Publizist und ehemaliger Geschäftsführer und Leiter Forschung der Alfred Escher-Stiftung. Er hat verschiedene grundlegende Publikationen zur Wirtschafts- und Kulturgeschichte der Schweiz verfasst. Er erzielte mit der Alfred Escher Biografie einen Bestseller (6. Auflage). Er ist auch Herausgeber der Alfred-Escher-Briefe (sechs Bände).
Wie wurde aus dem Kleinstaat Schweiz eine bedeutende Wirtschaftsmacht? Wer sich den grossen Fragen der Gegenwart ernsthaft stellt, kommt um den Blick zurück in die eigene Geschichte nicht herum.
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Vom selben Autor bei NZZ Libro erschienen:
Alfred Escher (1819–1882) Aufstieg, Macht,Tragik 978-3-03810-274-8
Bis heute verlaufen die meisten Schweizer Bahnlinien da, wo die Pioniere der 1850er und 1860er Jahre sie angelegt haben. Die glanzvollsten Hotels des Landes sind die Paläste der Belle Epoque, die den Stürmen getrotzt haben. Doch wir leben nicht in der Schweiz von damals. Aus dem Auswanderungsland ist ein Immigrationsziel geworden, aus dem Zugpferd der Industrialisierung eine postindustrielle Umnutzungszone. Joseph Jung deckt die Quellen und Prozesse auf, die diese Entwicklung im 19. Jahrhundert angestossen haben. Das Buch ist ein wahrer Lesegenuss.
JOS E P H J U N G DA S L A B O R ATO R I U M D E S F O RTS C H R I T TS
Joseph Jung (* 1955), Prof. tit. Dr. phil., ist Historiker,
«Unser Alpenland soll der Hochaltar der Freiheit und Europas sein.» Alfred Escher Die Entwicklungen im 19. Jahrhundert haben die heutige Schweiz entscheidend geformt. Die Eisenbahn als Motor des Fortschritts ermöglichte einen enormen Aufschwung des Tourismus und technische Meilensteine wie den Gotthardtunnel. Das Laboratorium des
JOSEPH JUNG
Fortschritts ist Pflichtlektüre für alle, die genauer wissen wollen, wie die Schweiz zu einer erfolgreichen Wirtschaftsnation wurde.
DAS LABORATOR I U M DES F O RTSCH R I TTS
D IE SC HWEIZ IM 19. JAHR HU N D ERT
ISBN 978-3-03810-435-3
Lydia Welti-Escher (1858 –1891) Biografie 978-3-03810 -167-3
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NZZ LIBRO Umschlag.indd 1
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Laboratorium des Fortschritts.indb 2
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JOSEPH JUNG
DAS LABORATOR I U M DES FO RTS C H R I TTS DIE SCH WE I Z IM 19. JA H R HUNDE RT
NZZ LIBRO
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VORWORT Wie der Reisende, der auf dem letzten Hügel vor der Stadt innehält und zurück blickt, um sein Land noch einmal als Ganzes ins Auge zu fassen, so drängte es mich, die über Jahrzehnte unter wechselnden Prämissen gewonnenen Einzel erkenntnisse zum Gesamtbild zu fügen. Das vorliegende Buch gliedert sich in vier selbständige Hauptteile. Die Lek türe kann bei jedem von ihnen einsetzen. Es handelt sich um vier Erzählstränge, die im selben Zeitraum spielen – im langen ı9. Jahrhundert, das bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs dauerte. Zusammen bilden sie keine systematische Ge schichte der Schweiz, sondern vielmehr ein mehrdimensionales Panorama, das nicht nur Fakten, sondern insbesondere auch ein Lebensgefühl vermitteln soll. Wer dem fulminanten Wandel der Schweiz im ı9. Jahrhundert gerecht werden will, muss nicht nur vorbereitende Geschehnisse im ı8. Jahrhundert und früher mit einbeziehen, sondern auch den Blick für die bis heute prägenden Auswirkun gen jener Transformation schärfen. Viele Stichworte werden in mehr als einem Hauptteil aufgenommen, etwa in politischen, industriellen, kulturellen und tou ristischen Kontexten. Wer einem Phänomen in allen seinen Facetten nachspüren möchte, sei auf die ausführlichen Register am Ende des Buches verwiesen. Ebenso ermöglichen es auch die zahlreichen Querverweise im Text, entlang thematischer Wegweiser einen eigenen Weg durch das Buch zu finden. Auf eine zusammen fassende Betrachtung der wichtigsten Erkenntnisse habe ich verzichtet, da Resü mees zu einzelnen Zeitabschnitten und Themenschwerpunkten in den Text ein geflochten sind. Jenen Leserinnen und Lesern, die meine wichtigsten Positionen dennoch im Überblick vor sich haben möchten, empfehle ich als Einstieg die Schlagzeilen in Teil fünf. Es ist mir bewusst, dass man die thematischen Schwerpunkte auch anders setzen und noch vielerlei einbringen könnte. Mit Respekt gegenüber dem, was ausgespart bleibt: Ich berichte über die Schweiz im ı9. Jahrhundert, was mich persönlich interessiert und womit ich verbunden bin. Das gilt selbst von der Erst
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besteigung des Matterhorns, obwohl ich diesen Berg immer nur von unten gese hen habe. So ist weder eine systematische Darstellung noch ein Lexikon entstan den, das den für jeden Eintrag vorgesehenen Platz nach Zeichenzahl definiert. Ich wollte Raum zur freien Verfügung und das weite Feld selbst vermessen. Ich will eigentlich nichts anderes, als Geschichten erzählen. Wenn ich damit da und dort etwas Lesefreude wecken und den einen oder anderen Erkenntnisgewinn ver mitteln kann, so hat sich meine langjährige Beschäftigung mit dem Projekt auch für andere gelohnt – für mich auf jeden Fall. Joseph Jung, im November 20ı9
Die Herausgabe dieser Publikation haben durch grosszügige Donationen ermög licht: Bonny Stiftung für die Freiheit, Bern; Donation Prof. Maria Bindschedler, Zürich; Ernst Göhner Stiftung, Zug; Gemeinde St. Moritz, Gemeindevorstand, St. Moritz; Georg und Bertha Schwyzer-Winiker Stiftung, Zürich; Kanton Schwyz, Lotteriefonds, Schwyz; SBB Historic, Windisch; Swiss Life, Stiftung «Perspek tiven», Zürich; Ulrico Hoepli-Stiftung, Zürich; Verein «200 Jahre Alfred Escher & Gottfried Keller», Zürich; Verein für wirtschaftshistorische Studien, Zürich; Privatpersonen, die ungenannt bleiben möchten.
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Inhaltsübersicht
ATTRAKTIONEN : DIE ENTDECKUNG DER BERGE Seite 7
AUFBRÜCHE: IM SOG DER WELT Seite ı 9 ı
LEBENSADERN : DIE VERKNÜPFUNG DER SYSTEME Seite 267
ENTGRENZUNG : WAGHALSIGE FORTSCHRITTE Seite 36 ı
SCHLAGZEILEN : VOM ENTWICKLUNGSLAND ZUM LABORATORIUM DES FORTSCHRITTS Seite 533
ANHANG Seite 567
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ATTRAKTIONEN: DIE ENTDECKUNG DER BERGE
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INHALT
Schrecklich schön: Die Alpen 9
Sommertourismus und Hotelbauten
92
Die Kraft der Symbole
Das Jahr 1863 : Mit dem SAC in die Berge …
96
… und mit Thomas Cook all-inclusive durch die Schweiz
97
9
Die Ambivalenz des Majestätischen
13
Wegweiser: Trends und Epochen im Überblick
16
Vielstimmige Promotion der Schweiz 19
Die Erstbesteigung des Matterhorns 1865 99
Grand Tours und Lustreisen
19
Whympers letzte Chance
Naturforscher und wissenschaftlich motivierter Alpinismus
Aufstieg und Absturz
102
23
Oberflächliche Untersuchung
106
Literaten und Philosophen
27
Kompetenz und soziales Gefälle
108
Weltliteratur 28
Grösse und Heterogenität
110
Kleinmeister oder von der SchweizBegeisterung in der Kunst
Mängel der Ausrüstung
112
Das zerschnittene Seil
113
Desorganisation oder Kalkül?
115
Sündenböcke und weisse Westen
116
Denkmal und Inschrift
118
31
Reiseführer 36 Die Entwicklung touristischer Strukturen 38 Routen und Destinationen
38
Unterkünfte 44 Reiseberichte und touristische Erlebniswelten 46
99
Fazit 119 Belle Époque 121 Superlative: Die Apotheose der Vorkriegskultur
121
Glanz und Gloria in Montreux
126
Kursäle, Casinos und Kursaalorchester
128
54
Der Aufstieg von St. Moritz zum Top of the World
133
54
Wintertourismus in der Schweiz
137
Christoph Meiners im Berner Oberland
46
Zermatt: Vom Pfarrhaus zum Hotel
47
Mayr fährt zur Kur
49
Exportartikel: Die Schweiz als Chalet
51
Zur Geschichte der Hotellerie: Anfänge Von Gasthäusern und ersten Hotels
Grand-Hotellerie 56 Vom Heilbad zum Medizinaltourismus
144
Berggasthäuser und Berghotels
Internationale Privatschulen
151
Regionale Unterschiede
152
Wird der König die Krone niederlegen? Die Schweiz als Tummelplatz und Zufluchtsort für Monarchen
156
59
Klettern und Wandern als Bildungsprogramm der Eliten 61 Wissenschaftlich motivierter Alpinismus
61
Zürich ist am schönsten! Exkursionen gehören zum Bildungsprogramm 67
Kunst und Kommerz 161
Das Goldene Zeitalter des Alpinismus 70
Tourismus- und Technikkritik
175
Kritik des Gigantismus
176
Schatten moderner Sitten
181
The Playground of Europe oder die britische Besetzung der Schweizer Hochalpen 70 Schweizer Bergführer
77
Sightseeing in den Swiss Alps 82 Triumph und Tragödie
Literaturtourismus und Ökonomisierung der Kunst 161
Hotels: Charakteristika und Kennzahlen 183 Die Herkunft der Gäste
183
Hotels und ihre Kapazitäten
185
82
Alpenliteratur 86
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SCHRECKLICH SCHÖN: DIE ALPEN
Die Kraft der Symbole Der Stoff, aus dem nationale Identität konstruiert wird, ist die Symbolik. Symbole verhelfen zur Imagination. Die Imagination wiederum ermöglicht es, das Unbe kannte im Bekannten zu verankern; die Wahrnehmung mit dem Wunsch, die Gegenwart mit Vergangenheit und Zukunft zu verbinden. Jedes politische System braucht verbindliche Symbole, um zu funktionieren – auch um kollektives Bewusstsein zu schaffen. Der Einzelne braucht Symbole, um den Staat emotional zu erfassen. Symbole muss man kommunizieren können. Dafür braucht es Plattformen und Infrastrukturen. Die Bundesverfassung von ı848 schuf die Grundlage eines neuen Staates, sie steckte seinen Rahmen ab. Doch damit war die moderne Schweiz noch nicht verwirklicht. Gefragt waren gesamtschweizerisch wirksame Brennpunkte und Werte, Evidenzen einer eidgenössischen Identität. Es fällt auf, dass im Bundesstaat viele Symbole erst spät eingeführt wurden. Dies hat seine Gründe. Ab ı850 prägte man Mutter Helvetia auf die Vorderseite der 5-Franken-Münze, sitzend und mit schützend ausgestreckter Hand, im Hinter grund ein Bergpanorama; das Nominal auf der Rückseite, umgeben von einem Kranz aus Eichenlaub und Alpenrosen. Mit dem Edelweiss ab ı897 und dem Enzian ab ı9ıı wurden auch auf anderen Münzen Bezüge zur Alpenflora herge stellt. Der ı. August wurde erstmals ı89ı gefeiert. An einer verbindlichen Landes hymne war im jungen Bundesstaat kein Bedarf. Man behalf sich mit der patriotisch verklärten Melodie von Wilhelm Baumgartner (ı820 – ı867) zu Gottfried Kellers «O mein Heimatland! O mein Vaterland!». Oder man griff zur Melodie der eng lischen Hymne und unterlegte diese mit dem Vaterland-Text von Johann Rudolf Wyss (ı782 – ı830). Man sang nach Sprachen und Kulturen, nach Regionen und Konfessionen verschieden. Erst mit dem Bundesratsbeschluss vom ı. April ı98ı wurde der Schweizerpsalm zum Definitivum. Seine Melodie verdankt er Alberich Zwyssig (ı808 – ı854), den Text Leonhard Widmer (ı808 – ı868).
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ı897 wurde erstmals das Vreneli auf der 20-Franken-Goldmünze präsentiert. In den Wettbewerbsbedingungen hatte das Eidgenössische Finanzdepartement das Programm umrissen: Das Münzbild sollte allegorisch oder historisch-symbo lisch die Schweiz darstellen, die Confoederatio Helvetica, und zwar durch ein allgemeinverständliches, nationales Motiv. Eine Jury wurde eingesetzt. Doch diese wollte keinen ersten Preis vergeben, da die Bedingungen nicht vollständig erfüllt worden seien. Und so wurde der Neuenburger Medailleur Fritz Ulysse Landry (ı842 – ı927) lediglich mit dem zweiten Preis ausgezeichnet. Dieser hatte mutig den Kopf einer jungen Frau als Symbol der Freiheit vorgeschlagen. Tatsäch lich hatte nun aber der Bundesrat keine Vorgaben gemacht, wie eine Frauenfigur darzustellen wäre, ob als antiker Kopf oder als heilige Cäcilia. Einer Mehrheit der Jurymitglieder erschien Landrys Frauenkopf zu jung, zu individuell und zu schwärmerisch. Der Künstler wurde ersucht, die Gesichtszüge mütterlicher zu gestalten. Landry legte einen neuen Entwurf mit einer Frau vor, deren Züge reifer wirkten. Auch waren die zuvor offen über die Schultern fallenden Haare nun zum Zopf gebändigt. Aus den Alpenrosenzweigen, zuvor der Frau als Kranz um die Schultern gelegt, war Edelweiss geworden. Einzelne Kritiker blieben hartnäckig; sie konnten indes nicht verhindern, dass die Jury der Landesregierung nun emp fahl, Landrys zweiten Entwurf zu realisieren. Doch kaum lagen die Probeprägun gen vor, machte sich Entrüstung breit. Die Stirnlocke war es, die neuerlich zu Diskussionen Anlass gab. Diese nämlich gebe dem Frauenzimmer ein frivoles Aussehen, hiess es, und derart dürfe die Schweiz nicht personifiziert werden. Folgerichtig wurde die Stirnlocke bei der finalen Prägung eliminiert. Zu sehr junges Mädchen, zu wenig Frau und Mutter – die Kritik verstummte nicht. Diese Jugendlichkeit der dargestellten Helvetia mag ein Grund dafür sein, dass die 20-Franken-Goldmünze in der Folge den Kosenamen Vreneli erhielt und die wohl bekannteste Schweizer Münze wurde.1 Nun war es aber nicht allein die Frauen büste, die Missmut hervorrief. Eine zweite Front gegen Landry bildete sich auf grund der angeblich zu mächtigen Berge im Hintergrund. Die Schweiz bestehe nicht nur aus Bergen, wurde moniert, der grösste Teil der Bevölkerung lebe im Flachland. Der Hintergrund suggeriere, dass sich das Schweizervolk vornehmlich aus Hirten, Hoteliers und Touristen zusammensetze. Eine Kritik, die sich auf Gottfried Keller (ı8ı9 – ı890) berief. [ S. 163] Es nützte nichts, dass Wilhelm Tell und die Mannen vom Rütli als Alternative propagiert wurden: Die Berge als Symbol der Schweiz verblieben auf der Münze. Elias Canetti (ı905 – ı994) erkannte die Kraft der Symbole als Kernelemente von Kulturen: den Wald und das Heer für die Deutschen, den Meereskapitän für die Engländer oder den Damm für die Holländer. Und als zentrales Symbol der Schweiz stellte er die Alpen heraus. Die Berge also haben nach ihm die gewisser
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Giovanni Segantini (1858 –1899): Mittag in den Alpen, 1891, Öl auf Leinwand, 77,5 ✕ 71,5 cm.
massen magnetische Kraft, Land und Bevölkerung zusammenzuhalten. «Ein Staat, dessen nationale Kohäsion von niemand bestritten wird, ist die Schweiz. Das patriotische Gefühl der Schweizer ist grösser als das mancher Völker, unter denen nur eine Sprache gesprochen wird. (…) Allerdings haben sie ein Massen symbol gemein, das ihnen allen jederzeit vor Augen steht und unerschütterlich ist wie das keines anderen Volkes: die Berge. Von überall sieht der Schweizer die Gipfel seiner Berge. Aber von manchen Punkten erscheint ihre Reihe vollstän diger. Das Gefühl, dass man hier alle seine Berge beisammen sieht, verleiht solchen Aussichtspunkten etwas Sakrales. Manchmal, an Abenden, die nicht vorauszu
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Holzschnitt des Pilatus aus «Mundus subterraneus», Amsterdam 1678. So wie Athanasius Kircher (1602 –1680) glaubten bis ins 18. Jahrhundert selbst Gelehrte an die Existenz von Drachen in den Schweizer Alpen.
bestimmen sind, auf die der Mensch selbst keinen Einfluss hat, beginnen sie zu glühen: Dies ist ihre höchste Weihe. (…) In ihren Spitzen oben getrennt, hängen sie unten wie ein einziger, riesiger Körper zusammen. Sie sind ein Leib, und dieser Leib ist das Land selbst.» 2 Besonders stark wirkt die Symbolik bei Abschied und Heimkehr. Der spätere Jurist, Richter und Politiker Jakob Escher (ı8ı8 – ı909) schreibt ı838 nach der Ab reise von Zürich zum Studium in Berlin seinem ı9-jährigen Vetter Alfred Escher (ı8ı9 – ı882): «Noch ein Mal, auf einer Höhe zwischen Stockach und Tuttlingen, sah ich die lange Alpenkette im Glanz der Abendsonne; so fern, dass die untern Mas sen im Horizont verschwammen, nur die Schneefelder und Gletscher wie in der Luft schwebten. Es war das Letzte, was ich vom Vaterlande sah, und was ich immer auch in den nächsten Jahren in Natur und Kunst schauen mag, so weiss ich doch, dass ich den Tag den schönsten meines Lebens nennen werde, an dem ich zum ersten Male wieder unsre Berge in ihrer ganzen Herrlichkeit sehen kann.» 3 Und als sich Alfred Escher eine Woche später ebenfalls auf die Reise nach Berlin machte, stand auch seine Berichterstattung aus dem süddeutschen Raum ganz im Zeichen dieser Begeisterung für die Schweizer Alpenlandschaft. In der Gegend von Stühlingen konnte er einen letzten Blick auf seine geliebten Schweizer Berge erhaschen: «Wie herrlich, zurückgewandt erblickt man die ganze Alpenkette von den fernen Tyrolerbergen an bis zu den Berneroberländern. Den Rigi sah ich
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Die Gebirgsdarstellungen der Kleinmeister leisteten einen wichtigen Beitrag zum Kenntnisstand über die Schweizer Alpenlandschaft.28 Denn in dem Masse, wie die Kleinmeister Richtung Hochgebirge vordrangen, wurden die Alpen künstlerisch erfasst. Diese Pioniertaten werden dadurch nicht geschmälert, dass die Kleinmeister stilistisch weitgehend im Rokoko wurzelten. Dies im Gegensatz zu Caspar Wolf (1735 –1783), dessen Alpenlandschaften über die Qualität der kleinformatigen Veduten hinausgehen. Wolf begnügte sich nicht wie Aberli und die anderen Kleinmeister damit, die Berge vom Tal aus oder auf den in den Grand Tours angepriesenen Routen zu malen. Auf oft mühevollen Wanderungen und selbst im Winter bei Eis, Wind und Schnee drang er in die Alpenlandschaft vor. Wolf war wohl der erste namhafte Schweizer Künstler, der sich hoch ins Gebirge vorwagte. In der Darstellung der Natur ging er neue Wege. Seine Berge sind nicht mehr blosse Hintergrundkulisse, sondern zentrales Motiv. Wolf malte auf seinen Bergwanderungen zunächst auf Karton kleinformatige Ölskizzen. Im Atelier entstanden dann die bis ins Detail ausgearbeiteten Gemälde. Diese nahm er später auf weitere Expeditionen mit, um in der Natur an Ort und Stelle notwendige Verbesserungen anzubringen. Für den Berner Verleger und Alpinisten Abraham Wagner (1734 –1782) malte Wolf auf diese Weise rund 170 Hochgebirgs- und Voralpenlandschaften, die als Vorlage für ein breit angelegtes Abbildungswerk dienten. Für sein Projekt konnte Wolf neben dem Naturforscher und Theologen Jakob Samuel Wyttenbach (1748 –1830) auch den Universalgelehrten Albrecht von Haller (1708 –1777) gewinnen. Ab 1776 erschienen mehrere Ausgaben dieser «Vues remarquables des montagnes de la Suisse», die namentlich für die Touristen bestimmt waren.29 Für Wagner entpuppte sich das Unternehmen indes als Misserfolg, zog doch das internationale Publikum die Schönwetterprospekte der Kleinmeister Wolfs naturgetreuen Darstellungen vor. Doch dies ändert nichts daran, dass Caspar Wolf mit seinen präzisen Ansichten zum Begründer der modernen Alpenmalerei wurde.
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David Alois Schmid (1791–1861): Vue du Glacier du Grindelwald, undatiert, Bleistift, Aquarell, stellenweise gefirnisst, 22,9 ✕ 30,7 cm.
der vielen kritischen Stimmen.30 Um sich gegen Massenware abzugrenzen, be gannen Künstler wiederum eigenhändig zu kolorieren und ihre Werke zur Bestä tigung der Echtheit zu signieren. Durch die Birmanns in Basel, die Bleulers in Schaffhausen, Vater und Sohn Lory in Bern und viele andere, die ihre Ateliers an den touristischen Brennpunkten im ganzen Land einrichteten, wurde das künst lerische Bild der Schweiz bis Mitte des ı9. Jahrhunderts massgeblich geprägt. Dann trat die Kunst der Kleinmeister in den Hintergrund. Als neues Medium kam die Fotografie auf, und die Schwarz-Weiss-Aufnahmen (Daguerreotypien) entwickel ten sich zur Konkurrenz der kolorierten Veduten.31 Von ausländischen Touristen gefragt waren Souvenirbilder, die bequem im Reisegepäck untergebracht werden konnten. Dargestellt wurden liebliche Land schaften, eindrückliche Gebirge mit Formationen aus Fels und Eis, Naturschau spiele und volkskundliche Szenen – exakt das, was die fremden Gäste bei ihren
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Gabriel Lory (1784 –1846) zugeschrieben: Lauterbrunnental mit Staubbachfällen, Aquarell über Bleistift, stellenweise gefirnisst, 22,2 ✕ 28,5 cm.
Reisen durch die Schweiz vor Ort sehen und als Erinnerungsstück mit nach Hause nehmen wollten. Meist handelte es sich um Arbeiten auf Papier – Aqua relle, Feder-, Bleistift-, Kreide- oder Kohlezeichnungen und kolorierte Umriss radierungen: Touristenkunst der ersten Stunde. Zu Hunderten und Tausenden fanden auf diese Weise die Blümlisalp, der Untere Grindelwaldgletscher, der Glacier du Breithorn ebenso wie die Cascade du Giessbach, die Cascade du Reichenbach oder die Chute d’Eau appelée Staubbach dans la Vallée Lauterbrunnen ihre Bestim mungsorte in Europas Salons und Wohnzimmern. Dort vermittelten die Bilder aus dem idyllischen Alpenland den verlockenden Hauch schweizerischer Glück seligkeit. Dabei folgten die Kleinmeister einem ikonographischen Kanon: Ihre Motive mussten wiedererkennbar sein. Die Kunstkritik behandelte die Klein meister wegen der durch sie vermittelten Schönwetterlage zeitweise etwas gar abschätzig. Tatsächlich zeigen diese Künstler eine heile Welt, keine sozialen
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Missstände, Armut und Not. Den Kleinmeistern ging es nicht um sozialkritische Kunst, obwohl auch bei ihnen am Rande die Industrialisierung und die Umwäl zungen des Maschinenzeitalters unübersehbar sind. Sie produzierten hauptsäch lich, was der Markt nachfragte.32 Die Schweiz-Begeisterung fand ihren Niederschlag auch in Panorama tapeten, die in Schlössern, Bürgerhäusern oder auch in Gasthöfen aufgezogen wurden. Die wohl bekannteste Manufaktur für Tapeten mit Schweizer Landschaf ten befand sich im elsässischen Rixheim, wo solche seit dem frühen ı9. Jahrhundert produziert wurden. Waren die landschaftlichen Schönheiten der Alpenwelt bei den Kleinmeistern auf kleinformatige Souvenirstücke reduziert, wurden sie nun durch die Panoramatapeten in ungebrochener Monumentalität vermittelt. So umfasst etwa die Tapete «Vues de Suisse» (ı804) nicht weniger als ı6 Bahnen zu je 67,5 Zentimeter. Der Erfolg war überwältigend. Die ersten rund ı50 Exem plare waren vor der Fertigstellung verkauft, bis ı8ı5 waren es mehr als tausend. Die «Vues de Suisse», deren Produktion bis heute fortgeführt wird, gelten als eine der erfolgreichsten Panorama- und Bildtapeten. Sie sind unter anderem erhalten im Rathaus Lenzburg, im Stockalperpalast in Brig, im Schwetzinger Schloss in der Kurpfalz, im Schloss Rheda bei Gütersloh und im Weimarer Schloss Bel vedere.33
Reiseführer Ab der zweiten Hälfte des ı8. Jahrhunderts besuchten immer mehr ausländische Reisende die Schweiz, und mit ihrer Nachfrage blühte die Reiseliteratur auf. Die Herkunft der Gäste führte dazu, dass zunächst englischsprachige Publikationen den Markt dominierten. Bei diesen frühen Werken stand nicht die Vermittlung konkreter Informationen zu Reiserouten und Reisezeiten, zu Gasthäusern und ihren Preisen im Vordergrund. Vielmehr handelte es sich um Reisebeschreibun gen und Erlebnisberichte über Sehenswürdigkeiten und Naturschönheiten, um Schilderungen individueller Reiseeindrücke zuhanden der Daheimgebliebenen. Erst die ab den ı830er Jahren aufkommende zweite Generation von Reiseführern verfolgte das Ziel, den Reisenden konkrete Informationen zu liefern. Von ı780 bis ı9ı4 erschienen über die Schweiz insgesamt 73 Reiseführer in englischer Sprache; zusammen brachten sie es auf 4ı6 Auflagen. Zu einem der er folgreichsten wurde das «Handbook for Travellers in Switzerland» von John Murray (ı745 – ı793), das der Verlag ı838 erstmals auflegte und das bis ı904 nicht weniger als 4 Nachdrucke und ı8 Auflagen erzielte – insgesamt 50 000 Exemplare. Ab den ı860er Jahren zeichneten professionelle englische Tourismusagenturen Verträge mit Schweizer Hotels, Fuhrhaltereien, Bahn- und Schifffahrtsgesellschaften. Die auf
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LEBENSADERN: DIE VERKNÃœPFUNG DER SYSTEME
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INHALT
Voraussetzungen und Grundlagen 269 Das Eisenbahnprojekt in der Schweiz 314 Bahnen für den Fortschritt
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Verkehrssysteme auf dem Wasser
272
Interessenkollisionen auf dem Vierwaldstättersee
277
Höchst bescheidener Leistungsausweis bis 1848
314
Die Eisenbahnangelegenheit wird 1849 politisch kanalisiert
319
Das Gutachten Stephenson / Swinburne von 1850
322
Staatsbahnen oder Privatbahnen?
326
Das Eisenbahngesetz von 1852 und die Hochschulfrage
327
Das Zusammenspiel der Verkehrssysteme 282 Die Botschaft des Bundesrates vom 7. April 1851 Es war eine heitere Fahrt: Wie Parlamentarier 1853 nach Hause reisten
282
Schiff und Eisenbahn im Verbund
283
324
Trajekte 285 Die Erfolgsgeschichte der Bahn 329 Schiff und Kutsche, Eisenbahn und Bergbahn im Verbund: Das Beispiel Gotthardroute und Rigi
290
Alpenstrassen und Kutschenverkehr
291
Bitte einsteigen!
295
Der Bau von Eisenbahnen als Lebensbedingung der Schweiz
329
Die Eisenbahn definiert die Machtverhältnisse neu Die Entwicklung des Bahntourismus 295 Das schweizerische Eisenbahnnetz
334
bis 1902
340
Ein verästeltes Netz und immer höher die Täler hinauf
Wachstumschancen und Risken im Überblick
342
296
Kapitalfrage: Die Kreditanstalt Bergbahnen 298 als Dampflokomotive des Fortschritts Bahntechnische Erschliessung und Tourismusentwicklung: Kantonale und regionale Unterschiede
301
Massentourismus und technische Entwicklung: Das Beispiel der Rigi
308
Auch die Industrialisierung folgt der Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur
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347
Licht und Schatten über der Nordostbahn
350
Die Alpentransversale und das Eisenbahngesetz von 1872: Auf dem Weg zur Staatsbahn
353
Die Verstaatlichung
357
312
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VORAUSSETZUNGEN UND GRUNDLAGEN Bahnen für den Fortschritt Bis Ende des ı8. Jahrhunderts reiste man mit Ruderboot, Segelschiff oder Weid ling, auf dem Pferderücken oder in Kutschen, im Winter auch in Pferdeschlitten, doch hauptsächlich zu Fuss, weshalb in den frühen Reiseführern die Reisezeiten in Stunden Fusswanderung angegeben werden. Mit dem Fortschritt im Kutschen bau wurde das Reisen im frühen ı9. Jahrhundert komfortabler; die neuen Trans portmittel boten mehr Raum für Passagiere und Gepäck, und das Strassennetz wurde ausgebaut. Parallel entwickelten sich auch die Verkehrsmittel auf den Wasserstrassen. Neben den traditionellen Booten kamen mit der Dampfschiff fahrt ab den ı820er Jahren auch in der Schweiz die ersten technischen Verkehrs mittel auf. Damit konnte die Transportkapazität für Passagiere und Güter erheb lich vergrössert werden. Bis zur Etablierung des Eisenbahnverkehrs ab den ı850er Jahren waren die Dampfschiffe das bequemste und gängigste Verkehrsmittel, das wichtigste sowohl für den Waren- als auch für den Personenverkehr. Mit dem Dampfschiffbetrieb ist jene Infrastruktur genannt, die den Verkehr in der Schweiz massgeblich erleichterte. Doch diese Investitionen genügten nicht, um das Land verkehrsmässig auf den Stand der Zeit zu bringen. Denn die Schweiz krankte an einem schwerwiegenden Manko: Bei der Gründung des Bundesstaates ı848 gab es hier sage und schreibe erst eine Eisenbahnstrecke von 23 Kilometern. Das war alles, während in Grossbritannien, Frankreich, Deutschland bereits tau sende Kilometer Schienenwege verlegt waren.1 In den politischen Strukturen des alten Staatenbundes war bis ı848 auch nicht im geringsten abzusehen, wie dieses infrastrukturelle Defizit hätte behoben werden können. Dieser Rückstand gegen über dem Ausland konnte nun aber langfristig weder per Kutsche noch mit dem Schiff kompensiert werden. Mitte des ı9. Jahrhunderts war die Situation für die Schweiz im höchsten Grade kritisch. Dies zeigt sich rückblickend in aller Deutlichkeit. Führt man sich nämlich vor Augen, wie stark der Güter- und Personenverkehr ab den ı850er
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Jahren zunahm und welch entscheidende Rolle der Schienenverkehr für die wei tere wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Entwicklung der Schweiz spielte, wird deutlich, wie sehr die Verkehrsstrukturen der ersten Jahrhunderthälfte über fordert gewesen wären. Man kommt unweigerlich zum Schluss, dass die verkehrs mässigen Voraussetzungen, wie sie bei der Gründung des Bundesstaats gegeben waren, die Entwicklung der modernen Schweiz stark behindert hätten. Ja, die Verkehrsinfrastruktur im Staatenbund vor ı848 hätte die rasante wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung, die im jungen Bundesstaat einsetzte, geradezu verunmöglicht. Und ohne eine ausgebaute Infrastruktur mit der Eisenbahn als Rückgrat hätten die Transformationsprozesse, welche die neue Schweiz nach ı848 qualifizieren, nicht in diesem rasanten Rhythmus ablaufen können. Doch ergän zend ist beizufügen, dass nicht nur die Wahl des richtigen Transportmittels zu kunftsentscheidend war. Auch auf die Art und Weise der Implementierung kam es an. Denn der grundsatzpolitische Entscheid für die Investition in die Eisen bahnentwicklung allein löste nämlich die anstehenden Probleme noch nicht. Der Bau von Trassees und Bahnhöfen war noch kein Garant für eine erfolgreiche und wirksame Verkehrsinfrastruktur. Ebenso klug und weitsichtig musste die Frage beantwortet werden, wer denn die Bahnen bauen und betreiben sollte. Überblickt man die Modernisierungsschritte, die durch den Ausbau der Verkehrssysteme in der Schweiz beschleunigt oder gar erst ausgelöst wurden, zeigen sich markante Unterschiede zwischen den verschiedenen Landesgegen den: Nicht alle Regionen wurden in der zweiten Hälfte des ı9. Jahrhunderts glei chermassen vom Wandel erfasst. Den Städten und Dörfern, die sich vorteilhaft zu positionieren wussten und zu Leuchtsternen des Fortschritts avancierten, standen andere, selbst zuvor illustre Orte gegenüber, die sich der Modernisierung nicht rechtzeitig öffneten oder den Wandel gar verweigerten und so an Bedeutung verloren. Gehören beispielsweise Olten und Romanshorn zu den ersteren, haben Zofingen und Zurzach den Anschluss verpasst. Dass Zürich Wirtschaftskapitale der Schweiz wurde und nicht Bern, dass in Oerlikon, Kemptthal und Baden Fir men ihren Ursprung nahmen, die sich zu Weltkonzernen entwickelten, hängt letztlich mit der Linienführung der Eisenbahn zusammen. Wie sich ein Standort in der zweiten Hälfte des ı9. Jahrhunderts wirtschaftlich und gesellschaftspolitisch positionierte, mochte von gewerblich-industriellen Rahmenbedingungen ab hängen, von topographischen und soziokulturellen Aspekten, von Kriterien, die einzeln oder in Kombination auftraten: Wechselnde Faktoren konnten zur An siedlung von Firmen führen, touristische Destinationen entstehen lassen, zur Etablierung des Wintertourismus führen oder Pioniere bewegen, ihre Wirksam keit und Tatkraft an einem bestimmten Ort zu entfalten. Doch unabhängig von diesen Faktoren und Grundlagen: Letztlich entscheidend für den Fortschritt war
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Der Zürcher Bahnhof um 1870. Fotografie.
die Eisenbahn, genauer: wo die Bahnlinien durchführten, wo Bahnhöfe eingeplant wurden und ob eine Region früher oder später ans Bahnnetz Anschluss fand. Manche Orte haben sich ihren Zugang zum Fortschritt erkämpft und sich finan ziell engagiert. Andere wurden zum Hinterland geschlagen und von der Ent wicklung überrollt. Die Verkehrsinfrastruktur, die mit der Eisenbahn ab den ı850er Jahren neu definiert wurde, ist der Schlüssel zum fundamentalen Wandel, der aus dem Entwicklungsland Schweiz innert einer Generation einen wirtschaftlich blühenden Staat machte. Was die Implementierung des neuen Verkehrsmittels betrifft, war der Eisen bahnentscheid von ı852 richtungsweisend: Die eidgenössischen Räte übertrugen die Kompetenz zur Konzessionierung von Bahnprojekten den Kantonen und beschlossen, Bau und Betrieb des Eisenbahnnetzes der Privatwirtschaft zu über lassen. [ S. 332] Die föderal-staatliche Kompetenz und die privatwirtschaftliche Struktur sind die beiden Kernelemente dieses Jahrhundertentscheids. Durch ihn öffnete sich ı852 für rund zwei Jahrzehnte ein historisches Zeitfenster, das als
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wirtschaftsliberale Ära bezeichnet werden kann – die einzige in der Geschichte der Schweiz. Die Eisenbahn wurde zur Lokomotive des Fortschritts. Sie pflügte Wirt schaft und Gesellschaft in einem Ausmass um, wie man sich das zuvor nicht hätte vorstellen können. Wie rasant und tiefgreifend dieser Transformationsprozess war, lässt sich mit wenigen Stichworten dokumentieren: Bereits in den ı860er Jahren galt die Schweiz als das am stärksten industrialisierte und von ausländischen Touristen meistbe suchte Land Europas. [ S. 535] Doch der Modernisierungsschub, der durch das Eisenbahnprojekt ausgelöst wurde, erfasste ebenso andere Bereiche: den For schungsplatz Schweiz (Gründung des Polytechnikums in Zürich ı854 / 55), den Bankenplatz Schweiz (Schweizerische Kreditanstalt ı856), den Versicherungsplatz Schweiz (Schweizerische Rentenanstalt ı857, Helvetia ı858 als erster Transportver sicherer, die Rückversicherungs-Gesellschaft ı863, die Winterthur und die Zürich ı875 als erste Unfallversicherer) – letztlich die ganze wirtschaftliche und kultur politische Erfolgslandschaft Schweiz, wie sie sich bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs präsentierte. Der Schienenverkehr war ihre Lebensader.
Verkehrssysteme auf dem Wasser Das Wasserschloss Schweiz: Die Vielzahl an Quellen, Bächen, Flüssen und Seen prägt die Schweizer Landschaft. Rund 4,5 Prozent der Fläche der Schweiz besteht aus Seen und Flüssen, während die umliegenden Länder auf höchstens die Hälfte davon kommen. Diese Dichte war vor dem Eisenbahnzeitalter für den Verkehr von grösster Bedeutung. Rund tausend Kilometer Wasserwege galten in der Schweiz des ı8. Jahrhunderts als schiffbar. Damit verfügte das Land über ein natür liches Verkehrsnetz. Die Flüsse boten sich an, um Güter aus abgelegenen Tälern (etwa aus dem Glarnerland) in die Städte des Mittellandes (Zürich) oder weiter ins Ausland zu transportierten. Ebenso verbanden grössere Seen Städte und Orte einer Region oder fügten – etwa der Bodensee – mehrere Regionen zu einem Wirtschaftsraum zusammen. In der Schweiz gibt es ı3 Seen mit einer Fläche von mindestens rund 20 Quadratkilometern. Deutschland verfügt in den heutigen Grenzen über ı5 solcher Seen, obwohl es fast neunmal so gross ist wie die Schweiz, während Österreich mit der doppelten Fläche nur gerade 4 stehende Gewässer dieser Grösse aufweist.2 Verkehrsgeschichtlich ist in der Schweiz die Zeit ab den ı820er Jahren geprägt durch die Entwicklung der Dampfschifffahrt. Mit diesen neuen technischen Er rungenschaften konnten sich selbst die grossen Seen zu Verkehrsdrehscheiben entwickeln, was zuvor mit Weidlingen und Ledischiffen (Nauen) nicht möglich gewesen war. Dadurch nahm der Waren- und Personenverkehr auf dem Wasser
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Dampfschiff «Italia». Kolorierte Postkarte.
einen markanten Aufschwung. Grundsätzlich gilt, dass die Wasserwege in der ersten Hälfte des ı9. Jahrhunderts das leistungsfähigste Verkehrssystem darstellten. Die Binnengewässer waren als Verkehrsverbindungen dem Landweg überlegen. Mit den neuen Dampfschiffen wurde der Verkehr auf den Schweizer Seen zusätz lich und kräftig ausgebaut. Nicht nur dass die Kapazitäten für Passagiere und Güter beträchtlich anstiegen. Mit diesem Wachstum ging ebenso eine erhebliche Ver kürzung der Reise- und Transportzeiten einher. Zwar schlug im Vergleich zu den Reisezeiten auf dem Landweg die Beschleunigung des Verkehrs auf dem Wasser nicht primär zu Buche. Denn Kutsche und Dampfschiff waren in etwa gleich schnell.3 Ausschlaggebend war die Streckenführung. Der Kutschenbetrieb fiel in Sachen Geschwindigkeit gegenüber dem Dampfschiff erst dann zurück, wenn dieses das Ziel auf direktestem Weg durch Überquerung des Gewässers erreichte.4 Der Aspekt der Geschwindigkeit, der aus wirtschaftlicher Sicht erfolgsent scheidend sein konnte, erwies sich jedoch nicht für alle Nutzer als gleichermassen prioritär. Bemerkenswert ist nämlich, dass namentlich bei ausländischen Ferien gästen die Beschleunigung der Reise durch die Dampfschiffe nicht durchwegs erwünscht war. Denn die Touristen, die im ı9. Jahrhundert und bis zum Ersten Weltkrieg den Hauptteil der Passagiere auf den Schweizer Seen ausmachten, wa ren gewöhnlich nicht darauf erpicht, schnellstmöglich von einem Seeufer zum andern zu gelangen: Sie wollten die Fahrt übers Wasser und die Schönheit der Landschaft geniessen. Von der Entwicklung der Dampfschifffahrt profitierten
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jene Destinationen ganz besonders, die als Hafenorte Ausgangspunkt oder Zwi schenstation eines touristisch attraktiven Schiffskurses wurden. Am Genfersee war dies – neben der Stadt Genf – namentlich Villeneuve, das bereits ı828 von Dampfschiffen angelaufen wurde, während Nyon und Vevey erst ı838 beziehungs weise ı853 folgen; am Vierwaldstättersee wurden Weggis und Brunnen ab ı837 angelaufen – erst später auch Vitznau oder Gersau. Am Thunersee profitierten Gunten (seit ı866) und Spiez (ı870) dank ihren Anlegestellen für Dampfschiffe wie keine anderen Orte vom touristischen Aufschwung. Ebenso bedeutend war die Dampfschifffahrt für den Gütertransport. Exem plarisch verlief die Entwicklung am Bodensee: Das zuvor kleine Thurgauer Fischer dorfRomanshorn, das im frühen ı9. Jahrhundert nicht mit ausgebauten Strassen erschlossen war und nur über einen Landungssteg für sogenannte Lädinen (Las tensegler) verfügte, wurde am Schweizer Ufer Hafenort für Dampfschiffe und überflügelte das wirtschaftlich und kulturell wichtigere sanktgallische Rorschach. Der Grund lag darin, dass die Thurgauer – nicht zuletzt dank Johann Joachim Bachmann (ı794 – ı878), dem «Prinzen von Romanshorn» – früher als die St. Galler die Bedeutung der Dampfschifffahrt erkannt und ihre Hafenanlage bereits zu Beginn der ı840er Jahren ausgebaut hatten.5 Da die Raddampfer eine grössere und geschütztere Hafenanlage benötigten als die Lastkähne, gewann jener Ort das Rennen, der über die entsprechenden Infrastrukturen verfügte. Die Behörden von Romanshorn nutzten die Gunst der Stunde, als andere Seegemeinden noch schliefen. Zusammen mit dem Begehren, eine neue Strasse nach Amriswil zu bau en, wurde der thurgauische Grosse Rat um eine grössere Hafenanlage ersucht. Diese Investition sollte sich für Romanshorn eine knappe Generation später ein zweites Mal – und in noch grösserem Masse – auszahlen. Denn als sich die Eisen bahn Mitte der ı850er Jahre unaufhaltsam dem Bodensee näherte, musste die Frage der Seeüberquerung gelöst werden. In dieser Situation sah sich Romanshorn in einer unvergleichlich besseren Ausgangslage als andere Hafenorte ohne Dampf schiffanschluss. Denn es drängte sich geradezu auf, auch den Güterverkehr von Zürich Richtung Süddeutschland und Mitteleuropa über Romanshorn als Dreh kreuz abzuwickeln. Dazu kam, dass Romanshorn – von Zürich aus betrachtet – als ostschweizerischer Verkehrsknotenpunkt am Bodensee günstiger gelegen war als Rorschach. Dieses Beispiel dokumentiert, dass es ausschlaggebend ist, ein sich öffnendes historisches Zeitfenster zu erkennen und strategische Entscheide früh zeitig und richtig zu fällen. Umgekehrt erweist es sich faktisch als unmöglich, den einmal unterlassenen Ausbau verkehrspolitischer Infrastrukturen nachzuholen und mit der Konkurrenz – selbst über eine Generation hinweg – gleichzuziehen. Das Zeitalter der Dampfschifffahrt auf Schweizer Seen wurde am ı8. Juni ı823 eingeläutet, als in Genf die Guillaume Tell von Stapel lief. Das war eine Premiere
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François Bocion (1828 –1890): Der Landesteg in Ouchy, 1875, Öl auf Leinwand, 35 ✕ 61,2 cm.
nicht nur für Schweizer Seen, sondern für europäische Gewässer insgesamt. Die Anregung war von Edward Church (ı769 – ı847) ausgegangen, dem ameri kanischen Konsul in Frankreich. Dieser hatte bei einem Besuch des Genfersees ein Jahr zuvor mit Erstaunen festgestellt, dass ein freies und geistvolles Land wie die Schweiz, das inmitten Europas gelegen und mit landschaftlichen Schönheiten gesegnet war, von der revolutionären Erfindung der Dampfschifffahrt offenbar keine Kenntnisse hatte.6 Auf den Mauriac-Werften in Bordeaux gebaut, wurde die Guillaume Tell in Genf zusammengesetzt und mit einer englischen Dampfmaschine ausgerüstet. Das Schiff verkehrte täglich zwischen Genf und Ouchy und benötigte für die Strecke sechs Stunden – im Unterschied zur Tagesreise mit der Diligence. Die Guillaume Tell fand rasch Nachahmer. Bereits ı824 lief die ebenfalls genferische Winkelried von Stapel, und ı826 wasserte eine Lausanner Gesellschaft die Léman. So wurde die traditionelle Rivalität zwischen den beiden Kantons hauptorten auf dem Genfersee weitergeführt. Bis es ı873 zur Fusion unter dem Dach der Compagnie Générale de Navigation ( CGN ) kam, wurde der Schiffsver kehr durch mehrere Gesellschaften betrieben. Das Dampfschiff konnte die füh rende Rolle als Transportmittel so lange spielen, bis ab den ı860er Jahren den Seeufern entlang zusammenhängende Eisenbahnnetze entstanden. Dadurch reduzierte sich die Bedeutung des Schiffes auf den Ausflugsverkehr. Um dem
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Emil Friedrich Graf (1845 –1924): Güterhafen von Flüelen um 1882.
Andrangder Touristen gewachsen zu sein, betrieb die CGN ı896 elf Salon-Rad dampfer, von denen zehn bei der Winterthurer Firma Sulzer in Auftrag gegeben worden waren.7 Die Erschliessung der Schweizer Gewässer durch den Dampfschiffbetrieb fand die breite Unterstützung von Industrie, Gewerbe und Tourismus. Gastwirte und Fabrikanten waren gleichermassen an der Verbesserung der Verkehrsinfra struktur auf dem Wasser interessiert. Ging es im einen Fall um die Sicht des Fremdenverkehrs, war es im anderen diejenige der verarbeitenden Industrie. Vor diesem Hintergrund überrascht nicht, dass beispielsweise die Hotelier-Gebrüder Knechtenhofer auf dem Thunersee oder der Schokoladenproduzent Suchard auf dem Neuenburgersee zu den Dampfschiffpionieren zählten. Das solchermassen breit abgestützte Interesse führte dazu, dass die Dampfschifffahrt rasch die Schweizer Seen eroberte. [ S. 444] Drei Jahre nach der Jungfernfahrt der Guillaume Tell auf dem Genfersee fuhren erste Dampfschiffe auch auf dem Neuenburgerund dem Murtensee sowie auf dem Lago Maggiore. Kräftigen Schub erhielt die Dampfschifffahrt in der zweiten Hälfte der ı830er Jahre mit Stapelläufen auf Zürichsee (ı835), Thunersee (ı835), Vierwaldstättersee (ı837), Walensee (ı837) und Brienzersee (ı839). In der Jahrhundertmitte folgten Jungfernfahrten auf Luganer see (ı848) und Untersee (Bodensee, ı850) sowie auf dem Rhein zwischen Stein am Rhein und Schaffhausen (ı85ı), auf dem Zugersee (ı852) und schliesslich auf dem Bodensee (ı855). Innert drei Jahrzehnten war die Dampfschifffahrt somit auf den grossen beziehungsweise touristisch bedeutenden Schweizer Gewässern einge führt; Nachzügler folgten auf dem Bielersee (ı887) und dem Hallwilersee (ı888).
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Fast zeitgleich mit der Gründung des Bundesstaates waren somit die wich tigsten Wasserstrassen mit dem Dampfschiff erschlossen.8 Die junge Schweiz hatte sich im klaren zu werden, ob sie weiterhin oder gar verstärkt auf dieses Verkehrssystem setzen wollte und ob der Schienenweg alternativ oder komple mentär zum Wasserweg zu fördern sei. Die Beantwortung dieser Fragen sollte zu einer Weichenstellung mit weitreichenden Folgen führen.
Interessenkollisionen auf dem Vierwaldstättersee Bis zum Einsatz der ersten Dampfschiffe transportierten Nauen Waren und Per sonen auf dem Vierwaldstättersee Richtung Gotthard. Die Schifffahrt wurde tra ditionell durch die Gesellschaften der Schiffleute organisiert, die in den Kantonen Luzern, Schwyz und Uri zunftmässig organisiert waren. Dies änderte sich ı837 mit der Jungfernfahrt der Stadt Luzern. Dieses Dampfschiff war Eigentum einer Ak tiengesellschaft, die vom damals 29-jährigen Banquier Casimir Friedrich Knörr (ı808 – ı882) zusammen mit seinem Kompagnon Josef Maria Ronca (ı78ı – ı87ı) gegründet worden war. Das Dampfschiff fasste ı0 Tonnen Last und 300 Passagiere und fuhr mit einer Stundengeschwindigkeit von ı8 Kilometern. Diese übermächtig anmutende Konkurrenz aus Luzern führte in Brunnen (Schwyz) zu einer Welt untergangsstimmung: ein «Fluch der Schiffleute» und «Jammer der Weiber» sei das neue Gefährt, da es das tägliche Einkommen bedrohe. 9 Doch auch der Wider stand der Urner gegen den Dampfschiffbetrieb aus Luzern liess nicht auf sich warten. Mehrere Schlichtungskonferenzen mit den am beschleunigten Transport interessierten Kantonen unter Führung von Luzern und Tessin wurden einberu fen. Die Verhandlungen scheiterten, und so wurde der Gerichtsweg beschritten. Gegen eine Gebühr wurde schliesslich der Stadt Luzern gestattet, in Flüelen (Uri) anzulegen. ı843 liess Knörr ein weiteres Dampfschiff von Stapel. Im gleichen Jahr folgte die Gründung der Postdampfschiffgesellschaft durch den Urner Landam mann Karl Emanuel Müller (ı804 – ı869) – unmissverständlich als Konkurrenzun ternehmen zu Knörrs Gesellschaft konzipiert. Die beiden von Müller in Auftrag gegebenen Schiffe Waldstätter und Rigi wurden bei Ditchburn & Mare in London gebaut, da Escher Wyss in Zürich exklusiv an Knörr gebunden war. Die Lieferung der Schiffe erfolgte in Teilstücken auf dem Flussweg bis Strassburg, per Bahn nach Basel und von dort mit bis zu ı8-spännigen Pferdefuhrwerken nach Luzern. Zwi schen der luzernischen und der urnerischen Gesellschaft herrschte Kriegszustand, ein Ende der Eskalation war nicht absehbar. Die erbitterte Gegnerschaft fusste nicht nur auf wirtschaftlichem Konkurrenzdenken, sondern hatte eine politische Note: Knörr und seine Gesellschaft galten als liberal, Müller und seine Crew als konservativ.
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Den Streit legte erst das Bundesgesetz vom 30. Mai ı849 bei, das den freien Wasserverkehr Luzern – Flüelen regelte und die beiden Gesellschaften zwang, sich zu einigen.10 Ende der ı860er Jahre drohte nun aber ein neuer Konkurrent ins Spiel zu kommen: die Centralbahn, die Basel und Luzern auf dem Schienenweg ver band und hinter der Gründung der Dampfschiffgesellschaft Luzern ( DGL ) stand, die zwei Schiffe bauen liess (ı870). Noch im gleichen Jahr wurden die Schiffe an die Vereinigte Dampfschifffahrtsgesellschaft ( VDGV verkauft. Die Taktik, Mit bewerber zu eliminieren, indem man deren Schiffe aufkaufte oder Gesellschaften fusionierte, wurde nicht nur auf dem Vierwaldstättersee verfolgt. Auch im späte ren Konkurrenzkampf der privaten Bahngesellschaften waren solche unternehme rischen Planspiele üblich. Solchermassen unter Druck, fusionierten per ı. Januar ı870 die von Knörr und Müller geführten Unternehmen zur Vereinigten Dampfschiffgesellschaft auf dem Vierwaldstättersee ( VDGV ). Und bereits sechs Monate später folgte die grosse Fusion der VDGV mit der DGL. Knörrs Hunger war indes noch nicht gestillt. Bald schon gründete er die Salon-Dampfschifffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees mit Sitz in Gersau und liess mit der Germania und der Italia zwei neue Schiffe von Stapel. Doch dem Druck der vereinigten Konkurrenz hielt er auf die Dauer nicht stand. Knörr verkaufte seine Schiffe und stieg aus diesem Geschäft aus. Dabei verpflichtete er sich sogar, keine weiteren Konkurrenzgesellschaften zu gründen. Die Dampfschifffahrt auf dem Vierwaldstättersee hielt mit dem rasant zu nehmenden Fremdenverkehr Schritt. Die Eröffnung der Gotthardbahn ı882 führte lediglich vorübergehend zum Rückgang der Passagierzahlen. Wohl fielen fortan die Transittouristen weg, doch brachte die Belle Epoque laufend neue Scharen internationaler Gäste nach Luzern und zu den touristischen Hotspots der Zentralschweiz. Daher nahmen die Passagierzahlen auf dem Vierwaldstättersee ab Ende der ı880er Jahre markant zu. Die Dampfschiffe waren nun zugleich Aus flugsziel und Zubringer für die reihum entstehenden neuen Bergbahnen. Auch der Verbund zwischen Schiff und Eisenbahn im Sinne des Trajektverkehrs wurde ı89ı an die Hand genommen. Bis ı920 betrieb die VDGV diesen Fährdienst.11 Aller dings kam diesem Verbundsystem auf dem Vierwaldstättersee zu keinem Zeit punkt eine vergleichbare Bedeutung zu wie auf dem Bodensee. Nimmt man die Schifffahrt auf dem Vierwaldstättersee als Beispiel, so lassen sich in einer ersten Betrachtung Parallelen zur Eisenbahnentwicklung erkennen, doch zeigen sich ebenso grundlegende Unterschiede: — Traditionelle Verkehrsbetriebe werden durch technische Neuerungen über rollt. Der Fortschritt, der die Destination Brunnen am Urnersee in Gestalt von Dampfschiffen ansteuert, kann langfristig selbst von einer Armada aus Ruderbooten und Nauen nicht vom Anlegen abgehalten werden. Das gilt
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Dampfschiff «Rigi», um 1855, kolorierte Aquatinta.
später ebenso für die Eisenbahn: Mit dem Hinweis auf lärmempfindliche und schreckhafte Pferde oder auf den Rückgang der Milchproduktion bei Kühen lässt sich das eiserne Dampfross nicht von einem Bauernbetrieb fernhalten, wenn die Bahnlinie in seiner Nähe vorbeifährt. — Die Schifffahrt ist naturgemäss an begrenzte Räume gebunden, während der Eisenbahn das ganze Land offensteht. — Der Wasserweg auf den Schweizer Seen und Flüssen war grundsätzlich für Schiffe frei zugänglich. Probleme ergaben sich indes vor ı848 beim Anlegen in Häfen anderer Kantone, konnte doch etwa die Erhebung von Steuern mit Schikanen verbunden sein. Der Schienenweg wiederum war nur mit Hilfe von Enteignungen realisierbar. Zwar wurde die Konzession für eine Eisen bahnstrecke durch kantonale Behörden (Grosser Rat) erteilt, Bau und Be trieb der Strecken hatten indes rein wirtschaftlichen Kriterien zu genügen. Im Gegensatz dazu hatten die Auseinandersetzungen auf dem Urnersee mithin kantons- und parteipolitische Gründe, zumal nebst den Kantonen Uri, Schwyz und Luzern auch noch der Kanton Tessin involviert war.
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Carl August Schöll (1810 –1878): Die Eisenbahn als Bauernschreck, 1858, Lithografie, 24,8 ✕ 32,6 cm.
— Wie später Lokomotiven und Waggons werden die Dampfschiffe von der Schweizer Maschinenindustrie fabriziert und zählen bald schon zu deren Vorzeigeprodukten. — Der Betrieb einer Schifffahrtsgesellschaft ist mit weniger Kapitaleinsatz mög lich als derjenige einer Eisenbahngesellschaft. Dies erklärt, warum der Schiffsbetrieb in den ı830 / 40er Jahren von Einzelpersonen oder Familien finanziert werden kann, während nur Geschäftsbanken im Rahmen von Aktiengesellschaften das Investitions- und Risikokapital zur Verfügung stel len können, das ab den ı850er Jahren für Bau und Betrieb von Eisenbahnen erforderlich ist. — Errichtung und Betrieb der Schifffahrt wie der Eisenbahn sind Sache der Privatwirtschaft. Dies erklärt die rasche Nutzbarmachung der Infrastruk turen für die Öffentlichkeit und lässt erahnen, wie schwierig und langwierig der Realisierungsprozess unter staatlicher Verantwortung verlaufen wäre. Anders gesagt: Die rasante Erschliessung der Schweizer Gewässer und Land
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Auch in Zürich spielte sich die Modernisierung des Verkehrs im 19. Jahrhundert zunächst auf dem Wasser ab. 1835 befuhr das erste Dampfschiff den Zürichsee. Beim Stapellauf am 19. Juli verfügten die Seegemeinden noch über keine geeigneten Landungsstege. Kahnführer besorgten den Verbindungsdienst vom Schiff zum Ufer, wobei die Passgiere mancherorts weit draussen auf dem See vom grossen ins kleinere Gefährt umsteigen mussten. 1838 schlossen sich mehrere kleinere Unternehmen zur Zürichsee-Walensee-Gesellschaft ( ZWG ) zusammen. Ihre Flotte umfasste 12 Dampfboote. Die wachsende Bedeutung des Schiffsverkehrs auf dem Zürichsee lässt sich durch Zahlen dokumentieren: Beförderte die ZWG 1840 mit nunmehr 13 Dampfbooten insgesamt rund 80 000 Passagiere, waren es 1870 durch die neue Dampfbootgesellschaft für den Zürichsee mit 17 Schiffen bereits rund 1 Million. Als in den 1850er Jahren der Grossraum Zürich zunehmend auch mit der Eisenbahn erschlossen wurde, galt es die Fahrpläne von Schiff und Bahn aufeinander abzustimmen. Das damals noch vorherrschende Verkehrssystem hatte Priorität: Die Schifffahrt bestimmte den Takt. Dies sollte sich indes bald ändern.
schaften durch Schiff und Eisenbahn als Voraussetzung des wirtschaftlichen Aufschwungs konnte nur auf privatwirtschaftlicher Basis gelingen. — Die Schifffahrt vermittelt der wirtschaftlichen Entwicklung einzelner Regio nen des Landes Impulse, doch nicht in dem Ausmass wie die Eisenbahn, die faktisch alle Bereiche der Schweizer Gesellschaft erfasst.
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DAS ZUSAMMENSPIEL DER VERKEHRSSYSTEME Es war eine heitere Fahrt: Wie Parlamentarier 1853 nach Hause reisten Zwar war die Dampfschifffahrt im Schweizer Mittelland rasch als wichtigstes Ver kehrsmittel etabliert, ihre volkswirtschaftliche Bedeutung konnte sie jedoch erst im Verkehrsverbund optimal entfalten. An die natürlichen Gegebenheiten der Wasserstrassen gebunden, waren der Güterverkehr wie auch der Personenverkehr auf Zubringer- und Anschlusslösungen angewiesen. Richtig getaktet und struk turiert, erzielte der dampfbetriebene Schiffsverkehr eine erstaunliche Bedeutung, die über das Flachland hinaus auf die Alpenpässe und den Jura ausstrahlte. Wie verschiedene Verkehrsmittel einander ergänzten, macht ein Tagebuch eintrag von Ständerat Arnold Otto Aepli (ı8ı6 – ı897) aus dem Jahr ı853 nachvoll ziehbar. Eine kulturgeschichtliche Note gewinnt der Bericht, wenn man sich ver gegenwärtigt, aus welchen Persönlichkeiten die Reisegesellschaft zusammengesetzt war, die im Anschluss an die Junisession der eidgenössischen Räte in Bern aufbrach und den Heimweg Richtung Ostschweiz via Thun, Brünig und Beckenried antrat. Zur politisch schwergewichtigen Gruppe gehörten neben anderen die Zürcher Nationalräte Alfred Escher (ı8ı9 – ı882) und Jakob Dubs (ı822 – ı879), der Thurgauer Ständerat Johann Karl Kappeler (ı8ı6 – ı888) und der Bündner Nationalrat Andreas Rudolf von Planta (ı8ı9 – ı889). Dass der St. Galler Bundesrat Wilhelm Matthias Näff (ı802 – ı88ı), damals Vorsteher des Politischen Departements, für die Fahrt bis Thun einen grossen Postwagen des Bundes zur Verfügung stellte, allerdings in der Erwartung, dass man dort das Kantonnement der sanktgallischen Truppen besu chen würde, gab der Reise den besonderen Auftakt. Und Aepli wörtlich: «Dann ging es zu Schiff über die beiden Seen, auf dem Brienzersee wurden wir von einem gewaltigen Gewitter mit Platzregen und heftigem Winde über rascht. Der Blitz schlug nicht weit vom Schiff in den See. Wir hatten drei Ruderer, von denen einem durch die Wellen das Ruder abgerissen wurde. Es war keine behagliche Situation und es wurde beraten, ob wir nicht trachten sollten, irgend wo das Ufer zu erreichen. Es war aber nicht tunlich, da das Schiff Gefahr gelaufen hätte, von der Seite erfasst zu werden, indem der Sturmwind in der Richtung unseres Kurses blies. Wir kamen indessen, allerdings ganz durchnässt, in Brienz an, wo wir übernachteten. Am folgenden Tage ging die Reise über den Brünig. Escher und ich zu Pferde bis auf die Höhe des Passes, die übrigen zu Fuss. In Lungern stellte sich während des Mittagessens ein richtiger Landregen ein, der uns nötigte, Wagen zu nehmen und bis Beckenried zu fahren, wo in dem guten Gasthof am See wieder übernachtet wurde. Es war eine heitere Fahrt, an der es an guten und schlechten Witzen nicht gefehlt hatte. Am folgenden Morgen setzten
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sondern in den Bahnhöfen von Basel, Luzern und Zürich. Von dort kamen die internationalen Touristen, die den Hauptharst der Rigi-Besucher ausmachten. Bereits die Anfahrt wurde als Erlebnis konzipiert, beispielsweise die Zufahrt von Zürich mit der Bahn über Affoltern nach Zug. Weiter ging es mit dem Salon dampfer Helvetia über den Zugersee nach Arth. Mit der Adhäsionsbahn, dem so genannten Arther Trämli, zunächst gezogen von Tallokomotiven, führte die Reise nach Oberarth. Dort begann der Zahnradbetrieb, und über Goldau ging es auf die Rigi, wobei Berglokomotiven hinter die Wagen gestellt wurden. Nach dem Bau der Gotthardbahn folgten die Trasseeverlängerung und eine neue Bahnhofinfra struktur. Ab ı89ı führte die Südostbahn vom Zürichsee über Pfäffikon und Biber brugg nach Goldau; ab ı897 bestand ebenfalls eine Möglichkeit, mit der Bahn von Zug über Walchwil nach Goldau anzureisen. Auch der Zugang von der Luzerner Seite aus wurde als Erlebnis inszeniert: mit Luzern als zentralem Ausgangspunkt der Dampfschifffahrt über den Vierwaldstättersee.26
Alpenstrassen und Kutschenverkehr Der Ausbau der Alpenstrassen für vierrädrige Wagen und Kutschen erfolgte in drei Phasen. Im frühen ı9. Jahrhundert wurden die beiden Hauptverkehrsachsen im Nord-Süd-Verkehr konzipiert: die Strassen über Simplonpass (ı805) und Gott hardpass (ı830). ı82ı konnte die San-Bernardino-Strecke erstmals befahren wer den, ı822 die Splügenstrasse, während der Bau der Julierstrasse, ı820 begonnen, erst ı826 seinen Abschluss fand. Aus wirtschaftlichen und staatspolitischen Grün den wurde danach getrachtet, diese Übergänge auch im Winter offen zu halten. Im Unterschied zum Strassenbau im Mittelland, der in den ı830er Jahren in einzelnen Kantonen kräftige Impulse erhielt, folgte die zweite Phase beim Bau von Alpenstrassen erst im jungen Bundesstaat.27 Wiederholt fand sich dieses kanto nale Infrastrukturvorhaben auch auf der Traktandenliste der eidgenössischen Räte. Dabei wurde namentlich die Frage gestellt, welche Alpenstrassen nationale, welche lediglich kantonale Bedeutung hätten. Beachtet wurden dabei zunächst sicherheitspolitische Aspekte. So etwa ı860, als der Bundesrat beauftragt wurde, die Frage der «Erstellung oder Beförderung militärischer Verbindungsstrassen in den Alpen» zu untersuchen.28 Gestützt auf Gutachten kam er zur Erkenntnis, dass die bestehenden Saumpfade für militärische Bewegungen bei weitem nicht aus reichten; Truppen könnten über gewisse Pässe während der Wintermonate nur schwer oder gar nicht verschoben werden, Kriegsfuhrwerke erst recht nicht. Dabei malte die Landesregierung in düsteren Farben aus, was geschehen würde, wenn Pässe oder Alpengebiete in Feindeshand fielen: Im Falle des Luziensteigs beispiels
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Die alte Strasse durch die Tremola nach dem Gotthardpass im Kanton Tessin.
weise wäre Graubünden von der übrigen Schweiz abgeschnitten; mit einem Schlage wäre der ganze Kanton verloren. Oder die vergleichbare Situation in St-Maurice: Der Kanton Wallis wäre von der übrigen Schweiz getrennt. Um diese Missstände zu beseitigen, erachtete es das eidgenössische Parlament für richtig, dass die geplanten kantonalen Passstrassen durch den Bund finanziell unterstützt wurden. Dazu hatten auch politische und wirtschaftliche Argumente beigetragen: Denn für die Schweiz als kleines Land sei es wichtig, dass alle Landesteile nicht nur durch die Bundesverfassung, sondern auch durch Verkehrsinfrastrukturen miteinander verbunden seien. Während die Eisenbahnen – so die damalige Ein schätzung – namentlich die Regionen des Mittellandes vernetzt hätten, und dies in einer Weise, «wie es vollständiger kaum gewünscht werden kann», würden die Strassen über die Alpenpässe namentlich den Alpentälern zugute kommen.29 Ab gesehen von diesen militärstrategischen und kulturpolitischen Betrachtungen stellten auch die internationalen Touristen, die ab der Mitte des ı9. Jahrhunderts in schnell wachsender Zahl im Sommer die Schweiz besuchten, Ansprüche an die Verkehrsinfrastrukturen. [ S. 298] So wurden mit den Bündner Pässen als Schar nier ab den ı860er Jahren zunächst Ost-West-Verbindungen erstellt: über Oberalp (ı862 / 63), Furka (ı863 / 66), Albula (ı865), Bernina (ı866) und Flüela (ı867). Die dritte Phase mit dem Bau der Strassen über den Ofenpass (ı872), den Lukmanier (ı877), den Jaunpass (ı872 /78), die Grimsel (ı89ı / 94), den Grossen
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Eine Postkutsche auf der Furka-Passhöhe, um 1900, kolorierte Ansichtskarte.
Sankt Bernhard (ı893) und schliesslich den Klausen (ı899) erstreckte sich über das letzte Viertel des ı9. Jahrhunderts. In dieser Zeit nahm der Wintertourismus sei nen Anfang, was dem Unterhalt der Alpenstrassen zusätzliche Bedeutung verlieh. Denn die internationalen Gäste erwarteten, dass selbst höchstgelegene und schwer zugängliche Standorte auch bei Schnee und Kälte bequem zu erreichen waren. [ S. 297] Der Ausbau der Pässe schuf neuartige Situationen. Im Unterschied zu den meist privat strukturierten Verkehrssystemen der Dampfschifffahrt und der Eisen bahn wurden die Alpenstrassen durch staatliche Mittel finanziert und blieben in öffentlicher Hand. Allerdings kam es im jungen Bundesstaat vor, dass einzelne Strassen dank privater Finanzierung realisiert werden konnten, weil die Staats kasse über zu wenig Mittel verfügte. So verhielt es sich beispielsweise beim Bau der spektakulären Axenstrasse.30 Im Vergleich mit den Kantonen Graubünden, Uri und Wallis war der Kanton Bern im Verlauf des ı9. Jahrhunderts beim Bau von Alpenstrassen zurückgefallen. Erst ı890 wurde die Strasse über den Pillon, ı894 diejenige über die Grimsel ausgebaut – zwei Passstrassen, die indes für den Kanton keine zentrale Bedeutung hatten. Etwa zur gleichen Zeit wurden Strassen im Berner Jura angelegt. Bereits früher (ı870) war die Wegstrecke von Biel nach Magglingen ausgebaut worden, wo ı877 das Grand-Hotel Kurhaus eröffnet wurde. ı887 wurde das Dorf über dem Bielersee durch die Standseilbahn erschlossen und
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Schiff, Eisenbahn und Standseilbahn im Verbund: Die Hotelanlage in Territet, um 1890, Kupferstich.
konnte sich damit zu einer bedeutenden Tourismusdestination entwickeln. Diese Investitionen in den Verkehr waren auch die Voraussetzung dafür, dass sich Magg lingen durch den Bau weiterer Infrastrukturen wie beispielsweise Tennisplätze profilieren und so ins Blickfeld der internationalen Sportwelt rücken konnte. Dass der Wirt der Krone um ı900 auch eine anglikanische Kapelle bauen liess, verweist auf die starke Präsenz britischer Gäste. Zusammenfassend gesagt, bildete der Ausbau des Strassenverkehrs eine zwingende Voraussetzung für die Entwicklung der Schweiz im ı9. Jahrhundert. Verglichen mit dem Eisenbahnbetrieb trugen die Strassen jedoch weniger zur Modernisierung des Landes bei.
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DIE ENTWICKLUNG DES BAHNTOURISMUS Bitte einsteigen! «In St-Maurice gabelt sich die Eisenbahn und es verlassen diejenigen Reisenden, welche mit der Schweizerischen Westbahn nach Bex, Villeneuve, Vevey und Lausanne reisen wollen, die Wagen. Die Bahn der Compagnie de la Ligne d’Italie führt nach Monthey. Der Endpunkt der Bahnlinie ist Bouveret, Landungsplatz aller von Savoyen nach Italien bestimmten Kaufmannsgüter.» Diese Durchsage, die nicht aus dem Lautsprecher ertönte, sondern so oder in ähnlichen Worten in Reiseführern der späteren ı860er Jahre zu lesen war, verweist auf ein paar bemer kenswerte Aspekte der Schweizer Eisenbahn-Pionierzeit.31 Damals herrschte ein Konkurrenzkampf zwischen privaten Gesellschaften. ı866 fuhren von Bouveret nach St-Maurice täglich drei Züge mit Anschluss an die Dampfboote der Compagnie d’Italie von und nach Genf. Diese Linie war ı859 er öffnet worden und wurde etappenweise Richtung Simplon verlängert: ı860 bis Sitten, ı868 bis Siders und schliesslich bis Brig. Der Bahnbau im Wallis stand unter einem schlechten Stern. In Saxon etwa revoltierten die Bauern gegen die Enteig nung ihres Landes. Doch dies kam in der Schweiz auch andernorts vor. ı860, nach der Annexion Savoyens durch Frankreich unter Napoleon III., kamen Befürch tungen auf, die französisch beherrschte Compagnie d’Italie könnte Frankreichs Annexionsgelüste Richtung Wallis ausweiten. Dass die meisten privaten Bahn gesellschaften durch ausländisches Kapital beherrscht waren, war ebenfalls keine Walliser Eigenart, sondern eine gesamtschweizerische Erscheinung. Als dann die Schienen bis Sitten verlegt waren, wurde die Eröffnung im Casino Saxon mit Pomp gefeiert: ganz so, wie man es gewöhnlich zu tun pflegte. Die leeren Cham pagnerflaschen waren noch kaum entsorgt, als die Compagnie d’Italie Konkurs ging – wie andere Bahngesellschaften auch. Die Aktionäre mussten Millionen investitionen abschreiben. Und so konnte der ursprüngliche Initiant, Adrien de La Valette (ı8ı3 – ı886), die Gelegenheit nutzen, um die Gesellschaft für einen Pappenstiel wieder in seinen Besitz zu bringen. Das war gängige Praxis, als sich das Eisenbahnprojekte überhitzt hatten und die Spekulationsblase geplatzt war. Die zweite Gesellschaft, die das Wallis befuhr, die Schweizerische Westbahn, trieb ihr Streckennetz von Villeneuve nach Bex (ı857 vollendet) und Richtung St-Maurice voran. ı873 war auch die Strecke Genf – Lausanne –Villeneuve fertig gestellt. St-Maurice blieb stets Umsteigeort auf die Hauptlinie Bouveret – St-Mau rice – Sitten.32 Mit seinen Bergstrecken schrieb das Wallis Bahn-Weltgeschichte. Die Strecke von Visp nach Zermatt (ı89ı eröffnet) war das höchstgelegene Eisen bahntrassee Europas und bot ein spektakuläres Panorama. Der Simplontunnel (ı906) war mit ı9,803 Kilometern der längste Tunnel seiner Zeit, die Simploneisen
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bahn die erste elektrifizierte Hauptbahnstrecke der Schweiz. Die Lötschberglinie konnte ab ı9ı3 durchgehend befahren werden. Mit dem Bau der Eisenbahnstrecke Furka – Oberalp wurde ı9ıı begonnen. Im Sommer ı9ı6 musste die Gesellschaft die Ausbauarbeiten aus finanziellen Gründen vorübergehend einstellen. Dank öffent lichen Geldern konnte der Betrieb indes aufrechterhalten werden. ı923 folgte die Zwangsliquidation der Gesellschaft. In der Folge übernahmen die betroffenen Kantone den grössten Teil der Infrastruktur einschliesslich Rollmaterial, und ı925 konnte die Furka-Oberalp-Bahn ( FO ) gegründet werden. Die Streckenführung bis Brig wurde im folgenden Jahr fertiggestellt. Der Bau der Furka-Oberalp-Bahn bildet ein unerfreuliches Kapitel der Schweizer Alpenbahngeschichte. Im Ver gleich zur Nord-Süd-Verbindung über und durch den Gotthard war die Querver bindung zwischen Wallis und Graubünden durch das Urserental von geringerer strategischer und verkehrspolitischer Bedeutung.33
Ein verästeltes Netz und immer höher die Täler hinauf Ohne die energische Erschliessung des Landes durch den Schienenverkehr ist die Tourismusdestination Schweiz nicht vorstellbar. Ihre Anziehungskraft brach in der zweiten Hälfte des ı9. Jahrhunderts bald alle Rekorde und kulminierte in der Belle Epoque. [ S. 121] Die hundertausenden von Reisenden, die bald schon Jahr für Jahr aus aller Herren Ländern in die Schweiz fuhren, waren hier auf ein funk tionierendes Schienennetz angewiesen, welches das Mittelland mit der Alpenland schaft verband. Die grossen Einfallstore des Personenverkehrs befanden sich in Basel, Genf, Schaffhausen und St. Gallen. Von diesen Ausgangspunkten aus mussten die Touristen zu den Portalen der Hochalpen transportiert werden – nach Bern / Interlaken, Martigny / Sitten und Chur. So haben die privaten Bahngesellschaften zunächst das Mittelland erschlos sen: Innert kürzester Zeit wurde aus der Eisenbahn-Einöde Schweiz das europäi sche Land mit dem dichtesten Bahnnetz. Bereits ı860 reiste man per Bahn vom Bodensee bis an den Genfersee – kein Vergleich zur Situation ein Jahrzehnt zuvor. Allerdings nahm man in Kauf, dass man bei der Fahrt durchs Mittelland mehrfach die Bahngesellschaft wechseln musste. War die Schweiz somit in kürzester Zeit auf der Ost-West-Achse erschlossen, verfolgte der weitere Ausbau in den ı870er Jahren zwei Zielsetzungen: Einerseits wurden Verästelungen vorangetrieben, andererseits Trassees bis unmittelbar an den Fuss der Hochalpen verlegt: Sitten (ı860) und Siders (ı868) beispielsweise bildeten die Ausgangspunkte für den Vortrieb ins Oberwallis nach Leuk (ı877) und Brig (ı878); Interlaken für Lauterbrunnen (ı890), Glarus für Linthal (ı879), Luzern für Alpnachstad (ı889). Bereits in dieser Phase wurde auch das Jahrhundertprojekt der Alpentransversale in Angriff genommen.
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Und so wurde die Eröffnung der Gotthardbahn ı882 zum glanzvollen Höhepunkt der von privaten Gesellschaften geschriebenen Schweizer Bahn-Er folgsgeschichte. Nicht nur dass fortan mit den Kantonen Tessin und Uri die süd liche und nördliche Schweiz miteinander verbunden waren: Mit der Alpentrans versale hat die Schweiz eine Weltbahn geschaffen, die Nordeuropa mit Indien verbindet. Mit der Gotthardbahn schienen alle Widerstände überwunden. Denn selbst das Hochgebirge konnte nunmehr die Eisenbahn nicht mehr aufhalten. Nun bedurfte es konzeptioneller und technischer Weichenstellungen, war doch die Infrastruktur für die Erschliessung des Mittellandes auf Normalspur ausgelegt, während die topographischen Verhältnisse in Graubünden, im Berner Oberland und im Wallis zusätzlich Schmalspurnetze verlangten. Denn höher und höher wand sich nun die Bahn die Täler hinauf – ein triumphaler Siegeszug der Technik über die Natur: ı890 wurden Lauterbrunnen (802 m) und Grindelwald (ı034 m), ı890 Davos (ı560 m), ı89ı Zermatt (ı608 m) und Mürren (ı650 m), schliess lich ı904 St. Moritz (ı822 m) ans Schienennetz angeschlossen. Diese bereits be stehenden Tourismusdestinationen gewannen dadurch markant an zusätzlicher Attraktivität, während sich andere Orte, die bis dahin vom Fremdenverkehr un berührt gewesen waren und nun erschlossen wurden, schnell und tiefgreifend wandelten. Das Dampfross drang dank Schmalspur auch in abgelegene Talschaf ten vor. Die Folgen waren unübersehbar, selbst dort, wo der Tourismus nicht Fuss fasste. Denn die zusehends wachsenden Fremdenorte in den Bergen, die bald auch im Winter zugänglich waren, boten für Einheimische Arbeitsplätze. Davon profi tierten auch Personen ausserhalb der touristischen Hotspots. Doch mit den Eisen bahnen kam auch der moderne, urbane Lebensstil ins Dorf. Im Kontakt mit den Touristen lernten die Einheimischen eine bis dahin unbekannte Welt kennen. Hautnah am Puls der Gesellschaft, gewannen die Hotelangestellten eine neue Identität. Mit der behüteten dörflichen Gemeinschaft war es vorbei, und die Ab geschiedenheit gab es nicht mehr. Dabei brachten die Bahnen nicht nur Moderni sierung und Modernismus in die hochalpine Welt, sondern führten auch umge kehrt Einheimische von den Bergen hinunter ins Mittelland.34 Die Schmalspurbahnen verbanden die grossen Linien mit lokalen touris tischen Verkehrsinfrastrukturen wie Zahnrad-, Adhäsions- oder Standseilbahnen. Und somit war um die Jahrhundertwende die Schweizer Bahninfrastruktur, die ab den ı850er Jahren zielstrebig und mit Höchsttempo ausgebaut worden war, fak tisch vollendet. Nun überzog ein verästeltes Netz von Land- und Passstrassen, Brücken und Tunnels, Normal-, Schmalspur- und Bergbahnen, Dampfbootkursen und Trajekten die Schweiz. Dieses zusammenhängende Verkehrssystem, das vom Bodensee bis an den Genfer- und Luganersee reichte, wurde zum tragenden Fundament für die Entwicklung des Sommer- und Wintertourismus. Die Ver
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kehrsmittel brachten die Gäste mühelos an die reizvollsten Orte des Landes, wo eine schnell wachsende Tourismusindustrie darauf wartete, ihre Wünsche zu er füllen.
Bergbahnen Schweizer Zahnradbahnen schrieben Weltgeschichte. Die Rigibahn, deren Haupt linie auf Rigi Kulm ı87ı in Betrieb genommen und sukzessive um weitere Strecken abschnitte ergänzt wurde, galt als Wunderwerk der Technik. Sie blieb einzigartig, bis ı889 die Bahn auf den Pilatus eröffnet wurde. Auch diese – die steilste Zahnrad bahn der Welt – war primär als Bahn zum Aussichtsgipfel konzipiert worden. Die Pilatusbahn wirkte als kräftige Impulsgeberin und inspirierte zum Bau weiterer Bahnen dieser Art, wobei bemerkenswerterweise die Zentralschweiz den anderen Tourismusregionen vorausging. Daneben gab es Bahnen als Zubringer zu Hotels , beispielsweise auf den Bürgenstock. Das wirtschaftliche Schicksal von Bahn und Hotel war vielfach eng verflochten. Wo der Hotelbetrieb blühte, florierte die Bahn; wo das Hotel schloss, verschwand auch die Bahn. Die Brunnen-Mor schach-Axenstein-Bahn wurde ı905 erbaut; sie bediente die beiden renommierten Morschacher Hotels Axenfels und Axenstein. Der Betrieb wurde ı968 eingestellt, nachdem das Axenstein ı965 gesprengt worden war; das Axenfels war bereits ı947 abgebrochen worden. Bahnen konnten sich hingegen halten, wenn sie sich als Ausflugsbahnen vom Hotelbetrieb emanzipierten. Mit der Brünigbahn wurden ı888 erstmals Schienen über einen Pass verlegt. Damit wurde die traditionelle Verbindung zwischen der Zentralschweiz und der Region Thun / Interlaken zur touristischen Attraktion. In den frühen ı890er Jahren schien es, als ob in der Schweiz das Bergbahnfieber ausgebrochen wäre. In rascher Folge wurden touristische Hotspots erschlossen: Monte Generoso (ı890), Mürren (ı89ı), Rochers de Naye (ı892), Brienzer Rothorn (ı892), Schynige Platte (ı893) oder die Kleine Scheidegg (ı893). Und wie sich die Belle Epoque um die Jahr hundertwende in Glanz und Gloria übersteigerte, kulminierten auch die Berg bahnen. [ S. 300] Highlights waren die Eröffnung der ersten elektrischen Zahnrad bahn in der Schweiz von Zermatt auf den Gornergrat (3ı35 m) ı898 und diejenige der höchstgelegenen Bahnstation Europas auf dem Jungfraujoch (3454 m) ı9ı2. Die ausländischen Touristen erreichten mit normal- und schmalspurigen Bahnen bequem die Schweizer Hochgebirgsdestinationen, dann gelangten sie mit Zahnrad- und Adhäsionsbahnen auf spektakuläre Aussichtspunkte. Und schliess lich führten Standseilbahnen selbst auf höchste Berggipfel. Bemerkenswert ist allerdings, dass die ersten Standseilbahnen nicht fürs Hochgebirge gebaut wur
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Pilatusbahn. Inbetriebnahme am 4. Juni 1889, Fotografie.
den, sondern der Erschliessung von Hotelanlagen und Stadtteilen dienten. So etwa die Strecke vom Bahnhof Lausanne hinunter nach Ouchy an den See, die ı877 in Betrieb genommen wurde, oder die Verbindung von der Anlegestelle der Brien zersee-Schiffe zum Hotel Giessbach (ı879) – die älteste ausschliesslich dem Frem denverkehr dienende Standseilbahn Europas. [ S. 95] Später als in der Zentralund Westschweiz, doch dann um so heftiger brach in den ı880 / 90er Jahren auch im Berner Oberland das Bahnfieber aus und hielt bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs an. Die besondere Intensität dieser Phase zeigt sich darin, dass in der Folge während Jahrzehnten – mit Ausnahme der Gelmerbahn (ı926) und der Chapfbahn (ı939) – keine weiteren Bahnen gebaut wurden. Erst ab den ı950er Jahren erlebte der Bahnbau im Berner Oberland im Zuge der touristischen Ent wicklung noch einmal einen kräftigen Aufschwung – nun aber in einem Ausmass, das die Bauten der Belle Epoque noch übertraf.35
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Die Gegend um Thuner- und Brienzersee sowie die Lütschinentäler entwickelten sich zur am dichtesten mit Bergbahnen erschlossenen Region der Schweiz: beispielsweise mit Standseil bahnen auf den Beatenberg (1889), auf die Grütschalp (1891), zum Reichenbachfall (1899), auf die Heimwehfluh (1906), den Harder (1908) und den Niesen (1910) oder mit Zahnradbahnen auf die Schynige Platte (1893) und die Wengernalp (1893). Zu einem anderen BergbahnenSchwerpunkt wurde die Region um den Vierwaldstättersee. Doch hier handelte es sich hauptsächlich um kleinere und weniger spektakuläre Standseilbahnen: etwa auf den Gütsch (1884) und den Sonnenberg (1902). Die erste eingleisige elektrische Standseilbahn mit Ausweiche und ohne bis dahin übliche Zahnstangenbremse war die Stanserhorn-Bahn (1893). Im Bild eine Aufnahme aus dem Jahr 1893. Gleichzeitig mit der Bahn erbauten Franz Josef Bucher (1834 –1906) und sein Schwager Josef Durrer (1841 – 1919) das Kulmhotel. Auch im Wallis entstanden Bergbahnen, etwa die Gornergratbahn, die 1898 eröffnet wurde. Wider Willen musste die Gemeinde Zermatt klein beigeben und der Hotelierfamilie Seiler das benötigte Wegrecht zum Bau eines Tramtrassees vom Hotel Riffelalp durch den Wald zur Gornergratbahn erteilen. 1899 wurde dieses damals höchstgelegene elektrische Tram Europas (2209 bis 2222 m) in Betrieb genommen. Nach dem Brand des Hotels (1961) wurde die Tramzufahrt abgebrochen, inzwischen aber wieder aufgebaut.
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Bahntechnische Erschliessung und Tourismusentwicklung: Kantonale und regionale Unterschiede Der Tourismus im Kanton Graubünden war in der ersten Hälfte des ı9. Jahr hunderts rudimentär. Erste Verkehrsinfrastrukturen bildeten die sogenannten Kommerzialstrassen, die auch in abgelegene Dörfer führten. Nach dem Bau der Albulastrasse wurden in Bergün und entlang der Strecke Gasthäuser errichtet, die auf den Fremdenverkehr ausgerichtet waren. Ebenso brachte die Kommerzial strasse über den Julierpass den Wintertourismus ins Engadin. Doch der entschei dende Entwicklungsschub wurde durch den Anschluss ans Bahnnetz ausgelöst. Dies dokumentieren die nachfolgenden Beispiele, die nach Kantonen gruppiert sind. Graubünden: St. Moritz konnte erst zum Top of the World werden, als der Ort per Bahn mit Chur verbunden war. Vor ı904 betrug die Reisezeit von Chur nach St. Moritz ı2 Stunden, mit der Bahn dauerte die Fahrt nurmehr 4 Stunden. Die Erschliessung durch die Bahn löste in St. Moritz und im Oberengadin einen ge waltigen Bauboom aus. Zu den bereits bestehenden Hotelanlagen kamen weitere Paläste, wurden die Infrastrukturen weiter ausgebaut. So verfügte der Ort vor dem Eisenbahnanschluss über 58 Hotels (ı900), ein Jahrzehnt später bereits 74 (ı9ıı). Eine ähnliche Entwicklung stellt man bei den Bettenzahlen fest: von 3ı60 (ı902) auf 4547 (ı9ıı). Der Wandel vom Bauerndorf zur internationalen Tourismus destination dokumentiert die Einwohnerzahl, die von ı83 (Jahr ı803) auf 200 (ı830, vor der Eröffnung der durchgehenden Julierstrasse) bis Mitte des ı9. Jahrhunderts auf 228 (ı850) und bis ı900 auf ı603 Personen anstieg. Nach der Erschliessung durch die Eisenbahn stieg sie bis ı9ı0 auf 3ı97 Personen. Parallel stieg die Zahl der meist internationalen Gäste weiter an. Ihr Transport ins Engadiner Hochtal wäre mit der Kutsche als traditionellem Verkehrsmittel nicht vorstellbar gewesen. Der Massenansturm konnte nur dank der Albulabahn bewältigt werden, die ı903 eröffnet und ı904 bis St. Moritz verlängert wurde. [ S. 296] Dasselbe ist über die Entwicklung der Ortschaft Pontresina zu sagen, die sich ı850 noch rühmen konnte, mehr Einwohner als St. Moritz aufzuweisen. Bis ı888 verdoppelte sich die Zahl von rund 270 auf beinahe 5ı0. Bereits in den ı880er Jahren verfügte Pontresina über rund 800 Fremdenbetten. Der Engländer William Marcet (ı828 – ı900), Arzt und Meteorologe, stellte ı882 fest, dass allein die beiden Hotels Roseg und Kronenhof täglich bis zu 300 Gäste verköstigten, «wovon mindestens die Hälfte Englän der».36 Doch dann kam die Eisenbahn auch nach Pontresina, und der Ausbau der Hotel- und Freizeitinfrastrukturen nahm seinen weiteren Lauf.37 Ohne Bahnstrecke nach Landquart konnte auch Davos seine Rolle als Sana torium Europas nicht spielen. Ab der Jahrhundertmitte entwickelte sich die Des
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tination am Landwasser allmählich zum Luftkurort; doch erst mit dem Bahn anschluss konnte sich das Dorf europaweit als erste Adresse für Lungenkranke etablieren. Die Entwicklung der Anzahl Hotels ist frappant: von 8 (ı870) auf 43 (ı880) und im Jahr der Bahnhofeinweihung auf 65 (ı890), weiter auf 98 (ı900) und ı28 (ı9ı0). Das gleiche gilt für Arosa. Das Dorf zählte ı850 insgesamt 56 ständige Einwohner, die Zahl stieg bis ı900 auf ı07ı, bis ı9ı0 – vor dem Bau der Eisenbahn – auf ı643, davon 705 Ausländer. Die Transformation des kleinen Bauerndorfs zum Fremdenort wurde zunächst mit einer Strasse durch das Schanfigg (ı890) einge leitet. Doch rasch stiess diese Infrastruktur an Grenzen, und man ging an die Planung einer Eisenbahn. Der Bahnbetrieb konnte ı9ı4 aufgenommen werden. Im Kontrast zu diesen Bündner Topdestinationen, die sich mit dem Eisen bahnverkehr rasant entwickelten, stehen die Oberländerorte Disentis und Ilanz. Beide verzeichneten von ı850 bis ı900 lediglich einen geringen Bevölkerungszu wachs: von ı260 auf ı359 Einwohner (Disentis) und von 663 auf 98ı (Ilanz). Dass diese beiden Orte nicht vom touristischen Aufschwung profitierten, der andern orts im Kanton einsetzte, hängt – abgesehen von topographischen Gründen – damit zusammen, dass Disentis via Bahn erst ı9ı2 erschlossen wurde. Ilanz hatte zwar ab ı903 eine eigene Bahnstation, konnte aber damals die spätere Rolle als Verkehrsknotenpunkt noch nicht spielen – im Unterschied zu Spiez im Berner Oberland. Denn weder das Lugnez noch die Surselva wiesen touristische Infra strukturen auf, die mit den genannten Topdestinationen hätten konkurrenzieren können.38 Wallis: In den Reiseführern des ı8. und frühen ı9. Jahrhunderts werden im Wallis drei Highlights empfohlen und angepriesen: der Pissevache-Wasserfall – der Konkurrent des Staubbachfalls im Berner Oberland –, der zwischen Martigny und St-Maurice herabstürzt und schon von Goethe besungen wurde, der Rhoneglet scher als besondere Sehenswürdigkeit und schliesslich Leukerbad als eine der renommiertesten Reisedestinationen der Schweiz, für die der Zugang über den Gemmipass als Verbindung nach Bern grundlegend war.39 Das Matterhorn war lange kein identitätsstiftendes Symbol des Wallis und der Schweiz. Dies hängt mit der Geschichte Zermatts und seiner Verkehrswege zusammen. Mit der Eisenbahn verbindung Visp – Zermatt (ı89ı), der höchstgelegenen Bahnlinie Europas, kata pultierte sich das Bilderbuchdorf am Fuss des Matterhorns in die höchsten touris tischen Sphären. Zermatts Bettenzahl vervielfachte sich. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs stieg Zermatt zum bedeutendsten Fremdenort der Walliser Alpen auf und ist wohl nach St. Moritz die weltweit berühmteste europäische Alpendestination geblieben. [ S. 84]
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Diepoldsauer Durchstich, Aushub des Mittelgerinnes. Auf dem Bild ein Eimerketten-Trocken- Bagger der Lübecker Maschinen-Gesellschaft mit geknickter Eimerleiter, Arbeitern und Dienstwagen, 1911. Damit Eisenbahntrassees gebaut werden konnten, mussten Grund und Boden enteignet werden, ebenso für das Anlegen anderer Verkehrsinfrastrukturen wie Strassen, Häfen und Kanäle oder für Telegraphen- und Wasserleitungen, auch für Gewässerkorrekturen, um urbares Land zu gewinnen. Ohne die Zwangsabtretungspflicht hätten Einzelinteressen den Ausbau wichtiger Infrastrukturen verzögert oder gar verunmöglicht. Im Unterschied zur Situation im Staatenbund vor 1848, als griffige Grundlagen zur Expropriation fehlten, nahm der junge Bundesstaat deren Schaffung rasch an die Hand. Das Abtretungsgesetz wurde von der Bundesversammlung 1850 verabschiedet. Im Sinne der rechtsstaatlichen Normen wurden die enteigneten Grundeigentümer entschädigt. Auf dieser rechtlichen Grundlage konnte man die Schleusen der Modernisierung öffnen. Es sollte kein Stein auf dem anderen bleiben. Die Schweiz verwandelte sich in eine Baustelle. Maschinen und Scharen von Arbeitern prägten Landschaften und Strassen im ganzen Mittelland und bis weit hinauf in die Berge.
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ENTGRENZUNG: WAGHALSIGE FORTSCHRITTE
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INHALT
Lern dieses Volk der Pioniere kennen 363 Die Brown-Dynastie: Britisches Know-how bürgert sich ein 460 Von der Helvetik zum industrialisierten Sozialstaat: Streiflichter 365 Die Transformation: Aus Wasser wird Elektrizität 468 Das Sozialprofil der Pioniere 394 Spülwasser für die Basler Chemie 473 Topographen braucht das Land 404 Traumschiffe und Schokolade 476 Ingenieure: Die Schweiz als Neubau 412 Gipfelsturm für alle 480 Steinmetze und Eisenbeton: Die Mechanisierung des Bauhandwerks 419
Milchprodukte aus den Bergen und aus der Fabrik 482
Uhren: Ein frühes Schweizer Die Mechanisierung der Landwirtschaft 485 Markenzeichen 422 Handel: Von Generation zu Generation 489 Die Schweiz wird dank Heimarbeit zur weltweit zweitgrössten Textilexporteurin 432 Doktor Alfred Escher von Zürich:
A la bonne heure, das ist ein Mann comme il en faut pour la Suisse 490 Wasserreichtum: Es klappert der Webstuhl am rauschenden Bach 435 Lebensversicherung: Heinrich Kunz und die soziale Frage 438 Johann Conrad Widmer 495 Transport-, Feuer- und RückEscher Wyss: Von der Textilversicherungen: Moritz Grossmann 500 zur Maschinenindustrie 441 Desaster in Winterthur: Maschinenindustrie: Der Schweizerische Lloyd und Honeggers Webstühle 449 die Winterthur-Unfall 504
Rieter und Sulzer: Die Schwergewichte aus Winterthur 451 Atemlos: Hotelpioniere und ihre Imperien 506 SIG Neuhausen:
Waggons, Waffen, Milchkartons 453 Die Schweizer Wirtschaft im 19. Jahrhundert: Dynamik und Strukturen 527 Bildungsreisen nach England 457
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LERN DIESES VOLK DER PIONIERE KENNEN Die Schweiz ist ein Land von Pionieren. Das lässt sich an der Zahl der Patentan meldungen ablesen. Im Verhältnis zur Bevölkerungszahl ist die Schweiz in den weltweiten Ranglisten seit Jahren Spitzenreiterin.1 20ı7 wurde sie allerdings auf den zweiten Platz verwiesen – von China, das notabene ı66 Mal mehr Einwohner zählt. Vergleichsweise gross ist in der Schweiz ebenfalls die Zahl der jährlichen Unternehmensgründungen, die sich bei rund 40 000 eingependelt hat (20ı6: 39 ı25). Auch sie bestätigt den pionierhaften Charakter des Landes. Die Schweiz zählt überdies mehrere Firmen, deren Geschichte Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte zurückreicht. Eindrückliche Beispiele sind die Aarauer Glockengiesserei Rüetschi, deren Gründungsjahr ı367 sie wohl als ältestes noch bestehendes Unternehmen der Schweiz ausweist, die ı47ı errichtete Papiermühle auf dem Werd bei Zürich, der Schwabe-Verlag, der erstmals ı488 in Basel edierte und als ältestes Druckhaus der Welt gilt, oder die Schuler St. Jakobskellerei in Seewen, die aus dem ı694 ge gründeten Handelshaus Castell hervorgegangen ist.2 Pioniere haben die Schweiz geprägt. Ihre Wirksamkeit geht über Industrie, Gewerbe und Handel hinaus. Sie erfasst ebenso Kultur und Technik, Tourismus und Alpinismus, Forschung und Entwicklung – letztlich alle Bereiche der Zivilisa tion. Wiewohl es zu allen Zeiten Menschen gab, die gegründet und entwickelt, erprobt und erforscht haben, fällt auf, dass in der Schweiz des ı9. Jahrhunderts eine aussergewöhnlich intensive Pionierzeit anbrach. Betrachtet man dieses Zeit fenster noch etwas genauer, stellt man fest, dass die zweite Jahrhunderthälfte für das Wirken von Pionieren besonders fruchtbar war. Manche der damals gegrün deten Unternehmen existieren noch heute und haben sich zu nationalen oder gar internationalen Branchenführern entwickelt. Um dies zu illustrieren: Von den 20 Firmen im Swiss Market Index ( SMI ) haben ı0 ihre Wurzeln in der Zeit von ı852 bis ı878; 5 weitere wurden in den ı890er Jahren gegründet, und lediglich 5 Unter nehmen folgten im 20. Jahrhundert.3 Dies hat verschiedene Gründe. Von aus schlaggebender Bedeutung waren die staats-, wirtschafts- und wissenschaftspoli tischen Strukturen, die der Schweiz nach ı848 ein modernes Fundament gaben. Der junge Bundesstaat löste Dynamik aus; der Glaube an den Fortschritt und der Drang zum Aufbruch nach neuen Ufern wurden Programm: Dieser Spirit of 48 stiess einen tiefgreifenden Wandel an.4
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Doch nicht alles war dem Feuer der Fortschrittsbegeisterung geschuldet. Der Geist der Zeit schreibt Geschichte in einem Dialog mit natürlichen Gegeben heiten, dessen Schwerpunkte wechseln. Deutlich ist dies etwa am Umgang mit den topographischen Besonderheiten der Schweiz abzulesen. Der gesellschaftliche Stellenwert solcher Vorgaben kann sich von Epoche zu Epoche verändern. Die Alpen zum Beispiel konnten wechselweise als Verkehrshindernis oder als Heraus forderung zum Strassen-, Tunnel- und Brückenbau gesehen werden, auch als energieliefernde Wasserlandschaft, als Erholungsraum oder als Turngerät für Alpinisten. Die Chancen, die letztere Sichtweisen boten, nutzten die Pioniere des Tourismus erst im ı9. Jahrhundert. Auch äussere Faktoren, die durch internationale Konstellationen bestimmt wurden, konnten das Wirken von Pionieren in der Schweiz begünstigen oder er schweren. Dafür steht das Beispiel Henry Dunant (ı828 – ı9ı0): Dunant ging ı859 als gescheiterter Geschäftsmann ins norditalienische Kriegsgebiet, um von Napo leon III. Unterstützung für seine in Not geratenen Unternehmen in Algerien zu erbitten.5 Seine traumatisierenden Erlebnisse angesichts des schrecklichen Schlachtgemetzels bei Solferino gaben ihm die Impulse zur Gründung des Roten Kreuzes. [ S. 550] Auch ein Staat braucht Glück, denn Krieg und Frieden sind nicht nur selbstbestimmt. Unglück, Not und Elend trieben Menschen in die Flucht. Über lange Zeiten haben Schweizer und Schweizerinnen als Armutsflüchtlinge in der weiten Welt ein besseres Leben gesucht. [ S. 257] Im ı9. Jahrhundert schwoll dieser Strom zunächst gar noch an, doch dann kamen umgekehrt vermehrt auch Ausländer in die Schweiz, namentlich politisch Verfolgte, und brachten neue Ideen mit. Diese wirkten sich ihrerseits prägend auf die grosse Zeit der Pioniere in der Schweiz aus. Dass aus dem Entwicklungsland Schweiz nach ı848 eine erfolgreiche Wirt schaftsnation wurde, war eine Folge ganz unterschiedlicher Gegebenheiten und Ereignisse. Der fundamentale politische Wandel, der vom rückständigen Staaten bund zum neuen, modernen Bundesstaat führte, war zwingende Voraussetzung. Doch für die Transformation vom Agrarstaat zur Industrie-, Forschungs- und Dienstleistungsnation, die sich in manchen Bereichen bald schon auf Weltniveau bewegte, brauchte es mehr als nur eine neue Verfassung, mochte diese auch die fortschrittlichste Europas sein. Die kluge Aufteilung der Kompetenzen zwischen Staat und Privatwirtschaft, zwischen Bund und Kantonen war ebenfalls Voraus setzung für den erfolgreichen Wandel. Doch mit all diesen Weichenstellungen, Grundlagen und Rahmenbedingungen war die moderne Schweiz noch nicht verwirklicht. Es brauchte Menschen, die Visionen entwickelten, Projekte lancier ten, Unternehmen gründeten und die Forschung vorantrieben. Es brauchte Pio niere! Denn diese überzogen die Schweiz mit Strassen und Schienen, überwanden
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Entgrenzung: Waghalsige Fortschritte
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Schweizerische Lokomotiv- und Maschinenfabrik, Winterthur: Ausladen eines Lokomotivkessels in Haifa, Fotografie um 1910.
Flüsse und Täler mit Brücken und untertunnelten Berge, belieferten das Land mit innovativen Produkten, entwarfen kühne Pläne, nahmen Risiken auf sich und glaubten an ihre Ideen. Ihre Firmen blieben teils klein und mittelständisch, wäh rend andere internationale oder gar globale Marktführerschaft erlangten. Die erfolgreichen unter den Pionieren stiessen die Entwicklung der Schweiz im ı9. Jahrhundert an und bescherten dem Land Erfolgsgeschichten. Sie prägten die Marke Schweiz und sind damit bis heute präsent.
VON DER HELVETIK ZUM INDUSTRIALISIERTEN SOZIALSTAAT: STREIFLICHTER Der Erfolg von Pionieren beruht nicht allein auf persönlichen Kompetenzen. Geist und Tatkraft entfalten sich in einem kulturellen Rahmen und sind auch von institutionellen Bedingungen abhängig. Wie beispielsweise das Uhrenhand werk in der Schweiz davon profitierte, dass es im ländlich-agrarischen Jura des ı7. / ı8. Jahrhunderts nicht ins regulative Korsett des städtischen Kunsthandwerks eingezwängt war, so stellte sich gegen Ende des ı9. Jahrhunderts der für die che
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mische Industrie in der Schweiz fehlende Patentschutz als entscheidender Stand ortvorteil heraus. In einer Sondersituation präsentiert sich die Schweiz in den ersten Jahren des ı9. Jahrhunderts. Mit der Helvetik (ı798 – ı803) sind wirtschaftspolitische Inno vationen verbunden – etwa die Gewerbefreiheit oder die Abschaffung der kanto nalen Zölle. Allerdings überspannte das helvetische Zentralstaatsmodell den Bo gen und taugte letztlich in verschiedener Hinsicht nicht als tragfähige Grundlage für eine langfristig erfolgreiche Volkswirtschaft. Wirtschaftspolitisch betrachtet liegt der positive Effekt der Helvetik hauptsächlich darin, dass sie die bestehenden einengenden Strukturen des Ancien Régime aufbrach. Doch als Vorbild für den Bundesstaat von ı848 eignete sie sich nicht. Ungleich wichtiger als die kurzen Jahre der Helvetik war für die wirtschaftliche Entwicklung der Schweiz, so para dox es klingen mag, der französische Boykott gegen Grossbritannien, in den Kaiser Napoleon I. ı806 auch die kontinentaleuropäischen Staaten einband. Diese sogenannte Kontinentalsperre hatte bis ı8ı3 Bestand. Sie erwies sich für mehrere Bereiche der Schweizer Wirtschaft letztlich als Glücksfall. Denn diese profitierten davon, dass die britische Konkurrenz ausgeschaltet war. Schweizer Firmen nutz ten die Gunst der Stunde, drangen in neue Märkte vor und diversifizierten in an dere Branchen, in denen sie, was ihr Know-how betraf, bald zu den bislang füh renden britischen Unternehmen aufschlossen. Namentlich gilt dies etwa für die Textilindustriellen. Nachdem diese ihr Geschäft bis Anfang des ı9. Jahrhunderts im Windschatten britischer Produzenten betrieben hatten, wurden sie nun Welt marktführer. Und da sie keine Ersatzteile mehr über den Ärmelkanal anliefern lassen konnten, bauten sie die Textilmaschinen selbst und legten so den Grund stein der Schweizer Maschinenindustrie, die sich schnell zu einem bedeutenden Wirtschaftszweig des Landes entwickeln sollte. Zwischen ı808 und ı835 brachen in Südostasien mehrere Vulkane aus, was zur Folge hatte, dass Atmosphäre und Meer sich abkühlten. Der aus Sicht der Klima forschung wohl bedeutendste Vulkanausbruch war derjenige des Tambora in Indonesien (ı8ı5), der Auswirkungen auch auf die Schweiz hatte. Namentlich die Landwirtschaft litt zunächst unter den ungewohnten Temperatur- und Wit terungsverhältnissen, und die Ernteerträge sanken. Die Folgen waren teilweise dramatisch und erfassten mit dem Bauernstand auch viele Heimarbeiter. Die Krise dauerte in der Schweiz rund zwei Jahre. Dann erholte sich die Wirtschaft, und auch die Lage der Heimarbeiter verbesserte sich. Doch bald schon verdüster ten sich die Aussichten wieder. [ S. 369] Wie die Uhrenindustrie war auch die Textilindustrie traditionell und faktisch vollständig auf den Export ausgerichtet. Der Druck der internationalen Konkurrenz führte in der Schweiz ab Ende der ı820er Jahre zu sinkenden Löhnen. Auch die Gewinne der Kleinfabrikanten bra
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Die Schweiz wird in der Helvetik (1798 –1803) zum Schauplatz kriegerischer Auseinander setzungen zwischen den damaligen europäischen Grossmächten. Nach den Friedensschlüssen von 1800 und 1801 ziehen die französischen Truppen aus den meisten Gebieten der heutigen Schweiz ab. Kaum sind sie weg, geraten sich die Schweizer untereinander in die Haare. Schliesslich wird die helvetische Regierung verjagt. Napoleon lässt 1802 erneut französische Soldaten in die Schweiz einmarschieren und gibt dem Land eine föderalistische Verfassung (Mediation 1803 –1815). Die Untertanenverhältnisse sollen abgeschafft und die Gleichberechtigung von Stadt und Landschaft festgeschrieben werden. Doch Papier ist geduldig. In manchen Gebieten verschlechtern sich die Lebensbedingungen, soziale Missstände herrschen. Folter, Körperstrafen und Pressezensur werden wieder eingeführt, und die Landbevölkerung, durch jahrelange Kriegswirren gebeutelt, wird von einer städtischen Aristokratie unterdrückt. Vor diesem Hintergrund kommt es in der Schweiz an mehreren Orten zu Aufständen.9 Der Zürcher Grosse Rat heizt die Stimmung noch an, indem er den Huldigungsakt wieder einzuführt (1803). Auf dem Land regt sich Widerstand, die Proteste eskalieren zur Revolte. In verschiedenen Gemeinden am Zürichsee schliessen sich unter dem Schuhmacher Johann Jakob Willi (1772 –1804) aus Horgen Rebellen zusammen – zunächst durchwegs Vertreter der verarmten Unterschicht – und nehmen den Kampf gegen die Stadt Zürich auf. Von Napoleon sind sie enttäuscht. Weder Demokratie noch Gleichheit habe er in die Schweiz gebracht, wie es Willi und die andern fälschlicherweise gehofft hatten: Selbst auf den mächtigsten Nachbar war kein Verlass. Diese Erfahrung war bitter. Die Aufständischen steckten das Schloss Wädenswil in Brand und begingen damit einen der letzten Burgenbrüche der Schweizer Geschichte. Es kam zum Krieg (1804), dem ein Gefecht auf Bocken (am Horgenberg) den Namen geben sollte. Doch gegen die Übermacht der eidgenössischen Truppen waren die Aufständischen letztlich chancenlos. Willi wurde am 25. April 1804 in Zürich enthauptet. Die Auseinandersetzungen werden heute bisweilen als regionale Angelegenheit oder als Revolutiönchen heruntergespielt, während sie in zeitgenössischer Perspektive durchaus internationale Aufmerksamkeit erregten.10
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chen ein. In diesem Kontext beschloss der Grosse Rat von Zürich, eine freiwillige Kantonalsteuer für die armen Gemeinden der Not- und Krisengebiete im süd östlichen Kantonsteil (Fischenthal, Bäretswil und Wald) einzuführen. Zu den Begünstigten zählten auch Fabrikanten, die mit den erhaltenen Mitteln arbeits lose Spinner und Weber beschäftigen sollten. Darüber hinaus wurden in einzelnen Zürcher Gemeinden private Sammelaktionen durchgeführt, und es kam auch zur Bildung von Hilfsgesellschaften. Im ı8. Jahrhundert richteten Zürcher Seidenkaufleute und Seidenfabrikanten ihren Handel schwerpunktmässig auf Europa aus. Zunächst diente Oberitalien als Lieferant; die deutschen Städte am Rhein, die Niederlande und England waren die Abnehmer. Doch allmählich entwickelten sich auch östliche Teile Europas und insbesondere französische Städte zu Absatzmärkten. Noch stärker als der Seiden handel nahmen in Zürich die Baumwollspinnerei und -weberei Aufschwung. Dieser Rohstoff wurde von den italienischen Häfen Genua und Livorno und den französischen in Marseille, Bordeaux und Nantes angeliefert. In anderen Gegen den der Schweiz schlug der Handel bereits im Verlauf des ı8. Jahrhunderts eine neue Richtung ein und suchte verstärkt auch überseeische Märkte. Namentlich Kaufleute aus Genf, Neuenburg, dem Waadtland, aber auch aus Basel und St. Gal len pflegten Geschäftsbeziehungen mit Nord- und Südamerika oder in asiatischen Räumen (China, Indien). Während auf diesen Wegen beispielsweise Baumwolle und Farbwaren in die Schweiz importiert wurden, gingen Uhren in den Export. Dann nahm der Handel zwischen Europa, Amerika und Afrika im ı8. Jahrhundert neue Dimensionen an.6 Diese Ausrichtung über die Weltmeere prägte die Schwei zer Exportwirtschaft auch im ı9. Jahrhundert nachhaltig. In dem Masse, wie Schweizer Kaufleute im Welthandel eine wichtige Rolle spielten, war die Schweiz eine Drehscheibe des globalen Rohstoffgeschäfts.7 Der Dreieckshandel blühte auf. Aus Europa wurden Textilien und andere Güter nach Afrika transportiert und hier gegen Sklavinnen und Sklaven eingetauscht, die danach in Amerika verkauft wurden. Von da wiederum brachten die europäischen Handelsleute Kolonial waren nach Hause, beispielsweise Zucker und Kaffee. Und als Akteure in diesem globalen Geschäft waren auch Schweizer Handelshäuser in den Sklavenhandel involviert.8 Die französische Juli-Revolution ı830 verstärkte den Druck auf die städ tischen Herrschaften in der Schweiz. Die Bevölkerung der Landschaft witterte Morgenluft und liess sich nicht länger mit leeren Worten abspeisen. Am 22. No vember ı830 fand in Uster (Kanton Zürich) eine Volksversammlung statt, um die Gleichstellung von Stadt und Landschaft zu fordern. Unmittelbar darauf trat die Regierung in Zürich zurück: Die alte Führungsschicht hatte kampflos kapituliert, die Herrschaft der Stadt über die Landschaft war faktisch beendet. Bereits am
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6. Dezember des gleichen Jahres wurde der Grosse Rat neu gewählt; der Land schaft waren zwei Drittel der Sitze zugesichert worden. Noch waren die Spiesse nicht gleich lang, stellte die Stadt doch lediglich 5 Prozent der Bevölkerung. Doch entscheidend war der Demokratisierungsprozess, der ı83ı mit der neuen Ver fassung eingeleitet wurde. Damit gehörte Zürich mit zehn weiteren Kantonen zu jenem liberalen Lager, das bereits vor ı848 Schritte in Richtung moderne Schweiz unternommen hatte. Nicht überall verlief die Ablösung des Ancien Régime so wenig gewaltsam wie in Zürich. In Basel kam es zu einem Bürgerkrieg, der letzt lich zur Spaltung des Kantons führte.11 In den frühen ı830er Jahren brachen da und dort Unruhen aus, wenn bekannt wurde, dass ein Fabrikant mit mechanischen Webstühlen experimentierte. Vor dem Hintergrund dieser Spannungen fand am 22. November ı832 wiederum in Uster eine Feier zur Erinnerung an den Ustertag von ı830 statt. Unter den rund ı0 000 Teilnehmenden waren hauptsächlich Kleinfabrikanten und Heimarbeiter, die durch die Mechanisierung der Weberei bereits in wirtschaftliche Not geraten waren oder gar um ihre Existenz bangten. Fabrikarbeiterinnen und Fabrikarbeiter hingegen waren kaum vertreten. Die Versammlung unter Führung der liberalen Initianten nahm zunächst einen ruhigen Verlauf: Es ging um verfassungsrecht liche Fragen. Die Volksmenge geriet nun aber in Aufregung, als Forderungen be züglich Schulwesen, Pressefreiheit und Gewaltentrennung sowie nach steuer lichen Entlastungen gestellt wurden. Schliesslich wurde der Ruf nach Abschaffung der Webmaschinen laut. Die Stimmung war bereits stark aufgeheizt. Dennoch konnte die Versammlung friedlich zu Ende geführt werden, und weitere wirt schaftliche Anliegen hatten Eingang in das Memorial gefunden, etwa bezüglich Zehntenloskauf der Bauern. Mit Erlass des Grossen Rates von ı830 waren nämlich die Bürger des Kantons aufgefordert worden, ihre Wünsche zuhanden der Ver fassungskommission einzureichen. In einer Vielzahl von Petitionen wurde unter anderem auch die Abschaffung der Web- und Seidenspinnmaschinen gefordert. Dieses Anliegen war zweifellos Ausdruck der angespannten und teils verzweifelten wirtschaftlichen Lage der von der Mechanisierung betroffenen Heimarbeiter und Kleinfabrikanten. Mit dem Verbot sollte der als unheilvoll erlebte Fortschritt aufgehalten oder gar rückgängig gemacht werden.12 Viele Kleinfabrikanten und Heimarbeiter waren ı832 vom Ergebnis der Versammlung enttäuscht. Die Situation eskalierte. Im Anschluss an die Veranstaltung wurden an der Fabrik Scheiben eingeschlagen, dann flog brennendes Holz ins Gebäude. Und die Fabrik von Corrodi & Pfister, die ı8ı6 den Betrieb aufgenommen hatte, brannte nieder. Die Brandstifter und ihre Mitläufer wurden festgenommen, es kam zu gewalttätigen Szenen. Die Staatsgewalt reagierte mit Härte. Um die Ruhe wiederherzu stellen, wurden insgesamt neun Gemeinden militärisch besetzt. Angeklagt waren
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Frauen und Kinder in der Fabrik von Saurer in Arbon, Fotografie.
73 Männer – namentlich Heimarbeiter, Handwerker und Gewerbetreibende. Davon stammten 45 aus Bäretswil, doch nur einer war Fabrikarbeiter. Allen ge meinsam war die Armut. Das Gericht bestrafte den Haupttäter, Hans Felix Egli (ı783 – ı84ı), einen Weber, zu nicht weniger als 24 Jahren Kettenstrafe; die Staats anwaltschaft hatte sogar die Todesstrafe gefordert. Der Verurteilte wurde aber bereits nach Abbüssung von sieben Jahren amnestiert. Auch weitere Urteile lau teten auf jahrelange Ketten- oder Zuchthausstrafen. Eine bemerkenswerte kultur historische Note gewann der Strafprozess gegen Egli dadurch, dass der Verteidiger der nachmalige erste Schweizer Bundespräsident Jonas Furrer (ı805 – ı86ı) war. Der Brand von Uster im Jahr ı832 steht zusammen mit dem Ustertag von ı830 und dem Bockenkrieg von ı804 in der Zürcher wie in der Schweizer Geschichte in einem bedeutsamen Ereigniszusammenhang. Dieser kann als wichtige Etappe im politischen Gleichstellungsprozess von Stadt und Land gelesen werden. Kein Treiber der beiden Ereignisse war – wie fälschlicherweise oftmals betont wird – die soziale Misere der Fabrikarbeiterinnen und Fabrikarbeiter. Der Brand wurde zum Symbol. In den Flammen, die in Uster aus dem Fabrikgebäude loderten, sollten die Spuren des Fortschritts verbrennen und die mechanischen Produktionsmittel untergehen. Der Brand setzte ein Zeichen gegen die fortgesetzte Produktivitäts
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steigerung. Das Ereignis illustriert, dass der Begriff der industriellen Revolution, der gewöhnlich als vereinfachende Sammelbezeichnung für die erste Hälfte des ı9. Jahrhunderts gebraucht wird, nicht genügt, um die Komplexität der epochalen Veränderungen zu erklären.13 Wenn man als Fortschritt Neuerungen bezeichnet, die Beiträge zur Lösung gesellschaftlicher, wirtschaftlicher oder politischer Pro bleme leisten, ist differenzierend beizufügen, dass in einer bestimmten Epoche nicht alle sozialen Schichten, alle Berufsgruppen und Parteien dieselben Probleme haben. So löste die Rationalisierung der Produktionsprozesse in der ersten Hälfte des ı9. Jahrhunderts wohl ein Problem der Fabrikanten: Diese konnten nun profi tabler arbeiten und wurden international konkurrenzfähig. Für viele Werktätige hingegen bedeutete der Wandel von der Heim- zur Fabrikarbeit einen sozialen Abstieg. So durchdrangen sich vielschichtige Prozesse. Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung gingen gesellschaftliche Umschichtungen und politische Neuorien tierungen einher. Die Vorstellung vom einheitlichen Trend dieser Transformation ist ein Trugbild. Auch die Hoffnung der Weber und Kleinfabrikanten, die Indus trialisierung der Textilherstellung mit Postulaten und Protesten aufhalten zu können, erwies sich als Illusion. Zwar wurde der Mechanisierungsprozess ver zögert. Doch selbst wenn sich die Lage der Heimweber in den ı830er Jahren etwas verbesserte: Sie verschlechterte sich in den ı840er Jahren erneut, und nun liess sich die Mechanisierung der Produktion nicht mehr aufhalten. Einen bedeutenden Schritt in Richtung moderner Wirtschaftsordnung machten jene zwölf Kantone, die sich ı830 /3ı liberale Verfassungen gaben.14 Diese führten neben dem allgemeinen Wahlrecht für Männer und der Gewalten trennung zahlreiche persönliche Rechte ein, darunter die – innerkantonale – Handels- und Gewerbefreiheit sowie das Recht auf Eigentum. Diese politischen Fortschritte standen in dynamischer Wechselwirkung mit dem wirtschaftlichen Aufschwung. In den ı830er Jahren gründeten – im Vergleich zu früheren Zeiten auffallend viele – junge Pioniere eigene Firmen, und bereits bestehende kleine Betriebe konnten zum Wachstum ansetzen oder sich neu ausrichten. Ebenso be merkenswert ist, dass damals mehrere Firmen entstanden, die später zu Schwer gewichten innerhalb der Schweizer Wirtschaft heranwuchsen oder gar internatio nale Dimensionen annahmen. Dafür gibt es mehrere Gründe. In besonderem Masse profitierte die Maschinenindustrie von der wirtschaftsliberalen Öffnung. Diese entwickelte sich aus handwerklichen Gewerbebetrieben oder aus Werk stätten, die Textilbetrieben nachgelagert waren. Mit der Uhren- und Textilindustrie standen bereits Mitte des ı9. Jahrhun derts zwei Wirtschaftsbereiche in Blüte, während die Maschinenindustrie noch auf wichtige Impulse für den weltweiten Durchbruch wartete. Doch die Nachfrage nach Textilmaschinen sollte aus ursprünglichen Schweizer Textilunternehmen
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Publizist und ehemaliger Geschäftsführer und Leiter Forschung der Alfred Escher-Stiftung. Er hat verschiedene grundlegende Publikationen zur Wirtschafts- und Kulturgeschichte der Schweiz verfasst. Er erzielte mit der Alfred Escher Biografie einen Bestseller (6. Auflage). Er ist auch Herausgeber der Alfred-Escher-Briefe (sechs Bände).
Wie wurde aus dem Kleinstaat Schweiz eine bedeutende Wirtschaftsmacht? Wer sich den grossen Fragen der Gegenwart ernsthaft stellt, kommt um den Blick zurück in die eigene Geschichte nicht herum.
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Joseph Jung (* 1955), Prof. tit. Dr. phil., ist Historiker,
«Unser Alpenland soll der Hochaltar der Freiheit und Europas sein.» Alfred Escher Die Entwicklungen im 19. Jahrhundert haben die heutige Schweiz entscheidend geformt. Die Eisenbahn als Motor des Fortschritts ermöglichte einen enormen Aufschwung des Tourismus und technische Meilensteine wie den Gotthardtunnel. Das Laboratorium des
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Fortschritts ist Pflichtlektüre für alle, die genauer wissen wollen, wie die Schweiz zu einer erfolgreichen Wirtschaftsnation wurde.
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