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Samstag, 26. März 2022

Verlagsbeilage

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Frauen der Wirtschaft

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SEF.WomenAward P R E I S V E R L E I H U N G 2022 1. A P R I L 2022 | Z Ü R I C H

Das Swiss Economic Forum (SEF) verleiht Frauen mit

Zudem wird eine aussergewöhnliche Persönlichkeit,

einem herausragenden unternehmerischen Leistungs­

welche sich Zeit ihres Lebens für einen starken

ausweis den SEF.WomenAward und schafft damit

Wirtschaftsstandort Schweiz eingesetzt hat, mit dem

gleichzeitig eine kraftvolle und zukunftsgerichtete

Ehrenpreis honoriert.

Plattform für Unternehmerinnen. 2021 wurde der SEF.WomenAward am Swiss Economic Der SEF.WomenAward wird jährlich im Rahmen einer

Forum in Interlaken zum ersten Mal verliehen.

Preisverleihung in den Kategorien Jungunternehmerin

Die diesjährige Ausgabe findet am 1. April 2022 in

des Jahres und Unternehmerin/CEO des Jahres vergeben.

Zürich statt.

G E W I N N E R I N N E N 2021

Jungunternehmerin des Jahres

Ehrenpreis

Unternehmerin/ CEO des Jahres

Léa Miggiano

Rosmarie Michel

Andrea Pfeifer

Mitgründerin & CMO, Carvolution

PREMIUM PARTNER

CEO, AC Immune SA

OFFICIAL TIMING PARTNER


Frauen der Wirtschaft

Samstag, 26. März 2022

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Was Regen mit Gleichstellung zu tun hat Weibliche Vorbilder sind wichtig: Das sagt Susanne Wille, Kulturchefin von SRF und Jurymitglied des SEF.WomenAward. Sie erklärt in dieser Kolumne, wie Frauen in der Wirtschaft sichtbarer werden. SUSANNE WILLE

Es ist entscheidend, dass Frauen, die in der Wirtschaft etwas bewegen, auch ­wahrgenommen werden.

Eigentlich wollte ich diesen Text direkt mit der bestechend einfachen Idee des «Regenmachens» beginnen und dabei die Frage aufwerfen, was Regen mit einer vielseitigeren Wirtschaftswelt zu tun habe. Der im Kopf bereits formulierte Einstiegssatz lautete: Kennen Sie «Rainmaking» von Gail Evans für mehr Gleichstellung in der Geschäftswelt? Doch bevor ich den Text in die Tasten tippte, sass ich im Zug, las ein Wirtschaftsmagazin und sah: Männer. So viele, dass ich mich sogar dabei ertappte, wie ich sie zu zählen begann. Praktisch keine Frauen kamen im Verhältnis zu den porträtierten Männern vor. Das vermeintliche Abbild der Wirklichkeit war also eine eigentliche Verzerrung davon. Verstärkt wurde das ein wenig später von einem Bild aus der Münchner Sicherheitskonferenz, das Schlagzeilen provozierte: An einem Tisch in U-Form sassen 30 Unternehmenschefs beim Geschäftsessen. Keine einzige Frau war zu sehen. Dies zementiert ein gefährliches Bild, dass Frauen im Wirtschaftscockpit nichts zu suchen haben, dass sie in der Welt der Businesspläne, Strategien und Start-up-Projekte nicht vorkommen. Ja, wir wissen, Frauen sind als Top-Unternehmerinnen, CEOs, Verwaltungsrätinnen noch nicht die Norm. Auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen – in der Politik, in der Kultur, in der Wissenschaft – haben wir die Gleichstellung noch lange nicht erreicht. Aber: Es tut sich überall etwas. So auch in der Wirtschaftswelt. Die Liste an Business-Pionierinnen, Aufmischerinnen, Firmengründerinnen wächst mit Blick aufs Handelsregister stetig. Dass sich der Frauenanteil bei Firmengründungen in der Schweiz in den letzten 20 Jahren verdoppelt hat, zeigt ein Forschungsbericht der Hochschule für Wirtschaft der Fachhochschule Nordwestschweiz. Mit der Revision des Aktiengesetzes steigt der Druck, damit der Anteil von Frauen in Verwaltungsräten und Geschäftsleitungen steigt. Der Women’s Entrepreneur Report im Global Entrepreneur Monitor 20/21 kommt zum Schluss, dass Frauen in der Schweiz insbesondere auch als ICT-Unternehmerinnen Akzente setzen. Dies sind nur ein paar Argumente, die unterstreichen, dass die Wirtschaftswirklichkeit inzwischen diverser und weiblicher ist als die eingangs erwähnten Publikationen suggerieren.

Weibliche Vorbilder sind wichtig

Impressum Frauen der Wirtschaft ist eine Verlagsbeilage der NZZ. Inhalt realisiert durch NZZ Content Creation. Verlagsbeilagen ­werden nicht von der Redaktion produziert, sondern bei NZZone von unserem Dienstleister für journalistisches Storytelling. Projektmanagement NZZ Connect: Madeleine Nufer (Gesamtverantwortung); NZZ Content Creation: Norman Bandi (Inhalt) und Sara Sparascio (Layout); Kontakt: NZZ Connect, C.F.L. Lohnerstrasse 24, 3645 Gwatt (Thun), connect@nzz.ch. swisseconomic.ch/sef-womenaward

Sicher ist: Es bleibt dennoch sehr viel zu tun. Gender Diversity kommt in der Wirtschaft zwar voran, aber bei Weitem nicht schnell genug. Deshalb ist es wichtig, dass die Fortschritte auch sichtbar gemacht und öffentlich besprochen werden. Sonst verändern sich Sehgewohnheiten, Denkgewohnheiten und Diskussionsgrundlagen nicht. Das bringt mich direkt zur Bedeutung von Vorbildern: Ich glaube, auch Vorbilder sind wichtig, um neue Wirklichkeiten greifbar zu machen. Obwohl ich – zugegeben – ein ambivalentes Verhältnis zum Thema Vorbild habe. Der portugiesische Schriftsteller Fernando Pessoa sagt dazu: «Wir sind eine Vielzahl von Selbsten.» Heisst: Jeder Mensch hat unterschiedliche Facetten und auch Rollen. Das stimmt. Dennoch finde ich, Vorbilder sind insofern wichtig, als sie eine Art Orientierungspunkt sein können. Sie sind wichtig, weil sie uns für ein bestimmtes Selbst eben inspirieren können. Persönlich habe ich verschiedene Vorbilder. Persönlichkeiten, bei denen ich eine bestimmte Eigenschaft span-

nend finde. Da ist beispielsweise die unkonventionelle Betriebsökonomin Anita Elberse, die sich früh ein ganz eigenes Terrain geebnet hat, indem sie in neue Forschungsfelder vorgestossen ist, weil sie Pop-Kultur, Unterhaltung, Medien und Sport mit der ökonomischen Linse untersucht hat. Ich habe sie bei einer Schulung zu Digitalstrategien vor zwei Jahren als passionierte Professorin erlebt. Anita Elberse ist wegen ihres Feuers für mich ein Vorbild. Auch Gail Evans, die als Frau in der Medienbranche ihren Weg ging, finde ich interessant. Und das bringt mich wieder an den Anfang dieses Textes. Gail Evans betont gern die Bedeutung des «Rainmakings». Frauen sollen im gleichen Team spielen, sprich sich für andere Frauen einsetzen. Sie sollen gegenseitig Regenmacherinnen sein. Also dafür sorgen, dass sich andere Frauen entfalten und wachsen können. Sie sollen sich kümmern und sich einsetzen, damit Frauen beherzt Neues wagen, Firmen gründen, Verantwortung übernehmen, freudvoll Risiken eingehen. Ich weite das Konzept gerne aus und sage gerne, es braucht alle für mehr Diversität in der Wirtschaftswelt. Es braucht auch Regenmacher.

Einblick SRF: «Chance 50:50» und Sichtbarkeit Zum «Rainmaking» gehört zwingend das Sichtbarmachen dazu. Es ist entscheidend, dass Frauen, die in der Wirtschaft etwas bewegen, auch wahrgenommen werden. Hier stehen auch die Medien in der Verantwortung – auch wir von SRF. Unser Unternehmen hat sich zu mehr Sichtbarkeit von Frauen bekannt. Das ist auch mir persönlich ein Kernanliegen. Ein erster Punkt ist ein publizistischer. Es beginnt bei der Berichterstattung selber, beim Thematisieren der fehlenden Gleichstellung. Wir diskutieren Ansätze für Geschichten in der Planung und den Redaktionssitzungen. Weiter analysieren wir bestehende Hürden für mehr Sichtbarkeit. Es wird oft eher der bewährte Experte als Interviewgast gewählt als eine Frau ohne breite Medienerfahrung. Hier haben wir viel investiert. Inzwischen ist unsere interne Expertinnen-Datenbank auf fast 3400 Namen kräftig angestiegen. Es geht zweitens über die Sprache. Sprache schafft Wirklichkeit. Es reicht nicht, wenn die Frauen bei den «Wirtschaftskapitänen» oder den «Firmenchefs» einfach mitgemeint sind. Lasst uns lieber von «Firmenchefinnen und Firmenchefs» reden. Ja, vielleicht wird die Sprache so etwas umständlicher. Ein kleiner Preis für eine angemessene Sichtbarmachung. Diesen Grundsatz haben wir übrigens auch unlängst in den Publizistischen Leitlinien von SRF festgeschrieben. Diese Leitlinien dienen den Journalistinnen und Journalisten als Grundlage für die tägliche Arbeit. Drittens geht es auch darum, dass Frauen in der generellen Berichterstattung eine angemessene Präsenz haben. Dass Frauen, die in der Wirtschaft etwas bewegen, in Beiträgen und Artikeln sichtbar gemacht werden. Konkret haben wir uns unternehmensweit mit dem SRF-Projekt «Chance 50:50» das Ziel gesetzt, dass Frauen und Männer in den Sendungen gleich stark vertreten sind. Die Redaktionen messen beispielsweise permanent, wie viele Expertinnen in der Wirtschaftsberichterstattung oder wie viele Unternehmerinnen in den Newssendungen zu Wort kommen. Dazu haben wir pro Redaktion eine Datenverantwortliche oder einen Datenverantwortlichen bestimmt. So haben wir zahlreiche Expertinnen auf allen Kanälen sichtbar und hörbar gemacht, die vorher in der breiten

Susanne Wille, Kulturchefin SRF und Mitglied der Geschäftsleitung SRF und 3sat, Jurymitglied des SEF.WomenAward.

SRF

Öffentlichkeit nicht bekannt waren. Es geht also um Gleichstellung und um journalistische Qualität. Die Zahlen zeigen: Die Werte steigen, aber wir sind noch nicht ganz bei 50:50. Wir müssen dranbleiben, es gibt noch viel aufzuholen. Wichtig: Es geht nicht um Frauenquoten, sondern um eine längst fällige Vielfalt an Perspektiven und Stimmen. Um ein weniger verzerrtes Abbild der Wirklichkeit. Dafür setzen wir uns ein.

«Rainmaking» auch am SEF.WomenAward

Es braucht alle für mehr Diversität in der Wirtschaftswelt.

Dieser Kerngedanke der Sichtbarmachung trägt uns auch in der Jury des SEF.WomenAward. Ja, wir diskutieren kritisch und sind uns fürwahr nicht immer einig. Aber wir sind uns der Bedeutung bewusst, dass es eben auch zum «Rainmaking» gehört, erfolgreichen Wirtschaftsfrauen eine Plattform zu bieten. Es geht also nicht um eine Auszeichnung per se, sondern um deren Wirkung, um eine Haltung, die dahintersteht und die Debatte, die die Auszeichnung begleitet. Es geht darum, den Vorbildern in der Wirtschaftswelt, die andere auf ihrem Weg inspirieren, eine Bühne zu schaffen. Ja, es wäre schön, wenn es dereinst eine Auszeichnung wie den SEF.WomenAward nicht mehr brauchen würde. Bis dahin aber sind solche Momente da, um innezuhalten und genau hinzuschauen. Die Wirtschaftswelt verändert sich, auch dank der zahlreichen mutigen und entschlossenen Wegbereiterinnen. Gut so.

Susanne Wille ist Kulturchefin SRF und Mitglied der Geschäftsleitungen von SRF und 3sat sowie Jurymitglied des SEF.WomenAward.


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Jede und jeder muss einen Beitrag leisten Ihre Ideen wandelten sich zum weltweiten IKEA-Standard: Simona Scarpaleggia setzt sich seit Jahrzehnten für die Gleichstellung der Geschlechter ein. Sie ebnete den Weg für Tausende Frauen – dafür wird sie mit dem SEF.WomenAward Ehrenpreis 2022 ausgezeichnet. RACHEL FASSBIND

Als Rosmarie Michel letztes Jahr den Ehrenpreis für ihr Lebenswerk am Swiss Economic Forum erhielt, folgte eine tosende Standing Ovation. Ihre Rede berührte – vielen der beinahe 1200 Anwesenden trieb sie Tränen in die ­Augen. Die Botschaft war klar: «Macht leitet sich von Machen ab. Jede und jeder muss Verantwortung überneh­ men. Gerade wir Frauen, wenn es um das Thema Gleichstellung geht.»

Ein Award für Pionierinnen Michel hat in ihren 90 Jahren viel geleistet für die Stadt Zürich und Frauen weltweit. Mit dem Award blickten wir zurück auf ihr Leben und sagten Danke im Namen des Swiss Economic Forum. Auch dieses Jahr wird wieder eine Ehrenpreisgewinnerin ausgezeichnet. Mit Simona Scarpaleggia wurde eine Frau gewählt, die weltweit neue Standards ­gesetzt hat. «Ihr grosser und unermüd­ licher Einsatz für Gender Equality in der Wirtschaft sowie ihr Engagement gegen Lohnungleichheit ist bewundernswert», erklärt Corine Blesi, Managing Director des Swiss Economic Forum und Mitglied der SEF.WomenAward-Jury. Scarpaleggia sei vor allem eine Pionierin. Blesi führt aus: «In ihrer Rolle als CEO von IKEA Schweiz wie auch im Bereich der Frauenförderung oder etwa mit ihrem Einsatz in Netzwerken wie ADVANCE war Simona stets eine Vorreiterin und

Simona Scarpaleggia, Vorreiterin und Macherin. Heute zertifiziert sie mit EDGE Unternehmen und berät die UNO. ­bnete so den Weg für die nächste e ­Generation.»

Wie die eigenen Ideen zum globalen Benchmark wurden Simona Scarpaleggia wurde 1960 in Rom geboren – zu einer Zeit, als Misogynie und starre Rollenverteilung noch zur Tagesordnung gehörten. Trotzdem studierte sie Politikwissenschaften und absolvierte einen MBA. Ihr Wunsch, sich

PD

für die Gleichstellung von Mann und Frau einzusetzen, bestand schon immer, reifte aber nach Eintritt in die Berufswelt aus: «Menschenrechte haben mich schon immer interessiert. Für mich ist klar: Alle Menschen sind frei und gleichberechtigt geboren. Als ich nach dem Studium anfing zu arbeiten, stellte ich jedoch fest, dass es in der Arbeitswelt viele Vorurteile und Einschränkungen für Frauen gab.» Also engagierte sich Scarpaleggia, arbeitete sich hinauf, stieg

Pandemie befeuert Neugründungen Das Restaurant geschlossen, der Marktstand verwaist – wir alle haben diese Bilder noch im Kopf. Viele Gewerbetreibende und Dienstleistende haben aber auch aus der Not eine Tugend gemacht.

Die Pandemie schaffte neue Opportunitäten – viele Unternehmerinnen und Unternehmer hatten den Mut, diese zu ergreifen.

FOTOS: UBS

SABINE KELLER-BUSSE

Manche haben aus der Not eine Tugend gemacht und neue Möglichkeiten gefunden für den Vertrieb ihres Angebots, etwa im Onlinehandel. Einige gingen noch einen Schritt weiter und gründeten eine neue Firma, machten sich selbstständig. Die überstrapazierte Floskel von der «Krise als Chance» lässt sich also positiv umdeuten: «Wenn nicht jetzt, wann dann?»

Pandemie als Booster für Neugründungen? Gewissenhaft, aber nicht besonders risikofreudig lautet ein oft gehörtes Vorurteil über die Schweiz. Doch ausgerechnet die Pandemie bietet Anlass, dieses Bild zu revidieren. Das zeigt auch ein Blick auf die Neugründungen von Fir-

Gewissenhaft, aber nicht besonders risikofreudig lautet ein oft gehörtes Vorurteil über die Schweiz.

men – deren Zahl ist 2021 auf einen absoluten Rekordwert angestiegen. Dies steht im Kontrast zu früheren Krisen wie dem Frankenschock, als Firmengründungen deutlich abnahmen. Die Zahl wächst sogar in den besonders betroffenen Branchen. Dies überrascht, wenn auch nur auf den ersten Blick. Denn die Veränderung im Konsumverhalten stellt zwar viele etablierte Unternehmen vor Herausforderungen. Gleichzeitig eröffnen sich dadurch vielfältige Chancen für neue Angebotsformen. Zudem wurde der Trend zu mehr Digitalisierung durch die Pandemie nicht nur begünstigt, sondern deutlich beschleunigt. Dadurch entstanden neue Geschäftsmodelle, die auch mit relativ wenig Kapitaleinsatz durch innovative und schlanke Prozesse zum Erfolg geführt werden können. So ist zum Beispiel in Bereichen wie Einzelhandel oder Finanzen, Versicherungen und Immobiliendienstleistungen laut einer KOF-Studie ein regelrechter Gründungsboom zu beobachten. Es gibt zudem Hinweise, dass die Zahl der Neugründungen weiterhin hoch bleiben könnte, weil viele in der Pandemie mit der Gründung noch zugewartet haben, etwa in der Hotel- und Gastrobranche.

2000 als Personalmanagerin bei IKEA Italien ein und übernahm ab 2010 die Geschäftsführung von IKEA Schweiz. «Sobald ich anfing, mehr Verantwortung zu tragen, versuchte ich, die Dinge zu ändern», so die Mutter von drei Kindern. Und was änderte sie denn konkret? Unter ihrer Führung teilte sich das Geschlechterverhältnis der 3000 Mitarbeitenden auf jeder Stufe zu 50/50 aus, gleicher Lohn für gleiche Arbeit setzte sich durch und den Umsatz steigerte sie damit auf eine Milliarde Franken. «Neben der Gleichstellung der Geschlechter auf allen Ebenen erzielten wir hervorragende Managementergebnisse und tolle Werte im Bereich Motivation und Zufriedenheit bei den Mitarbeitenden. Für mich eine solide Win-Win-Win-Situation», führt Scarpaleggia aus. 50 Prozent Frauenanteil und Lohngleichheit gelten bei der IKEAGruppe jetzt als Standard, bis Ende 2022 wollen sie dieses Ziel weltweit erreichen und auf all ihre 225 000 Mitarbeitenden ausweiten.

Ihr Ziel: Den Frauenanteil in Führungspositionen steigern War der Anteil vor wenigen Jahren noch im einstelligen Bereich, wurden Ende 2021 beinahe 30 Prozent der Positionen von Frauen besetzt. Hierbei rät Scarpaleggia zu einer integrativen Arbeitskultur: «In einem ersten Schritt muss das Bewusstsein vorhanden sein, dass jeder von uns anders ist; der Respekt vor der Einzigartigkeit jedes Einzelnen ist

seur- oder Kosmetiksalons untervertreten sind. Im schweizerischen Durchschnitt liegt der Unternehmeranteil in der männlichen Bevölkerung bei rund 10 Prozent, in der weiblichen Bevölkerung bei unter 6 Prozent. Nimmt man den Unternehmeranteil in der männlichen Bevölkerung als Referenz, so könnte man sich in der Schweiz zusätzlich rund 160 000 Unternehmerinnen vorstellen. Weiter fällt auf, dass heute in der Schweiz nur 9 Prozent der patentierten Erfindungen von Frauen stammen. Das hat auch damit zu tun, dass Frauen in technikaffinen Studiengängen und damit in MINT-Berufen gegenüber Männern deutlich in der Minderzahl sind. Die gute Nachricht: Während die Digitalisierung in der Vergangenheit vor allem dem Informatiksektor Schub verliehen hat, fungiert sie heute zunehmend als «Enabler» für Bereiche wie Gesundheit oder Nachhaltigkeit. Die Digitalisierung erlaubt neue Arbeitsformen und eine fle-

die Grundlage. So werden wir offen, den Standpunkt anderer zu hören und zu verstehen», sagt sie. Und weiter: «Ich glaube nicht, dass es einen grossen Unterschied macht, ob man Inklusivität in einem traditionellen Familienunternehmen, einem Start-up oder in einem multinationalen Unternehmen fördern möchte. In jedem Falle zählen die Werte – die Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und ihre Vielfalt miteinzubeziehen.» Daraus liessen sich dann messbare Richtlinien und Strategien ableiten.

Und sie politisiert weiter «Jeder muss einen Beitrag leisten: Regierungen können eine sehr positive Rolle bei der wirtschaftlichen Stärkung von Frauen spielen, indem sie M ­ ethoden wie Gender Budgeting – eine Ressourcen­ planung, die die Auswirkungen auf ­Männer und Frauen getrennt berücksichtigt – nutzen, um faire Lösungen zu ent­wickeln. Auch Massnahmen zur ­Familienunterstützung, wie etwa Finanzausgleiche, Elternurlaube oder finanzielle Förderung bei der Kinderbetreuung gehören dazu.» Mit «ADVANCE – Women in Swiss Business» oder etwa ihrem Technologieunternehmen EDGE zeigt Scarpaleggia Unternehmen konkret auf, wie Gleichstellung geht. Innovativ, pragmatisch, konstruktiv – und doch ist sie mit ganzem Herzen dabei. Wir ziehen den Hut vor ihrem Lebens­werk und sind überzeugt, dass man noch oft von ihr hören wird.

xiblere Arbeitszeitgestaltung, was die Erwerbstätigkeit und damit die unternehmerische Selbstständigkeit für Frauen und Männer in Familiensituationen zusätzlich attraktiver machen könnte.

Frauenfreundlich heisst wirtschaftsfreundlich Die Pandemie hat grundsätzlich neue Opportunitäten geschaffen – und viele Unternehmerinnen und Unternehmer hatten den Mut, diese zu ergreifen. Damit künftig aber noch viel mehr Gründerinnen ihr Potenzial nutzen können, braucht es frauenfreundlichere Rahmenbedingungen – politisch, gesellschaftlich und wirtschaftlich. Der SEF.WomenAward schafft Visibilität und Inspiration. Es liegt jetzt an uns allen, diesen «Spirit» weiterzutragen und Frauen in unserem persönlichen Umfeld darin zu bestärken und zu unterstützen, ihre Chancen zu nutzen. Denn auch der Weg zur eigenen Firma beginnt im Kopf.

Die Gender-Lücke bei Entrepreneuren Und welche Rolle spielen Unternehmerinnen bei den Neugründungen? In der Schweiz fehlen Zahlen für eine diesbezügliche Aufschlüsselung nach Geschlecht. Internationale Studien legen jedoch nahe, dass Unternehmerinnen gegenüber Unternehmern in fast allen Branchen mit Ausnahme von persönlichen Dienstleistungen wie etwa Fri-

Sabine Keller-Busse ist President UBS Switzerland.


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«Ich befürworte eine Konsenskultur» Das Swiss Economic Forum erreichte 2021 einen Frauenanteil von knapp 20 Prozent. Ein Sinnbild für unsere Wirtschaft. Nicole Burth, Präsidentin der Hauptjury des SEF.WomenAward, darüber, wie wir den Wandel zur Gleichstellung vorantreiben.

Eine ungleichgestellte Nation Das «Barometer Gleichstellung 2021» der Schweizerischen Konferenz der Gleichstellungsbeauftragten zeigte: Ende 2021 waren die rund 2500 Befragten noch unzufriedener als vor drei Jahren. Dabei nannten sie vor allem die Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Gleichzeitig die Kinder zu betreuen und Angehörige zu pflegen, fällt meist in den Aufgabenbereich der Frauen. Diese unbezahlte Care Arbeit summiert sich. Laut dem Bundesamt für Statistik kümmern sie sich rund 30 Stunden die Woche um Hausund Familienarbeit, Männer halb so viel, mit knapp 20 Stunden. Eine klare Mehrheit aller Befragten wünscht sich die Möglichkeit von Jobsharing, Teilzeit und Pensen-Reduktion auf allen Hierarchiestufen sowie flexible Arbeitszeiten. Noch höher ist die Zustimmung für gleiche Karrierechancen und Lohngleichheit. Bei Frauen und Männern beträgt der Unterschied bei gleichen Voraussetzungen wie Abschlussnote oder Tätigkeitsbereich bereits beim Einstieg rund sieben Prozent weniger – das sind fast 300 Franken im Monat.

Die SEF.WomenAward-Jury: Nadine Borter, Yaël Meier, Susanne Wille, Carolina Müller-Möhl, Monika Bütler, Anja Bates, Nicole Burth FOTOS: SANDRA BLASER Simone Westerfeld und Corine Blesi (v.l.n.r.).

RACHEL FASSBIND

Weniger Skandale, mehr Fortschritt. Wenn Frauen mitentscheiden, wirds erfolgreicher. Diskussionen verlieren an Emotionalität und werden sachlicher, man berücksichtigt umfassendere Perspektiven – genau das verspricht Diversität in der Statistik. In der Schweiz besteht aber noch viel Luft nach oben, wie der Diversity Report 2021 von der GetDiversity GmbH zeigt. Vergangenes Jahr hatten 83 von 231 an Schweizer Börsen kotierten Unternehmen rein männlich besetzte Verwaltungsräte und beinahe 60 Prozent, also 134 Firmen, keine einzige Frau in der Geschäftsleitung.

«Diversität ist Chefsache» Zahlreiche Studien belegen, dass gemischte Teams besser performen. Doch wie setzen wir Diversität zielführend um? Dazu gibt Nicole Burth Auskunft. Seit einem Jahr leitet sie den Konzernbereich «Kommunikations-Services» bei der Schweizerischen Post, zuvor war sie in verschiedenen Führungspositionen bei der Adecco Gruppe tätig, unter anderem als CEO der Schweizer Einheit. Warum Diversität? Und wie leben Sie das konkret vor? Nicole Burth: Das Ziel muss sein, dass Vorgesetzte beziehungsweise Firmen auf mehr Diversität setzen, weil sie das selbst wollen. Es ist Chefsache. Weil sie sehen, dass gemischte Teams innovativer, nachhaltiger und profitabler sind. Es hilft den Frauen nichts, wenn sie das Prädikat «Quotenfrau» tragen und dann doch nichts zu sagen haben. Wenn ich selber eine Stelle besetze, stelle ich mir immer die Frage, wer die oder der Beste ist. Deshalb schreiben wir Führungsstellen mit 80–100 Prozent aus, fördern Homeoffice und Jobsharing. Ich bin auch ein Fan der Offenlegung von Löhnen. Konnten Sie die Geschlechterrichtwerte bei der Post mit diesen Massnahmen erreichen?

Im Management der Post, damit meine ich Mitarbeitende mit Kadervertrag, sind wir mit einem Frauenanteil von 23 Prozent noch nicht am Ziel. Aber wir sind mit einer Arbeitsgruppe der Konzernleitung daran, das Thema Diversität und Inklusion voranzutreiben. Welche weiteren schweizweiten Lösungen fänden Sie interessant, damit Frauen nach der ersten Beförderung nicht auf der Strecke bleiben? Ich bin der Meinung, dass sich die Frage nach der Frauenquote nicht mehr stellen würde, wenn es flächendeckend obligatorische Tagesschulen gäbe. Ein weiteres wichtiges Element ist die Individualbesteuerung. Es kann nicht sein, dass Schweizer Frauen immer noch unter der «Heiratsstrafe» leiden müssen. Weibliche Führungspersonen hadern oft mit Vorurteilen, unter anderem sollen sie emotionalere Entscheidungen treffen. Wie behalten Sie Diskussionen auf der Sachebene? Diese Aussage würde ich nicht unterschreiben – im Gegenteil. Mir ist schon oft aufgefallen, dass nicht-diverse Gruppen, gerade Männer, sehr emotionale Entscheidungen treffen, weil sie sich gegenseitig bestätigen. Durchmischte Teams hingegen bringen verschiedene Sichtweisen ein und treffen darum langfristig bessere Entscheidungen. Kürzlich sprachen Sie in einem Interview von «Consent-Entscheidungen». Inwiefern bauen Sie das in Ihren Arbeitsalltag ein? Es gibt immer sehr viele Gründe und Entschuldigungen, um zu erklären, warum etwas nicht geht. Ich befürworte eine Konsenskultur. Das heisst, dass wir vorwärtsgehen, sobald es keine schwerwiegenden Einwände mehr gibt. Denn nur, wenn wir Services schnell auf den Markt bringen, können wir auch im digitalen Geschäft erfolgreich sein. Für mich ist es aber nicht nur wichtig, dass alle am gleichen Strick ziehen, sondern auch, dass die Erfolge dann auch gefeiert werden.

Vision, Teamaufbau, Aufgabenteilung, klare Umsetzung, Kurskorrektur, Analyse, Auswertung und Feiern. Ist dieses Vorgehen «typisch weibliche Führungsperson»? Ich persönlich denke nicht, dass mit «typisch weiblich» oder «typisch männlich» die Anforderungen an eine Führungsperson umschrieben werden können. Was ist typisch weiblich? In der heutigen Welt, die zunehmend volatil, unsicher, komplex und mehrdeutig ist, braucht es Führungskräfte, die sich kontinuierlich weiterentwickeln und ihr Team auf genau diese Reise mitnehmen können. Dazu ist emotionale Intelligenz gefragt. Die Fähigkeit, psychologische Sicherheit zu geben und gleichzeitig ambitionierte Ziele zu setzen. Und wie definiert man diese Ziele am besten? Dafür braucht es zunächst eine Vision, also einen Nordstern, der in einem Unternehmen allen die Richtung weist. Sie überlegen sich schon beim Antritt einer Stelle, wer Ihre Nachfolge sein könnte und stecken sich ganz bewusst eigene Ziele. Wie gehen Sie da vor? Im Privaten kriege ich sie zugeteilt (lacht). Generell ist es mein Ansporn, gemeinsam etwas zu erreichen und dadurch die Gesellschaft zu verbessern. Bei der Post möchte ich ein Geschäft aufbauen, welches hilft, alle Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz bei der Digitalisierung mitzunehmen und zu begleiten.

«Es hilft den Frauen nichts, wenn sie das Prädikat Quotenfrau tragen und dann doch nichts zu ­sagen haben.»

findet sich pro Branche eine Person, die sie aktiv umgestaltet und mitformt. Sie sind es sich gewohnt meist in Unterzahl zu sein, etwa die einzige Frau im Verwaltungsrat oder an Board eines Teams. Genau deswegen begeistert sie die Idee eines Netzwerks für Frauen. Denn der Erfahrungsaustausch stärkt. Untereinander kommen Themen zur Sprache, die sonst keinen Platz haben – aber genauso wichtig sind. Ob es nun auch einen Mann in der Jury braucht? Ein häufiger Diskussionspunkt. Sind die einen erfreut über die rein weibliche Runde, stört andere die Ungleichheit. Psychologisch gesehen ist es für Mitglieder des stark unterbesetzten Geschlechts schwierig, in Diskussionen mitzuhalten und sich wie gewünscht einzubringen. «Er» müsste also sehr durchsetzungsfähig sein. Man denke dabei an die zahlreichen Verwaltungsräte, Gremien und Führungsetagen, die zu weniger als zwanzig Prozent aus Frauen bestehen und wie deren Alltag wohl aussieht.

Ein Netzwerk für Frauen Burth setzt auf Diversität und Gleichstellung, genau das wollen wir mit dem SEF.WomenAward fördern. Als Hauptjurypräsidentin entscheidet sie mit, wer die Awards in den Kategorien Jungunternehmerin oder Unternehmerin des Jahres gewinnt und an wen der Ehrenpreis 2022 geht. Mit in der Jury sitzt das «Who’s who» der Schweizer Wirtschaft. Von Carolina Müller-Möhl, Petra Gössi, Philomena Colatrella zu Susanne Wille

Nicole Burth ist Hauptjurypräsidentin SEF.WomenAward.


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Samstag, 26. März 2022

Die Finalistinnen in der Kategorie Jungunternehmerin des Jahres Sie sind jung, talentiert und verfolgen zukunftsweisende Ideen: Estella Benz, Fajer Mushtaq und Xi Zhang – drei Frauen, die einen Unterschied machen wollen. Und deshalb für den SEF.WomenAward 2022 nominiert sind. Dieser wird am 1. April in Zürich verliehen.

FOTOS:SANDRA BLASER

Estella Benz

Fajer Mushtaq

Xi Zhang

Mitgründerin & CEO, Skin Match Technology Switzerland AG

Mitgründerin & CEO, Oxyle AG

Vorsitzende & CEO, Superlab Suisse AG

Mit über zehn Jahren Erfahrung in der Digitalbranche gründete Estella Benz 2017 die Skin Match Technology Switzerland AG mit. Die Tools des Zürcher Software-as-a Service-Unternehmens helfen Beauty-Marken und -Retailern, der Endkundschaft transparent, informativ und neutral die individuell besten Produkte zu empfehlen. Mit der «Skin Match Technology» gewann Estella Benz die ­ForwardBeautyChallange von DOUGLAS und nahm am Beauty Tech Accelerator von L’Oréal in Paris teil. Vor der Skin Match Technology Switzerland AG gründete sie die US-Firma RUE CINQ Inc., welche sie bis heute leitet. Estella Benz erwarb diverse Schweizer Diplome und Zertifikate in den Fachdisziplinen Kommunikation und Marketing, zudem bildete sie sich am Fashion Institute of Technology (USA) im Bereich Unternehmertum weiter.

Fajer Mushtaq ist Mitgründerin und CEO der seit 2020 bestehenden Oxyle AG. Das ETH-Spin-off ermöglicht es, Wasser auf nachhaltige und kosteneffiziente Weise von giftigen Schadstoffen zu reinigen. Mit seiner Innovation gewann das Cleantech-Start-up mehrere internationale Preise wie den «SEIF Award for Social Innovation» oder die Hello Tomorrow Global Challenge in der Kategorie «Energy & Environment». Fajer Mushtaq hält einen Elektrotechnik-Bachelor der Aston University (GBR) und einen Master in Mikro- und Nanosystemen der ETH Zürich. Ebenfalls an der ETH Zürich schloss sie 2019 ihr Doktorat zu intelligenten Nanomaterialien für die Umweltsanierung ab, das den Ausgangspunkt der Oxyle AG bildet. Ihr unternehmerisches Know-how eignete sich Fajer Mushtaq in diversen Programmen und Workshops an.

Die Architektin Zhang Xi gründete 2019 die Superlab Suisse AG. Die Zürcher Firma bietet Life-Science-Unternehmen Laborräume und entsprechende Dienstleistungen an. Mit diesem «lab as a service»Ansatz sparen die Mitgliedfirmen wertvolle Ressourcen und können sich vollständig auf die Forschung fokussieren. Zhang Xi ist ausserdem Mitgründerin des Architekturbüros EXH Design, dessen Sitz in Shanghai seit 2006 und derjenige in Zürich seit 2016 besteht. Die gebürtige Chinesin absolvierte ihr Architekturstudium an der Tongji University (CHN) und der ETH Zürich. Sie ist zudem im Schweizerischen Ingenieur- und Architektenverein (SIA) als Architektin registriert. Zhang Xi glaubt an Energie und fördert die asiatische Architekturphilosophie sowie Feng Shui im zeitgenössischen globalen Kontext.

«Jeder Person, die sich überlegt, sich selbstständig zu machen rate ich: Mach heute den ersten Schritt!»

«Ledership ­bedeutet für mich, die nächste ­Generation an ­Führungskräften zu ­fördern und ­somit den ­Erfolg des Unternehmens zu ­sichern.»

«Ich habe gelernt, mich von der Realität nicht ­einschränken zu lassen – man kann alles s­ chaffen, wenn man an sich glaubt.»

Estella Benz

Fajer Mushtaq

Xi Zhang


Samstag, 26. März 2022

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Die Finalistinnen der Kategorie Unternehmerin/CEO des Jahres SEF.WomenAward 2022: Anna Baumann, Brigitte Breisacher und Monika Walser vereinen Erfahrung, Engagement sowie Persönlichkeit, was sie zu echten Vorbildern für junge und angehende Unternehmerinnen macht.

FOTOS: SANDRA BLASER

Anna Baumann

Brigitte Breisacher

Monika Walser

Direktorin, Natur- und Tierpark Goldau

CEO, Alpnach Schränke + Küchen AG

CEO, de Sede AG

Sie ist seit 2008 Direktorin des Natur- und Tierpark Goldau: Anna Baumann. Daneben amtet sie als Präsidentin der Stiftung pro Bartgeier, VR-Mitglied der Sparkasse Schwyz und Stiftungsrätin der Vogelwarte Sempach. Ab 2023 beginnt Anna Baumann als CEO der UNESCO Biosphäre Entlebuch ein neues berufliches Kapitel. Vor demjenigen in Goldau war sie unter anderem Geschäftsleitungsmitglied des Zoo Zürich, der Swisscom und Prokuristin bei der Credit Suisse. Anna Baumann absolvierte einen VR-Zertifikatslehrgang der Universität St. Gallen und einen Executive Master in Strategic Management and Leadership der Strathclyde Business School (GBR). Eine ihrer grossen Leidenschaften ist die Önologie, welche sie zwischen ihren Stationen bei der Credit Suisse und der Swisscom für einige Zeit nach Chile und Argentinien führte.

Brigitte Breisacher ist seit 2008 Inhaberin und Unternehmensleiterin der Alpnach Norm Holding AG mit Sitz in Alpnach, welche die Alpnach Schränke AG, Alpnach Küchen AG und ZURAG AG umfasst. Die Anfänge der Gruppe gehen ins Jahr 1966 zurück, als Brigitte Breisachers Vater Theo Breisacher die Alpnach Schränke AG gründete. Sie selbst trat 1987 nach ihrer kaufmännischen Lehre ins Familienunternehmen ein. Bis zum Generationenwechsel 2008 agierte sie betriebsintern in wechselnden Funktionen und etablierte gemeinsam mit ihrem Vater die Alpnach Küchen AG. Neben der Leitung der Alpnach Norm Holding AG mit den heute knapp 200 Mitarbeitenden widmet sich Brigitte Breisacher passioniert dem gesellschaftlichen Engagement. Dies etwa im Rahmen der Stiftungen der Eltern und der Lungern-Turren-Bahn.

Nach Führungsjobs bei diAx, sunrise, Swissgrid und Freitag leitet Monika Walser seit 2014 als CEO und Teilhaberin die de Sede AG und schaffte mit ihrem Team in einem schwierigen Umfeld den Turnaround; auch führt sie deligno AG – Sägerei, Hoblerei und Holzhandel. Daneben hält Walser diverse Verwaltungsratsmandate, etwa bei der Sanitas Krankenversicherung AG, Orior AG und beim Zoo Zürich. Die gelernte Haute-Couture-Damenschneiderin mit Ausbildung (u.a. Master in Rhetoric und Technical Communication, Executive Master of Business Administration in Leadership and Ethics) setzt bei der Umsetzung ihres erfolgreichen Geschäftsmodells ebenso auf die Handwerkskunst und Exzellenz ihrer über 100 Mitarbeitenden wie auch auf die Herausforderungen der Digitalisierung: Industrie 4.0 ist im beschaulichen Aargauer Dörfchen Klingnau, wo die exklusiven Ledermöbel von de Sede entstehen, längst lebendig gewordener Alltag.

«Chancen kommen j­eden Tag an einem vorbei. Um diese zu sehen und zu ­packen, muss man offen sein und Mut haben.»

«Gemeinsam schaffen wir das. Um das U ­ nmögliche zu erreichen, glaube ich daran, dass wenn wir tun, dass es möglich ist!»

Anna Baumann

Brigitte Breisacher

«Es ist gut, eine ­gewisse Streitkultur zu haben, in der Leute ihre Ideen ­verteidigen. Diese ­Reibung ergibt die besten ­Ergebnisse.» Monika Walser


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«Es handelt sich um eine stille Pandemie» Sie hat den SEF.WomenAward gewonnen. Und mit ihrer Firma will sie endlich eine schlimme Krankheit stoppen, die stetig zunimmt: Alzheimer werde für unsere Gesellschaft eine immer grössere Herausforderung werden, weil die Menschen immer älter werden, sagt Andrea Pfeifer im Interview. balen Impfkonzepts gezeigt und sie hat auch dazu beigetragen, das Bewusstsein und die Akzeptanz von Impfungen deutlich zu erhöhen – zumindest im weit überwiegenden Teil der Bevölkerung. Sie ist ein dramatisches Beispiel für das Potenzial der Biotechnologie zur Bekämpfung menschlicher Krankheiten. Da ein immer grösserer Teil der Weltbevölkerung geimpft ist, erholen sich immer mehr Länder der Welt von der Coronavirus-Pandemie. Die Auswirkungen von Covid-19 in den Teilen der Welt, die den besten Zugang zum Impfstoff hatten, sind im Vergleich zu dem, was sie hätten sein können, gedämpft. Als Gesellschaft können wir daraus lernen und unsere Bemühungen zur Bekämpfung anderer Pandemien, wie neurodegenerativer Erkrankungen, beschleunigen.

Was bewirken Auszeichnungen wie der SEF.WomenAward? Andrea Pfeifer: Der SEF.WomenAward ist ein wichtiger Baustein zur Anerkennung der Führungsrolle und des Beitrags von Frauen zur unternehmerischen Innovation in der Schweiz. Dabei geht es nicht nur um den Preis selbst, sondern auch darum, wie viele Unternehmen sich daran beteiligen und welche Signalwirkung davon insgesamt für die künftigen Chancen von Frauen ausgehen. Wir können es nicht länger dulden, dass behauptet wird, es gäbe nicht genügend qualifizierte Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Wenn es mehr weibliche Führungskräfte gibt, kann die Gesellschaft als Ganzes davon nur profitieren. Ich habe diese Auszeichnung angenommen, um die Anerkennung und Akzeptanz für weibliche Führungskräfte bei allen Geschlechtern zu erhöhen und vor allem, um neue Chancen für die nächste Generation von Frauen zu schaffen. Bei AC Immune SA, einem sehr internationalen Unternehmen, das ich 2003 mitbegründet habe, bin ich sehr stolz darauf, dass 54 Prozent unserer Mitarbeitenden Frauen sind und dass diese aufgrund ihrer Leistungen eingestellt wurden. Es ist wichtig, dass junge Frauen sehen: Es ist möglich, aufzusteigen und in Spitzenpositionen zu gelangen. Ich hoffe aufrichtig, dass der SEF.WomenAward talentierte Frauen inspiriert und ihnen auch Türen öffnet. Ich persönlich bin sehr stolz auf die Auszeichnung und würde mich sehr freuen, wenn die Annahme des SEF.WomenAward auch anderen Frauen auf ihrem Weg hilft. Sie sind Unternehmerin seit 2003. Hat sich seither die Zahl von Unternehmerinnen vergrössert? Die Zahl der Unternehmerinnen ist zwar im Laufe der Jahre gestiegen, bleibt aber mit einem Anteil von einem Drittel niedrig. Obwohl mehr Frauen den Wunsch haben, Unternehmerinnen zu werden, sind dafür in der Schweiz noch Verbesserungen der Rahmenbedingungen erforderlich, beispielsweise in der Kinderbetreuung und ganz allgemein in der kulturellen Mentalität. Das gilt insbesondere im Vergleich zu einigen Nachbarländern. Die Zeiten, in denen sich eine Frau zwischen Familie und Beruf entscheiden musste, sollten eigentlich der Vergangenheit angehören. In den Unternehmen gibt es ein grosses Potenzial an weiblichen Führungskräften, das noch nicht voll ausgeschöpft wird. Hier muss sich die grundsätzliche Einstellung noch ändern. Ist die Schweiz gut in der Forschung, aber nicht so gut in der Unternehmensgründung? Das würde ich nicht bedingungslos unterschreiben. Ich denke, unsere Erfolge bei AC Immune wurden durch die günstigen Bedingungen in der Schweiz ermöglicht. Das wirtschaftliche Umfeld für Unternehmende ist im Vergleich zum Rest der Welt ein hervorragendes. Das heisst aber nicht, dass wir nicht mehr tun könnten. Unser lokales Ökosystem wird hauptsächlich durch Investitionen aus dem Ausland gestützt, und es gibt einen inländischen Wettbewerb zwischen der Westschweiz, Basel und Zürich/Zug in Bezug auf Investitionen. Sehr ermutigend fand ich den Entscheid des Bundesrates vom letzten November, der es Pensionskassen ermöglicht, bis zu fünf Prozent ihres Vermögens in junge, innovative Schweizer Unternehmen zu investieren, deren Aktien nicht an der Börse gehandelt werden. Dies ist ein Wegbereiter für einen positiven Wandel für alle Unternehmenden in der Schweiz. Ich persönlich bin stolz darauf, AC Immune in der Schweiz gegründet zu haben. Sie haben sich zum Ziel gesetzt, ein Medikament gegen Alzheimer zu ent-

Gewinnerin des SEF.WomenAward 2021: Prof. Andrea Pfeifer, CEO der AC Immune SA.

wickeln. Ihr Ansatz dabei heisst Präzisionsmedizin. Was meinen Sie damit? Da unsere Bevölkerung altert, wird die Häufigkeit neurodegenerativer Erkrankungen voraussichtlich noch weiter zunehmen. Wenn die Pandemie nicht gestoppt wird, bedrohen der Produktivitätsverlust (der Patienten und ihrer Betreuer) und die Kosten für die medizinische Versorgung unseren wirtschaftlichen Wohlstand. Die weltweiten medizinischen Kosten für Neurodegeneration werden bis 2030 voraussichtlich 2 Billionen Franken erreichen. Es ist ein dringendes sozioökonomisches Gebot, die Forschung und Entwicklung in diesem Bereich voranzutreiben. In der Präzisionsmedizin – wir sprechen auch von personalisierter Medizin – wird die Diagnose dafür eingesetzt, um für Krankheitsbilder die für den betroffenen Patienten am besten geeignete Behandlung auszuwählen. Langjährige Forschungsarbeiten haben gezeigt, dass neurodegenerative Erkrankungen durch eine Handvoll abnormaler Formen menschlicher Proteine ausgelöst werden, die sich im Gehirn der Betroffenen ansammeln. Dies geschieht von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Unser Ziel ist es, die krankheitsspezifischen Proteinopathien jedes einzelnen Patienten zu identifizieren und zu überwachen, um die rechtzeitige Auswahl der am besten geeigneten Therapeutika je nach Krankheitszustand des Einzelnen zu ermöglichen.

Darüber hinaus sind wir der Überzeugung, dass das Verhindern von Neurodegeneration durch frühzeitiges Erkennen und gezieltes Impfen die grössten menschlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen hat. Wenn wir den Kampf gegen diese schleichende Pandemie gewinnen wollen, bieten also Impfstoffe die beste Möglichkeit, den Prozess der pathologischen Ereignisse aufzuhalten, bevor irreversible Schäden entstehen. Daher führen wir und unsere Partner in diesem Jahr drei separate klinische Studien mit drei Impfstoffen zur Behandlung von Alzheimer und Parkinson durch. Würden Sie die Entwicklung der modernen Impfstoffe gegen Corona auch zur Präzisionsmedizin zählen? Nein, die Impfstoffe gegen Covid-19 wurden gegen einen klar definierten Erreger entwickelt und haben eine schnelle und effiziente Reaktion auf die Pandemie ermöglicht. Die Impfstoffe gegen Covid-19 sind zwar sehr gezielt auf das Virus ausgerichtet, aber bei der Auswahl dieser Behandlungen werden die unterschiedlichen Krankheitsmerkmale der einzelnen Patienten und Patientinnen nicht berücksichtigt. In welcher Weise beeinflusst Corona die Entwicklung der Pharmaforschung? Die Covid-19-Pandemie hat die Durchführbarkeit und den Nutzen eines glo-

REMO NEUHAUS

«Die Zeiten, in denen sich eine Frau zwischen Familie und Beruf entscheiden musste, sollten eigentlich der Vergangenheit angehören.»

Ergeben sich aus der Entwicklung von Corona-Medikamenten Rückschlüsse für ihre Forschung? AC Immune will das erste Unternehmen sein, das Impfstoffe zur Vorbeugung neurodegenerativer Erkrankungen entwickelt. Covid-19 hat es deutlich gemacht: Um eine weltweite Pandemie zu stoppen, sind Therapien erforderlich, die das Fortschreiten von schweren Ausprägungen der Krankheit verhindern. Aus sozioökonomischer Sicht ist das Impfen deutlich kosteneffizienter als der durch Quarantäne, Krankenhausaufenthalte und Tod verbundene Produktivitätsverlust. Derzeit sind schätzungsweise 50 Millionen Menschen an Alzheimer erkrankt, und die Häufigkeit nimmt zu. Es handelt sich um eine stille Pandemie. Die gute Nachricht ist, dass eine Impfung möglich ist, obwohl neurodegenerative Erkrankungen nicht auf ein Virus zurückzuführen sind. An Menschen mit neurodegenerativen Erkrankungen wurde bereits gezeigt, dass Impfstoffkandidaten und -kandidatinnen gegen Alzheimer und Parkinson sichere und robuste Immunreaktionen auslösen können, die sehr spezifisch für die Proteinopathien sind, die an der jeweiligen Krankheit beteiligt sind. Letztlich wollen wir aber eine Diagnostik anbieten, mit der diese Krankheiten erkannt werden können, bevor Symptome auftreten, und den/die entsprechenden jährlichen Impfstoff(e) anbieten, um Symptome von Alzheimer, Parkinson und anderen neurodegenerativen Krankheiten zu verhindern. Dank der Fortschritte in der Biomarker-Forschung, insbesondere bei den Blut-Biomarkern, wird es möglich sein, Risikopersonen 10 oder sogar 20 Jahre vor dem Auftreten von Symptomen zu diagnostizieren. Wir glauben deshalb, dass Prävention – ähnlich wie wir es heute bei Brust- und Prostatakrebs kennen – möglich ist, und dass dies weltweit tiefgreifende Auswirkungen haben wird. Sie engagieren sich im Projekt BBP BrainTrust. Dieses will das Bewusstsein für degenerative Gehirnerkrankungen bei Frauen fördern. Weshalb dieser spezielle Fokus auf Frauen? Leider sind 70 Prozent der Alzheimer-Patienten und auch die Mehrheit der Pfleger von Alzheimer-Patienten Frauen. Deshalb habe ich letztes Jahr den Global Be Brain Powerful Braintrust mitbegründet, um diese unverhältnismässige Belastung anzugehen. Wir sind eine internationale Gruppe erfahrener weiblicher Persönlichkeiten, die das Bewusstsein schärfen und die Forschung unterstützen wollen, um besser zu verstehen, wie wir die Gesundheit des Gehirns fördern können. Unser Ziel ist es, internationale Organisationen und globale Entscheidungstragende bei der Umsetzung von Aktionsplänen zu beraten, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, Bildung und finanzieller Unterstützung basieren. Interview: Felix E. Müller


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Frauen der Wirtschaft

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Samstag, 26. März 2022

Das Rezept für junge Leaderinnen 2019 war Venus Mijatovic im SEF.NextGen Camp, 2020 gründete sie ein veganes Café. Was die nächste Generation von Leaderinnen ausmacht, erzählt sie im Interview. Du hast 2020 in Glarus ein Café eröffnet, noch dazu ein veganes. Wie bist du auf diese Idee gekommen? Venus Mijatovic: Ich selbst ernähre mich seit 10 Jahren vegetarisch. Aufgewachsen in Glarus habe ich immer wieder das Problem gesehen: Es gibt kaum Optionen für Vegetarierinnen und Vegetarier beziehungsweise Veganerinnen und Veganer. Ich wollte selbst eine Lösung dafür finden, weshalb ich auf die Idee des veganen Cafés kam. Obwohl man nicht gerade denkt, dass jede Glarnerin und jeder Glarner als Erstes zur veganen Variante greifen würde, haben wir schnell gemerkt, dass das Thema hier relevant ist. Zusätzlich haben wir den Prozess der Gründung und des Aufbaus auf Social Media geteilt und schon vor der Eröffnung Millionen von Menschen mit JUICE 1 erreichen und inspirieren können. Die Eröffnung war dann ein Riesenerfolg, das Konzept ist eingeschlagen und seit dem ersten Tag hat sich gezeigt, dass wir den Nerv der Zeit getroffen haben.

Es war eher intuitiv. Ich war schon lange fasziniert vom Unternehmertum und da Corona meine ursprünglichen Pläne unmöglich machte, habe ich meine Chance genutzt und während meines Praktikums in einem Food-Tech-Start-up nebenbei die Idee von JUICE 1 entwickelt. Ich wollte selbst anpacken und etwas verwirklichen.

Das Café Juice 1 wurde während der Coronakrise eröffnet. Was hat dich ausgerechnet während der Pandemie zur Selbstständigkeit bewegt?

Du hast den Schritt gewagt. Was denkst du, brauchen Leaderinnen von morgen? Das SEF.NextGen Camp ist ein guter Ansatz. Ich lernte andere Personen mit

Was hat dir dabei geholfen, diesen Weg zu gehen? Das Wichtigste war, Gleichgesinnte zu haben, die mitziehen. Wir haben uns gegenseitig unterstützt und gepusht, diese Idee wirklich umzusetzen. Neben meiner persönlichen Faszination rund um das Unternehmertum hat mich der Einblick, den ich im SEF.NextGen Camp erhalten habe, dazu inspiriert, meine Ideen mit anderen zu teilen und zu verwirklichen. Mithilfe des Gelernten sowie auch des aufgebauten Netzwerks hatte ich die nötige Motivation, selbst Unternehmerin zu werden und die Welt zu verändern.

einem unternehmerischen Denken kennen und nahm die Energie daraus mit. Ich denke essenziell dafür, etwas Eigenes zu gründen und in die «Rolle einer Leaderin» hineinzuwachsen, ist der Austausch mit Gleichgesinnten und seine Idee nach aussen zu tragen. Eine gute Portion Selbstvertrauen und eine gewisse Resilienz haben mir persönlich geholfen, mit der unvermeidlichen Kritik und den Auf und Abs des Unternehmertums umzugehen. Was hat dir selbst damals gefehlt? Ein Vorbild. Männer können sich an vielen Vorgängern orientieren, von denen es bei Frauen weniger gibt. Ich denke Frauen müssen noch bewusster gefördert und ins Zentrum gesetzt werden, dazu trägt der SEF.WomenAward einen wichtigen Teil bei. Auch im SEF. NextGen Camp wurde bewusst darauf geachtet, dass wir 50 Prozent Frauen 50 Prozent Männer sind, um so die Nachwuchsförderung von jungen Frauen noch stärker zu unterstützen. Wenn wir Frauen noch mehr fördern und ins Zentrum stellen, haben Nachwuchstalente auch Vorbilder, nach denen sich jüngere Frauen richten können: Wenn mein Vorbild das kann, kann ich das auch.

Mehr Frauenpower für die Autobranche Von Führungsebene zu Führungsebene variiert der Frauenanteil bei Schweizer Firmen stark. Besonders in der Automobilbranche arbeiten wenig Frauen. Die AMAG ist darum bemüht, diese Momentaufnahme zu verändern.

Venus Mijatovic hatte den nötigen Mut, ein komplett neues Konzept für Glarus umzusetzen. Was gibst du den Leaderinnen von morgen mit auf den Weg? Einfach mal ausprobieren und machen. Es braucht eine gesunde Portion Selbstvertrauen. Ich selbst neige dazu, zuerst die Risiken abzuwägen, bevor ich die Chancen sehe. Vergleiche ich mich mit meinem Co-Founder Gianni, sieht er in erster Linie Chancen und Möglichkeiten. Man sollte sicher auch eine gewisse Naivität mitbringen und darf sich gleichzeitig auch trauen. Die Relevanz von dem, was man schaffen will, sollte im Zentrum stehen, nicht das mögliche Scheitern. Interview: Seraina Branschi

Venus Mijatovic ist 20-jährig und hat mit Gianni Hodel (ebenfalls Teilnehmer des SEF.NextGen Camp) und einem weiteren Freund das vegane Café Juice 1 in Glarus gegründet. Seither floriert das Geschäft.

Bedürfnisse der Frauen vermutlich besser versteht?», fragt sie rhetorisch. Gerade in diesem Bereich möchte Anja Bates etwas unternehmen, um mehr Frauen in die AMAG-Gruppe zu holen. Alles kann aber die AMAG auch nicht beeinflussen. Denn: «In der Berufsbildung machen wir ab und zu die Erfahrung, dass die Eltern ihren Töchtern davon abraten, einen Automobilberuf zu lernen», erklärt Anja Bates. Diese Haltung mache es dann schwieriger, junge Frauen für technische Lehrstellen zu gewinnen und zu begeistern. Gegenwärtig kann die AMAG 10 Prozent der Lehrstellen mit jungen Frauen besetzen, als Ziel werden mindestens 20 Prozent angestrebt. Über die ganze AMAG-Gruppe beträgt der Frauenanteil 16,3 Prozent, bei den Kaderstel-

JUICE 1

Förderprogramm für junge Talente SEF.NextGen hat seit 2018 das Ziel, die Unternehmerinnen und Unternehmer von morgen zu fördern und mit Schweizer Unternehmen zu vernetzen. Jährlich werden mindestens zwei Camps durchgeführt, in denen jeweils 30 junge Erwachsene zwischen 18 und 24 Jahren während einer Woche Fallbeispiele von externen Firmen lösen und ihre Ansätze am Ende präsentieren. Seit 2021 wird das Programm auch zusammen mit der HotellerieSuisse zur spezifischen Förderung von der Gastro- und Hotelbranche durchgeführt. Melde dich jetzt für ein Camp an: sef-nextgen.ch.

lich kann jede und jeder jeden Job machen», ist Anja Bates überzeugt. Ausserdem habe das Schweizer Traditionsunternehmen AMAG eine tolle Produktpalette sowie ein sehr emotionales Produkt und nehme die Nachhaltigkeit ernst. Wichtig seien auch die Stabilität und Sicherheit der AMAGGruppe als Arbeitgeberin. Bei diesen Kriterien habe die AMAG in einer Mitarbeitendenumfrage wie auch in externen Umfragen sehr gut abgeschnitten. «Wir sind also durchaus eine attraktive und interessante Arbeitgeberin – auch für Frauen», ist Anja Bates überzeugt. Ausserdem attestiert eine im letzten Jahr durchgeführte Studie, dass bei der AMAG Frauen für gleiche Arbeit gleich gut bezahlt seien wie Männer.

Es gibt genug weibliche Talente

«Ich bin der Meinung, dass wir unsere Kundinnen und Kunden spiegeln sollten.»

Jobs in der Automobilbranche werden immer vielfältiger und für Frauen sowie weibliche Lernende attraktiver.

MICHAEL BAUMANN

Frauen fahren genauso viel Auto wie Männer – und sogar besser, wenn man die Unfallstatistiken anschaut. An der Affinität kann es also nicht liegen. Aber: In der Schweizer Automobilbranche sind Frauen allgemein, aber auch weibliche Lernende immer noch deutlich untervertreten. Das mag mit Rollenklischees zu tun haben, die in der heutigen Zeit jedoch Auslaufmodelle sein sollten. Bis in der Autobranche bei der

Geschlechterverteilung in dieser Hinsicht eine Besserung eintritt, wird es noch etwas dauern und es gibt noch viel zu tun. Doch Jobprofile verändern sich, das Angebot an Tätigkeiten wird vielfältiger und für Frauen attraktiver.

Alte Rollenbilder aufbrechen Auch die AMAG-Gruppe sieht sich mit dieser Situation konfrontiert. Zwar macht das Unternehmen viel, um Frauen zu fördern, um weiblichen Nachwuchs

FOTOS: AMAG

zu rekrutieren und um althergebrachte Rollenbilder aufzubrechen. Einfach gestaltet sich die Aufgabe aber nicht. Anja Bates, seit Herbst 2021 Chief Human Resources Officer bei der AMAG, findet es merkwürdig, dass junge Frauen zwar Autofahren lernen, aber kaum Autos verkaufen oder reparieren. «Ich bin der Meinung, dass wir unsere Kundinnen und Kunden spiegeln sollten.» Denn wenn sich Frauen ein Auto kaufen, warum sollten sie beim Händler nicht von einer Frau beraten werden, welche die

len 13,2 Prozent. Wie beabsichtigt denn die AMAG, sich besser als Arbeitgeberin für Frauen auf dem Markt zu positionieren? Für Anja Bates ist klar: «Wir haben noch Potenzial. Wir machen bei der AMAG sehr vieles sehr gut. Ich glaube aber, dass wir es noch nicht immer im vollen Masse kommunizieren.» Jede Businessunit soll einzeln angeschaut werden, um ambitionierte DiversityZiele und -Massnahmen zu definieren.

In Vorstellungsgesprächen, so die Erfahrung der HR-Chefin bei der AMAG, verkaufen sich Frauen vielfach unter ihrem Wert, weil sie ihre Kompetenzen tendenziell unterschätzen. Auf diesen Umstand soll vermehrt geachtet werden. Auch bräuchten Frauen bei der Karriereplanung mehr Unterstützung, weil sie oft Teilzeit arbeiteten. In allen HR-Prozessen werde der Frage des Geschlechterausgleichs Beachtung geschenkt. Gerade im Verkauf gebe es noch viel zu wenig Frauen. Diese Situation müsse geändert werden, weil in diesem Bereich problemlos Teilzeit gearbeitet werden könne. «Nur weil eine Frau eine Frau ist, stellen wir sie nicht an. Aber schon heute bevorzugen wir bei gleicher Qualifikation die Frau», sagt Anja Bates. «Denn es gibt genügend weibliche Talente.»

Spannende Erfolgsgeschichten Die AMAG soll gemäss der Vorstellung von Anja Bates alle Führungsebenen mehr einbeziehen und Frauen dazu motivieren, ihre eigenen Geschichten zu erzählen. «Wir haben so viele spannende Erfolgsgeschichten in unserem Unternehmen, die auch in den sozialen Medien gehört werden sollen.» Zudem sollen als Herausforderung auch die einzelnen Garagenbetriebe für das Thema sensibilisiert werden. «Denn grundsätz-

Anja Bates ist seit Herbst 2021 Chief HR Officer bei der AMAG.


Frauen der Wirtschaft

Samstag, 26. März 2022

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«Women’s Health wurde lange als Nische betrachtet» Lea von Bidder ist Mitglied der SEF.WomenAward-Hauptjury und das nicht von ungefähr. Die Mitgründerin und CEO des mehrfach ausgezeichneten Femtech-Unternehmens Ava über Frauen in der Start-up-Welt und das Potenzial von Daten. Gemeinsam mit Pascal Koenig, Philipp Tholen und Peter Stein gründete Lea von Bidder 2014 Ava. Das Start-up hat ein smartes Armband für Frauen entwickelt, das während dem Schlaf getragen wird und dabei verschiedene physiologische Parameter misst. Auf Basis dieser Daten können algorithmusbasiert die fruchtbaren Tage errechnet und somit Kinderwünsche erfüllt werden. In den ersten Jahren nach der Gründung leitete von Bidder das Marketing sowie das US-Geschäft von San Francisco aus. Im Januar 2020 übernahm sie die Rolle der CEO und lebt seither wieder in Zürich, wo sich der Hauptsitz der Firma befindet. Ava ist von Bidders zweites Startup. Direkt nach ihrem Universitätsabschluss baute sie im indischen Bangalore die Schokoladenfirma L’inouï auf. Mit erst 24 Jahren hast du bereits zwei Unternehmen gegründet. Woher kommt dein Interesse für das Unternehmertum? Lea von Bidder: Ich interessiere mich nicht primär fürs Unternehmertum, sondern dafür, dass man in diesem Bereich sehr früh sehr viel bewirken kann. Wir leben alle nicht sehr lange, unsere Karrieren sind also relativ kurz. Entrepreneurship erlaubt es mehr als andere Jobs, während der uns verfügbaren Zeit etwas zu bewegen. Von 2014 bis 2019 hast du in San Francisco gelebt und von dort aus für Ava gearbeitet. Was hast du an der US-Westküste gelernt? Extrem viel. San Francisco war eine karriereprägende Erfahrung für mich. Ich glaube, der Ort ist nach wie vor marktbestimmend in der Technologie-Szene. Während es in der Schweiz noch immer belächelt wird, wenn jemand beispielsweise mit einer App die Welt verändern will, ist es dort extrem stark verankert, gross zu denken. Das kann auch zu einem gewissen Grössenwahn führen. Aber die Idee, dass alles möglich ist, finde ich extrem schön. Das hat mir viel gegeben. Hinzu kommt, dass ich keine Frau aus der Schweizer Tech-Branche nennen könnte, die ich 2014 bewundert habe und über die ich dachte: Da will ich hin. Das hat sich in San Francisco komplett gedreht. Ich sage nicht, dass dort alles rosig war. Doch ich hatte wahnsinnig inspirierende Frauen in meinem Umfeld, die erfolgreich waren in dem, was ich mache. Das braucht man, um weiterzumachen. Gibt es mittlerweile mehr etablierte Frauen in der Schweizer TechnologieBranche? Die anderen Frauen im Tech-Entrepreneurship kann ich noch immer an einer Hand abzählen – wir treffen uns alle einmal im Monat. Es ist aber sicher besser als damals. Also ja, wir machen Fortschritte. Es ist nur immer die Frage, mit welcher Geschwindigkeit man sich zufriedengibt. Was müsste sich noch ändern? Ich glaube, wir haben ein ÖkosystemProblem. Dazu muss man wissen, dass die Leute in der Start-up-Szene zwischen verschiedenen Rollen wechseln. Die meisten fangen als Founder an, sind davor vielleicht Start-up-Angestellte, und wenn alles gut geht, werden sie schliesslich Investierende. In der Schweiz sind es bisher praktisch nur Männer, die Firmen gegründet und damit Geld gemacht haben. Sie sind die neuen Investoren und ihre meist männlichen Angestellten die neuen Founder. Es ist ein Zyklus, in dem Gender Bias weitergetragen werden. Wir sind aber dabei, diese Strukturen aufzubrechen – wenn auch nur langsam. Es gibt jetzt immer mehr weibliche Start-

up-Angestellte in der Schweiz, die irgendwann abgeworben und dann selbst gründen werden. Was hier allerdings erschwerend dazukommt, sind generell viele Policies, die nicht darauf ausgelegt sind, dass Frauen Karriere machen. Das überträgt sich ins Start-up-System. Frauen sind auch bei Ava von zentralem Interesse. Das Unternehmen bewegt sich in der Femtech-Industrie, die technologiebasierte Gesundheitslösungen für Frauen anbietet. Die Branche ist vergleichsweise unterentwickelt. Wieso ist das so? Schliesslich hat sie die Hälfte der Weltbevölkerung zur Zielgruppe. Das ist ein komplexes Thema. Vor allem im letzten Jahr haben wir in dieser Branche viel Aufwind gesehen, inzwischen wird sie als Hot Industry gehandelt. Viele Investierende möchten in diesem Bereich ein Investment machen. Es fehlt jedoch an Validierung in Form von Erfolgsmodellen und Milliarden-Exits. Der Bereich ist aber auch noch sehr jung. Ava ist eines der älteren Unternehmen und erst sieben Jahre alt. Natürlich kann man sich fragen, wieso nicht schon vorher Femtech-Firmen gegründet wurden. Dabei spielt sicher mit, dass Women’s Health lange als Nische betrachtet wurde. Da muss man sich keine Illusionen machen. Spielt es zudem eine Rolle, dass entsprechende Themen kulturell mit Scham verbunden werden? Schambehaftung ist sicher ein Problem. Ich habe viele Investoren getroffen, die sagten, sie möchten lieber nicht mit mir über die Periode reden. Ich glaube, das weicht sich mittlerweile auf. Trotzdem ist es nun einmal so, dass man gerne in etwas investiert, das man selber gut findet und einem nahe ist. Ich kann das durchaus nachvollziehen, es zeigt aber das Problem auf, dass die Investorenstruktur noch immer zu männlich ist. Vor dem Hintergrund, dass die Start-upSzene nach wie vor stark männlich geprägt ist, tangiert euch bei Ava der Gender-Data-Gap – die geschlechterbezogene Lücke in der Datenerfassung. Der Grund, dass man Frauen nie in klinische Studien einbeziehen wollte, ist, dass bei ihnen viel mehr Variablen beachtet werden müssen als bei Männern. Diese zusätzlichen Faktoren wie zum Beispiel Schwangerschaften oder zyklusbedingte Hormonschwankungen verkomplizieren das Testen natürlich. Damit Frauen in Zukunft nicht mehr aus Studien ausgeschlossen werden, müssen wir die weibliche Physiologie so gut verstehen, dass ihre Effekte herausgerechnet werden können. Das versuchen wir. Was in diesem Zusammenhang spannend ist: Bei Ava haben wir ein Produkt zur COVID-19-Früherkennung entwickelt, für das eine grosse Studie durchgeführt wurde. Die Resultate sind weder veröffentlicht noch final. Aber es sieht so aus, als hätten wir das erste Produkt, das besser für Frauen als für Männer funktioniert. Das ist natürlich nicht das Ziel, genauso wie es für alle anderen Produkte nie das Ziel war, dass sie bei Männern besser wirken. Es ist allerdings interessant zu sehen, dass auch wir aktuell einen Bias im System haben. Nur fällt dieser für einmal zugunsten von Frauen aus, weil wir sie einfach besser verstehen. In dem Sinne: Was sind Daten für dich? Ich sehe unsere Daten bei Ava als einen Fundus für zukünftige Entwicklungen. Da wir sie nicht verkaufen, würde es sonst keinen Sinn für uns machen, sie zu behalten – ausser diejenigen zur Verbesserung unseres Services. Meine Hoffnung ist, dass wir als missions­

Lea von Bidder kann die anderen Frauen in der Schweizer Technologie-Branche «noch immer an einer Hand abzählen».

orientierte Firma mit diesen Daten neue Algorithmen bauen können. Das heisst übersetzt, dass wir uns beispielsweise die Daten von Menopausen oder Schwangerschaften anschauen und etwas Sinnvolles für diese Lebensphasen entwickeln können. Für mich sind Daten also nur wertvoll, weil wir hoffentlich zukünftig Erkenntnisse aus ihnen herausziehen und diese dann auf irgendeine Weise zur Verfügung stellen können.

PD

Der Fokus von Ava liegt aktuell auf Fruchtbarkeit. Ist das demnach erst der Anfang? Ja, Fruchtbarkeit ist erst der Anfang. Wir sind ein bisschen wie Kinder im Süssigkeitenladen: Wir schauen uns unsere Möglichkeiten an und sind überwältig von den unzähligen Dingen, die wir noch machen könnten – nur schon innerhalb des Gebiets der Fruchtbarkeit. Und darum: Wir haben noch sehr viele Ideen. Interview: Rebekka Christen

«Fruchtbarkeit ist erst der Anfang.»

Lea von Bidders Gedanken zu ... Zuhause Bin ich in ganz verschiedenen Ländern. Sehnsuchtsort Überall, wo ich zu Hause bin. Wer mich inspiriert Meine Mitarbeitenden.

Was ich im Moment lese Ich lese gerade zum zweiten Mal das «Book of Joy», eine Konversation zwischen dem Dalai Lama und Desmond Tutu. Das kann ich empfehlen, es lohnt sich.

Wen ich um Rat frage Meinen Mann.

Was ich aktuell höre Unzählige Podcasts, ständig. Wirklich gut ist «How I Built This with Guy Raz». Den höre ich religiös – wie ganz viele andere Podcasts auch.

Meine beste Entscheidung Vom klassischen Weg abzuspringen.

Auf was ich nicht verzichten kann Tee. Ich bin abhängig von Tee.


Leaderin. Vordenkerin. Anpackerin. Revoluzzerin. Leistungen von Frauen sind zu vielfältig für nur ein Rollenbild.

Expertinnen für Expertinnen: UBS Beratung für Unternehmerinnen. ubs.com/unternehmen

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