doch für diese Erkenntnis hätte es dieses Buchs nicht bedürft. Dafür hätten schon einige Folgen Raumschiff Enterprise genügt. Die Pointe dieses Buchs ist, dass es nicht nur einen Pille gibt. Es gibt vier – so wie es eben auch vier Schulen der sterblichen Seele gibt. Die Entscheider in der Politik haben es also schwerer als Captain Kirk. Der musste nur dem Dialog zwischen Mr. Spock und Pille folgen, um erfolgreich seine Schlüsse daraus zu ziehen. Entscheider in der Politik sind mit Mr. Spock und vier Mal Pille konfrontiert. Denn in jedem menschlichen Gemeinwesen gibt es Mitglieder aller vier Schulen der sterblichen Seele. Diese Tatsache ist der psychologische Treiber des Pluralismus. Vielfalt ist in unserer Seele angelegt. Die Idee eines homogenen Willens politischer Gemeinweisen, wie sie Links- wie Rechtsradikale immer wieder artikulieren, ist wider die Natur des Menschen. Und welche Rolle hat Mr. Spock? Er ist der Experte, der Technokrat, der Dinge darauf hin testet, ob sie am Ende tragfähig sind und technisch funktionieren. Seine Vorschläge und Argumente lösen aber häufig Angst und emotionalen Widerspruch aus. Wenn man so will, nimmt er im parlamentarischen Regierungssystem die Rolle der Verwaltung und der Fachpolitiker ein. Das nüchterne Expertenwissen klopft jede Option daraufhin ab, ob sie nach dem Stand von Wissenschaft und Technik umsetzbar wäre. Doch diese Arbeitsweise hat Grenzen. Mr. Spock ist insofern ein typisches Produkt der 1960er-Jahre. Damals stellten sich viele den perfekten Entscheider tatsächlich wie eine gefühllose Maschine vor. Entscheider, so dachte man, müssten wie Apparate arbeiten, «die eine strikt deduktive Logik anwenden, durch eine vollständige Berechnung aller Optionen zu ihren Entscheidungen ge­­ langen und genau die richtige Antwort ausspucken, egal wie lange und 206


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mühsam sie darüber nachdenken müssen».423 Menschen sollten also wie Computer werden, um die Probleme der Welt zu lösen. Das kreative Produkt dieses Zeitgeists war eben der Vulkanier Mr. Spock. Heute wissen wir, dass solche Rechenkunststücke nur unter der Bedingung gelingen, dass es klare Regeln gibt, nach der die Umgebung funktioniert, vollständige Informationen vorliegen und genug Zeit verbleibt, um eine schier unbegrenzte Zahl von Möglichkeiten durchzuspielen. Über diese realitätsfremden Prämissen machte sich bereits der Science-Fiction-Autor Douglas Adams in seinem berühmten Roman Per Anhalter durch die Galaxis lustig. Außerirdische bauten der Menschheit einen Supercomputer. Er sollte ihr die Frage nach «dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest» beantworten. Nach 7,5 Millionen Jahren Rechenzeit verkündete der Computer, dass die Antwort «Zweiundvierzig» laute und mit absoluter Sicherheit vollkommen korrekt sei. Damit konnte natürlich niemand auch nur das Geringste anfangen. Die moderne Informatik weiß mittlerweile, dass Computersysteme, die die Probleme der wirklichen Welt lösen sollen, lernen müssen, «mit dem Zufall umzugehen, zwischen Zeitaufwand und Genauigkeit abzuwägen und mit Annäherungswerten zu arbeiten».424 Dazu müssen sie sich gewisser «Daumenregeln» bedienen. Ihre wissenschaftliche Bezeichnung lautet Heuristiken. Das meint Regeln, mit denen sich trotz begrenzten Wissens und wenig Zeit praktikable Lösungen finden lassen. Die Idee der 1960er-Jahre hat sich mittlerweile also umgedreht: Nicht die Menschen müssen wie Computer werden, um die großen Probleme der Welt zu lösen. Sollen die Computer mithelfen, um die Probleme dieser Welt zu lösen, müssen sie ein Stück weit mehr wie Menschen werden. Aus diesem Grund ist es für gute politische Entscheidungen so wichtig, dass es einen Ort gibt, an dem nicht nur Vulkanier die politischen Probleme der Menschen debattieren, sondern auch die vier Pilles Gehör finden. Dort müssen sie die Vorschläge, zu denen die politischen Heuristiken der vier Schulen der sterblichen Seelen führen, vortragen und dafür werben können. Also: Man müsse den Menschen die Freiräume lassen, um mit ihren individuellen Kompetenzen innovative Lösungen zu finden (Schule I). Die Gemeinschaft müsse über den Staat den einen richtigen Weg identifizieren und dann gemeinsam alle auf diesem Weg mitnehmen (Schule II). Die 207


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Epilog: Mr. Spock und vier Mal Pille

Gemeinschaft brauche eine straffe Führung, die die sich der Tradition und der Fürsorge für die Gemeinschaft verschreibe (Schule III). Jeder hat, was er verdient, und daran solle sich auch nichts ändern (Schule IV). Der Ort für dieses Gespräch ist das Parlament und die demokratische Öffentlichkeit, in dem Wettbewerb um die besten Lösungen existiert. Genau das bewirkt die liberale Demokratie. Sie ist der Versuch, allen fünfen gerecht zu werden: Mr. Spock und vier Mal Pille. Auf Dauer tut es dem Gemeinwesen gut, wenn technisches Expertenwissen und die Heuristiken aller vier Schulen der sterblichen Seele zur Lösung der vielen unbekannten Probleme bereitstehen, die eine ungewisse Zukunft hervorbringt. Dazu diskutieren alle fünf miteinander, bilden Koalitionen, Mehrheiten, immer anders, immer neu – je nachdem, wie es die Herausforderungen der Zeit gerade verlangen. Entweder findet die Mehrheit neue Lösungen oder die Lösungen suchen sich neue Mehrheiten. So funktioniert die Sache im Ideal. Auf diese Weise hat sich liberale Demokratie als erstaunlich erfolgreich, flexibel und wandlungsfähig erwiesen. Der Grund dafür ist, dass alle Teilnehmer an diesem Gespräch frei und gleich an Rechten geboren sind. Dann nämlich hat jeder die Möglichkeit, seinen Standpunkt gleichberechtigt einzubringen. Durch die Experimentierund Schönräume grundrechtlicher Freiheit werden die Entscheidungen nach der Mehrheitsregel akzeptabel oder zumindest erträglich, selbst wenn man einer Schule der sterblichen Seele angehört, die gerade nicht mehrheitsbildend wirkt. Durch den gemeinsamen Nutzen aus Kooperation und durch zivilisierte «tit for tat»-Mechanismen zur Bereinigung von Konflikten werden viele Menschen zu einer gewissen Kulanz im Umgang miteinander motiviert. Doch kann bei diesem Prozess auch einiges schiefgehen. Eine Schule der sterblichen Seele kann sich zum Beispiel selbst mit dem gleichsetzen, was eigentlich der göttliche Teil der Seele ist, nämlich die reine Vernunft. Dann erkennt sie keine Berechtigung mehr für die anderen Schulen der sterblichen Seele. Dieses Phänomen nennen wir gemeinhin Ideologie. Mit argumentativem Geschick bei der Anwendung von Sprachregeln der sterblichen Seele kann es einer solchen Schule dann auch ohne Zwang und Gewalt gelingen, Meinungsblasen zu erzeugen. Die Heuristiken und Bedürfnisse der anderen Schulen werden an den Rand gedrängt. Manche glauben dann sogar, diese Schulen würden ganz aussterben. Doch in Wahrheit ziehen sich 208


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ihre Mitglieder nur in das Schneckenhaus einer Schweigespirale zurück. Erkennen diese in Parlament und demokratischer Öffentlichkeit dauerhaft niemanden mehr, dem sie vertrauen und der das Empfinden ihrer eigenen Schule der sterblichen Seele glaubwürdig vertritt, dann werden sie anfällig für Populisten. Schaffen es die Populisten, sei es von rechts oder links, die Schweigespirale mit Getöse zu durchbrechen, dann finden sie zuerst Gehör in den Schneckenhäusern und danach an der Wahlurne. Populisten wiederum sind Leute, die taub sind für Mr. Spocks Argumente oder die sich gar nicht vorstellen können, dass man die Dinge anders sehen könnte als aus der Perspektive ihrer eigenen Schule der sterblichen Seele. Sie leben von der radikalen Entzündung der Sehnsüchte, Leidenschaften und Ängste ihrer eigenen Schule der sterblichen Seele. Dazu nutzen sie mitunter die gleichen Sprachregeln der sterblichen Seele wie die Ideologen. So kann man sie manchmal von außen gar nicht mehr voneinander unterscheiden. Populisten besitzen freilich nicht den Anspruch, eine Lösung zu präsentieren, die sie mit technischen Fakten abgeglichen haben. Anders als die Ideologen setzen sie sich nicht selbst an die Stelle Mr. Spocks. Sie verweigern vielmehr das Gespräch mit ihm. Sie halten ihn für dekadent, unnahbar oder elitär. Dass ein Gespräch mit Mr. Spock sinnvoll sein könnte, kommt diesen Leuten gar nicht in den Sinn. Sie verstehen zu wenig von den technischen Details, um selbst auf den Gedanken zu kommen, dass sie wichtig sein könnten. Manchmal aber sind sie auch einfach nur skrupellos. Dann erkennen sie im Populismus lediglich eine Technik für individuellen Erfolg in der Politik, obwohl sie es eigentlich besser wissen. Zu einem gewissen Anteil gab es und gibt es solche Leute auch in seriösen Parteien. Es wird sie dort auch immer geben. Mitunter erfüllen sie sogar eine wichtige Funktion. Sie sorgen nämlich insbesondere in regierungstragenden Parteien dagegen vor, dass hier nur noch die Vulkanier das Sagen haben. Eine ausschließlich vulkanisch dominierte Partei wird bald das Verständnis für die menschlichen Reaktionen in der Bevölkerung verlieren. Ihre Wähler entziehen ihr dann das Vertrauen. Das ist in der liberalen Demokratie nicht schlimm, wenn andere seriöse Parteien bereitstehen, in der es genug Vulkanier gibt, um den technischen Herausforderungen des Regierungsgeschäfts gewachsen zu sein, und genug Pilles, um die Sehnsüchte eines ausreichend großen Teils der Bevölkerung zu verstehen. 209


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Epilog: Mr. Spock und vier Mal Pille

Gefährlich wird es aber, wenn in allen seriösen Parteien nur noch Vulkanier das Sagen haben und dann Parteien auftauchen, in denen nur noch Populisten den Ton angeben. Dann gelingt kein lösungsorientiertes Gespräch mehr miteinander. Die seriösen Kräfte verlieren zunehmend Resonanz bei einem erheblichen Teil der Bevölkerung. Die Populisten nisten sich in diesem Vakuum des Vertrauens ein und setzen sich dort fest. Von dort aus sabotieren sie bewusst oder fahrlässig immer mehr die Funktionsfähigkeit von Staat und Politik, um den Raum des Vertrauensvakuums noch zu vergrößern. Etwas Ähnliches geschieht, wenn im seriösen Parteienspektrum eine oder mehrere Schulen der sterblichen Seele gar nicht mehr repräsentiert sind und so dem Populistmus ein intuitives Monopol für eben diese Schulen der sterblichen Seele eingeräumt wird. Wer die liberale Demokratie verteidigen möchte, muss das Ziel verfolgen, den Raum dieses Vertrauensvakuums Stück für Stück wieder zu verkleinern. Das ist eine heroische Aufgabe. Diese Mission ist eines Captain Kirks würdig. Denn von ihr hängt das Schicksal der liberalen Demokratie auf dem Weg in die Zukunft ab – also dem Ort, den «nie zuvor ein Mensch gesehen hat». Möchte Captain Kirk dabei erfolgreich sein, dann braucht er dazu nicht nur einen Vulkanier, sondern mindestens vier Pilles aus den vier verschiedenen Schulen der sterblichen Seele. Sprich: Die seriöse Parteienlandschaft in der liberalen Demokratie muss Wege finden, wie sie alle vier Schulen der sterblichen Seele politisch reflektiert, also über deren Anliegen ernsthaft nachdenkt und ihre Haltungen erkennbar widerspiegelt. Wenn Captain Kirk einen Plan gefasst und sich für ein Ziel entschieden hat, dann lässt er den Kurs berechnen und gibt das Kommando, mit dem diese Buch enden soll: «Energie!»

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Personen- und Sachwortverzeichnis

A Abwanderung von Inländern  49 Adam-Smith-Problem  112 Adams, Douglas  207 Adenauer, Konrad  195 Adorno, Theodor W.  29 f. Agenda 2010  173 f. Ägidius, Peter  86 Akerloff, George A.  161 Aktivierung, assoziative  188, 196 f. Alexander, Robin  176 Altmann, Rüdiger  106 Amygdala  147 Angst vor Neuem  45 animal spirits  161 Anti-Establishment-Strategie  178 Anti-Miranda  130 Antinomien, die zwei großen  59 Anti-Politik  11 Apple Marketing Philosophy  191 Arbeitslosigkeit  146, 151 Aristoteles  31, 161 Aron, Raymond  107, 145 Aufbau einer Blase  162 Austausch, der große  49 Autokauf  57 f. Avantgarde  83 f., 97, 107, 116 Axelrod, Robert  111 f., 116, 118, 127, 145

Baum, Thilo  194 behavioral economics  15 Bergpredigt  119 Berlin, Isaiah  29, 31, 62, 72 Berlusconi, Silvio  178 Berlusconismus  178 Bernstorff, Andreas Graf von  201– 203 Berufsethik, journalistische  183 Bevölkerungsexplosion  151 Bilge, Leyla  48 Bismarck, Otto von  103–105 Blair, Tony  11, 173 Blasenbildung, gedankliche  162 f. Blome, Nikolaus  179 Böckenförde, Ernst-Wolfgang  143 Bodin, Jean  27 f., 30, 103, 136 Boehm, Christopher  39 Bolsonaro, Jair  42 Bösch, Frank  87 Böttger, Johann Friedrich  70 f. Bourgeoisie  80 f., 85, 98 Brandenburger, Adam  125 Brexit  12 f., 50 Brinkhaus, Ralph  47 Bund der Gerechten  80 Bund der Kommunisten  80 Burnout  186 Bush, George W.  190

B Barnum, Phineas Taylor  164, 166 Baselitz, Georg  168

C Cambridge Analytica  56 Campbell, Joseph  200

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Personen- und Sachwortverzeichnis Camus, Renaud  49 cherry picking, grundrechtliches  158 Christdemokratie in Italien  178 Chua, Amy  84 Cialdini, Robert  37 Cicero  198 citizenship in a republic  67 Clark, Christopher  100–104 Clinton, Hillary  42, 166, 178 Codex Iustinianus  155 cognitive ease  188, 193–195 Connery, Sean  185 Cool Britannia  11 Coopetition  125 Cortisol  147 Crash  161 f. Crash-Propheten  162 Cruz, Ted  166 D Dahrendorf, Ralf  14, 96, 106, 167, 178 Dauergäste in Talkshows  164 De Palma, Brian  185 Deaton, Angus  124 Decker, Frank  90 Defektionsketten  116, 118, 122 Demokratie  6, 9–14, 19, 22 f., 31, 60, 69, 79, 82, 107 f., 115 f., 121, 123– 148, 155–160, 177, 180, 185, 192, 194, 205, 208–210, Demokratie, aleatorische  14 Demokratie, illiberale  12 f., 141 Deneen, Patrick J.  13 Denken, magisches  192 Dietz, Bernhard  129 Digitalisierung  150, 152 Diktatorspiel  113 f. Dominanzorientierung  37

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E early adopters  53 f., 89 econ  15 f. Edenhofer, Ottmar  89, 149, Effekt der bloßen Darbietung  163 f. Ehe für alle  52 Eigentum  65, 67 f., 81, 86, 94, 155 f., 159, 161 Einstein, Albert  177 Einwanderungspolitik  48 Elsässer, Jürgen  48 Empirismus  64 Ende der Geschichte  10, 13, 173 Ende der Politik  10, 13 Ende des Liberalismus  13 Entfremdung, kulturelle  49, 51, 93 f. Enzensberger, Hans Magnus  55 Erhard, Ludwig  20, 106 Eribon, Didier  49, 85 Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte  9, 67 Esken, Saskia  85 Establishment  64, 99, 178 f. Ethnopluralismus  197 Europawahl 2014  12 Europawahl 2019  13 EU-Vertrag  123 Experimentierräume, grundrecht­ liche  156, 159 F Fall des Eisernen Vorhangs  9, 11, 14, 187 Fall des Menschen  71 Fehde  117, 119 Fehlerkultur  177, 181, 183 Fehr, Ernst  115 f. Feuer, Lewis S.  200 Filmer, Robert  64 f., 91


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Finanz- und Eurokrise  12 Fischer, Joschka  84 Fischhoff, Baruch  181 Flüchtlingskrise  175 Forsthoff, Ernst  106 framing  197 Frances, Allen  38 Freihandel  148 Freihandelsbewegung  102 Freiheit  9–11, 14, 18, 21, 24, 29–31, 34, 41, 43 f., 53, 67–69, 72 f., 82, 84, 86, 93, 102, 108, 121, 123, 126, 130, 140 f., 152, 156, 158, 170, 185, 208 Freiheit durch das Gesetz  121 Fremdarbeiter  48 Freund und Feind  42 Friedrich der Große  100 Friedrich, Caspar David  94 Frost, David  93 Fücks, Ralf  85, 153 Fukuyama, Francis  10, 14, 160 Fürsorge  26, 65, 78, 89–92, 96, 134, 174, 180, 208 G Gardner, Heidi K.,  47 Garton Ash, Timothy  41 Gaskill, Malcolm  154 Gauland, Alexander  48 Gefühl moralischer Überlegenheit  33 Gegnerkonstrukt  202 Gemeinwille  131 f. Gemeinwohlwirtschaft  14 Geselligkeit, ungesellige  30 Gesellschaft, formierte  106 Gesellschaften, kalte und heiße  54 Gesinnungskontrolle  122 Gewaltmonopol  116, 119, 121 f.

Gleichheit  10, 30 f., 35, 39, 43 f., 67, 99, 108, 121, 126, 131, 157, 177 Gleichheit vor dem Gesetz  121 Globalisierung  12, 148 Glotz, Peter  85, 194 Gorbatschow, Michail  9 Greene, Graham  186 Greenpeace  201–204 Grillo, Beppe  42 Großzügigkeit  118 Grotius, Hugo  91 Grundrechte  12, 83, 137, 139–142, 156–159 Grünewald, Stephan  32, 160 H Habeck, Robert  47 Haidt, Jonathan  44 f. Halo-Effekt  188–193, 199 Hamburger Sturmflut  179 Hank, Rainer  86 Harari, Yuval Noah  14 Harmonieorientierung  37 Harrod, Roy  203 Harvey, William  64 Hauptmann, Gerhart  152 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich  10, 80, 82, 184 Held, David  10, 14 Heraklit  124 Herrmann, Ulrike  80, 82, 195 Hexenjagd  154 Highlander-Prinzip  133 Hintze, Otto  104 Hobbes, Thomas  108 f., 153 f. Hochschild, Arlie Russel  146, 149 Hochwertwörter  130 f. Höcke, Björn  49 Hofer, Norbert  12

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Personen- und Sachwortverzeichnis Hoffnung  13, 17, 20, 85, 108, 113, 131, 133, 137, 144–154 Höflingsgeist  170 Holmes, Stephen  13, 49 f. Homo oeconomicus  15 Homosexualität  51 f. Hübl, Philipp  44 f. Hugo, Victor  55 human  15 Hume, David  19, 21, 114, 205 Huxley, Aldous  164 I Ideologie  200, 208 in dubio pro reo  121 Indikatorfrage  57 Industrialisierung  150 f., 186 Innovation  54, 72, 99, 106, 144, 147, 151, 181, 183 Ipsen, Jörn  140 Irrtümer  14, 119 f. Iyengar, Shanto  163 J Jakob II.  64 Jaspers, Karl  28–30, 56 Jerobeam II.  96 Johnson, Boris  13 Juristengeist als Gegengewicht  139, 142 K Kahneman, Daniel  15 f., 187, 199 f., Kainiten  72 Kant, Immanuel  30, 65, 124 Kelsen, Hans  31 Keltner, Dacher  40 Kennedy, John F.  9, 23 Kernbotschaften  164

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Keynes, John Maynard  161, 203 King, Steven  41 Kinski, Klaus  169 Kleist, Heinrich von  94, 117 Klimawandel  88 f., 149 Klimt, Gustav  168 Konfliktinszenierungen  202 Konfrontation, symbolische  202 Kooperation  23, 38, 107–130, 133, 135, 137, 144 f., 148, 152, 154, 201, 208 Korruption  177–179 Krankheiten  45, 51 f. Krastev, Ivan  13, 49 f. Kulanz  127, 130, 208 Kurz, Sebastian  168 L Lafontaine, Oskar  48 Lakoff, George  25, 93, 196 Landfrieden, Ewiger  119 late adopters  54 Latte macchiato  46 Lauterbach, Karl  165 Le Pen, Marine  52 Lenin  83, 108, 124 Leopold, Till  152 Leviathan  91 f., 108, 153 Lévi-Strauss, Claude  54, 103 Levitsky, Steven  13, 141 Liberalismus  5, 13 f., 19, 21 f., 28, 35, 39, 61–63, 70, 98, 105, 119, 129 Liberalismus, vulkanisch-platonischer  21, 112 Liebe zu Neuem  45 Liechtenstein, Ulrich von  73 Lindner, Christian  5 Lloyd George, David  135 Lobo, Sascha  165


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Lochocki, Timo  204 Locke, John  25, 63–69, 119, 170 f. low information rationality  187 f. low involvement  185, 187 Lübbe, Hermann  84 Lucas, George  200 Luce, Edward  13, 155 M Machiavelli, Niccolò  74 Macron, Emmanuel  13 MAD-Doktrin  120 Magna Charta Libertatum  121 Magnus, Marsdahl  46 Mainzer Reichslandfrieden  119 Manet, Édouard  168 Mann, Heinrich  82 Manow, Philipp  145 Markenführung  188, 191 Markkula, Mike  165, 191 Marktwirtschaft  11 f., 14, 20, 35, 80, 84, 106, 123–130, 150 f., 173 f., 196 Marx, Karl  10, 73, 79–85, 109, 124, 129, 164 McCloskey, Deirdre Nansen  20, 112, 151 Meinungsblasen  160–177, 199, 208 Meinungsfreiheit  141, 156 Meinungsumfragen  163, 175 Mensch, autonomieorientiert  36 f. Mensch, beziehungsorientiert  37 Mensch, individualitätsorientiert  33 f., 66, 77, 88, 99, 132, 162 Mensch, schwarmorientiert  31 f., 34, 39 f., 64, 74, 76, 82, 86, 95, 147, 177 Menschenrechte  67 f., 107, 122, 134 mere exposure  163–169, 172, 177, 188

Merkel, Angela  175 f., 182, 195 Metaphorik, assoziative  196 f. Milanovic, Branko  148 Mill, John Stuart  170 f. Minimalstaat  88 Mirabeau, Comte de  102 Miranda  130 Mises, Ludwig von  43 Missionierung, Hang zur  74 Missverständnisse  119, 201 Moeller van den Bruck, Arthur  98 Monomythos  200 Monopol  102, 127, 210 Moore, Charles  12 Moralpsychologie  44 Mord  62, 66, 75 f., 81, 97, 135, 158, 171 Morgenstern, Oskar  109 Mortimer, Ian  64, 73 Morus, Thomas  85 f., 88 Müller-Armack, Alfred  20 muslim ban  141 mutual assured destruction  120 N Nachsichtigkeit  118 Nalebuff, Barry  125 Napoleon III.  27 f. Naturzustand  70, 91 f., 110, 119 Neid  33 Neoliberalismus  35, 52 Neophilie  21, 30, 43–55, 59, 61, 88, 101 Neophobie  21, 30, 43–55, 59, 61, 89, 94, 98, 105, 148 Nero  169 Neue Rechte  98 Neumann, John von  109 Neurasthenie  186

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Personen- und Sachwortverzeichnis Nicht-Nullsummenspiele  111, 144 f. Niecke, Marco  195 Nixon, Richard  93 Noelle-Neumann, Elisabeth  97, 171 Novalis  94 Nozick, Robert  88, 108 Nullsummen-Denken  153 Nullsummenspiele  109, 111, 144 O Obama, Barack  123, 164 Oder-Flut  179 Orbán, Viktor  12, 50, 95, 141, 175 Ouroboros  150 P Pan  161 Paradies  41, 71, 86 Parteiprogramme  25, 167 Paternalismus  65 Patterson, Thomas E.  166 f. performance pressure paradoxon  147 Petersen, Thomas  57 Petrow, Stanislaw  120 Pflanze, Otto  104 f. Philosophenkönig  17, 133 Physiokratismus  150 Platon  16–19, 21, 26, 30, 47, 56, 92, 112, 133 f. Plechanow, Georgi W.  83 Popitz, Heinrich  122 Popkin, Samuel L.  187, 201 Popper, Karl  17 f., 133 f., 136 Populisten  47 f., 177, 185, 199, 204, 209 f. Poschardt, Ulf  34, 87 f. Post-hoc-Rationalisierung  56–58 Precht, Richard David  151 Preisabsprachen  125

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priming  196 Prinzip der sozialen Bewährtheit  37 Privatsphäre  32, 156–159 Produktivität  151 f. Proletariat  81–85 Putin, Wladimir  13, 28, 95 Q Quesnay, François  150 R Rabbi Hillel  137 Raschke, Joachim  191 f. Reagan, Ronald  9, 23 Reaktanz  27, 103 Rechtsgüterschutz, objektiver  122 Regel, goldene  137 Regentanz  192 Reiser, Rio  81 Reputation  31, 33 f., 39 f., 44, 46, 62, 99 f. Revier  47 f. Revier, Verdrängung aus dem eigenen  48 Revolution, konservative  28, 129 f. Reybrouck, David van  14 Riemann, Fritz  33, 53, 59 f. Risikoaversion  183 Romantik  80, 93–95 Roosevelt, Theodore  35 Rosa-Luxemburg-Stiftung  174 f. Rosenzweig, Phil  189–191 Rosling, Hans  125 Roth, Alvin E.  128 Rousseau, Jean-Jaques  131–133 Rückschaufehler  181–184, 199 f. Rufmord  40 f., 62, 66, 75 f., 97, 135, 158, 171 Rupnik, Jaques  13


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Russel, Bertrand  62, 93 Rüstow, Alexander  35 S Salomo  113 f. Salvini, Matteo  13 Schaffung eines äußeren Feindes  27 Schiller, Friedrich  93 Schirrmacher, Frank  12, 55 Schlegel, Friedrich  94 ­Schmidt, Eric  186 ­Schmidt, Helmut  179 Schmitt, Carl  42 f., 105, 133 f. Schmutzkampagnen  198 Schonräume, grundrechtliche  155–159, 208 Schröder, Gerhard  173 f., 179 f., 182 Schröder-Blair-Papier  173 Schumpeter, Joseph A.  79, 82 Schwarmmobilisierung, gewaltsame  42, 81 Schweigespirale  97, 163, 169–172, 177, 209 Seehofer, Horst  194 Seibt, Gustav  178 Sellner, Martin  49 Shakespeare, William  75 f., 135 Shiller, Robert J.  161 f. Smith, Adam  19 f., 66 f., 111–113, 124, 128, 154, 195, 205 Snyder, Timothy  28 Sokrates  135–137 Sombart, Werner  129 Somoza Debayle, Anastasio  87 Sonnabend, Holger  169 Sozialdemokratie  82, 85, 173 Spielberg, Steven  41 Spieltheorie  109, 112 f., 127, 144 Spinoza, Baruch de  40, 69 f.

Sprachregeln der sterblichen Seele  185, 188, 198, 208 f. Staat, illiberaler  12 Stenner, Karen  177 Stephanskrone  95 Stern, Fritz  98 Stone, Roger  42, 166 Stratenwerth, Günter  119 Stratifikation  35 Straub, Eberhard  100, 104 Sunstein, Cass  15 f., 205 Symbol  46, 84, 95, 188, 191–193 Symbolpolitik  192 f. System 1 & 2  15–17, 187 T Taleb, Nassim Nicholas  56, 199 Taschner, Rudolf  111, 115 Thaler, Richard  15 f., 115, 183, 205, Thoreau, Henry David  36 Thorndike, Edward  188–190 Thunberg, Greta  89 Tieck, Ludwig  94 Tiefengeschichte  146 Tillich, Paul  94 f. Tils, Joachim  191 f. Tocqueville, Alexis de  129, 138 f., 142, 170 Todesgefahr, permanente  40 f. Todorov, Alex  190 f. Töpfer, Klaus  203 Trennung von Staat und Gesellschaft  155 f. Trump, Donald  12, 41 f., 50, 141, 146, 165–169, 178 Tugend  128 f., 136 Tyrannei  130 f., 133–136, 138–142, 154 Tyrannei der Mehrheit  138–141

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Personen- und Sachwortverzeichnis U Überhöhung der Mehrheitsentscheidung  135 Ultimatumspiel  114 f. Umgang mit Fremden  47, 176 Umvolkung  48 f. Unreinheit  51 f. Unwertwörter  130 Urangst  41 Urinstinkte  21, 31 V Vargas Llosa, Mario  20 Veggie-Day  47 Vergeltung  116 f., 119 Verhältnismäßigkeit  122 f. Vertragsfreiheit  126 Verunsicherung  32, 187 Verzerrung, narrative  188, 199 W Waal, Frans de  40, 115 Wachstum  144 f., 148–155 Wachstumsverzicht  149 f. Wackenroder, Wilhelm Heinrich  94

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Walter-Lippmann-Kolloquium  35 WASG  174 f. Weber, Max  72 Weberaufstand  151 Wehling, Elisabeth  197 Welt der Nullsumme  153 Wertabsolutismus  28 f. Wettbewerbsrecht  125 Wiederbeginn der Geschichte  14 Wiederbeginn der Politik  14 Wilson, Edward O.  38 Winkler, Heinrich August  13 Wirtschaftswachstum  149 f., 152–154 Witt, Johan de  39 Z Zeh, Juli  11 Zeitdruck  185 f. Zentralstelle für Preßangelegenheiten  104 Ziblatt, Daniel  13, 141 Zola, Émile  168 Zukunftserwartungen  146 Zuspitzung  194



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