Sustainable Switzerland (D)

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Samstag, 25. November 2023

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Nachhaltig handeln

Energieeffiziente Gebäude

Mehr Daten, weniger Emissionen Soziale Verantwortung

Software für die Essensausgabe

Das grosse Aufräumen CH-8021 Zürich · Telefon +41 44 258 16 98 · nzzone.ch

SUISTANABLE SWITERLAND

Planetarische Abfallbeseitigung


2 Special

Nachhaltig handeln

Samstag, 25. November 2023

An der UNO-Generalversammlung im September räumten alle Mitgliedstaaten ein, dass es kaum noch Chancen für das fristgerechte Erreichen der Agenda 2030 gibt. Hat die Nachhaltigkeitsdebatte an Priorität verloren? Markus Reubi: Ich habe in New York nicht den Eindruck gewonnen, dass die Agenda 2030 keine Priorität mehr hat. Im Gegenteil, viele Staats- und Regierungschefs haben sich am SDG Summit sehr stark mit den UNO-Nachhaltigkeitszielen auseinandergesetzt. Dass wir gemeinsam die richtigen Ziele verfolgen, aber nicht auf Kurs sind, wird nicht bestritten. Allein schon diese Feststellung von 193 Mitgliedsstaaten ist ein wichtiger Schritt. Jetzt müssen den Erkenntnissen Taten folgen.

Diese Investitionslogik ist nicht ungefährlich: Greenwashing und Wirtschaftskolonialisums drohen. Wie navigiert man dieses Spannungsfeld? Reubi: Die Schweiz verfolgt einen liberalen Ansatz. Wir versuchen in erster Linie, gute Rahmenbedingungen zu schaffen, und motivieren die Branche zu Selbstregulierung. Erst wenn dies nicht mehr funktioniert, greift der Staat ein. Im Bereich des Finanzplatzes haben wir beispielsweise mit Greenwashing zu kämpfen. Die Schweiz ermutigt jedoch die Akteure, selbst gegen unlautere Praktiken vorzugehen und praktikable Standards zu setzen. Frutiger: Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Präsenz der Schweiz in den Partnerländern der Entwicklungszusammenarbeit. Wir arbeiten intensiv an der Verbesserung der Governance und der Bekämpfung von Korruption und Greenwashing, um die lokalen und nationalen Regierungen zu unterstützen, für nachhaltige Investitionen die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Wenn wir Gelder aus der Entwicklungszusammenarbeit einsetzen, müssen damit klare Entwicklungsziele im Sinne der Agenda 2030 erreicht werden. Es muss ein reales Bedürfnis in den Partnerländern erfüllen und eine messbare Wirkung haben.

Christian Frutiger: Dem stimme ich zu. Pandemie, Kriege und Umweltkatastrophen haben die Agenda 2030 zurückgeworfen. Die grosse Herausforderung ist die Finanzierung und wie wir wieder auf Kurs kommen. Aber jetzt müssen wir sicherstellen, dass die dringend notwendige Beschleunigung der Umsetzung der Agenda 2030 auch finanziert werden kann. Und hier kommt der Global Rescue Plan ins Spiel. Trotzdem sind wir bei nur 15 Prozent der 169 SDG-Unterziele auf Kurs. Hatten wir zu grosse Erwartungen? Reubi: Die 15 Prozent sind Einschätzungen und keine exakte Mathematik, aber zweifellos ist der Fortschritt bei weitem unzureichend, auch in der Schweiz. Die Agenda 2030 ist als Rahmenwerk bewusst so gestaltet, dass jeder Staat selbst auswählen muss, welche Nachhaltigkeitsziele für ihn besonders relevant sind. Jedes Land muss seine eigene Agenda entsprechend seinen Bedürfnissen und Möglichkeiten festlegen, um zu vermeiden, dass man sich in Aktivismus verliert. Diese Priorisierung findet bereits statt, auch in der Schweiz. Welche Herausforderungen sieht die Schweiz? Reubi: In der Schweiz haben wir festgestellt, dass nachhaltiger Konsum und nachhaltige Produktion ein Schwerpunkt ist. Unsere Ernährungssysteme müssen nachhaltiger werden. Akteure aus der Landwirtschaft müssen mit Akteuren aus Produktion, Handel, Gesundheits-, Lebensmittel- und Veterinärwesen sowie aus Konsumbereichen zusammenarbeiten, um Wertschöpfungsketten nachhaltiger zu gestalten. Die Kreislaufwirtschaft entwickelt sich zu langsam. Auch die Reduktion der CO2-Emissionen durch den Zubau erneuerbarer Energien bei gleichzeitigem Schutz der Biodiversität ist ein Schwerpunkt. Aber ein Vorankommen ist wohl nur mit zusätzlichen Ausgaben und Subventionen möglich. Da sind auch Wirtschaft und Wissenschaft gefragt. Wie funktioniert dieses Zusammenspiel? Reubi: Die Wissenschaft erarbeitet die Daten und Grundlagen. Andererseits ist sie gemeinsam mit der Wirtschaft gefordert, nach Lösungen zu suchen und Innovationen zu fördern. Unsere Schweizer Unternehmen gehören oft zu den Vorreitern und viele haben Nachhaltigkeit als einen Teil ihrer Werte fest verankert. Die Nähe zwischen Wissenschaft und Wirtschaft kommt der Schweiz zugute. Letztendlich wird Nachhaltigkeit in der Wirtschaft aber nur dann realisiert, wenn die Führungsebenen in

Die Welt ist nach UNO-Angaben nur bei 15 Prozent der globalen Entwicklungsziele auf Kurs.

«Den Erkenntnissen müssen jetzt Taten folgen» Agenda 2030 Geopolitische Konflikte und ein Finanzierungsdefizit erschweren die Umsetzung der von der Weltgemeinschaft vereinbarten 17 Ziele für eine sozial, wirtschaftlich und ökologisch nachhaltige Entwicklung (SDGs). Die Experten Markus Reubi und Christian Frutiger erklären, weshalb hier gerade die Schweiz eine Pionierrolle einnehmen könnte. den Unternehmen selbst Verantwortung übernehmen und nachhaltige Geschäftsmodelle vorantreiben. Oft stehen grosse Unternehmen im Scheinwerferlicht. Hat man den Zeitpunkt verpasst, KMU rechtzeitig ins Boot zu holen? Reubi: KMU werden oft unterschätzt. Sie sind häufig lokal sehr stark verankert und tun damit auf natürliche Art und Weise viel im Bereich Nachhaltigkeit. Oft fehlt ihnen jedoch die Sichtbarkeit. Für viele ist klar, dass sie nur überleben und neue Fachkräfte anziehen können, wenn sie nachhaltig ausgerichtet sind. Sie sind direkt betroffen von steigenden Energiekosten oder neuen Ansprüchen in den Lieferketten, die immer häufiger Zertifizierungen und die Einhaltung von Nachhaltigkeitsstandards verlangen. Die Situation der KMU in der Schweiz ist also komplex und je nach Branche auch sehr unterschiedlich. Woran liegt das? Fehlende Expertise oder mangelnde Rahmenbedingungen? Reubi: Die Herausforderung besteht darin, sicherzustellen, dass Nachhaltigkeitsstandards – zum Beispiel in

«Wir gelten schon seit Jahren als innovativstes Land der Welt. Weshalb nicht als nachhaltigstes?» der Berichterstattung – nicht nur für Grossunternehmen umsetzbar sind. Die Bundesverwaltung ist dabei, eine Toolbox zu entwickeln, die die KMU bei der Transformation unterstützen soll. Diese Toolbox bietet einfache Anleitungen und Hilfestellungen, um sicherzustellen, dass auch KMU die Vorgaben und Trends kennen und diese einfach anwenden können. Diese Transformation durchzuführen ist aber nicht Aufgabe des Staates. Wir müssen sicherstellen, dass wir den KMU nicht zu viel Bürokratie auferlegen, die sie von der Optimierung von Prozessen, Steigerung der Energieeffizienz und

Anpassung ihrer Geschäftsmodelle abhält. Wir können die besten Rahmenbedingungen schaffen, aber es liegt an der Wirtschaft, Nachhaltigkeit zu leben und die damit verbundenen Chancen zu nutzen. Um die Agenda 2030 zu erreichen, braucht es zusätzliche Finanzmittel. Welche Optionen sieht die Schweiz? Frutiger: Das gesamte Finanzierungsloch für die Agenda 2030 beträgt 5 bis 6 Billionen Dollar pro Jahr. Der UNOGeneralsekretär verlangt von den Industrieländern, dass sie ihre Entwicklungsbeiträge auf 500 Milliarden Dollar (von heute 186 Milliarden Dollar) steigern. Es bleibt also in jedem Fall ein riesiges Defizit, weshalb andere Akteure gefragt sind. Es gibt bereits Initiativen, die zeigen, dass Migrantinnen und Migranten, die Geld in ihre Herkunftsländer zurücksenden, einen erheblichen Beitrag leisten. Auch der Privatund der Finanzsektor müssen stärker in die Finanzierung nachhaltiger Entwicklung eingebunden werden. Die Herausforderung besteht darin, von einer Compliance- und Corporate-SocialResponsibility-Logik zu einer Investitionslogik überzugehen.

siert auch die vom Bundesrat vor zwei Jahren verabschiedete Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030. Aus den SDGs wurden dabei für die Schweiz drei Schwerpunktthemen ausgewählt: «Nachhaltiger Konsum und nachhaltige Produktion», «Klima, Energie und Biodiversität» sowie «Chancengleichheit und sozialer Zusammenhalt». Und wie gestaltet sich die Umsetzung der entsprechenden Massnahmen? Der Bundesrat hat es bei der Präsentation seines Länderberichts zur Agenda 2030 im vergangenen Jahr so formuliert: «Die Richtung stimmt, das Tempo nicht.»

Klimaskeptizismus zum Beispiel ist im Aufwind. Wie wichtig ist die Unterstützung der Weltbevölkerung für die Agenda 2030? Reubi: Die drei wichtigsten Themen in der Schweiz sind Krankenkassenprämien, der Klimawandel und Migration. Der Bezug zur Weltbevölkerung ist hier bei Klimawandel und Migration sehr offensichtlich. Die Menschen haben erkannt, dass globale Probleme nur gemeinsam gelöst werden können. Um die Agenda 2030 zu unterstützen, müssen wir den Bürgern in der Schweiz den Nutzen von Investitionen in nachhaltige globale Entwicklung aufzeigen. Dies ist aufgrund der Zusammenhänge komplex. Es ist aber wichtig, dass wir die Auswirkungen der Agenda 2030 und deren Notwendigkeit mit klaren Daten und Fakten belegen. Ich bin generell optimistisch, denn letztlich gibt es kaum Alternativen. Frutiger: Ich bin ebenfalls Optimist, obwohl Krisen wie Kriege, Pandemien und der Klimawandel die Bedürfnisse der Ärmsten, das Ungleichgewicht und dadurch das Konfliktpotenzial weiter erhöhen. Das multilaterale Entwicklungssystem ist zwar nicht perfekt, aber globale Herausforderungen können nun mal nur durch Zusammenarbeit auf Augenhöhe und über die Landesgrenzen hinaus bewältigt werden. Umfragen zeigen, dass die Weltbevölkerung, insbesondere im globalen Süden, in einer demokratischen Umgebung leben möchte. Dies ist ein zentrales Ziel der Agenda 2030, um ein gutes Leben für alle zu ermöglichen. 2030 ist in nur sieben Jahren. Was geschieht danach? Reubi: Man muss sich sicher überlegen, welche Technologien uns helfen, nachhaltige Entwicklung zu fördern. Zum Beispiel können künstliche Intelligenz und Big Data, richtig eingesetzt, erheblich zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele beitragen. Es braucht aber gute Regelungen und Kompetenzen für den Einsatz dieser Technologien, damit sie verantwortungsbewusst genutzt werden und nicht nur für wenige zugänglich sind. Frutiger: Die Schweiz spielt trotz ihrer geringen Grösse eine wichtige Rolle auf der Weltbühne. Ich hätte die Vision einer Schweiz als weltweit führende Kraft im Bereich der Nachhaltigkeit. Sei dies in der Realwirtschaft, als Finanzplatz oder in der Entwicklungszusammenarbeit. Wir gelten schon seit Jahren als innovativstes Land der Welt. Weshalb also nicht als nachhaltigstes?

Mehr Tempo! Die Agenda 2030 bildet den globalen Referenzrahmen für die nachhaltige Entwicklung. Sie wurde im Jahr 2015 von allen Uno-Mitgliedstaaten verabschiedet mit der Ambition, die Ziele gemeinsam bis 2030 zu erreichen. Die Agenda besteht aus den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, kurz: SDG) und 169 Unterzielen (Targets). Sie decken das breite Spektrum an Themen der nachhaltigen Entwicklung ab – von der Armutsbekämpfung über den Klimaschutz bis zum verantwortungsvollen Wirtschaften. Auf der Agenda 2030 ba-

FOTOS: PD

Interview: Livio Stöckli

Markus Reubi Delegierter des Bundesrats für die Agenda 2030

Markus Reubi

Christian Frutiger

Christian Frutiger Vizedirektor und Leiter der Abteilung Thematische Zusammenarbeit in der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA)


Nachhaltig handeln

Samstag, 25. November 2023

Das Hauptnarrativ der Wahlen vom 22. Oktober ist klar: Die Ökoparteien haben eine Pleite erlitten. Die Grünen büssten gegen vier Wählerprozente ein und die Grünliberalen rund 40 Prozent ihrer Parlamentssitze. Daraus ergibt sich vordergründig eine eindeutige Schlussfolgerung: Für den Klimaschutz war es ein schlechter Sonntag. Die Schweiz ist nach rechts gerückt. Nun drohen Rückschritte auf dem Weg zu einer nachhaltigen Schweiz. In dieser Zuspitzung geht allerdings eine erste Wahrheit vergessen. Was in der Schweiz als Erdrutsch erscheint, gälte im Ausland als Niedergang eines Sandkorns. Gerade einmal sieben Prozent der Sitze im Nationalrat wechselten am Wahltag ihre Inhaber. Aus dieser tiefen Zahl lässt sich nicht auf einen scharfen Kurswechsel in der Klimapolitik schliessen, sondern eher auf eine Kurskorrektur. Zudem hat die Korrektur der Wähleranteile nach der peinlichen Berechnungspanne des Bundesamts für Statistik ergeben, dass die Rechtsrutsch moderater und der Rückgang der Ökoparteien weniger stark ausgefallen ist als ursprünglich gemeldet. In der medialen Fokussierung auf die Kategorien von Gewinnern und Verlierern ging auch unter, dass die Grünen 2023 das zweitbeste Ergebnis in ihrer Geschichte eingefahren haben. Am Ende ist diese Partei nicht, allerdings am vorläufigen Ende all ihrer Bundesratsambitionen. Im Siebenergremium werden sie aus eigener Kraft in absehbarer Zukunft nicht auftauchen, genauso wie die Grünliberalen.

Special

Mit den bisherigen Methoden kommt man nicht weiter Meinung Auf den ersten Blick ist der Ausgang der zurückliegenden Parlamentswahlen eine Absage an den Klimaschutz. Doch nicht die Ziele sind das Problem, sondern die Lösungsansätze der Grünen. Eine Analyse. Von Felix E. Müller

Wem es gelingt, Klimaschutz mit den Bauern und nicht gegen sie zu betreiben, kann realpolitisch viel erreichen.

Beim schlechten Abschneiden der Umweltparteien hat sicher eine Rolle gespielt, dass in den letzten Jahren grüne Anliegen auch in anderen Parteien Fuss gefasst haben. So verhalfen etwa die FDP und die Mitte dem Klimagesetz im Kanton Zürich zum Durchbruch, das unter anderem einen Ausstieg aus fossilen Heizungen bringt. Wem der Klimaschutz ein Anliegen ist, sieht sich also nicht mehr gezwungen, deswegen den Grünen oder der GLP die Stimme zu geben. Ein weiterer Grund war sicher, dass die Klimakleber dem Anliegen des Klimaschutzes geschadet haben. Denn sie

verstärkten einen Eindruck, den die Grünen im Übermut ihres Wahlerfolgs von 2019 durchs Band erweckt haben: Klimaschutz erfordert Zwangsmassnahmen, Einschränkungen, staatliche Eingriffe in die private Lebensführung bis hin zu dem, was wir noch essen dürfen. Für die Grünen (in diesem Punkt von der SP unterstützt) schien das Verbot das am besten geeignete Instrument auf dem Weg zu einer nachhaltigen Schweiz zu sein. Dass eine Nationalrätin ernsthaft einen staatlichen Bann von Hackfleischaktionen bei den

Detailhändlern forderte, illustriert die angestrebte Interventionstiefe grüner Umweltpolitik. Dennoch ist unbestritten, dass die neuen Machtverhältnisse im Parlament einen gewissen Einfluss auf die Umweltpolitik haben werden. Mit dem bisherigen Ansatz, nämlich primär mittels gesetzlicher Verbote, mittels Forderungen des Verzichts und der Einschränkungen zu arbeiten, dürften sich nun definitiv keine Mehrheiten mehr erzielen lassen. Denn dieser wirkt unsympathisch, bevormundend, invasiv und weckt vielerorts Abwehrreflexe.

ELMAR ZUR BONSEN

taillierte ESG-Angaben zu machen. Mit den neuen Prüf- und Sorgfaltspflichten will man bewusst einen Dominoeffekt entlang der Lieferketten erzielen. Einer verpflichtet den anderen, um die eigene ESG-Performance zu verbessern. Das kommt am Ende allen zugute. Die zentralen Fragen lauten: Welche negativen oder positiven Auswirkungen hat die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens auf Mensch und Umwelt? Und welchen ESG-Risiken mit welchen finanziellen Folgen ist die Firma umgekehrt ausgesetzt? Je nach Antwort muss man entsprechende Massnahmen ergreifen. Es geht im Kern darum, Treibhausgasemissionen bis spätestens 2050 auf NettoNull zu senken und Stakeholdern ein umfassendes Bild von der nachhaltigen Entwicklung und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu geben. Um überhaupt auskunftsfähig sein zu können, benötigen

Umwelt, Soziales, Unter­nehmensführung: Auch KMU müssen sich fit machen für neue regulatorische Vorgaben in der Schweiz.

Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Wirtschaft hat sich in der Gesetzgebung viel getan – in der Schweiz ebenso wie in der EU. Ab dem Geschäftsjahr 2023 müssen Schweizer Publikumsgesellschaften Bericht über nicht-finanzielle Aspekte erstatten. Das heisst: Sie sind verpflichtet, über Sozial- und Umweltbelange, insbesondere Klimaziele, über Arbeitnehmerthemen, Menschenrechte und Korruptionsbekämpfung – auch bezogen auf ihre Lieferketten – jährlich zu berichten. Diese sogenannten ESG-Anforderungen (ESG für Environment, Social, Governance) stellen auch kleine und mittlere Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen. Warum? Sie sind häufig Zulieferer für berichtspflichtige Konzerne und werden in dieser Rolle zunehmend von ihren Geschäftskunden aufgefordert, de-

ADOBE STOCK

«Zentral wird sein, anstelle von Zwangsmassnahmen mit Anreizen zu schaffen.»

Gefragt sind eine klare Strategie und möglichst vollständige ESG-Daten. ISTOCK

Academy-Angebote ab 2024 Angekündigt wurde am diesjährigen SSF auch die Lancierung einer neuen Plattform zur Förderung von Wissen und Weiterbildung rund um das Thema Nachhaltigkeit: die «Sustainable Switzerland Academy». Voraussichtlich ab Februar 2024 werden auf der schweizweit einzigartigen Plattform praxisorientiertes Knowhow, innovative Ansätze und Methoden sowie lehrreiche Best Practices vermittelt. Den Kern des Programms bilden E-Learning-Module zum Selbststudium, kombiniert mit Live Sessions, ausserdem Fortbildungsangebote in Kooperation mit renommierten Schweizer Bildungsinstitutionen. Die Inhalte der Academy sind auf die Bedürfnisse von Schweizer Unternehmen zugeschnitten. Sie richten sich vor

allem an KMU und Professionals, die sich fit machen möchten für die vielfältigen Herausforderungen der Nachhaltigkeit. Als Informations-Hub dient das Portal sustainableswitzerland.ch

Award für Kommunikation Die Initiative ist auch in anderer Hinsicht erfolgreich auf Kurs: Beim Wettbewerb «Best of Content Marketing» gewann sie in Berlin einen Silber-Award in der Kategorie Nachhaltigkeitskommunikation. In der Begründung der Fachjury heisst es: «Ein grosses Kompliment an die NZZ, die ihre Verantwortung ernst nimmt und mit Sustainable Switzerland zu einem umfassenden und qualitativ hochwertigen Nachhaltigkeitsdialog in der Schweizer Bevölkerung anregt.»

Schliesslich gilt es, die Bauern als Verbündete für den Klimaschutz zu gewinnen. Diesen gelang es, ihren Einfluss im neuen Parlament nochmals auszubauen. Bisher haben die Grünen in ihren städtischen Genossenschaftssiedlungen die Landwirte tendenziell als Gegner betrachtet. Seriell wurden Volksinitiativen lanciert, die von diesen als Angriff auf ihre Existenz betrachtet wurden, gewissermassen als wolle der Staat ihnen die Tiere aus dem Stall abführen. Doch die Bauern sind für die Ideen des Klimaschutzes durchaus empfänglich, sehen sie doch früher als viele die Folgen des Klimawandels in ihrer täglichen Arbeit. Dass etwa in gewissen Regionen der Schweiz im Sommer neuerdings Wassermangel besteht, ist für viele von ihnen ein Alarmsignal. Wem es gelingt, Klimaschutz mit den Bauern und nicht gegen sie zu betreiben, kann realpolitisch viel erreichen. Klimapolitik und die Themen der Nachhaltigkeit werden folglich im neuen Parlament nicht von der politischen Agenda verschwinden. Erforderlich sind allerdings neue Ansätze, damit die Schweiz auf diesem wichtigen Gebiet weitere Fortschritte erzielen kann.

KMU heute ein Nachhaltigkeitsmanagement auf drei Ebenen: Die Geschäftsleitung muss erstens Zuständigkeiten, Prozesse, Ziele und eine Strategie festlegen (Governance), zweitens dafür sorgen, dass ESG-Daten erhoben und Massnahmen umgesetzt werden, und drittens intern und extern ihre ESG-Aktivitäten kommunizieren. Das ist alles andere als trivial. Angesichts der umfangreichen Anforderungen wird KMU-Chefs geraten, eigene Nachhaltigkeitsverantwortliche einzusetzen, die sich mit der Materie und den Metriken auskennen. Inhaltlich empfiehlt es sich, mit einem CO2-Management nach dem internationalen Treibhausgasprotokoll zu starten. Tut man dies nicht, riskiert man, bei der Lieferantenbewertung durch die eigenen Geschäftskunden schlecht abzuschneiden – bis man vielleicht eines Tages ganz von der Liste gestrichen wird.

Impressum

Initiative Sustainable Switzerland auf Kurs Innerhalb eines Jahres hat sich Sustainable Switzerland, eine Initiative des Unternehmens NZZ, als führende Plattform für eine nachhaltige Entwicklung in der Schweiz etabliert. Ein zentrales Element ist das Sustainable Switzerland Forum (SSF). Auf der diesjährigen Konferenz im Kursaal Bern sprachen mehr als 50 Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik vor und mit rund 750 Teilnehmenden. Im Fokus standen Themen wie Dekarbonisierung, Mobilität und nachhaltige Unternehmensführung. Zu den prominenten Speakern gehörte Gro Harlem Brundtland, frühere norwegische Ministerpräsidentin und Vorsitzende der nach ihr benannten Uno-Kommission für nachhaltige Entwicklung. Das nächste SSF wird übrigens am 22. August 2024 stattfinden.

Wem die Nachhaltigkeit ein Anliegen ist, der muss in den nächsten Jahren andere Methoden wählen. Noch wichtiger wird jetzt etwa die Überzeugungsarbeit. Bürgerinnen und Bürger sind nämlich bereit, zu Gunsten des Klimas Entscheidungen zu treffen, wenn sie die vorgeschlagenen Massnahmen als sinnvoll erachten. Der rasante Ausstieg aus fossilen Heizungen oder der wachsende Anteil an E-Autos sind dafür gute Beispiele. Zentral wird aber sein, anstelle von Verboten und gesetzlichen Zwangsmassnahmen mit Anreizen zu schaffen. Es steht dafür eine ganze Palette von Möglichkeiten zur Verfügung, etwa mittels des Steuersystems, des Abbaus gesetzlicher Schranken oder einer gezielten Vereinfachung gewisser Verfahren. Die Montage von Solarpanels ist dafür ein gutes Beispiel, die mancherorts immer noch bürokratisch aufwendig und umständlich ist. Ebenfalls in dieses Repertoire gehören gezielte und zeitlich befristete Subventionen.

Wassermangel als Alarmsignal

Verbote wirken abschreckend

Druck auf die Wirtschaft wächst

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Titelbild: Mission ClearSpace Das Thema Nachhaltigkeit umfasst viele Facetten und Details: Sustainable Switzerland nimmt sie genauer in den Blick.

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«Nachhaltig handeln» ist eine Verlagsbeilage des Unternehmens NZZ in Kooperation mit Sustainable Switzerland. Diese Verlagsbeilage wird nicht von der NZZ-Redaktion produziert, sondern von NZZ Content Creation und dem Sustainable Switzerland Editorial Team. Projektmanagement Redaktionsleitung: Elmar zur Bonsen Layout: Armin Apadana Koordination: Donika Dakaj Kontakt: Sustainable Switzerland, c/o Neue Zürcher Zeitung AG, Falkenstrasse 11, 8008 Zürich, info@sustainableswitzerland.ch sustainableswitzerland.ch


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Nachhaltig handeln

Samstag, 25. November 2023

Wie wir leben, was uns bewegt Zahlen & Fakten Die Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen ist auch für die Schweiz eine grosse Herausforderung. Es geht dabei um ganz unterschiedliche Aufgabenbereiche und Themenfelder – soziale, wirtschaftliche und ökologische.

10%

-21%

Trinkwasserverbrauch Schweiz*

Gletscherschmelze

Trinkwasserverbrauch

Millionen m3

Die Schweizer Gletscher sind laut einer Studie in nur zwei Jahren um zehn Prozent geschrumpft – und damit so stark wie in den drei Jahrzehnten vor 1990 zusammen. Nach der Rekordschmelze um sechs Prozent im vergangenen Jahr habe das Volumen der Gletscher dieses Jahr um weitere vier Prozent abgenommen, teilte die Schweizerische Kommission für Kryosphärenbeobachtung (SKK) mit. Die beiden Extremjahre in Folge hätten zum Zerfall der Gletscherzungen und dem Verschwinden von vielen kleinen Gletschern geführt, heisst es. Der massive Eisverlust wird auf den sehr schneearmen Winter und hohe Temperaturen im Sommer zurückgeführt.

Der Trinkwasserverbrauch der Schweiz ist seit 1990 um 21 Prozent zurückgegangen. Im Jahr 2021 verbrauchte jede Schweizerin und jeder Schweizer im Durchschnitt etwa 287 Liter Trinkwasser pro Tag. Das sind neun Liter weniger im Vergleich zum Vorjahr. In den Siebzigerjahren und Anfang der Achtzigerjahre lag der mittlere Trinkwasserverbrauch pro Person noch bei teilweise über 500 Litern am Tag. Rund 80 Prozent des Schweizer Trinkwassers stammt aus Grund- und Quellwasser, gefolgt von See- und Flusswasser. 2021 wurden insgesamt 914 Millionen Kubikmeter Trinkwasser gewonnen. Grösste Verbraucher sind Haushalte und Kleingewerbe.

Erneuerbare Energien im Kommen

23,6%

100

Erneuerbare Energiequellen

Konzerne für mehr Klimaschutz

Nach Angaben des Bundesamts für Statistik stammten im vergangenen Jahr 23,6 Prozent des Bruttoenergieverbrauchs der Schweiz aus erneuerbaren Quellen. 49,9 Prozent der erneuerbaren Energie wurden aus Wasserkraft gewonnen, gefolgt von der Holznutzung mit 19,7 Prozent und der Energiegewinnung aus dem erneuerbaren Anteil des Abfalls mit 10,5 Prozent. Dahinter rangieren Umweltwärme (8,7 Prozent), Sonnenenergie (6,8 Prozent), Biotreibstoffe (2,8 Prozent), Biogase (2,5 Prozent) und Windenergie (0,2 Prozent). Zwischen 1990 und 2022 ist der Verbrauch an erneuerbaren Energien mit 62 Prozent stärker angestiegen als der gesamte Energieverbrauch (plus 0,7 Prozent).

Mehr als 100 Konzernchefs haben im Vorfeld der am 30. November beginnenden UN-Klimakonferenz COP28 in Dubai (Foto) von der Politik mehr Engagement beim Klimaschutz gefordert. Zu den Unterzeichnern des vom Weltwirtschaftsforum publizierten öffentlichen Briefs zählen auch die Chefs von ABB, Swiss Re und Zurich. Die Konzernlenker verlangen unter anderem einen massiven Ausbau erneuerbarer Energien und die Weiterentwicklung natürlicher und technischer Methoden zur CO2-Entfernung. Firmen werden aufgerufen, sich CO2-Reduktionsziele zu setzen. Sie sollen ihre Lieferanten und Kunden einbeziehen, um eine Dekarbonisierung der gesamten Wertschöpfungskette zu erreichen.

Anteil erneuerbarer Energie am Bruttoenergieverbrauch in der Schweiz 30% 25% 20% 15% 10% 5% 0%

1990

1995

2000

2005

2010

2015

2022

QUELLEN: BFE / BFS 2023

1400 1200

WasserversorungSelbstverbrauch und Verluste

1000 800

öffentliche Zwecke und Brunnen

600

Gewerbe und Industrie

400 Haushalte und Kleingewerbe

200 0 1980

1990

2000

2010

entspricht der Menge aus der öffentlichen Wasserversorgungt

QUELLEN: SVGW / BFS 2023

56,8%

745 000

3795

Heizen mit fossiler Energie

Unter der Armutsgrenze

Artenvielfalt in Gefahr

In der Schweiz wurden 2022 nach Angaben des Bundesamts für Statistik fast 56,8 Prozent aller Wohngebäude mit fossilen Energiequellen (Heizöl und Gas) beheizt, dies trotz des stetigen Rückgangs von Heizöl in den letzten 40 Jahren. 18,5 Prozent der Gebäude sind mit Wärmepumpen ausgestattet (in den ab 2011 gebauten Gebäuden liegt der Anteil inzwischen bei etwa drei Vierteln), 11,9 Prozent der Gebäude wurden mit Holz und 7,9 Prozent mit elektrischem Strom beheizt. Will die Schweiz ihre energie- und klimapolitischen Ziele erreichen, dürfen ab dem Jahr 2030 keine Heizungen mit fossilen Brennstoffen mehr eingebaut werden.

Auch in der reichen Schweiz leben viele Menschen unter der Armutsgrenze. Gemäss dem Bundesamt für Statistik waren bei der letzten Erhebung im Jahr 2021 fast 9 Prozent der Schweizer Wohnbevölkerung von Armut betroffen. Das sind rund 745 000 Personen. Die Grenze der Armut lag im Berichtsjahr bei einem monatlichen Einkommen von weniger als 2289 Franken für eine Einzelperson oder 3989 Franken im Monat für eine vierköpfige Familie. Überdurchschnittlich häufig trifft die Armut Menschen aus dem Ausland, Alleinlebende, alleinerziehende Eltern mit minderjährigen Kindern und Menschen ohne Berufsausbildung.

Mehr als ein Drittel der Pflanzen-, Pilzund Tierarten in der Schweiz befinden sich auf der Roten Liste. Das heisst, sie gelten als gefährdet, verschollen oder ausgestorben. In absoluten Zahlen handelt es sich um 3795 von insgesamt bewerteten 10 884 Arten. Laut Bundesamt für Umwelt sind rund 6 Prozent dieser Arten vom Aussterben bedroht, 11 Prozent stark gefährdet. Als verletzlich gelten 16 Prozent der Arten in der Schweiz, 2 Prozent sind bereits ausgestorben. Von denjenigen Arten, die es nur oder fast nur in der Schweiz gibt, sind sogar knapp die Hälfte (48 Prozent) gefährdet. Bekannt sind hierzulande insgesamt rund 56 000 Arten.

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78,3%

28%

Belastungsgrenzen der Erde

Gleichstellung

Belastende Ernährung

Die Ausbeutung des Planeten Erde durch den Menschen erzeugt immer höhere Risiken. Einer Studie zufolge sind sechs von neun sogenannten planetaren Belastungsgrenzen bereits überschritten, und das zum Teil deutlich. Dazu zählen die Erderwärmung, die Zerstörung von Lebensräumen und die Belastung der Umwelt mit Pestiziden, Mikroplastik und Atommüll. «Die Erde ist ein Patient, dem es nicht gut geht», so der Co-Autor Johan Rockström vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. «Wir wissen nicht, wie lange wir entscheidende Grenzen derart überschreiten können, bevor die Auswirkungen zu unumkehrbaren Veränderungen und Schäden führen.»

Die Schweiz ist bei der Gleichstellung der Geschlechter im internationalen Vergleich vom 13. auf den 21. Platz zurückgefallen. Wie das Weltwirtschaftsforum (WEF) in seinem «Global Gender Gap Report 2023» feststellt, sind die Geschlechterunterschiede in der Schweiz heute zu 78,3 Prozent ausgeglichen. 2021 gehörte die Schweiz noch zu den Top 10. Andere Länder sind seither aber in puncto Gleichstellung schneller vorangekommen. Vor allem in den Bereichen Wirtschaft und Bildung hat die Schweiz an Vorsprung eingebüsst. Am weitesten fortgeschritten ist Island mit einem zu 91,2 Prozent behobenen Geschlechtergraben (Gender Gap).

In der Schweiz verursacht die Ernährung im Durchschnitt 28 Prozent der persönlichen Umweltbelastungen. Sie ist damit der Konsum- und Produktionsbereich mit der grössten Umweltbelastung, noch vor Wohnen (24 Prozent) und Mobilität (12 Prozent). Hierbei spielen der Wasserund Landverbrauch sowie der Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft eine grosse Rolle. Ausserdem trägt die Ernährung rund 20 Prozent zu den durch den Konsum verursachten Treibhausgasemissionen bei. Reduzieren lässt sich der ökologische Fussabdruck durch mehr pflanzliche Kost, den Verzehr regionaler Produkte und das Vermeiden von Lebensmittelverlusten (Food Waste).

2021

*

Gefährdete Tiere und Pflanzen (Rote Listen) Zeitraum 1994 bis 2022, je nach Artengruppe verschollen oder ausgestorben

FOTOS: ISTOCK

gefährdet

potenziell gefährdet

nicht gefährdet

100% 80% 60% 40% 20%

(95

%

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0%

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Gefährdungszustand für 95% der 85 Säugetierarten bewertet. Restliche Arten Datengrundlage ungenügend.

QUELLEN: BAFU / BFS 2023

FOTOS: SHUTTERSTOCK


Nachhaltig handeln

Samstag, 25. November 2023

Special

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Beleg für wirksamen Klimaschutz

Umwelt Mit dem neuen myclimate Impact-Label erhalten Unternehmen die Möglichkeit, ihr finanzielles Engagement für Klimaschutzprojekte auszeichnen zu lassen und dies glaubwürdig zu kommunizieren. Es geht um mehr Transparenz beim Umgang mit CO2-Emissionen. Ernsthaft und überzeugend über Klimaschutz zu sprechen ist für Unternehmen eine Herausforderung – besonders dann, wenn man nicht nur Marketing betreiben will. Denn das Thema ist hochkomplex, und Vereinfachungen führen oft zu einem falschen Eindruck. Ein Begriff, der häufig unzutreffend verwendet wird, ist «klimaneutral». Er ver-

«Do your best, take care of the rest» myclimate fasst wirksamen Klimaschutz in einem einfachen Slogan zusammen: «Do your best, take care of the rest», zu Deutsch: Tu dein Bestes und kümmere dich um den Rest. Für die Umsetzung dieses Prinzips sind drei Schritte zentral: Als Erstes sollen Unternehmen und Organisationen CO2-Emissionen, wenn immer möglich, vermeiden. Im zweiten Schritt sollen sie Emissionen, die nicht vermieden werden können, so weit wie möglich reduzieren. Nach diesen beiden meist erst nach einiger Zeit voll wirksamen Phasen geht es im dritten Schritt darum, in anerkannte Klimaschutzprojekte zu investieren und so kurzfristig wirksame Beiträge zum Erreichen der Klimaziele zu leisten.

mittelt den Eindruck, dass bei der Herstellung eines Produkts oder beim Erbringen einer Dienstleistung keine CO2Emissionen anfallen. In den meisten Fällen ist das aber nicht der Fall, sondern es wird (nur) ein Teil der entstehenden Emissionen durch das Unterstützen anerkannter Projekte gegen den Klimawandel kompensiert – ausserhalb der jeweiligen Wertschöpfungskette. Als heikel hat sich in diesem Zusammenhang erwiesen, dass die mit den Projekten erzielten Emissionsreduktionen häufig doppelt gezählt wurden: Unternehmen, die Klimaprojekte im Ausland finanziell unterstützen, konnten sich die Reduktionen ebenso für ihre CO2Bilanz anrechnen lassen wie der Staat, in dem das jeweilige Projekt beheimatet ist. Das ist hinsichtlich des Handels mit CO2-Zertifikationen langfristig problematisch. Das Pariser Abkommen von 2015 und die Beschlüsse der Klimakonferenz COP26 in Glasgow 2021 haben die Rahmenbedingungen deshalb so verändert, dass es nicht mehr zu doppelten Verrechnungen kommt. «Es ist seither im Prinzip nicht mehr so einfach möglich, dass sich ein Unternehmen die Emissionsreduktionen, die es in einem anderen Land finanziert, an die eigenen Bilanz anrechnet», erklärt Kathrin Dellantonio, Geschäftsleiterin von myclimate Schweiz. Die gemeinnützige Stiftung engagiert sich gegen den Klimawandel – mittels Beratung, Bildungsangeboten und durch

die Finanzierung von Klimaschutzprojekten, die Unternehmen im Anschluss an eine CO2-Bilanzierung unterstützen können, und zwar im selben Umfang wie die von ihnen verursachten Emissionen. Diese Projekte sind in fast 50 Staaten der Erde angesiedelt.

Paris-kompatibler Klimaschutz mit dem myclimate Impact-Label Darstellung am Beispiel eines Klimaschutzprojekts in Indien

Verantwortlich für Emissionen Da viele dieser Länder selber nur über beschränkte Geldmittel verfügen, ist die Unterstützung der Klimaschutzprojekte durch Firmen elementar. «Es braucht weiterhin Unternehmen, die ausserhalb ihrer Wertschöpfungskette freiwillig den Klimaschutz fördern, indem sie entsprechende Projekte in anderen Ländern finanzieren», sagt Kathrin Dellantonio. «Dass man den Privatsektor mehr denn je benötigt, um die globalen Klimaziele zu erreichen, ist unbestritten.» Angesichts dieser Überlegungen und Erfahrungen ist das myclimate Klimaneutral-Label, mit dem Unternehmen bislang ihre Produkte oder Dienstleistungen gekennzeichnet haben, in diesem Jahr durch ein neues myclimate Impact-Label abgelöst worden – im Sinne eines Paris-kompatiblen Klimaschutzes. Das neue Impact-Label «Wirkt. Nachhaltig.» beziehungsweise «Engaged for Impact» bestätigt, dass die Treibhausgasemissionen, die bei einer Aktivität des betreffenden Unternehmens entstanden, bilanziert worden sind – und dass das Unternehmen Verantwortung

Eine Firma übernimmt Verantwortung für ihre Emissionen durch Finanzierung eines Klimaprojekts. für diese Emissionen übernimmt, indem es im selben Umfang Klimaschutzprojekte finanziell unterstützt. Diese Projekte reduzieren die Menge an Emissionen, die das Unternehmen ausgestossen hat. So können Firmen weiterhin ihr Engagement belegen, auch wenn die Verringerung der Emissionen nicht ihrer Bilanz angerechnet wird.

Neuland betreten Kunden von myclimate könnte die Anpassung des Labels auf den ersten Blick wie ein Rückschritt vorkommen. Irina Ignat, Teamleiterin Marketing der Stiftung, räumt denn auch ein, dass die Einführung des neuen Impact-Labels anfangs eine kommunikative Herausforde-

rung darstellte. Es bestand Erklärungsbedarf. «Wir betraten ja Neuland», sagt sie. «Ein solches Label gab es damals noch nicht.» Tatsächlich war myclimate die erste Umweltorganisation, die auf diese Weise auf die neuen Rahmenbedingungen reagierte. Das transparente Vorgehen sei von den Unternehmen geschätzt worden, so Irina Ignat. Die Reaktionen waren äusserst positiv. Das Impact-Label garantiert, dass Unternehmen den Blick auf das grosse Ganze geweitet haben – und es ihnen nicht einfach nur um vorteilhafte CO2-Bilanzen und um Öffentlichkeitswirkung geht. Von dieser transparenten und ehrlichen Kommunikation profitieren sowohl die Unternehmen als auch die Konsumentinnen und Konsumenten.

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Beton: Ein Baustoff für eine nachhaltige Zukunft Patrick Suppiger, Geschäftsführer der Betonsuisse, zur Zukunft des Bauens mit Beton.

Nachhaltigkeit ist eines der zentralen Themen, das sowohl gesellschaftliche als auch wirtschaftliche Bereiche beeinflusst. Verantwortungsbewusstes Bauen ist dabei der Schlüssel, um die Lebensumstände kommender Generationen zu verbessern und gleichzeitig die CO2Emissionen zu reduzieren. Die Betonindustrie in der Schweiz hat sich auch dieser anspruchsvollen Herausforderung gestellt und gestaltet aktiv die Zukunft. Der Baustoff hat sich stetig weiterentwickelt und seine Leistungen werden von Architekten und Ingenieuren geschätzt. Dank neuester Rezepturen können grosse CO2-Einsparungen erzielt werden.

Weshalb ist Beton so wichtig? Beton ist nicht einfach nur ein Baustoff – er ist die Grundlage für Meisterwerke, Infrastrukturen und Bauten des täglichen Lebens. Man denke nur an das Pantheon in Rom, das bereits im Jahr 128 n. Chr. mit

frühzeitlichem Beton erbaut wurde und bis heute Bestand hat. Nahezu in jedem modernen Bauwerk spielt Beton eine wichtige Rolle, sei es als Fundament, als tragende Konstruktion oder als thermisch aktiviertes Bauteil. Seine Vielseitigkeit, Formbarkeit, Tragfähigkeit und Dauerhaftigkeit machen Beton zum meistverwendeten Baustoff weltweit.

Dauerhaftigkeit bedeutet Nachhaltigkeit Beton verbraucht bei der Herstellung vergleichsweise viel Energie und verursacht massgebliche CO2Emissionen – ein Fakt, den wir nicht ignorieren. Doch Beton ist auch in der Zukunft eine zentrale Säule für nachhaltiges Bauen. Durch Ansätze wie Reuse, Recycling und Kreislaufwirtschaft ist Beton relevant für unsere Gesellschaft und Teil der Lösung und relativiert somit die Diskussion um Energie und CO2. Nachhaltigkeit umfasst nicht nur die ökologische Seite oder den Klimaschutz

und Ressourcenschonung; es ist ebenfalls entscheidend, auch soziale und ökonomische Faktoren zu berücksichtigen wie z.B. jene des bezahlbaren oder verdichteten Wohnraums, um das Thema ganzheitlich zu erfassen. Ferner muss der gesamte Lebenszyklus eines Gebäudes betrachtet werden.

Reuse und Recycling Es ist auch aus nachhaltiger Sicht wichtig, weiterverwendbare Strukturen zu erhalten, anstatt sie abzureissen und Deponievolumen zu füllen. Auch dafür sind Betonstrukturen äussert gut geeignet – einer Umnutzung steht fast nichts im Weg, wie das beeindruckende Beispiel des Silos Erlenmatt in Basel zeigt. Dieses Stahlbetonbauwerk ist 105 Jahre alt und wurde erfolgreich zu einem Hostel und Restaurant umgenutzt. Diese Umnutzung betont nicht nur ökonomische Effizienz, sondern auch unsere ökologische Verantwortung. Und wenn es doch zum Rückbau

Die Website «beton2030.ch» bietet umfassende Einblicke in die Welt des Baustoffs Beton, des nachhaltigeren Bauens mit Beton sowie der Thematik der Kreislaufwirtschaft, indem sie Informationen, Trends und praktische Beispiele präsentiert. Auch das Beispiel «Silo Erlenmatt» in Basel. www.beton2030.ch

kommt, kann Beton beinahe zu 100 % der wiederverwertet und somit im Kreislauf gehalten werden. Moderne Technologie ermöglicht es sogar, CO2 in rezyklierten Betongranulat zu speichern, das beispielsweise aus Klär- oder Biogasanlagen stammt. So können rund 10 Kilo CO2 pro Kubikmeter Beton dauerhaft gebunden werden, wie beim Tramdepot von Bernmobil, bei dem dank Recyclingbeton rund 5 Tonnen Primärmaterial eingespart und 30 Tonnen CO2 gespeichert wurden.

Nachhaltiges Bauen bedeutet, zukünftigen Generationen eine intakte und lebenswerte Umwelt zu hinterlassen. Wirtschaftliche wie architektonische Dauerhaftigkeit sowie der langfristige gesellschaftliche Nutzen und der ressourcenbewusste Einsatz von Baustoffen stellen sicher, dass Bauwerke aus Beton in ökologischer, ökonomischer und sozialer Hinsicht nachhaltig sind. Beton ist nicht nur ein Baustoff – er ist der Baustein für eine nachhaltige Zukunft.


6 Special

Nachhaltig handeln

Samstag, 25. November 2023

aus Mikroalgen und pflanzlichen Proteinen wie Reis und Soja. Ihr erstes Produkt, Garnelen auf pflanzlicher Basis, hat in der Schweiz ein erhebliches Marktpotenzial. Ziel der beiden Wissenschaftler ist es, die geschmacklichen und ernährungsphysiologischen Qualitäten von echten Meeresfrüchten zu reproduzieren. Um ihre Geschäftsidee zu realisieren und bis Ende des Jahres den richtigen Geschmack, die richtige Textur und den richtigen Nährwert zu erreichen, hatten sie sich ein Pioneer Fellowship der ETH Zürich gesichert. Sobald ihr Produkt perfekt ist, wollen sie es auf einem Markt einführen, der bereits pflanzliche Alternativen akzeptiert. Eder und Böcker sind zuversichtlich, dass sie sich mit ihrem innovativen Ansatz, der auf Authentizität und Nährwert ausgerichtet ist, von der Konkurrenz abheben werden. Die wachsende Nachfrage nach pflanzlichen Meeresfrüchten und die bereits etablierten Lieferketten lassen die beiden Forscher optimistisch in die Zukunft blicken.

Jäten mit Roboter

Indoor-Pflanzenanbau in grossen Gestellreihen mit nährstoffreichem Wasser: Die Methode des Spin-offs YASAI ist umweltfreundlich und produktiv.   YASAI

Geniessen mit gutem Gewissen Forschung Die ETH Zürich dient der Gesellschaft, indem sie die nächste Generation kritisch und kreativ

denkender und handelnder Menschen ausbildet. Damit fördert sie auch das Unternehmertum, beispielweise mit einer aktiven Startup-Förderung. Detailhandel. In Zukunft will YASAI mit Importen konkurrieren und sogar vertikale Farmen im Kundenauftrag bauen und verwalten. Dies unterstreicht den revolutionären Wandel hin zu einer umweltfreundlichen und zugleich produktiven Landwirtschaft.

ALEXANDRA CRON

In den letzten rund 50 Jahren sind aus der ETH Zürich heraus mehr als 500 Spin-off-Firmen gegründet worden – eine beeindruckende Zahl. Zahlreiche dieser Jungunternehmen bieten nachhaltige Produkte und Dienstleistungen an. Die Expertise der Hochschule in Bereichen wie erneuerbare Energien, nachhaltige Landwirtschaft und ökologische Forschung hat buchstäblich einen fruchtbaren Boden für die Entwicklung nachhaltiger Geschäftsideen geschaffen. Spannende aktuelle Beispiele von Spin-offs, welche die Nahrungsmittelproduktion nachhaltiger gestalten, hat die ETH Zürich an der diesjährigen ­Olma, der Schweizer Messe für Landwirtschaft und Ernährung, in St. Gallen präsentiert.

Vertikales Farming Mark Zahran, ein Architektur-Absolvent der Hochschule, ist Mitbegründer von YASAI, einem Pionier der vertikalen Landwirtschaft. Bei diesem innovativen Ansatz werden Gemüse, Kräuter und Salate in geschlossenen Räumen angebaut, wobei statt Feldern und Erde gestapelte, mobile Anbauflächen und mit Nährstoffen angereichertes Wasser verwendet werden. Künstliche Intelligenz optimiert das Klima, schont die Ressourcen und macht den Einsatz von Pestiziden überflüssig. Gleichzeitig werden die Transportkosten und die Umweltbelastung reduziert. Die neue Anbaumethode verspricht eine markante Steigerung der Produktivität bei massiv tieferem Wasserverbrauch. Mit ihrem nachhaltigen Modell, das Abwärme und Recycling nutzt, hebt YASAI sich von anderen Anbietern ab. Die erste vertikale Farm der Firma in Niederhasli ZH produziert seit Ende 2021 Kräuter und liefert diese in den

Überzeugender Fleischersatz

Umweltschonende Kost mit Geschmack: Meeresfrüchte aus Mikroalgen, Pouletfleisch aus Erbsenproteinen und Wasser.

Das von Lukas Böni und seinen Kollegen 2019 gegründete Startup Planted ist bereits eine grosse Erfolgsgeschichte. Planted hat heute mehr als 200 Mitarbeitende, und in zwei Finanzierungsrunden gelang es, mehr als 100 Millionen Franken einzusammeln. Die Mission von Planted ist es, pflanzliche Alternativen zu beliebten Fleischprodukten anzubieten. Das Vorzeigeprodukt «planted.chicken» ähnelt in Geschmack, Konsistenz und Aussehen echtem Pouletfleisch, verur-

sacht aber im Vergleich zur konventionellen Fleischproduktion 77 Prozent weniger Treibhausgasemissionen. Planted konzentriert sich auf die mechanische Erzeugung von Proteinfasern, völlig frei von Chemikalien. Die positive Resonanz der Konsumentinnen und Konsumenten, insbesondere der sogenannten Flexitarier, die ihren Fleischkonsum reduzieren wollen, hat zu schnellem Wachstum im Einzelhandel sowie in der Gastronomie geführt. Planted fokussiert sich momentan auf die Erweiterung der Produktion sowie die Kreation von noch grösseren Fleischstücken.

Seafood, an Land produziert Severin Eder und Lukas Böcker, beide Forscher an der ETH Zürich, konzentrieren sich auf die Entwicklung nachhaltiger Alternativen für Meeresfrüchte

Automatisierte Unkrautbekämpfung per Roboter.

CATERRA

Die Pioneer Fellows der ETH Zürich Aurel Neff und Patrick Barton leisten Pionierarbeit bei Caterra, einem Projekt, das sich mit den Herausforderungen des Unkrautjätens im Biolandbau befasst. Im Einklang mit der «Farm to Fork»-Strategie der EU, die darauf abzielt, die ökologische landwirtschaftliche Produktion zu steigern, bietet Caterra eine innovative Lösung: Ihr leichter, GPS-gesteuerter Roboter nutzt eine RGB-Farbkamera und einen integrierten Laser, um Unkraut in der Nähe von Kulturen präzise zu erkennen und zu beseitigen. Dieser laserbasierte Ansatz ergänzt die mechanischen Unkrautbekämpfungsmethoden, reduziert den Bedarf an gesundheits- und umweltschädliche Herbiziden und fördert eine nachhaltigere Landwirtschaft. Die Vision von Caterra ist eine vollständig automatisierte Unkrautbekämpfung, bei der Roboter das Unkraut auf dem Feld selbstständig erkennen und beseitigen. In Zusammenarbeit mit agrarwirtschaftlichen Partnern wie dem Kompetenzzentrum des Bundes für landwirtschaftliche Forschung (Agroscope) wollen Neff und Barton ihre Pilotversuche im Anbau von Karotten, Zwiebeln und Salat ausweiten. Letztendlich wollen sie ein Unternehmen gründen, um ihre umweltfreundliche Lösung auf den Markt zu bringen.

Präziser Blick ins Erdreich Die Biotechnologin und Bodenwissenschaftlerin Sonia Meller und die Umweltwissenschafterin Hélène Iven haben sich an der ETH kennengelernt und 2019 «Digit Soil» entwickelt – ein innovatives Produkt für die Bodenüberwachung. Dazu muss man wissen: Der ineffiziente Einsatz von Düngemitteln stellt für Landwirte eine beträchtliche finanzielle Belastung dar. Organische Düngemittel werden unzureichend eingesetzt, was aber Vorteile für den Boden und Kosteneinsparungen bieten würde. Komplexität und Unvorhersehbarkeit erschweren ihren Einsatz und führen zu Ertragsrisiken. Angesichts des weltweiten Bevölkerungswachstums, der begrenzten Anbauflächen und der Umweltprobleme, die durch überschüssigen Dünger entstehen, sind wirksame Lösungen gefragt. Das benutzerfreundliche Tool von Digit Soil ist kombiniert mit einem einzigartigen Messgerät und gibt Aufschluss darüber, wann und wie viel Dünger verwendet werden muss. Dies minimiert den übermässigen Verbrauch, spart Kosten, verringert die Umweltverschmutzung und senkt die Treibhausgasemissionen. Die Förderung der Effizienz organischer Düngemittel unterstützt die nachhaltige Landwirtschaft und die Wiederbelebung der Böden. Das Team um Meller und Iven wurde für seine Leistungen mit einem ETH Pioneer Fellowship ausgezeichnet. Dies sind nur einige Beispiele für die zahlreichen Spin-offs der ETH Zürich, die mit ihren Angeboten dazu beitragen, die Welt auf einen nachhaltigen Pfad zu bringen. Viele von ihnen haben eine globale Reichweite und stehen für die Innovationskraft der Schweiz.


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Samstag, 25. November 2023

Special

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Das grosse Potenzial von Wasserstoff Klima & Energie Experten sind überzeugt: Wasserstoff ist einer der Schlüssel der Energiewende. Der Autohersteller BMW setzt deshalb auf «grünen H2» und erprobt die Technologie zurzeit weltweit in einer Pilotflotte auf Basis des BMW X5. DAVID SCHNAPP

Während batterieelektrische Fahrzeuge (BEV) in hoher Kadenz auf den Markt kommen, fristet eine andere lokal emissionsfreie Antriebstechnologie zurzeit noch eher ein Nischendasein: die Nutzung von Wasserstoff. Als vielseitiger Energieträger in Fahrzeugen mit Brennstoffzelle (FCEV) könnte das Element eine Schlüsselrolle auf dem Weg zu einer nachhaltigen Mobilität und zur Energiewende spielen, davon sind viele Experten überzeugt. Das Ziel eines möglichst emissionsfreien Strassenverkehrs könne alleine mit batterieelektrischen Fahrzeugen nicht gelingen, heisst es. «Wasserstoff ist eine der effizientesten Möglichkeiten, erneuerbare Energien zu speichern und zu transportieren», erklärt Oliver Zipse, der Vorstandsvorsitzende des weltweit tätigen Autoherstellers BMW. «Wir sollten dieses Potenzial nutzen, um auch die Transformation des Mobilitätssektors zu beschleunigen. Wasserstoff ist das fehlende Puzzleteil für emissionsfreie Mobilität, denn eine einzige Technologie wird nicht ausreichen, um klimaneutrale Mobilität weltweit zu ermöglichen.»

Hohe Energiedichte Das farb- und geruchlose Gas (H2) wird heute schon als Raketentreibstoff oder in der chemischen Industrie verwendet. Vor allem hat Wasserstoff eine hohe Energiedichte, weit mehr als fossile Brennstoffe. Über eine Brennstoffzelle lässt sich diese Energie in Strom für einen elektrischen Antrieb umwandeln, als «Abgas» entsteht reiner Wasserdampf. Hinzu kommt: Der Wasserstoff lässt sich innerhalb von nur wenigen Minuten tanken. Ein Wasserstoff-Brennstoffzellen-Fahrzeug kom-­ biniert daher die Vorteile des elektrischen, emissionsfreien Fahrens mit der Möglichkeit, das Fahrzeug so flexibel wie heutige Verbrenner zu nutzen. Für den Automobilingenieur Christian Bach ist klar, dass es bei der Mobilität der Zukunft auch darum geht, «die stark fluktuierenden Energiequellen Sonne und Wind über das ganze Jahr nutzbar machen». Bach leitet seit zwanzig Jahren die Abteilung Fahrzeugantriebssysteme bei der EMPA (Materials Science and Technology), einem Forschungsbereich der ETH Zürich. Er beobachtet in der Diskussion um Nutzen und Nachteile von Wasserstoff eine seiner Meinung nach zu oberflächliche Betrachtungsweise. Man müsse die Probleme der Energiewende komplexer denken: «Wir werden durch die Photovoltaik vor allem im Sommer grosse Stromüberschüsse sehen, wenn drei Viertel der Jahresleistung von Solaranlagen anfällt. Gleichzeitig gibt es einen Strommangel im Winter, der jetzt wieder zum Thema wird. Wasserstoff ist hier der Schlüssel, indem man ihn beispielsweise in der Mobilität nutzt.» Der Verlust an Wirkung bei der Erzeugung von Wasserstoff, der oft als Nachteil aufgeführt wird, überzeugt Bach als Argument nicht: «Das ist vergleichbar mit dem Verlust, der bei der Energiegewinnung mit Pumpspeicherkraftwerken

Dr. Jürgen Guldner leitet das WasserstoffForschungsprogramm der BMW Group.

Zwischenstopp an der Wasserstofftankstelle: Der BMW iX5 Hydrogen wird derzeit als seriennahes Erprobungsfahrzeug einem harten Praxistest unterzogen.   FOTOS: BMW

entsteht», sagt er. Bei der EMPA ist der 59-jährige Techniker auch verantwortlich für den sogenannten Demonstrator, mit dem wissenschaftliche Erkenntnisse sichtbar gemacht werden. So hat Christian Bach das Projekt von Climeworks begleitet, bei dem CO2 aus der Atmosphäre gefiltert und, kombiniert mit Wasserstoff, zu einem synthetischen Kraftstoff verdichtet werden kann. Auch an der ersten Schweizer Wasserstofftankstelle oder an einer neuartigen Photovoltaikanlage, die mit einem Speicher gekoppelt ist, war Bach beteiligt.

Autos als Energiespeicher Als jemand, der seit vielen Jahren am Schnittpunkt zwischen Forschung und praktischer Umsetzung tätig ist, hat Christian Bach keinen Zweifel daran, dass eine wichtige Aufgabe der Mobilität der Zukunft darin besteht, Energie zu speichern. «Sonst nehmen wir jemandem den Strom weg, der ihn dann mit fossilen Quellen ersetzen muss», argumentiert er. Elektroautos mit Batterie oder Wasserstofftank könnten in diesem Szenario Energie speichern, wobei die Hauptanwendung für Wasserstoff im Güterverkehr liege. Für die Luftfahrt wiederum seien synthetische Treibstoffe der beste Weg zur Dekarbonisierung. Einen vergleichbar ganzheitlichen Ansatz verfolgt BMW in München, wo Dr. Jürgen Guldner als General Programm Manager Hydrogen Technology für die Entwicklung des Wasserstofffahrzeugs iX5 Hydrogen und die entsprechende Forschungstätigkeit des Konzerns zuständig ist. Guldners Einstellung zur Energiefrage ist pragmatisch: «Man muss jede sinnvolle Technologie für die Dekarbonisierung nutzen. Es geht darum, alle Menschen mitzunehmen. Wenn man mehr Optionen anbieten kann, wird der Umstieg auf neue Antriebsarten schneller gelingen», sagt der Ingenieur, der in München, Tokio und Kalifornien studiert hat. Im Vergleich zu einem BEV biete der Wasserstoffantrieb für bestimmte Anwendungen und Fahrzeuge klare Vorteile: «In der Just-in-Time-Logistik fehlt

Die Schweiz ist heute ein Vorzeigeland für die Erzeugung und Nutzung von grünem Wasserstoff.

beispielsweise die Zeit, um Fahrzeuge zu laden. Deshalb macht Wasserstoff im Schwerlastverkehr mehr Sinn», sagt er. So ist der BMW iX5, der zurzeit als seriennahes Erprobungsfahrzeug einem harten Praxistest unterzogen wird, in wenigen Minuten mit H2 vollgetankt, während das Laden eines BEV auch an einer Schnellladesäule ein Mehrfaches an Zeit beansprucht. «Im Pkw-Bereich können Wasserstofffahrzeuge die BEVs sinnvoll ergänzen, da es auch hier eine Reihe von Anwendungsfällen gibt, bei denen schnelles Tanken wichtig ist», erklärt Guldner. Und auch bei niedrigen Temperaturen erweise sich Wasserstoff als sinnvolle Alternative. Denn Kälte reduziere die Reichweite einer Batterie um einiges. Wie EMPA-Abteilungsleiter Bach plädiert auch Jürgen Guldner für eine

ganzheitliche Sicht auf die Dinge: «Man muss den Betrachtungshorizont erweitern. Beim Elektrofahrzeug gilt es zum Beispiel, den gesamten Nutzungszyklus im Auge zu haben. Von den Rohstoffen, die man aus der Erde holen muss, bis zum Recycling der Fahrzeugkomponenten am Ende von dessen Lebenszyklus.» Die Batterie eines H2-Fahrzeugs beispielsweise benötige 90 Prozent weniger kritische Rohstoffe als die eines BEV, was wiederum die Abhängigkeiten in der Lieferkette verringere.

Zuerst Tankstellen für Lkw Mit der kleinen Flotte von iX5-Hydrogen-Erprobungsfahrzeugen will BMW im weltweiten Einsatz die Vor- und Nachteile der Technologie im Alltag verschiedenster Anwender ermitteln. Fällt der Test positiv aus, sei ein WasserstoffSerienprojekt von BMW wohl noch in diesem Jahrzehnt möglich, aber man müsse für jede Technologie den richtigen Zeitpunkt erwischen. «Beim Wasserstoff geht es auch um die Infrastruktur. Zuerst werden die Tankstellen für Lkw gebaut. Diese werden zukünftig bei multimodalen Tankstellen gleichzeitig auch Pkw zur Verfügung zu stehen», sagt Jürgen Guldner. Für ebendiese Infrastruktur ist die Schweiz ein fast schon weltweites Musterbeispiel. Vor dreizehn Jahren hat der ETH-Ingenieur und Manager Rolf Huber mit seiner Firma H2 Energy begonnen, das Thema Wasserstoff unternehmerisch anzugehen. «Die Energiewende hat mich interessiert, und ich habe angefangen, Modellrechnungen zu machen. Mir wurde schnell klar, dass es ohne Wasserstoff nicht geht. Der heutige Gesamtenergieverbrauch in Europa beträgt jährlich rund 16 000 Terrawattstunden (TWh), 2000 davon sind Strom», führt Huber an. Für die Schweiz gehe es um 225 TWh Gesamtverbrauch und heute 60 TWh Strom. «Man darf Wasserstoff nicht auf die Funktion als Treibstoff reduzieren. Wir haben heute schon erneuerbare Kraftwerke, deren Energie nicht vollständig ins Netz gelangt, weil die Netzkapazi-

täten fehlen», sagt er. Die Speicherung in Wasserstoff helfe, dieses Problem zu entschärfen. Mittlerweile ist die Schweiz – auch dank Hubers Unternehmergeist – ein Vorzeigeland für die Erzeugung und Nutzung von grünem Wasserstoff. In zwei Kraftwerken in Niedergösgen und St. Gallen wird das Gas aus erneuerbaren Quellen erzeugt und an die zurzeit vierzehn H2-Tankstellen im Land verteilt. Bis Ende Jahr sollen es zwanzig Tankstellen sein, die im dichteste ProKopf-Wasserstofftankstellennetz der Welt verbunden sind. An den wichtigsten Kerndaten des Hydrogen-BMW iX5 lässt sich gut zeigen, warum Wasserstoff als Energieträger im Verkehr so interessant ist: Das Fahrzeug ist in drei bis vier Minuten vollgetankt und hat dann eine Reichweite von bis zu 504 Kilometern, welche wiederum nicht von tiefen Temperaturen beeinflusst wird. Auch dies macht H2 gerade im Winterland Schweiz zu einem Stoff der Mobilitätszukunft.

So funktioniert’s In wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen sorgt eine Brennstoffzelle für den Antrieb. Ihr «Treibstoff» ist gasförmiger Wasserstoff, der an Wasserstofftankstellen getankt wird. Er reagiert in einem chemischen Prozess mit Sauerstoff aus der Luft. Dabei wird die im Wasserstoff gespeicherte Energie als Strom freigegeben, der dann wiederum einen Elektromotor antreibt. Erfolgt die Herstellung durch die Elektrolyse von Wasser und wird dafür Strom aus erneuerbaren Energiequellen verwendet, spricht man von CO2-freiem, «grünem» Wasserstoff. Die Gewinnung von Wasserstoff ist allerdings energieintensiv. Daher soll zukünftig Wasserstoff vor allem in Regionen mit hohem Ertragspotenzial regenerativer Energie oder aus Überschüssen gewonnen werden.


8 Special

Nachhaltig handeln

Samstag, 25. November 2023

Produktion, Forschung, Entwicklung: Das Novelis-Werk in Sierre hat viele Facetten. Was alle Bereiche verbindet, ist das Engagement für Nachhaltigkeit – ein erfolgreiches Konzept, auch wirtschaftlich. FOTOS: NOVELIS

Aus dem Wallis für die Welt Kreislaufwirtschaft Der international tätige Aluminiumhersteller Novelis treibt die Dekarbonisierung seiner Prozesse und die Entwicklung einer echten Kreislaufwirtschaft voran – um Nachhaltigkeit und profitables Wirtschaften miteinander zu kombinieren. MARIUS LEUTENEGGER / ELMAR ZUR BONSEN

Wenn es um Aluminium geht, kommt man an Novelis nicht vorbei. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Atlanta, USA, ist Weltmarktführer für das Walzen und Rezyklieren des viel gefragten Leichtmetalls. Novelis beliefert mit seinen hochwertigen Aluminiumblechen vor allem die Luft- und Raumfahrtindustrie, die Automobilbranche und die Hersteller von Getränkedosen. In der Schweiz ist das Unternehmen mit einem grossen Werk in Sierre VS vertreten. Seit eineinhalb Jahren gehört dazu sogar ein eigener Innovations- und Forschungshub: das Net Zero Lab Valais. Auf Basis einer langfristigen Kooperationsvereinbarung mit dem Campus Energypolis der Eidgenössischen Tech-

Novelis Novelis ist der führende Hersteller von flach gewalzten Aluminiumerzeugnissen und der weltweit grösste Recycler von Aluminium. Das Unternehmen, eine Tochtergesellschaft des indischen Aluminium- und Kupferherstellers Hindalco Industries Ltd., betreibt ein integriertes Netzwerk technisch hoch entwickelter Walz- und Recyclinganlagen in Nordamerika, Südamerika, Europa und Asien und nutzt seine globalen Produktions- und Recyclingkapazitäten zur Herstellung hochwertiger Produkte für ganz unterschiedliche Industriekunden. Novelis strebt danach, weltweit zum «führenden Anbieter von nachhaltigen Aluminium-Lösungen mit niedrigen CO2-Emissionen» zu werden. «Die umfangreiche Verwendung von recyceltem Aluminium – derzeit 61 Prozent unseres Einsatzmaterials – bildet den Kern unseres innovativen, zirkulären Geschäftsmodells», heisst es. Ziel sei es, nicht nur das eigene Unternehmen, sondern die Branche insgesamt auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft mit ihren Vorteilen entscheidend voranzubringen.

nischen Hochschule Lausanne (EPFL), der Fachhochschule Westschweiz (HESSO) und dem lokalen Energieversorger OIKEN werden hier Konzepte für eine kohlenstoffneutrale Produktion entwickelt. Die Voraussetzungen sind günstig, wie Serge Gaudin, Werksleiter von Novelis Sierre, betont: «Unsere Anlage umfasst alle wesentlichen Herstellungsund Recyclingschritte für Aluminiumwalzprodukte. Es kann also an einem einzigen Standort an Lösungen für alle Produktionsphasen geforscht werden.» Das im Wallis gewonnene Wissen wird mit den anderen Novelis-Werken geteilt. Diese passen die neuen Erkenntnisse und Entwicklungen dann an ihre lokalen Verhältnisse an. Die Fachleute am Net Zero Lab Valais legten grössten Wert auf eine enge Kooperation, berichtet Gaudin. «Es können erstaunliche Resultate entstehen, wenn man nicht allein arbeitet, sondern Wissen und Erfahrung miteinander austauscht.» Gemeinsam mit den Lab-Experten und im Verbund mit den weltweiten Novelis-Standorten verfolgt man in Sierre das Ziel, ein komplett kreislauforientiertes Unternehmen aufzubauen und die sogenannten Scope-1und Scope-2-Emissionen immer weiter herunterzufahren – bis auf null. Schon heute stammt ein Teil der Energie, die für die Anlage im Wallis benötigt wird, aus erneuerbaren Quellen. Bis zum Jahr 2030 soll es dann so weit sein: die Umstellung auf einen vollständig CO2-neutralen Produktionsbetrieb.

Wärme für mehr als 5000 Einwohner liefern, rund ein Drittel der heutigen Bevölkerung der Stadt», sagt der Werksleiter.

Strom aus Wasserkraftwerk

Mit einem elektrisch beheizten Stossofen lassen sich pro Jahr 4500 Tonnen an CO2-Emissionen vermeiden.

«Born to be recycled»

Ökosystem fürs Heizen Erste Erfolge sind bereits sichtbar. So wurde am Lab ein optimiertes Energie-Ökosystem entwickelt, über das Abwärme aus dem Giessprozess an das nahe gelegene Technopôle, einen IT-Innovationspark mit Unternehmen, Instituten und Startups, geleitet wird. «Das ist ein gutes Pilotprojekt, denn wir möchten es künftig zusammen mit der Stadt Sierre ausbauen», so Gaudin. Bis 2030 soll ein Ökosystem realisiert werden, das Sierre einen wesentlichen Teil seines Heizenergiebedarfs zur Verfügung stellt. «Wir könnten, sehr konservativ geschätzt,

Ein Zukunftsprojekt, das sich derzeit noch in der Umsetzungsphase befindet, ist ein elektrisch beheizter Stossofen, der im Novelis-Werk während des Walzprozesses zum Einsatz kommen soll. Die Barren müssen beim Walzen auf etwa 500 Grad erwärmt werden – ein Vorgang, den heute in der Aluminiumproduktion standardmässig ein erdgasbetriebener Ofen übernimmt. «Wir können enorme Mengen CO2-Emissionen einsparen, wenn wir den Heizprozess elektrisch durch erneuerbare Energien bewältigen», erklärt Serge Gaudin. Den dazu benötigten Strom wird im ersten Schritt ein Wasserkraftwerk liefern. Pro Jahr lassen sich so bis zu 4500 Tonnen an CO2-Emissionen vermeiden. Um die Dekarbonisierung der Produktion voranzubringen, testet das Team des Net Zero Lab darüber hinaus noch andere alternative Energiequellen wie zum Beispiel Plasma oder Wasserstoff als Ersatz für Gas. Auch hier geht es da-

rum, fossile Energiequellen verstärkt durch kohlenstoffneutrale zu ersetzen, statt CO2-Emissionen durch Zertifikate kompensieren zu wollen. Bei der fortschreitenden Dekarbonisierung des Novelis-Werks spielt auch die Sonne eine Rolle. Und ebenso profitieren davon die umliegenden Gemeinden. Dazu muss man wissen: In Sierre scheint die Sonne etwa 1990 Stunden im Jahr – eine optimale Voraussetzung, um Solarenergie in grossem Stil zu nutzen. Konkret geht es um eine Photovoltaikleistung von fast 4000 Kilowattstunden, die sich pro Tag erzielen lässt. Derzeit bedecken rund 5000 Quadratmeter installierter Solarmodule das Dach des Novelis-Hauptgebäudes in Sierre. Gemietet hat sie der Energieversorger OIKEN, der ja auch Partner des Net Zero Lab Valais ist. Gemeinsam tragen beide Unternehmen nun zur Versorgung Sierres mit grünem Strom bei. «Für uns ist Nachhaltigkeit kein nettes Extra», betont Novelis-Manager Gaudin. «Sie bildet vielmehr den Kern dessen, wer wir sind und was wir tun. Wir gehen heute genau die Schritte, die sich in Zukunft auf unsere Branche und die Welt auswirken werden.»

Serge Gaudin Leiter des Novelis-Werks in Sierre

Aluminium ist ein universell einsetzbarer Werkstoff und – nach Eisen und Stahl – das meistgebrauchte Metall. Es hat eine geringe Dichte und ist trotzdem stabil, es verfügt über eine hohe elektrische Leitfähigkeit und eine hohe Korrosionsbeständigkeit. Aluminium wird im Fahrzeugbau, im Hoch- und Maschinenbau, in der Elektronik, in der Klima- und Solartechnik und bei Verpackungen eingesetzt. Hinzu kommt: Es ist ein perfektes Material, um eine effiziente Kreislaufwirtschaft zu etablieren. «Aluminium kann so gut wie endlos rezykliert und wiederverwendet werden», sagt Serge Gaudin. Der Werksleiter von Novelis Sierre weist

zudem darauf hin, dass es sich dabei um ein echtes Recycling und nicht um ein Downcycling handelt, das wiederverwendete Material also für die gleiche Produktkategorie wiederverwendet werden kann, da es praktisch keine Qualitätsverluste aufweist. Aluminiumrecycling hat Gaudin zufolge weitere gewichtige Vorteile. «Wir können rezykliertes Aluminium mit fünf Prozent der Energie herstellen, die für die Herstellung von Primäraluminium benötigt wird. Das bedeutet auch bis zu 95 Prozent weniger CO2-Emissionen.» Und das immer und immer wieder! Kurzum: «Aluminium is born to be recycled», so Serge Gaudin.


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Samstag, 25. November 2023

Special

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Das grosse Aufräumen

Umwelt Abfall findet sich von der Tiefsee bis in den Orbit. Mit innovativen Ansätzen soll unser toxisches Erbe nun eingesammelt werden. Forscherinnen und Forscher der EPFL sind beim planetarischen Grossputz ganz vorne mit dabei.

SUSANNE WEDLICH

Der Countdown läuft: Im Jahr 2026 soll eine bislang einzigartige Weltraummission starten und möglichst Schule machen. Läuft alles wie geplant, wird der Satellit ClearSpace-1 in den Orbit geschickt und dort mit vier Greifarmen kräftig zupacken – als überdimensionaler Müllsammler. Seine erste Aufgabe wird sein, einen Überrest der ESA-Rakete Vega einzufangen. Abfälle im All sind eine stete Gefahr. Die Europäische Weltraumorganisation (ESA) schätzt, dass es derzeit etwa 34 000 Trümmer im Weltraum gibt, die mehr als 10 Zentimeter messen. Zählt man auch die kleinsten Schrotteile hinzu, kommen sogar mehr als 150 Millionen Fragmente zusammen. Diese Objekte umkreisen die Erde mit einer Geschwindigkeit von 28 000 Stundenkilometern und verwandeln sich in wahre Geschosse, die eine Bedrohung für Raumstationen, Satelliten und Astronauten darstellen. Die ESA hat das Problem erkannt und der menschengemachten Müllwolke im Weltraum den Kampf angesagt. Der Zuschlag für das erste ausgeschriebene Projekt dieser Art ging an ein internationales Konsortium unter der Leitung von ClearSpace, einem Startup der EPFL. Eine der grossen Herausforderungen der Mission ist die Technik. Der von ClearSpace entwickelte Jäger muss das jeweilige Zielobjekt mit Hilfe von Sensoren orten, präzise ansteuern und sich so weit nähern, dass die Greifarme das Trümmerteil oder den ausgedienten Satelliten einfangen können, ohne jedoch mit ihm zu kollidieren. Zum Einsatz kommen dabei auch Verfahren, die auf künstlicher Intelligenz beruhen.

Dramatische Folgen Nicht nur im Weltraum, sondern auch auf der Erde ist die EPFL beim grossen Aufräumen ganz vorne mit dabei. Die Aufgabe, vor der die Forscherteams aus unterschiedlichsten Disziplinen weltweit stehen, ist gewaltig. Wir leben im Anthropozän, dem Zeitalter, in dem der Mensch die Erde von Grund auf und unwiderruflich umgestaltet. Die dramatischen Folgen bedingen und verschärfen einander, darunter die Erderwärmung, das rasante Artensterben und der Müll, der vom Marianengraben in der Tiefsee über den Mount Everest bis in den Weltraum zu finden ist. Dieses toxische Erbe vergiftet unsere Böden, fliesst in die Flüsse und sickert ins Grundwasser. Es gelangt in die Ozeane und stellt eine Bedrohung für eine Vielzahl von Meeressäugern und Ökosystemen dar. Bei der Verrottung von Müll in Deponien entsteht Methan, das schätzungsweise mehr als fünf Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen pro Jahr ausmacht und in den nächsten Jahrzehnten um eine Milliarde Tonnen CO2-Äquivalent ansteigen dürfte.

den. Trotzdem landen Schätzungen zufolge pro Jahr Goldmengen im Wert von mehr als zehn Milliarden Euro auf dem Abfallhaufen – eine unglaubliche Verschwendung. Ein EPFL-Projekt unter der Leitung von Professorin Wendy Lee Queen will das ändern. Ihr Team hat ein extrem poriges, durchlässiges Nanomaterial entwickelt, das «spezifische Moleküle aus flüssigen Mischungen extrahieren kann», erklärt Queen. «Es kann je nach Zusammensetzung Gold und andere wertvolle Metalle, aber auch Kohlendioxid, hochselektiv herausfiltrieren.»

«Der Genfersee enthält, anteilig gerechnet, in etwa so viel Mikroplastik wie die Ozeane.» Schwerpunkt Nahrungsmittel Noch eine andere wertvolle Ressource landet allzu oft in der Mülltonne: Nahrung. Nach Schätzungen werden mehr als 900 Milliarden Tonnen an Essbarem pro Jahr weggeworfen, vor allem in privaten Haushalten. Das entspricht fast einem Fünftel der weltweit produzierten Lebensmittel. Oft ist die Ware noch einwandfrei, aber ihr Verfallsdatum abgelaufen. Ein EPFL-Team im Bereich Nanobiotechnologie unter der Leitung von Professor Ardemis Boghossian hat deshalb neuartige Sensoren entwickelt, die die Frische von Lebensmitteln in Echtzeit überwachen. Wer innovative Lösungen für komplexe Umweltprobleme entwickeln will, muss früh anfangen. Deshalb bietet die EPFL Kurse zu «Global Issues» mit Themenbereichen wie Nahrung, Ener-

gie, Klima und Transport, die für Bachelor-Studenten sogar vorgeschrieben sind, an. Das zahlt sich aus, wie ein junges EPFL-Team im Rahmen eines internationalen Wettbewerbs kürzlich unter Beweis stellte. Dazu muss man wissen: In Weinbergen, aber auch in Teeplantagen werden oft Fungizide versprüht, um die Pflanzen vor Pilzinfektionen zu schützen. Darin ist Kupfer enthalten, das in den Boden sickern und dort Jungpflanzen schädigen kann. Das Team entwickelte nun aber unter der Leitung des EPFL-Neurowissenschaftlers Brian McCabe ein auf Hefe basierendes System namens CuRe, das überschüssiges Kupfer aus dem Boden entfernen kann.

Gefährliche Partikel im Wasser Ebenso engagiert war eine Segelexpedition auf dem Mittelmeer, organisiert von der Non-Profit-Organisation SEA Plastics. Fünf junge Wissenschaftlerinnen waren dabei, darunter eine EPFLStudentin als wissenschaftliche Leiterin. Ein reines Vergnügen war die Forschungsreise nicht, schliesslich mussten in einem engen Zeitplan Wasserproben genommen werden, um später auch an Land den Gehalt und die Varianten von Mikroplastik darin auszuwerten. Eine entscheidende Frage ist, wie sich die gefährlichen, meist kaum sichtbaren Partikel ausbreiten und wie sie mit ihrer Umwelt interagieren. Neben Mikroplastik kommen auch Schwermetalle, Arzneimittel, Pestizide und krank machende Mikroben in unseren Gewässern vor. «Ich will nicht sagen, dass alle Mikroverunreinigungen im Wasser vom Menschen stammen», sagt Professor Florian Breider, Leiter des Zentralen Umweltlabors der EPFL, das den Mittelmeertrip wissenschaftlich unterstützte. «Aber 99,99 Prozent sind es schon.» Sie alle können schaden, ob nun eine Chemikalie direkt toxisch wirkt, ein Vi-

Materialforschung im Labor: EPFL-Professorin Wendy Lee Queen. rus Infektionen auslöst oder ein medizinischer Wirkstoff den Hormonhaushalt von Tieren stört. Die Probleme beginnen gleich vor unserer Haustür: «Unsere Forschung hat gezeigt», so Breider, «dass der Genfersee, anteilig gerechnet, in etwa so viel Mikroplastik enthält wie die Ozeane.»

CO2 unterirdisch lagern Auch zukünftig wird sich der Einsatz von Kunststoff nicht ganz vermeiden lassen, vielleicht gelingt es aber, das Allzweckmaterial besser wiederzuverwerten. Der Haken an der Sache: Im Abfall sind die verschiedenen Kunststoffarten gemischt – bisher eine Herausforderung für das PET-Recycling. Das EPFL-Spinoff DePoly hat deshalb ein umweltfreundliches Verfahren entwickelt, der selektiv PET-Plastik zerlegt und recycelt, selbst wenn es mit anderen Kunststoffen gemischt ist. Ein wichtiger Schritt in Richtung einer fast müllfreien

EPFL

Kreislaufwirtschaft. Das würde Ressourcen und Energie sparen, also das Klima schonen. Nach Angaben von DePoly bedeutet jede Tonne recycelten Kunststoffs nicht nur weniger Kunststoffverschmutzung auf Deponien und in den Ozeanen, sondern es spart auch eine Energiemenge ein, die dem Jahresstromverbrauch von vier europäischen Haushalten, 18 Barrel verbranntem Öl oder zehn Passagieren auf einem Flug von London nach New York entspricht. Der Umwelt wäre auch sehr geholfen, wenn es gelänge, bereits emittiertes Kohlendioxid aus der Atmosphäre herauszufiltern und zu speichern. «Unterirdische Lager gelten weltweit als die beste Lösung», sagt Professor Lyesse Laloui, der an der EPFL das Labor für Bodenmechanik leitet. «Wir arbeiten an einem Ansatz, der das Volumen von Kohlendioxid um das 500-Fache reduziert. Und das ist auch nötig: Wir müssten jedes Jahr Millionen Tonnen einlagern.»

Giftige Fluten Dazu ein paar Zahlen: Pro Jahr entstehen weltweit mehr als zwei Milliarden Tonnen fester Abfall, wobei dieser Müllberg nach Schätzungen in weniger als drei Jahrzehnten auf 3,4 Milliarden Tonnen anwachsen könnte. Diesem Problem und auch den Abfallaltlasten können wir nur mit angepasstem Verhalten und neuer Technologie begegnen. Jeder von uns kann zum planetaren Grossputz beitragen, den eigenen Konsum drosseln und der in westlichen Ländern verbreiteten Wegwerfmentalität widerstehen. Das bedeutet ganz konkret, Alltagsgegenstände nicht vorschnell auszurangieren und durch immer neue Modelle zu ersetzen. Ausrangierte Elektrogeräte zum Beispiel sind kein Müll, sondern enthalten wertvolle Edelmetalle. In jedem Smartphone zum Beispiel schlummert ein wahrer Schatz aus Gold, Silber, Kupfer, Aluminium, Nickel und Seltenen Er-

Mit seinen Greifarmen soll ClearSpace-1 defekte Satelliten und grössere Trümmerteile einsammeln und aus der Erdumlaufbahn entfernen.

CLEARSPACE


10 Special

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Samstag, 25. November 2023

Auf dem Weg zu einer fossilfreien Filialbelieferung Klima & Energie

Lidl Schweiz möchte bis 2030 sämtliche Filialen komplett fossilfrei beliefern. Darum setzt der Detailhändler immer stärker auf Fahrzeuge mit alternativen Antrieben. Schon heute werden rund 60 Prozent aller Kilometer, die bei der Warenauslieferung an die LidlFilialen anfallen, dieselfrei zurückgelegt. OLIVER SCHMUKI

Die Westschweizer Warenverteilzentrale von Lidl Schweiz hat in etwa dieselben Dimensionen wie der Dorfkern von Sévaz (Fribourg), der gleich auf der anderen Seite der Route Cantonale liegt. Hunderte Tonnen an Lebensmitteln werden hier, unweit des Neuenburgersees, Tag für Tag umgeschlagen. Von dem riesigen, langgestreckten Logistikgebäude aus beliefert der Detailhändler fast die Hälfte seiner mehr als 170 SchweizFilialen. Es ist 19.30 Uhr, als Thomas Horvat die Arbeit aufnimmt und beginnt, seinen Lkw mit Obst und Gemüse, Fleisch und Milchprodukten zu beladen. Die frische Fracht ist für die beiden Lidl-Filialen in Brig und in Conthey bestimmt. Für die nächtliche Fahrt dorthin und retour wird Horvat nicht etwa ins Fahrerhaus eines branchenüblichen Dieselfahrzeugs steigen: Sein blitzblanker Lkw ist elektrogetrieben, eine Anfertigung des Winterthurer Spezialanbieters Designwerk Technologies.

Tanken mit Solarstrom Besonders bemerkenswert: Der 680 PS starke E-Lkw stösst nicht nur keine Emissionen aus – auch der Strom, mit dem er «betankt» wird, stammt, entsprechend der Unternehmensstrategie, aus erneuerbarer Energie. Lidl Schweiz nutzt dazu eine eigene Schnellladestation am Logistikzentrum Sévaz. Und den Strom dafür liefert eine auf dem Dach des Gebäudes installierte Solaranlage, die mit 2,8 Millionen Kilowattstunden so viel Energie produziert, dass sich damit tausend Haushalte ein ganzes Jahr lang mit sauberem Strom versorgen liessen. Lidl Schweiz gehört mit diesen und zahlreichen anderen Nachhaltigkeitsak-

Brücke in die Zukunft Mit der Einführung von 20 FlüssiggasLkw und dem Ausbau einer ersten Infrastruktur leistet Lidl Pionierarbeit. Die Umstellung auf LNG (Flüssigerdgas) bringt gleich mehrere Vorteile gegenüber Dieselfahrzeugen: minus 15 Prozent CO2 (sogar minus 20 Prozent im Vergleich zu HPDIDieselmotoren) minus 35 Prozent Stickoxide minus 95 Prozent Feinstaub minus 50 Prozent Lärmemissionen (gegenüber Otto-Motoren) bis zu 1500 Kilometer Reichweite

Die Vorteile von LBG: fossilfreies flüssiges Biogas, hergestellt aus Abfällen minus 74 Prozent CO2-Ausstoss gegenüber Diesel («Well to Wheel»Betrachtung, konservative Rechnung)

Mit dem E-Lastwagen werden die frischen Waren vom Verteilzentrum Sévaz an die Lidl-Filialen ausgeliefert.

tivitäten zu den Vorreitern der Branche. E-Lastwagen sind für Daniel Stolz, Senior Manager Logistics bei Lidl Schweiz, nicht nur eine Alternative in der Fahrzeugflotte, sondern auch «eine Lösung, die Leistungsstärke, Ökologie und Wirtschaftlichkeit in der Verteillogistik kombiniert». Dazu muss man wissen: Über ein Drittel der gesamtbetrieblichen CO2-Emissionen von Lidl Schweiz stammen aus dem Transportsektor. Entsprechend gross ist darum das Reduktionspotenzial.

Neue Mobilitätskonzepte Das Unternehmen setzt dabei nicht nur auf Strom als Antriebstechnologie – die ersten E-Lkw wurden bereits vor fast einem Jahrzehnt in Betrieb genommen. In Kooperation mit seinen Schweizer Logistikpartnern, Forschungsinstitutionen und der Energiewirtschaft arbeitet Lidl Schweiz auch schon seit mehreren Jahren an der Entwicklung und Umsetzung von klima- und umweltverträglichen Mobilitätskonzepten. Dazu gehört – neben der Nutzung von Sonnenenergie – auch die Erschliessung weiterer erneuerbarer Ressourcen wie Biogas oder Biodiesel als Treibstoff, ebenso der Aufbau der erforderlichen Versorgungspfade und Tankstellen. Heute fährt Lidl Schweiz mehr als die Hälfte seiner Transportkilometer ohne Diesel. Seit 2014 konnten, so die stolze Bilanz, die CO2-Emissionen pro transportierte Versandeinheit um über 40 Prozent verringert werden. Der Detailhändler hat aber noch viel Grösseres vor: Das selbstgesteckte Ziel lautet, bis spätestens 2030 alle Filialen komplett fossilfrei zu beliefern, wie Daniel Stolz «Nachhaltigkeit braucht Vielfalt», lautet sein Credo. «Wir investieren daher viel in zukunftsweisende Technologien. Entscheidend ist für uns der Wechsel von fossilen auf erneuerbare Energien, das Antriebskonzept ist sekundär. Wir verfolgen einen technologieoffenen Ansatz und sind der Überzeugung, dass in Abhängigkeit des Fahrprofils das am besten geeignete Antriebskonzept zum Einsatz kommen soll – Hauptsache fossilfrei.» In diesem Sinne sind bei Lidl Schweiz nicht nur E-Lkw im Einsatz, sondern auch Lastwagen, die mit LNG (Flüssigerdgas beziehungsweise verflüssigtem Methan) und LBG (Flüssigbiogas) betankt werden. Dafür stehen ebenfalls unternehmenseigene Tankstellen zur Verfü-

gung, die laut Daniel Stolz bereits im Juni 2019 in Betrieb genommen wurden. Die LNG-Fahrzeuge werden von mehreren Logistikpartnern betrieben. Zusammen mit ihnen hat Lidl Schweiz den Grundstein für eine nachhaltigere Logistik gelegt. Heute werden bereits rund 20 Prozent LBG dem LNG beigemischt. Dieser Anteil soll stetig erhöht werden. Besonders ins Gewicht fallen zudem die Vorteile einer Betankung mit LBG: Wie Studien eines interdisziplinären Forschungsteams zusammen mit Lidl Schweiz ergeben haben, reduziert die Verwendung des fossilfreien flüssigen Biogases, das aus Abfällen hergestellt wird, den CO2-Ausstoss gegenüber Diesel-Lkw um 74 Prozent. Ein Grund mehr, weshalb Lidl Schweiz bestrebt ist, den Anteil von LBG stetig zu erhöhen. Einziger Haken an der Sache: Das Biogas muss bisher noch aus dem Ausland importiert werden – und ist nicht von der Mineralölsteuer befreit. Darum hat Lidl Schweiz nach eigenem Bekunden grosses Interesse daran, dass auch hierzulande eine LBG-Produktion aufgebaut wird. «Der Einsatz von biogenen Treibstoffen spielt eine zentrale Rolle auf unserer Roadmap Fossilfreie Filialbelieferung 2030», erklärt Daniel Stolz. Für eine grüne Logistik von Lidl Schweiz würden auch zusätzliche finanzielle Mittel investiert. «Wir bauen nicht nur unsere E-Flotte weiter aus, sondern arbeiten mit Hochdruck daran, unsere LNGInfrastruktur auf erneuerbares LBG – Biomethan aus biogenen Abfällen – umzustellen, setzen in der regionalen Verteillogistik bereits mehrere Gas-Lkw mit 100 Prozent Schweizer Biogas ein und mischen Biodiesel aus Altspeiseöl in unserer konventionellen Diesel-Flotte bei.» Der Anteil des von einem Logistikpartner hinzugefügten Biodiesels liegt heute schon bei etwa 20 Prozent.

derzeit drei technologische Pfade zur CO2-Reduktion im Strassenverkehr untersucht. «Ein laufendes Projekt, welches wir als Anwendungspartner unterstützen, dreht sich um die Herstellung von synthetischem Methan aus Wasserstoff und Kohlendioxid – die sogenannte Methanisierung», berichtet Daniel Stolz. Das Kohlendioxid für dieses Verfahren werde mit einem CO2-Kollektor des Schweizer Startups Climeworks direkt aus der Umgebungsluft entnommen – ein höchst innovativer Ansatz. Stolz: «Die mit erneuerbarer Energie künstlich produzierten Treibstoffe können über die herkömmlichen Wege transportiert und zum Beispiel über das gut ausgebaute Schweizer Gasnetz zur Verfügung gestellt werden.»

Ziel deutlich übertroffen Dass Lidl Schweiz mit seinem ausgeprägten Engagement für mehr Klimaschutz viel Anerkennung findet, darf an dieser Stelle auch erwähnt werden: Als erstes Unternehmen in der Schweiz hat der Detailhändler in diesem Jahr bereits den dritten Stern der europaweiten Initiative Lean & Green erhalten. Für diese erneute Auszeichnung wäre eine CO2-Reduktion von fünf Prozent innerhalb von zwei Jahren notwendig gewesen. Dieses Ziel konnte Lidl Schweiz mit einer Reduktion von 11,77 Prozent deutlich übertreffen. Und noch eine Zahl: Mit der Umsetzung seiner nachhaltigen Massnah-

FOTOS: LIDL

Daniel Stolz Senior Manager Logistics bei Lidl Schweiz

men hat das Unternehmen im Logistikund Transportbereich seit 2020 insgesamt 1774 Tonnen Treibhausgas eingespart. «Die Auszeichnung mit dem dritten Stern bestätigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind», sagt Manager Daniel Stolz. «Sie spornt uns umso mehr an, weiterhin vollen Einsatz für eine umwelt- und klimataugliche Logistik zu geben.» Und Nicholas Pennanen, CEO von Lidl Schweiz, betont: «Wir sind überzeugt, dass die Wirtschaft ihren Beitrag zur Erreichung der Ziele des Pariser Klimaabkommens leisten muss und kann. Als Detailhändler übernehmen wir Verantwortung und setzen uns Tag für Tag für eine bessere Zukunft ein.»

Synthetische Treibstoffe Da biogene Treibstoffe aber laut Stolz alleine kaum ausreichen werden, um den gesamten Transportsektor zu revolutionieren, sieht Lidl Schweiz auch synthetische Treibstoffe als weiteren wichtigen Baustein seines nachhaltigen Transportkonzepts. Mit der Elektromobilität, dem Wasserstoffantrieb und dem Einsatz synthetischer Treibstoffe werden im Mobilitätsdemonstrator «move» der Empa in Dübendorf ZH

Fossilfreie Transporte: Lidl Schweiz schliesst lokale Kreisläufe mit Abfall im Tank.


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Samstag, 25. November 2023

Mit Wald und Wissenschaft gegen den Klimawandel

Special

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Die Post auf ihrem Weg zu Netto-Null

Klima Netto-Null CO2-Emissionen bis 2040: Die Schweizerische Post verfolgt ein

ambitioniertes Ziel. Um es zu erreichen, hat sie sich unter anderem die Unterstützung hochrangiger Fachleute aus der Wissenschaft gesichert. Und sie wird einen Wald kaufen. ERIC BRÜHLMANN

Geht es um Massnahmen gegen den Klimawandel, macht die Post keine halben Sachen. Denn als bundesnahes Unternehmen und eine der grössten Wirtschaftsakteurinnen der Schweiz muss sie auf dem Weg in eine nachhaltige Zukunft eine Vorreiterrolle übernehmen. Bereits bis 2030 will sie die hauseigenen CO2-Emissionen auf null bringen – mit einer Vielzahl von Schritten. Künftig sollen etwa ausschliesslich Elektro-Zustellfahrzeuge zum Einsatz kommen, und überall werden emissionsfreie Heizungen installiert. Genutzt werden dann nur noch erneuerbaren Energien. Hinsicht-

lich der CO2-Emissionen besonders bedeutend ist, dass die gesamte PostAutoFlotte auf Elektrobusse umgestellt wird. Mit all diesen und weiteren Anpassungen wird die Post ihren CO2-Ausstoss um 90 Prozent reduzieren. Das ist gut, aber noch nicht gut genug – denn die verbleibenden Emissionen des Treibhausgases belaufen sich immer noch auf rund 100 000 Tonnen im Jahr. Diese Restmenge lässt sich kurz- und mittelfristig nicht verringern. Deshalb hat sich die Post entschieden, sie zu neutralisieren: Sie will die entsprechende Menge CO2 der Atmosphäre entziehen. Gelingt dies, wird die Post bis 2040 gesamthaft eine Netto-Null-Bilanz aufweisen.

Natürliche CO2-Speicher Land-Ökosysteme sind eminent wichtige CO2-Entsorger, welche die Natur sozusagen gratis zur Verfügung stellt. «In diesen Ökosystemen ist rund 3,5-mal so viel CO2 gespeichert, wie heute in der Luft vorhanden ist», sagt Andreas Fischlin, Experte für Ökosysteme und Klimawandel. Die grauen Emissionen mitgerechnet, werden in der Schweiz pro Kopf und

Jahr etwa zehn Tonnen CO2 freigesetzt. Land-Ökosysteme entsorgen drei Tonnen gleich wieder. Werden diese Ökosysteme geschädigt – durch den Klimawandel oder durch direkte menschliche Eingriffe –, geht also nicht nur Biodiversität verloren. Es besteht auch das Risiko, dass riesige Mengen CO2 freigesetzt und künftige Speicherkapazitäten vernichtet werden.

Komplex und anspruchsvoll Um das ambitionierte Ziel zu erreichen, hat sie 2022 die Post CDR AG gegründet. CDR steht für Carbon Dioxid Removal, «CO2-Entnahme». Das Unternehmen lotet Möglichkeiten und Projekte aus, wie CO2 der Atmosphäre entzogen und langfristig gespeichert werden kann. «Wir tun dies nicht einfach, weil wir müssen», sagt Philipp Mäder, Geschäftsführer der Post CDR AG, «sondern weil wir davon überzeugt sind, dass es wichtig ist.» Ein Beirat aus hochkarätigen Fachleuten soll seine wissenschaftliche Expertise beratend einbringen. Mitglied ist zum Beispiel Prof. Dr. Martine Rebetez, Klimaforscherin an der Universität Neuenburg und Senior Scientist an der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) in Birmensdorf ZH. Die Aufgabe, der sich die Post CDR widme, sei komplex und anspruchsvoll. «An mir und dem gesamten Beirat ist es, die Post CDR dabei zu unterstützen, die richtigen Projekte auszuwählen», sagt die Klimatologin. Zumal es noch keine erwiesenermassen wirksamen Patentlösungen gebe, auf die man einfach zurückgreifen könne. Klar ist immerhin, dass Bäume gewaltige Mengen CO2 speichern. Ein einzelner grosser Baum kann über seine gesamte Lebensdauer der Atmosphäre bis

GRAFIK: POST

zu 30 Tonnen CO2 entziehen und speichern. Also heisst die Devise: Aufforsten, was das Zeug hält? «So einfach ist es leider nicht», sagt Prof. em. Dr. Andreas Fischlin. Der Experte für Ökosysteme und Klimawandel gehört ebenfalls dem Beirat an. «Im Zusammenhang mit dem Klimawandel darf man sich nicht auf einzelne Bäume fokussieren, man muss das gesamte Ökosystem Wald betrachten.» Für das Klima ist entscheidend, wie viel Kohlenstoff in einem Wald gebunden wird. «Und hier spielen neben den Bäumen auch Sträucher und vor allem der Boden eine Rolle», erklärt Andreas Fischlin.

Waldprojekt in Thüringen Die Post CDR hat akribisch nach einem Wald gesucht, der als guter CO2-Speicher und Lieferant für langlebige Holzprodukte dienen kann, gleichzeitig gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen erfüllt und erst noch verfügbar ist. Fündig wurde sie

im ostdeutschen Thüringen. Sie unterzeichnete dort einen Kaufvertrag über 2400 Hektar Wald – etwa die Fläche der Stadt Basel – und wird diesen nachhaltig bewirtschaften. Denn damit Wälder ihre Speicher- und Produktionsaufgaben übernehmen können, muss die ganze Landschaft gemanagt werden – «eine riesige Herausforderung», wie Andreas Fischlin sagt. Zu dieser Bewirtschaftung gehört neben vielem anderem auch, alte Bäume nicht einfach verrotten zu lassen, denn dann würde das gespeicherte CO2 wieder freigesetzt. Vielmehr sollen Bäume im richtigen Moment effizient und waldschonend geschlagen und der holzverarbeitenden Industrie zugeführt werden. Auf diese Weise können sie als Baumaterialien oder Möbelstücke noch Jahrzehnte, vielleicht sogar Jahrhunderte lang ihre Speicherfunktion beibehalten. «Die Post leistet hier vorbildliche Arbeit», sagt Andreas Fischlin. Und er hofft, dass ihr wissenschaftlich fundiertes Vorgehen Schule machen wird.

Pionierleistung in den Walliser Alpen Energie Drohende Mangellage und steigende Preise – das Thema Energie bereitet Schweizer Firmen Sorgen. Das Beispiel der Standseilbahn Sierre-Montana zeigt, wie ein durchdachter Einsatz bewährter Technologien für einen energieeffizienten Personenverkehr sorgt. lisierte Firma Frey Stans mit der Technologiepartnerin ABB um. Die Idee: dank cleverer Technik sowohl Brems- als auch Solarenergie zwischenspeichern und damit den Strombezug aus dem Netz deutlich reduzieren.

FELIX FISCHER

Die Stossrichtung der Energiestrategie 2050 ist klar: Neben dem schrittweisen Atomausstieg möchte die Schweiz die erneuerbaren Energien ausbauen und die Energieeffizienz steigern. Was so simpel klingt, ist oftmals eine grosse technische und finanzielle Herausforderung – auch für den öffentlichen Verkehr. ÖV-Betriebe elektrifizieren zwar zunehmend ihre Anlagen und Fahrzeugflotten, doch sehen sie sich durch die drohende Energieknappheit auch mit steigenden, zuweilen sogar rekordhohen Energiekosten konfrontiert. Das Schlüsselwort dabei lautet Energieeffizienz, denn jede Kilowattstunde, die ­gespart wird, muss nicht produziert werden. Angesichts dieser Herausforderungen hat sich die Standseilbahn SierreMontana (SMC) im Rahmen einer vollständigen Erneuerung 2022 gleich zwei Lösungen zu Nutze gemacht: Solarenergie und innovative Antriebstechnologie. Sierre und Crans-Montana zählen zu den Schweizer Ortschaften mit den meisten Sonnentagen jährlich. Die Energie der Sonne zu nutzen liegt also denkbar nahe. Die Bahn, die die beiden Ortschaften verbindet, überwindet eine Höhendifferenz von 930 Metern und ist mit 4,2 Kilometern die längste im offenen Gelände geführte Standseilbahn Europas.

ABB-Komponenten Bei der Umsetzung dieser Idee spielen ABB-Technologien eine zentrale Rolle. Ein kraftvoller 1000-KilowattMotor treibt zusammen mit einem Frequenzumrichter die Bahn an, während Letzterer die Rückgewinnung (Reku-

peration) der Bremsenergie ermöglicht und diese in den Energiespeicher führt statt ins Netz. Diese leistungsfähigen und für Traktionsanwendungen optimierten Energiespeichermodule werden im ABB-Werk in Baden gefertigt und weisen eine Gesamtkapazität von 120 Kilowattstunden auf. Diese Lösung ermöglicht zusammen mit der Photovoltaikanlage, dass sowohl Brems- als auch Solarenergie zwischengespeichert und für weitere Fahrten der Bahn genutzt werden kann. Mit dem Strom aus dem Speicher können so vor allem bei der energieintensiven

Anfahrt am Berg die Bezugsspitzen geglättet werden. Das neue System erlaubt es nicht nur, Energie effizienter zu nutzen, auch der Geldbeutel wird mittelbis längerfristig geschont: Dank Solaranlage, rekuperierter Bremsenergie und Energiespeicher kann an einem sonnigen Tag rund die Hälfte der benötigten Energie selbst produziert beziehungsweise wiederverwertet und vor Ort genutzt werden. Die technische Lösung zeigt, dass bereits bestehende Technologien helfen können, die Klimaziele zu erreichen – auch ohne finanzielle Sorgenfalten.

«Es war klar, dass mit der Erneuerung der Bahn auch die Energieeffizienz gesteigert werden musste.»

Fokus auf Energieeffizienz Bei der Erneuerung der Bahn wurden nicht nur die Gleise ausgewechselt und neue Wagen angeschafft, auch eine Photovoltaikanlage wurde auf der umgebauten Bergstation installiert und ein Energiespeichersystem integriert. «Es war klar, dass mit der Erneuerung auch die Energieeffizienz unserer Bahn gesteigert werden musste», so Patrick Cretton, Direktor der SMC. Genau das setzte die auf Seilbahn-Steuerungsanlagen spezia-

Die Standseilbahn Sierre-Montana überwindet auf ihrer 4,2 Kilometer langen Strecke eine Höhendifferenz von 930 Metern.

PD


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Samstag, 25. November 2023

Innovative Lösungsansätze und Best für die Welt von morgen Sustainable Switzerland «Zusammen packen wir’s» lautet die Devise führender Organisationen aus Wirtschaft und Wissenschaft, die sich gemeinsam dafür einsetzen, die Schweiz noch nachhaltiger zu machen. Als Partner von Sustainable Switzerland, einer Initiative des Unternehmens NZZ, setzen sie mit ihrem Engagement ein klares Zeichen – und machen Fortschritte sichtbar. Die an der Initiative beteiligten Unternehmen und Hochschulen verbindet die Überzeugung, dass Nachhaltigkeit in ihren ökonomischen, sozialen und ökologischen Dimensionen (kurz: ESG) grosse gemeinsame Anstrengungen erfordert. Gefragt sind klare Zielsetzungen und entschlossene Schritte auf dem Weg zu einer klimaneutralen und in jeder Hinsicht lebenswerten Schweiz von morgen. Sie belassen es nicht bei wohlfeilen Erklärungen, sondern

zeigen anhand innovativer Lösungsansätze und Vorzeigeprojekte, wie die Herausforderungen unserer Zeit gemeistert werden können. Mit geballtem Know-how und auf der Basis jüngster wissenschaftlicher Erkenntnisse. Einen Eindruck davon gaben die Partner der Initiative am diesjährigen Sustainable Switzerland Forum (SSF) in mehreren Themensessions. Die wichtigsten Resultate und «Lessons learned» stellen sie im Folgenden selber vor.

Swisscom

Digitalisierung als zentraler Erfolgsfaktor Gebäude bergen ein grosses Potential zur gezielten Reduktion von CO2 – vorausgesetzt, sie sind vernetzt. Denn Smart Buildings liefern eine grosse Zahl an digitalen Informationen. So lassen sich die CO2-Emissionen eines Gebäudes datenbasiert messen und aktiv reduzieren. IoT (Internet of Things)-

Sensoren an Heizungen, Photovoltaikanlagen, Wärmepumpen oder Ladestationen für Elektro-Autos liefern die nötigen Daten. Eingespiesen in eine entsprechende Software, zeigen sie die aktuellen CO2-Emissionen auf. Simulationen beleuchten hernach, wo das grösste Reduktionspotenzial liegt, sodass zielführende Massnahmen abgeleitet werden können. Digitalisierung ist ein zentraler Erfolgsfaktor auf dem Weg zu Netto-Null. Swisscom verfolgt die ­Vision eines Ökosystems, welches Daten und Knowhow verschiedener Partner vereint und datengetriebene Reduktionsmassnahmen orchestriert. Themensession mit Saskia Günther, Head of Sustainability, Swisscom

«Die CO2-Emissionen eines Gebäudes lassen sich datenbasiert reduzieren.» Saskia Günther

In den SSF-Themensessions werden neue Lösungsansätze vorgestellt und diskutiert.

SWISSCOM

SAP

SSF

Boston Consulting Group

Emissionen im Einklang mit Finanzdaten managen Lieferketten mit Hilfe von KI dekarbonisieren Wir können den Klimaschutz intensivieren, indem wir das Fachwissen von Expert:innen aus dem Nachhaltigkeitsmanagement, der Finanzbuchhaltung und der Informationstechnologie in Verbindung mit Enterprise-Resource-Planning-Systemen (ERP) nutzen. Wenn CO2-Emissionen als eine Ressourcenart betrachtet werden, können sie transaktionsbasiert erfasst und verwaltet werden – auch in direkter Verbindung mit Geschäftsabläufen. So erhalten Organisationen bessere Entscheidungsgrundlagen für die Erreichung ihrer ESG-Ziele. Benötigt werden dafür granulare und valide Emissionsdaten aus der gesamten Wertschöpfung, also von Scope 1 bis 3, die gemäss globalen Standards ermittelt und unternehmensweit zugänglich gemacht

werden. Nur so können Firmen und deren Mitarbeitende den tatsächlichen CO2-Fussabdruck von Produkten und Dienstleistungen verstehen und ihre Nachhaltigkeitsergebnisse auf einer soliden Datenbasis verbessern. Denn was sich nicht messen lässt, kann man auch nicht steuern. Mit dem «Green Ledger» erfindet SAP das «R» in ERP hinsichtlich Nachhaltigkeit neu. Ein wesentlicher Baustein ist dabei das transaktionsbasierte CO2-Accounting für ein zukunftsweisendes und revisionssicheres CO2-Management. SAP integriert somit finanzielle und nichtfinanzielle Daten und befähigt Unternehmen dazu, Wirtschaftlichkeit im Einklang mit Nachhaltigkeit in Geschäftsprozessen zu managen.

Aus Sicht der CEOs ist die Dekarbonisierung der Lieferkette die grösste Herausforderung, denn sie erfordert ein tieferes Verständnis der wirtschaftlichen Aspekte der Emissionsminderung in vorgelagerten Sektoren, ein intensiveres Engagement bei den Lieferanten, eine bessere Ausbildung, gemeinsame Projekte und in einigen Fällen die Bereitschaft, sich auf langfristige Partnerschaften einzulassen. Doch: Das Erreichen einer Net-Zero-Lieferkette ist mit begrenzten Kosten möglich und hat einen grossen Einfluss auf den Klimaschutz, da die Emissionen der Lieferkette bis zu 20-mal höher sind als die eigenen Emissionen. Unterstützen kann hierbei künstliche Intelligenz: Denn KI hat grosses Potenzial,

Themensession mit Sebastian Kaczynski, Chief Sustainability Officer, SAP (Schweiz) AG

SAP

Themensession mit Daniel Kaegi, Managing Director & Senior Partner, Leader Climate & Sustainability Practice Switzerland, Boston Consulting Group

«Die Dekarbonisierung der Lieferkette ist ein Gamechanger für den Klimaschutz.»

«Was sich nicht messen lässt, kann man auch nicht steuern.» Sebastian Kaczynski

die Lieferkette bis zu einzelnen Bestandteilen zu dekonstruieren, sodass effiziente und kosteneffektive Strategien definiert werden, um Unternehmen bei der Erreichung ihrer Netto-Null-Ziele zu unterstützen. Daniel Kaegi, Managing Director & Senior Partner, Leader Climate & Sustainability Practice Switzerland bei der Boston Consulting Group: «Für unseren Fortschritt, sowohl ökologisch als auch ökonomisch, ist es von entscheidender Bedeutung, Daten zu integrieren und KI (GenAI) einzusetzen, um Lösungen innerhalb von Tagen anstatt von Wochen oder Monaten zu erzielen.»

Daniel Kaegi

BCG


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Samstag, 25. November 2023

Practices

Mit Gebäudeautomation Klimaziele erreichen

Kombinierte Krisen bewältigen

Das Ziel Netto-Null bis 2050 ist gesetzt. Der Gebäude- und Immobiliensektor kann mit einem Anteil von rund 40 Prozent an den CO2-Emissionen einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten. Die Gebäudeautomation und die daraus gewonnenen Messdaten ermöglichen die Steuerung und Regulierung sämtlicher Energieströme im Gebäude – grosses Potenzial also für Effizienzverbesserungen und Energieeinsparungen. Voraussetzung dafür, dass Unternehmen wie auch Private dieses Potenzial ausschöpfen und ihre Gebäude energie-

gen werfen aber neue Fragen der Energiesicherheit auf. Die Themensession von ETH Zürich und EPFL mit Chris Luebkeman, Alejandro Nuñez-Jimenez, Prof. Sylvain Weber (HES-SO) und der Kommunikationsexpertin Catherine Duttweiler befasste sich mit innovativen Ansätzen, die die Integration erneuerbarer Energiequellen erleichtern und zugleich eine zuverlässige Energieversorgung gewährleisten sollen.

«Der Gebäude- und Immobiliensektor birgt grosses Potenzial für Energieeinsparungen.»

Erneuerbare Energie effizient speichern der Energiespeicher: Statt elektrischer Strom in der Batterie wird gasförmiger Wasserstoff in Tanks gespeichert und dann mittels einer Brennstoffzelle in elektrischen Strom für den Antrieb umgewandelt. Der grosse Vorteil ist, dass Wasserstoff in nur wenigen Minuten getankt werden kann und so die Vorteile des elektrischen, emissionsfreien Fahrens mit der Flexibilität heutiger Verbrenner kombiniert. Themensession mit Thomas Hofmann, Wasserstoff -/ Brennstoffzelle Projektmanagement 360° Umfeld, BMW Group

Antonin Guez

BKW

Die Mobiliar

Die Kraft der Kreativität nutzen Für die nachhaltige Entwicklung braucht es neue Ideen. Doch wie findet man die? In der Themensession der Mobiliar am Sustainable Switzerland Forum lernten die Teilnehmenden, wie sie in nur 45 Minuten und mit Spass neue Lösungen entwickeln können. Herausgekommen sind beeindruckend nachhaltige Businessideen. «Entscheidend ist die Methode», sagt Moderator und Design-Thinking-

«Wasserstoff kann das fehlende Puzzleteil für eine emissionsfreie Mobilität sein.»

Thomas Hofmann

Stolpersteine für Sanierungen beseitigen

Experte Florian Baumgartner: Zwei zufällige Begriffe, die nichts miteinander zu tun haben, dienten als Ausgangspunkt für die Kleingruppen. «Damit befreien sich die Teilnehmenden von dem, was sie schon kennen, und kommen zu ganz neuen Einfällen.» So sind zehn Projektideen entstanden. Die Themensession war ein Mini-Format des Mobiliar Forums, einer Innovationsplattform für Schweizer KMU und Nichtregierungs­ organisationen. In kostenlosen Workshops arbeiten diese an zentralen Fragen rund um die Zukunft ihres Geschäfts, ihrer Produkte oder Dienst­leistungen. Themensession mit Florian Baumgartner, Moderator und Design-Thinking-Experte

«Die Teilnehmenden befreien sich von dem, was sie schon kennen, und kommen zu ganz neuen Einfällen.»

BMW

economiesuisse

effizienter umrüsten können, ist die fachmännische Umsetzung der Gebäudeautomation und die korrekte Messung der daraus gewonnenen Daten. Für die Umsetzung sind allerdings die relevanten Kompetenzen essenziell, und der aktuelle Fachkräftemangel zeigt sich als eine zentrale Herausforderung, die es gilt, gemeinsam anzugehen. Aber: Die Energie ist nicht zuletzt dank ihres grossen Stellenwerts innerhalb der Bau- und Immobilienbranche wieder attraktiv. Es gibt kaum eine andere Branche, in der einzelne Mitarbeitende mehr Impact einbringen können – ein grosser Vorteil, neue Talente zu gewinnen und gemeinsam aufs Ziel Netto-Null hinzuarbeiten! Themensession mit Antonin Guez, CEO der BKW Building Solutions und Mitglied der BKW Konzernleitung

BMW

Wasserstoff ist eine der effizientesten Möglichkeiten, erneuerbare Energien zu speichern und zu transportieren. Er wird daher eine Schlüsselrolle beim Klimaschutz spielen. Auch im Mobilitätssektor kann Wasserstoff das fehlende Puzzleteil für emissionsfreie Mobilität sein, denn eine einzige Technologie wird nicht ausreichen, um klimaneutrale Mobilität weltweit zu ermöglichen. Nach vier Jahren Entwicklungszeit des BMW iX5 Hydrogen tritt die BMW Group nun mit dem Praxisbetrieb einer Pilotflotte in die nächste entscheidende Phase. Wasserstofffahrzeuge wie der BMW iX5 Hydro­gen besitzen, ebenso wie Batteriefahrzeuge, einen elektrischen Antrieb. Der Hauptunterschied ist

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BKW

ETHZ / EPFL

Die Herausforderungen der miteinander verflochtenen Klima- und Energiekrisen stellen ein erhebliches Risiko für den Fortschritt der Energiewende in der Schweiz dar. Die derzeitigen Methoden und Instrumente sind unzureichend, um beide Krisen gleichzeitig zu bekämpfen. Der verstärkte Einsatz von Windund Solarenergie kann zwar zu einer Verringerung der Emissionen führen, ihre saisonalen Schwankun-

Special

Florian Baumgartner

PUZZLEMEDIA.CH

UBS Gebäude machen etwa ein Drittel unserer Emissionen in der Schweiz aus und sind damit einer der wichtigsten Hebel auf dem Weg zu Netto-Null – und zwar für Private und Unternehmen gleichermassen. Herausfordernd ist, dass längst nicht alle Massnahmen wirtschaftlich sind – dieser Realität müssen wir entschieden entgegentreten. Was es braucht, sind mindestens zwei Zutaten: Erstens benötigen wir förderliche, kluge Rahmenbedingungen. Denn mühsame Bauverfahren oder Regulierungen, welche die Wirtschaftlichkeit von Sanierungen in Frage stellen, legen dringend benötigten Sanierungen Steine in den Weg. Das können wir uns nicht mehr leisten. Ein Beispiel dazu: Der Kanton Basel-Stadt beschliesst einen überrissenen

Mieterschutz, und die Nachfrage nach Hypotheken für Sanierungen kollabiert um 70 bis 80 Prozent. Zweitens ist eine operationelle Unterstützung gefordert. Denn die Beschwerlichkeit von Sanierungen ist nicht weniger herausfordernd als die Wirtschaftlichkeit. Klare Beratungsangebote, Digitalisierung und «One-Stop-Shops» (zentrale behördliche Anlaufstellen) für Unternehmen können viel bewirken. Themensession mit Alexander Keberle, Mitglied der Geschäftsleitung, Leiter Infrastruktur, Energie & Umwelt, economiesuisse

Nachhaltigkeit beginnt mit «G» wie Governance ESG und Fragestellungen rund um Nachhaltigkeit bewegen sich in einem ständigen Spannungsfeld: Kurzfristig versus langfristig, rentabel versus machbar oder konservativ versus innovativ sind Gegensätze mit Sprengkraft für jedes Unternehmen. «G» für Governance ist der zentralste Aspekt, weil er mit seinem Führungsrahmen Verbindlichkeit in dieses Spannungsfeld bringt. Erfolgreiche Unternehmen orientieren sich an ihren starken Kernwerten und navigieren dank einer anpassungsfähigen Kultur durch umweltorientierte, soziale und Gover-

«Klare Beratungsangebote, Digitalisierung und ‹One-Stop-Shops› für Unternehmen können viel bewirken.» Alexander Keberle

ECONOMIESUISSE

nance-relevante Ansprüche. Zwei unserer Kernwerte helfen uns besonders dabei: «Kundenorientierung» und «nachhaltiges Handeln». Bei einer wirksamen Governance geht es nicht nur um Vorschriften, sondern vor allem darum, Widersprüche über konkrete Handlungen aufzulösen. Wertorientierte Führung trifft auf Unternehmenswert und fordert Transparenz und Verantwortung. Wir begleiten unsere Kundinnen und Kunden, fördern den Austausch und integrieren Nachhaltigkeit in unsere Leistungen. Zum Beispiel werden Net-Zero-Ziele von Kundinnen und Kunden, ihre Absicht, weniger Energie zu verbrauchen oder die Governance wirkungsvoller zu gestalten, Teil unserer Beratungsprozesse und Finanzierungslösungen. Damit wird Nachhaltigkeit verbindlich und operativ – bei allen Beteiligten innerhalb und ausserhalb des Unternehmens. Themensession mit Remo Häcki, Head Sustainability, Corporate & Institutional Clients, UBS Schweiz AG

«Wertorientierte Führung fordert Transparenz und Verantwortung.» Remo Häcki

UBS


14 Special

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Samstag, 25. November 2023

E-Fahrzeuge sind energieeffizienter und umweltschonender als Verbrennerautos. Weiterer Vorteil: Sie können auch mit lokal produzierter Energie «betankt» werden.   NOË FLUM

«Elektromobilität ist Teil der Lösung» Energie Die Elektromobilität ist eine effiziente Möglichkeit, um Fahrzeuge mit Energie aus erneuerbaren Quellen anzutreiben.

Doch eine Frage stellt sich: Ergibt das Umsteigen auf ein Elektrofahrzeug Sinn, wenn – wie im vergangenen Winter – Engpässe bei der Stromversorgung drohen? FLAVIAN CAJACOB

In der Schweiz sind rund 130 000 Elektroautos immatrikuliert. Nach zwei Boomjahren fallen die Zuwachsraten im laufenden Jahr aber nicht mehr ganz so hoch aus. Der Anteil verkaufter Steckerfahrzeuge lag von Januar bis Mitte September 2023 bei etwas über 28 Prozent, das sind 4 Prozentpunkte mehr als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres. Zum einen dürfte die angespannte Konjunkturlage die Zurückhaltung bei den Neuwagenkäufen generell erklären. Zum anderen schreckt mancher Autobesitzer auch angesichts vermeintlicher Lücken in der öffentlichen Ladeinfrastruktur davor zurück, den Schritt in die Elektromobilität gerade jetzt zu wagen, Ausbaupläne von Bund und Industrie hin oder her. Auch fehlende Ladeinfrastruktur zu Hause kann ein Grund für die Kaufzurückhaltung sein: Gerade wenn man zur Miete wohnt, ist die Installation einer Ladestation oft nicht einfach möglich. «Und dann ist da noch die grundlegende Frage,

wie viel Sinn ein Wechsel überhaupt macht, wenn sich ganz Europa Sorgen um die Energieversorgungssicherheit macht», sagt Jean-Marc Geiser, Mobilitätsspezialist beim Bundesamt für Energie (BFE). Der Ukrainekrieg und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Energieversorgung hätten das Grundvertrauen in die jederzeit sichere Stromversorgung mancherorts erschüttert. Gerade jetzt, da die kalte Jahreszeit vor der Tür stehe, komme die Thematik von möglichen Versorgungsengpässen wieder vermehrt auf den Tisch. «Elektroauto und Stromknappheit, das will nicht in aller Augen zusammenpassen», so Geiser.

Angst vor Engpässen Die gute Nachricht an dieser Stelle: Aktuell geht der Bund nicht davon aus, dass es in diesem Winter zu Engpässen bei der Energieversorgung kommen wird (s. auch Kasten rechts). Trotzdem kann Geiser, der viele Jahre in der Automobilbranche tätig gewesen ist,

die in Teilen der Bevölkerung vorhandene Skepsis nachvollziehen. Ein Grossteil davon hänge klar mit dem Wissensstand zusammen. Deshalb hat das BFE die Kampagne «Fahr mit dem Strom» (www.fahrmitdemstrom.ch) lanciert, welche detaillierte Informationen zum Stand der Technologie und zu den drängendsten Fragen rund um die Elektromobilität liefert. Im Zusammenhang mit Klimazielen und Energiewende spiele diese eine zentrale Rolle, betont Geiser. Anders als vielfach angenommen, ist hierzulande nicht die Industrie der grösste Energieverbraucher, sondern der Verkehr (36 Prozent gegenüber 19 Prozent in der Industrie). Aufgrund dessen, dass die Energie für den Verkehr nach wie vor zu über 90 Prozent aus fossilen Quellen stammt, sind die daraus resultierenden Treibhausgasemissionen auch deutlich höher als jene der übrigen Sektoren. Zudem verfügt die Schweiz bekanntlich über keine eigenen Vorkommen an fossilen Brennstoffen und muss deshalb fast die gesamte Verkehrsenergie teuer aus dem Ausland beziehen – Stichwort Auslandsabhängigkeit.

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Aktuell geringer Verbrauch

Darum lohnt sich der Umstieg auf ein Elektroauto

Die Stossrichtung der Kampagne ist klar: Am wenigsten umweltbelastend unterwegs ist, wer die eigenen Füsse oder ein Velo nutzt. Auch die Berücksichtigung von Bus und Bahn helfen, wenig überraschend, mit, den Energieverbrauch zu senken und den CO2-Ausstoss zu mindern. Wer allerdings auf einen motorisierten fahrbaren Untersatz angewiesen ist, tut der Umwelt (und nicht zuletzt dem eigenen Portemonnaie) einen grossen Gefallen, wenn der Tiger nicht aus dem Tank, sondern aus der Batterie kommt – sprich, auf ein Elektromobil umgestiegen wird. Was den effektiven Stromverbrauch anbelangt, so nimmt sich die Elektromobilität mit einem Anteil von 0,6 Prozent am gesamten Stromverbrauch der Schweiz im Vergleich zu Haushalten (34 Prozent), Industrie (30 Prozent) und Dienstleistungssektor (25 Prozent) aktuell tatsächlich bescheiden aus. Zu diesem Schluss kommt die Elektrizitätsstatistik 2022 des Bundes. Interessant

Nachhaltig: Die Fortbewegung mit erneuerbarer Energie verringert die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus dem Ausland und ermöglicht die Nutzung einheimischer erneuerbarer Energie. Umweltfreundlich: Der CO2-Fussabdruck eines Elektroautos ist, über die gesamte Lebensdauer betrachtet, von der Herstellung bis zur Entsorgung, mindestens 2-mal kleiner als der eines Verbrennerautos. Effizient: Um eine Strecke von 100 Kilometern zu fahren, verbraucht ein Elektroauto 3- bis 4-mal weniger

Energie als ein Auto mit Verbrennungsmotor. Wirtschaftlich: Die Energiekosten für 100 Kilometer liegen bei einem Elektroauto 2- bis 3-mal niedriger als bei einem Auto mit Verbrennungsmotor. Wer das Fahrzeug mit der eigenen Photovoltaikanlage auflädt, fährt fast umsonst. Autonom: Elektroautos können während ihrer Standzeit dank bidirektionaler Technologie als Power Bank genutzt werden, um das Stromnetz zu stabilisieren und den eigenen Haushalt mit Strom zu versorgen.

auch: Wenngleich die Bevölkerungszahl in der Schweiz zwischen 2010 und 2021 von 7,8 Millionen auf 8,8 Millionen gewachsen ist, so ging der Stromverbrauch in derselben Zeitspanne dennoch um 3 Prozent zurück. Zuzuschreiben ist dies der Tatsache, dass Geräte und Technologien stetig effizienter werden, mit Energie verantwortungsvoller umgegangen und letztlich auch weniger davon verschwendet wird. «Das A und O der Elektromobilität ist ganz klar ihre Effizienz», führt Jean-Marc Geiser aus. «Die möglichst wirkungsvolle Nutzung von Energie ist ein wesentlicher Pfeiler der Schweizer Strategie auf dem Weg zu Klimazielen und Energiewende.»

Steigerung des Strombedarfs Die Vorteile des Elektromotors liegen auf der Hand. So ist dieser dreimal so effizient wie ein Verbrennungsmotor; mit der gleichen Energiemenge lässt sich zudem eine drei- bis fünfmal so lange Strecke zurücklegen. Auch bei der Produktion, der Nutzung und Entsorgung schneide das Elektroauto in Sachen Ökobilanz mindestens doppelt so gut ab wie ein herkömmliches Fahrzeug, bemerkt Geiser. Ein Blick auf die Energieetikette lohnt sich also in jedem Fall, genauso wie die Überlegung, für was das Fahrzeug hauptsächlich verwendet wird. Denn wie bei den Verbrennern gibt es auch bei den E-Autos deutliche Unterschiede in puncto Energieeffizienz. SUVs zum Beispiel sind in der Regel stromhungriger als kompakte Cityflitzer. Wenngleich das E-Mobil weit weniger Energie verbraucht als ein Auto mit Verbrennungsmotor: Ganz ohne «Saft» geht es auch hier nicht. Wenn bis 2050 die überwiegende Mehrheit der Personenwagen elektrifiziert auf Schweizer Strassen unterwegs sein wird, so bedeutet dies in der Folge auch eine Steigerung des Strombedarfs auf gut 20 Prozent des gesamten Stromverbrauchs der Schweiz. Geiser relativiert: «Der Vorteil von Elektroautos ist, dass sie lokal produzierte Energie tanken können.» Mit intelligentem Lastmanagement werde der Strom dann bezogen, wenn der allgemeine Verbrauch tief oder viel Wind-

Strommangellage oder Blackout? Kommt das Thema Strommangellage zur Sprache, fällt häufig auch das Schlagwort «Blackout». Häufig wird Letzteres als Synonym für Ersteres verwendet, obwohl die beiden Begriffe nicht ein und dasselbe bedeuten. Während die Strommangellage ausgelöst wird durch zu geringe Produktionskapazitäten, wäre bei einem Blackout in der Regel genügend Energie vorhanden, um die Nachfrage zu decken. Diese aber gelangt durch eine Verkettung unglücklicher Umstände nicht mehr vom Kraftwerk zum Konsumenten, beispielsweise aufgrund eines Naturereignisses, welches zur Überlastung und automatischen Abschaltung von Netzelementen führt. Die Gefahr eines Blackouts in der Schweiz wird vom Bund als gering eingeschätzt. Für den Fall einer Strommangellage ordnen die Behörden – wie im letzten Winter ansatzweise exerziert – Massnahmen an, die das Gleichgewicht zwischen Produktion und Verbrauch auf einem reduzierten Niveau sicherstellen sollen.

und Solarenergie vorhanden sei. Andererseits speise die Motorenbremse im Elektroauto auch Energie zurück in die Batterie, was die Reichweite erhöhe, erklärt der Mobilitätsexperte. Dank neuen Technologien wie dem bidirektionalen Laden könnten E-Mobile darüber hinaus als Puffer und Speicher genutzt werden, beispielsweise für den eigenen Haushalt oder in grösserem Umfang zur Stabilisierung des Netzes. «Wir stehen am Anfang einer neuen Ära», sagt Jean-Marc Geiser. Insofern mache der Umstieg auf die Elektromobilität so oder so Sinn, unabhängig von der Jahreszeit oder den Diskussionen rund um mögliche Versorgungsengpässe. «Die Elektromobilität ist sicherlich nicht die Ursache des Problems – aber sie ist ein wichtiger Teil der Lösung.»


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Samstag, 25. November 2023

Special

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Mehr Daten, weniger Emissionen

Klima & Energie Sensoren, Daten und Informationstechnologie erschliessen neue Möglichkeiten, um die Energieeffizienz von Gebäuden zu steigern. Swisscom hilft Geschäftskunden bei der Auswahl datengetriebener Tools und deren Integration in die bestehende IT-Umgebung. Das Ziel: eine saubere Klimabilanz im Unternehmen und intelligente Lösungen auf dem Weg zu Netto-Null. FLAVIAN CAJACOB

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Geht es darum, die CO2-Emissionen zu senken, kommt in der öffentlichen Wahrnehmung dem Faktor Mobilität wohl die grösste Bedeutung zu. Das ist nachvollziehbar, doch auf dem Weg zu NettoNull 2050 gilt es, weitere und nicht minder wichtige Hebel zu betätigen. Zum Beispiel im Gebäudesektor. Dieser zeichnet in der Schweiz für ein Drittel der CO2-Emissionen und für 40 Prozent des Energieverbrauchs verantwortlich. Gut eine Million der Häuser hierzulande sind zudem nicht oder kaum gedämmt, ergo dringend sanierungsbedürftig. Darüber hinaus werden zwei Drittel der Gebäude nach wie vor fossil oder konventionell elektrisch beheizt. Handlungsbedarf ist also gegeben.

Einfache Massnahmen zu mehr Energieeffizienz Datenbasiert in Richtung NettoNull – der technologische Ansatz ermöglicht und unterstützt konkrete Massnahmen, die im Alltag umgesetzt werden können. Gebäude bieten eine Vielzahl an «Stellschrauben», mit denen sich Stromverbrauch und Energieaufwand reduzieren lassen. Das ­beginnt im Badezimmer und ­ reicht bis in die Tiefgarage. Hier Beispiele:

Klimabilanz ab 2024 Pflicht Das gilt ganz besonders für Unternehmen. Denn schon ab Anfang 2024 ist der datenbasierte Nachweis des CO2-Fussabdrucks für Firmen ab 500 und mehr Mitarbeitende schweizweit gesetzlich Pflicht, Emissionen der Zulieferer inklusive. Der Klimabilanz kommt also eine zentrale Rolle zu. «Das Thema hat in den letzten zwei Jahren deutlich an Fahrt aufgenommen», sagt Res Witschi, Delegierter für nachhaltige Digitalisierung bei Swisscom. Erhebungen würden zeigen, dass immer mehr Unternehmen ihren CO2-Fussabdruck datenbasiert messen und konkrete Klimaziele verfolgen. Waren es im letzten Jahr gemäss Swiss-IT-Studie 13 Prozent der befragten Firmen, die bei der Errechnung des ökologischen Footprints auf Berechnungsmodelle setzten, so ist es aktuell bereits gut ein Drittel. Tendenz steigend. Swisscom selbst gilt dank jahrzehntelangem Engagement für die Umwelt als nachhaltigstes Telekommunikationsunternehmen der Welt. Bis 2025 will der Konzern Klimaneutralität über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg erlangen und gemeinsam mit Kundinnen und Kunden eine Million Tonnen CO2 jährlich einsparen. Zum einen gelte es, die eigenen Hausaufgaben zu machen, zum anderen wolle man als führender Technologietreiber Services und Produkte entwickeln und anbieten, die es sowohl grossen Konzernen als auch KMU ermöglichen, nachhaltiger zu wirtschaften, führt Res Witschi aus. Das Stichwort auch hier: Klimabilanz.

Dämmung von Dach, Aussenwänden, Kellerdecke Moderne Heizungsanlage Hochwertige Fenster Photovoltaikanlage Elektromobilitäts-Infrastruktur Intelligente Steuerungen Ganzheitliche Planung Mit intelligenten Lösungen lässt sich der Energiebedarf von Gebäuden deutlich senken.

Unsichtbares sichtbar machen Eine Schlüsselrolle kommt dahingehend den Daten bei. Insbesondere hinsichtlich der Gebäudeinfrastruktur, wenn es um Effizienz, Nutzung und Automation geht. «Daten schaffen Transparenz, sie machen mitunter sichtbar, was lange Zeit vielleicht nicht hat eruiert werden können», so Witschi. «Daten liefern dem Unternehmen die Grundlage für intelligente Lösungen.» Es gibt eine ganze Reihe von Möglichkeiten, die Emissionen im Gebäudesektor zu reduzieren. Dazu gehören die Verbesserung der Energieeffizienz

Res Witschi Delegierter für nachhaltige Digitalisierung bei Swisscom

Allein beim Stromverbrauch sind im Schweizer Gebäudepark Einsparungen von 25 bis 40 Prozent möglich.

genauso wie die Nutzung kohlenstoffarmer Energiequellen und die Förderung umweltfreundlicher Baupraktiken. In der Ökobilanz am stärksten ins Gewicht fallen, wenig überraschend, Neubauten: Diese verursachen bereits im Zuge ihrer Erstellung und Einrichtung gut die Hälfte der CO2-Emissionen, die für den gesamten Lebenszyklus von 50 Jahren emittiert werden. Häufig erweist sich eine Altbausanierung als nachhaltiger als ein Neubau. Mit den richtigen Instrumenten kann ein Unternehmen aber auch bei bestehenden Bauten die Energieeffizienz steigern und den ökologischen Fussabdruck verkleinern. Allein beim Stromverbrauch sind im Schweizer Gebäudepark dank technischer Massnahmen Einsparungen von 25 bis 40 Prozent möglich. Das zeigt der Blick in eine entsprechende Analyse des Bundesamtes für Energie (BFE) aus dem Jahr 2022. Da datengetriebene Analysen auf Fakten basieren und sich nicht auf Schätzungen und Umfragen abstützen, sind sie in der Praxis verständlicherweise viel präziser als Excel-Tabellen. Und sie bieten verlässliche Grundlagen für messbare Zielsetzungen und Massnahmen.

Positive Wechselwirkung Swisscom selbst engagiert sich aktiv in der Erschliessung neuer technologischer Wege, die unter anderem ein umweltfreundlicheres Bauen ermöglichen. Mit dem «IoT Climate Award» werden beispielsweise jedes Jahr digitale Klimainnovationen ausgezeichnet. In den letzten Jahren sind zudem verschiedene Partnerschaften mit Startups und innovativen Firmen aus dem Bereich Informationstechnologie und Gebäudeinfrastruktur entstanden. Die Zusammenarbeit beruht stets auf gegenseitigem Know-howTransfer. Im Zuge der Kooperation nutzt Swisscom die Kompetenzen der Partner und kann so die Energieeffizienz eigener Gebäude steuern. Andererseits profitieren diese von den ultramodernen Kommunikations- und Informationstechnologien von Swisscom. Solche Kooperatio-

Fotos: Swisscom

nen wurden etwa mit dem Empa-Spinoff Viboo in Dübendorf ZH und der Fribourger Ecco2 Solutions AG eingegangen. Beide Unternehmen entwickeln digitale Tools, mit denen der Heizbedarf von und in Gebäuden optimiert wird. Die Angebote, welche auf künstlicher Intelligenz und dem Internet der Dinge (Internet of Things, kurz IoT) aufbauen, sollen beim Energieverbrauch Einsparungen von 20 bis 30 Prozent ermöglichen. Die IoT-Lösung Ecco2 Building Intelligence beispielsweise wird heute bereits in mehr als 700 Gebäuden eingesetzt. Sie misst neben der Aussentemperatur auch in Innenräumen im 15-Minuten-Takt Temperatur, Feuchtigkeit und CO2-Konzentration sowie den Energieverbrauch in Echtzeit. «Ohne Messung im Innenraum gleicht die Heizungssteuerung schlichtweg einem Blindflug», erklärt Antoine Eddé, Verwaltungsratspräsident und Product Strategist bei Ecco2 Solutions, den Lösungsansatz. «Unser System antizipiert die Innen- und Aussentemperaturen der Gebäude, sodass die Heizung bei einem plötzlichen Temperaturanstieg, zum Beispiel durch direkte Sonneneinstrahlung, vorgängig gedrosselt wird.» Erfasst werden die Daten mittels sogenannter Long-Range-Sensoren (LoRa), die an strategisch geeigneten Standorten im Gebäude verteilt angebracht sind. Der Algorithmus analysiert und optimiert den aktuellen Heizbedarf. «Die künstliche Intelligenz berücksichtigt das Klima von heute und verbessert so das Klima von morgen», bemerkt Antoine Eddé. Die Viboo AG wiederum erstellt zu jedem Raum einen digitalen Zwilling. Dank «vorausschauenden» Algorithmen werden die dort verbauten Thermostate in der Realität so gesteuert, dass Komfort und Energieefizienz in jedem einzelnen Raum optimal justiert sind, ebenso die Bodenheizung. Viboo konzentriert sich dabei auf die Algorithmen und die Programmierung der Software, die Thermostate stammen von marktführenden Herstellern.

Gebäudelabels berücksichtigen

Daten und Know-how teilen Res Witschi, der Delegierte für nachhaltige Digitalisierung bei Swisscom, unterstreicht den Nutzen von Innovationen wie Viboo und Ecco2 Building Intelligence gerade für Unternehmen. Zum einen könnten die datengetriebenen Analysetools als Alternative zu einer Sanierung betrachtet werden, zum anderen eine solche aber auch optimal ergänzen. Letztendlich geht es darum, neue Wege gehen zu wollen und die Daten nicht als alleinstehende Werte zu sehen, sondern als Teil eines Ganzen. «Das wahre Potenzial von Daten und Vernetzung liegt ganz klar in Ökosystemen, in denen die Daten und das Know-how verschiedener Partner zusammenkommen», betont Witschi. Vor diesem Hintergrund ist Swisscom aktuell denn auch daran, ein Angebot für datengetriebene Nachhaltigkeitslösungen für Geschäftskunden aufzubauen.

Maturitäts-Checker: Auf dem Weg zur Klimabilanz Firmen bekunden mitunter Mühe beim Erstellen einer Klimabilanz und dem Ableiten konkreter Reduktionsmassnahmen. Um herauszufinden, wo hier der eigene Betrieb steht, hat Swisscom einen Maturitäts-Checker entwickelt, der mit wenigen Klicks eine grundsätzliche Standortbestimmung zulässt und mögliche nächste Schritte aufzeigt. Weitere Informationen per QR-Code:


16 Special

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Samstag, 25. November 2023

Eine Reise in die nachhaltige Zukunft Klima & Energie

Der Klimawandel ist längst Realität, geprägt von Hitzetagen und extremen Wettersituationen. Angesichts dieser Herausforderung kommt der Energiewende eine entscheidende Rolle zu. Doch wie hängt das mit dem Verkehrshaus der Schweiz zusammen? Tatsächlich ist der Verkehrssektor in der Schweiz für etwa ein Drittel der gesamten CO2Emissionen verantwortlich.

Als Haus der Mobilität hat sich das Verkehrshaus der Schweiz in Luzern seit jeher der Darstellung von Verkehrsmitteln aus der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft verschrieben. Dazu gehört auch die Aufklärung über die verschiedenen Antriebsformen dieser Verkehrsmittel. Angesichts der steigenden Bedeutung unterschiedlicher Antriebsformen und deren Einfluss auf den Klimawandel gewinnen Energiethemen im Verkehrshaus immer mehr an Relevanz. Dies führte zwangsläufig zur Erkenntnis, dass die Thematik Energie nicht allein bei der Präsentation ver-

schiedener Verkehrsmittel enden darf. Energie und Nachhaltigkeit sind miteinander verknüpft und formen die Zukunft der Menschheit in entscheidender Weise. Das Verkehrshaus hat sich daher zum Ziel gesetzt, Besucherinnen und Besucher durch fesselnde Attraktionen auf den Klimawandel und seine Herausforderungen vorzubereiten und zu sensibilisieren. Ein Schritt in diese Richtung ist die Schaffung eines neuen Ausstellungsgebäudes, das sich umfassend dem Thema Energie widmet. Dieses Gebäude, das «House of Energy», wurde im April 2023 eröffnet und beherbergt

Digitaler Globus: Einblicke in den Klimawandel In der neuen Ausstellung «Experience Energy!» erwartet die Besucherinnen und die Besucher des Verkehrshauses ein gewaltiger LED-Globus mit einem Durchmesser von vier Metern. Dieser bietet einen Einblick in die Grundlagen des Klimawandels. Es werden imposante Bilder gezeigt, die die Expansion der Menschheit verdeutlichen. Diese eindrucksvollen Tag- und Nachtaufnahmen der Erde werden durch das weitläufige Satellitennetzwerk der amerikanischen Weltraumbehörde Nasa unterstützt und auf den Globus projiziert. Dabei werden Städte, grossflächige Strassennetze sowie zahlreiche Schifffahrts- und Flugrouten sichtbar. Die-

ses gigantische Logistiknetzwerk ermöglicht die Befriedigung unserer täglichen Bedürfnisse. Allerdings hat diese exzessive Nutzung von fossilen Brennstoffen wie Erdöl oder Gas ihren Preis. Die Atmosphäre wird durch Stickoxidund Kohlendioxidverdichtungen beeinflusst. Diese verstärken den natürlichen Treibhauseffekt und führen somit zur Erwärmung des Klimas. Glücklicherweise birgt das Potenzial erneuerbarer Energiequellen wie Windoder Wasserkraft immense Möglichkeiten. Es ist an der Zeit, dieses Potenzial besser zu nutzen, um sich von der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verabschieden.

Fesselnde Attraktionen sollen die Besucherinnen und Besucher für den Klimawandel und seine Herausforderungen sensibilisieren.

Ein imposanter digitaler Globus verdeutlicht den Zusammenhang zwischen der Nutzung fossiler BrennFOTOS: VERKEHRSHAUS stoffe und dem Klimawandel.

Die Technologie der «Augmented Reality» erlaubt einen Blick in die Energiezukunft 2050.

Durch die Zugabe von Sonnen­- und Wind­energie, Wasserkraft und Wärme beginnt die Stadt Luzern zu leben.

Ein Publikumsmagnet: das Verkehrshaus in Luzern.

die Dauerausstellung «Experience Energy!». Durch die Unterstützung von zahlreichen Partnern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik konnte das nötige Know-how mit der VerkehrshausDNA gekreuzt werden. Das Resultat sind spielerische Interaktionen und spannende Erlebnisse, um die Besucherinnen und Besucher des Verkehrshauses für die Machbarkeit der Energiewende zu begeistern. «Wir besitzen die nötigen Technologien und das Knowhow. Es liegt nun an uns allen, die nötigen Prozesse zu unterstützen und voranzutreiben», betont Bertrand Piccard, Botschafter der «Experience Energy!»

Workshops für Schulklassen Besonders Kinder und Jugendliche sind eine wichtige Zielgruppe in Bezug auf das Thema Energie und Nachhaltigkeit. Ab dem Jahr 2024 werden spezielle Workshops für Schulklassen angeboten. Schülerinnen und Schüler erhalten hier die Gelegenheit, ihr eigenes solarbetriebenes «House of Energy» als Modell zu bauen. Darüber hinaus wird der beliebte Verkehrshaus-Berufsparcours durch die Energiehalle führen, um verschiedene Berufe in der Energiebranche vorzustellen und junge Menschen für diese zu begeistern. Die Ausstellung «Experience Energy!» sowie die geplanten Workshops und zukünftigen Veranstaltungen haben das klare Ziel, den Dialog zwischen Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft zu fördern und zu vertiefen. Die Vision ist, einen Beitrag zur Förderung einer erneuerbaren Energiezukunft und nachhaltigen Mobilität zu leisten.

Für die jungen Besucherinnen und Besucher gibt es viel zu entdecken und auszuprobieren.


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Samstag, 25. November 2023

Special

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Greenwashing: Stillschweigen oder Transparenz? Governance Greenwashing oder «Grünfärberei» ist ein Begriff, der aus der ESG-Literatur kaum mehr wegzudenken ist und keiner einheitlichen Definition unterliegt. Im Wesentlichen umfasst er Aussagen oder Praktiken eines Unternehmens, die den Anschein eines umweltfreundlicheren Geschäftsverhaltens erwecken, als es tatsächlich der Fall ist. Von Jean-Luc Chenaux, Isabelle Romy, Henry Peter

Wirtschaftsakteure, Regulierungsbehörden und die Politik haben auf die Risiken des Greenwashings reagiert. Insbesondere die Schweizerische Bankiervereinigung und die Finma haben Empfehlungen zur Verbesserung der ESG-Transparenz von Produkten und Dienstleistungen herausgegeben. Bis Ende August 2024 wird vom Eidgenössischen Finanzdepartement ein Vorschlag für einen Plan und für Massnahmen zur Vermeidung von Greenwashing erwartet, sofern der Finanzsektor bis dahin keine Selbstregulierung vorlegt, die die im Dezember 2022 formulierte Position des Bundesrats wirksam umsetzt. Die Risiken im Zusammenhang mit Greenwashing gehen jedoch weit über den Finanzsektor hinaus und betreffen alle Bereiche der Geschäftstätigkeit. So soll die vorgeschlagene EU-Richtlinie über die Begründung ausdrücklicher Umweltaussagen und die diesbezügliche Kommunikation («Green Claims Directive») sicherstellen, dass die Verbraucher verlässliche, vergleich- und überprüfbare Informationen zur Nachhaltigkeit der Produkte erhalten. In der Schweiz wird dies bis zu einem gewissen Grad durch das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb abgedeckt. Im Juni empfahl die Schweizerische Lauterkeitskommission der Fifa, auf die Behauptung der Klimaneutralität der Fussball-WM 2022 in Katar zu verzichten, sofern sie ihre Behauptung nicht belegen kann. Auch wenn die Kommission über keine Sanktionsbefugnis ver-

fügt, darf die Wirkung des «Name and Shame» nicht unterschätzt werden. Anfang September stellte die Klima-Allianz Schweiz beim Seco ein Gesuch, das Verhalten der Fifa öffentlich zu verurteilen oder sogar eine Strafanzeige einzurei chen. Das Seco wies das Gesuch ab, da die Fifa auf die umstrittene Behauptung der Klimaneutralität verzichtet habe.

Die Erhebung der Daten sollte einer strengen Due Diligence unterzogen werden.

Im Ausland führt das Phänomen Greenwashing inzwischen zu einer steigenden Anzahl von Gerichtsverfahren gegen Unternehmen wegen vermeintlich irreführender öffentlicher Informationen zu Klimarisiken und den Auswirkungen des Klimawandels oder gegen Werbekampagnen von Ölkonzernen wegen ihrer angeblichen Netto-Null-Emissionen. In Bezug auf die Umweltauswirkungen von Unternehmen wurden neue

Transparenzpflichten eingeführt. So sind grosse Unternehmen in der Schweiz und der EU verpflichtet, einen Bericht über nichtfinanzielle, insbesondere umweltbezogene Belange zu veröffentlichen, wie zum Beispiel ihre CO2-Ziele. Neue Standards und Indikatoren, die vom International Sustainability Standards Board (ISSB) und der Europäischen Kommission verabschiedet wurden, ermöglichen zudem eine Standardisierung der nichtfinanziellen Berichterstattung der verpflichteten Unternehmen und eine Verbesserung der Qualität der von ihnen bereitgestellten Informationen. Im Gegensatz zu anderen Ländern kennt das Schweizer Recht den Status «Nachhaltiges Unternehmen» nicht. In diesem Sinne hat B Lab Schweiz ein neues rechtliches Rahmenwerk vorgeschlagen, das allen Unternehmen offenstehen würde, die sich verpflichten, sich an messbare Nachhaltigkeitsziele zu halten, die einer unabhängigen Kontrolle unterliegen würden. Der Bundesrat hat sich noch nicht konkret dazu geäussert, erklärte aber im August 2023, dass er diesen Ansatz interessant fände. Am 28. September 2023 wurde eine parlamentarische Initiative eingereicht, um einen fakultativen Rechtsstatus «Nachhaltiges Unternehmen» für Schweizer KMU einzuführen. In diesem Zusammenhang sollten sich Unternehmen zur Vermeidung von Greenwashing-Vorwürfen nicht in Schweigen hüllen («Green Hushing»).

Greenwashing führt im Ausland zu immer mehr Gerichtsverfahren. ADOBESTOCK Die Transparenz erfüllt die Erwartungen der Gesetzgeber, der Konsumenten und der Finanzwirtschaft. Um sich vor Risiken des Greenwashings zu schützen, sollten Unternehmen bei der nichtfinanziellen Berichterstattung gute fachliche Vorgehensweisen als Ansatz nehmen. Die Erhebung von Daten im Unternehmen und bei Zulieferern sollte einer strengen Due Diligence unterzogen werden und auf sorgfältig festgelegten Prozessen beruhen. Der Bericht selbst sollte einer klaren und bescheidenen Sprache

folgen, Aussagen müssen überprüfbar und belegt sein. Ein Audit kann das Risiko begrenzen, es jedoch nicht ganz ausschliessen. Schliesslich sind Good Practices in diesem wie in anderen Bereichen entwicklungsfähig, und ihre Umsetzung beruht vor allem auf einer echten Unternehmenskultur. Die Autor:innen Prof. Dr. Jean-Luc Chenaux, Prof. Dr. Isabelle Romy, Prof. Dr. Henry Peter sind Partner und Co-Heads des Sustainability & ESG Desk der Kanzlei Kellerhals Carrard.

Einfacher, billiger, bequemer Meinung Wir sollten es den Menschen so leicht und attraktiv wie möglich machen, sich umweltfreundlich zu verhalten,

rät WWF-Experte Ion Karagounis. Dazu müssten die Rahmenbedingungen angepasst werden. Es geht um finanzielle Anreize und klare Regeln, verbesserte Infrastrukturen und kundenfreundliche Services. Von Ion Karagounis Kürzlich durfte ich an einem Projekt zur Neueröffnung eines Gastronomiebetriebs mitwirken. Alles ging prima vorwärts bis zu dem Moment, als es um Umweltfragen ging. «Können Sie mir sagen, welcher Kühlschrank am wenigsten Energie braucht?» «Das weiss ich nicht. Das interessiert niemanden in der Gastronomie.» «Wie ist das mit dem Ausschalten der Kaffeemaschine über Nacht?» «Was, ausschalten? Diese Maschine lassen Sie am besten immer laufen.» Ich ärgerte mich über diese Aussagen, gleichzeitig hatte ich Verständnis dafür. Der Zeitdruck auf alle an der Planung und am Bau Beteiligten war hoch, und niemand konnte sich Zusatzaufwände leisten.

die günstigsten Flüge. Beim Bahnfahren kann es zum Albtraum werden, grenzüberschreitende Tickets zu kaufen. Fahrten über die Landesgrenzen hinaus werden erst dann zum Renner, wenn das v ­ erbessert wird. Immerhin: ­Zurzeit entstehen erste Angebote in diese R ­ ichtung (siehe etwa die Website ­thetrainline.com).

Freiheiten nicht eingeschränkt

Infrastruktur: Wer will schon Velo fahren in einer Stadt, in der es keine Velowege gibt? Es müssen also mehr Velowege her.

Diese Ansätze können nur durch kollektive Massnahmen verwirklicht werden. In vielen Fällen ist die Politik gefragt (finanzielle Anreize, Gebote, ­ Infrastrukturen), in anderen liegt es ­ an den Unternehmen, aktiv zu werden (Bahntickets). Eine kürzlich veröffentlichte Studie der Universität Lausanne zum Thema «Écogestes» unterstützt die These, wonach das Individuum aus eigenen Stücken nur einen kleinen Teil zur notwendigen Reduktion von Umweltbelastungen beitragen kann. Für den grossen Rest braucht es Anreize aus der Politik. Doch immer, wenn es um neue staatliche Interventionen geht, wird beklagt, dass persönliche Freiheiten eingeschränkt werden. Bei den vorgestellten Beispielen ist das schlicht falsch: Niemandem wird verboten, einen Kühlschrank zu kaufen. Niemandem wird verboten, von Zürich nach London zu reisen. Doch mit angepassten Rahmenbedingungen wird es den Menschen leichter gemacht, die umweltfreundliche Variante zu wählen. Weil sie billiger ist. Weil sie einfacher erhältlich ist. Weil es automatisch geschieht und keinen Zusatzaufwand erfordert.

«Zürich Kundenfreundlichkeit: London Flug». Drei Stichworte in die Suchmaske eingeben, und schon erhält man reihenweise Angebote für

Der Autor Ion Karagounis ist beim WWF Schweiz verantwortlich für neue Wirtschaftsmodelle und Zukunftsfragen. Kürzlich ist sein Roman «Was wir hinterlassen» erschienen.

Die Realität hinkt hinterher Trotzdem: Wie kann es sein, dass wir seit Jahren über Energiesparmassnahmen sprechen und so wenig im Alltag angekommen ist? Die Diskussion über eine mögliche Energieknappheit im letzten Herbst und die steigenden Preise für Strom scheinen ebenfalls keine Wirkung hinterlassen zu haben. Ich kann mich irren, aber die Gastrobranche dürfte nicht die einzige sein, bei der die Realität hinter den Wunschvorstellungen herhinkt. Was tun also? Die Beteiligten besser aufklären. Die Berufsleute besser schulen. Mit guten Beispielen zeigen, dass es auch anders geht. Nichts davon ist falsch. Aber es wird nicht reichen. Man muss es den Menschen einfach machen, sich umweltfreundlich zu verhalten. Viel einfacher als heute. Solange man eine Extrameile gehen oder mehr bezahlen muss, um zur umweltfreundlichen Lösung zu kommen, wird immer nur ein kleiner Teil der Bevölkerung dies freiwillig tun.

Kühl- und Gefriergeräte können wahre Stromfresser sein.

Natürlich, Corona hat gezeigt, dass wir Menschen zu ausserordentlichen Leistungen und zu Entbehrungen fähig und bereit sind. Corona hat aber auch gezeigt, dass dies kaum über einen längeren Zeitraum freiwillig geschieht, sondern nur, wenn es klare Regeln gibt, die für alle gelten. Was tun? Die Anreize müssen anders gesetzt werden. Das können finanzielle Anreize sein, verbindliche Richtlinien, verbesserte Infrastrukturen oder eine erhöhte Kundenfreundlichkeit. Hier einige Beispiele: Finanzielle Anreize: Eine Steuer auf den Energieverbrauch führt dazu, dass energiesparende Geräte preislich attrak-

SHUTTERSTOCK

tiv werden gegenüber solchen, die viel Energie verbrauchen. Gebote: Richtlinien bewirken, dass nur noch besonders energieeffiziente Geräte in den Handel gelangen können und man sich die Frage nach dem Energieverbrauch nicht mehr stellen muss.

Die Diskussion über eine mögliche Energieknappheit und die steigenden Preise für Strom scheinen keine Wirkung hinterlassen zu haben.


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Samstag, 25. November 2023

«Die Leute haben Hunger!» Gesellschaft Systemabstürze kann sich auch eine soziale Organisation nicht leisten. Also hat der Softwarekonzern SAP den Zürcher Verein «Essen für Alle» mit Software ausgestattet. Wie es dazu kam, liest sich beinahe märchenhaft. ihre Skalierbarkeit – sie lässt sich leicht auf ­weitere Standorte erweitern, woran ­aktuell gearbeitet wird. Help the world run ­better! Umgekehrt, sagt Keywan, helfe der Freiwilligendienst an der Essensausgabe, den Blick auf Bedürftigkeit zu relativieren. Seit dem Ukraine-Krieg habe sich auch das Bild von Menschen auf der Flucht verändert: «Ich lerne jede Woche viel dazu. Es kommen Leute aus allen Gesellschaftsschichten. Teilweise gut ausgebildet oder gar studierte Personen, die gut gekleidet sind. Nicht alle entsprechen der Vorstellung in unseren Köpfen, dass es mittellose Menschen sind, die über das Mittelmeer geflüchtet sind.»

JO BERLIEN

Stellen Sie sich vor, Sie sind ein wenig im Stress, weil sie ehrenamtlich gerade Hunderte von hungrigen Menschen mit Nahrungsmitteln versorgen müssen. Da spricht dich jemand an und sagt: «Hey, ich bin von SAP – ich kann dir helfen, deine Software in Ordnung zu bringen!» Das ist tatsächlich so passiert. Der so Angesprochene heisst Amine Diare Conde, 25, und Amine wiegelte zunächst ab. «Jeden Tag kommt jemand vorbei, klopft dir auf die Schulter und hat eine Idee, was ich besser machen kann. Aber es gibt wenige, die dir helfen würden, das auch umzusetzen. Diese Leute müssten erst einmal bei uns mitarbeiten.» Der Unterschied bei diesem Typ von SAP war: Er hat mitgearbeitet! Er hatte einen Eindruck davon, wie der Laden läuft. Sein Name: Keywan Nadjmabadi. Also willigte Amine ein. Er traf sich mit Keywan, 54, in einem Café. Die beiden Männer redeten lange, auch über drastische Kontraste: Die Schweiz ist eines der reichsten Länder der Welt, dennoch stehen in Zürich Bedürftige für Essen an. SAP setzt im Jahr weltweit 30 Milliarden Euro um – und jetzt interessiert sich dieses erfolgreiche Unternehmen für eine Essensausgabe in Zürich? Aber Keywan Nadjmabadi konnte loslegen. Amine gestand: Unsere Software läuft, aber oft läuft sie auch nicht. Programmiert hat sie ein 13-jähriges Supertalent. Und wenn das System ausfällt, müssen alle warten, bis der Support aus der Schule kommt. Da kann SAP bestimmt etwas optimieren. «Die Leute haben Hunger!» Das ist in etwa die Version, die Amine Diare Conde, Gründer des Vereins «Essen für Alle», uns erzählt hat. Keywan Nadjmabadi leitet die IT-Strategieberatung bei SAP Schweiz und Osteuropa; hier erinnert er sich, wie er sich 2021 privat bei «Essen für Alle» engagierte: «Ich habe dort regelmässig samstags als Logistiker und an der Essensausgabe mitgearbeitet – immer freiwillig und mit viel Freude.» Bei SAP, sagt er, sei man angehalten, sich sozial zu engagieren, Gutes zu tun, auf Nachhaltigkeit zu achten und die Welt technisch voranzubringen. Oder in einem griffigen Slogan ausgedrückt: Help the world run better.

Aus Guinea geflüchtet

Seit Einführung der neuen SAP-Software wurden 5500 registrierte Bedürftige mit 62 000 Essensportionen versorgt.

FOTOS: EFA / SAP

«Samstags habe ich regelmässig als Logistiker und an der Essensausgabe mitgearbeitet – immer mit viel Freude.»

900 Tonnen Lebensmittel Tatsächlich hatte der Zürcher Verein technische Unterstützung dringend nötig. «Essen für Alle» verfügt heute über eine Kartei von bis zu 1000 Freiwilligen. Pro Einsatz sind für einen reibungslosen Ablauf bis zu 250 Helfende erforderlich, um an Samstagen rund 1400 Menschen und ihre Familien zu versorgen. Die Organisation bewahrt wöchentlich mehr als 18 Tonnen Lebensmittel vor dem Wegwerfen. Die bislang rund 5500 registrierten Bedürftigen wurden seit Einführung der neuen Software mit rund 62 000 Portionen Essen versorgt, das macht umgerechnet 900 Tonnen Lebensmittel – Kennzahlen, wie sie für ein mittelständisches Unternehmen stehen könnten, das die Einwohner einer Kleinstadt versorgt. Sowohl Namen und Daten der freiwilligen Helfer und die der Bezüger müssen separat erfasst und so verwaltet werden, dass die Schichteinteilung der Helfer organisiert und die Anzahl der jeweils ausgegebenen Essen verlässlich registriert werden kann. Das System war anfällig für Fehler und Missbrauch – die Mehrfachregistrierung einzelner Personen und der Verlust der auf Papier gedruckten Bezugskarten kam häufig vor. «Also haben wir eine auf diese speziellen Aufgaben hin massgeschneiderte Software auf der SAP-Entwicklungsplattform programmiert», sagt Keywan Nadjmabadi. «Im September 2022 sind wir damit live gegangen.» Seither sorgt das System dafür, dass die Bedürftigen nicht mehr so lange anstehen müssen. Es kann sein, dass pro Samstag 120 neue Bezüger registriert werden. Die OCR-Software scannt die

Übers Mittelmeer gekommen ist vor neun Jahren auch Amine Diare Conde. Seine Geschichte wurde mittlerweile oft erzählt: Wie er aus dem westafrikanischen Guinea flüchtete und über Spanien und Frankreich in die Schweiz kam, wohin er gar nicht wollte. Amine weiss, was Hunger ist. «Ich bin selbst einer von denen, die mit 8.50 Franken am Tag auskommen mussten: In einem Café kostet ein Kaffee und Gipfeli um die acht Franken. Ich musste von 8.50 Franken Frühstück, Mittag- und Abendessen, Fahrkarten und Handy bezahlen. Ohne die Hilfe von Kirchen oder anderen Institutionen hast du keine Chance, zu überleben.»

SAP setzt im Jahr 30 Milliarden Euro um – und jetzt interessiert sich dieses Unternehmen für eine Essensausgabe in Zürich?

Pässe fix. Doppelregistrierungen werden vermieden. Anstelle der Papierkarten gibt es nun für eine einmalige Gebühr von fünf Franken eine Plastikkarte mit QR-Code. Vermerkt ist etwa auch eine körperliche Beeinträchtigung – wer nicht lange anstehen kann, erhält Hilfe. Tatsächlich hilft die Technik, die Essensausgabe im laufenden Betrieb besser zu planen. Weil jedes ausgegebene Essen

erfasst wird und die Anzahl mit der noch vorhandenen Menge an Essen abgeglichen werden kann, entscheidet das Personal: Geben wir vier oder sechs Orangen pro Person ab? «Erhöht hat sich die Ausfallsicherheit des Systems», sagt Keywan, «und definitiv verbessert haben wir die Datensicherheit, weil die erhobenen persönlichen Daten nun in der von SAP betriebenen Cloud gesichert sind.»

Der «Essen für Alle»-Gründer ­ mine Diare Conde, anfangs noch skepA tisch, sagt: «Es ist effizient, es funktioniert. Wir haben wenig Ausfall, wenig Probleme.» Nach einem Jahr zieht er hochzufrieden Bilanz. «Essen für Alle» ist neben Zürich bereits in den Kantonen Graubünden und Schwyz aktiv, und in Kürze sollen weitere Kantone folgen. Ein grosser Vorteil der SAP-Software ist

Keywan Nadjmabadi leitet die IT-Strategieberatung bei SAP Schweiz und Osteuropa.

Amine Diare Conde ist Initiator und Präsident des Vereins «Essen für Alle».

Soziale Verantwortung Nachhaltigkeit – das ist mehr als Energiewende und Klimaschutz. Neben Ökonomie und Ökologie umfasst sie auch eine soziale Dimension. Denn nur wer den Fortbestand und eine Verbesserung des gesellschaftlichen Miteinanders nicht aus den Augen verliert, handelt wirklich nachhaltig. Das gilt auch für Unternehmen. Zu sozialer Nachhaltigkeit gehören Chancengleichheit und Teilhabe, die Einhaltung von Arbeits- und Menschenrechten, ein (fairer) Zugang zu Bildung, Medizin und Trinkwasser sowie ein würdevolles Leben ohne Armut und Hunger.

Amine ist eine Unternehmernatur. Aber wie in jedem halbwegs guten Drehbuch geht es auch bei ihm nicht ohne Drama: Negativer Asylbescheid, Absturz, Amine dealt, wird erwischt. Im März 2020, zu Beginn der Corona-Pandemie, als auch viele Verteilstellen der Schweizer Tafeln schliessen müssen, legt Amine los: «Im Lockdown gab es plötzlich keine menschlichen Kontakte mehr. Ich habe Leute angesprochen: Hey, kommt, wir müssen etwas machen! Also habe ich gemacht, gemacht, gemacht.» In Zürich verteilt er wöchentlich 2000 Essenstaschen und sammelt mehr als eine Viertelmillion Franken Spendengelder. Heute ist Amine der prominenteste Asylbewerber der Schweiz. Er war für den Prix Courage 2020 nominiert, wurde von der früheren Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga zur 1.-AugustFeier auf dem Rütli eingeladen. Amine hat sich seinen derzeitigen Status als anerkannter Härtefall hart erkämpft. Auf der Website seines Vereins firmiert er als Initiator und Präsident. Sein Freund Keywan von SAP verantwortet zusammen mit Matthias, dem zwischenzeitlich 16-jährigen Jung-Programmierer, die IT bei «Essen für Alle». Amine, der als 16-Jähriger flüchtete und monatelang Hunger litt, und Keywan, der sich freiwillig die neongrüne «Essen für Alle»-Weste übergestreift hat und sich samstags in der Zürcher Bahnhofstrasse gegen einen Bummel durchs Luxussegment entschied, sind zwei recht unterschiedliche Brüder im Geiste. Geeinigt haben sie sich auf eine gemeinsame Lösung: «Unser Ziel: Niemand soll in der Schweiz an Hunger leiden!»


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Samstag, 25. November 2023

Special

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Daten als wichtigstes Werkzeug gegen den Klimawandel Wirtschaft Das Potenzial von künstlicher Intelligenz im Kampf gegen den Klimawandel ist enorm – sie kann Emissionen messen, reduzieren und sogar aus der Atmosphäre entfernen.

Eine Studie der Boston Consulting Group liefert interessante Erkenntnisse zum Einsatz künstlicher Intelligenz.

FLAVIAN CAJACOB

Es war einmal… der Tschadsee. Mehr als 25 000 Quadratkilometer umfasste das Gewässer im Herzen Afrikas in den 1970er-Jahren – eine Fläche, so gross wie die Kantone Graubünden, Bern, Wallis, Waadt und Tessin zusammen. Heute ist der Tschadsee auf gerade mal 2500 Quadratkilometer geschrumpft. Die Auswirkungen des Klimawandels werden immer deutlicher – von jahrelangen Dürren bis hin zu zerstörerischen Stürmen. Künstliche Intelligenz (KI oder engl. AI) kann ein sehr wirksames Werkzeug im Kampf gegen die grösste globale Herausforderung der Neuzeit sein. Sie lässt sich dazu verwenden, Emissionen zu messen, die Auswirkungen von Treibhausgasen zu reduzieren und sogar vorhandene Emissionen aus der Atmosphäre zu entfernen.

Nützliches Instrument Immer mehr Entscheider in Unternehmen, Politik und Verwaltung erkennen die Möglichkeiten, wie eine aktuelle Umfrage der Boston Consulting Group (BCG), einer der führenden Unternehmensberatungen, ergeben hat. Danach sehen 87 Prozent der weltweiten Führungskräfte im öffentlichen und im privaten Sektor, die in ihrer Organisation für Klima- oder KI-Themen zuständig sind, künstliche Intelligenz inzwischen als nützliches Instrument gegen den Klimawandel. 43 Prozent wollen die Zukunftstechnologie konkret zur Erreichung ihrer Klimaziele einsetzen. Die Ergebnisse der Umfrage wurden in der Studie «How AI Can Be a Powerful Tool in the Fight Against Climate Change» veröffentlicht, die BCG gemeinsam mit der Initiative «AI for the Planet» initiiert hat. Letzere wurde von Startup Inside, der AI for Good Foundation, BCG und mehreren UN-Organisationen gegründet. Die Allianz fördert den Einsatz von künstlicher Intelligenz und Advanced Analytics zur Bewältigung der globalen Klimakrise.

Was ist künstliche Intelligenz? KI ist eigentlich keine Technologie, sondern ein Sammelbegriff für maschinelles Lernen. Eine Software erkennt Zusammenhänge auch in sehr grossen Datenmengen, zieht daraus logische Schlüsse und trifft präzise Zukunftsprognosen. Die Daten können dabei über ganz unterschiedliche Schnittstellen erfasst werden, beispielsweise auch über Sprach- oder Bilderkennung. «Die einzigartige Fähigkeit von KI, grosse und komplexe Datensätze zu Emissionen und Klimaauswirkungen zu sammeln, zu vervollständigen und zu interpretieren, liefert uns die notwendigen Informationen, um die Treibhausgasemissionen effektiv zu verringern», erklärt Jürgen Rogg, Managing Director & Senior Partner, Leader Technology & Digital in Central Europe, Bos-

ton Consulting Group. KI-Anwendungen können beispielsweise dazu beitragen, den CO2-Fussabdruck von Industrieunternehmen zu verringern. Hierfür ist es von entscheidender Bedeutung, dass man sich im Unternehmen über das Ausmass des Problems bewusst wird. Mit Hilfe von KI lassen sich die Emissionen jedes Produkts, jedes Produktionsschritts und für jeden Punkt der Lieferkette ermitteln. «Wenn Hersteller wissen, wo und in welcher Höhe Emissionen entstehen, können sie diese auch wirkungsvoll reduzieren oder sogar vermeiden», so Jürgen Rogg. Nach Berechnungen von BCG lassen sich die schädlichen Emissionen in der Industrieproduktion durch den Einsatz von KI um 5 bis 10 Prozent verringern. Global betrachtet, entspricht das 2,6 bis 5,3 Gigatonnen Kohlendioxid-Äquivalenten (CO2e). So hilft die CO2-AIPlattform von BCG Unternehmen, ihre Emissionen zu messen, zu simulieren, zu verfolgen und zu optimieren. Die Reduktion von Treibhausgasemissionen ist ein wichtiger Schritt, reicht aber nicht aus. Das Netto-NullZiel lässt sich nur erreichen, wenn es gelingt, zusätzlich CO2 aktiv aus der Luft zu entfernen. Nach Prognosen des Weltklimarates müssten bis Mitte 2050 neben allen anderen Massnahmen jedes Jahr bis zu zwölf Gigatonnen CO2 aus der Atmosphäre gefiltert werden, um die globale Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Wie kann das konkret funktionieren? Die Erde entzieht der Atmosphäre Kohlenstoff, indem sie ihn in Pflanzen – Wäldern, Algen und Feuchtgebieten – bindet. KI-basierte Lösungen werten Satellitenbilder aus und können auf dieser Basis die Kohlenstoffbindung in Ökosystemen sehr genau schätzen. Damit liefern sie Politik und Verwaltung wichtige Informationen, wie sich beispielsweise Abholzungen auswirken und ob ausreichend aufgeforstet wird. Pachama, ein Anbie-

ter von Umweltzertifikaten, setzt ebenfalls Satellitenbilder und KI ein, um den in Wäldern gespeicherten Kohlenstoff zu messen und zu überwachen. Auch am Tschadsee ist künstliche Intelligenz im Einsatz. Das Unesco World Water Quality Portal überwacht mit KI-Daten die Wasserqualität des Sees, von dessen Wasser 40 Millionen Menschen abhängen.

Rettende Frühwarnsysteme Genauso wichtig wie die Reduzierung klimaschädlicher Treibhausgase ist es, die Widerstandsfähigkeit zu verbessern: Gesellschaften auf der ganzen Welt müssen ihre Wirtschaftssysteme und ihre Art zu leben an die neue Umweltsituation anpassen. Die Starkregen- und Hochwasserkatastrophen in Libyen, Griechenland, Spanien und Italien werden mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Einmalphänomene bleiben. Darauf müssen sich die Menschen vorbereiten. KI-basierte Frühwarnsysteme können bei solchen Ereignissen Leben retten. Sie sind exakter und schneller als herkömmliche Methoden, weil sie Daten in Echtzeit verarbeiten und analysieren – etwa bei der Überprüfung von Satellitenbildern zur Erkennung von Waldbränden und zur Vorhersage ihrer Wahrscheinlichkeit. So hat die Unesco 2019 eine Partnerschaft mit lokalen Experten in Westafrika begonnen, um Frühwarnsysteme zu entwickeln, die elf Ländern bei der Bewältigung des Überschwemmungsrisikos im Niger- und Volta-Becken helfen sollen. Jedes Jahr müssen durchschnittlich etwa 20 Millionen Menschen ihre Wohnorte aufgrund extremer Wetterkatastrophen verlassen und in andere Gebiete ihres Landes umgesiedelt werden, so der UNHCR. Mit Hilfe von KI kann das vielleicht nicht verhindert werden, aber es kann planvoller und rechtzeitig geschehen. KI ermöglicht de-

BCG-Umfrage zu KI und Klimawandel Führungskräfte des öffentlichen und des privaten Sektors, die für Klima- und KI-Themen zuständig sind, unterstützen den Kampf gegen den Klimawandel.

der Befragten halten KI für ein hilfreiches Instrument im Kampf gegen den Klimawandel

Klimasünder identifizieren Benutzerfreundlichkeit ist ein entscheidender Faktor, wenn sich KI-Lösungen auf breiter Front durchsetzen sollen – unabhängig davon, ob sie für Unternehmen, Behörden oder die breite Öffentlichkeit entwickelt werden. Sie müssen leicht zugänglich sein, dem Nutzer greifbare Vorteile bieten und klare Informationen mit konkreten Hand-

Jürgen Rogg Managing Director & Senior Partner, Leader Technology & Digital in Central Europe, Boston Consulting Group lungsanleitungen zur Verfügung stellen. Ein Positivbeispiel ist das Online-Tool «Climate Trace», denn es erzeugt Bewusstsein für das Problem. Mit Hilfe künstlicher Intelligenz identifiziert es Klimasünder auf der ganzen Welt. In Echtzeit visualisiert das Tool die Quellen von Kohlenstoffdioxid, Methan und Lachgas. Der User kann – ähnlich wie bei Maps – einen beliebigen Standort weltweit anklicken und er erfährt, welches Unternehmen dort wie viele Kohlenstoff-Äquivalente emittiert. BCG-Experte Jürgen Rogg ist vom Nutzen der lernenden Algorithmen überzeugt: «KI kann eine entscheidende Rolle spielen, um die Herausforderungen des Klimawandels zu bewältigen. Dafür sind aber noch eine Reihe von Hindernissen zu überwinden: Wir müssen Kompetenzen und Vertrauen schaffen, Kapazitäten aufbauen und dafür sorgen, dass KI für Unternehmen und Organisationen zugänglich ist. Nur so können wir KI-Lösungen entwickeln und einsetzen, die wirklich effektiv sind.»

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Fünf wichtige KI-Anwendungen

Rund 40 % der Organisationen können sich vorstellen, KI für ihre eigenen Klimabemühungen zu nutzen 87%

taillierte Klimamodelle auf regionaler Ebene und beispielsweise die Vorhersage von Ernte- und Fischereierträgen. Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft haben so die Chance, bei negativen Entwicklungen frühzeitig gegenzusteuern, indem sie etwa in den Hochwasserschutz investieren oder eine wirtschaftliche Umstrukturierung einleiten. Wenn etwa der ansteigende Meeresspiegel die Küsteninfrastruktur eines Archipels bedroht, könnte die frühzeitige Entwicklung von Gebieten im Landesinneren Sinn ergeben. KI kann beim Kampf gegen den Klimawandel helfen, doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Lösungen müssen erst entwickelt werden, dafür sind nicht nur Geldmittel, sondern auch Fachwissen notwendig. In der BCG-Umfrage wurde deutlich, dass die Entscheider durchaus gewillt sind, KI zu nutzen. Es zeigen sich aber auch Hemmnisse: So bemängelten 78 Prozent der Befragten ein unzureichendes KI-Fachwissen innerhalb oder ausserhalb ihrer Organisation, 77 Prozent kritisierten, dass es für viele Pro-bleme noch keine erprobte KILösung gebe, und 67 Prozent gaben an, dass sie KI-Daten und -Analysen nicht trauten. Das Problem: Viele bestehende KI-Anwendungen, die im Zusammenhang mit dem Klimawandel genutzt werden, sind Insellösungen. Sie sind schwer zugänglich, und es fehlen die Mittel, um sie zu skalieren.

BCG

Diese Anwendungen von künstlicher Intelligenz helfen dabei, die Herausforderungen des Klimawandels zu bewältigen:

(Antworten in %, nach Branchen) Insgesamt 43% Industriegüter

53%

Öffentlicher Sektor

48%

Automobil

44%

Finance & Versicherungen

43%

Tech, Medien, Telekom

43%

Energie

42%

Gesundheitswesen

35%

Konsumgüter

30% Quelle: Boston Consulting Group

3. Klimarisiken wie zum Beispiel der Anstieg des Meeresspiegels, extreme Wetterereignisse sowie Nahrungsmittel- und Wasserknappheit lassen sich mit Hilfe von KI besser bewerten.

1. Klimamodellierung und Vorhersage sind mit KI genauer. Sie liefern wichtige Entscheidungsgrundlagen, um die Auswirkungen des Klimawandels abzumildern.

4. KI kann verwendet werden, um Lieferketten zu optimieren und die Emissionen in der Produktion und dem Transport zu verringern.

2. Ein KI-gesteuertes Energiemanagement optimiert den Energieverbrauch und reduziert dadurch Emissionen in Gebäuden oder in der Logistik.

5. Die Veränderungen bei Gewässern, der Pflanzen- und Tierwelt lassen sich besser evaluieren, damit verbessert sich der Schutz dieser natürlichen Ressourcen.


20 Special

Nachhaltig handeln

Samstag, 25. November 2023

Dem Klima angepasst bauen: Schwamm drunter Klima Mehr Hitzetage, trockene Sommer, heftige Niederschläge, schneearme Winter: Städte und Gemeinden müssen umdenken,

wenn sie Gesundheit und Lebensqualität der Bevölkerung bewahren sowie Schäden an Infrastruktur vermeiden wollen. Das Konzept der Schwammstadt weist den Weg.

Mobiliar-Experte Simon Schudel in der Optingenstrasse heute. Die Visualisierung rechts zeigt, wie die Optingenstrasse nach der Umgestaltung aussehen wird.

MARTINA SCHÄFER

Ein Herbsttag in Bern. Regentropfen trommeln auf den Schirm, Rinnsale fliessen die Quartierstrasse herab. In der Kurve, wo das Gelände flach wird, verschwindet das Wasser im Gully. Dort steht Simon Schudel, Fachspezialist für Geoanalyse und Naturrisiken bei der Mobiliar Versicherung. «Wasser ist ein Verkehrsteilnehmer, das vergisst man oft», sagt er. In der Hand hält er die «Gefährdungskarte Oberflächenabfluss» des Bundesamts für Umwelt. Die Berechnungen basieren auf Niederschlägen, wie sie an einem bestimmten Ort einmal in hundert Jahren auftreten – und praktisch jeden Sommer irgendwo in

Nachhaltig handeln

Nützliche Tipps Wie Sie Regenwasser leiten oder sammeln und Schäden durch Oberflächenabfluss im und ums Gebäude verhindern können: Überlegen, wohin das Wasser bei Starkregen abfliesst, und entsprechende Erhöhungen oder Mauern bei Einfahrten, Rampen und KellerLichtschächten anbringen. Park- und Vorplätze entsiegeln zugunsten von Mergel oder begrünbaren Verbundsteinen. Dachwasser sammeln und wiederverwenden, zum Beispiel für die Bewässerung des Gartens; einen Abfluss in die Grünfläche vorsehen, falls der Behälter überläuft. In Grünflächen statt Steingärten investieren. Dach- und/oder Fassadenbegrünung prüfen. Mehr Informationen zur Schwammstadt finden Sie unter vsa.ch/ schwammstadt. Für Fragen an die Mobiliar zum Thema Schwammstadt schreiben Sie bitte eine E-Mail an: engagement@mobiliar.ch

der Schweiz. Der studierte Geograf zeigt auf eine dunkelviolette Stelle. «Wir befinden uns an diesem Hotspot. Wenn ein Ast bei Starkregen den Gully blockiert oder die Kanalisation überlastet ist, stehen wir hier 25 Zentimeter tief im Wasser.»

Bei unserem Rundgang treffen wir auf weitere Elemente mit Schwammstadt-Charakter, etwa das begrünte Dach eines Velounterstands und eine unversiegelte Parkfläche. «Schwammstadt-Massnahmen bringen Vorteile auf ökonomischer, ökologischer und sozialer Ebene», sagt Schudel. Ökonomisch, weil sie Schäden durch Überschwemmungen reduzieren und die Kanalisation entlasten. Zudem verdunsten mehr Bäume und Grünflächen mehr Wasser und kühlen so die Städte bei Hitzewellen ab. Ökologisch betrachtet, werden Biodiversität, Mikroklima und Wasserhaushalt verbessert. Und auf sozialer Ebene wird der öffentliche Raum aufgewertet und die Lebensqualität in dicht besiedelten Gebieten erhöht.

1,3 Millionen Gebäude gefährdet Auch aus seiner Zusammenarbeit mit dem Mobiliar Lab für Naturrisiken der Universität Bern weiss Simon Schudel, wo Überschwemmungen entstehen und was sie anrichten. Und wie sie verhindert werden können. Er zeigt auf ein Kellerfenster mit einem Mäuerchen davor. «Bis zu einer Höhe von etwa 15 Zentimeter Wasser ist dieser Keller geschützt.» Zwei Rampen, die zu tiefer gelegenen Betrieben führen, bereiten ihm Sorgen. «Vor der Rampe braucht es eine 20 bis 30 Zentimeter hohe Gegensteigung, damit das Wasser über die Strasse abgeleitet wird. Sonst füllt sich der Betrieb innert kürzester Zeit mit Wasser.» Bauliche Massnahmen schützen vor Oberflächenabfluss, also vor Regenwasser, das nicht im Boden versickert, sondern an der Oberfläche abfliesst. Weil die Sommer heisser werden und Starkregen intensiver, richtet Oberflächenabfluss in Siedlungsgebieten mehr und mehr Schaden an. Zwei Drittel aller Überschwemmungsschäden der letzten zehn Jahre sind gemäss Auswertungen der Mobiliar darauf zurückzuführen. Ende Juni publizierte das Lab dazu eine Schadenspotenzialanalyse, die zeigt: 62 Prozent aller Gebäude in der Schweiz – rund 1,3 Millionen Bauten mit einem Neuwert von insgesamt 2300 Milliarden Franken – sind durch Oberflächenabfluss gefährdet.

Boden im Fussgängerbereich entsiegelt Solche Schäden verhindern kann auch das Konzept der Schwammstadt. Die Idee: Böden absorbieren Wasser wie ein Schwamm und geben es langsam über die Verdunstung der Pflanzen wieder ab. Ein von der Quartierkommission initiiertes Modell dafür befindet sich an der Berner Breitenrainstrasse: ein dreieckiges Stück Natur mitten im asphaltierten Fussgängerbereich. «Weil der Boden entsiegelt wurde, versickert das Regenwasser zwischen Steinen und Pflanzen, statt ungenutzt Richtung Kanalisation abzufliessen», erklärt Simon Schudel.

Leuchtturmprojekt in Quartierstrasse

Böden und Pflanzen absorbieren das Wasser wie ein Schwamm und geben es langsam wieder ab.

Simon Schudel bleibt in der Optingenstrasse, einer typischen Quartierstrasse, stehen: wenig Grün in den Vorgärten, viele parkierte Autos und versiegelte Flächen, die sich in der Sommerhitze wie ein Backofen aufheizen. Das soll sich ändern. Ab 2024 setzt die Stadt Bern hier Klimaanpassungsmassnahmen um, an denen sich die Mobiliar mit 450 000 Franken beteiligt. Der Berner Versicherer hat insgesamt 4,5 Millionen Franken für die Unterstützung von Klimaschutzprojekten reserviert, die Hälfte davon für SchwammstadtProjekte. Weil Werkleitungen saniert werden müssen, wird der Asphalt aufgebrochen. Ein Drittel der Strassenfläche bleibt entsiegelt, der Asphalt wird durch Rasen oder wasserdurchlässigen Mergel ersetzt. Dadurch wird Raum frei für 20 Bäume, Veloständer und Sitzgelegenheiten. Die Bäume erhalten unterirdisch mehr Raum und besseren Zugang zu Wasser.

Schweiz im internationalen Vergleich spät aufgesprungen Als Vertreter der Mobiliar ist Simon Schudel mit vielen Städten im Kontakt, die Schwammstadt-Projekte in der Pipeline haben. Er rät: «Am einfachsten und günstigsten werden Massnahmen schon bei der Bauplanung m ­ itgedacht. Oder wie bei der Optingenstrasse dann umgesetzt, wenn ­sowieso Bauarbeiten anstehen.» Das bestätigt Silvia Oppliger, Projektlei-

OLIVIER MESSERLI, MOBILIAR / TIEFBAUAMT DER STADT BERN

terin Schwammstadt beim Verband Schweizer Abwasser- und Gewässerschutzfachleute (VSA). Nicht nur mit Städten und Gemeinden, auch mit Bauunternehmen und anderen Branchen rund ums Planen und Bauen ist Oppliger zum Konzept Schwammstadt im Gespräch. «Im internationalen Vergleich ist die Schweiz eher spät auf den Zug aufgesprungen, aber in den grossen Städten, insbesondere in Genf, ­beschäftigt man sich seit zwei bis drei Jahren mit dem Thema», sagt sie.

Kopenhagen lernt aus bitterer Erfahrung Wie weit das Konzept der Schwammstadt getrieben werden kann, zeigt die dänische Hauptstadt Kopenhagen. Nach katastrophalen Regenfällen im Sommer 2011 und Schäden von geschätzten 760 Millionen Franken wurden radikale Umbauten in Angriff genommen: ein Mix aus vernetzten unterirdischen Anlagen zum Ableiten und Zurückhalten des Wassers, Parks, die als Rückhalteflächen dienen, und Strassen notfalls als Flüsse und Pipelines. Damit werden die Wassermengen zukünftiger Starkregenfälle gebremst und geführt. Das grösste Projekt ist der am Fuss einer Anhöhe gelegene Enghavepark. Dank ober- und unterirdischer Massnahmen schluckt der neu gestaltete Park bei Extremwetter über 22 000 Kubikmeter Wasser. Unter anderem ein Hockeyplatz wird bei Starkregen zum Rückhaltebecken. Unter normalen Wetterbedingungen wird gesammeltes Regen- statt Grundwasser für Wasserspiele, zur Bewässerung und zur Stadtreinigung eingesetzt. Kopenhagen habe andere Bedingungen als Schweizer Städte, sagt Silvia Oppliger. «Aber wenn es um die Modellierung der Stadtplanung geht, zum Beispiel um das Führen des Wassers in Strassen, hat Kopenhagen Vorbildcharakter.» Mit der strategischen Initiative zur Schwammstadt, finanziell unterstützt von der Mobiliar, wollen der VSA und ein interdisziplinäres Team von Projektpartnern vermehrt sensibilisieren, informieren, Werkzeuge entwickeln und Umsetzungen anstossen. Denn am besten funktioniert die Schwammstadt dann, wenn zwischen vielen Massnahmen positive Wechselwirkungen entstehen – und mehr bleibt als ein Tropfen auf dem heissen Stein.


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Samstag, 25. November 2023

Special

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Treibkraft für eine lebenswerte Zukunft Lebensräume Geht es um Wohlstand, rangieren in

der Schweizer Bevölkerung Natur und Umwelt an erster Stelle – weit vor Reisen und Geld für schöne Dinge. Das sind erfreuliche News. Doch die Leute wollen auch kaum verzichten. Nun sollen Plattformen wie die Initiative «Lebensräume 2025» der BKW mithelfen, dass den Worten Taten folgen. ROBERTO STEFANO

Wenn die englischen Comedians Jamie MacDonald und Julia Sutherland für die hiesige Tourismusorganisation durch die Schweiz streifen, dann stehen nicht die zweifellos spannenden Städte und ihr breites Kultur- und Freizeitangebot im Vordergrund. Hauptattraktion der Clips sind der Wald, die farbigen Landschaften, die Ruhe und das spektakuläre Panorama – kurz: die intakte Natur und Umwelt. Natur und Umwelt sind es auch, die der Schweizer Bevölkerung besonders am Herzen liegen, wenn es um ihre Zukunftsvisionen geht – und sie gleichzeitig dazu animieren, klimafreundlich zu handeln. Dies hat die repräsentative Studie «Lebenswerte Zukunft» gezeigt, die das Meinungsforschungsinstitut Sotomo im Auftrag der Energie- und Infrastrukturdienstleisterin BKW bei 3935 Bürgerinnen und Bürgern in der Schweiz und Deutschland durchgeführt hat. Für die Einwohner hierzulande ist eine intakte Natur unverzichtbar. Nun gilt es, diese positive Grundhaltung mit geeigneten Initiativen in konkrete Handlungen zu überführen, um die attraktiven Lebensräume auch tatsächlich zu erhalten.

Intakte Natur und Umwelt an erster Stelle Die im vergangenen Jahr durchgeführte Erhebung ist der Frage nachgegangen, was die Menschen antreibt, klimafreundlich zu handeln, welchen Sinn sie darin sehen und was es braucht, um eine lebenswerte Zukunft zu gestalten. Besonders auffallend dabei ist das Wohlstandsverständnis in der Schweizer Bevölkerung, bei der eine intakte Natur und Umwelt heute klar an erster Stelle rangiert – und zwar noch deutlich vor dem Wunsch, Beruf und Freizeit in Einklang zu bringen, reisen zu können oder Geld für schöne Dinge zu haben. Die Naturnähe zeigt sich auch in der Forde-

rung nach einem einfachen Zugang ins Grüne oder dem verbreiteten Bestreben, in einer ländlichen Gegend zu leben. In dieser Frage zeigt sich auch ein wesentlicher Unterschied in den Ergebnissen aus Deutschland und der Schweiz. «Tatsächlich ist dieses Resultat nicht ganz so überraschend und mit dem hohen Wohlstand und der traditionellen Naturverbundenheit der Schweizer Bevölkerung zu erklären», sagt SotomoChef Michael Hermann. So spielen die Natur und ihre markanten Landschaften hierzulande schon immer eine wichtige Rolle in der Identitätsbildung, wie auch die eingangs erwähnte TourismusKampagne zeigt. Kein Wunder also, sorgen sich die Menschen heute verstärkt um ihren Lebensraum, jetzt, wo die direkten Auswirkungen des Klimawandels in Form von Hitzewellen oder Unwetter bereits deutlich zu spüren sind. Auf der anderen Seite kommt in den Antworten auch der hohe materielle Wohlstand zum Ausdruck, der in der Schweiz vorhanden ist. Besonders bemerkenswert ist der Kontrast zu den Resultaten aus Deutschland, wo Reisen und Geld die Spitzenplätze im Wohlstandsranking einnehmen. «Trotz der erhöhten Teuerung und den kontinuierlich steigenden Krankenkassenprämien geht es den Leuten in der Schweiz alles in allem noch immer ausgesprochen gut», so Hermann. Gleichzeitig seien sie zuversichtlich, dass sich an den vorherrschenden Rahmenbedingungen auch zukünftig kaum etwas ändern wird. Und solange ihnen die Finanzen wenig Sorgen bereiten, würden sie sich eher um immaterielle Güter kümmern. «Ein Grossteil der Schweizer Bevölkerung nimmt den materiellen Wohlstand schon fast als gegeben an. Doch die Stimmung kann schnell kippen, wenn sich vermehrt Kosten anhäufen», so der Sotomo-Leiter. In diesem Fall würden die anderen Anliegen zwar nicht ganz vergessen gehen, aber wohl etwas in den Hintergrund geraten. Dieses Phänomen

Der Umwelt zuliebe auf Komfort verzichten? Antworten der Bürgerinnen und Bürger auf die Fragen: «In welchen Bereichen haben Sie besonders Mühe, zugunsten der Umwelt auf Komfort zu verzichten» / «Und in welchen Lebensbereichen verzichten Sie der Umwelt zuliebe bereits auf gewisse Dinge, die Sie eigentlich gerne geniessen möchten.» Kleider, Schuhe, Mode

14

Reisen, Urlaub

40 51

31

Online-Shopping

15

Ernährung

29

30

Freizeitaktivitäten

40 20

Raumtemperatur

28

Technische Geräte

29

Alltagsmobilität

22 30 22

40

28

Videostreaming, Datennutzung

29

16

Wohnraum

30

10

60

40

Verzicht fällt schwer

20

0

20

40

60

Verzichte bereits Quelle: Studie «Lebenswerte Zukunft» (2022) im Auftrag der BKW

Eine intakte Natur liegt der Bevölkerung besonders am Herzen, wie eine Studie im Auftrag der BKW ergeben hat. FOTOS: PD

ist auch in anderen Studien in der Vergangenheit in Erscheinung getreten.

Verzicht fällt auch hierzulande schwer Trotz des erhöhten ökologischen Bewusstseins in der Schweiz: Geht es um alltägliche Handlungen und – als deren Folge – Einschränkungen zu Gunsten der Umwelt, sind die Entscheidungen auch hierzulande nicht immer kongruent. Dabei fällt auf, dass den Leuten vor allem im Bereich der Alltagsmobilität ein Verzicht schwerzufallen scheint. Erleichtert würde ein klimafreundliches Verhalten durch finanzielle Anreize – oder mit Hilfe von neuen, nachhaltigen Technologien. «Wenn dafür aber eine Rechnung präsentiert wird, dann rücken die Leute auch in der Schweiz bald einmal von ihren Idealen ab – selbst wenn sie eigentlich wissen, dass der Klimawandel stattfindet», erklärt Hermann. Diese Haltung wurde sowohl in den älteren als auch in den jüngeren Generationen festgestellt. Unter diesen Voraussetzungen Klimamassnahmen umzusetzen, die das Haushaltsbudget strapazieren, kommt einer Herkulesaufgabe gleich. Eine wesentliche Rolle spielt hierbei das politische System in der Schweiz, das seinen Bürgerinnen und Bürgern zahlreiche Mitspracheund Entscheidungsrechte gewährt. Hinzu kommt, dass in der Eidgenossenschaft Gesetzesvorgaben und Verbote ohnehin auf wenig Gegenliebe stossen, wie auch die aktuelle Umfrage erneut bestätigt hat. «Was es stattdessen braucht, ist Aufklärung. Man muss den Leuten die positiven Aspekte des Zukunftswandels schmackhaft machen», ist Trend- und Zukunftsforscherin Christiane Varga überzeugt. Auf die Dauer sei dieses Vorgehen auch kostengünstiger, als wenn man den Leuten Verbote vorsetzt. Einfach zu verwirklichen sei dieses Vorhaben allerdings nicht. «Vielen Menschen machen Veränderungen Angst – nicht erst seit dem Klimawandel», so Varga. Umso mehr müsse man aufzeigen, wie viel Gestaltungsspielraum die Zukunft biete. «Und dass es lustvoll ist, diese gemeinsam mitzugestalten.» Deutlich spürbar ist diese Zukunftsangst auch im Bereich der Digitalisierung und den neuen Technologien. Wobei Letztere im Zusammenhang mit dem Erhalt der Lebensräume gemäss der Studie der BKW durchaus positiv bewertet werden: Die Solar- und Wasserstofftechnologie, intelligente Energiesparlösungen oder

neue Anwendungen zur Verbesserung der Energieeffizienz wecken die Hoffnung auf eine möglichst schmerzfreie Transition der Wirtschaft. Der schnelle digitale Wandel dagegen erhöht die Verunsicherung. «Es gilt, einen Weg zu finden, wie man die digitale Infrastruktur und das analoge Leben möglichst sinnvoll miteinander verknüpft», so Varga. Wie reibungslos dies vonstatten gehen werde, sei angesichts der sehr heterogenen und zum Teil auch widersprüchlich agierenden Gesellschaft allerdings offen. Ein einfaches Beispiel für eine solche Anwendung, die neue Technologien für die Verbesserung der Energieeffizienz nutzt, sind intelligente Strassenbeleuchtungen. Sie erhellen die Nacht nur dann, wenn es für den Verkehr und die Passantinnen und Passanten wirklich nötig ist. Damit lässt sich viel Energie einsparen, ohne auf Komfort oder ein erhöhtes Sicherheitsempfinden verzichten zu müssen, was in der Bevölkerung auf breite Akzeptanz trifft. Gleichzeitig wird ein weiterer erfreulicher Nebeneffekt erzielt: Die Lichtverschmutzung nimmt ab. «Heute ist ein Sternenhimmel in der Nacht kaum noch zu erkennen», bedauert Varga. Auch durch solche Einflüsse habe vielerorts eine gewisse Entfremdung mit der Natur stattgefunden. «Smarte Lösungen wie die intelligenten Strassenbeleuchtungen sind eigentlich vergleichsweise simpel und logisch – man muss aber erst darauf kommen», so die Zukunfts- und Lebensraumforscherin.

Plattform für Innovation und konstruktiven Dialog An diesem Punkt setzt die Initiative «Lebensräume 2025» der BKW an. Die Plattform schafft über verschiedene Ateliers Freiräume für die Zusammenarbeit und einen konstruktiven Dialog zwischen Wirtschaft, Wissenschaft, Gesellschaft und Politik. Dabei werden in unterschiedlichen Formaten konkrete Fragestellungen zu den Lebensräumen der Zukunft und deren Ausgestaltung gemeinsam diskutiert. Der Austausch zwischen den verschiedenen internen und externen Anspruchsgruppen soll dabei die Basis bilden für innovative Lösungsansätze und neue Projekte. Bis 2025 ist geplant, dass erste Fortschritte präsentiert werden können. Zuerst gilt es jedoch, den positiven Schwung zu Gunsten von Natur und Umwelt, der laut der Studie hierzulande bereits vorhanden und verankert ist, zu

Christiane Varga Trend- und Zukunftsforscherin

Michael Hermann Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts Sotomo nutzen und die Menschen zum Handeln zu bewegen. «Die Voraussetzungen sind eigentlich gut: Die Leute machen mit, sind interessiert und wollen etwas verändern», sagt Varga. Mit Hilfe von Wirkungsplattformen wie der Initiative «Lebensräume 2025» sollte sich daher viel Positives erreichen lassen. Denn: «Man darf nicht alleine darauf vertrauen, dass das Handeln auch den Idealen folgt – selbst wenn das Bewusstsein für die anstehenden Herausforderungen in der Schweiz schon breit verankert ist», so Sotomo-Chef Michael Hermann.

Initiative «Lebensräume 2025»

Studie «Lebenswerte Zukunft»


22 Special

Nachhaltig handeln

Samstag, 25. November 2023

Lösungen für nachhaltige Produkte: trivial oder komplex? Unternehmen Der Weg zur Nachhaltigkeit geht über erneuerbare Energien und «grüne» Materialien hinaus. Unerlässlich ist ein umfassender, systematischer Ansatz für die Entwicklung nachhaltiger Produkte. JONATHAN DEMIERRE

Der Übergang zur Nachhaltigkeit in der Wirtschaft ist eine komplexe, vielschichtige Herausforderung, die einen systematischen und realistischen Ansatz erfordert. Es mag so scheinen, als führe die Dekarbonisierung des Energiesektors oder die kostengünstigere Herstellung «grüner» Materialien automatisch zu nachhaltigeren Produkten, aber das ist eine Vereinfachung. Obwohl erneuerbare Energien wesentlich sind, sind sie nicht der einzige Teil der Gleichung. Dasselbe gilt für neue Materialien. Manchmal gibt es «low-hanging fruits», leicht umsetzbare Änderungen, die die Nachhaltigkeit eines Unternehmens oder Produkts verbessern kön-

Jonathan Demierre Helbling Technik, Head of Development Team Sustainability Engineering

nen. Sich jedoch ausschliesslich darauf zu verlassen, wird nicht ausreichen. Es ist notwendig, die Komplexität der Entwicklung nachhaltiger Lösungen anzuerkennen und anzunehmen.

Messbare Kennzahlen Für Unternehmen kommt es darauf an, die Druckfaktoren und Schlüsselleistungsindikatoren (KPIs) im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit zu verstehen. Druck kann von verschiedenen Interessengruppen ausgehen, wie zum Beispiel vom Markt, von Regulierungsbehörden oder von Investoren, die unterschiedliche Interessen haben, etwa was Abfallmenge, Recyclingfähigkeit, Transparenz, Vollständigkeit geteilter Daten, CO2-Fussabdruck oder Biodiversität betrifft. Es ist entscheidend, festzustellen, welche Nachhaltigkeits-KPIs heute relevant sind, zum Beispiel Treibhausgasemissionen, und welche in der Zukunft wichtig sein werden. Dazu könnten die Schädigung der biologischen Vielfalt oder die Verknappung von Mineralressourcen zählen. Letztlich ist die Ausrichtung der Geschäfts- und Produktziele auf die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) und deren Untergliederung in messbare KPIs ein Schlüssel zum ­Erfolg. Fakten und Zahlen sind grundlegend für fundierte Entscheidungen. Und Umweltproduktbilanzbewertungen wie die Lebenszyklusanalyse (LCA) sind massgebliche Werkzeuge, um tatsächliche

Hebel für die Verbesserung der Nachhaltigkeit zu identifizieren. Nachhaltigkeits-KPIs wie den CO2-Fussabdruck in Konzept- und Designentscheidungen einzubeziehen ist genauso wichtig wie die Berücksichtigung von Kosten, Leistung und Qualität. Ausserdem sollten die Entwicklungsteams mit Ökodesign-Tools in Ergänzung zur Ökobilanz ausgestattet werden. In Frage kommen hier etwa solche zur Topologieoptimierung, Recycling- und Demontageanalyse. Dieser Ansatz führt möglicherweise nicht zu neuen technischen Lösungen wie umweltschonenderen Materialien oder effizienteren Display-Technologien. Er ermöglicht es dem Projektteam jedoch, verschiedene Ziele auszubalancieren und den richtigen Kompromiss zu finden. Nachhaltigkeit im Fokus: Die Schweizer Helbing Group mit Hauptsitz in Zürich ist spezialisiert auf Beratungs- und Engineering-Dienstleistungen. FOTOS: HELBLING

Mit Fakten überzeugen Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass dieser Ansatz im Durchschnitt zu einer 25-prozentigen Reduzierung der Umweltauswirkungen führen kann, ohne dass revolutionäre Technologien oder starke Kompromisse bei Kosten, Qualität und Leistung erforderlich sind. Natürlich lässt sich in Bezug auf die Verringerung des CO2-Fussabdrucks noch viel mehr erreichen, wenn man deutlichere Kompromisse eingeht. Schliesslich ist es essenziell, die Nachhaltigkeitsvorteile an die Stakeholder der Wertschöpfungskette in einer greifbaren und verständlichen

Weise zu kommunizieren. Die Ergebnisse von Umweltbewertungen wie LCAs sollten genutzt werden, um faktenbasierte Diskussionen mit Stakeholdern wie Lieferanten, Marketingund Beschaffungsteams zu erleichtern. Dieser Ansatz verringert das Risiko emotionaler Diskussionen, von Greenwashing und der Verschwendung von Zeit und Ressourcen. Klare Nachhaltigkeitsvorteile sind notwendig, um Stakeholder zu Kompromissen zu ermutigen.

Fazit: Soll der Übergang zu nachhaltigen Produkten erreicht werden, braucht es einen umfassenden und systematischen Ansatz, der über das Warten auf erneuerbare Energien und billigere grüne Materialien hinausgeht. Das beinhaltet das Verständnis der für ein Unternehmen oder Produkt relevanten Druckfaktoren und KPIs, die Messung und Überwachung des Umwelt­fussabdrucks, die Verwendung von Öko­design-Instrumenten und die effektive Kommunikation der Vorteile für die ­Stakeholder.

Die Tech-Industrie: Schlüsselbranche auf dem Weg zu Netto-Null Klima Netto-Null bis 2050: Die Schweizer Tech-Industrie hat die Innovationskraft, dieses Ziel mit neuen Produkten und Dienstleistungen zu erreichen. Ihr grösster Klimaschutzhebel liegt im Export energie- und ressourceneffizienter Erzeugnisse. Die Tech-Industrie kann so den Unterschied ausmachen – hier und weltweit. IVO ZIMMERMANN

Grundsätzlich gibt es zwei Wege zu Netto-Null: Einer führt über Einschränkungen, Verbote und Verzicht, der andere über technische Innovationen. Radikale Verbote und Verzicht hätten vermutlich einen dauerhaften wirtschaftlichen Niedergang zur Folge. Zudem dürften massive Wohlstandsverluste in der Bevölkerung nicht zu einem klimaverträglichen Verhalten, sondern eher zu sozialen Unruhen führen. Deshalb

führt der einzig realistische Weg über technische Innovationen. Die Schweizer Tech-Industrie (Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie sowie verwandte Technologiebranchen) spielt dabei eine Schlüsselrolle. Ihre Innovationen leisten einen unverzichtbaren Beitrag für den Übergang zu einer klimaverträglichen Wirtschaft und Gesellschaft. Neue technische Lösungen in den Bereichen Elektromobilität, Stromerzeugung aus Sonne, Wind- und Was-

serkraft, Energieverteilung, Leichtbau für die Fahrzeug- und Luftfahrtindustrie sowie intelligente Gebäudetechnik sind nur einige Beispiele dafür.

Ecodesign für Produkte Bei der Entwicklung von neuen Maschinen, Geräten und Fahrzeugen fokussiert die Tech-Industrie immer konsequenter auf deren Energie- und Ressourceneffizienz. Der Schlüssel dazu heisst Ecodesign. Dabei berücksichtigen und mini-

mieren die Firmen die Umweltauswirkungen des Produkts über den gesamten Lebenszyklus hinweg – von der Herstellung bis zur Entsorgung. Beim Produktdesign kommen vermehrt umweltfreundliche Materialien zum Einsatz. Und für den Betrieb wird darauf geachtet, dass dieser ressourcen- und energieeffizient sowie emissionsarm erfolgt. Im Hinblick auf die Kreislaufwirtschaft werden immer mehr Produkte modular designt und recyclingfähige Materialien gewählt.

Mitgliedsfirmen von Swissmem haben ihren CO2-Ausstoss seit 1990 um 55 Prozent reduziert.

Die Firmen der Tech-Industrie legen grossen Wert auf energie- und ressourceneffiziente Produktionsprozesse – mit Erfolg.

PD

Die Schweizer Tech-Industrie exportiert rund 80 Prozent ihrer Güter und Dienstleistungen. Der grösste Klimaschutzhebel der Branche liegt somit im Export von energie- und ressourceneffizienten Produkten. Neue, nach Ecodesign-Kriterien entwickelte Produkte verbrauchen während ihrer oft jahrelangen Einsatzdauer deutlich weniger Energie als ihre Vorgängermodelle. Sie führen insbesondere in Ländern mit einem sehr CO2-intensiven Strommix zu deutlich tieferen Treibhausgasemissionen.

Die Firmen der Tech-Industrie legen zudem schon seit Jahren besonderen Wert darauf, ihre eigenen Produktionsprozesse energie- und ressourceneffizient zu gestalten. Und dies mit beeindruckendem Erfolg: Swissmem-Mitgliedsfirmen haben seit 1990 ihren Energieverbrauch um rund 40 Prozent und gleichzeitig den CO2-Ausstoss um rund 55 Prozent reduziert – nota bene bei gleichzeitig massiv höherer Wertschöpfung. Zugegebenermassen erfolgte diese Entwicklung nicht nur aus Sorge ums Klima. Zunächst ging es darum, über höhere Energieeffizienz die Kosten im Produktionsprozess zu reduzieren. Heute sind es die Kunden, Investoren und auch die Mitarbeitenden, welche von den Betrieben die Minimierung ihres ökologischen Fussabdrucks erwarten. Der Fokus erweitert sich auch deshalb zunehmend auf die indirekten Emissionen in der vor- und nachgelagerten Lieferkette (Scope-3-Emissionen). Hier eröffnet die Digitalisierung neue Möglichkeiten, um die Komplexität und den Aufwand bei Scope-3-Reduktionen zu bewältigen. Im Weiteren investieren die Industriebetriebe zunehmend in eigene Photovoltaikanlagen und tragen so zur nachhaltigen Energieproduktion bei.

Potenzial voll ausschöpfen Die Schweizer Tech-Industrie steht hinter dem Netto-Null-Ziel. Sie benötigt aber Rahmenbedingungen, welche Forschung und Entwicklung sowie eine wirtschaftliche Produktion in der Schweiz ermöglichen. Genauso wichtig ist ein hindernisfreier Zugang zu den Weltmärkten. Nur so kann die Tech-Branche ihr Potenzial hier und weltweit voll ausschöpfen.


Nachhaltig handeln

Samstag, 25. November 2023

Special

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fiele, wenn die ganze Weltwirtschaft gleich wie die Unternehmen im Portfolio handeln würden. Die Empfehlung des Bundesrats lautet, aussagekräftige, vorwärtsblickende Indikatoren für alle Finanzanlagen und Kundenportfolios zu verwenden. Dabei sollten, wo es sinnvoll erscheint, die Swiss Climate Scores Anwendung finden. Warum lanciert die Schweiz einen eigenen Ansatz, obwohl es bereits Taxonomien gibt?

Blick in die Zukunft

UBS

Schweizer Ansatz für mehr Klimatransparenz bei Anlagen Investieren Der Finanzplatz Schweiz gilt als Vorreiter in puncto Nachhaltigkeit. Die vor einem Jahr lancierten Swiss Climate Scores sollen Anlegerinnen und Anlegern helfen, die zahlreichen Investitionsmöglichkeiten besser vergleichen zu können. STEPHAN LEHMANN-MALDONADO

Innerhalb weniger Jahre sind nachhaltige Anlagen zum Mainstream geworden: Schon 1610 Milliarden Franken werden hierzulande nach ethischen und ökologischen Kriterien angelegt, gemäss der jüngsten Marktstudie des Forums Swiss Sustainable Finance. Das ist mehr als doppelt so viel wie das gesamte Schweizer Bruttoinlandprodukt. Allein seit 2015 haben sich die nachhaltigen Anlagen verzehnfacht: Damals verabschiedete die Uno die Agenda 2030 und formulierte 17 Nachhaltigkeitsziele. Hinzu kam das Klimaabkommen von

Paris, das sich erstmals auch an die Finanzbranche richtete. In Anlegerkreisen ist das Bewusstsein vorhanden, dass Investitionen Einfluss auf die Realwirtschaft haben. Je nachdem, wohin das Geld fliesst, kann es zur CO2-Reduktion in der Atmosphäre beitragen und helfen, die Klimaziele zu erreichen. Doch weil Anlagen mit Umweltbezug so hoch im Kurs stehen, stellt dies Anlegerinnen und Anleger zunehmend vor die Frage: Wie erkenne ich eigentlich die für mich richtigen Anlagen? Welche konkreten Kriterien im Anlageprozess jeweils beigezogen werden,

Swiss Climate Scores Die Swiss Climate Scores sind eine aussagekräftige und vergleichbare Informationsbasis zur Klimaverträglichkeit von Finanzanlagen. Die sechs Scores basieren auf Indikatoren, welche sich an bereits bestehenden und international etablierten Kriterien und Methoden orientieren:

Quelle: Schweizerische Bankiervereinigung

variiert je nach Anbieter. Entsprechend schwierig ist es, als Anlegerin und Anleger die Übersicht zu behalten. Der Bundesrat hat sich darum für einen alternativen Weg entschieden: Der Schweizer Finanzplatz soll seine Position «als führender Standort für nachhaltige Finanzdienstleistungen weiter stärken». In der Folge haben die Behörden mit Finanzdienstleistern wie etwa UBS, Umweltorganisationen und Wissenschaftlern eine Lösung entwickelt: aussagekräftige und vergleichbare Scores zur Klimaverträglichkeit von Finanzanlagen.

Anlageentscheide vereinfacht

UBS hat schon vor mehr als 25 Jahren den ersten Fonds unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit geschaffen.

Die Indikatoren der Swiss Climate Scores schaffen Transparenz und zeigen auf Basis des neuesten internationalen Kenntnisstands, welche Investitionen die Kriterien des Pariser Abkommens erfüllen. Anlegerinnen und Anlegern sollen sie als Instrument dienen, um ihre Anlageentscheide zu vereinfachen. Pioniere wie etwa UBS haben bereits erste Fonds mit Swiss Climate Scores Reports lanciert. Das kommt nicht von ungefähr: UBS hat schon vor mehr als 25 Jahren den ersten Fonds unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit geschaffen. Der Swiss Climate Scores Report ist verständlich formuliert und umfasst sechs Scores, die verschiedene Indikatoren beinhalten. Diese berücksichtigen erstens den Treibhausgasfussabdruck der Firmen im Portfolio und zweitens den Anteil der Unternehmen mit Aktivitäten rund um fossile Brennstoffe. Darüber hinaus analysieren sie drittens den Anteil von Unternehmen im Portfolio, die verifizierte Bekenntnisse zum NettoNull-Ziel bis 2050 aufweisen und viertens über eine klare Strategie verfügen, um dieses Ziel zu erreichen, und fünftens die Absicht haben, einen glaubwürdigen Klimadialog zu führen. Ein weiteres, sechstes Kriterium ist optional: Man ermittelt, wie die Klimaerwärmung aus-

Die EU beispielsweise fokussiert auf die Momentaufnahme. Ihre Kriterien setzen bei den wirtschaftlichen Aktivitäten zu einem bestimmten Zeitpunkt an. Die Schweizer Lösung reflektiert dagegen nicht nur den Ist-Zustand der Unternehmen im Portfolio, sondern wirft auch den Blick in die Zukunft. Die ersten zwei Scores konzentrieren sich auf den Ist-Zustand, während die restlichen vier Scores auf die Transition hin zu Netto-Null fokussieren. Ausserdem wird dabei vermieden, dass lediglich zwischen «nachhaltig» und «nicht nachhaltig» unterschieden wird. Die Lösung erlaubt es Finanzmarktakteuren beispielsweise, Kundinnen und Kunden aufzuzeigen, welche Produkte nicht klimafreundlich sind und was mögliche Alternativen wären. Letztlich gibt sie Auskunft darüber, inwieweit die Firmen bereit sind, Anstrengungen zu unternehmen, um die Klimaneutralität zu erreichen. Entscheidend ist auch, dass die Swiss Climate Scores in enger Zusammenarbeit mit Fachleuten aus der Praxis erarbeitet wurden. Ausserdem fliessen Erkenntnisse aus internationalen Arbeiten und Untersuchungen, beispielsweise der Glasgow Financial Alliance for Net Zero (GFANZ) und der Task Force on Climate related Financial Disclosures (TCFD), in die Scores ein.

Regelmässige Überprüfungen Überhaupt verstehen sich die Swiss Climate Scores nicht als «der Weisheit letzter Schluss». Im Gegenteil: Es ist geplant, sie regelmässig zu überprüfen und an die jeweils neusten Erkenntnisse anzupassen. Der Bund will gemäss dem Eidgenössische Finanzdepartement prüfen, «wie die Scores angewendet wurden, wie vergleichbar die Anwendungen sind und welche Klima-Anreizwirkung damit verbunden ist. Darauf aufbauend werden die Scores, wenn nötig, weiterentwickelt.» Schon viele nachhaltige Finanzinnovationen haben in der Schweiz ihren Anfang genommen. So begründete etwa ein Schweizer Unternehmer das Ökoeffizienz-Prinzip und stellte den ersten Umweltgipfel 1992 in Rio auf die Beine. Der Nachhaltigkeitsindex Dow Jones Sustainability ist ursprünglich «made in Switzerland». Und sogar das Kürzel ESG (für Environmental, Social und Governance – also Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) geht auf einen Schweizer Finanzspezialisten zurück. Die Chancen, dass sich die Swiss Climate Scores im Markt durchsetzen, stehen, historisch betrachtet, also gut. Anlegerinnen und Anleger werden wohl schon bald nicht nur nach Renditen und Risiken von Anlagen fragen, sondern auch nach den Swiss Climate Scores eines Anlageprodukts ver­ langen.

Swiss Climate Scores Die Swiss Climate Scores sind im Juni 2022 vom Bundesrat beziehungsweise vom Eidgenössischen Finanzdepartement in Zusammenarbeit mit der Bankiervereinigung und Expertinnen und Experten aus der Finanzbranche sowie von Nichtregierungsorganisationen lanciert worden. Sie liefern aussagekräftige und vergleichbare Informationen zur Klimaverträglichkeit von Anlagen. Zugleich sind sie ein klares Bekenntnis der Schweiz und des Schweizer Finanzplatzes, die Treibhausgasemissionen bis 2050 auf netto null zu senken und so den Zielen des Pariser Klimaabkommens Rechnung zu tragen.


So könnte die nachhaltige Mobilität der Zukunft aussehen.

Wie sie wirklich wird, liegt in unserer Hand. eren mi

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Die Nachhaltigkeitsinitiative von Wirtschaft, Wissenschaft und allen, die etwas bewegen wollen.

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