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Verlagsbeilage Impact Finance

Freitag, 14. April 2023 CH-8021 Zürich Telefon +41 44 258 16 98 nzzone.ch ADOBE STOCK PETAIR

Invest for tomorrow

Für alle, die an morgen denken: Wir investieren Ihre Prämien und Ihr Vorsorgevermögen in die nachhaltige Entwicklung der Gesellschaft und Umwelt.

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«Ein paar Bienenhotels wiegen den Asphalt vor den Doppelgaragen nicht auf»

ETH-Professor Philip Ursprung über falsche und richtige Nachhaltigkeit beim Bauen sowie die Gründe, die gegen Hochhäuser als Patentrezept für Verdichtung sprechen

Ist Bauen und Nachhaltigkeit nicht ein Widerspruch in sich?

Philip Ursprung: Nicht unbedingt. Bauen dient in erster Linie dem Schutz von Menschen und Nutztieren. Es verbessert und verlängert deren Leben. Der Aufwand an Energie, Material, Raum, Kapital und Arbeitskraft geht aber auf Kosten anderer, namentlich der Umwelt und der folgenden Generationen. Es hängt von der Balance dieser Faktoren ab, ob Bauen nachhaltig ist. In vorindustriellen Gesellschaften, wo Bauen vor allem Reparieren und Umbauen hiess, war das Bauen nachhaltig. Niemand hätte einen gebrannten Ziegel, einen behauenen Stein oder einen intakten Balken einfach weggeworfen. In den Industrienationen, wo Bauen vor allem Neubauen heisst, ist Bauen nicht nachhaltig. Das Erstellen, das Nutzen und das Abreissen von Gebäuden verursacht einen sehr grossen Teil der Treibhausgasemissionen weltweit. Wie der 6. Bericht des Weltklimarats ICCP von 2022 zeigt, hat die Bauindustrie allerdings auch ein enormes Potenzial, diese Emissionen durch neue Materialien und Energieeffizienz zu reduzieren.

Die Immobilienwirtschaft bekennt sich heute zum Ziel der Biodiversität. Ist das ernstgemeint?

Ich kann es nicht ernstnehmen. Wenn ich heute im Zug durch die Schweiz fahre, sehe ich überall Baugespanne auf der grünen Wiese. Doch seit dem Green Deal der EU und dem New European Bauhaus ist die Immobilienwirtschaft unter Zugzwang. Die politischen Ziele sind deutlich. Europa will die Führung übernehmen hin zur Klimaneutralität.

Die Industrie reagiert darauf. Ich sehe das Bekenntnis zur Biodiversität seitens der Immobilienwirtschaft deshalb auch als ein Instrument im Wettstreit um Kunden, Investitionen und Fördergelder.

Ist das nicht ein etwas hartes Urteil? Natürlich ist es begrüssenswert, die Umgebungsgestaltung nach ökologischen Gesichtspunkten zu organisieren, anstatt weiterhin die Vorgärten mit Steingärten und Metalltrögen zu versiegeln. Aber ein paar Bienenhotels wiegen die Asphaltflächen vor den Doppelgaragen nicht auf. Die Immobilienwirtschaft hat vor allem die unmittelbare Umgebung der Bauten im Blick. Das ist sehr kurzsichtig. Ich vermisse das Verständnis für die grösseren Zusammenhänge: das Bekenntnis zum Umbau statt Neubau, die Investition in nachhaltige Baustoffe, die Förderung von neuen Modellen des Zusammenlebens. Die Immobilienwirtschaft sollte sich nicht nur zur Biodiversität, sondern auch zur sozialen Vielfalt bekennen.

Was heisst Biodiversität im Zusammenhang mit Immobilienwirtschaft genau?

Es geht um die Vielfalt von Pflanzen und Tieren am und um Gebäude. Dachbegrünungen unterstützen Vögel und Insekten. Sie unterstützen auch die Isolation und die Kühlung von Gebäuden. Begrünte Fassaden können ebenfalls einen solchen Beitrag liefern, sind allerdings aufwändiger im Unterhalt. Die Umgebung von Gebäuden kann durch poröse Materialien und geeignete Bepflanzungen ebenfalls zum Schutz der Vielfalt beitragen. Bäume spenden Schatten und verbessern die Luftqualität, Sträucher an der Fassade tragen zur Kühlung bei. Korridore zwischen Bauten sind günstig für die Luftbewegung, aber auch für die Bewegung von Tieren. Die Lichtverschmutzung, die für viele Tiere, namentlich Insekten und Vögel, verheerend ist, kann durch differenzierte Beleuchtung stark reduziert werden.

Ist dieser Trend für Architekten nicht uninteressant? Der Architekt strebt doch

Philip Ursprung: «Die Umgebungsgestaltung nach ökologischen Gesichtspunkten zu organisieren ist begrüssenswert.»

danach, kühne Gebäude zu erstellen, die den Gesetzen der Natur zu widersprechen scheinen. Der Trend ist hochinteressant. Architektur kann der Nachhaltigkeit ein Gesicht geben, eine eigene Ästhetik dafür entwickeln. Ich beobachte es bei den Studierenden an meiner eigenen Hochschule: Noch bis vor wenigen Jahren konnten die Betonwände nicht dick genug sein, die Entwürfe nicht spektakulär genug in den Himmel ragen.

In welcher Richtung denken die angehenden Architektinnen und Architekten heute? Sie sind bestrebt, das Neue mit dem Alten und das vom Menschen gemachte mit der Umgebung, der Geologie, den Pflanzen zu verbinden. Die Studierenden interessieren sich für die Wiederverwendung von Bauteilen und die Entwicklung rezyklierbarer Baustoffe. Sie sind begeistert von der Idee, leere Bürobauten zu Wohnraum umzubauen. Sie sorgen sich um die verfallenden Ställe in der Alpenregion und suchen nach Wegen, die versiegelten Parkplätze im Mittelland aufzubrechen. Sie interessieren sich für Holzbau, Lehmbau, alte Techniken und allerneuste Verfahren. Vor allem empören sie sich, dass überall in der Schweiz völlig intakte Schwimmbäder, Spitäler, Wohnsiedlungen aus den 1970er- und 1980er-Jahren abgerissen und durch Neubauten ersetzt werden.

In der Schweiz heisst der Grosstrend heute Verdichtung. Ergibt sich daraus nicht ein Zielkonflikt, weil Verdichtung weniger Grün, mehr Hitze und mehr Bodenversiegelung in den Städten bringt? Verdichtung heisst vor allem Verdrängung. Immer weniger Menschen konsumieren immer mehr Raum in den Zentren. Immer mehr Menschen werden wegen der hohen Kosten in die Peripherie verdrängt, was wiederum den Verkehr zwischen Zentren und Peripherie verstärkt. Wer sich ein Loft im Zentrum leisten kann, hat meistens noch einen Sitz auf dem Land. Das heisst, auch in der Peripherie findet inzwischen Verdrängung statt. Die Pandemie hat diesen Trend der doppelten Verdrängung ver-

Philip Ursprung Professor für Kunst- und Architekturgeschichte, ETH Zürich ETH ZÜRICH

Zur Person

Philip Ursprung (Jahrgang 1963) studierte Kunstgeschichte, Allgemeine Geschichte und Germanistik in Genf, Wien und Berlin. 1993 promovierte er an der Freien Universität Berlin. Im Anschluss arbeitete er bis 1999 als Oberassistent am Institut für Geschichte und Theorie der Architektur der ETH Zürich und war von 2005 bis 2011 Professor für moderne und zeitgenössische Kunst an der Universität Zürich. Seit Februar 2011 hat er die Professur für Kunst- und Architekturgeschichte an der ETH Zürich inne. Während seiner Zeit an der ETH Zürich wurde er vom Verband der Studierenden mit der Goldenen Eule ausgezeichnet und erhielt 2017 vom Bundesamt für Kultur den Prix Meret Oppenheim.

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stärkt. Die soziale Diversität ist wichtiger als die Biodiversität. In der Schweiz mit ihren mittelgrossen Städten sind die urbanen Hitzeinseln wahrscheinlich kein unlösbares Problem. Die Städte reagieren, sie öffnen Asphaltdecken, pflanzen mehr Bäume und legen kleine Parks an. Windrichtungen, Wasserabflüsse werden Teil der Planung. Gefährlich sind die Hitzeinseln vor allem in den sehr dichten Wohnvierteln der südlichen Grossstädte Europas für Menschen, die während der Hitzewelle nicht ausweichen können.

Sie haben kürzlich das Hochhaus als den am wenigsten nachhaltigen Haustyp bezeichnet. Was führt Sie zu dieser Einschätzung?

Hochhäuser, namentlich Bürotürme, sind die Embleme der Kapitalakkumulation, der Ungleichheit und Segregation. Sie brauchen viel Energie und Material, um ihr eigenes Gewicht zu stemmen, eine enorme Infrastruktur für Erschliessung und Unterhalt. Natürlich ist manches Wohnhochhaus effizienter bei Heizung und Kühlung als eine Siedlung, wo Hunderte von Partien separat heizen und kühlen. Und in Ballungszentren mit astronomischen Bodenpreisen ist es nicht realistisch, zweistöckig zu bauen. Auch sind die Bedingungen nicht überall gleich, denn in manchen Gebieten der Welt sind Hochhäuser die einzige Möglichkeit, den Menschen angemessenen Wohnraum zu bieten. Hongkong ist nicht zu vergleichen mit Aarau. Dennoch sind aus der Perspektive der Nachhaltigkeit Hochhäuser Symbole des Trends, der den Klimawandel herbeigeführt und die Biodiversität zerstört hat.

Aber es gibt heute ja begrünte Hochhäuser oder solche aus Holz?

Begrünte Hochhäuser wie die Doppeltürme des Bosco Verticale in Mailand mit ihren baumbepflanzten Balkonen sind die eigentlichen Zombies der Architektur. Es sind Wesen aus einer anderen Zeit mit einem riesigen Appetit an Ressourcen, die sich als Wäldchen tarnen. Ein zentral gelegenes, lebendiges Quartier musste ihnen weichen.

Jetzt wohnen viel weniger Menschen in dem Gebiet und sie reden sich vielleicht ein, dank der Bäumchen auf dem Balkon etwas Gutes für ein paar Insekten zu tun. In Singapur gibt es einige beeindruckende Beispiele von begrünten Fassaden, welche die Atmosphäre auf den Terrassen und der unmittelbaren Umgebung verbessern. Sie sind allerdings aufwändig im Unterhalt. Sie sind nur möglich dank der Heerscharen von unterbezahlten Arbeitsmigranten, welche diese hängenden Gärten pflegen.

Und was ist mit Holzhochhäusern? Holzhochhäuser sind eine interessante Alternative zum Hochhaus aus Stahl und Glas, vor allem im nördlichen Europa, wo der Bedarf an Bauten nicht so gross ist wie in den rasch wachsenden Gesellschaften. Es sind interessante Experimentierfelder, und sie tragen mit dazu bei, ökologisches Bauen und Wohnen populär zu machen. Der Rohstoff Holz ist allerdings kostbar und sehr begrenzt. Die Wälder, aus denen das Holz stammt, werden mehr denn je gebraucht.

Interview: Felix E. Müller

Impressum

Impact Finance

ist eine Verlagsbeilage der NZZ. Inhalt realisiert durch NZZ Connect. Verlagsbeilagen werden nicht von der Redaktion produziert, sondern von unserem Dienstleister für journalistisches Storytelling: NZZ Content Creation.

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NZZ Content Creation: Maurice Müller (Produktion), Armin Apadana (Layout)

Kontakt: Neue Zürcher Zeitung AG, Zweigniederlassung NZZ Connect, Viktoriastrasse 72, CH ­ 3013 Bern; +41 31 334 88 88; connect@nzz.ch

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«Hochhäuser sind Symbole des Trends, der den Klimawandel herbeigeführt und die Biodiversität zerstört hat.»

Technologie als Kern eines nachhaltigen Finanzsystems

Eine Studie des Global Center for Sustainable Digital Finance der Stanford University und der Universität Zürich hat bei 362 Start-ups weltweit nachgefragt, um die relevanten Entwicklungen herauszukristallisieren.

THOMAS PUSCHMANN

Die Finanzindustrie befindet sich in einer dualen Transformation. Dabei verändern die Digitalisierung sowie die Ausrichtung an Nachhaltigkeitszielen die Branche fundamental. Dem Einsatz von Technologie kommt bei der Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele eine entscheidende Bedeutung zu. Einerseits sind etwa Nachhaltigkeitsbewertungen von Unternehmen ohne IT nicht zu bewerkstelligen. Andererseits eröffnen sich durch IT völlig neue Potenziale, Produkte und Dienste.

So ermöglichen beispielsweise Internet der Dinge (IoT) und Künstliche Intelligenz (AI) die Bereitstellung von Echtzeitdaten für Umweltbewertungen und können zur Entscheidungsfindung für die Geltendmachung von Versicherungsansprüchen genutzt werden. Derzeit werden solche Dienste jedoch zumeist nur von Start-ups entwickelt, während die bestehenden Akteure aus der Banken- und Versicherungswelt sich nur zögerlich damit befassen.

Viel nicht genutztes Potenzial

Eine Studie des Global Center for Sustainable Digital Finance der Stanford University und der Universität Zürich ermittelte in einer Analyse von 362 Start-ups weltweit, dass diese sich primär auf die Optimierung bestehender Prozesse konzentrieren und in weitaus geringerem Masse auf disruptive Innovationen (4,4 Prozent). Interessanter-

weise bilden den Schwerpunkt vorwiegend prozessübergreifende Ansätze wie Datenanalyse-Werkzeuge und weniger spezifische Lösungen für den Zahlungs-, Anlage- oder Finanzierungsbereich. Gerade hier bestünde aber ein enormes Potenzial. So entstehen beispielsweise Anwendungen, mit denen Konsumenten und Firmen auf Basis ihrer Zahlungstransaktionen den CO2-Fussabdruck berechnen können und so ihr individuelles Handeln optimieren können. Ein weiteres überraschendes Ergebnis der Studie ist, dass nur die wenigsten Lösungen sich auf die Verbesserung überbetrieblicher Fragestellungen wie die Nachhaltigkeitsbetrachtung von ganzen Wertschöpfungsketten fokussieren (31,4 Prozent) und die Einbindung von Behörden bislang überhaupt nicht berücksichtigt wird, obwohl der öffentliche Bereich gerade bei der Datenbereitstellung und der Besteuerung im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsbetrachtungen eine zentrale Rolle spielt. Aus Technologiesicht stehen vor allem Anwendungen auf Basis der Künstlichen Intelligenz (45,8 Prozent), Blockchain (34,7 Prozent) und Programmierschnittstellen (23,9 Prozent) im Vordergrund. Dass der letztgenannte Bereich nur in so geringem Masse berücksichtigt wird, ist ebenfalls überraschend, da gerade hier im Zusammenspiel mit Behörden, Banken und anderen Akteuren innovative Lösungen durch die Integration von öffentlichen Umwelt-, Anlage- und Echtzeitdaten geschaffen werden könnten.

Über Tellerrand hinausschauen Zusammenfassend betrachtet zeichnen sich drei relevante Entwicklungen ab:

„ Erstens werden zukünftig branchenübergreifende digitale Ökosysteme eine grosse Rolle bei der Entstehung neuer nachhaltiger Geschäftsmodelle spielen. Wie aber sehen solche disruptiven Ansätze aus und welche Rolle spielt die Regulierung dabei? Wie können einzelne Produkte und Dienste

hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit bewertet werden?

„ Zweitens werden zukünftig überbetriebliche Netzwerke aus bestehenden Anbietern und Institutionen sowie Start-ups und Technologieanbietern entstehen, um Nachhaltigkeitsansätze übergreifend zu implementieren. Wie aber können hierbei innovative Technologien eingesetzt werden, um die bestehenden und die neuen Prozesse entsprechend zu unterstützen und wie kann das Bewusst-

Ihr Kapital rettet die Welt?

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sein von Firmen und des Einzelnen dabei weiter geschärft werden, um deren Verhalten zu beeinflussen? Stichwort: Transparenz.

„ Drittens spielt die Konvergenz von teilweise noch im Entwicklungsstadium befindlichen Technologien zukünftig eine grosse Rolle bei der Umsetzung der zuvor genannten Ansätze. Wie können Blockchain, Künstliche Intelligenz, Metaverse und Quantum Computing in diesem Zusammenhang genutzt werden, um nachhaltige Lösungen im Finanzsektor zu implementieren? Wie können bankinterne Finanzdaten und externe Daten verknüpft werden und wie lassen sich neue Datenquellen, etwa Open-DataInitiativen von Regierungen, die in Verbindung mit unternehmens- und verbraucherbezogenen Daten neue Erkenntnisse ermöglichen, einbinden? Wie können neue Systeme wie Cognitive Computing und Neuromorphic Computing genutzt werden und welche neuartigen Anwendungen können aus neuen Technologien wie Edge Computing oder digitalen Zwillingen von Verbrauchern entwickelt werden?

Alle diese Fragestellungen sind Bestandteil des neuen Global Center for Sustainable Digital Finance der Stanford University und der Universität Zürich: sustainable­digital­finance.org.

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Thomas Puschmann ist Direktor des Global Center for Sustainable Digital Finance an der Stanford University & Universität Zürich Zukünftig werden branchenübergreifende digitale Ökosysteme eine grosse Rolle bei der Entstehung neuer nachhaltiger Geschäftsmodelle spielen. ADOBE STOCK

Warum «grüne» Anlagen oft die Erwartungen enttäuschen

ESG-Ratings fokussieren auf die finanziellen Risiken von Unternehmen. Die Orientierung an den UNO-Nachhaltigkeitszielen lenkt den Blick auf die Wirkung, die sie entfalten.

RUEDI KELLER

Wer mit Blick auf Umwelt, Gesellschaft und gute Unternehmensführung investiert – englisch Environmental, Social and Governance (ESG) –, ist meist auf sie angewiesen: ESG-Ratings. Spezialisierte Agenturen wie MSCI, Refinitiv, S&P oder Sustainalytics bieten sie in Form aggregierter Information zu Tausenden von Unternehmen an. Für sie ist das zum Milliardengeschäft avanciert. Doch die Benotungen stehen oft in einem Widerspruch zu dem, was Investoren von nachhaltigen Anlagen erwarten.

Fokus auf finanzielle Risiken

MSCI verspricht, mit ihren Ratings ESG-Risiken und Opportunitäten zu erfassen. Dies auf einer relativen Basis, das heisst, die Agentur vergibt ihre Noten entlang von Vergleichsgruppen, sogenannten Peer Groups. Sie bewertet Banken oder Ölkonzerne anhand separater Risikoparameter und gewichtet die Inputfaktoren je nach Branche unterschiedlich. Eine absolute Sichtweise, etwa mit Blick auf den CO2-Ausstoss eines Unternehmens, bietet ihr ESGRating nicht. Auch Vergleiche über verschiedene Branchen hinweg sind bei diesem «Best in Class»-Ansatz nicht möglich.

Der Ansatz von Sustainalytics ist auf die Messung von «unmanaged ESG risks» ausgerichtet, wie es die Ratingagentur formuliert. Damit will sie den Teil des ökonomischen Werts eines Unternehmens erfassen, den ESG-Faktoren in Gefahr bringen können. Die Messmethode ist zweidimensional: Zuerst wird die Exponiertheit eines Unternehmens gegenüber ESG-Risiken festgelegt. Danach folgt die Analyse, wie gut die Prozesse des Managements sind, um die festgestellten Risiken zu kontrollieren.

Gemeinsam ist allen Anbietern von ESG-Ratings, dass sie auf die finanziellen Risiken fokussieren, die Einflüsse aus Umwelt, Gesellschaft und die Unternehmensführung auf die Firmen haben – und nicht darauf, welche Wirkung die Unternehmen auf die Umwelt und die Gesellschaft ausüben.

Positive Wirkung erwartet «Nachhaltigkeitsrisiken verringern und eine positive Wirkung erzielen sind zwei vollkommen unterschiedliche Stossrichtungen», sagt Reto Ringger, Nachhaltigkeitspionier und Gründer sowie CEO der Globalance Bank. Anleger würden oft annehmen, bei der Investition in ein Unternehmen mit einem hohen ESGRating etwas Gutes zu tun. Tatsächlich habe das nichts damit zu tun, sondern sei eine reine Umweltrisikoanalyse.

Die Gegensätzlichkeit zeigt sich in einer Umfrage der ETH Zürich und der Universität Zürich zur «Sustainable Finance Literacy and the Determinants of Sustainable Investing». Auf die Frage, was nachhaltige Finanzprodukte von konventionellen Investitionen unterscheidet, antwortete eine Mehrheit von Privatinvestoren mit dem Stichwort: Umwelt. Nur knapp 9 Prozent assoziierten nachhaltige Anlagen mit finanzieller Stabilität. Die Erwartung der Investoren, was in einer als nachhaltig deklarierten Anlage enthalten ist, unterscheidet sich also deutlich von dem, was ESG-Ratings erheben.

Nachhaltigkeitsziele im Blick

«Wir haben uns lange an ESG-Kriterien orientiert», sagt Hendrik Leber, ValueInvestor und geschäftsführender Gesellschafter des Fondshauses Acatis. Er sei sich allerdings wie in der Schule vorgekommen: «Der Musterschüler wird hervorgehoben, einzig weil er nie negativ auffällt.» Einfach die Braven zu kaufen, reiche ihm nicht, so Leber. «ESG ist eine rückwärtsgerichtete Schau des Wohlverhaltens. Mein Anliegen ist es, die Welt zu verändern.» Er orientiere sich deshalb an den 17 globalen Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Development Goals, kurz SDG) der Vereinten Nationen (UNO). Sie leiten den Blick nach vorn.

Einen systematischen Ansatz dazu entworfen hat Robeco. Das auf nachhaltige Anlagen spezialisierte niederländische Fondshaus entwickelte eine eigene Messgrösse, die den Beitrag – positiv wie negativ – abbilden soll, den Unternehmen zur Erreichung der UNO-Nachhaltigkeitsziele leisten.

Diesen Robeco SDG-Score vergleichen Wissenschafter in einer Studie mit den ESG-Ratings grosser Anbieter. Es zeigt sich: Die UNO-Nachhaltigkeitsziele führen tendenziell zu einer Übereinstimmung mit den Präferenzen aktiver Asset Manager. ESG-Ratings hingegen nicht.

Nachhaltige Anlagen müssen sich künftig verstärkt an beiden Kategorien orientieren – und ihre Komplementarität transparent kommunizieren –, damit der derzeit meist einseitige Fokus auf die finanziellen Risiken nicht an den Erwartungen der Investoren vorbeizielt, die sie bezüglich der Wirkung ihrer Anlagen haben – und sie allzu oft mit einem Gefühl von Greenwashing zurücklässt. Ruedi Keller ist Autor von «themarket.ch».

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Die Ziele für nachhaltige Entwicklung in der Übersicht. UNO
Nur 9 Prozent assoziieren nachhaltige Anlagen mit finanzieller Stabilität.

Diese Überbauung hat mehr Biodiversität als eine Wiese

HORTUS in Allschwil wird ohne Untergeschoss aus Holz und Lehm gebaut, zahlt seine graue Energie in einer Generation zurück, ist nach 30 Jahren energiepositiv – und rechnet sich.

Der Gebäudesektor ist für einen Viertel aller C02-Emissionen in der Schweiz verantwortlich. Bei der Bautätigkeit fallen pro Jahr rund 74 Millionen Tonnen Abfall an. Diese Zahlen sind erschreckend, sie zeigen aber auch eine Chance auf: Die Bauwirtschaft ist in der Lage, einen entscheidenden Teil zur Energiewende und zu einer nachhaltigeren Gesellschaft beizutragen. Die Entwickler SENN setzten sich deshalb zusammen mit den Architekten von Herzog & de Meuron zum Ziel, dieses Potenzial am Beispiel des Projekts HORTUS aufzuzeigen und neue Lösungsansätze zu entwickeln.

Die Branche ruht nicht. Im Zuge der Nachhaltigkeitsbestrebungen im Bau werden laufend neue Orientierungsgrössen entwickelt, die Architektinnen und Planern helfen, ihre Projekte nachhaltiger zu gestalten. Einiges wird in Normen vorgeschrieben, an anderen orientieren sich die Beteiligten freiwillig. sia, SNBS, Leeds: Die Fülle an Kriterien und Richtwerten kann überwältigen. Die ohnehin hohe Komplexität von Bauvorhaben wird durch sie nochmals potenziert. Digitalisierung, Datenanalyse und das Erwachen der künstlichen Intelligenz kommen da gerade recht.

Dimensionen der Nachhaltigkeit

Soll ein Projekt achtsam entwickelt werden, müssen sich alle Beteiligten schon früh im Planungsprozess darauf einigen, welche Faktoren im Vorder-

grund stehen. In der Betrachtung des HORTUS (House of Research, Technology, Utopia and Sustainability) fallen nicht nur die Ökologie, sondern auch die Behaglichkeit, die Gesundheit und die Flexibilität ins Gewicht. HORTUS sollte auf vielen Ebenen radikal nachhaltig sein und dazu auch noch die Mehrwerte der Nachhaltigkeit aufzeigen. Denn rentieren muss das Bauvorhaben trotz allem.

Bei unseren Immobilienprojekten denken und arbeiten wir in sechs Nachhaltigkeitsdimensionen:

1. Resource Positive: Im Bau werden nicht mehr Ressourcen ver(sch)wendet als nötig. Wir setzen zum Beispiel auf

HORTUS

Der geplante Bau trägt den Namen HORTUS – House of Research, Technology, Utopia and Sustainability. Er wird seine Erstellungsenergie innerhalb einer Generation, also unter 30 Jahren, zurückzahlen. HORTUS ist der Kreislaufwirtschaft verpflichtet. Jedes Bauteil hat eine bereits vor dem Verbauen eingeschriebene Zukunft – und Anleitung zur Weiterverwendung, sollte das Gebäude nach einigen Generationen nicht mehr benötigt werden. «Wir müssen fähig sein, alles, was wir herstellen, und alles, was wir machen, allem eine nachhaltige und auch eigene Schönheit zu geben. Das ist eine Herausforderung, aber

langlebige nachwachsende Baustoffe und planen Trennbarkeit und Kreisläufe mit ein. So senken wir Lebenszykluskosten.

2. Energy Positive: Der Betrieb konsumiert möglichst wenig Energie. Das Gebäude produziert möglichst viel Energie. Die Erstellungsenergie wird amortisiert. So erwirtschaften wir Einnahmen, erfüllen wir Autarkiebestrebungen und bringen Mieter und Investoren weiter auf ihrem Absenkungspfad.

3. Community Positive: Wir bauen auf eine gute Durchmischung, achten auf eine interessante Erdgeschossnutzung und vernetzen uns im offenen Dialog mit der Gemeinde, den Nachbarinnen

und Nutzern. So erhöhen wir Akzeptanz, Vermietbarkeit und Mieterstabilität.

4. Human Positive: Gesundheit, Behaglichkeit und Aufenthaltsqualität für Menschen und andere Lebewesen werden optimiert. So erhöhen wir Nutzerzufriedenheit und Ertragspotenzial.

5. Business Positive: In unseren Gebäuden soll gut gewirtschaftet und erschwinglich gewohnt werden können. Kommerzielle Flächen sind flexibel. Wohnungen sind kompakt, mit hohem Nutzwert und berücksichtigen wandelnde Bedürfnisse. So erhöhen wir ebenfalls Nutzerzufriedenheit und Ertragspotenzial.

auch eine unglaublich reizvolle Idee, weil das eine neue Ästhetik schaffen wird auf dieser Welt», sagen die Architekten von Herzog & de Meuron.

Die Eröffnung des HORTUS ist für das Jahr 2025 geplant. Das Angebot richtet sich primär an Digital- und TechFirmen. Diese können von der Nähe zur Life-Science-Branche und zueinander profitieren. Das Projektteam forscht aktuell an behaglichkeits- und gesundheitsförderlichen Konzepten sowie an einer neuen Form der Miete. Firmen sollen nur das exklusiv mieten, was sie wirklich brauchen, und sich darüber hinaus gemeinsame Flächen teilen (access

over ownership). Das HORTUS wird Teil des BaseLink-Areals in Allschwil bei Basel. Dort beziehen in den nächsten Jahren unter anderem der Switzerland Innovation Park Basel Area, das Schweizerische Tropen- und PublicHealth-Institut, das Pharmaunternehmen Basilea Pharmaceutica Ltd. sowie das Department of Biomedical Engineering und das Innovation Office der Universität Basel ihre Büros und Labors.

Die Baubewilligung für den HORTUS wurde erteilt. Somit steht einem Baubeginn im Frühjahr 2023 nichts mehr im Wege.

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Auf dem BaseLink­Areal in Allschwil bei Basel wird das Bürogebäude mit 12000 Quadratmeter entwickelt. FOTOS: HERZOG & DE MEURON Das gesamte Areal inklusive Durchgangsstrassen umfasst 75000 Quadratmeter, davon 13500 Quadratmeter Grünfläche. DR. JOHANNES EISENHUT

Menschen in der Schweiz haben grossen Wohndrang. Wir müssen verdichten. Jedoch nicht auf Kosten anderer Spezies.

6. Investment Positive: Die Gebäude sollen langfristig flexibel nutzbar sein, niedrige Betriebs- und Unterhaltskosten haben, nachhaltig rentieren und auch künftig gut handelbar sein.

Biodiversität unromantisch

Von der Biodiversität existiert eine romantisierte Vorstellung: eine unberührte Landschaft, in der eine mannigfaltige Flora und Fauna heimisch sind. Die Antithese sind die «Betonwüsten» der Bauwirtschaft. Tatsache ist, dass durch intensive Landwirtschaft immer weniger Arten einen geeigneten Lebensraum finden. So sind es oft Siedlungen, die der Artenvielfalt ein Refugium bieten.

In Bezug auf die Biodiversität besser zu sein als die grüne Wiese: Hierin steckt für die Bauwirtschaft eine grosse Chance. Die Spezies Mensch hat in der Schweiz grossen Wohndrang. Wir müssen verdichten. Jedoch bitte nicht auf Kosten anderer Spezies. Geht das? Biodiversität ist schliesslich ein komplexes System. Sie wissenschaftlich zu messen setzt fundiertes Fachwissen voraus. Bisher fehlen anwendbare, wissenschaftlich basierte und verifizierte Indikatoren für Biodiversität im Siedlungsraum auf verschiedenen räumlichen Ebenen (Bauparzelle, Quartier, Gemeinde). Diese sind jedoch Voraussetzung, dass Zielgrössen definiert, implementiert und überprüft werden können.

Messgrösse Biotopflächenfaktor

Um den Einfluss eines Bauprozesses auf die Biodiversität zu überprüfen, kommt

in unseren Projekten deshalb der Biotopflächenfaktor (BFF) ins Spiel. Der BFF wurde 1990 in Berlin im Bestreben eingeführt, die vielfältigen Belastungen zu reduzieren, die in der Stadt auf Umwelt und Bevölkerung einwirken. Er beschreibt, welchen Anteil ein Grundstück von den potenziellen Funktionen des Naturhaushaltes übernehmen kann und formuliert einen ökologischen Mindeststandard für bauliche Änderungen und Neubebauungen.

Der BFF reicht von 0,0 für gänzlich versiegelte Flächen bis zu 1,0 für hochqualitative, biodiverse Vegetationsflächen. Halboffene Flächen –salopp gesagt die sprichwörtliche grüne

Wiese – befinden sich mit Faktor 0,5 in der Mitte. Entwickler und Architekten haben in Allschwil deshalb mit ungewöhnlichen Materialien experimentiert und sich auf eine Bauweise geeinigt, die der Kreislaufwirtschaft verpflichtet ist.

Das 12 000 Quadratmeter grosse Bürogebäude auf dem Life-Science-Areal BaseLink in Basel-Allschwil wird ohne Untergeschoss aus Holz und Lehm gebaut und wird seine graue Erstellungsenergie in einer Generation zurückzahlen und nach 30 Jahren energiepositiv sein (hortus.ch).

Trotz oder gerade wegen eines klassischen Zielkonflikts zwischen Photovoltaikaufbauten und Dachbegrünung

wurde mit den Expertinnen von siedlungsnatur.ch die Optimierung des BFF hoch gewichtet. Das gesamte Areal inklusive Durchgangsstrassen umfasst 75 000 Quadratmeter, davon 13 500 Quadratmeter Grünfläche. Ihr Anteil beträgt also 18 Prozent. Mit einer unterbauten Vegetationsfläche mit mittlerer Substratmächtigkeit sowie dem Garten und Fassadenbegrünung erreicht HORTUS einen BFF von 0,52. Und damit knapp mehr als die «grüne Wiese» mit 0,5. Gerade noch geschafft, mag man sich nun denken. Und in der Tat: Der Zielwert in unserem nächsten, laufenden Projekt mit Herzog & de Meuron liegt bei 0,6. Die grüne Wiese wird grüner.

Zur Person

Dr. Johannes Eisenhut ist Geschäftsführer von der SENN Development AG. Als Familienunternehmen ist SENN seit 1965 in der Entwicklung, Planung und Realisierung von Immobilien tätig. Aus der Liebe zum Ort entwickelt und realisiert die Firma mit führenden Architektinnen und Architekten radikal nachhaltige und wirtschaftlich ambitionierte Immobilienprojekte in der deutschsprachigen Schweiz.

Kontakt: ej@senn.com senn.com

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Das Bauwerk wird aus einem ungewöhnlichen Mix aus Naturmaterialien konstruiert. Die Eröffnung des HORTUS ist für das Jahr 2025 geplant. Holz, Lehm und eine grosszügige Begrünung: So soll das HORTUS aussehen.
Das Bürogebäude wird ohne Untergeschoss aus Holz und Lehm gebaut und nach 30 Jahren energiepositiv sein.
Dr. Johannes Eisenhut ist Geschäftsführer von SENN Development AG. DANIEL AMMANN

Wie grün ist die Immobilienbranche?

ESG-Kriterien gehören mittlerweile genauso zur Werthaltigkeit von Liegenschaften und Immobilienanlageprodukten wie das physische Fundament.

ERIK GANZ, DR. ANTONIOS KOUMBARAKIS, SEBASTIAN ZOLLINGER

Die Nachhaltigkeitsthemen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) bilden, bezogen auf den Immobiliensektor, einen dichten Dschungel. Entsprechend unsicher und divers zeigen sich die Marktakteure bei der Umsetzung der ESG-Berichterstattung. Trotzdem sollten sie sich frühzeitig mit den neuen Anforderungen auseinandersetzen. Denn eine Prüfung der nichtfinanziellen Berichterstattung wird unter Umständen schon bald verpflichtend werden. Und beim Kauf von Liegenschaften sollten sie ESG-Kriterien prüfen, um Risiken von Sanierungskosten gezielt abzuwenden.

Hohe Regulierungskomplexität

In der Schweiz verpflichtet die Schweizerische Bankiervereinigung ihre Mitglieder, bei der Beratung zur Immobilienfinanzierung Energieeffizienzaspekte einzubinden. Die Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich (MuKEn) legen kantonale Bau- und Sanierungskriterien vor. Zudem kommen diverse Zertifizierungslabels wie GEAK oder Minergie zum Tragen. Die EU passt derzeit diverse Richtlinien an: Mit der Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden strebt sie die totale Dekarbonisierung des Immobiliensektors an. Mit der Energieeffizienzrichtlinie will sie den Energie-

verbrauch von Immobilien weiter senken und mit der Richtlinie über erneuerbare Energien deren Verbrauch anheben. Seit 2015 bietet die Energy Efficient Mortgage Initiative einen Bewertungsrahmen für Immobilienvermögen an.

Offenlegung auf dem Prüfstand

Für die ESG-Berichterstattung sind die (selbst-)regulatorischen Grundlagen heterogen und nur wenige von ihnen verpflichtend. Doch der Druck von Anlegenden, Aufsicht, Branche und weiteren Anspruchsgruppen wächst, was die Unsicherheit über die Handhabung erhöht.

Das zeigt eine aktuelle Studie von PwC Schweiz über die ESG-Berichterstattung von SIX-kotierten Immobiliengesellschaften. Die Resultate belegen eine uneinheitliche Offenlegung, teilweise fehlende Zielvorgaben und Messungen sowie heterogene Emissionsund Verbrauchszahlen.

Die aktuellen Entwicklungen weisen darauf hin, dass Europa die ESGOffenlegung auf das Niveau der Finanzberichterstattung heben will. Mit anderen Worten: In Zukunft wird auch eine ESG-Prüfung notwendig sein, um der Forderung nach mehr Transparenz und Glaubwürdigkeit nachzukommen.

Eine solche bietet wertvolle Vorteile: gestärktes Risikomanagement, reduzierte Greenwashing-Risiken und höheres Vertrauen in die Nachhaltigkeit von Immobilien und Immobilienanlageprodukten.

ESG beeinflusst Immobilienbewertung

Es erstaunt nicht, dass ESG-Kriterien auch im Portfolio- und Assetmanagement an Bedeutung gewinnen. Institutionelle Investoren konzentrieren sich vorwiegend auf die Absenkung der CO2-Emissionen bei der Liegenschaftennutzung. Durch die wachsende Nachfrage nach Green Investments und höheren Rohstoffpreisen steigen die wirtschaftlichen Anreize zur Emissionsreduktion. Allerdings sind auch die Kosten fürs Umrüsten überproportional zur Baukostenteuerung gestiegen.

Wer eine Liegenschaft akquiriert, kommt um die Analyse der ESG-Kriterien nicht herum. Entspricht ein Gebäude nicht den Ansprüchen von Regulator oder Investoren, sind Alternativen für die Investitionsstrategie zu finden. Ältere nicht ESG-konforme Liegenschaften lassen sich im regulären Sanierungszyklus anpassen. Neuere Liegenschaften ohne ESG-Konformität müssen vor Ende der Bauteillebenszyklen saniert werden. Entsprechend gross ist ihr Wertverlust gegenüber einem ESGkonformen Objekt.

Weitsicht gewinnt

Für den Immobilienmarkt gibt es vielfältige ESG-Standards und -Prinzipien, Ziele, Zertifizierungen und Benchmarks. Das macht die Materie so komplex. Daher ist es empfehlenswert, sich frühzei-

Über kurz oder lang wird eine Prüfung der ESGBerichterstattung verbindlich.

tig mit ihr auseinanderzusetzen und sich über die eigenen Pflichten im Klaren zu werden. Über kurz oder lang wird eine Prüfung der ESG-Berichterstattung verbindlich. Im Weiteren sollten die Verantwortlichen beim Kauf von Liegenschaften ESG-Kriterien prüfen, um Kostenrisiken von Sanierungen im Griff zu behalten.

Erik Ganz ist Senior Manager der Assurance Real Estate bei PwC; Dr. Antonios Koumbarakis ist Head Sustainability & Strategic Regulatory bei PwC; Sebastian Zollinger ist Head Real Estate Advisory, PwC

Warum privates Kapital Teil der Antwort sein muss

Humanitäre Finanzierung: Die Lücke in der humanitären Hilfe und die sich verändernde Art der humanitären Krisen erfordern neue Ansätze zur Bewältigung von Leid in den Gesellschaften.

VANINA FARBER, PATRICK REICHERT

Marktbasierte Ansätze zur Finanzierung humanitärer Hilfe haben in den letzten Jahren für viel Aufregung und zugleich viel Kritik gesorgt. Die Verheissung ist gross: Neue Modelle sollen soziale und ökologische Auswirkungen haben und gleichzeitig finanzielle Erträge bringen. Die Erfahrung zeigt: Es ist möglich – aber es bedarf mehr als traditioneller Finanzierungsinstrumente wie jährlicher Zuschüsse, um menschliches Leid und Umweltkrisen lindern zu können.

Im Jahr 2019 blieb die humanitäre Hilfe um mehr als 11 Milliarden USDollar hinter dem Bedarf der Vereinten Nationen (UNO) zurück. Die Pandemie, globale Konflikte und zunehmende Klimaschocks, zum Beispiel Überschwemmungen und Dürren, haben die Lücke seither erheblich vergrössert: Von den 49,5 Milliarden US-Dollar, die für den globalen Reaktionsplan für Covid-19 gefordert wurden, hatten die Geberstaaten bis vergangenen September trotz humanitärer Appelle nur 17,2 Milliarden US-Dollar bereitgestellt – ein Delta von 32,3 Milliarden USDollar. Die Lücke in der humanitären Hilfe und die sich verändernde Art der humanitären Krisen erfordern neue Ansätze zur Bewältigung von Leid in den Gesellschaften. Sie verlangen nach alternativen Kapitalquellen, die die traditionelle Zuschussfinanzierung ergänzen. Das erfordert eine stärkere Zusammenarbeit und Co-Investitionen zwischen Regierungen, Entwicklungsfinanzierungs- Institutionen (DFI), Nichtregierungs-Organisationen (NGO) und dem Privatsektor. Diese Zusammenarbeit beruht häufig auf dem «De-Risking»Mechanismus: Öffentliche oder philanthropische Gelder werden eingesetzt, um vergünstigte Finanzierungen zu ermöglichen oder Verlustgarantien zu geben, damit dort, wo andernfalls priva-

tes Kapital gefährdet wäre oder keine öffentlichen Mittel bereitgestellt würden, trotzdem Massnahmen ergriffen werden.

Vom Pilotprogramm zum

Massstab

Wie das funktionieren könnte, zeigt der weltweit erste «Humanitarian Impact Bond» (HIB). Der vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) im Jahr 2017 aufgelegte HIB sammelte 26 Millionen Franken von privaten Geldgebern wie NewRe, Lombard Odier und andere. Damit konnten über fünf Jahre drei neue Rehabilitationszentren in konfliktbetroffenen Teilen Afrikas wie Nigeria, Mali oder der Demokratischen Republik Kongo gebaut und betrieben werden. Tausende von Menschen, die durch gewaltsame Konflikte, Krankheiten oder Unfälle verletzt wurden, profitierten von Dienstleistungen dieser Zentren.

2019 blieb die humantiäre Hilfe 11 Milliarden US­Dollar hinter dem Bedarf der UNO.

Am Ende des fünften Jahres wurde das IKRK von Geldgebern wie den Regierungen Belgiens, der Schweiz, Italiens, des Vereinigten Königreichs und der Stiftung «La Caixa» entsprechend den erzielten Ergebnissen bezahlt. Bei diesem Modell handelt es sich um eine sogenannte ergebnisorientierte Finanzierung, weil die Geldgeber nur dann den vollen Betrag an die Investoren zurückzahlen, wenn das Projekt als Erfolg gewertet wird.

Zu diesem Zweck haben unabhängige Prüfer die vom IKRK angegebene Effizienz in den drei neuen Zentren überprüft. Die Effizienz – das Verhältnis zwischen der Anzahl der Personen, die Mobilitätshilfen pro Rehabilitationsfachkraft erhalten – wird mit den bestehenden Zentren verglichen. Liegt sie über der Benchmark, zahlt das IKRK den privaten Investoren ihre ursprüngliche Investition plus eine jährliche Rendite (bis zu 7 Prozent) zurück. Liegt die Leistung der neuen Zentren jedoch unter der Benchmark, verlieren die privaten Investoren einen bestimmten Betrag ihrer Anfangsinvestition (bis zu 40 Prozent).

Mischfinanzierung für humanitäre Krisen

Trotz der Herausforderungen durch Pandemie, Militärputsche und anhaltender Gewalt schlossen die IKRKZentren 9 Prozent effizienter ab als der Benchmark. Die erfolgreichen Ergebnisse dieses Pilot-Projekts zeigen, dass innovative Finanzierungsmodelle wie Blended Finance (siehe Kasten), also der Mischfinanzierung, die Möglichkeit bieten, die Finanzierung von Entwicklungsprojekten anders, innovativer und effizienter anzugehen.

Die Mischfinanzierung umfasst in der Regel einen oder mehrere Unterstützungsmechanismen:

1. Direkte Finanzierung für die Beseitigung kommerzieller Hindernisse

2. Technische Hilfe

3. Mechanismen zur Risikominderung

4. Marktanreize

Die sich daraus ergebende Finanzierungsregelung ermöglicht es Investoren und Gebern mit unterschiedlichen Zielen, langfristige Investitionen so zu tätigen, dass sie wirklich der Gesellschaft zugute kommen, jedoch zugleich attraktive Renditeprofile für private Geldgeber schafft.

Vanina Farber ist elea Professorin für soziale Innovation an der Wirtschaftshochschule IMD in Lausanne; Patrick Reichert ist stellvertretender Direktor und Wissenschaftlicher Mitarbeiter am elea-Lehrstuhl für Soziale Innovation, ebenfalls IMD in Lausanne.

Blended Finance

Zu den drei Hauptmerkmalen von Blended-Finance-Transaktionen gehören:

1. Hebelwirkung: Einsatz von humanitären und/oder Entwicklungsfinanzierungen und philanthropischen Mitteln, um kommerzielle Finanzierungen für Projekte zu gewinnen.

2. Wirkung: Investitionen fördern den entwicklungspolitischen, sozialen, ökologischen und/oder humanitären Fortschritt.

3. Rendite: Finanzielle Erträge für private Investoren, die den Markterwartungen entsprechen, basierend auf realen wie wahrgenommenen Risiken.

8 NZZ-Verlagsbeilage Impact Finance Freitag, 14. April 2023
Beim Kauf von Liegenschaften sollten Sie ESG­Kriterien prüfen. ADOBE STOCK Die Lücke in der humanitären Hilfe erfordert neue Ansätze. ADOBE STOCK

Nachhaltigkeit als Chance für die Bauwirtschaft

An den Hochbau werden wegen dem Klimaschutz und der Energieknappheit zunehmend höhere Anforderungen gestellt. Mit modernen Ansätzen zur Nachhaltigkeit bleibt die Branche zukunftsfähig.

Einerseits herrscht in der Schweiz Wohnungsknappheit, die Bevölkerungszahl nimmt stetig zu und es werden immer mehr Quadratmeter Fläche pro Person beansprucht. Anderseits sind ehrgeizige nationale und internationale Klimaziele einzuhalten. Diese Konstellation führt zu einem Zielkonflikt, der vor allem die Bau- und Immobilienbranche betrifft. Doch es gibt zahlreiche Massnahmen, um allen Ansprüchen gerecht zu werden. Vor allem wenn Baufirmen konsequent auf die Karte der Nachhaltigkeit setzen, können sie grossen Einfluss auf den Material- und Energieverbrauch nehmen sowie Abfälle und Treibhausgase vermeiden. Adrian Wyss, Head Division Real Estate bei Implenia, sagt im Gespräch, dass der Impact der Bau- und Immobilienbranche gross sei. Allein in der Schweiz seien rund 1,6 Milliarden Tonnen Treibhausgase in Gebäuden gebunden. «Deshalb ist es wichtig, so gut es geht, mit der bestehenden Substanz zu arbeiten.»

Weitere Zersiedlung verhindern

Das bedeutet, dass ältere Gebäude nicht mehr komplett abgebrochen werden und an ihrer Stelle Neubauten entstehen, sondern dass sie eine energetische Sanierung erfahren. Sinnvoll seien häufig auch Anbauten, erklärt Adrian Wyss. Bereits verbautes Material soll weitestgehend wieder genutzt werden. Allenfalls könne der Bestand aufgestockt werden, was zur Verdichtung beitrage und die weitere Zersiedlung im Interesse der Biodiversität verhindere. «Biodiversität fördern können wir beispielsweise auch durch begrünte Dachflächen, die Verwendung von einheimischen Pflanzen und die Anbringung von Brutkästen für Mauersegler.» Und Bodenflächen seien so wenig wie möglich zu versiegeln, damit das Wasser versickern könne.

Als Beispiel für dieses Vorgehen nennt er die Göhner-Siedlung «Vogelsang» in Wetzikon (ZH), wo die bestehenden Gebäude zum Teil saniert oder aufgestockt oder mit Neubauten ersetzt wurden. «Für Implenia ist es alternativlos, sich mit Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen.» Das Thema sei weder als lästig noch als Belastung zu sehen – im Gegenteil. «Wir begreifen die Herausforderungen als Chancen und wollen unsere Verantwortung wahrnehmen sowie unseren Beitrag leisten», bekräftigt er. Die höheren Anforderungen förderten auch die Innovationskraft und führten zu neuen Lösungen. «Ich denke, dass Implenia in dieser Hinsicht in Europa zu den führenden Bau- und Immobilienunternehmen zählt», sagt Adrian

Teil der Unternehmenskultur

Nachhaltiges Bauen sei, so Adrian Wyss weiter, heutzutage nicht nur eine ökologische Notwendigkeit, für die Kunden und Investoren seien damit auch verschiedene Vorteile verbunden. Schon seit 2009 sei die Nachhaltigkeit einer der Unternehmenswerte von Implenia und betreffe die Akquisition, die Entwicklung, die Realisierung und den Betrieb eines Projekts. Und zwar auf höchster Ebene und in jeder operativen Einheit. «Nachhaltigkeit ist ein wichtiger Teil der Unternehmenskultur geworden.» Implenia setze sich eigene Ziele und überprüfe regelmässig die Resultate. «Deshalb sind wir in der Lage, integrale Lösungen und Prozesse sowie innovative Sanierungskonzepte anzubieten», führt er aus. Grundlage dafür sei immer eine umfassende Beratung zu projektspezifischen Nachhaltigkeitsstrategien für einzelne Gebäude oder ganze Areale.

Nachhaltigkeit ist gemäss den Ausführungen des Head Division Real Estate also nicht bloss ein kurzfristiger Trend oder ein Investment in die Umwelt. Wenn Kunden nicht nur die Er-

stellungskosten berücksichtigten und den Blick auf die gesamte Lebensdauer von Gebäuden richteten, dann zahle sich eine höhere Investition in die Nachhaltigkeit auf lange Sicht auch finanziell aus. Der Grund dafür seien tiefere Unterhaltskosten. Zudem haben nachhaltig gebaute Gebäude einen Mehrwert, weil sie höhere Standards erfüllen. «Unser Ziel ist es, für mehrere Generationen zu bauen.»

Kreislaufwirtschaft hat Potenzial

Dabei sieht Adrian Wyss grosses Potenzial bei der Kreislaufwirtschaft, also bei dem Wirtschaftssystem, in dem Materialien und Produkte so lange wie möglich stofflich im Umlauf gehalten werden. «Denn unsere Gesellschaft braucht zunehmend Material, und gleichzeitig haben wir zu wenig Primärrohstoffe», sagt er. Da gegenwärtig global erst rund sieben Prozent der Primärrohstoffe wiederverwendet würden, gebe es in diesem Bereich viele Chancen. Durch die Digitalisierung wisse man heute besser, welche Materialien wie verbaut wurden. «Diese Informationen erleichtern es uns, Bauteile wieder zu verwenden.»

In der Kreislaufwirtschaft spielen auch Ersatzteilbörsen eine immer wichtigere Rolle. Eine Konsequenz aus dieser Entwicklung sind laut Adrian Wyss gewisse Einschränkungen für die Architekten, die nicht mehr völlig frei in der Gestaltung sind. Implenia setzt zum Beispiel bei einem Projekt in Pratteln (BL) stark auf den Re-use-Ansatz. «Für eine zirkuläre Bauwirtschaft ist die Wiederverwen-

dung von ganzen Bauten, Bauteilen und -materialien typisch», erklärt er. Dabei stosse man jeweils auf neue Ideen. «Patentrezepte gibt es aber nicht.» Ausserdem sei der Holzbau stark im Kommen, der auch ganz besonders für Nachhaltigkeit stehe. Ein grosser Vorteil von Holz sei, dass standardisierte Module industriell vorgefertigt werden könnten.

Leuchtturmprojekt in Winterthur

In Winterthur realisiert Implenia zusammen mit der Stadt das Leuchtturmprojekt Lokstadt, bei dem alle modernen Ansätze hinsichtlich der Nachhaltigkeit zur Anwendung kommen: Verdichtung, Vernetzung von Bestehendem und Neuem, Kreislaufwirtschaft und Holzbau. Unter anderen wird das Hochhaus namens «The Rocket» aus Holz gebaut. «Darüber hinaus setzen wir dort auf Fernwärme, Photovoltaik, wenig Parkplätze und auf ein Fahrtenmodell», erklärt Adrian Wyss. Dabei entsteht ein durchmischter Stadtteil mit rund 750 Wohnungen für 1500 Menschen sowie mit Büros, Läden und einem Hotel.

Das rund 123000 Quadratmeter grosse Areal besteht aus insgesamt sieben Baufeldern, auf denen zum Teil historisch wertvolle und denkmalgeschützte Industriegebäude stehen. Bestimmte Baufelder der Lokstadt werden nach dem Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz (SNBS) erstellt und das Areal erfüllt die Anforderungen der 2000-Watt-Gesellschaft auf Basis des SIA-Effizienzpfads Energie. «Solche Zertifikate sind ein wertvoller Leistungsausweis, der die Nachhaltigkeitsgüte eines Projekts auf Ebene Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft belegt und nach aussen trägt. Wir sind stolz auf das, was wir in der Lokstadt bereits erreicht haben und sind überzeugt, dass nachhaltiges Bauen ein wichtiger und für uns richtiger Weg in die Zukunft ist», erklärt Adrian Wyss.

Freitag, 14. April 2023 Impact Finance NZZ-Verlagsbeilage 9
MICHAEL BAUMANN Das Hochhaus «The Rocket» ist das grösste geplante Holz­Hochhaus der Welt. IMPLENIA Das Leuchtturmprojekt Lokstadt setzt auf Fernwärme, Photovoltaik, wenig Parkplätze und ein Fahrtenmodell. IMPLENIA
Für eine zirkuläre Bauwirtschaft ist die Wiederverwendung von ganzen Bauten, Bauteilen und Materialien typisch.
Adrian Wyss Head Division Real Estate, Implenia IMPLENIA

Biodiversität stützt auch die Wirtschaft

Der Biodiversitätsschutz fördert nicht nur das Wohlbefinden der Menschen, sondern auch den Fortschritt und den wirtschaftlichen Erfolg.

Eine gesunde Natur und biologische Vielfalt sichern unsere Lebensgrundlagen wie frische Luft, sauberes Wasser und gesunde Böden. Sie liefern unzählige Rohstoffe, die für das Leben und Überleben auf der Erde essenziell sind. Doch die Natur wird immer mehr zurückgedrängt. In der Schweiz ist rund ein Drittel aller Tier- und Pflanzenarten sowie die Hälfte der Lebensräume laut BAFU gefährdet, weltweit ist rund eine Million Tier-, Pflanzen- und Insektenarten vom Aussterben bedroht laut IPBES von 2019.

Als eine der Hauptursachen für den Verlust der Biodiversität hat die Forschung den Klimawandel identifiziert, neben der Zerstörung von Lebensräumen, invasiven Arten, Umweltverschmutzung und Übernutzung der natürlichen Ressourcen. Während sich Pflanzen und Tiere schnell an frühere Erwärmungsperioden angepasst haben, stellt die derzeitige Beschleunigung des Temperaturanstiegs eine noch nie dagewesene Herausforderung für die Widerstandsfähigkeit von Pflanzen- und Tierarten dar und verändert ihr Leben

in einer Weise, die wir erst zu verstehen beginnen.

Ökosysteme bis zu 140 Billionen Dollar wert

Der Verlust der biologischen Vielfalt wird auch unsere Volkswirtschaften teuer zu stehen kommen. Denn durch den Verlust von Lebensräumen, die Umweltverschmutzung, die Zunahme von Schädlingen und invasiven Arten geraten ganze Sektoren und ihre Lieferketten unter Druck – von der Land-, Fischerei- und Forstwirtschaft bis hin zur Immobilienbranche, dem Tourismus, der Pharmazie und der öffentlichen Gesundheit. Die Biodiversität treibt unsere Wirtschaft voran und wird doch in ihrer Bedeutung oft unterschätzt.

Trotz methodischer Unsicherheiten könnte die Messung des monetären Wertes der Biodiversität eine Möglichkeit sein, Entscheidungsträgern ein wirtschaftliches Argument für deren Schutz an die Hand zu geben. Nach aktuellen Schätzungen haben die Ökosysteme der Welt einen Wert von 125 bis 140 Billionen Dollar pro Jahr. Das entspricht mehr als dem Eineinhalbfachen des globalen BIP laut dem AXA Research Fund.

Soziale Unruhen und Konflikte drohen

Schätzungsweise 20 bis 30 Prozent des weltweiten Bodens sind bereits degradiert, während eine wachsende Weltbevölkerung mehr Nahrungsmittel, Energie und Rohstoffe benötigt. Der Druck

Als Teil ihres gesellschaftlichen Engagements ermöglicht die AXA, bis 2025 schweizweit rund zwei Millionen Quadratmeter Fläche mit Massnahmen zur Biodiversität aufzuwerten. AXA

auf die natürlichen Ressourcen begünstigt soziale Unruhen und Konflikte. Die Migration hat in den letzten zwei Jahrzehnten um fast 50 Prozent zugenommen, und 40 Prozent aller innerstaatlichen Konflikte der letzten 60 Jahre lassen sich direkt mit der Verfügbarkeit von natürlichen Ressourcen in Verbindung bringen. Wenn die «natürliche» Welt zunehmend ausser Balance gerät, wirkt sich das auch auf das Versicherungsgeschäft aus. In den letzten Jahren hat die stärkere Intensität von Stürmen, Überschwemmungen und Waldbränden in Kombination mit der zunehmenden Verstädterung zu einem Anstieg der Schadensfälle geführt.

Eine Blaupause für Impact Investing

Hinzu kommen negative Auswirkungen auf die Gesundheit, da die Qualität von Luft, Wasser und Nahrungsmitteln abnimmt, des Weiteren wirtschaftliche Folgen aufgrund von Engpässen in der Produktion mangels benötigter Rohstoffe oder Lieferkettenunterbrüchen.

Fläche von 2 Millionen Quadratmeter aufwerten Angesichts dieser Herausforderungen setzt die AXA auf ein breites Spektrum an Nachhaltigkeitsmassnahmen. Den Biodiversitätsschutz verstehen wir dabei als Erweiterung unserer Klimastrategie, die unseren Beitrag in vier Wirkungsfeldern umfasst; als Versicherung, das heisst in der Produktentwicklung und Gestaltung von klimaschonenden Services, als Investorin, indem wir Nachhaltigkeitskriterien bei Anlageentscheiden mit einbeziehen und aktiv in Klima- und Biodiversitäts-Projekte investieren, als Unternehmen generell, indem wir unseren eigenen CO2-Ausstoss stetig reduzieren sowie als Teil der Gesellschaft, indem wir mit verschiedenen Partnerinnen und Partnern an übergreifenden Zielsetzungen und Lösungen arbeiten.

Die AXA Gruppe setzt sich auch für die Forschung ein und unterstützt weltweit über 60 Projekte, die sich mit der biologischen Vielfalt befassen. In der Schweiz ermöglicht die AXA zudem, bis 2025 rund 2 Millionen Quadratmeter mit Massnahmen zur Biodiversität aufzuwerten.

Mehr zum Thema: AXA.ch/nachhaltige­investitionen

Wirkungsorientierte Anlagen gewinnen weiter an Momentum. Definitionen und Messungen der beabsichtigten «Impacts» sollten deshalb dringend verbessert und die Engagement-Bemühungen auf alle Anlagen ausgeweitet werden.

Für Impact Investing ist es dabei zentral, die Wirkung auch zu messen und den Nachweis über den positiven Beitrag zu führen. Die Zusammenstellung relevanter Daten und eine transparente Berichterstattung sind von entscheidender Bedeutung. Doch bei der Definition eines solchen Anlegerbeitrags gibt es Unterschiede.

Eine Priorität muss deshalb sein, Engagement-Ergebnisse zu definieren und zu kategorisieren. Anschliessend sollten wir uns als Investoren auf diejenigen konzentrieren, die Chancen und Risiken bestimmter Unternehmen und Anlagen – systemische Risiken, die sich wohl auf die Marktrenditen auswirken werden – auch adressieren.

LUCY THOMAS

Anleger möchten mit ihren Investitionen zunehmend positive gesellschaftliche oder ökologische Wirkungen erzielen. Das Global Impact Investment Network (GIIN) schätzt, dass der Markt zwischen 2012 und 2022 von 29 Milliarden auf 1,164 Billionen US-Dollar gewachsen ist.

Impact Investments lassen sich als die ausdrückliche Absicht definieren, messbare, überprüfbare und positive Nachhaltigkeitsergebnisse zu erzielen. Das kann verschiedentlich umgesetzt werden, zum Beispiel durch Investitionen in erneuerbare Energien, bezahlbaren Wohnraum, Gesundheitsversorgung oder Bildung.

Mehr Transparenz

Verbreitet ist die Ansicht, dass Impact Investing dem Privatmarkt-Bereich vorbehalten sei. Doch diese Interpretation bedarf einer Überarbeitung. Zum einen sollte Impact Investing durch seine Ziele definiert werden, nicht durch die Art der Anlageklasse oder der Transaktion – insbesondere, wenn man die Zunahme thematischer Aktienfonds bedenkt. Zum anderen schaffen die Fortschritte im regulatorischen Bereich mehr Transparenz für Anleger – man denke nur an die «Sustainable Finance Disclosure Regulation» (SFDR). So sind die Finanzinstitute verpflichtet, die Nachhaltigkeitsziele ihrer Fonds offenzulegen.

Die Definition der International Finance Corporation beispielsweise ist weit gefasst und besagt, dass es bei der Frage, ob ein «Impact»-Investor seine beabsichtigten Ziele erreicht hat, auf seinen finanziellen oder auch nicht-finanziellen Beitrag ankommt. Bei UBS wird eine angepasste GIIN-Definition sowohl auf öffentliche als auch private Anlagen angewendet. Demnach müssen Investitionen die ausdrückliche Absicht haben, messbare, überprüfbare und positive Nachhaltigkeitsergebnisse zu erzielen. Die erzielten Wirkungen sind dabei auf das Handeln und/oder den Beitrag der Anleger zurückzuführen.

Aktives Engagement

Nun macht Impact Investing aber nur einen kleinen Teil aus, wenn es darum geht, das gesamte Finanzsystem umweltfreundlicher auszurichten. Bei der Umsetzung dieses wichtigen Ziels wird die «Active Ownership», also das proaktive Engagement der Anteilseigner mit Unternehmen zu strategischen Themen, eine grosse Rolle spielen. Umso mehr, da auch dieses gemessen werden kann. Theoretisch könnte eine effektive Stewardship das gesamte Finanzwesen umfassen (und daher verbessern), wenn die Bemühungen einzelner institutioneller Anleger gut koordiniert wären. Wie die Bewertung des Financial Reporting Council von John Kingman 2018 in Grossbritannien jedoch gezeigt hat, besteht bei den Stewardship-Aktivitäten leider noch erheblicher Raum für Verbesserungen.

Darüber hinaus muss mehr Klarheit darüber herrschen, welchen Beitrag Vermögensverwalter zu Nachhaltigkeitsergebnissen leisten. Denn der Zusammenhang zwischen den StewardshipAktivitäten von Vermögensverwaltern und den Ergebnissen ihres Engagements wird noch nicht hinreichend untersucht. Die Finanzbranche sollte ein Augenmerk darauf haben. Unabhängig davon, wie der Begriff «Wirkung» schlussendlich verwendet wird: Wir müssen stärker darüber nachdenken, wie wir die Ergebnisse, die wir in der realen Welt erzielen wollen, auch erreichen. Tun wir dies nicht, so wird jede Hoffnung auf den Übergang zu einer gerechteren und nachhaltigeren Wirtschaft nur ein Wunschtraum bleiben.

10 NZZ-Verlagsbeilage Impact Finance Freitag, 14. April 2023
Der Verlust der biologischen Vielfalt gefährdet ganze Wirtschaftszweige und ihre Lieferketten.
Lucy Thomas ist Head of Sustainable Investing bei UBS Asset Management. Lucy Thomas Head of Sustainable Investing bei UBS Asset Management UBS Impact Investments erzielen messbare und positive Nachhaltigkeitsergebnisse. GETTYIMAGES in Milliarden US-Dollar 260.8 200 0 400 600 800 1000 1200 2012 29 36 2013 2014 46 2015 60 2016 77 2017 114 2018 228 2020 636 2021 2021 1164 CAGR +26% CAGR +35% CAGR +79% Marktübersicht über globale Impact Assets QUELLE: PRESS, ICF, GIIN 2022, MCKINSEY RESEARCH
Impact Investing sollte durch seine Ziele definiert werden, nicht durch die Art der Anlageklasse.

Klimaresistenz – ein Topthema für Investoren

Immer mehr Gebäude müssen nach Umweltrichtlinien modernisiert werden – ein Trend, der die Immobilienbranche neu definieren wird.

Investoren erleben derzeit eine Phase erhöhter Marktvolatilität. In einem solchen Umfeld ist es besonders wichtig, durch aktives Asset Management unabhängig von Entwicklungen am breiteren Markt Renditen zu erwirtschaften. Immobilien bieten diese Möglichkeit. Deren historisch geringe Korrelation mit anderen Anlageklassen ist ein echter Vorteil.

Unsere Analyse zeigt, dass die Wechselbeziehung zwischen den Renditen direkter Immobilienanlagen und denen von Staats- und Unternehmensanleihen recht schwach und mit denen globaler Aktien noch schwächer ist.

Unserer Erfahrung nach ist die Korrelation der Renditen mit sogenannten Value-Add-Immobilienanlagen, also solchen, die Management und/oder strukturelle Verbesserungen erfordern, noch geringer. Investoren setzen dabei nicht nur auf Mieteinnahmen und passiv steigende Immobilienpreise, um Renditen zu erzielen, sondern generieren diese auch aktiv durch die Verbesserung und Aufwertung der erworbenen Gebäude.

Solche Verbesserungen können in der Form von Renovationen, Modernisierungen und Umstrukturierungen von Mietverträgen auftreten. Sie können auch Umbauten umfassen, die gesellschaftliche Veränderungen, wie beispielsweise die Zunahme von OnlineEinkäufen oder den Gesundheitstrend, berücksichtigen.

Eine besonders effektive Möglichkeit, einen Mehrwert zu generieren, ist

unserer Ansicht nach die Verbesserung der Klimaresilienz von Gebäuden. Angesichts strengerer Umweltvorschriften und des steigenden Klimabewusstseins ist dies wichtiger denn je.

Nachfrage rasant gestiegen

Die aktuelle Energiekrise in Europa hat ebenfalls dazu beigetragen, das Thema Klimaresilienz von Gebäuden in den Fokus der in diesem Sektor tätigen Akteure zu rücken, seien sie nun staatlich, privat oder gewerblich. Klimaresilienz in der Immobilienbranche bezieht sich

auf die Widerstandsfähigkeit einer Immobilie oder eines Immobilienportfolios gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels, das heisst gegenüber steigenden Temperaturen, häufigeren und schwereren Naturkatastrophen und einem erhöhten Risiko von Überschwemmungen und dem Anstieg des Meeresspiegels. Klimaresilienz in Immobilieninvestitionen zu integrieren, bedeutet, die physischen und finanziellen Risiken des Klimawandels zu bewerten und zu steuern sowie Massnahmen zu deren Minderung zu ergreifen, beispielsweise durch

die Modernisierung der Gebäudeinfrastruktur und die Integration grüner Infrastrukturen. Man darf nicht vergessen, dass in Europa 40 Prozent des Gebäudebestands vor 1960 und 90 Prozent vor den 1990er-Jahren errichtet wurden. Die Modernisierung des aktuellen Bestands ist daher vorrangig. Die Nachfrage nach klimaresilienten Immobilien, die im weiteren Sinne den ESG-Kriterien (Umwelt, Soziales, Unternehmensführung) entsprechen, steigt rasant. Seit 2022 gilt, dass bestimmte Immobilienprojekte nur dann vermietet werden dürfen, wenn sie den neu geltenden Anforderungen an Umweltfreundlichkeit und CO2-Emissionen gerecht werden. Diese neuen Regeln treffen viele Eigentümer unvorbereitet. Bei Immobilien, die sich in Gebieten befinden, die vom Klimawandel besonders betroffen sind, besteht beispielsweise die Gefahr, dass die Versicherungskosten steigen und der Wert der Immobilie sinkt.

Renovierungen

Angesichts des Umfangs der weltweit erforderlichen Renovationsarbeiten zur Erreichung der CO2-Ziele erwarten wir, dass die Regierungen eine zunehmend aktive Rolle spielen werden, insbesondere durch umfangreiche Investitionen. Im Oktober 2020 veröffentlichten die Behörden der Europäischen Union (EU) ihre Strategie «Renovation Wave», welche die Standards und Richtlinien für die Renovierung von 35 Millionen Gebäuden in der gesamten Union bis 2030 festlegt. Das Europäi-

sche Parlament prüft derzeit die Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (Energy performance of buildings directive, EPBD). Wenn der Vorschlag angenommen wird, müssen bis 2050 75 Prozent der Gebäude modernisiert werden, um das Netto-NullZiel zu erreichen. Da Gebäude 40 Prozent des Energieverbrauchs und 36 Prozent der Treibhausgasemissionen in der EU ausmachen, ist dieser Vorschlag ein wichtiger Schritt für das EU-Klimagesetz, das eine Reduzierung der Treibhausgase um mindestens 55 Prozent bis 2030 anstrebt.

Profit trotz steigender Preise Auch Transparenz spielt eine wichtige Rolle. So verlangt beispielsweise die europäische SFDR-Verordnung von Unternehmen und Investmentfonds, Informationen über die Nachhaltigkeitsmerkmale ihrer Investitionen offenzulegen.

Obwohl diese neuen Vorschriften in einigen Fällen mit hohen Kosten verbunden sind und die Regierungen nicht oder noch nicht bereit sind, Immobilienbesitzer vollständig zu subventionieren, stellen sie auch eine Chance für das kommende Jahrzehnt dar. Denn Investoren, die in der Lage sind, emissionsintensive Gebäude zu kaufen, um sie in ESG-konforme Gebäude umzuwandeln, schaffen einen realen Wert und werden von den steigenden Preisen bei Gebäuden, die klimaresistent gemacht wurden, profitieren.

Zsolt Kohalmi ist Co-CEO von Pictet Alternative Advisors und Global Head of Real Estate.

Freitag, 14. April 2023 Impact Finance NZZ-Verlagsbeilage 11
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Regierungen spielen eine zunehmend aktive Rolle bei Renovationsarbeiten. ADOBE STOCK
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