Samstag, 11. Juni 2022
Verlagsbeilage
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Impact Finance
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IMPACT FINANCE CONFERENCE 2022 Nachhaltiges Investieren fristet längst kein Nischendasein mehr. Inwiefern, das thematisiert die zweite Impact Finance Conference am 26. September 2022 im Kursaal Bern. Mit unserer Initiative für Finanzvorreiterinnen und Investoren schlagen wir die Brücke zwischen Politik, Finanzwesen und Wirtschaft. Melden Sie sich an und diskutieren Sie live mit: impactfinanceforum.ch
Auszug aus dem Line-up
Mariana Mazzucato, Professorin
Ndidi Nnoli-Edozien, Vorsitzende
Sarah Teacher, Direktorin des
für Ökonomie, Innovation und
und Gründerin von Growing Busi-
Impact Investing Institute, gibt
öffentlichen Nutzen am University
ness Foundation (GBF) und Circular
Einblicke in die Differenzierung
College London (UCL) sowie
Economy Innovation P artnership
von Sustainable Investing und
Gründerin des Institute for Inno-
(CEIP), wird uns eine Einführung in
Impact Investing sowie die Klassi-
vation & Public Purpose (IIPP),
das Thema geben und eine Mo-
fizierung der ESG-Standards, die
spricht über Inspiration, Zukunfts-
mentaufnahme machen. Die re-
für Umwelt (Environmental),
perspektiven und darüber, wie
nommierte Expertin zeigt uns auf,
Soziales (Social) und verantwor-
Wert aus einer anderen Perspek-
wie die verschiedenen Interessen-
tungsvolle Unternehmensfüh-
tive geschaffen werden kann.
gruppen eines Unternehmens mit-
rung (Governance) stehen.
einbezogen werden können.
Platinpartner
Impact Finance
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NZZ-Verlagsbeilage
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Auf Wirkung aus Ein Drittel der Anleger will mit nachhaltigen Finanzprodukten eine positive Veränderungen in der Realwirtschaft erreichen. Doch der Effekt der Anlagen ist oftmals überschaubar. Am Ende hängt die Schlagkraft vom gewählten Investmentansatz ab.
Ob sich mit nachhaltigen Anlagen in der realen Wirtschaft tatsächlich etwas bewirken lässt, ist schwer zu messen.
Beim Impact Investing lautet die Mission explizit, neben einer positiven Rendite eine konkrete Wirkung zu erzielen – beispielsweise in Entwicklungsmärkten. UNSPLASH
ROBERTO STEFANO
Nachhaltige Anlagen sind gefragter denn je. Dies belegen die neusten Zahlen von Swiss Sustainable Finance für das Jahr 2021, die in diesem Bereich in der Schweiz ein zweistelliges Wachstum auf 1,982 Billionen Franken zeigen. Weltweit erhöhten sich die ESG-Vermögenswerte laut einer Analyse von Bloomberg bis Ende 2021 sogar auf ein noch nie dagewesenes Volumen von 37,8 Billionen Dollar. Und der Boom scheint noch lange nicht zu Ende: Laut derselben Auswertung sollen die nachhaltig investierten Gelder bis 2025 die Summe von 53 Billionen Dollar erreichen. Dies würde dann einem Drittel der weltweit verwalteten Vermögenswerte entsprechen. Der Trend zu nachhaltigen Anlagen überrascht kaum. Schliesslich befriedigt der Investmentstil auf eine bestechend einfache Art und Weise das derzeit hochaktuelle Bedürfnis, sich für das Wohl der Menschheit und deren Umwelt einzusetzen – und dies, ohne dass von den Investoren ein Opfer gefordert wird. Zu schön, um wahr zu sein? Zum Teil schon. So wird nachhaltigen Vermögensanlagen zwar ein indirekter positiver Effekt auf die Unternehmen zugestanden. Und auch die Rendite scheint zu stimmen. Wie hoch die Wirkung dieser Anlagen in der realen Wirtschaft allerdings ist, ist nach
Impressum Impact Finance ist eine Verlagsbeilage der NZZ. Inhalt realisiert durch NZZ Connect. Verlagsbeilagen werden nicht von der Redaktion produziert, sondern von unserem Dienstleister für journalistisches Storytelling: NZZ Content Creation. Projektmanagement NZZ Connect: Elena Strate (Gesamtverantwortung); NZZ Content Creation: Norman Bandi (Inhalt) und Sara Sparascio (Layout); Kontakt: NZZ Connect, C.F.L. Lohnerstrasse 24, 3645 Gwatt (Thun), connect@nzz.ch. impactfinanceforum.ch
wie vor höchst umstritten und hängt vor allem auch vom gewählten Investmentansatz ab.
Massentaugliche Finanzanlagen Unabhängig davon müssen Anleger, was die Rendite betrifft, bei nach haltigen Investitionen kaum mit Einbussen gegenüber konventionellen Produkten rechnen. Dies haben mehrere PerformanceAuswertungen in den vergangenen Jahren gezeigt. Anders als in den Anfangsjahren sind deshalb weder Idealismus noch Verzicht gefragt, wenn man sich für den nachhaltigen Anlagestil entscheidet. Gleichzeitig sind die Anlagepraktiken in den vergangenen Jahren immer ausgeklügelter geworden. Das Ziel: Durch die Kombination verschiedener Nachhaltigkeitsansätze auf unterschiedlichen Stufen soll die Selektion am Ende den Hauptbedürfnissen der Kundinnen und Kunden und der Art der verwalteten Vermögenswerte besser entsprechen. Kaum Einschränkungen gibt es inzwischen auch bei der Wahl der Anlageprodukte. So stieg die Anzahl der in der Schweiz angebotenen nachhaltigen Publikumsfonds beispielsweise von 595 im Jahr 2019 auf 777 im Jahr 2020. ESGkonforme Investitionen, sprich solche, die neben den Finanzkennzahlen auch Risiken berücksichtigen, die ein Unter-
nehmen in Bezug auf Umwelt, Soziales und Unternehmensführung eingeht, sind mittlerweile massentauglich. Ob sich mit nachhaltigen Finanzprodukten in der realen Wirtschaft auch tatsächlich etwas bewirken lässt, ist bei einigen Anlageansätzen aber schwer zu messen – und ist für 40 Prozent der Investoren auch gar nicht so entscheidend. Ihre Hauptmotivation ist laut der aktuellen SSF-Studie finanzieller Natur, nämlich dass sie damit ein besseres RisikoErtrags-Profil erhalten. Auf der anderen Seite wählt ein Drittel der hiesigen Investoren nachhaltige Finanzprodukte in erster Linie deshalb, weil sie damit einen Beitrag zu positiven Veränderungen in der Realwirtschaft leisten wollen.
Verbreitetes Missverständnis Tatsächlich versprechen viele der nachhaltigen Anlagen ihren Investoren laut einer Studie der Hochschule Luzern aus dem Jahr 2020 denn auch keinen positiven ökosozialen Effekt. Nur ein Drittel von den damals untersuchten 184 nachhaltigen Themenfonds zielten auf eine potenziell positive Wirkung in der Realwirtschaft ab. Schliesslich setze laut der Studie die Bezeichnung «nachhaltig» bei Fonds lediglich voraus, dass die Manager Kriterien zu Umwelt, Sozialem und guter Unternehmensführung in ihren An-
Nachhaltige Investmentansätze Ausschlussverfahren: In der Schweiz kommt dieser Ansatz bei einem Vermögen von 1438 Milliarden Franken zum Einsatz und ist damit der hiesige Spitzenreiter. Dabei werden bestimmte Aktien aus kritischen Branchen (zum Beispiel von Waffenproduzenten, Tabakfirmen oder Erdölkonzernen) aus einem Anlageuniversum ausgeschlossen. ESG-Integration: Hierbei werden mit Hilfe eines systematischen Pro zesses und geeigneter Forschungsquellen ESGRisiken und -Chancen (Environmental, Social & Governance resp. U mwelt, Soziales und Unternehmensführung) eines Unternehmens in die traditionelle Finanzanalyse und in die Anlageentscheidungen einbezogen.
ESG-Engagement: Bei diesem Ansatz wirken die Aktionäre oder Vermögensverwalter darauf hin, dass das Management eines Unternehmens Verbesserungen in Bezug auf ökologische, soziale und Governance-Kriterien umsetzt. Dies kann in einem kontinuierlichen Dialog mit der Geschäftsleitung oder über das Stimmverhalten an der Generalversammlung erfolgen. Erfolgreiches Engagement kann zu Veränderungen in der Strategie und den Prozessen eines Unternehmens führen. Best-in-Class-Ansatz: Die Unternehmen aus einem Anlageuniversum werden nach einer Vielzahl von ökologischen, sozialen und auf gute Unternehmensführung bezogenen Kriterien
bewertet. Anschliessend werden jene ausgewählt, die in Bezug auf die Nachhaltigkeitsaspekte die besten Noten erreichten. Impact Investing: Dabei handelt es sich um Investitionen, die neben einer finanziellen Rendite eine messbare, positive soziale und ökologische Wirkung erzielen sollen. Entsprechend fliessen die Gelder in Unternehmen oder Initiativen, die zur Behebung gesellschaftlicher, sozialer und ökologischer Missstände beitragen. Impact Investing kann sich verschiedener Vehikel bedienen, wie z.B. Eigenkapital, Fremdkapital, Krediten zur Liquiditätserhöhung oder Kreditgarantien sowie verschiedenen Mischformen.
lageprozess integrierten. Oftmals ergibt sich daraus zwar eine indirekte Wirkung, wenn bestimmte Firmen oder Branchen ausgeschlossen werden und sich der Aktienkurs eines Unternehmens negativ entwickelt. Auf das eigentliche Geschäft der Firma bleibt der Einfluss aber sehr begrenzt.
Potenzial im Dialog Deutlich mehr Potenzial weisen Wissenschaftler dem Bestreben grosser Investoren zu, im Dialog (ESG-Engagement) mit den Unternehmen auf ein nachhaltigeres Wirtschaften hinzuarbeiten. Ersichtlich wird dieser Engagementansatz jeweils an den Generalversammlungen, wenn die Anleger mit ihren Stimmen ihren Forderungen Nachdruck verleihen und Veränderungen anstossen. So konnten Investorengruppen zusammen mit grossen Fondsgesellschaften in den vergangenen Jahren beispielsweise Energiekonzerne dazu bringen, darzulegen, wie sie zukünftig mit Klimarisiken umzugehen gedenken. Aktuell liegt hierzulande ESG-Engagement, nach den Ausschlüssen und ESG-Integration, auf Rang drei der beliebtesten Anlageansätze. Noch einen Schritt weiter geht das sogenannte Impact Investing, das wirkungsorientierte Anlegen. Bei diesem Ansatz lautet die Mission explizit, neben einer positiven Rendite eine konkrete Wirkung in der Realwirtschaft zu erzielen, beispielsweise über Investitionen in Firmen, die aufgrund ihres Unternehmenszwecks auf die Erreichung der UNO-Nachhaltigkeitsziele hinarbeiten. Zu denken ist hierbei an Firmen wie Solaranlagenbetreiber, Mikrofinanzanbieter oder Recyclingunternehmen. Andererseits fliessen die Gelder hier oftmals nicht über die Kapitalmärkte, sondern direkt zu Unternehmen, die ansonsten kaum eine Finanzierung erhalten würden. Typischerweise erfolgt dies in Entwicklungs- und Frontiermärkten. Nachteilig ist, dass viele dieser Investitionen wenig liquid und daher nicht für alle Anleger geeignet sind. Noch fristet die Kategorie selbst innerhalb der nachhaltigen Anlagen hierzulande ein Nischendasein, wenngleich der Ansatz im Jahr 2020 – auf vergleichsweise tieferer Basis – mit einem Plus von 70 Prozent die höchste Wachstumsrate aller nachhaltigen Anlageansätze erreichte. Im vergangenen Jahr fiel das Wachstum mit 18 Prozent allerdings wieder deutlich bescheidener aus.
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Bessere Daten führen zu mehr Nachhaltigkeit Finanzprodukte nach ESG-Standards sind auf dem Vormarsch: Gemäss der «Swiss Sustainable Investment Market Study 2021» stieg das Vermögen nachhaltiger Anlagen hierzulande von 2019 bis 2020 um 31 Prozent auf total 1520,2 Milliarden Franken.
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Die Palette der Strategien mit und für Impact Investing INVESTIEREN MIT IMPACT Marktrendite
Traditionelles Investieren
Unter der Marktrendite
Ausschlüsse
Best-in-class
ESG-Abstimmung
Norms-based screening
ESG-Integration
ESGEngagement
Bei den nachhaltigen Fonds stieg das Volumen auf 694,5 Milliarden Franken und macht nun 52 Prozent des gesamten Schweizer Fondsmarktes aus – dieser Wert übertrifft damit erstmals die konventionellen Anlagefonds. Mit der steigenden Nachfrage der Anlegenden haben sich auch die Finanzprodukte stark entwickelt. Heute gibt es eine breite Palette von Environment-, Social- und Governance-Lösungen (ESG), die jeweils verschiedene Strategien, Themen und Ziele verfolgen, um den Anlegenden unterschiedliche Kombinationen aus finanziellen Erträgen und Nachhaltigkeitswirkung zu bieten.
Drei Ansätze für Strategie Die Palette der Strategien folgt in der Regel einem von drei Ansätzen (siehe Grafik): Negatives Screening (negatives/ausschliessendes und normenbasiertes Screening): Vermeidung wesentlicher ESG-Risiken oder Einhaltung einer wertebasierten Anlagestrategie. Ausschluss von Unternehmen oder Sekto-
Thematisches ImpactInvestment (zuerst finanzieren)
Marktbereinigte Renditen
Wirkung zuerst Impact Investment
ESG-Risiken mindern 0% Rendite
ESG-Möglichkeiten
Negative Rendite VANINA FARBER UND PATRICK REICHERT
INVESTIEREN FÜR IMPACT
Nachhaltiges Investieren
Verantwortungsvolles Investieren
Philanthropisches Impact Investment
Messbare Wirkung aufzeigen
Traditionelle Philanthropie
ren aus dem Anlageuniversum aufgrund von ESG-Bedenken. Positives Screening (Nachhaltigkeitsthemen, Best-in-class, ESG-Integration): die potenzielle positive Korrelation zwischen ESG-Qualität und Rendite erkennen. Integration der finanziellen Implikationen von ESG-Faktoren in Research und Analyse – Gewichtung des Fonds zugunsten von Beteiligungen mit höherer ESG-Qualität. Aktive Beteiligung (Engagement, Stimmrechtsausübung, Impact Investing): Identifizierung von ESG-Faktoren als Hebel zur Wertschöpfung. Verbesserung der ESG-Leistung eines Unternehmens durch Zusammenarbeit mit dem Verwaltungsrat oder der Geschäftsführung. Die Entwicklung der Branche hat die Sensibilität von Aufsichtsbehörden sowie Aktivisten erhöht und das Risiko von «Greenwashing» verstärkt. Folglich werden Behauptungen zur Nachhaltigkeit sowohl von Anlegenden als auch von Aufsichtsbehörden zunehmend überwacht und in Frage gestellt. Die steigenden Erwartungen verlan-
Begrenzte Aufmerksamkeit für ESGPraktiken
Risiko mildern, Ausschlusskriterien basierend auf ESG
ESG-Praktiken, die die Renditen steigern
Gezielte Wirkung Gesellschaftliche steigert die Rendite Herausforderungen mit geringerer Rendite und höherem Risiko
Wirkungsorientierte Zuschüsse
QUELLE: IMD.ORG/ELEA/ELEA-CENTER-FOR-SOCIAL-INNOVATION
gen, dass Produkte mit einem Nachhaltigkeitslabel in der Lage sind, ihre Behauptungen zu beweisen, wo und wie sie sich von herkömmlichen Anlagelösungen unterscheiden. Die Trends sind eindeutig: Verwaltung und Berichterstattung von Nachhaltigkeitsdaten wird sich in den kommenden Jahren zu einer regelrechten Industrie entwickeln. Die Integration des Themas «Impact Measurement and Management» (IMM) in die Anlage- und Organisationsprozesse wird entscheidend sein, um den Boden für langfristiges, nachhaltiges Wachstum zu bereiten.
Schweizer Marktanalyse Vor diesem Hintergrund hat das IMD eine explorative Studie über die ImpactPraktiken von 22 Schweizer Unternehmen, gemeinnützigen Entwicklungsorga-
nisationen und Vermögensverwaltern durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Motivation für die Messung und das Management der Auswirkungen in erster Linie intrinsisch begründet ist, beispielsweise um besser zu verstehen und zu verbessern, wie sich die Unternehmenstätigkeit oder das Anlageportfolio auf das Klima und die Gesellschaft auswirken. Die Befragten gaben auch an, dass Zuverlässigkeit, Standardisierung und Benutzerfreundlichkeit wichtige Kriterien für die Erstellung von Kennzahlen für den nachhaltigen Impakt sind. Zentrale Herausforderung bleibt jedoch die Erhebung von qualitativ guten Daten und deren Verwendung bei der Entscheidungsfindung, um die Wirkung solcher Strategien besser bewerten zu können. Fachleute möchten deshalb verstärkt einen mehrgleisigen Ansatz nutzen: Ressourcen wie Webinare,
Fallstudien und professionelle Zertifizierungen sollten staatliche Anstrengungen zur Standardisierung von IMMRahmenwerken wie der EU-Verordnung über die Offenlegung nachhaltiger Finanzprodukte (SFDR) begleiten. Da es noch viel zu tun gibt, um die Transparenz und Standardisierung zu erhöhen, das Benchmarking zu verbessern und Fachleute mit den entsprechenden Fähigkeiten auszustatten, stellen Bemühungen der Branche wie das Impact Finance Forum eine wichtige Plattform dar, um den Bereich der nachhaltigen Finanzen in den kommenden Jahren voranzubringen. Vanina Farber ist elea-Professorin für Soziale Innovation bei IMD in Lausanne; Patrick Reichert ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am elea-Lehrstuhl für Soziale Innovation bei IMD in Lausanne.
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Fünf aktuelle Dilemmas in der Nachhaltigkeitsdiskussion Der Krieg in der Ukraine hat viele Debatten rund um das Thema ESG neu entfacht. Sind Waffen des Teufels, aber Erdgas und Nuklearenergie grün? Eine Auslegeordnung.
«Die Waffenthematik ist nicht neu», erklärt Timo Busch, Professor an der Universität Hamburg und Senior Fellow am Center for Sustainable Finance and Private Wealth der Universität Zürich. Doch mit dem Ukraine-Krieg habe sich die Debatte intensiviert: «Jetzt wird nicht mehr nur über Kleinkaliber diskutiert, wie sie beispielsweise die Polizei oder Jäger einsetzen, sondern auch über Kriegsgerät.» In der Vorbereitung der Sozialtaxonomie hatte die EU geplant, die Waffenproduktion als nicht nachhaltig einzustufen. «Das scheint vom Tisch», sagt Busch: «Aktuell wird das Thema Waffen in Nachhaltigkeitskreisen von vielen als neutral eingestuft und damit als Anlageklasse, die aus Nachhaltigkeitssicht nicht per se ausgeschlossen werden muss.»
Ukraine-Krieg die Friedenssicherung aufs Tapet gekommen und damit die Frage, inwieweit Investitionen beim Thema Rüstung ein Nachhaltigkeitsaspekt zukommt», ergänzt Busch. Bereits vor dem Ukraine-Krieg, nämlich an Silvester 2021/22, hat die EU-Kommission in ihrem Vorschlag zur Taxonomie überraschend die Nuklearenergie sowie Erdgas als nachhaltig eingestuft. Der Entscheid wurde inzwischen in Form eines delegierten Rechtsakts bestätigt, der per 1. Januar 2023 in Kraft treten soll. Anfang Jahr war die Kritik laut. Doch: «Der Krieg hat vieles relativiert, insbesondere die kritischen Stimmen sind weitgehend verstummt», sagt Professor Timo Busch. Er selbst findet es problematisch, dass Erdgas nun als grün deklariert wird. «Es handelt sich um eine Brückentechnologie, und als solche sollte sie bewertet werden.»
nehmen aber schlicht ihre emissionsstärksten oder umstrittensten Förderrechte. Sie wandern häufig von den börsenkotierten Ölgiganten in private Hände, die nicht öffentlich Rechenschaft über ihr Klimaverhalten ablegen müssen. BP hat beispielsweise 2020 für 5,6 Milliarden Dollar ihre gesamten Alaska-Operationen an Hilcorp verkauft. Letztes Jahr hat ein von Privatinvestoren gehaltenes Unternehmen den Ölförderern Shell, Eni und Total die Förderrechte an einem nigerianischen Ölfeld abgenommen. Seither gibt es Berichte, wonach sich das Abfackeln von überschüssigem Erdgas dort verneunfacht habe. Die börsenkotierten Unternehmen, deren ESG-Fussabdruck öffentlich ist, sind durch diese Transaktionen zwar umstrittene Ölfelder losgeworden. Doch auf die Umwelt war der Einfluss der Transaktionen klar negativ.
Waffen für den Frieden
Aus den Augen, aus dem Sinn
Thema Erdgas: Was nun?
Neu an der Debatte ist, dass Waffen seit dem Krieg in der Ukraine verstärkt auch vor dem Hintergrund des 16. Sustainable Development Goal (SDG) der UNO beurteilt werden: Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen. «Während dieses Ziel früher eher im Zusammenhang mit Entwicklungshilfe gesehen wurde, ist mit dem
Der Druck, den das immer grösser werdende Volumen an nachhaltig investierten Geldern auf die Unternehmen ausübt, schafft zudem unerwünschte Nebeneffekte. Exemplarisch dafür stehen Entwicklungen in der Öl- und Gasindustrie: Um den Druck zu mindern, investiert sie zwar teilweise in erneuerbare Energien. Oft verkaufen Unter-
Sabine Döbeli, CEO des Branchenverbands Swiss Sustainable Finance, macht für unerwünschte Nebenwirkungen durch ESG mitunter einen Fokus auf ein möglichst grün wirkendes Portfolio verantwortlich. «Damit richtet man sich auf Unternehmen aus, die ohnehin kaum Probleme haben, genügend Geld für Wachstum zu erhalten», sagt sie.
RUEDI KELLER
GETTY IMAGES
«Der Krieg hat vieles relativiert, insbesondere die kritischen Stimmen sind weitgehend verstummt.» Timo Busch Professor an der Universität Hamburg
«Viel schwieriger ist es für Unternehmen, die Transition bestehender Aktivitäten zu finanzieren.» Die daraus entstehende positive Wirkung sei oft viel grösser – und im aktiven Dialog mit dem Management könne von ESG- Investierenden viel erreicht werden. Was oben beim Thema Erdgas und Nuklearenergie Anlass zu Kritik gab – nämlich, dass die beiden Technologien selbst als Übergangshilfen zur Klimaneutralität kaum das Prädikat grün verdienen –, erscheint damit in einer neuen Perspektive: ESG braucht zwar einen klaren und eindeutigen Fokus, um sich nicht der Kritik der Beliebigkeit und des Greenwashings auszusetzen. Gleichzeitig muss eine glaubwürdige Nachhaltigkeitsstrategie aber auch dort ansetzen, wo nicht alles optimal läuft, Veränderungen aber eine grosse positive Wirkung erzielen – ein weiteres Dilemma. Ruedi Keller ist Redaktor von «The Market».
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Eine vier Grad wärmere Welt ist nicht mehr versicherbar Klimawandel und Biodiversitätsverlust bringen unkalkulierbare Risiken mit sich. Für einen wirkungsvollen Schutz und den Erhalt der natürlichen Ökosysteme braucht es aber klare und vor allem messbare Zielgrössen und Verpflichtungen. DANIEL GUSSMANN
Die Natur mit ihren unzähligen Rohstoffen und Kreisläufen ist die Grundlage für unser aller Leben, und auch die Wirtschaft ist in hohem Masse von natürlichen Ressourcen abhängig. Von der Lebensmittelproduktion über den Tourismus bis zur modernen Chemie und Medizin sind zahlreiche Industrien auf gesunde Ökosysteme angewiesen. Gemäss Living Planet Index des WWF ist die Biodiversität in den letzten 50 Jahren jedoch bereits um fast 70 Prozent zurückgegangen – und dieser Trend wird durch die Klimaerwärmung weiter beschleunigt.
Klima- und Biodiversitätsschutz Ohne ausreichende Klimaschutzmassnahmen wird die Temperatur weltweit bis im Jahr 2100 um mehr als vier Grad steigen, mit erheblichen Auswirkungen für Mensch und Natur. Die damit einhergehenden Risiken sind nicht mehr kalkulierbar, und damit auch gar nicht versicherbar. Die AXA beschäftigt sich daher schon lange und intensiv mit diesen Themen und hat sich unter anderem bei ihren Investitionen bereits 2013 von Palmölproduzenten getrennt, die durch
die Abholzung von Wäldern eine massive Störung der Ökosysteme verursachen. 2015 hat die AXA zudem als erster grosser Versicherer den sukzessiven Ausstieg aus der Kohleindustrie bekannt gegeben – der komplette Ausstieg erfolgt bis 2030 im OECD-Raum und bis 2040 weltweit. Im Öl- und Gassektor hat die AXA bereits mehr als 95 Prozent der Produzierenden komplett ausgeschlossen. Klar ist aber auch, dass noch viel zu tun bleibt, um die Auswirkungen der Klimaerwärmung und den fortschreitenden Verlust der Biodiversität einzudämmen. Es steht fest, dass Versicherungsunternehmen und Investierende dabei eine zentrale Rolle spielen und sämtliche zur Verfügung stehenden Mittel genutzt werden müssen: von Produkten mit ökologischem Mehrwert, einer direkten Reduktion des ökologischen Fussabdrucks über grüne Investments bis hin zur Unterstützung von Wissenschaft, Forschung und globalen Initiativen.
Messbare Ziele als Richtschnur Um die Fortschritte der eigenen Nachhaltigkeitsstrategie jährlich zu messen, hat die AXA ein eigenes Messsystem, den «AXA for Progress Index», entwickelt. Die darin festgehaltenen, für alle
Geschäftseinheiten verbindlichen Ziele streben insbesondere den Klima- und Biodiversitätsschutz an und decken ihre Rolle als Investorin, als Versicherin sowie als gesellschaftliche Akteurin ab. Im eigenen Betrieb will die AXA als Vorbild vorangehen und reduziert ihren CO2-Ausstoss auf ein Minimum, sodass sie seit 2021 klimaneutral ist und bis 2025 netto null Emissionen erreichen wird. Darüber hinaus bietet die AXA für sämtliche Mitarbeitenden eine interne Schulung zu Klimafragen an, was ihnen erlaubt, in ihrem Tätigkeitsbereich und Umfeld eine positive Wirkung zu erzielen. Als Investorin hat sie sich das Ziel gesetzt, das Erderwärmungspotenzial der eigenen Anlagen in Übereinstimmung mit dem Pariser Klimaabkommen bis 2050 auf unter 1,5 Grad zu begrenzen, die Transformation in eine CO2arme Wirtschaft zu fördern und sich aktiv für den Schutz der Biodiversität einzusetzen. Ende 2020 lag das Erderwärmungspotenzial der Kapitalanlagen der AXA bei 2,7 Grad – und damit deutlich unter dem Marktdurchschnitt von 3,2 Grad. Zwischen 2014 und 2019 konnte die AXA Schweiz zudem den CO2-Fussabdruck ihrer Obligationen und Aktien bereits um 31 Prozent reduzieren. Nächstes
Der Klimawandel bringt Risiken mit sich, die ab einem gewissen Grad gar nicht mehr versicherbar sind. SHUTTERSTOCK Zwischenziel ist es, bis 2025 eine weitere Reduktion um 20 Prozent zu erreichen.
Übergreifende Zusammenarbeit
Die Wirtschaft ist auf gesunde Ökosysteme angewiesen.
Neben den Nachhaltigkeitsstrategien von einzelnen Unternehmen brauchen wir jedoch zwingend auch branchenweite Initiativen sowie eine stärkere Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und privaten Trägern, um gemeinsam die grösstmögliche Wirkung zu erzielen. Der Klimawandel stellt mittel- bis langfristig eine der grössten Gefahren für die Menschheit dar, daher sollten wir jetzt alles daran setzen, wirkungsvolle Lösungen für den Klimaschutz zu entwickeln und den Trend des zunehmenden Biodiversitätsverlusts noch in diesem Jahrzehnt umzukehren. Daniel Gussmann ist Chief Investment Officer der AXA Schweiz.
Erneuerbare Energien in Asien 2021 wurden in Asien über 530 Milliarden US-Dollar für neue Kapazitäten zur Energieerzeugung aufgewendet, 70 Prozent davon für erneuerbare Energien.
IslaSol I B ist ein 14-Megawatt-Solarkraftwerk in La Carlota City auf der philippinischen Insel Negros.
RAVIRAJ SALECHA
Erneuerbare Energien wurden durch diese Entwicklung zu einer eigenständigen Anlageklasse. Aber trotz dieses Wachstums muss mehr getan werden, um sicherzustellen, dass dieser Markt sein volles Wirkungspotenzial entfalten kann – denn Investitionen in den Energiesektor auf der Grundlage solider politischer Rahmenbedingungen sind entscheidend für die Beschleunigung der Energiewende. Dies gilt insbesondere für Asien, da dessen Anteil am weltweiten Energieverbrauch laut Institute for Energy Economics and Financial Analysis (IEEFA) aufgrund des Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstums von heute 34 Prozent auf über 50 Prozent in den nächsten zwanzig Jahren steigen wird.
Indien mit starkem Wachstum bei erneuerbaren Energien Indien verzeichnete in den letzten zehn Jahren bei erneuerbaren Energien ein
Wachstum, das sich im Vergleich mit den weltweiten Kapazitätserweiterungen sehen lassen kann und das durch viel inländisches und internationales Kapital unterstützt wurde. Für eine nachhaltige Finanzierung sind laut IEEFA vier Faktoren entscheidend: die Anpassung der Kreditgeber an den sich entwickelnden Markt für erneuerbare Energien, eine auf Infrastrukturfinanzierungen spezialisierte Bank, eine sorgfältige Bewertung und finanzielle Strukturierung des technologischen Wandels hin zu indischen Modulen und Wechselrichtern und – vielleicht am wichtigsten – die Gewinnung umweltbewusster Investierender. Indien ist seiner auf dem Pariser Klimagipfel 2015 erklärten Verpflichtung, den Anteil der installierten Stromkapazität aus nicht fossilen Quellen bis 2030 auf 40 Prozent zu erhöhen, bereits neun Jahre voraus. Auf dem COP26-Klimagipfel 2021 in Glasgow kündigte der indische Premierminister Narendra Modi an, dass Indien seine nicht fossile Energiekapazität bis 2030 auf 500 Gigawatt erhöhen und 50 Pro-
FOTOS: ISTOCK
zent seines Energiebedarfs aus erneuerbaren Energien decken wird. Von diesen 500 Gigawatt entfällt der Löwenanteil von 60 Prozent (280 Gigawatt) auf Solarkraftwerke. Das erfordert in den nächsten acht Jahren eine jährliche Steigerung von etwa 25 Gigawatt.
Neben dem ökologischen Anreiz werden auch die finanziellen Vorteile immer greifbarer.
Die finanziellen Vorteile der erneuerbaren Energien Neben dem ökologischen Anreiz werden auch die finanziellen Vorteile der erneuerbaren Energien immer greifbarer. Der International Renewable Energy Agency (IRENA) zufolge sind erneuerbare Energien bereits deutlich günstiger als neue, auf fossilen Brennstoffen basierende Stromkapazitäten. Demnach weist mehr als die Hälfte der 2019 hinzugefügten erneuerbaren Kapazitäten dank neuer Technologien und Mengenvorteile, zunehmend wettbewerbsfähiger Lieferketten und wachsender Entwicklungserfahrung deutlich niedrigere Stromkosten als die günstigsten neuen Kohlekraftwerke auf. So sind
in den zehn Jahren ab 2010 laut IRENA die Kosten für die Erzeugung kommerzieller Fotovoltaikenergie um 82 Prozent gesunken. Asien spielt bereits heute eine gewaltige Rolle beim Investitionsboom in erneuerbare Energien: Seit 2014 wurden mehr als 42 Milliarden US-Dollar in den indischen Markt investiert. 2018 allein bezifferten sich der India Brand Equity Foundation (IBEF) zufolge Neuinvestitionen in saubere Energie auf 11,1 Milliarden US-Dollar. Das Wirtschaftswachstum und die schnell wachsende urbanisierte Bevölkerung in den asiatischen Ländern haben zu einem erheblichen Anstieg der Nachfrage nach Energie und Strom in der gesamten Region geführt. Zahlen des IWF zeigen, dass die G7-Staaten in den letzten 20 Jahren gemeinsam eine Wachstumsrate von 40 Prozent verzeichneten, während die 30 Länder, die zusammen das «aufstrebende und sich entwickelnde Asien» bilden, um 325 Prozent wuchsen. Asien ist bereits jetzt für einen grossen und wachsenden Anteil an den weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich und der nachhaltige und grüne Entwicklungskurs der Region ist für die Erreichung der Ziele des Pariser Abkommens von zentraler Bedeutung. Indien hat die Absicht und das Engagement gezeigt, Wachstum und Umweltbelange in Einklang zu bringen und gleichzeitig eine leistungsfähigere Infrastruktur für erneuerbare Energie zu entwickeln. Aufgrund des Kapitalbedarfs stellt die grosse Finanzierungslücke das Haupthindernis für die weitere Entwicklung dar. Wir begreifen dies als eine Chance für nachhaltige Investitionen. RaviRaj Salecha ist Director der ThomasLloyd Group.
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Immobiliensektor birgt riesiges Klimaeffizienz-Potenzial Der Klimaschutz hat richtigerweise die Möglichkeiten von Investitionen in nachhaltige Produkte in den Fokus gerückt. Das Thema ist von einer Nische zu einem Wachstumsmarkt geworden – gerade hier in der Schweiz. SABINE KELLER-BUSSE
FOTO: PD
Gemäss einer im Frühjahr 2021 von UBS durchgeführten Umfrage bei 2500 Firmen ist Nachhaltigkeit für neun von zehn wichtig oder sehr wichtig. Und schon 2018 waren knapp zwei Drittel der befragten Schweizer Investierenden der Meinung, dass nachhaltiges Anlegen in zehn Jahren das «New Normal» sein werde. Bis vor kurzem war die Klimaerwärmung der primäre Treiber für den Umbau der Wirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit. Hinzu kommt: Die russische Invasion der Ukraine gefährdet die Energieversorgung Europas und damit auch unsere. Abhängigkeiten und Klumpenrisiken sollten künftig vermieden oder zumindest verkleinert werden. Die EU bezieht rund 40 Prozent ihres Erdgasbedarfs aus Russland, Deutschland gar die Hälfte. Die Schweiz ist weniger abhängig – aber nur auf den ersten Blick. Zwar stammt auch bei uns etwa die Hälfte der Gasimporte aus Russland, jedoch spielt Gas hierzulande eine untergeord-
Sabine Keller-Busse President von UBS Switzerland
nete Rolle im Strommix. Weil im Winter aber Strom importiert werden muss, ist die Schweiz abhängig von der EU und damit auf Umwegen vom Gas, das im Gegensatz zu Öl kaum substituiert werden kann.
Ursache und Wirkung Die Pläne, bis 2050 klimaneutral zu werden, dürften sich daher weiter beschleunigen. Die deutsche Regierung hat bereits angekündigt, bis 2035 vollständig auf erneuerbare Energien umstellen zu wollen. Die rasche Reduktion der Abhängigkeit von fossilen Energien ist auch für den Bundesrat und die Bevölkerung ein zentrales Anliegen. Rund 90 Prozent befürworten den Ausbau erneuerbarer Energien, 80 Prozent wünschen sich Unabhängigkeit von Gas- und Ölimporten. Aus Sicht der Konsumierenden schaffen steigende Preise für fossile Energieträger zusätzliche Anreize für einen beschleunigten Umstieg. Wie bei jeder Transformation stellt sich die Frage, wo der Hebel angesetzt werden muss, um die grösste Wirkung zu erzielen. Geht man vom Verursacherprinzip aus, ist die Antwort klar: Der Immobiliensektor ist mit einem Anteil von etwa 25 Prozent einer der grössten CO2-Emittenten. Hier besteht ein riesiges Potenzial für mehr Klimaeffizienz. Aktuell werden pro Jahr knapp 2 Prozent der Schweizer Wohnimmobilien renoviert. Die energetische Sanierungsrate sollte mindestens verdoppelt, wenn nicht sogar verdreifacht werden.
Die Rolle der Banken Banken spielen eine wichtige Rolle dabei, ihre Kundinnen und Kunden auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit zu begleiten und zu beraten – sowohl auf der Anlage- und besonders auch auf der Finanzierungsseite. Fossile Brennstoffe, Energieerzeugung und Immobilien sind die drei Sektoren, in denen UBS bereits Ziele zur CO2-Reduktion im Kreditbuch bis 2030 angekündigt hat. Dieser Klimaplan für die selbstauferlegte Netto-NullVerpflichtung wird ebenso von den Aktionären unterstützt. Unternehmenskunden, die mit einer Kredit- oder Kapitalmarktfinanzierung einen nachhaltigen Zweck verfolgen beziehungsweise deren vorab definierte Nachhaltigkeitskriterien sich während der Laufzeit einer Finanzierung verbessern, erhalten von UBS attraktive Konditionen. Zudem kommt dem Immobiliengeschäft gerade in der Schweiz eine Schlüsselrolle zu. Im Hypothekargeschäft hat UBS in den letzten Monaten darum eine ganze Reihe von Anreizen gesetzt, um nachhaltige Bau- und Sanierungsvorhaben bei Eigenheimen und Renditeliegenschaften zu unterstützen.
Was ist effektiv grün? Vieles bewegt sich in die richtige Richtung. Doch es gibt noch einige Baustellen. Zum Beispiel ist die Frage, was im Immobilienbereich als «grün» gelten darf, nicht abschliessend geklärt. Wer einen Kühlschrank kauft, weiss genau
Der Schweizer Immobiliensektor ist mit einem Anteil von 25 Prozent einer der grössGETTY IMAGES ten CO2-Emittenten. Bescheid über dessen Energieeffizienz. Ausgerechnet im Gebäudesektor – wie erwähnt, der grösste CO2-Verursacher – fehlen verbindliche Standards, weshalb auch keine stabile Datenlage existiert. Eine solche wäre aber notwendig, um grüne Finanzierungsopportunitäten besser erkennen und gezielter darin investieren zu können. Es gibt also noch viel zu tun: Alte Heizungen zu ersetzen ist gut, aber
es reicht nicht, um das Zwischenziel 2030 der Energiestrategie zu erreichen. Gefragt ist das Zusammenspiel von Politik, Wirtschaft und allen beteiligten Stakeholdern, damit der Schweizer Immobiliensektor auch in Sachen Nachhaltigkeit künftig noch attraktiver wird. Sabine Keller-Busse ist President von UBS Switzerland.
Kritischer Umgang mit ESG-Ratings Bewertungen gewinnen bei der Analyse von Unternehmen und Fonds an Bedeutung. Umso mehr sollten Fondsmanager und Privatanlegende die Hintergründe kennen. JEAN-PIERRE GERBER UND LORENO FERRARI
ESG-Ratings von spezialisierten Nachhaltigkeitsanalysehäusern zielen im Wesentlichen darauf ab, die Widerstandskraft eines Unternehmens oder eines Fonds gegenüber wesentlichen Environment-, Social- und Governance-Risiken (ESG) zu messen. Mittels eigener Analyseansätze werden eine Vielzahl qualitativer wie quantitativer Daten erhoben, aufbereitet, bewertet und schliesslich auf eine Messgrösse reduziert (ESG-Rating, ESG-Risiko-Score etc.). Als Datenquelle dienen Geschäftsberichte, NGODokumente, Umweltberichterstattungen und andere öffentlich verfügbare Informationen. Zuweilen werden Unternehmen direkt mit ESG-Fragebögen angeschrieben, in anderen Fällen wird die Medienlandschaft mittels künstlicher Intelligenz nach auffälligen ESG-Merkmalen ausgewertet.
Eingeschränkte Aussagekraft Naturgemäss können ESG-Rating-Methodologien die Realität begrenzt abbilden und die effektiven Nachhaltigkeitsrisiken nur approximativ modellieren. Gerade in spezialisierten Industrien, zum Beispiel in der Biotechnologie, vermögen einige ESG-Methodologien den unterschiedlichen Reifegraden der Unternehmen nicht wirklich gerecht zu werden. Die ESG-Methodologie eines namhaften Anbieters legt bei der Bewertung von Biotech-Unternehmen beispielsweise hohes Gewicht auf den Faktor «Zugang zu Medikamenten», der das Volumen von Medikamentenabsätzen in einzelnen Märkten misst. Je breiter ein Biotech-Unternehmen Märkte, etwa auch in Schwellenländern, mit Medikamenten versorgt, umso nachhaltiger wird das Kriterium bewertet. Junge, innovative Unternehmen, die noch keine Umsätze generieren, werden
systematisch unterbewertet. Zudem belegen Studien, dass klein- und mittelkapitalisierte Unternehmen in Bezug auf Nachhaltigkeit im Schnitt schlechter bewertet werden als grosskapitalisierte Unternehmen. Dies ist etwa darauf zurückzuführen, dass kleinere Unternehmen nicht über die notwendigen Ressourcen, Strukturen und Kenntnisse verfügen, um den heutigen Nachhaltigkeitsanforderungen umfassend gerecht zu werden. Folglich sinken mit steigender durchschnittlicher Marktkapitalisierung der in einem Fonds befindlichen Einzeltitel die ermittelten ESG-Risiken systematisch.
Begrenzte Aussagekraft von aggregierten ESGRatings erfordert Einbezug weiterer Auswahlkriterien.
wertebasierter Ausschlüsse, den Fokus auf Nachhaltigkeitsthemen (z. B. Wasser, erneuerbare Energien), den Einsatz von Engagement-Praktiken oder die aktive Ausübung von Stimmrechten. Regulatorische Klassifikationsraster – zum Beispiel die Einteilung von Fonds nach Artikel 6, 8 oder 9 gemäss der EUOffenlegungsverordnung 2019/2088 – können eine weitere Hilfestellung bieten, vermögen aber den Nachhaltigkeitsgrad eines Anlageprodukts nicht
Jean-Pierre Gerber und Loreno Ferrari sind Senior-Produktspezialisten bei Bellevue Asset Management.
ESG Risiko Scores europäischer Small&Mid Cap / Fonds nach Marktkapitalisierung
Nachzügler nicht unterschätzen Anlegende mit Nachhaltigkeitspräferenzen haben sich darüber hinaus die Frage zu stellen, ob ein Anlageportfolio dann besonders nachhaltig ist, wenn es ausschliesslich in «ESG-Leaders» investiert, also Unternehmen, die sich dank ihrer Grösse und Reife historisch einen sehr hohen ESG-Standard erarbeitet haben. Alternativ dazu kann aber auch ein Portfolio in Frage kommen, das bewusst in sogenannte Nachzügler beziehungsweise «ESG-Laggards» mit positivem ESG-Momentum investiert und damit auf eine positive Veränderung von Prozess- und/oder Produkttransitionen setzt. Als Anlegerin und Anleger führt kein Weg daran vorbei, sich mit ESGRatings auseinanderzusetzen. Hinsichtlich der Portfoliokonstruktion oder der Fondsauswahl nach ESG-Kriterien sollten aber aggregierte Ratings lediglich als eines von mehreren Auswahlkriterien konsultiert und mit der nötigen Vorsicht interpretiert werden. In der Praxis können nach strikten ESG-Regeln verwaltete Nachhaltigkeitsfonds durchaus niedrigere ESG-Ratings als nicht nachhaltige Fonds ausweisen. Der scheinbare Widerspruch erklärt sich bei näherer Betrachtung etwa durch die zusätzliche Anwendung normenbasierter und
im Detail zu differenzieren. Dedizierte Nachhaltigkeitsfonds mit vergleichsweise strikteren Nachhaltigkeitsansätzen richten sich daneben meist an den Vorgaben internationaler Siegel aus, wie zum Beispiel dem FNG-Siegel oder dem österreichischen Umweltzeichen UZ49.
QUELLE: ESG RISIKO SCORE AUF BASIS VON MORNINGSTAR/SUSTAINALYTICS, REFINITIV, BELLEVUE ASSET MANAGEMENT, DATEN PER 31. JANUAR 2022
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