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PRIVATE UND BERUFLICHE VORSORGE
ZWÖLF VORSORGEFAKTEN AUF EINEN SCHLAG
ARTIKELSAMMLUNG 2020 DER NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG
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DAS LEBEN HÄLT SICH NICHT IMMER AN PLÄNE. UNSERE VORSORGE LÖSUNGEN SCHON. Wer rechtzeitig vorsorgt, ist besser vorbereitet – auch auf das, was sich nicht planen lässt. Dafür sorgen unsere Ver triebspartner gemeinsam mit uns. Schliesslich wird Vorsorge nur durch professionelle Beratung und individuelle, inno vative Lösungen planbar und bleibt gleichzeitig flexibel. Ob privat oder beruflich. Und das sind beste Voraussetzungen, um sich auf alle künftigen Ereignisse zu freuen. Auch die unerwarteten. www.pax.ch/Vertriebspartner
3 EDITORIAL
Gezieltes zur privaten und beruflichen Vorsorge Mit Pax die Finanzen der dritten Lebensphase im Griff haben DANIEL MUTZ UND NICOLAS BOPP
Liebe Leserin, lieber Leser Die Finanzen in der dritten Lebensphase zu meistern, bleibt eine komplexe Angelegenheit. Ob Früh- oder Spätpensionierung, Lebensabend im Ausland, Verantwortung Eigenheim, persönliche Resilienz oder Nachlassplanung – die Herausforderungen sind vielschichtig. Die diesjährige Artikelserie aus der Montagsausgabe der «Neuen Zürcher Zeitung» zeigt mit zwölf redaktionellen Beiträgen die aktuellen Themen der beruflichen und privaten Vorsorge auf. Pax ist ein verlässlicher Partner für die Zukunft. Und zwar seit jeher. Zum Beispiel wegen dem Vollversicherungsmodell, zu dem sich nicht mehr viele Anbieter verpflichten. Als Vollversicherer übernimmt Pax die Risiken Alter, Invalidität und Tod, aber auch das Anlagerisiko. So sind die Vorsorgeleistungen der Kunden stets zu 100% abgedeckt. Geschätzt an Pax wird auch die genossenschaftliche Struktur. Sie verbindet Solidarität mit nachhaltiger Gewinnorientierung: Alles, was Pax erwirtschaftet, bleibt im Unternehmen. Davon profitieren unsere Kunden, die eine stabile Überschussbeteiligung erhalten. Zu guter Letzt trägt Pax eine gesellschaftspolitische und volkswirtschaftliche Verantwortung, was ebenfalls im Sinne ihrer genossenschaftlichen Werte liegt. Schön, wenn Sie mit unserer Artikelsammlung durchschlagende Informationen geniessen. Wir wünschen Ihnen eine nachhaltige Lektüre! Pax, Schweizerische LebensversicherungsGesellschaft AG, Basel
Die Werte von Pax Dafür stehen wir ein: – Glaubwürdig heisst, wir entscheiden nachvollziehbar und zeigen Kontinuität in unserem Handeln. – Vorausschauend heisst, wir geben alles, um überdurchschnittlich erfolgreich zu sein. – Direkt heisst, wir sind unkompliziert und gestalten unsere Beziehungen persönlich.
Daniel Mutz Leiter Vertrieb & Marketing und Mitglied der Geschäftsleitung
Nicolas Bopp Leiter Marketing
«Die Vorsorgeleistungen unserer Kunden sind stets zu 100% abgedeckt.»
Angebote von Pax Private Vorsorge: – Pax Fondsanlagen – Pax Fondsanlage mit individueller Garantie – Pax Kinderversicherung – Pax Erwerbsunfähigkeitsversicherung – Pax Spar-Lebensversicherung – Pax Todesfallversicherung
Berufliche Vorsorge: – Massgeschneiderte Lösung für Firmen – BVG Business – BVG Start-up – Ergänzungsvorsorge www.pax.ch
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Finanzen in der dritten Lebensphase
Impressum Ein Sonderdruck für Pax in Kooperation mit NZZ Content Creation. Herausgeber: Pax (Magazin); Neue Zürcher Zeitung AG (Artikel) Inhalt: erschienen in der «Neuen Zürcher Zeitung» (NZZ), 2020 Projektleitung: Nicolas Bopp, Pax; Norman Bandi, NZZ Content Creation Gestaltung/Layout: Multiplikator (Umschlag); Armin Apadana (Inhalt) Druck: Multicolor Print AG (inklusive Bildbearbeitung und Korrektorat) Bildnachweis: zVg Pax (sämtliche Fotos); zVg NZZ (alle Illustrationen)
© Die Rechte der Herausgeber sowie der Autoren bleiben vorbehalten.
Corona durchkreuzt Reformpläne
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Der Traum von der Frühpensionierung
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Tipps für die Planung der Pensionierung
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Die wichtigste Frage vor der Pensionierung
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Wer vertritt mich, wenn ich urteilsunfähig bin?
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Den Lebensabend in Bali oder Berlin verbringen
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Teurer Rosenkrieg im Ruhestand
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Arbeiten im Ruhestand – darauf muss man achten
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Pensionierte müssen das Eigenheim zu oft aufgeben
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Gesund altern mit der «vierten Säule»
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Das optimale Rentner-Portfolio umfasst viele Aktien
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Was bei einer Spätpensionierung zu beachten ist
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Mehr Sicherheit dank guter Nachlassplanung
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Hier geht es zum Online-Dossier der Artikelsammlung «PRIVAT FÜR DAS ALTER VORSORGEN» auf NZZ.ch:
Hier geht es zum Online-Dossier der Artikelsammlung «VORSORGEN MIT DER PENSIONSKASSE» auf NZZ.ch:
www.nzz.ch/finanzen/privat-fuer-das-alter-vorsorgen
www.nzz.ch/finanzen/vorsorgen-mit-der-pensionskasse
6 INTRO
Corona durchkreuzt Reformpläne Dank der Steuerreform und AHV-Finanzierung (STAF) fliessen im laufenden Jahr mehr Gelder in die Altersvorsorge. Doch der erhoffte Zeitgewinn für die nötigen Reformen dürfte ausbleiben. Die Covid-19-Pandemie macht dem Ansinnen einen Strich durch die Rechnung Seit 1972 ist das 3-Säulen-Prinzip des Schweizer Vorsorgesystems in der Bundesverfassung verankert. Ein Konzept, das in der Bevölkerung breit abgestützt und akzeptiert ist und mit dem die Eidgenossenschaft während Jahrzehnten auch im Ausland Anerkennung erntete. Inzwischen wirken die Säulen allerdings zunehmend tönern. Den Schweizerinnen und Schweizern bereitet die Altersvorsorge mehr und mehr Sorgen. In der jüngeren Generation macht sich sogar eine gewisse Gleichgültigkeit breit: Wer weiss schon, ob das System überhaupt noch bis zur eigenen Pensionierung überleben wird. Derzeit jedenfalls scheint die private Vorsorge ohne tiefgreifende Reformen tatsächlich dem schleichenden Untergang geweiht – zumal die Corona-Krise auch in diesem Bereich negative Spuren hinterlassen hat. Es ist noch nicht lange her, seit das Schweizer Stimmvolk am 19. Mai 2019 dem Sorgenkind AHV im Rahmen der Unternehmenssteuer-Abstimmung einen namhaften Beitrag zugesprochen hat – im Gegenzug für ein wettbewerbsfähiges Steuersystem für Firmen. Ab 2020, also bereits im laufenden Jahr, fliessen zusätzlich 2 Milliarden Franken in die Alters- und Hinterlassenenversicherung. Von diesen Mehreinnahmen steuert der Bund rund 800 Millionen Franken bei. Die restlichen 1,2 Milliarden Franken tragen die Unternehmen und die Versicherten. Damit sind die grundsätzlichen Finanzierungsprobleme der AHV zwar nicht gelöst. Mit diesem Schritt erhoffte man sich allerdings etwas Luft, um mit neuen Reformschritten die Vorsorge wieder ins Gleichgewicht zu bringen.
Umlageergebnis verschlechtert Nun hat die Corona-Pandemie diesem Ansinnen bereits im ersten Jahr einen Strich durch die Rechnung gemacht. «Für die AHV bedeutet die Covid-19-Krise, dass sich das Umlageergebnis kurzfristig um
rund 1 Milliarde Franken verschlechtert», heisst es in den jüngsten Finanzperspektiven für AHV, IV und EO vom Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV). Ab 2025 würden aber wieder die Werte von vor der Krise erreicht. «Insgesamt gehen der AHV bis 2030 rund 3 Milliarden Franken verloren», hält das BSV fest. Alles in allem dürfte das Umlageergebnis auch in Zukunft negativ bleiben. Ob dennoch ein ausgeglichenes oder sogar positives Ergebnis – wie beispielsweise 2019 – in den kommenden Jahren möglich sein wird, hängt von der Entwicklung an den Kapitalmärkten ab. Mit einer Rendite von insgesamt 9 Prozent erzielte der AHVAusgleichsfonds im vergangenen Jahr einen Gewinn von über 3 Milliarden Franken, mit denen der Verlust der AHV-Rechnung in der Höhe von rund 1,5 Milliarden Franken überkompensiert werden konnte. Zum guten Ergebnis des Fonds haben dabei alle Anlageklassen beigetragen – die Obligationen, Fremdwährungen, Aktien, Immobilien und sogar die Goldanlagen. Im laufenden Jahr sieht es allerdings nicht mehr rosig aus, auch wenn die Performance im ersten Halbjahr 2020 deutlich weniger dramatisch ausfiel, als angesichts der weltweiten Erschütterungen an den Finanzmärkten zu befürchten war. Per Ende Juni soll das Minus noch zwischen 1,5 und 2 Prozent betragen haben, hiess es vonseiten Compenswiss, die für die Verwaltung des Ausgleichsfonds von AHV, IV und EO mit derzeit insgesamt 37 Milliarden Franken Vermögen zuständig ist. Der Rückgang entspricht einem Verlust von 500 bis 750 Millionen Franken.
Strukturelle Reformen sind nötig Unabhängig davon ist allerdings schon länger klar, dass die Schweizer Altersvorsorge eine strukturelle Reform benötigt, will man das System finanziell stabilisieren. Vor allem wegen der anstehenden Pensionierungswelle der Babyboomer wird in den
kommenden Jahren die Zahl der Rentner in der Schweiz deutlich zunehmen – erwartet wird ein Plus von bis zu einer Million Menschen – was wiederum zu einem markanten Anstieg der Bezüge führen wird. Die durch die arbeitende Bevölkerung einbezahlten Beiträge reichen nicht mehr aus, um die laufenden Renten zu finanzieren, wie dies das Umlageverfahren in der ersten Säule vorsieht. Bereits ab 2025 drohen laut Vorsorgeexperten rasch wachsende Fehlbeträge. Mittelfristig dürfte dies zu einer kontinuierlichen Abnahme des AHV-Vermögens führen. Das Umlagedefizit der AHV dürfte sich 2030 auf rund 5 Milliarden Franken belaufen. Kumuliert werden der AHV bis dahin wohl rund 43 Milliarden Franken fehlen. Angesichts der CoronaKrise, den weltweiten politischen Spannungen, die sich nachteilig auf die Konjunktur und die Finanzmärkte auswirken, sowie der Negativzinspolitik, die nicht ohne Folgen für die nachhaltige Finanzierung von Vorsorgeeinrichtungen ist, dürften wohl auch die Anlageerfolge nicht mehr den nötigen Zustupf bringen, um das System im Gleichgewicht zu halten.
«AHV 21» kommt frühestens 2022 Eine AHV-Reform ist derzeit somit dringend notwendig. Zumal die vergangenen Versuche einer Anpassung allesamt gescheitert sind – zuletzt im September 2017 mit dem Titel «Altersvorsorge 2020». Das hat auch die Politik erkannt: Ein neuer Vorschlag, kurz «AHV 21» genannt, soll noch diesen Herbst vom Ständerat behandelt werden. Dass das Stimmvolk im kommenden Jahr bereits über die Vorlage befinden wird, wie die Bezeichnung vermuten lässt, ist allerdings sehr unwahrscheinlich. Vielmehr dürfte das Geschäft frühestens 2022 an die Urne kommen – wenn alle Verfahren reibungslos über die Bühne gehen. Zur Diskussion stehen kontroverse Fragen wie die Erhöhung des
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BILD: PIXABAY / GERD ALTMAN
Rentenalters für die Frauen auf 65 Jahre sowie eine Anhebung der Mehrwertsteuer zugunsten der AHV (siehe Kasten). In Anbetracht der konträren Interessen von links und rechts scheinen zeitraubende Blockaden zumindest nicht ausgeschlossen.
Separate Vorlagen für AHV und BVG Sicher ist, dass dann die Reform der beruflichen Vorsorge (BVG), der zweiten Säule des Schweizer Vorsorgekonzepts, nicht gleichzeitig behandelt werden wird, wie dies bei der gescheiterten Altersvorsorge2020-Vorlage noch der Fall war. Das Risiko einer erneuten Abfuhr und damit verbunden einer weiteren Verzögerung dieser wichtigen Reformvorhaben wollte man
nicht mehr eingehen. Denn auch in der Beruflichen Vorsorge besteht Handlungsbedarf. So sind die Leistungen der zweiten Säule in den letzten Jahren massiv gesunken und werden ohne weitere Gegenmassnahmen weiter sinken. Generell bleibt die Umverteilung von aktiv Versicherten zu Rentnern hoch, angesichts der Pensionierungen mit einem überhöhten Umwandlungssatz. Dieser Mindestumwandlungssatz bestimmt, wie hoch der obligatorische Teil der Rente ausfällt. Derzeit liegt er bei 6,8 Prozent. Mit der BVG-Reform 2022, die bis vor Kurzem noch in der Vernehmlassung war, soll hier nun Gegensteuer gegeben und der Wert auf 6 Prozent gesenkt werden. Mancher Vorsorgeexperte hält auch diese Zahl nach wie vor als zu hoch. Der techni-
sche Zinssatz, der misst, wie hoch das zurückgestellte Vorsorgekapital erwartungsgemäss verzinst werden kann, scheint sich dagegen bei rund 2 Prozent einzupendeln. Noch im Jahr 2009 lag er bei 3,5 Prozent. Weitere Neuerungen sind im Bereich des Koordinationsabzugs sowie der Altersgutschriften vorgesehen (siehe Kasten). Wie bei der AHV dürfte die BVG-ReformVorlage keinen leichten Stand haben – auch wenn unbestritten scheint, dass gewichtige Veränderungen nötig sind, will man das Schweizer Vorsorgesystem in Zukunft auf drei gesunde Säulen stützen. NZZ-Artikelsammlung FINANZEN IN DER DRITTEN LEBENSPHASE ab Seite 8
«AHV 21» – die wichtigsten Punkte
BVG 2022 – die vorgeschlagenen Neuerungen
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Umwandlungssatz: Senkung des Mindestumwandlungssatzes von 6,8 auf 6,0 Prozent
Angleichung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre. Kompensationsmassnahmen für Frauen, die tiefe Renten haben. Flexibilisierung des Rentenalters: Wer länger arbeiten möchte, profitiert von einer höheren Rente. Wer früher in Pension gehen möchte, dem wird die Rente entsprechend gekürzt. Zusatzfinanzierung über die Mehrwertsteuer: Diese soll um maximal 0,7 Prozentpunkte erhöht werden.
Ausgleichsmassnahme: Rentenzuschlag für künftige Alters- und Invalidenrentner der beruflichen Vorsorge je nach Jahrgang Koordinationsabzug: Senkung von 24 885 auf 12 443 Franken Altersgutschriften: Anpassung der Altersgutschriften: 25 – 34: 9 Prozent (bisher 7 Prozent) 35 – 45: 9 Prozent (bisher 10 Prozent) 45 – 54: 14 Prozent (bisher 15 Prozent) 55 – 65: 14 Prozent (bisher 18 Prozent)
8 FINANZEN IN DER DRITTEN LEBENSPHASE
Tipps für die Planung der Pensionierung Ein finanziell sorgloses Leben im Ruhestand will gut vorbereitet sein – gerade in Zeiten von sinkenden Leistungen bei Pensionskassen
Je jünger man anfängt, für das Alter zu sparen, desto mehr wird dann auch vorhanden sein.
«Der Ruhestand ist das, worauf man sein ganzes Leben lang hinarbeitet und sich erschrocken wundert, wenn es so weit ist», lautet ein Sprichwort. Um unliebsame Überraschungen zu vermeiden, spricht viel dafür, sich früh um die Finanzen im Ruhestand zu kümmern. Eine gute Planung ist das A und O.
MICHAEL FERBER
■ Pensionierungszeitpunkt planen: Bei der Planung sollte man sich zunächst einmal darüber klarwerden, wann man in Rente gehen will. Eine Frühpensionierung muss man sich leisten können, eine solche gilt es genau durchzurechnen. Dabei kommt auch zum Tragen, dass viele Pensionskassen aufgrund der ultraniedrigen bis negativen Zinsen in den letzten Jahren die Umwandlungssätze teilweise massiv gekürzt haben. In der Folge fallen die Ren-
ILLUSTRATION JOCHEN SCHIEVINK
ten der Versicherten deutlich geringer aus als ursprünglich geplant. Vor diesem Hintergrund kann es einen Gedanken wert sein, allenfalls länger zu arbeiten, wenn man die Möglichkeit dazu hat. Beim Thema Früh- oder Spätpensionierung ist es indessen wichtig, sich die Auswirkungen auf die AHV-Rente vor Augen zu führen. Man kann diese um ein oder zwei Jahre vorziehen oder ihren Bezug um bis zu fünf Jahre aufschieben. Jeder AHV-Versicherte hat diese Möglichkeiten. Bei einem Vorbezug um ein Jahr oder zwei Jahre sinkt die
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AHV-Rente um 6,8 bzw. 13,6% für die gesamte Bezugsdauer. Schiebt man den Bezug der Rente auf, erhöht sie sich je nach Dauer um 5,2 bis 31,5%. ■ Deckung des Lebensstandards im Alter durch regelmässige Einkünfte: Unbedingt sollte man darauf hinarbeiten, dass man im Alter ein Einkommen hat, das die Grundbedürfnisse deckt. «Bei der Planung sollte man sich genau überlegen, welchen finanziellen Bedarf man im Alter pro Jahr hat», sagt Willi Thurnherr, der CEO Retirement & Investment bei Aon Schweiz. Anschliessend soll man prüfen, ob man diesen mit dem erwarteten Einkommen aus der AHV und der Rente aus der zweiten Säule decken könne. Zusätzliche Einkünfte können auch aus einer vermieteten Immobilie kommen. Weniger ratsam ist es im Allgemeinen, Kapital aus der Pensionskasse abzuziehen und in eine Leibrentenversicherung einzuzahlen. Die Umwandlungssätze solcher Versicherungslösungen sind im Normalfall deutlich niedriger als diejenigen von Pensionskassen. ■ Rente oder Kapital: Bei der Pensionierung muss man sich entscheiden, ob man das Pensionskassenguthaben als Rente bezieht oder es sich als Kapital auszahlen lässt. Letzteres sollte man nur tun, wenn der Lebensstandard im Alter gedeckt ist. Dies kann beispielsweise sinnvoll sein, wenn man keine hohe Lebenserwartung mehr hat oder wenn man sich teure Wünsche erfüllen will – und dies finanziell kann. «Viele Leute leben allerdings länger, als sie denken», sagt Thurnherr. Gemäss Daten des Statistischen Bundesamts aus dem Jahr 2017 hat eine Frau in der Schweiz im Alter von 65 Jahren im Durchschnitt noch eine restliche Lebenserwartung von 22,5 Jahren, bei Männern sind es 19,7 Jahre. Viele Versicherte entscheiden sich beim Bezug der Pensionskassengelder auch für einen Mix aus Rente und Kapital. ■ Ausgaben im Griff haben: Schon vor der Pensionierung ist es indessen ratsam, die Ausgaben unter Kontrolle zu haben. Diese seien ein wichtiger Teil bei der Planung, sagt Thomas Bamert, Vorsorgeexperte bei der Bank Julius Bär. «Eine Problematik ist, dass auch vor der Pensionierung viele ihren Lebensstandard dem aktuellen Gehalt angepasst haben und wenige Ersparnisse haben», sagt er. Diese Leute müssten mehr sparen, wenn sie ihren Lebensstil im Ruhestand fortführen wollten. Die Lebenshaltungskosten im Ruhestand sollte man derweil nicht unter-
schätzen. Zwar fallen bestimmte Ausgaben nach dem Ende der Berufstätigkeit nicht mehr an. Es bleibt aber mehr Freizeit und damit Zeit, um Geld auszugeben. Zudem besteht möglicherweise der Wunsch, Reisen zu unternehmen. ■ Sich mit dem Stand der eigenen Vorsorge beschäftigen: «Viele Versicherte wissen nicht genau, wie viel Geld sie überhaupt in der Pensionskasse haben», sagt Bamert. Sich mit der eigenen Vorsorge zu beschäftigen, wird derweil aber immer wichtiger. Nach mehreren guten Aktienjahren haben viele Kassen zwar ein gutes Polster angesammelt – im Branchenjargon spricht man von gut gefüllten «Wertschwankungsreserven». Mit dem jüngsten, überaus heftigen Kurssturz an den Börsen infolge der Corona-Krise ist ein gewisser Teil davon allerdings bereits aufgebraucht. «Geht es mit den Kursverlusten längerfristig weiter, drohen bei manchen Kassen wieder Unterdeckungen», sagt Bamert. Dann müssten Versicherte möglicherweise Sanierungsbeiträge leisten. Die Qualität der Pensionskasse ist folglich bei der Pensionierungsplanung unbedingt ebenfalls zu beachten. Dazu gehört beispielsweise auch das Verhältnis von Aktiven zu Rentnern in der Kasse. ■ Zeitig mit der Planung der Pensionierung beginnen: «Mit der Planung der Pensionierung sollte man so früh wie möglich beginnen», sagt Thurnherr. Bietet eine Pensionskasse beispielsweise verschiedene Pensionspläne für die Versicherten an, so könnten auch schon jüngere Versicherte eine Variante mit höheren Einzahlungen wählen. Langfristig könne dies durchaus lohnenswert sein. Dasselbe gilt für das Sparen in der Säule 3a. Menschen, die in der Lage sind, grössere Einkäufe in die Pensionskasse zu tätigen, könnten später mit der Planung ihrer Pensionierung anfangen, sagt Thurnherr. Viele könnten sich dies aber nicht leisten. Die praktische Erfahrung, beispielsweise auch beim Verein BVG Auskünfte, zeige ihm, dass die Menschen ihre Pensionierung tendenziell eher zu spät planten. Bamert rät, zumindest zehn bis fünfzehn Jahre vor dem angestrebten Pensionierungszeitpunkt mit der Planung zu beginnen. «Dann hat man noch Zeit, um zu reagieren», sagt er. ■ Steuersparmöglichkeiten ausschöpfen: Bei der Vorsorge für die dritte Lebensphase besteht die Möglichkeit, erheblich Steuern zu sparen. Wer sich Einkäufe in die Pensionskasse leisten kann, sollte dies erwägen. Schliesslich kann man solche freiwilligen Einzahlungen in die Vorsorge-
einrichtung in der Steuererklärung vom steuerbaren Einkommen abziehen. Lukrativ sind solche Einkäufe vor allem für Versicherte ab dem Alter 50. Da dann die Zeit bis zur Pensionierung langsam absehbar ist, ist das Kapital nicht zu lange in der Pensionskasse gebunden. Einkäufe in die Pensionskasse sollten nicht im Zeitraum von drei Jahren vor der Pensionierung getätigt werden. Bei einem anschliessenden Kapitalbezug müssten die durch den Einkauf erlangten Steuerersparnisse wieder zurückbezahlt werden. Auch mit Einzahlungen in die Säule 3a besteht die Möglichkeit, bei der Vorsorge Steuern zu sparen. Des Weiteren gibt es beim Bezug der Vorsorgegelder aus Pensionskasse, Säule 3a und Freizügigkeit grosse steuerliche Optimierungsmöglichkeiten – die Gelder aus verschiedenen Töpfen sollten, wenn möglich, gestaffelt über mehrere Jahre hinweg bezogen werden, um die Steuerprogression zu brechen. ■ Teilpensionierung als Option: Steuerlich gesehen kann auch eine Teilpensionierung eine interessante Möglichkeit sein. Ein Modell wäre beispielsweise, im Alter von 60 Jahren das Arbeitspensum auf 70% reduzieren, mit 62 Jahren auf 40% und mit 65 in Rente zu gehen, sagt Thurnherr. Beim ersten und zweiten Schritt könne man sich jeweils 30% des Pensionskassenkapitals auszahlen lassen und im Alter 65 das restliche Kapital in Rentenform beziehen. Dies ermögliche eine gewisse Staffelung, mit der sich die Steuerprogression brechen lasse. Allerdings müsse hier natürlich immer der Arbeitgeber mitspielen, was einmal mehr die Bedeutung einer guten Planung unterstreiche. ■ Sich Gedanken über die Amortisierung der Hypothek machen: Immobilienbesitzer sollten abwägen, wie stark sie die Hypothek auf ihre Liegenschaft reduzieren. Dabei dürfen sie allerdings ihre finanziellen Bedürfnisse im Alter nicht aus den Augen verlieren. Bei der Planung sollte man sich indessen bewusst sein, dass es nach der Pensionierung schwierig werden kann, die Hypothek aufzustocken.
www.nzz.ch/ld.1546730
10 FINANZEN IN DER DRITTEN LEBENSPHASE
Der Traum von der Frühpensionierung Viele Arbeitnehmer würden gerne vorzeitig in den Ruhestand treten, doch die Realität geht eher in Richtung länger arbeiten WERNER GRUNDLEHNER
Schweizerinnen und Schweizer haben eine hohe Lebenserwartung und auch hohe Erwartungen an diesen dritten Lebensabschnitt. Viele möchten diese Phase individuell angehen, etwa mit einer Pensumsreduktion, einer Teilzeitbeschäftigung oder einer Frühpensionierung. Doch bevor man diesen Schritt wagt, gilt es einiges abzuklären. So kann es unter anderem zu deutlichen Einbussen bei der Pensionskasse kommen. Die Rente für den Rest des Lebens fällt tiefer aus als bei einer Pensionierung zum regulären Zeitpunkt. Es wird weniger Kapital angespart, und die Auszahlungen werden mit einem tieferen Umwandlungssatz berechnet. Angesichts der steigenden Lebenserwartung darf man das nicht unterschätzen. Deshalb ist die finanzielle Situation genau zu prüfen. So bleibt man etwa auch als Frühpensionierter AHVpflichtig. Hilfreich ist eine Absprache mit dem Arbeitgeber (diesem kommt vielleicht die Frühpensionierung gelegen), oder man plant eine Pensionierung in Schritten (Reduzierung des Pensums).
Vorbezug von Rente und AHV Die AHV-Rente kann man schon ein oder zwei Jahre vor dem regulären Rentenalter beziehen, und die meisten Pensionskassen (PK) lassen einen Bezug der Altersleistungen ab 58 oder 60 Jahren zu. Pensionskassen kürzen die Renten von Frühpensionären in der Regel lebenslang um 5% bis 7% pro Vorbezugsjahr. Wer mit 63 statt 65 in Rente geht, verzichtet demnach auf 10% bis 14%. Ein Vorbezug der AHV-Rente um zwei Jahre führt zu einer Rentenkürzung von 13,6%. Viele Pensionskassen bieten Frühpensionierten eine Überbrückungsrente an, mit der sie einen Vorbezug der AHV-Rente umgehen können. «Ein AHV-Vorbezug ist nur in einer Situation sinnvoll: Wenn der Arzt einem sagt, dass man nur noch wenige Jahre zu leben hat», sagt Reto Spring, Präsident des Fi-
nanzplaner-Verbandes und Partner bei Academix Consult. Sonst sei es fahrlässig, die einzige lebenslang inflationsgeschützte Rente zu reduzieren. Wer früher in Pension geht, muss die Einkommenslücke zwischen der Frühpensionierung und der ordentlichen Pensionierung überbrücken. Am besten eignen sich dazu private Ersparnisse wie etwa Guthaben in der Säule 3a, die man grundsätzlich bis zu fünf Jahre vor Erreichen des AHV-Alters beziehen kann. Zahlreiche PK offerieren den Versicherten, eine Leistungskürzung bei einer Frühpensionierung mit freiwilligen Einkäufen auszugleichen. Arbeitnehmer, die sich bereits für die vollen ordentlichen Leistungen eingekauft haben, können noch zusätzliche Einkäufe tätigen. Die zusätzlichen Altersleistungen dürfen jene bei einer ordentlichen Pensionierung allerdings höchstens um 5% übersteigen. Mit dem Aufschub einer Pensionierung nimmt nicht nur das Altersguthaben zu, auch der Umwandlungssatz fällt höher aus.
Zwei gravierende Fehler Eine Frühpensionierung kostet gemäss Spring massiv Geld. «Viele unserer Kunden interessieren sich für eine Frühpensionierung, einige sehen aber wieder davon ab, nachdem wir es genau durchgerechnet haben», sagt Damian Gliott von der Vermögenspartner AG. Die restliche Lebenserwartung liegt in der Schweiz mittlerweile für 65-jährige Frauen bei 22,7 und für 65-jährige Männer bei 19,9 Jahren (Stand 2018). Deshalb muss man seine Ruhestandsplanung also auf ein hohes Alter ausrichten. «Bei der finanziellen Planung des Ruhestandes werden zwei gravierende Fehler gemacht: Die eigene Sparfähigkeit wird überschätzt und der Kapitalbedarf nach der Pensionierung unterschätzt», sagt Spring. Es ist eine gute Idee, sich im Alter von 50 Jahren Gedanken über die Vorsorgeplanung zu machen – auch wenn man eine mögliche Frühpensionierung ins Auge
fasst. Wer es aber bis zu diesem Zeitpunkt nicht schafft, monatlich einen relevanten Betrag auf die Seite zu bringen, wird es auch nachher nicht schaffen, sagt Spring. Zwar ziehen vielleicht die Kinder aus, dafür entdeckt man neue Hobbys, beginnt mit dem Golfspiel oder kauft sich eine Harley-Davidson. Viele machen zudem den Fehler, dass sie mit zu hohen Umwandlungssätzen rechnen, nämlich jenen, die auf dem PK-Ausweis angegeben werden. Für Babyboomer werden diese gemäss Spring aber 20% tiefer sein als für ihre Eltern. Der jüngste Rückschlag an der Börse hat auf die Vorsorgeplanung wenig Einfluss – allenfalls einen psychologischen, führt Gliott an. «Solche Rückschläge gibt es an den Aktienmärkten alle 10 bis 15 Jahre.» Wer mit 50 Jahren die Vorsorgeplanung an die Hand nimmt, kann noch mit gutem Gewissen für 12 Jahre in Aktien investieren. Das entspricht etwa einem Zyklus an der Börse. In der Vorsorgeplanung müssen alle künftigen Einkommen berücksichtigt werden, solche aus gesicherten und ungesicherten Vermögen, Versicherungsleistungen, AHV, allfällige Mieteinahmen, Erbvorbezüge usw. Eine Erbschaft sollte jedoch nicht zu stark in die Vorsorgeplanung integriert werden, mittlerweile gehen 70% der Erbschaften in der Schweiz an Pensionäre. Zu welchem Zeitpunkt diese erfolgen, ist schwer abzuschätzen. «Wichtig für die Reduktion des Risikos ist der Bezug des Ruhestandseinkommens aus möglichst verschiedenen Quellen», sagt Gliott.
Gutverdienende im Dilemma Mittlerweile wählt jeder dritte Schweizer Bürger eine Mischform aus Rente und Kapitalbezug. Mit der Rente wird insbesondere das Langlebigkeitsrisiko gedeckt. Dabei muss man gemäss Spring etwa beachten, dass man das Kapital erst drei Jahre nach der letzten Einzahlung beziehen könne. Also dürfe man ab Alter 59 keine Einkäufe mehr vornehmen, wenn man mit
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Wer vor seinem regulären Pensionierungsalter seinem Job Adieu sagen möchte, muss das gut durchrechnen.
63 das Kapital beziehen wolle. Wer sich wegen hoher Ersparnisse oder einer Erbschaft sehr früh pensionieren lassen kann, muss sich das gut überlegen. So werden etwa 24 800 Franken an AHV p. a. fällig, und die Steuern sind nur unwesentlich tiefer als zuvor. Vor allem Gutverdienende bekunden gemäss Spring Mühe damit, genug zu sparen, um den Lebensstandard halten zu können. Die AHV-Rente ist gedeckelt. Bei diesen Personen steckt der Grossteil des PK-Guthabens im überobligatorischen Teil, der kaum mehr verzinst wird. Für Angestellte bringt die maximale 3a-Einzahlung nicht das benötigte Sparguthaben. «Mit einem jährlichen Einkommen von 150 000 Franken müsste man jedes Jahr zirka 40 000 Franken auf die Seite legen, um den gewohnten Standard später zu halten», sagt Spring. Viel mehr als Frühpensionierungen sei bei seinen Kunden die Berufstätigkeit
über die Pensionierung hinaus ein Thema, sagt Spring. Gliott beobachtet, dass sich öfter Arbeitnehmende pensionieren lassen, um dann selbständig, zum Beispiel als Berater, aktiv zu werden.
Über die Pension hinaus Etwa gleich viele Arbeitstätige beziehen die AHV früher oder schieben deren Bezug auf – in beiden Fällen sind es jeweils 18%. Die Lebenserwartung ist gestiegen, viele aktive Personen wollen länger arbeiten und die Rente aufschieben. Auch Unternehmen wollen qualifizierte Mitarbeiter halten, die ein grosses Netzwerk aufweisen und Systeme verwenden können, die Junge nicht mehr kennen. Wenn ein Mensch im Schnitt mit 25 Jahren die Erwerbstätigkeit aufnimmt und nach der Pensionierung nochmals so lange lebt, ist er während mehr als der Hälfte seines Lebens unproduktiv. Dar-
ILLUSTRATION JOCHEN SCHIEVINK
auf ist unser Vorsorgesystem gemäss Spring jedoch nicht ausgelegt. Sinnvoller, weniger kostspielig und für den Arbeitgeber einfacher zu «verkraften» ist eine schrittweise Reduktion des Arbeitspensums. Auf dem Teilzeiteinkommen sind weiter AHV-Beiträge fällig. Die Beitragspflicht ist damit oft bereits erfüllt, und es fallen keine zusätzlichen AHV-Beiträge an wie bei einer vollständigen Frühpensionierung. Eine gestaffelte Pensionierung kann sich auch steuerlich lohnen, wenn man das Pensionskassenguthaben in Kapitalform bezieht. Bei mehreren Teilbezügen fallen wegen der Steuerprogression insgesamt weniger Steuern an als bei einem einmaligen Bezug des gesamten Kapitals.
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12 FINANZEN IN DER DRITTEN LEBENSPHASE
Die wichtigste Frage vor der Pensionierung Der Entscheid zwischen einer monatlichen Rente und dem Bezug des Kapitals aus der zweiten Säule will wohlüberlegt sein
Alles aufs Mal oder monatliche Bezüge? Die Versicherten können die beiden Varianten auch kombinieren.
MICHAEL SCHÄFER
Im Leben gilt es, etliche wichtige Weichen zu stellen. Zu den Entscheiden mit einer grossen Tragweite zählen etwa jene im Zusammenhang mit Ausbildung und Beruf, die Wahl des Partners oder der Partnerin sowie der Kauf einer Immobilie. Und vor dem Eintritt in den dritten Lebensabschnitt gilt es festzulegen, in welcher Form man die Gelder aus der beruflichen Alters-
vorsorge beziehen will. In der Schweiz hat man dabei die Wahl zwischen einer lebenslangen Rente, dem Bezug des Alterskapitals oder einer Kombination aus beidem.
Frühzeitige Planung wichtig Jede dieser Alternativen hat ihre Vor- und Nachteile. Wegen der grossen Tragweite des Entscheids raten Finanzplaner, die Frage etliche Jahre vor der Pensionierung
ILLUSTRATION JOCHEN SCHIEVINK
anzugehen, idealerweise im Alter von 50 Jahren. So bleibe in der Regel genügend Zeit, um nicht nur die finanziellen Aspekte der Pensionierung zu planen, sondern auch nötige Schritte rechtzeitig in die Wege zu leiten. Für die Variante Rente spricht, dass sie ein Leben lang regelmässig ausgezahlt wird. Zum Zeitpunkt der Pensionierung ist bekannt, welchen Betrag man monatlich zur Verfügung hat. Die Rente empfiehlt
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sich deshalb vor allem für Menschen, denen ein hoher Grad an Sicherheit und Planbarkeit wichtig ist. Ist die Rente einmal gesprochen, wird an ihr nicht mehr gerüttelt, und das dürfte auch künftig so bleiben. Selbst wenn die Mittel einer Pensionskasse knapp werden sollten, verfügt das Schweizer Rentensystem über ein Sicherheitsnetz, das dann zum Tragen kommt. Lässt man sich dagegen das Kapital auszahlen, muss man es selbst anlegen oder verwalten lassen. Wie sich dann das Vermögen entwickelt, ist im Voraus nicht bekannt und damit auch nicht der Betrag, über den man regelmässig verfügen kann. Diese Unsicherheit fällt umso stärker ins Gewicht, je geringer das Alterskapital ist. Aber auch bei einer hohen Summe besteht die Gefahr, die künftige Rendite zu überschätzen.
Unterschätzte Lebenserwartung Wer nämlich in den ersten Jahren der Pension hohe Beträge entnimmt, etwa für ein Ferienhaus oder für grössere Reisen, riskiert, dass er sich später finanziell stärker einschränken muss. «Viele angehende Rentner unterschätzen ihre Lebenserwartung, weil sie sich an der Generation ihrer Eltern oder Grosseltern orientieren», sagt Reto Spring, Präsident des FinanzplanerVerbands Schweiz. Gerade für gesunde Personen mit einer hohen Lebenserwartung kann es also sinnvoll sein, sich für den Bezug einer Rente zu entscheiden. Allgemeingültige Regeln gebe es aber nicht, viel hänge von der Höhe der laufenden Ausgaben ab, erläutert Spring. Beschliesse ein Rentnerpaar zum Beispiel, den Lebensabend in einem Land mit vergleichsweise niedrigen Lebenshaltungskosten zu verbringen und wohne es dort in einem abbezahlten Eigenheim, reiche möglicherweise die AHV, um den täglichen Lebensunterhalt zu bestreiten. In einem solchen Fall sei es selbst bei kleineren Beträgen unbedenklich, die Altersleistung als Kapital zu beziehen.
Grosse kantonale Unterschiede Der hohen Sicherheit und Planbarkeit der Rente steht aber auch eine Reihe von Nachteilen gegenüber. Erstens unterliegen Rentenzahlungen vollumfänglich der Einkommensteuer. Beim Bezug des Kapitals muss zwar die ausbezahlte Summe auf einen Schlag versteuert werden, allerdings kommt dabei ein reduzierter Satz zur Geltung. Um die steuerliche Belastung zu mindern, kann es sinnvoll sein, im Vorfeld der Pensionierung eine Hypothek teilweise mit Geldern aus der zweiten Säule zu amortisieren.
Darüber hinaus sollte man vermeiden, sich im Jahr des Kapitalbezugs auch noch das Vermögen der Säule 3a auszahlen zu lassen, da man sonst in eine höhere Steuerprogression rutscht. Befinden sich die Vorsorgegelder im Privatvermögen, unterliegen die Gelder der Vermögenssteuer und Erträge wie Zinsen und Dividenden der Einkommensteuer. Über einen längeren Zeitraum gesehen, schneidet man mit der Kapitalauszahlung aus steuerlicher Sicht deshalb in der Regel besser ab. Zudem sind die kantonalen Steuersätze teilweise sehr unterschiedlich, so dass es sich lohnen kann, den Wohnort vor dem Kapitalbezug zu wechseln. Bei einer Summe von 1 Million Franken reichen die Unterschiede zwischen den günstigsten Kantonen (Appenzell Innerrhoden, Schaffhausen, Uri und Zug) und den teuersten (Freiburg, Waadt und Zürich) für Ehepaare von 60 000 bis 80 000 Franken. Der zweite Nachteil der Rente: Die Versicherten vernachlässigen, dass die Rente im Gegensatz zur AHV nicht grundsätzlich an die Teuerungsrate angepasst wird. In den vergangenen 30 Jahren lag die Inflation in der Schweiz bei durchschnittlich 2%. Nimmt man eine ähnlich hohe Inflation für die Zukunft an, sinkt die Kaufkraft der Rente innerhalb von 30 Jahren auf gerade einmal 55%. Selbst bei einer durchschnittlichen Inflationsrate von 1% nimmt die Kaufkraft in diesem Zeitraum noch um 26% ab. Der dritte Nachteil der Rente manifestiert sich im Todesfall des Versicherten. Eine Rente bzw. das dahinterstehende Kapital kann nicht vererbt werden. Gesetzlich vorgesehen ist eine Rente für den hinterbliebenen Partner in Höhe von 60% der ursprünglichen Leistung. Die Lebenspartnerrente kann eine Pensionskasse jedoch reduzieren, wenn der hinterbliebene Partner deutlich jünger ist und somit zu erwarten ist, dass sie diese Leistung unangemessen lange zahlen müsste. Für Konkubinatspartner ist eine solche Hinterbliebenenrente nicht gesetzlich vorgesehen. Den Pensionskassen ist es jedoch freigestellt, eine solche zu zahlen. Ob das der Fall ist, kann dem Reglement der Kasse entnommen werden, ebenso wie die Bedingungen, an die eine solche Lebenspartnerrente geknüpft ist. Meist wird gefordert, dass die Lebensgemeinschaft in den fünf Jahren vor dem Ableben des Versicherten bestanden hat oder dass für gemeinsame Kinder gesorgt werden muss. Den Kassen steht es zudem frei, weitere Voraussetzungen in ihr Reglement aufzunehmen.
Der Kapitalbezug bringt mehr Flexibilität als die Rente. Er ermöglicht, grössere Ausgaben sofort zu tätigen, hohe Beträge zu verschenken oder sie eines Tages zu vererben. Im Gegensatz zum Bezug der Rente muss der Kapitalbezug allerdings rechtzeitig bei der Pensionskasse angemeldet werden. In der Regel ist das bis zu drei Jahre vor der Pensionierung der Fall, und eine einmal getroffene Entscheidung kann nicht wieder geändert werden. Von Gesetzes wegen haben Versicherte das Recht, mindestens einen Viertel des obligatorischen Altersguthabens als Kapital zu beziehen, bei den meisten Pensionskassen ist das auch in vollem Umfang möglich.
Rentenrechner helfen Mit dem Kapitalbezug ist jedoch die Herausforderung verbunden, das Geld so zu investieren, dass man (grössere Ausgaben ausgeklammert) unter dem Strich auf monatlicher oder jährlicher Basis mindestens so viel zur Verfügung hat wie beim Bezug einer Rente. Mit im Internet verfügbaren Rentenrechnern wie jenem auf 123-pensionierung.ch lässt sich einfach herausfinden, bei welcher angenommenen Rendite und Bezugsdauer welche Rente herausschaut. Schwieriger dürfte es sein, diese Renditen auch zu erzielen. Wer nicht selbst eine Affinität für das Investieren hat, kann dies an einen Vermögensverwalter delegieren, was jedoch in der Regel mit höheren Kosten verbunden ist. Und in jedem Fall muss man mit Marktturbulenzen umgehen können, wie den jüngst durch die CoronavirusPandemie ausgelösten. Für viele Versicherte dürfte eine Kombination von Rente und Kapital sinnvoll sein. Die Höhe von Ersterer sollte so gewählt werden, dass sie gemeinsam mit der AHV den Lebensunterhalt gewährleiste, rät Spring. Über das restliche Kapital kann man dann sorgenfrei verfügen. Auch aus steuerlicher Sicht ist das nicht die schlechteste Lösung.
www.nzz.ch/ld.1549230
14 FINANZEN IN DER DRITTEN LEBENSPHASE
Wer vertritt mich, wenn ich urteilsunfähig bin? Der Vorsorgeauftrag kann eigenständig oder durch einen Notar erstellt werden Mit einem Vorsorgeauftrag können Personen diejenigen Vertrauten bestimmen, die sie in finanziellen oder persönlichen Belangen vertreten sollen, wenn sie dazu nicht mehr fähig sind. Die Erstellung durch Dritte kann teuer werden. BERNHARD BIRCHER-SUITS
Timon Schenker (56, Name geändert) ist selbständiger Architekt und Inhaber einer Einzelfirma. Er möchte sicherstellen, dass sein Kleinunternehmen in Zürich im Falle eines schweren Unfalls oder einer Krankheit und einer daraus resultierenden Urteilsunfähigkeit weiter funktioniert. Als urteilsunfähig gilt, wer nicht mehr vernunftmässig handeln kann. Der Architekt will, dass seine zwei langjährigen Geschäftspartner in einem solchen Fall den Betrieb weiterführen können. Gründe für eine Urteilsunfähigkeit gibt es viele: ein Autounfall, eine Demenz oder eine psychische Störung. Verliert eine Person ihre Urteilsfähigkeit, darf sie von Gesetzes wegen nicht mehr frei über ihr Vermögen verfügen und keine medizinischen und juristischen Entscheide mehr fällen. Mit einem sogenannten Vorsorgeauftrag kann eine volljährige und urteilsfähige Person wie Schenker sicherstellen, dass im Fall einer Urteilsunfähigkeit Personen wie Familienmitglieder, Geschäftspartner oder auch ein Treuhänder die eigenen Interessen vertreten. In einer separaten Patientenverfügung kann jedermann ausserdem medizinische Massnahmen regeln, die man sich für den Fall seiner Urteilsunfähigkeit wünscht.
Die Kesb prüft Eine Urteilsunfähigkeit wird meist durch Angehörige, Nachbarn oder medizinisches Personal der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) gemeldet. Damit
die Kesb einen Vorsorgeauftrag für gültig erklären kann, muss die Behörde prüfen, ob die Urteilsunfähigkeit ärztlich bestätigt ist, ob der Vorsorgeauftrag gesetzeskonform errichtet wurde und ob die eingesetzten Personen oder Unternehmen geeignet sind, den Auftrag zu erfüllen. Sofern die im Vorsorgeauftrag eingesetzten Personen fähig und willens sind, den Auftrag zu übernehmen, werden sie von der Kesb «validiert». Diese Validierung ist ein schriftlich begründeter Entscheid, in dem die Kesb den Vorsorgeauftrag für wirksam erklärt und die vorsorgebeauftragten Personen und deren Aufgaben und Berechtigungen bezeichnet. Damit besteht eine öffentliche Urkunde, mit der sich die vorsorgebeauftragten Personen gegenüber Dritten ausweisen können. Im Beispiel Schenker könnten sich die beiden Geschäftspartner somit auf diese Urkunde abstützen. Der Architekt kann in seinem Auftrag zum Beispiel konkrete Handlungsanweisungen festhalten, wie seine Geschäftspartner ihre Tätigkeit ausüben dürfen. Solange eine Rechtshandlung wie zum Beispiel der Zugriff auf das Geschäftskonto vom Vorsorgeauftrag gedeckt ist und auch kein Interessenkonflikt besteht, muss nicht jeweils noch das Einverständnis der Kesb eingeholt werden.
Vertretungsrecht der Ehegatten Gabrielle Sigg, Teamleiterin Nachlass beim VZ Vermögenszentrum, empfiehlt, vorsorglich auch Bankvollmachten für Geschäftspartner auszustellen und allenfalls die Unterschriftsregelungen im Handelsregister so festzulegen, dass eine Firma handlungsfähig bleibt. «In komplizierten Fällen kann es bis zum Validierungsentscheid der Kesb einige Monate dauern. Es gilt daher, die Handlungsfähigkeit des Unternehmens sicherzustellen», sagt sie. Bei Unternehmen mit Aktionären und Mitgliedschaftsrechten fügt das Vermögenszentrum bei Bedarf einen Passus in den Vorsorgeauftrag ein, womit die beauftragte Person befugt wird, an der General-
versammlung bzw. der Gesellschafterversammlung das Stimmrecht weisungsfrei auszuüben. Zudem kann die beauftragte Person ermächtigt werden, Aktien bzw. Stammanteile zu verkaufen. Bei Ledigen oder Verwitweten ohne Vorsorgeauftrag ernennt die Kesb jeweils einen Beistand, wenn sie urteilsunfähig werden. Ehegatten und eingetragene Partner erhalten auch ohne einen Vorsorgeauftrag ein Vertretungsrecht. Gemäss der Schweizer Behindertenorganisation Pro Infirmis besteht dieses Vertretungsrecht aber nur, «wenn die Beziehung tatsächlich gelebt wird, das heisst, wenn das Paar einen gemeinsamen Haushalt führt oder wenn im Falle eines Heimaufenthalts der Partner bzw. die Partnerin der urteilsunfähigen Person regelmässig und persönlich Beistand leistet». Das gesetzliche Vertretungsrecht im Bereich Wohnen umfasst gemäss der Konferenz für Kindes- und Erwachsenenschutz den Abschluss, die Änderung oder Aufhebung eines Betreuungsvertrags mit einer Wohn- oder Pflegeeinrichtung. Im Bereich Finanzen können Ehegatten und eingetragene Partnerinnen oder Partner die üblichen Zahlungen und Vermögensverwaltungshandlungen erledigen.
Aufgaben festhalten Im Vorsorgeauftrag kann eine Person festhalten, welche Aufgaben die bezeichneten Personen wahrnehmen sollen. Dabei kann es sich um die Personensorge handeln, dazu gehören beispielsweise das Öffnen der Post, Betreuung, Pflege, medizinische Versorgung usw. Bei der Vermögenssorge geht es um die Verwaltung des Einkommens und Vermögens oder die Abwicklung des Zahlungsverkehrs. Hinzu kommt noch die Vertretung im Rechtsverkehr. Beim Aufsetzen des Vorsorgeauftrags muss man sich strikt an die gesetzlichen Formvorschriften halten. Der Auftrag ist eigenhändig zu errichten oder öffentlich zu beurkunden. Der eigenhändige Vorsorgeauftrag muss datiert und unterzeichnet
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Die Ehepartnerin zum Beispiel lässt sich im Vorsorgeauftrag als primäre Vertretung ernennen.
werden. Im Internet gibt es viele Vorlagen zur Abschrift. Die Kesb anerkennt einen Vorsorgeauftrag nur im Original. Er ist zeitlich unbeschränkt wirksam. In einem Vorsorgeauftrag kann man zum Beispiel einen «primären» Vertreter wie seinen Ehepartner ernennen. Falls er nicht mehr zur Vertretung in der Lage ist, setzt man nachrangig zum Beispiel ein Kind ein. Ein Vorsorgeauftrag sollte sicher und gut zugänglich aufbewahrt oder einer Vertrauensperson übergeben werden. Es empfiehlt sich, dem Zivilstandsamt am Wohnort mitzuteilen, dass man einen Vorsorgeauftrag erstellt hat und wo er hinterlegt ist. In einigen Kantonen kann der Auftrag auch direkt bei der Kesb deponiert werden.
Unterstützung bei der Auftragserstellung erhalten Personen bei den Beratungsstellen von Pro Senectute, Caritas oder Pro Infirmis. Es gibt auch digitale Helfer wie die Plattform E-Vorsorgeauftrag.ch. Hier lässt sich online kostenlos ein individualisierter Vorsorgeauftrag mit zusätzlicher Patientenverfügung erstellen. Der Einzelunternehmer Schenker kann den Vorsorgeauftrag somit entweder auf eigene Faust erstellen oder ihn zusammen mit einem Notar schreiben und das Dokument am Wohnort beurkunden lassen. Die Vobox AG in Bäch im Kanton Schwyz hat sich auf diesen Service spezialisiert. Das Unternehmen bietet einen Vorsorgeauftrag für Paare für pauschal 1500 Franken und für Einzelpersonen für 1000 Franken
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an. Dazu kommen im Kanton Schwyz noch 150 Franken für die Beurkundung beim Notar. Bei der Advokatur Bleuer und Kleger in St. Gallen ist ein Vorsorgeauftrag inklusive Beurkundung «ab 380 Franken» zu erhalten. Peter Burri von Pro Senectute Schweiz sagt: «Das Geschäft mit Vorsorgeaufträgen ist ein spannender Markt, bei dem verschiedene Player wie Banken, Versicherungen und Notare sowie private Firmen aktiv sind. Es besteht derzeit ein gewisser Wildwuchs, und die Angebote sind zum Teil nur schwer vergleichbar.» Es gibt bei komplexen Ausgangslagen somit nur eine Lösung: vor einer Auftragserteilung mehrere Offerten einholen. www.nzz.ch/ld.1550567
16 FINANZEN IN DER DRITTEN LEBENSPHASE
Arbeiten im Ruhestand – darauf muss man achten Ob Freiwilligen- oder Erwerbsarbeit: Tätigkeiten nach der Pensionierung erfordern einiges an Vorbereitung und Planung
Kurz vor der Pensionierung sollte man über die Bücher gehen, ob sich Weiterarbeiten überhaupt lohnt.
WERNER GRUNDLEHNER
Die meisten Arbeitstätigen freuen sich auf den Ruhestand – doch viele möchten auch nach der Pensionierung weiterarbeiten. Man möchte nicht nur gebraucht werden,
viele sind auch auf einen finanziellen Zustupf angewiesen, um den gewohnten Lebensstandard halten zu können. Die AHV-Reform Altersvorsorge 2020, bei der auch die schrittweise Anhebung des Rentenalters der Frauen auf 65 Jahre
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und die Möglichkeit zur flexiblen Pensionierung zwischen 62 und 70 Jahren geschaffen werden sollte, hat das Schweizervolk 2017 abgelehnt. Dessen ungeachtet arbeiten bereits jetzt schon viele Schweizer nach Erreichen des Rentenalters wei-
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ter. Die Erwerbstätigenquote von Personen im Alter von 65 bis 69 Jahren liegt laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung bei 22,9%.
Ein anderes Berufsleben Dabei muss den Arbeitnehmern aber bewusst sein, dass sowohl die Beschäftigung an sich als auch die Suche und Bewerbung für eine neue Stelle nicht mehr gleich aussehen wie im «normalen» Berufsleben. Eine Ausnahme ist, wenn man vom bisherigen Arbeitgeber weiterbeschäftigt wird – vielleicht auch mit einem reduzierten Pensum. «Auf eine Stelle, die in der Zeitung oder im Internet ausgeschrieben ist, auf die sich Dutzende Personen bewerben, hat eine über 60-jährige Person kaum eine Chance», sagt Regula Hunziker von der Laufbahnberatung Perspectiv in Uster. Je älter man werde, desto wichtiger seien das persönliche Netzwerk und ehemalige Arbeitgeber. Wer Hilfe sucht für eine Weiterbeschäftigung im Ruhestand, wendet sich mit Vorteil an einen auf diese Thematik spezialisierten Berater. Man habe kaum Erfahrung mit diesem Segment, erklärt ein Mitarbeiter der Laufbahnberatung des Kantons Zürich. «Die finanzielle Abgeltung der Arbeit ist ein grosses Thema, auch wenn der Pensionär das Einkommen gar nicht benötigt», sagt Hunziker. Geld werde mit Anerkennung gleichgesetzt. Es sei jeweils ein grosser Aufwand, die Belohnung für die Arbeit «auf eine andere Schiene zu bringen». Hunziker fragt ihre Kunden jeweils: «Lassen Sie das Geld weg, was möchten Sie dann tun?» Dabei gehe es auch darum, herauszufinden, was einem bisher gefehlt hat und welche Fähigkeiten man bisher nicht im Beruf einsetzen konnte. So möchte vielleicht ein Maschinenbauer mehr mit Menschen zu tun haben und Kinder betreuen und eine Mathematikerin älteren Leuten das Smartphone in Kursen näherbringen. Oft sind Sportvereine oder andere Institutionen froh, wenn sich Freiwillige um Buchhaltung und Organisatorisches kümmern. Eine Auswahl von Freiwilligenarbeit findet sich etwa auf der Website benevol.ch. Freiwilligenarbeit wird oft mit nichtmonetären Leistungen wie gemeinsamen Ausflügen, Essen usw. abgegolten.
AHV-Rente aufschieben? Wer jedoch noch etwas dazuverdienen will, muss Vorkenntnisse und Erfahrungen mitbringen. Viele Tätigkeiten für Pensionierte finden sich in den Bereichen Ge-
sundheit, Pädagogik und Informatik. Oft muss man sich darauf einstellen, dass man «nur» auf Abruf arbeiten kann, etwa an der Kasse bei einem Bäcker, wenn das Kundenaufkommen besonders gross ist. Bei der Erwerbstätigkeit nach Erreichen des AHV-Alters sind gewisse Regeln zu beherzigen. Sonst droht ein grosser Teil des erzielten zusätzlichen Einkommens durch Steuern «aufgefressen» zu werden. Personen, die nach dem Erreichen des Rentenalters weiterarbeiten, sind oftmals nicht auf die AHV-Rente angewiesen. Aus steuerlicher Sicht kann dann deren Aufschub sinnvoll sein. Wird das ordentliche Rentenalter erreicht, kann der Bezug der AHV mindestens um ein und höchstens um fünf Jahre aufgeschoben werden. Dadurch erhöht sich die AHV-Rente lebenslang. In einem Merkblatt der Informationsstelle AHV/IV sind die entsprechenden Zuschläge aufgelistet, nach einem Jahr sind es 5,2%, nach fünf Jahren 31,5%. Auf die Aufschubdauer muss man sich nicht im Voraus festlegen. Bis spätestens ein Jahr nach dem Erreichen des ordentlichen Rentenalters ist der Aufschub anzumelden. Eine Aufschuberklärung wird von der AHV-Ausgleichskasse bestätigt. Mit dem entsprechenden Formular auf der AHV/IV-Website kann die Rente nach dem Aufschub beantragt werden. Die AHV/IV/EO-Beiträge werden auch nach Erreichen des Pensionsalters vom Lohn abgezogen, haben nun aber keinen Einfluss mehr auf die Rentenhöhe. Diese Abgaben müssen jeweils nur auf den Teil des Lohnes entrichtet werden, der den Freibetrag von 1400 Franken pro Monat übersteigt. Dieser Freibetrag gilt für jedes einzelne Arbeitsverhältnis, das der Pensionär eingeht; die Beitragspflicht gegenüber der Arbeitslosenversicherung (ALV) entfällt jedoch. Bei manchen Pensionskassen ist kein Aufschub möglich, und beim Eintritt des ordentlichen Rentenalters muss die Rente bzw. die Kapitalauszahlung bezogen werden. Ermöglicht die Vorsorgeeinrichtung aber, dass Erwerbstätige im Rentenalter die berufliche Vorsorge fortführen, muss der Pensionär eine Lagebeurteilung vornehmen. Die meisten Pensionskassen haben in den vergangenen Jahren wegen sehr tiefer Zinsen an den Kapitalmärkten und der demografischen Entwicklung ihre Umwandlungssätze gesenkt – und es besteht aus Versichertensicht die Gefahr, dass es zu weiteren Senkungen kommt.
Pensionskasse als jährliche Rente auszahlt. Eine Senkung des Umwandlungssatzes kommt einer Rentenkürzung gleich. So kann der extreme Fall eintreten, dass sich eine Erwerbstätigkeit nach Erreichen des AHV-Alters finanziell schlicht nicht mehr lohnt. Es gilt also abzuschätzen, wie die Lage der Vorsorgeeinrichtung ist und ob weitere Senkungen des Umwandlungssatzes bereits absehbar sind. Ausserdem gilt es zu klären, ob freiwillige Einzahlungen in die Pensionskasse nach dem Erreichen des AHV-Alters möglich sind.
Varianten anfordern «Man muss auch berücksichtigen, dass der Umwandlungssatz durch die zusätzlichen Jahre leicht erhöht wird», sagt ein Pensionskassen-Spezialist. Man solle seine Vorsorgeeinrichtung fragen, ob sie einem die verschiedenen Szenarien durchrechne, «seriöse Pensionskassen werden dies machen». Der Versicherte könne nicht abschätzen, ob eine Vorsorgeeinrichtung in einigen Jahren den Satz anpasse. «Das ist auf einige Monate möglich, wenn die Kasse dies bereits angekündigt hat», fügt er an. In die steuerlich begünstigte Vorsorge der Säule 3a können Männer bis zum Alter von 70 und Frauen bis zum Alter von 69 Jahren einzahlen, wenn sie nach Erreichen des Pensionsalters weiterarbeiten. Wer nach der Pensionierung beim bisherigen Arbeitgeber als Berater tätig bleibt, hat die Möglichkeit, den Betrag für selbständig Erwerbende einzuzahlen. Das sind 20% des Nettoeinkommens oder nach heutigem Stand ein Maximalbetrag von 34 128 Franken. Ein weiterer Vorteil des längeren bezahlten Arbeitens ist, dass man dann ein grösseres Zeitfenster hat, um die Gelder aus den verschiedenen Töpfen – also beispielsweise Pensionskasse, Säule 3a oder Freizügigkeitsgelder – gestaffelt zu beziehen. Allerdings weisen Experten darauf hin, dass die Steuerämter in den vergangenen Jahren die Praxis verschärft haben.
Finanziell kein Zugewinn Der Umwandlungssatz setzt den Anteil vom angesparten Vermögen fest, den die
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18 FINANZEN IN DER DRITTEN LEBENSPHASE
Das optimale RentnerPortfolio umfasst viele Aktien Für das Anlegen im Ruhestand gibt es zwei Faustregeln – nur eine davon ist jedoch sinnvoll PATRICK HERGER
Wer sich mit Pensionierung und Anlagestrategien beschäftigt, stösst schnell auf verschiedene Faustregeln. Im deutschsprachigen Raum etwa gibt es die bekannte Regel, dass die Aktienquote so hoch sein soll wie die Zahl 100 minus das Alter des Investors. Ein 65-Jähriger sollte also nur 35% des Portfolios in Aktien halten und die Quote regelmässig reduzieren. Im englischsprachigen Raum verbreitet ist die 4%-Regel. Diese zeigt auf, wie viel Geld man im Ruhestand jedes Jahr vom Startwert eines Portfolios aus Aktien und Anleihen abheben kann. Wenn ein Anleger beispielsweise bei der Pensionierung 100 000 Franken hat, besagt die 4%-Regel, dass er im ersten Jahr der Pensionierung etwa 4% dieses Betrags, also 4000 Franken, abheben kann. Im zweiten Jahr korrigiert der Anleger den Betrag um die Inflation. Beträgt sie beispielsweise 2%, kann er 4080 Franken abheben. Daraus soll eine Wahrscheinlichkeit von 95% resultieren, dass das Geld mindestens 30 Jahre hält, vorausgesetzt, die Portfolio-Allokation besteht zu 50% aus Aktien und zu 50% aus Anleihen. Die Frage ist natürlich, wie gut diese Regeln tatsächlich sind.
4%-Regel als Richtschnur? Die 4%-Regel wurde vor 26 Jahren vom amerikanischen Finanzplaner William Bengen vorgestellt. Im Jahr 1998 untersuchten drei Professoren der TrinityUniversität in Texas in einem als «TrinityStudie» bekannt gewordenen Forschungspapier, wie gut die Regel funktioniert. Dafür schauten sie sich auf den USFinanzmärkten alle möglichen 20-, 25- und 30-Jahre-Zeiträume zwischen 1926 und 1995 sowie verschiedene Aufteilungen von Obligationen und Aktien an. Eine bestimmte Kombination wurde als Erfolg gewertet, wenn trotz regelmässigen Auszahlungen das Vermögen nicht vorzeitig aufgebraucht wurde.
Die Studie gelangte zur Erkenntnis, dass ein 50/50-Portfolio (50% Aktien, 50% Obligationen) eine sichere Entnahme von inflationsadjustierten 4% des Vermögenswertes erlaubt, zumindest über 25 Jahre. So hätte ein Rentner in keinem der möglichen 25-Jahre-Zeiträume der untersuchten Periode sein Vermögen vorzeitig aufgebraucht. Bei der Betrachtung eines Zeithorizontes von 30 Jahren war eine Entnahme von 4% allerdings manchmal zu gross. Wer einen ungünstigen Zeitpunkt erwischte, brauchte sein Vermögen vorzeitig auf, und zwar in 5% der möglichen Zeitperioden. Im Prinzip bestätigte die Trinity-Studie also die 4%-Regel. Die Autoren publizierten ausserdem im Jahr 2011 eine aktualisierte Version ihres Forschungspapiers (sie berücksichtigten nun die Daten bis 2009), welche fast dieselben Resultate lieferte wie die ursprüngliche Studie. Dies legt zukünftigen Ruheständlern zwei Dinge nahe: Erstens, dass sie mit Vorteil ein so grosses Ruhestandsvermögen aufbauen, dass ihnen 4% jährlich zum Leben reichen. Und zweitens, dass sie dieses Vermögen zu 50% in Aktien und zu 50% in Obligationen anlegen sollten. «Das ist keine gute Idee», sagt jedoch der Universitätsprofessor und Experte für Ruhestandseinkommen Wade Pfau. Zusammen mit zwei Kollegen veröffentlichte Pfau im Jahr 2013 ein Forschungspapier, in dem er zum Schluss kommt, dass die 4%-Regel keineswegs so gute Resultate liefere, wie es die Trinity-Studie nahelege. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Vermögen vorzeitig aufgebraucht werde, liege weit höher. Dafür seien insbesondere drei Faktoren massgeblich: Die Trinity-Studie berücksichtige keinerlei Kosten und Gebühren. Ausserdem habe sich die 4%-Regel in den meisten anderen Industrieländern nicht annähernd so gut bewährt wie in den USA. Und die Zinsen seien heute viel tiefer als früher, Obliga-
tionen könnten daher nicht mehr genug Ertrag beisteuern. Ist damit die 4%-Regel als Richtschnur aus dem Rennen? Die kurze Antwort: Nein. Die lange Antwort hat mit Javier Estrada zu tun, Universitätsprofessor an der Elite-Universität IESE und Experte für Entnahmestrategien. In seinem Forschungspapier «Toward Determining the Optimal Investment Strategy for Retirement» von 2018 widmet auch er sich der 4%-Regel. Estrada stützt sich auf Daten, die den Zeitraum zwischen 1900 und 2014 ab decken, nicht nur für die USA, sondern für 21 Länder. Ausserdem verwendet Estrada einen eigens entwickelten Massstab, um die Qualität einer Strategie zu messen. Die normalerweise in Studien verwendete Metrik ist die Ausfallrate. Diese misst, wie häufig eine Strategie einen Auszahlungsplan über die betrachtete Periode nicht aufrechterhalten konnte. Wer dieses Mass heranzieht, nimmt allerdings zwei Mängel in Kauf. Erstens wird ein Aufbrauch des Vermögens, welcher zu Beginn des Ruhestands auftritt, nicht von einem Aufbrauch unterschieden, der erst gegen Ende des Ruhestands auftritt. Und zweitens werden die Überschüsse nicht berücksichtigt, welche als Vermächtnis hinterlassen werden könnten. Estrada korrigiert diese Mängel, indem er beide Faktoren in seiner eigenen Metrik, der Coverage Ratio, berücksichtigt. Die Frage, die der Forscher beantworten möchte, ist folgende: Angenommen, ein Investor möchte seinem Portfolio 30 Jahre lang den Betrag von inflationsadjustierten 4% entnehmen. Welches ist die optimale Allokation zwischen Aktien und Obligationen? Die Antwort fällt für unterschiedliche Märkte (Länder) unterschiedlich aus. In den meisten Ländern ist es laut Studie für einen so langen Anlagehorizont optimal, 100% seines Portfolios in Aktien zu halten, so etwa in Deutschland. In der Schweiz liegt der Anteil tiefer, bei 70%
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Wer im Alter richtig anlegt, kann jährlich einen Teil seines Vermögens abheben, ohne dieses aufzubrauchen.
Aktien. Auch das ist weit höher, als es die Regel «100 minus Alter» empfiehlt. Eine zweite Frage, welche Estrada beantwortet (in einem anderen Forschungspapier), dreht sich darum, was ein Investor tun soll, wenn sich Probleme bei der Entnahmestrategie zeigen. Ruheständler sind beispielsweise mit dem «sequence of returns»-Risiko konfrontiert. Das bedeutet, dass ein Vermögensrückgang, etwa durch einen Kurssturz bei Aktien, am Anfang der Entnahmeperiode schwerer wiegt als an deren Ende. Wenn die Renditen eines Portfolios von den im Plan erwarteten Renditen abweichen, was sollte ein Investor tun? Sollte er sich an seinen Plan halten? Und wenn er seinen Plan anpassen muss, ist es vorteilhafter, die Aufteilung zwischen Aktien und Obligationen zu ändern oder die Summe, die dem Portfolio entnommen wird? Estradas Arbeit zeigt, dass Investoren unbedingt handeln sollten,
wenn sich zwischen Realität und Plan grössere Abweichungen ergeben. Dabei ist die vorteilhafteste Strategie, die Entnahmesumme zu verringern, bis Plan und Realität wieder übereinstimmen.
Rat bei Experten einholen Investoren können aus diesen Ausführungen drei Schlüsse ziehen: Erstens weist das optimale Portfolio für den Ruhestand normalerweise einen deutlich grösseren Aktienanteil aus, als es viele Investoren vermuten (insbesondere, wenn der angepeilte Zeithorizont 30 Jahre beträgt). Zweitens ist die Faustregel «Aktienanteil gleich 100 minus Alter» kein guter Rat, die 4%Regel dagegen im Allgemeinen schon. Besonders risikoaverse Investoren können daraus ausserdem leicht die 3%-Regel machen. Und wenn sich, drittens, reale und geplante Renditen stark unterscheiden, müssen Anleger unbedingt reagieren, und
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zwar, indem sie die Entnahmesumme reduzieren, bis der ursprüngliche Plan wieder mit der Realität übereinstimmt. Aber noch etwas sollten Anleger unbedingt bedenken. Es gibt kaum Investmententscheidungen, die so wichtig sind wie diejenigen, welche die Pensionierung und den Ruhestand betreffen. Diese Entscheidungen haben Einfluss darauf, ob man den letzten Abschnitt der eigenen Lebenszeit in einer zufriedenstellenden finanziellen Position verbringen kann oder nicht. Deshalb dürfen eigentlich keine Fehler passieren. Es ist deshalb gut investiertes Geld, wenn Anleger sich für die Ruhestandsplanung den Rat eines sachkundigen Experten holen.
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20 FINANZEN IN DER DRITTEN LEBENSPHASE
Den Lebensabend in Bali oder Berlin verbringen Wer im Ruhestand auswandern will, sollte sich gut vorbereiten – Deutschland ist das neue Sehnsuchtsziel der hiesigen Pensionäre
Zwar hat der Franken im Ausland einen hohen Wert, doch man darf trotzdem nicht unvorsichtig kalkulieren.
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Meer und Strand, ein spannendes Grossstadtleben, ein günstiger Lebensunterhalt oder eine entspannte Lebenshaltung verleiten viele Schweizer dazu, nach der Pensionierung auszuwandern. Damit der dritte Lebensabschnitt in einem anderen
Land so verläuft wie erträumt, braucht es eine umfangreiche Vorbereitung. Das Land, in dem man künftig leben möchte, sollten Auswanderer mehrmals besuchen. Denn ein Langzeitaufenthalt ist etwas komplett anderes, als dort Ferien zu verbringen. Wertvolle Informationen erhält man, wenn man sich vor Ort mit anderen
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Auswanderern austauscht. Die Ausreisewilligen sollten ein Budget für die Lebenshaltungskosten im Zielland erstellen.
Viele verrechnen sich Die hohe Kaufkraft des Frankens und die tiefen Lebenshaltungskosten sind ein
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wichtiges Argument fürs Auswandern. Schweizer verrechnen sich jedoch beim Umzug in Länder mit schwachen Währungen oft – denn der eigene Warenkorb wird anspruchsvoller zu bestücken sein als jener der Einheimischen. «Nach wie vor berate ich Kunden, die nach Thailand oder Südafrika auswandern wollen, doch jüngst stand vor allem Deutschland im Fokus», sagt Rainer Lentes von Academix Consult. Das Unternehmen bietet Finanzplanung für Akademiker und speziell für Ärzte an. Die Affinität zum nördlichen Nachbarland rührt daher, dass viele deutsche Mediziner in den vergangenen Jahren – vor allem zwischen 2004 und 2008 – in die Schweiz gekommen sind und sich nun Gedanken über die Rückkehr in die Heimat machen. «Aber auch zahlreiche Schweizer, vor allem aus Grenzregionen, wollen die tiefen Lebenshaltungskosten hinter der Grenze nutzen», sagt Lentes. Immer mehr Pensionäre wollten auch das «golden aging» in spannenden Grossstädten wie Berlin erleben, später aber zurückkehren. «Seit einigen Jahren steht Deutschland ganz oben bei den Destinationen – auch weil sich das Land für Bezüger von Schweizer Renten und Vorsorgekapital zu einem Steuerparadies entwickelt hat», sagt auch Martin Kaufmann von Emigration now. Das Unternehmen berät seit 23 Jahren auswanderungswillige Schweizer. Rund die Hälfte der Kundschaft sind Frührentner, die mit einer Emigration liebäugeln. Renten aus der zweiten Säule, die auf dem Überobligatorium basieren, bleiben in Deutschland weitgehend unbesteuert, Kapitalbezüge können unter Umständen (bei erstmaligem Pensionskassenanschluss vor 2005) steuerfrei erfolgen. Ein Ruhestandseinkommen von 4000 bis 5000 Franken, das sich für die Schweiz eher bescheiden ausnimmt, erlaubt im Nachbarland ein komfortables Leben. Die steuerlichen Rahmenbedingungen sind ein entscheidender Faktor. Gerade die Nachbarländer der Schweiz haben den steuerlichen Rahmen für Bezüge aus Schweizer Vorsorgeeinrichtungen während der vergangenen Jahre laufend geändert. Auf Bezügen von Vorsorgevermögen wird in der Schweiz eine Quellensteuer erhoben, wenn der Bezüger im Ausland lebt.
Teilweise rückforderbar Die Schweizer Quellensteuer kann in der Regel innert drei Jahren bei Wohnsitz in einem Land, das mit der Schweiz ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) führt, zurückgefordert werden. Nur wenige DBA (etwa mit Grossbritannien, Austra-
lien) verunmöglichen dies, auch ist eine Rückforderung ausgeschlossen, wenn der letzte Arbeitgeber eine öffentlichrechtliche Entität war. Zur Rückerstattung muss der Antragsteller nachweisen, dass die ausländischen Steuerbehörden von der Kapitalauszahlung Kenntnis genommen haben. Ohne Abkommen verbleibt die Quellensteuer definitiv, und zuweilen kann es gar zu Doppelbesteuerung kommen. Die Höhe der in der Schweiz fälligen Quellensteuer unterscheidet sich von Kanton zu Kanton. Ausschlaggebend für den Steuersatz ist dabei der Sitz der Vorsorgeeinrichtung und nicht der ehemalige Wohnsitz des Bezügers. «Ein Verschieben von Vorsorgegeldern in den Kanton Schwyz zur Steuerreduktion ist also nur sinnvoll, wenn man in ein Land auswandert, das kein DBA mit der Schweiz unterhält oder die Bezüge nicht besteuert», sagt Kaufmann. Wichtig ist daher die Kenntnis darüber, wie das Zielland Kapitalauszahlungen steuerlich behandelt. Der Transfer der PK-Gelder nach Schwyz – für kleinere Vermögen ist Genf der günstigste Standort – lasse sich für unter 58-Jährige durch die Einzahlung in eine Freizügigkeitsstiftung realisieren, für Ältere mit einem neuen Arbeitsvertrag.
Das Geld bleibt in der Schweiz Die AHV-Rente kann sich ein Auswanderer in jedes Land überweisen lassen, allerdings in der Währung des neuen Wohnsitzlandes. Eine Variante ist, dass man das Konto in der Schweiz behält und sich die Rente darauf in Franken auszahlen lässt. Bei einigen PK ist eine Überweisung nur auf ein Konto in der Schweiz möglich. «Die Sicherheit des hiesigen Finanzplatzes spricht dafür, das Vermögen in der Schweiz zu belassen», sagt Kaufmann. Er empfiehlt eine breite Diversifikation und rät, einen beachtlichen Teil des Geldes in der Währung der neuen Heimat anzulegen. Für den Entscheid Kapitalbezug oder Rente müssen gemäss Lentes neben den Schweiz-spezifischen Faktoren auch jene des neuen Wohnsitzes berücksichtigt werden. In Deutschland spricht gegen einen Kapitalbezug, dass Kursgewinne nicht steuerfrei sind und Dividenden höher besteuert werden. Renten aus dem PK-Überobligatorium werden in Deutschland zum sogenannten Ertragssatz besteuert. Dieser ist altersabhängig (je älter, je tiefer) und beträgt zum Beispiel 18%. Das heisst, 18% fallen in die steuerliche Bemessungsgrundlage (Schweiz: 100%), 82% bleiben steuerfrei. Die effektive Steuerbelastung ist aber von der Höhe der Rente und aller übrigen steuerbaren Einkommen abhängig.
Falls man sich die Option der Rückkehr als Betagte offenhalten will, kann es sinnvoll sein, sich provisorisch in einem Altersund Pflegeheim in der Schweiz anzumelden. «Die Abklärung, wie Kranken- und Pflegeversicherung geregelt werden, nimmt nach meiner Erfahrung am meisten Zeit in Anspruch», sagt Lentes. Dabei gehe es zum Beispiel auch um die Frage, ob eine im Ausland versicherte Frau noch zu ihrer bevorzugten Gynäkologin in die Schweiz könne. Rentner, die in ein EU-Land auswandern und ihre Rente ausschliesslich aus der Schweiz erhalten, müssen sich in der Regel bei einer Schweizer Krankenkasse versichern. Für einige Länder, zum Beispiel Deutschland, Frankreich oder Spanien, haben die Auswanderer die Wahl, ob sie sich dort oder in der Schweiz versichern lassen. Erhalten Auswanderer neben Schweizer Renten dagegen auch eine Rente im neuen Land, müssen sie dort eine Krankenversicherung abschliessen.
Knackpunkt Krankenkasse «Für eine eventuelle Rückkehr in die Schweiz ist die Krankenkasse ein wichtiger Aspekt», sagt Kaufmann. In private oder halbprivate Lösungen werde man schon ab mittlerem Alter wahrscheinlich nicht mehr aufgenommen. Hier könne eine Sistierung oder ein internationales Produkt die Lösung sein. Diese seien aber «teuer bis sehr teuer». Ein schwieriger Faktor ist die Erbschaftsplanung. Ausländische Erbschaftssteuern können die finanzielle Optimierung einer Auswanderung schnell zunichtemachen. «Das ist meistens eine grosse Crux, kein Land kennt eine so grosszügige Vererbung ohne Besteuerung im ersten Verwandtschaftsgrad wie die Schweiz», sagt Lentes. Darum sei es oft angezeigt, bereits vor dem Wegzug Erbvorbezüge, Schenkungen und die Übertragung von Wohneigentum vorzunehmen. Das Testament kann nach Schweizer Recht aufgesetzt werden, die Besteuerung erfolgt jedoch nach den Gesetzen des Wohnlandes. In bestimmten Fällen könne es selbst drei Jahre nach einer Rückkehr aus Deutschland noch sein, dass Erbschaftssteuern in Deutschland fällig würden.
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22 FINANZEN IN DER DRITTEN LEBENSPHASE
Pensionierte müssen das Eigenheim zu oft aufgeben Im Alter ist die Tragbarkeit der Hypothek eine hohe Hürde – wer weiss, wie die Anbieter ticken, hat bessere Chancen, sie zu überspringen MICHAEL SCHÄFER
Das Coronavirus macht sich je länger, je mehr auch am Schweizer Markt für Eigenheime bemerkbar. Noch wenig spürt man das bei den Preisen, die in der Regel mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung publik werden. So schreibt die UBS in einer vor wenigen Tagen veröffentlichten Studie: «Der Corona-Effekt dürfte erst im laufenden Quartal sichtbar werden.» In den ersten drei Monaten des Jahres haben sich Eigenheime schweizweit laut der Grossbank um durchschnittlich 1% verteuert. Dabei handle es sich um den stärksten Anstieg seit 2014, heisst es dort weiter.
Notgroschen reicht nicht weit Keine Prognose wagt die UBS bezüglich der Entwicklung der Preise in der nahen Zukunft. Sowohl Verkäufer als auch Käufer agierten angesichts der Pandemie vorsichtiger, was die Preisfindung erschwere. Der Einfluss auf die Preisentwicklung sei deshalb nicht eindeutig. Zu erwarten sei dagegen ein Rückgang der Transaktionen. Dass es zu einem solchen kommen wird, liegt aber nicht nur an den gegenwärtigen Einschränkungen, die einen Immobilienkauf verkomplizieren. Eine Umfrage des Hypothekenvermittlers Moneypark hat jüngst ergeben, dass viele Schweizer und Schweizerinnen ihren Wunsch nach Wohneigentum derzeit zurückstellen. Nur noch 57% der befragten Mieter gaben dabei an, am Kauf eines Eigenheims interessiert zu sein. Kurz vor dem Ausbruch der Coronavirus-Krise hatte der Anteil noch bei 70% gelegen. Ein wesentlicher Grund für den Sinneswandel dürfte in der Sorge hinsichtlich finanzieller Einbussen liegen, die etwa durch Kurzarbeit über einen längeren Zeitraum oder gar den Verlust der Arbeitsstelle drohen. Dabei ist es hierzulande schon seit Jahren deutlich günstiger, in den eigenen vier Wänden zu wohnen, als ein vergleichbares Objekt zu mieten. Dennoch ist die Reaktion verständlich, denn der mo-
natlichen Ersparnis steht der Umstand entgegen, dass Käufer von Wohneigentum in der Regel den grössten Teil ihres Ersparten als Eigenkapital einsetzen müssen. Der Notgroschen reicht dann nicht mehr weit. Verzichten zahlreiche Haushalte dieser Tage freiwillig auf den Erwerb eines Eigenheims, müssen immer wieder andere das ihrige nach vielen Jahren unfreiwillig aufgeben. Betroffen sind vor allem ältere Immobilienbesitzer, die in Rente gehen. Die Anbieter achten nämlich nicht nur bei der Vergabe einer Hypothek darauf, dass gewisse Bedingungen erfüllt sind, sondern auch später, etwa wenn eine Verlängerung ansteht. Eine grosse Hürde stellt im Pensionsalter vor allem die Tragbarkeitsregel dar. Sie fordert, dass die Belastung durch eine Immobilie maximal einen Drittel des Haushaltseinkommens ausmacht. In die Rechnung fliessen neben den Hypothekarzinsen auch Amortisationszahlungen und Aufwendungen für den Unterhalt des Objekts ein. Unabhängig vom tatsächlichen Zinsniveau veranschlagen die Hypothekargeber hier in der Regel Zinsen von 4,5 bis 5,5%. Zwar ist man von solchen Sätzen derzeit meilenweit entfernt, denn sogar zehnjährige Hypotheken erhält man vielerorts für weniger als 1%. Kreditnehmer sollen die Hypothek aber auch dann tragen können, wenn die Zinsen deutlich steigen, so die Überlegung hinter der Regel. Und diese Vorschrift gilt selbst dann, wenn es sich um eine Festhypothek mit einer längeren Laufzeit handelt und steigende Zinsen noch für etliche Jahre keine Folgen für den Kreditnehmer haben. Nicht relevant sind für Kunden im dritten Lebensabschnitt dagegen Amortisationszahlungen, da die Hypothek bis zur Pensionierung auf zwei Drittel des Immobilienwerts zurückgeführt sein muss. Was den Unterhalt angeht, setzen die Kreditgeber dafür in der Regel 1% des Immobilienwerts pro Jahr an. Was heisst das nun konkret? Wer beispielsweise vor der Pensionierung ein Einfamilienhaus mit einem
Wert von 1 Million Franken kauft, kann dafür üblicherweise eine Hypothek bis zu 800 000 Franken aufnehmen. Um kalkulatorische Zinsen von 4,5%, die nötige Amortisation und die Unterhaltskosten tragen zu können, die sich auf 56 000 Franken jährlich summieren, muss ein Haushalt über ein Einkommen von 168 000 Franken verfügen.
Eingesparte Zinsen anlegen Wurde die Hypothek bis zur Pensionierung auf 650 000 Franken reduziert und ist die Liegenschaft immer noch 1 Million Franken wert, belaufen sich die kalkulatorischen Kosten bei einem angenommenen Zins von unverändert 4,5% auf insgesamt 39 250 Franken Dies bedeutet, dass der Haushalt in der Rente auf ein Einkommen von 117 750 Franken kommen muss. Eigenheimbesitzer, bei denen es hinsichtlich der Tragbarkeitsregel knapp werde, hätten grundsätzlich zwei Alternativen, sagt Florian Schubiger von hypotheke.ch. Die erste Möglichkeit besteht darin, die Hypothek bis zur Pensionierung auf die Summe zu amortisieren, die mit dem zu erwartenden Renteneinkommen tragbar sein wird. Im obigen Beispiel reduziert sich das erforderliche Einkommen auf 97 500 Franken, wenn die Hypothek nur noch 500 000 Franken beträgt. Bei einer auf 350 000 Franken amortisierten Hypothek würde das nötige Einkommen nur noch bei 77 250 Franken liegen. Allerdings kann es auch nachteilig sein, wenn man die Hypothek zu stark zurückführt. Manche Banken sind, gelinde gesagt, bei älteren Kunden sehr zurückhaltend, wenn es um die Vergabe von Hypotheken oder deren Aufstockung geht. Verfügt man dann über zu wenig Liquidität, kann eine notwendige Sanierung oder eine andere grössere Ausgabe scheitern. Die zweite Möglichkeit besteht darin, die Hypothek nur auf den geforderten Belehnungswert von zwei Dritteln zu amortisieren. Statt sie weiter zu reduzieren, legt man die Summen zur Seite, die man spart,
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Wer das Pensionsalter im eigenen Haus verbringen möchte, sollte rechtzeitig vorsorgen.
weil der tatsächliche Hypothekarzins unter dem kalkulatorischen liegt. Fordert der Hypothekargeber zum Zeitpunkt der Pensionierung eine Reduktion der Kreditsumme, kann man die aus den angesparten liquiden Mitteln bewerkstelligen. Beide Wege sind mit Vor- und Nachteilen verbunden, die es im Einzelfall abzuwägen gilt. Wer seine Hypothek amortisiert, senkt nicht nur die tatsächlichen Zinskosten sowie das erforderliche Einkommen im Rahmen der Tragbarkeitsregel. «So mancher Kreditgeber honoriert das für ihn verkleinerte Kreditrisiko, indem er vom Kunden einen niedrigeren Zins fordert», sagt Schubiger. Allerdings gewährten etliche Anbieter diesen Bonus erst, wenn man sie darauf anspreche. Dafür kann man die nicht mehr anfallenden Hypothekarzinsen auch nicht mehr steuerlich abziehen.
Unterschiedliche Ansätze Legt man das angesparte Kapital nicht nur zur Seite, sondern auch in Wertpapieren an, kann es mit der Zeit eine Rendite erwirtschaften, durch die der Liquiditätsspielraum nochmals vergrössert wird. Oft sei es dann gar nicht nötig, das Vermögen zu verwenden, um die Hypothek auf die Pensionierung hin zu reduzieren, erklärt Schubiger. Die meisten Kreditgeber errechneten aus dem liquiden Vermögen eine fiktive Rente. Auch hier gebe es massgebliche Unterschiede in der Herangehensweise der Anbieter. Einige von ihnen zögen einen gewissen Sockelbetrag vom Vermögen ab, der nicht berücksichtigt werde, sagt Schubiger. Dieser variiere zwischen 20 000 Franken und 350 000 Franken Schliesslich variierten die Umwandlungssätze teilweise
ILLUSTRATION ALEXANDER GLANDIEN
erheblich, anhand deren aus dem verbleibenden Betrag die fiktive Rente berechnet werde. Bei einem Vermögen von 400 000 Franken ergibt ein Umwandlungssatz von 5% eine Rente von 20 000 Franken, ein solcher von 3% nur eine von 12 000 Franken. Um die bestmögliche Lösung anpeilen zu können, sei es ratsam, frühzeitig auf den Hypothekargeber zuzugehen und die Alternativen auszuloten. Zwar suchen auch die Anbieter das Gespräch mit den Kunden. Manche tun das aber erst, wenn diese 55 Jahre alt sind. Will man mit 60 Jahren in Pension gehen, bleibt nur noch wenig Zeit, um auf das Ziel hinzuarbeiten.
www.nzz.ch/ld.1556054
24 FINANZEN IN DER DRITTEN LEBENSPHASE
Was bei einer Spätpensionierung zu beachten ist Weiterarbeiten über das Pensionierungsalter hinaus kann steuerliche Tücken haben
Nicht in jedem Fall lohnt es sich finanziell, seine goldenen Jahre hinter dem Bürotisch zu verbringen.
MICHAEL FERBER
Die meisten Arbeitnehmer freuen sich darauf, in Rente zu gehen. Es gibt aber auch solche, die sich bei der Pensionierung noch nicht reif für den Ruhestand fühlen und zumindest in Teilzeit weiterarbeiten möchten. Andere wollen weiterarbeiten, um ihren Lebensstandard aufrechtzuerhalten. Das Bun-
desamt für Sozialversicherungen (BSV) schätzte in einer Analyse im Jahr 2014, dass rund ein Drittel der Erwerbstätigen nach dem Erreichen des gesetzlichen Rentenalters weiterarbeitet – davon drei Viertel als Selbständigerwerbende und viele in Teilzeit oder in spezifischen Funktionen. Das ordentliche Rentenalter liegt bei 64 Jahren für Frauen und 65 Jahren für Männer.
ILLUSTRATION JOCHEN SCHIEVINK
Welche Folgen hat die Krise? Wie eine Studie des Finanzdienstleisters VZ Vermögenszentrum aus dem vergangenen Jahr zeigt, sind aufgrund des drohenden Fachkräftemangels viele Firmen bestrebt, Mitarbeiter länger im Arbeitsprozess zu halten. Ob die Corona-Krise hierauf Auswirkungen haben werde, lasse
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sich derzeit noch nicht sagen, erklärt Karl Flubacher vom VZ Vermögenszentrum. Die Spitzen einiger Unternehmen dürften aber sicherlich über Frühpensionierungen von Mitarbeitenden nachdenken, um Kosten zu sparen. Gemäss einer neuen Studie der Hochschule ZHAW hält etwa ein Fünftel der befragten KMU aufgrund der Corona-Situation Entlassungen in den kommenden 12 Monaten für wahrscheinlich, jedes siebte KMU sogar für sehr wahrscheinlich. Vor diesem Hintergrund stelle sich für viele Arbeitnehmende die Frage, ob sie überhaupt länger arbeiten könnten. «Der Fachkräftemangel wird davon abhängen, wie sich die Wirtschaft weiterentwickelt», sagt Andreas Habegger, Leiter Finanzplanung und Vorsorge bei der Zürcher Kantonalbank (ZKB). In seiner Beratungspraxis beobachte er, dass es vermehrt Personen gebe, die länger im Arbeitsprozess bleiben wollten – verstärkt auch kombiniert mit der Möglichkeit einer Teilpensionierung. So reduzierten beispielsweise manche Arbeitnehmer mit 63 Jahren ihr Pensum, arbeiteten dafür aber über das ordentliche Rentenalter hinaus. Die VZ-Umfrage bei grossen Arbeitgebern in der Schweiz im vergangenen Jahr hat ergeben, dass Angestellte in den meisten der befragten Unternehmen über das ordentliche Rentenalter hinaus arbeiten konnten. 61% der Arbeitgeber gaben an, es bestehe ein Interesse, Angestellte länger im Arbeitsprozess zu halten. Einige haben dazu spezielle Mitarbeiterprogramme eingeführt, unter anderem die SBB, Swiss Life oder Novartis. Damit sich das Weiterarbeiten nach der Pensionierung für Arbeitnehmer aber überhaupt lohnt, sind gewisse Dinge zu beachten.
Aufschub der AHV prüfen Beim Erreichen des gesetzlichen Rentenalters stellt sich Erwerbstätigen, die weiterarbeiten wollen, die Frage, ob sie sich pensionieren lassen sollen oder nicht. Im ersteren Fall würden sie die Renten bzw. das Kapital aus ihrer Altersvorsorge ausgezahlt erhalten, im letzteren Fall nicht. «Wenn man das AHV-Alter erreicht und die AHV-Rente eigentlich nicht braucht, sollte man sie aufschieben», sagt Flubacher. «Sonst läuft man Gefahr, unnötig Steuern zu bezahlen.» Wer nach dem Erreichen des Rentenalters weiterarbeitet und gleichzeitig eine AHV-Rente bezieht, droht in eine höhere Steuerklasse zu kommen. Eine genaue Planung des Weiterarbeitens nach der Pensionierung ist also wichtig. Der Aufschub der AHV muss min-
destens ein Jahr und kann bis zu fünf Jahre betragen. Er hat den Vorteil, dass dadurch die AHV-Rente steigt. Bei einem Aufschub von einem Jahr steigt die AHVRente um 5,2%, bei einem solchen um fünf Jahre sogar um 31,5%. Wer sich entscheidet, die AHV-Rente aufzuschieben, muss die entsprechende AHV-Zweigstelle informieren. Die Frist hierfür beträgt maximal ein Jahr nach Erreichen des ordentlichen Rentenalters. Dabei muss man sich nicht auf eine feste Aufschubdauer festlegen, was ein grosser Vorteil ist. Wer im Rentenalter weiterarbeitet, muss auch weiter Beiträge an die AHV, die Invalidenversicherung (IV) und die Erwerbsersatzordnung (EO) bezahlen. Flubacher kennt aus seiner Beratungspraxis Architekten, Ärzte oder Rechtsanwälte, die sogar im Alter von mehr als 70 Jahren weiterarbeiten. «Die Vorsorge ist dann beendet. Solche Erwerbstätigen müssen aber AHV-Beiträge bezahlen, die für sie dann nicht mehr rentenbildend wirken», sagt er. Für sie gilt allerdings ein Freibetrag von 1400 Franken monatlich bzw. 16 800 Franken im Jahr.
Berufliche Vorsorge fortführen Auch bei der Pensionskasse gilt es, sich zu informieren, wenn man nach Erreichen des Rentenalters weiterarbeiten will. «Oftmals besteht die Möglichkeit, länger in der Pensionskasse zu bleiben», sagt Habegger. Bei vielen Kassen ist es möglich, die berufliche Vorsorge über das ordentliche Rentenalter hinaus fortzuführen. «Bei vielen Kassen wurden die Reglemente diesbezüglich in den letzten Jahren recht flexibel ausgestaltet.» Die grösste Hürde sei im Allgemeinen nicht das Pensionskassenreglement, sondern wie sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber in Bezug auf die Weiterbeschäftigung einigen. In einem zweiten Schritt ist dann zu prüfen, was die Pensionskasse in ihrem Reglement vorsieht, dazu sollte die Kasse kontaktiert werden. «Es gibt auch Vorsorgeeinrichtungen, bei denen man die Rente bzw. das Kapital aus der beruflichen Vorsorge beziehen muss, wenn man das reglementarisch definierte Rentenalter erreicht», sagt Habegger. Ein späterer Bezug der Pensionskassenleistungen hat den Vorteil, dass sich das Vorsorgeguthaben vergrössert, und zumeist steigt auch der Umwandlungssatz. Dies ist der Satz, mit dem das angesparte Kapital in eine jährliche Rente umgerechnet wird. Beträgt er beispielsweise 5% und das Vorsorgeguthaben 500 000 Franken, so erhält der entsprechende Versicherte eine jährliche Rente von 25 000 Franken aus der Pensionskasse. Allerdings könnten der-
zeit noch einige Vorsorgeeinrichtungen davorstehen, die Umwandlungssätze aufgrund der ultraniedrigen Zinsen zu reduzieren. Drohen hier starke Senkungen, wird das Weiterarbeiten dementsprechend weniger attraktiv. Habegger weist darauf hin, dass Pensionskassenreglemente eine gewisse Vorlaufzeit haben: «Folglich kann man im Allgemeinen recht genau ausrechnen, ob sich das Weiterarbeiten finanziell lohnt.» Eine genaue, individuelle Planung sei sehr wichtig. Laut Habegger haben Versicherte, die sich im Alter weiterbeschäftigen lassen, bei manchen Pensionskassen auch die Möglichkeit, weiter freiwillige Einkäufe vorzunehmen. Allerdings muss die entsprechende Vorsorgelücke bereits vor dem reglementarischen Rentenalter bestanden haben.
Die Säule 3a kann wachsen Personen, die über das Rentenalter hinaus erwerbstätig sind, dürfen auch den Bezug der Altersleistung aus der Säule 3a um bis zu fünf Jahre hinausschieben – bis die Erwerbstätigkeit aufgegeben wird. Dies hat der Bundesrat 2007 beschlossen. Solche Personen können auch weiterhin steuerbegünstigt in die Säule 3a einzahlen. Männer können bis zum Alter von 70 Jahren, Frauen bis zum Alter von 69 Jahren die Säule 3a alimentieren, wenn sie nach dem Erreichen des Rentenalters weiterhin berufstätig sind. Bei Personen, die einer Pensionskasse angeschlossen sind, beträgt der Maximalbetrag 6826 Franken pro Jahr. Selbständige dürfen bis zu 20% ihres jährlichen Nettoeinkommens in die Säule 3a einzahlen, die Höchstsumme liegt bei 34 128 Franken Dies sind beispielsweise Personen, die nach dem Erreichen des Rentenalters als Berater tätig sind. Habegger weist hier indessen darauf hin, dass man in diesem Fall von der AHV als Selbständigerwerbender anerkannt sein muss. «Hat man nur einen Kunden, etwa den ehemaligen Arbeitgeber, dann ist die Bedingung im Allgemeinen nicht erfüllt. Es braucht mehrere.»
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26 FINANZEN IN DER DRITTEN LEBENSPHASE
Teurer Rosenkrieg im Ruhestand Scheidungen nach der Pensionierung kommen immer häufiger vor – die finanziellen Folgen dürfen nicht unterschätzt werden ANNE-BARBARA LUFT
Ein zweiter Frühling nach der Pensionierung – viele Ehepaare träumen davon. Endlich hat man mehr Zeit zu zweit, für Reisen, die Hobbys oder die Enkel. Eine verstaubte Ehe kann dann wieder zu neuem Leben erwachen. Nicht selten tritt aber das Gegenteil ein: Der Partner, den man sonst nur am Abend und am Wochenende gesehen hat, ist nun jeden Tag 24 Stunden anwesend. Für einige Beziehungen ist das mehr Nähe, als man vertragen mag. Kommen dazu noch gegensätzliche Vorstellungen davon, wie der Ruhestand gestaltet werden soll, ist eine Trennung manchmal die einzig sinnvolle Lösung. Die finanziellen Folgen einer Scheidung im Pensionsalter sind hingegen weitreichend und können im schlechtesten Fall in die Armut führen.
Gesellschaftliche Akzeptanz Scheidungen nach der Silberhochzeit sind keine Seltenheit mehr. Mehr als 700 Ehen, bei denen beide Partner ihren 60. Geburtstag bereits hinter sich hatten, wurden 2018 geschieden. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Einer davon ist die gesellschaftliche Akzeptanz – eine ältere Dame braucht heute keinen Ehemann an ihrer Seite, um ein gutes Ansehen zu haben. Daher schrecken weniger Frauen vor einer Scheidung zurück als noch in der Generation zuvor. Weitere Aspekte sind die längere Lebenserwartung und die höhere Lebensqualität im Alter. Für einen Neustart ist es heute auch nach der Pensionierung nicht zu spät. Scheidungswillige Senioren sollten sich aber über die materiellen Auswirkungen eines solchen Schritts im Klaren sein. Die Rente wird bei einer Scheidung wie Einkommen behandelt. Das betrifft sowohl die AHV als auch die Rente aus der zweiten Säule. Derjenige Ehepartner, der mehr verdient, muss einen Teil an den Partner mit geringerem Einkommen abgeben. Wenn ein Partner zudem noch über Vermögen verfügt, kann auch dieses wäh-
rend der Trennung – also vor der rechtskräftigen Scheidung – zur Zahlung von Unterhalt verwendet werden. Das könne in einigen Fällen ein grosses Problem darstellen, sagt Susanne Crameri, Fachanwältin für Familienrecht, wenn das Vermögen nämlich die eiserne Reserve sei, die beispielsweise für die hohen Kosten eines Pflegeheims oder Ähnliches zurückgelegt worden sei. Die BVG-Rente wird bei einer Scheidung nach der Pensionierung ebenfalls geteilt – allerdings nicht generell hälftig. Das Gericht berücksichtigt bei der Aufteilung unter anderem die Dauer der Ehe und den Bedarf. Wenn diese Zahlungen für das Führen zweier Haushalte nicht ausreichen, können Ergänzungsleistungen beantragt werden.
Für eine zerbrochene Ehe gibt es, anders als für Tod oder Invalidität, kein StandardVersicherungsprodukt.
Immobilie als Streitobjekt In vielen Fällen ist das Eigenheim der grösste – manchmal sogar der einzige – Vermögenswert im Alter. Doch eine Immobilie lässt sich nicht problemlos liquidieren, vor allem dann nicht, wenn einer der Partner noch darin wohnt. Das gemeinsame Eigenheim ist daher stets einer der grössten Streitpunkte bei einer Scheidung – egal, in welchem Alter. Im Pensionsalter ist ein Streit um die Liegenschaft aber besonders dramatisch. Wenn ein Ehepartner der Alleineigentümer ist, darf dieser dort weiterhin wohnen, der andere muss ausziehen. Ob es eine Ausgleichszahlung gibt, hängt davon ab, wie die Liegenschaft finanziert wurde, und ist Teil des Güterrechts.
Komplizierter ist die Lage, wenn beide Ehepartner Miteigentümer sind und beide zum Erwerb beigetragen haben. Derjenige Partner, der auszieht, hat Anspruch auf eine Kompensation – in der Regel die Hälfte des Verkehrswerts. «Das sind die schlimmsten Fälle», sagt die Familienrechtsexpertin Crameri, «weil sich ein Partner diese Zahlung oft gar nicht leisten kann.» Die einzige Lösung sei daher der Verkauf der Liegenschaft. Beide Partner müssten sich dann eine eigene Wohnung suchen, was häufig zu höheren Fixkosten führe. Die höheren Ausgaben, die zwei Haushalte verursachen, werden durch die Anpassung der Rente berücksichtigt. Für ein Ehepaar dürfen die Altersrenten zusammen höchstens 150% der Maximalrente (2370 Franken) betragen, insgesamt also 3555 Franken Wenn Altersrenten höher liegen, werden diese anteilsmässig gekürzt, also plafoniert. Sobald die Scheidung rechtskräftig ist, entfällt in aller Regel die Plafonierung. Die geschiedenen Partner erhalten dann jeweils die volle AHVRente, die höher ist als die Ehegattenrente. In der Praxis komme es aber vor, dass geschiedene oder gerichtlich getrennte Partner erst verspätet und nur mit Nachweis unterschiedlicher Wohnsitze als Einzelrentner behandelt würden und erst dann die volle Rente erhielten, sagt Reto Spring, Präsident des Finanzplaner-Verbandes Schweiz. Während geschiedene Partner, die sich noch im Berufsleben befinden, ihre Vorsorgepläne neu ausrichten und eventuell neue Einkommensquellen finden können, ist das im Rentenalter nur schwer möglich. Eine Standortbestimmung ist aber auch bei einer Scheidung nach der Pensionierung wichtig. Vor allem eine Aufstellung über die Fixkosten wie Mieten, die bei der Gründung eines neuen Haushalts anfallen, ist nötig. Welche Einnahmen gibt es? Kann man Vermögenswerte liquidieren? Eine Scheidung vor der Pensionierung ist in vielerlei Hinsicht einfacher als eine spätere. Generell rät Crameri, die schon
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Die finanziellen Folgen einer Scheidung im Alter können im schlechtesten Fall in die Armut führen.
zahlreiche Paare bei ihrer Scheidung begleitet hat, nicht zu lange zu warten, wenn eine Ehe in die Brüche gegangen ist. Ein Neuanfang ist zwar auch im Alter von 70 Jahren noch möglich, doch lässt sich ein solcher emotional und finanziell einfacher verkraften, wenn man noch jünger ist. Es sollte in jedem Fall eine rasche und friedliche Einigung angestrebt werden. Vor allem wegen der Kosten – für Scheidungsanwälte werden Gebühren von rund 400 Franken pro Stunde fällig. Eine einvernehmliche Scheidung kann binnen sechs Monaten über den Tisch sein – hinsichtlich finanzieller und emotionaler Aspekte die beste Lösung.
Unterschätztes Risiko Das Risiko einer Scheidung werde völlig unterschätzt und daher bei der Finanzund Vorsorgeplanung zu wenig berück-
sichtigt, merkt der Vorsorgeexperte Spring an. Während die meisten jungen Paare viel Wert auf eine Absicherung gegen Invalidität und Tod legten, werde dem Thema Scheidung viel weniger Aufmerksamkeit gewidmet – angesichts einer Scheidungsrate von rund 40% sei das Risiko aber deutlich höher als bezüglich der anderen beiden Ereignisse. Trotzdem überrascht es nicht, dass Finanzberater so ein negatives Thema nicht gerne ansprechen. Hinzu kommt, dass es – anders als für Tod oder Invalidität – für eine zerbrochene Ehe kein Standard-Versicherungsprodukt gibt. Wer trotzdem für den Fall einer Ehescheidung vorsorgen möchte, könnte beispielsweise für den Partner mit niedrigerem Einkommen zusätzlich über die Säule 3b vorsorgen. Diese ist, anders als die Säule 3a, bei der Einzahlung nicht steuerbegünstigt. Unter bestimmten Bedingungen sind aber das Säule-3b-Kapital sowie
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alle Erträge und Überschüsse bei der Auszahlung steuerfrei. Als Ersatz oder Ergänzung zur Pensionskasse und zur Säule 3a wäre dies ein denkbares Modell. Wer seine angeschlagene Ehe retten möchte, kann es wie das Ehepaar Lohse aus der Komödie «Pappa ante portas» machen: Der frisch pensionierte Herr Lohse und seine Frau lernen zusammen Blockflöte spielen – das ist nicht schön für das Umfeld, aber die Eheleute geniessen das neue gemeinsame Hobby.
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28 FINANZEN IN DER DRITTEN LEBENSPHASE
Gesund altern mit der «vierten Säule» Nebst den Finanzen sind auch ein stabiles soziales Netz, Stressabbau und Resilienz wichtig für einen guten Übertritt in den Ruhestand
Auch körperliche Fitness hilft beim Aufbau von Resilienz.
MICHAEL FERBER
Beim Thema Altersvorsorge stehen meistens finanzielle Aspekte im Vordergrund. Eine hohe Pension ist für den Ruhestand aber nur die halbe Miete. Was nützt das ganze Geld, wenn man nicht gesund altert – oder wenn man niemanden hat, mit dem man den Ruhestand geniessen kann? Die Pflege der körperlichen und mentalen Gesundheit sowie der sozialen Kontakte gehört folglich ebenfalls zur Vorsorge. Man
könnte in diesem Zusammenhang von einer «vierten Säule der Altersvorsorge» sprechen – quasi als Zusatz zum Drei-Säulen-System aus AHV, Pensionskasse und privater finanzieller Vorsorge. Wie kann man sich eine solche stabile «vierte Säule» für den Ruhestand aufbauen? Dabei sind sechs Punkte besonders wichtig. ■ Stressniveau im Auge behalten: Laut der Schweizerischen Gesundheitsbefragung beschweren sich Schweizer Erwerbs-
ILLUSTRATION JOCHEN SCHIEVINK
tätige immer stärker über wachsenden Stress bei der Arbeit. 21% der Befragten gaben im Jahr 2017 an, am Arbeitsplatz sehr oft von Stress geplagt zu sein. Fünf Jahre zuvor waren es 18% gewesen. «Stress ist nicht per se etwas Schlechtes», sagt Erich Seifritz, Professor und Chefarzt an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich. Es gebe guten und schlechten Stress. Ersterer sei kurzfristig und unproblematisch. Er entstehe beispielsweise, wenn ein Schauspieler vor einem Auftritt Lampen-
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fieber habe. Schlechter Stress hingegen sei eher langfristig, oft sogar chronisch und habe negative Effekte. So hätten wissenschaftliche Studien Zusammenhänge bei Personen zwischen schlechter Schlafqualität und einer späteren Demenzerkrankung nachgewiesen. Auch ist davon auszugehen, dass Depressionen bei Menschen im mittleren Alter das Risiko, später an Demenz zu erkranken, erhöhen. «Zur Altersvorsorge gehört es also auch, den Level an schädlichem Stress während der Erwerbstätigkeit möglichst tief zu halten», sagt Seifritz. ■ Resilienz aufbauen und verbessern: In der Folge stellt sich die Frage, wie dies gelingt. Im Prinzip geht es darum, wie Menschen ihre Widerstandsfähigkeit bei schlechtem Stress erhöhen können – wie sie ihre sogenannte Resilienz steigern können. Laut Seifritz ist die Resilienz eines Menschen zum Teil genetisch vorgegeben, man kann diese aber auch positiv beeinflussen. Als Faktoren für eine gute Resilienz gelten eine gesunde Ernährung, körperliche Fitness durch Sport, ein guter und erholsamer Schlaf und besonders auch soziales Eingebettetsein. «Spiritualität kann ein wichtiger Faktor für Resilienz sein», sagt Seifritz. Spirituelle Menschen sähen sich als Teil in einem grösseren Ganzen. «Wenn ein Mensch glaubt, dass das Leben nach dem Tod weitergeht, verändert sich seine Sicht auf das eigene Dasein massiv.» Solche Menschen ruhten im Allgemeinen mehr in sich selbst und hätten ein Gefühl, eingebettet zu sein. Man nenne dies auch «sense of coherence» oder Kohärenzgefühl. Wichtig für die Gesundheit im Alter ist es auch, eine gewisse Autonomie und genügend Freiheitsgrade zu haben. Auch finanzielle Aspekte tragen natürlich hierzu bei. Unbehandelte psychische Krankheiten vermindern die Resilienz, als eigentliche «Resilienz-Killer» gelten Tabak, Alkohol und andere Suchtmittel. ■ Soziale Kontakte pflegen: Wichtig für die Altersvorsorge in der vierten Säule ist die Pflege von sozialen Kontakten. «Der Mensch ist ein soziales Wesen, das merkt man in der derzeitigen Corona-Krise besonders», sagt Susanna Fassbind, Initiantin der Fondation Kiss, die sich die Förderung der vierten Altersvorsorgesäule und die Stärkung des Generationenzusammenhalts auf die Fahnen geschrieben hat. Aufgrund der Pandemie hätten viele ältere Menschen derzeit Angst, sich zu treffen, und wagten kaum mehr zusammenzusitzen. Berichte über eine mögliche zweite Welle schürten Angst. Vertreter des Bundesrats hätten oft von einer «neuen Nor-
malität» gesprochen. Wenn diese bedeute, dass die Gesellschaft still und steril gehalten werde, verschlimmere dies nur Ängste. «Einsamkeit kann tödlich sein», sagt Fassbind. Ein gutes soziales Beziehungsnetz gilt im Alter als besonders wichtig. Schliesslich gehen mit der Pensionierung im Allgemeinen auch Beziehungen verloren, etwa am Arbeitsplatz, wo man automatisch täglich mit Kolleginnen und Kollegen in Kontakt war. Es gilt also auch hier, sich frühzeitig zu überlegen, mit wem man nach der Pensionierung in Kontakt bleiben will und kann. Wenn ein guter Kollege weiterarbeitet und man selbst pensioniert wird, kann dies beispielsweise eine Herausforderung sein, da sich der Lebensinhalt verändert. Nach der Pensionierung fielen vor allem Männer oftmals in ein Loch, weil sie während ihrer Erwerbstätigkeit zu wenige soziale Kontakte geknüpft hätten, sagt Fass-
«Der Mensch ist ein soziales Wesen, das merkt man in der Corona-Krise besonders.» Susanna Fassbind Initiantin Fondation Kiss
bind. Auch Seifritz rät, sich Zeit für die Partnerin oder den Partner sowie die Familie zu nehmen und Freundschaften zu pflegen. Ein klassisches Zitat zum Thema laute schliesslich: «Wer in der Jugend nicht lernt zu jassen, hat für das Alter nicht vorgesorgt.» ■ Paaraktivitäten planen: Nach der Pensionierung ist die Gefahr, dass die Beziehung zur (Ehe-)Partnerin oder zum (Ehe-) Partner noch scheitert, keineswegs gebannt. Vielmehr kann ein zusätzliches Risiko entstehen, da durch den Wegfall der Erwerbstätigkeit und der Kindererziehung ein neues Umfeld entstanden ist und die Personen im Allgemeinen mehr zu Hause sind und mehr Zeit haben. Schwierig kann es bereits werden, wenn einer der beiden Partner pensioniert wird. Schliesslich ändert sich die Situation schon dann grundlegend. Dieser Veränderung gilt es Rechnung zu tragen. So sollte man sich bereits vor der Pensionierung gut überlegen, wie man die neu gewonnene Zeit mit dem Partner bzw. der Partnerin nutzen will – und wie man sich auch den nötigen Freiraum lässt. Nicht von ungefähr nehmen die
Streitigkeiten in der Familie und bei Paaren schon während der Erwerbstätigkeit dann zu, wenn man plötzlich viel Zeit füreinander hat – beispielsweise an Feiertagen. Hat man unterschiedliche Hobbys und Interessen als der Partner, ist es sicherlich sinnvoll, dem anderen im Ruhestand nichts aufzuzwingen, tolerant zu sein und sich genau zu überlegen, welche Aktivitäten man gemeinsam verfolgt und welche nicht. ■ Einen Plan für den Ruhestand erstellen: Fassbind rät, bereits im Alter von 50 oder 55 Jahren mit der Planung des Ruhestands zu beginnen und sich dabei zu überlegen, was man während der dritten Lebensphase tun will. Nach dem Wegfall der Erwerbstätigkeit kann ein Vakuum entstehen und das Selbstbewusstsein beeinträchtigt werden. «Beim Eintritt in den Ruhestand verliert man die soziale Umgebung am Arbeitsplatz und auch die bisherige Tagesstruktur. Man wird auf einen Schlag weniger gebraucht und ist nicht mehr so wichtig», sagt Seifritz. Hinzu kommt, dass im Zeitraum, in dem die Pensionierung ins Blickfeld rückt, oftmals auch die Kinder ausziehen. «Damit fällt zwar eine grosse Aufgabe weg, die sich als Erleichterung, aber auch als Verlust bemerkbar machen kann», sagt Seifritz. Folglich ist eine gute Planung der kommenden Lebensjahre sehr wichtig. ■ Sinnstiftende Aufgaben finden: Es geht darum, herauszufinden, wie man im Alter ein sinnstiftendes und erfüllendes Leben führen kann. Ein Engagement im Bereich der Freiwilligenarbeit kann dabei helfen, das durch den Wegfall der Erwerbstätigkeit und der Erziehungsaufgaben entstandene Loch zu stopfen. Zwar sei es gut, wenn im Ruhestand der schlechte Stress wegfalle, sagt Seifritz. Gebe es aber auch keinen guten Stress und werde man zu wenig gebraucht, so entstehe die Gefahr eines Boreouts – eines Gefühls der Unterforderung und Langeweile.
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30 FINANZEN IN DER DRITTEN LEBENSPHASE
Mehr Sicherheit dank guter Nachlassplanung Vorkehrungen für den Todesfall zu treffen, ist wichtig – spätestens beim Eintritt in das Rentenalter sollten sie in Angriff genommen werden ANNE-BARBARA LUFT
Den richtigen Zeitpunkt für die Nachlassplanung gibt es nicht. Wer sich aber noch keine Gedanken über seine Hinterlassenschaft gemacht hat, der sollte die freie Zeit, die der Ruhestand mit sich bringt, unbedingt dafür nutzen, alle Dinge zu regeln, die das eigene Ableben betreffen. Der Gedanke an den eigenen Tod ist selbstverständlich besonders unangenehm, doch wer seinen Nachlass nicht regelt, der riskiert, dass es nach seinem Ableben Streit zwischen den Erben gibt, der Partner in finanzielle Schwierigkeiten gerät oder nahestehende Personen beim Erbe nicht berücksichtigt werden. Mit einer detaillierten Planung unter Einbezug der Familie – und vielleicht auch eines externen Experten – tut man sich selbst und seinen Nachkommen einen grossen Gefallen.
Der Ordner für den Notfall Viele Probleme sind ganz praktischer Natur. Es ist leider keine Seltenheit, dass die Kinder und Ehepartner bei einem Todesfall in der Familie nicht wissen, wo sich das Familienbüchlein oder die Telefonnummer des Notars befinden. Auch die Passwörter für den Computer nehmen viele Menschen mit ins Grab. Um seinen Nachkommen derartige Schwierigkeiten in einer emotionalen Situation zu ersparen, sollte für den Notfall ein Ordner mit allen wichtigen Dokumenten wie Pensionskassen- und Bankauszügen, der AHV-Nummer, Adressen, Versicherungspolicen, Passwörtern und eventuell einem Vorsorgeauftrag an einem bekannten Ort aufbewahrt werden, sagt Jorge Frey, der beim Marcuard Family Office den Bereich Family Governance verantwortet. Auch Notizen über die Wünsche für die eigene Bestattung können für die Familie sehr hilfreich sein. Einen solchen Ordner anzulegen, ist sehr aufwendig und nimmt mehr als ein paar Tage in Anspruch. Die Pensionierung könnte daher ein geeigneter Zeitpunkt
sein, diese Aufgabe in Angriff zu nehmen. Es ist nicht nötig, diese Dinge beim Nachlassverwalter zu deponieren, obwohl es nicht schaden kann, wenn dieser eine Kopie bei sich aufbewahrt. Es ist zudem empfehlenswert, dass beide Partner ein eigenes Konto mit ausreichend Liquidität für die ersten Wochen nach dem Ableben des anderen haben. Der überlebende Partner hat keinen Zugang zum gemeinsamen Konto, bis der Erbschein vorliegt, was eine Weile dauern kann. Diese Situation kann zu kurzfristigen Liquiditätsengpässen führen – in einer ohnehin schweren Zeit ist das eine völlig unnötige zusätzliche Belastung. In einem Gespräch mit der Hausbank sollte zudem geklärt werden, welche Vollmachten im Todesfall vorhanden sein müssen.
Der Vorsorgeauftrag Alle 18 Minuten erkrankt eine Person in der Schweiz an Demenz. Allein die Statistik spricht dafür, sich und seine Angehörigen auf dieses Szenario vorzubereiten. Um zu verhindern, dass öffentliche Institutionen wie die Kesb wichtige Entscheide treffen, wenn man selbst nicht mehr in der Lage ist, seine Geschäfte zu führen, sollte ein Berechtigter bestimmt werden, der einspringt. Solange es sich um eine mündige Person handelt, sollte es dann keine Probleme geben. In einem sogenannten Vorsorgeauftrag wird festgehalten, wer dieser Beauftragte ist. Problematisch kann die Wahl der geeigneten Person für diesen Fall sein. Grundsätzlich sind die eigenen Kinder eine gute Wahl für eine so persönliche und verantwortungsvolle Aufgabe. Wenn eines der Kinder sich aufgrund von besonderen Kenntnissen oder einer hohen Affinität für diese Aufgabe eignet, sollte man den Geschwistern dies erklären, damit die Wahl nicht als Mangel an Anerkennung ausgelegt wird. Wenn keines der Kinder infrage kommt, kann auch ein Anwalt, ein Treuhänder, ein Berater oder auch ein Verein bestimmt werden. Der Vorsorgeauftrag
muss – ebenso wie das Testament – eigenhändig geschrieben oder vom Notar beglaubigt werden.
Das Testament Die Absicherung des Partners hat bei der Nachlassplanung für viele Eheleute höchste Priorität. Das ist auch richtig, wie Frey sagt, denn wer diesen Teil des Nachlasses nicht geregelt hat, riskiert, dass der überlebende Partner in finanzielle Schwierigkeiten gerät. Dem Partner steht laut Gesetz zwar die Hälfte des zu vererbenden Vermögens zu, das ist aber nicht in jedem Fall ausreichend. Oft kommen auf den überlebenden Ehepartner Kosten zu, die vor dem Todesfall der Partner übernommen hat oder die sich die Eheleute geteilt haben. Zählt zudem eine Immobilie zur Erbmasse, dann muss diese im schlechtesten Fall verkauft werden, um die übrigen Erben auszuzahlen. Es gibt verschiedene Lösungen für dieses Problem. Einerseits können die Kinder gebeten werden, bis zum Tod des zweiten Elternteils auf ihren Erbteil zu verzichten. Deren Zustimmung muss von einem Notar in einem Erbvertrag beglaubigt werden. Andererseits können Paare auch ohne die Zustimmung der anderen erbberechtigten Personen in einem Ehevertrag den Partner als Meistbegünstigten bestimmen. Der Vorteil dieser Regelung ist zudem, dass der verwitwete Ehepartner rasch auf das Vermögen zugreifen kann. Hierfür ist ein Ehevertrag nötig. Zudem kann im Testament bestimmt werden, dass die Kinder nur maximal ihre Pflichtteile erhalten – auch das kann den Anteil des überlebenden Ehepartners erhöhen. Der Witwer oder die Witwe können dann selbst entscheiden, ob sie den Kindern einen Teil des Erbes schon zu Lebzeiten überlassen oder ob sie das Vermögen selbst benötigen. Wurde kein Testament erstellt, dann wird der Nachlass der entsprechenden Person gemäss den gesetzlichen Quoten auf die Nachkommen verteilt. Diese Verteilung orientiert sich allein am Verwandt-
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Je mehr Vermögen vorhanden ist, desto wichtiger ist es, mit den Nachkommen über das Erbe zu sprechen.
schaftsgrad – ob der Erblasser keinen Kontakt oder sogar einen grossen Streit mit dem gesetzlichen Erben hatte, spielt hingegen keine Rolle. Wem also die vom Gesetzgeber vorgesehene Aufteilung des Erbes nicht zusagt, muss zwingend ein Testament oder einen Erbvertrag verfassen. Beim Erstellen dieser Dokumente hat der Erblasser jedoch nicht völlig freie Hand. Er muss die Pflichtteile für Ehepartner oder eingetragenen Partner, die Nachkommen sowie die Eltern (wenn der Erblasser keine Kinder hat) einhalten. Mit Zustimmung der erbberechtigten Personen ist es allerdings möglich, Aufteilungen vertraglich festzuhalten, welche die gesetzlichen Pflichtteile verletzen. Je mehr Vermögen vorhanden und je komplizierter die Familiensituation ist – etwa bei Kindern aus mehreren Ehen –, desto wichtiger ist es, schon zu Lebzeiten mit den Nachkommen über das Erbe zu sprechen sowie ein Testament oder einen Erbvertrag auszuarbeiten.
Das Wohnrecht Um sicherzustellen, dass der Partner bis zum Lebensende im gemeinsamen Haus wohnen kann, selbst wenn das Eigentum an der Immobilie ganz oder zum Teil an andere Nachkommen übergeht, kann im Testament oder Erbvertrag das Wohnrecht geregelt werden. Wenn der Partner das Wohnrecht besitzt, darf er in dem Haus zwar wohnen, es aber nicht vermieten oder verkaufen, zudem muss er für den Unterhalt aufkommen. Das Eigentum geht zwar an die Kinder über, diese müssen auf die Immobilie aber keine Vermögenssteuer zahlen, solange ihre Mutter oder ihr Vater in dem Familienhaus lebt.
ILLUSTRATION JOCHEN SCHIEVINK
das Erbe nach den Vorgaben des Erblassers verwaltet und verteilt werden. Mit dieser aufwendigen und teilweise anspruchsvollen Aufgabe sollte ein Willensvollstrecker beauftragt werden. Experten raten davon ab, Verwandte oder gar Erben mit der Willensvollstreckung zu beauftragen – nicht selten führt dies zu Problemen, weil die Doppelfunktion als Erbe und Willensvollstrecker Interessenkonflikte mit sich bringen kann. Ein unabhängiger Nachlassexperte, wie beispielsweise ein Anwalt, verlangt für seine Dienstleistungen selbstverständlich ein Honorar, das den Erben in Rechnung gestellt wird.
Der Willensvollstrecker Nach dem Ableben muss ein Inventar des gesamten Nachlasses erstellt werden, es müssen noch Rechnungen bezahlt, For derungen eingetrieben und schliesslich
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AUCH IM RUHESTAND TUN, WAS MAN WILL. ODER DANN ERST RECHT. Vorsorge ist dazu da, dass der Ruhestand eben nicht ruhig wird. Schliesslich geht es auch darum, sich aktiv Wünsche zu erfüllen. Genau deshalb bietet Pax flexible Lösungen, um ganz individuellen Vorsorgewünschen gerecht zu werden. So stellen wir sicher, dass unsere Kunden im Alter voll durchstarten können. www.pax.ch