Brand Relations (D)

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Verlagsbeilage

NZZ am Sonntag 12. Januar 2020

Zukunft Bauen

Best-of Schweizer Bau- und Immobilienbranche

SMART, INNOVATIV, GENERATIV UND NACHHALTIG – DIE VISION VON BURCKHARDT+PARTNER FÜR DAS HAUS DER ZUKUNFT. VISUALISIERUNG: BURCKHARDT+PARTNER

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Verlagsbeilage Zukunft Bauen

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NZZ am Sonntag 12. Januar 2020

Editorial

Immobiliensektor: Ein volkswirtschaftliches Schwergewicht rückt ins Scheinwerferlicht Leitartikel von Bundesrat Guy Parmelin, Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung. Innovative Technologien

Als Wirtschaftsminister bin ich mir be­ wusst: Der Immobiliensektor ist ein wichtiger Pfeiler der Schweizer Volks­ wirtschaft. Als typische Querschnitts­ branche umfasst sie den Immobilienbe­ stand mit Gebäuden, Grundstücken und damit verbundene Tiefbauten – und die Akteure, die diese planen und entwi­ ckeln, finanzieren, bauen, vermarkten und bewirtschaften.

Geballte Leistungskraft Gemäss einer Studie «meines» Bundes­ amts für Wohnungswesen BWO und des Schweizerischen Hauseigentümerver­ bandes HEV macht der Anteil des Immo­ biliensektors an der Schweizer Wirt­ schaftsleistung 11 Prozent aus. Werden auch die Mieteinnahmen und die Eigen­ mieten der privaten Haushalte berück­ sichtigt, beläuft sich der Anteil auf 17 Prozent des Bruttoinlandsprodukts BIP, was einer Bruttowertschöpfung von knapp 114 Milliarden Franken entspricht. Der Immobiliensektor generiert rund 565 000 Vollzeitstellen, das heisst, jede siebte Stelle ist immobilienbezogen. Das ist wahrlich ein volkswirtschaftliches Schwergewicht – besonders, wenn man auch noch die aus diesem Sektor anfal­ lenden Einnahmen an Steuern und Ge­ bühren bedenkt! Ein funktionierender Immobiliensek­ tor ist für unser Land entscheidend. Er leistet einen wichtigen Beitrag zur dyna­ mischen Wirtschaftsentwicklung. Jähr­ lich werden hohe Milliardenbeträge in­ vestiert, um den Gebäudepark mit Neu­ bauten zu ergänzen, instand zu halten, zu erneuern und so für die Zukunft fit zu machen.

«Der Immobiliensektor generiert rund 565 000 Vollzeitstellen, das heisst, jede siebte Stelle ist immobilienbezogen.»

Bundesrat Guy Parmelin

Das möchte die Volksinitiative «Mehr be­ zahlbare Wohnungen» ändern, über die wir am 9. Februar 2020 abstimmen wer­ den. Sie verlangt unter anderem, dass je­ de zehnte neu erstellte Wohnung künftig im Eigentum eines gemeinnützigen Bau­ trägers sein soll. Der Bundesrat und die Mehrheit des Parlaments empfehlen die­ se Initiative zur Ablehnung. Es ist un­ zweckmässig, in der Bundesverfassung eine starre Neubauquote zugunsten ei­

ner Investorengruppe festzuschreiben. Der Wohnungsbau soll weiterhin unter Wettbewerbsbedingungen stattfinden und sich am Bedarf und nicht an einer Quote orientieren. Für die Zielerrei­ chung müssten Bund und Kantone die Unterstützung des gemeinnützigen Wohnungsbaus massiv ausbauen, was mit hohen Kosten und grossem adminis­ trativem Aufwand verbunden wäre. Es

ist effizienter, das öffentliche Engage­ ment mit dem bewährten Fonds zuguns­ ten des gemeinnützigen Wohnungsbaus weiterzuführen («Fonds de roulement»). Das Parlament hat bereits eine Aufsto­ ckung des Fonds beschlossen, sollte die Initiative abgelehnt werden. Denn der Markt funktioniert und wir müssen ihn nicht mit immer neuen Regulierungen einschränken.

FOTO: MICHELE LIMINA

FOTO: FILIPPO BOLOGNESE

ist eine Verlagsbeilage der NZZ-Mediengruppe in Kooperation mit Sarah Schlagenhauf, Inhaberin Brand Relations.

FOTO: PD

Volksinitiative ablehnen

Best-of Schweizer Bau- und Immobilienbranche

IMPRESSUM «Zukunft Bauen»

Mittlerweile kommen über die gesamte Wertschöpfungskette mehr und mehr di­ gitale und andere innovative Technolo­ gien zum Einsatz. Diese ermöglichen nicht nur Effizienzsteigerungen, Kosten­ einsparungen und ein besseres Eingehen auf Kundenbedürfnisse. Sie sollten auch dazu dienen, dass in der Bauwirtschaft generell vermehrt auf erneuerbare Res­ sourcen zurückgegriffen wird und der Energieverbrauch im Gebäudesektor vermindert wird. Das Potenzial ist gross, schliesslich geht es hier um rund 40 Pro­ zent des Gesamtenergieverbrauchs. Fast zwei Drittel aller Gebäude der Schweiz dienen hauptsächlich dem Woh­ nen. Von den über 3,7 Millionen bewohn­ ten Appartements und Einfamilienhäu­ sern sind etwa 38 Prozent im Besitz von Privatpersonen und werden durch diese auch selbst genutzt. Die Mietwohnungen in Mehrfamilienhäusern sind vor allem in jüngster Zeit wegen fehlender Alterna­ tiven eine gesuchte Investition für insti­ tutionelle Anleger geworden. Ihr Eigen­ tumsanteil hat sich auch zulasten der Pri­ vaten deutlich erhöht.

Inhalt realisiert durch NZZ Content Solutions im Auftrag von Brand Relations. www.brandrelations.ch Projektmanagement

Innovation ist Chefsache 4 Storys

Layout: Armin Apadana, Graphic Designer & Konzepter

FOTO: PD

FOTO: PD

Inhalt: Norman Bandi, Leiter NZZ Content Solutions

Kontakt: NZZ Creative Solutions, c/o NZZ AG, Postfach, 8021 Zürich www.nzzcreativesolutions.ch Titelbild Smart, innovativ, generativ und nachhaltig – die Vision von Burckhardt+Partner für das Haus der Zukunft. Visualisierung: Burckhardt+Partner

Innovative Grossprojekte 4 Storys

Ökosystem und Innovation 5 Storys

Innovation Leader 9 Storys


NZZ am Sonntag 12. Januar 2020

Verlagsbeilage Zukunft Bauen

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Innovation ist Chefsache

«Traut euch – bringt Ideen!» Anita Eckardt ist bei Implenia unter anderem verantwortlich für die Umsetzung der Innovationsstrategie. Als Mitglied der Geschäftsleitung des Baudienstleisters erklärt die Chefin der Division Specialties wie sich die Branche für die Zukunft rüstet und warum man lernen muss, Fehler machen zu dürfen.

Jeden Tag werden innovative Lösungen auf der Welt lanciert. Welche Idee oder Erfindung hat Sie persönlich in den letzten Jahren begeistert? Anita Eckardt: Ich denke da an die Firma iLocator, ursprünglich aus Dänemark. Sie hat ein System zur Überwachung von Strassengullys entwickelt. Aktuell schickt man regelmässig Fahrzeuge mit Saugvorrichtungen auf Tour, um die Gullys zu warten. Egal, ob das nötig ist oder nicht. Das braucht Zeit sowie Geld und verursacht unnötige Emissionen. iLocator überwacht dagegen die Gullys mit Sensoren und Kameras und sammelt die Daten für eine langfristige Planung. Die Fahrzeuge rücken nur bei Bedarf aus. Einfach und genial – mal abgesehen davon, dass ich Uber-Fan bin … (lacht). Sie sind heute bei Implenia so etwas wie die «Mrs Innovation» in der Unternehmensleitung. Warum ist Innovation Chefsache? Innovation ist meiner Meinung nach Aufgabe eines jeden im Unternehmen. Aber wenn man möchte, dass sich alle trauen, Ideen einzubringen, und wenn man zudem will, dass auch Fehlschläge akzeptiert werden, dann muss das von der Unternehmensleitung unterstützt werden. Agieren Sie dabei eher als Mover, die Innovationen vorantreibt, oder als Shaker, die disruptiv Bisheriges durchrüttelt? Ich bin nicht sicher, ob man das trennen kann. Man kann eine Disruption nicht planen, ich kann sie aber möglich machen. Ich muss also dafür sorgen, dass Ideen generiert und Innovationen umgesetzt oder von aussen hereingeholt werden – bis eines Tages der disruptive Durchbruch kommt, nach dem Motto «Uber statt Taxi». Dazu muss man sehr genau verstehen, was die wahren Anforderungen der Kunden sind. Also nicht ausschliesslich darauf hören, was der Kunde will, sondern erarbeiten, was er wirklich braucht. Im letzten Halbjahresbericht von Implenia ist von einem «Umbruch zum Aufbruch» die Rede. Was heisst das konkret? Nach der Entwicklung unserer neuen Strategie befinden wir uns nun in der Umsetzung und damit voll im Aufbruch. Ein wichtiges Thema für alle Unternehmensbereiche ist die Digitalisierung. Ich will es einmal so erklären: In unserem Geschäft geht es um Projekte, bei denen viele Gewerke zusammenspielen. Da gibt es unzählige Herausforderungen zu lösen – zusammen mit Handwerkern, Zulieferern oder Architekten. Deshalb sind das Risikomanagement – wir nennen das Value Assurance – und ein Top-Qualitätsangebot über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg, von der Planung bis zum Recycling, entscheidend für den Erfolg. Der Aufbruch besteht darin, Trans-

parenz über alle Prozesse zu schaffen, und zwar auf Daten gestützt. Dabei müssen wir die physische Bauwelt mit der digitalen integrieren, ich nenne nur das Stichwort Building Information Modeling, kurz BIM. Zudem setzen wir neue Planungstools ein, um Kosten und Zeit zu sparen. Und «last but not least», streben wir eine Unternehmenskultur an, in der jeder Input für Innovation willkommen ist. Hier kommt unser neuer Innovation Hub ins Spiel, den wir im September lanciert haben. Was muss man sich unter diesem Innovation Hub vorstellen? Der Innovation Hub ist eine Ideenplattform, die von zwei Mitarbeitenden geführt und auch digital unterstützt wird. Wir wollen damit in einem ersten strategischen Schritt Intrapreneurship fördern. Das heisst, die vielen guten Ideen, die überall im Unternehmen schlummern, sammeln und daraufhin testen, ob daraus etwas Neues entstehen kann. Ganz egal, ob es dabei um physische Produkte, Dienstleistungen, vereinfachte Prozesse oder ganze Lösungsansätze für Kunden geht. Über diese Plattform kann jede und jeder Ideen einspeisen, die anschliessend einen dreiphasigen Evaluationsprozess durchlaufen. Und schon nach dem ersten Gate erhält man Unterstützung: Tools zum Evaluieren und Testen, Coaching, auch Geld und Arbeitszeit, um die Idee weiterverfolgen zu können. Der Support steigt pro Phase beziehungsweise pro Gate. Wir investieren hier in unsere Zukunft. Und das steht wirklich jedem Mitarbeitenden offen? Jedem, ohne Ausnahme, egal ob Regionenleiter, Bauleiterin oder Vorarbeiter. Nach nur drei Monaten sind bereits 30 Ideen eingegangen, die ersten befinden sich gerade in Phase zwei. Ein Beispiel? Ich kann so viel verraten: Es sind auch disruptive Ideen dabei. Wir arbeiten agil in überschaubaren Sprints, um zu lernen und sofort auf Kunden-Feedback reagieren zu können. Die Zeit, in der jahrelang im Detail vorausgeplant wird, ist vorbei. Wohin geht denn die Reise punkto Innovation? Anders gefragt: Was bewegt die Branche angesichts von Megatrends wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit? Digitalisierung ist natürlich zentral: Datenmanagement sehen wir als eine übergeordnete Aufgabe. Es geht, wie gesagt, um mehr Transparenz und bessere Planung. Relativ neu im Baubereich ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz und Blockchain-Technologie. In Ländern mit hohem Korruptionsrisiko beginnt man damit, Grundstückseigentum per Blockchain zu dokumentieren. Künftig werden wir für nachhaltige Wohnprojek-

Anita Eckardt, Geschäftsleitungsmitglied und Leiterin der Division Specialties, ist bei Implenia unter anderem für die Umsetzung der Innovationsstrategie und den Innovation Hub verantwortlich. Der multinational tätige Baudienstleister mit Hauptsitz in Dietlikon bei Zürich beschäftigt europaweit mehr als 10 000 Personen. FOTO: MICHELE LIMINA

Anita Eckardts Selbsteinschätzung Wie digital fit sind Sie selbst?

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Wie digital fit ist Ihre Firma?

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Wie sehr disruptieren neue Technologien Ihre Branche? Wie sehr investieren Sie in die technologische Zukunft? Skala: 1 = Tiefstwert / 10 = Höchstwert

te vielleicht auch nicht nur einen grossen, sondern unzählige kleinere Investoren suchen. Über Blockchain kann dann jeder seine Anteile absichern. Auch BIM ist so ein Thema: Die meisten Architekten, Planer und Generalunternehmer arbeiten heute mit digitaler Planung, doch in der Branche ist das noch nicht übergreifend implementiert. Wir bei Implenia planen digital mit BIM. Hierzulande ist man allerdings noch nicht so weit, dass Daten im ganzen Prozess genutzt werden und beispielsweise auch an die Gebäudeverwaltung übergeben werden. Da gibt es viel zu tun. Wo ferner? Auch Nachhaltigkeit ist ein grosses Zukunftsthema. Mit unserem Projekt «Lokstadt» in Winterthur setzten wir die Vorgaben der der 2000-Watt-Gesellschaft um. Interessant ist auch das Infrastrukturprojekt «Einhausung Schwamendingen», bei dem eine der Hauptver-

«Der Aufbruch besteht darin, Transparenz über alle Prozesse zu schaffen, und zwar auf Daten gestützt.»

kehrsadern in Zürich-Nord überdeckt wird, um lebenswerten Raum zum Arbeiten und Wohnen zu schaffen. Sie sind bei Implenia auch für Nischensegmente zuständig. Wo sehen Sie Potenzial? In der Baustellenlogistik zum Beispiel. Wer redet schon darüber? Aber in einem Land mit einer Recyclingquote von mehr als 70 Prozent statt durchschnittlich etwa 30 Prozent sind die Baustellen gut aufgeräumt. Und das bedeutet weniger Unfälle sowie effizienteres Arbeiten. Baulogistik ist eine echte Nische, effizient und nachhaltig. In der Schweiz ist das noch nicht so gut angekommen wie zum Beispiel in Deutschland. Das Humboldt Forum im Berliner Schloss, für das wir die Fassade gebaut haben – übrigens auch ein Nischensegment – ist so ein hochkomplexes Logistikprojekt. Ist die Branche überhaupt fit genug für all diese Herausforderungen? Die Baubranche muss rasch noch fitter werden, der globale Wettbewerbsdruck ist hoch. Wir selbst arbeiten hart daran. Vieles machen wir schon sehr gut, aber wir sind noch nicht da, wo wir sein wollen. Doch wir wissen auch, dass man nie fertig wird. Es gibt keinen Stillstand. Der Innovation Hub ist nur ein Element der Innovationsstrategie: Wie will Implenia insgesamt Innovationsführer werden? Wir wollen über den gesamten Wertschöpfungsprozess hinweg die Herausforderungen der Kunden verstehen und ihnen die für sie geeignetsten innovati-

ven Lösungen bieten. Solche Lösungen finden wir entweder selbst, über Partnerschaften oder durch Zukauf bei mittelständischen Unternehmen und Scale-ups. Was ist Ihre Rolle dabei? Den Kulturwandel vorleben und promoten. Dazu gehört erstens, die Herausforderungen unserer Kunden zu verstehen. Zweitens, unsere Ideen und Lösungsansätze rasch mit Kunden zu testen, Feedback zu holen. Drittens, natürlich auch eine gute Fehlerkultur. Wir wollen aus Rückschlägen lernen. Und an welchem «next big thing» tüftelt Implenia derzeit? Unsere Strategie ist langfristig angelegt, bis 2027. Daher arbeiten wir an vielen unterschiedlichen Themen parallel. Wir entwickeln unser Portfolio, wir minimieren Risiken und nutzen die fundamentalen Veränderungen in der Bauindustrie zum Vorteil für unsere Kunden, Mitarbeitenden und Aktionäre. Gleichzeitig suchen und fördern wir Talente, die mit uns die Zukunft bauen wollen. Das ist das «next big thing» bei uns. Und was ist Ihre eigene, derzeit dringlichste Aufgabe? Nicht alle zehn Unternehmen in meiner Division sind heute schon optimal aufgestellt. Zusätzlich haben einige von ihnen ein hohes Potenzial für disruptive Lösungen und neue Geschäftsmodelle. Das packen wir derzeit an. Interview: Cornelia Glees

Meine Vision 2050 … «Auch dann werden immer noch Menschen bauen, aber viel schneller und mit nachwachsenden Rohstoffen wie Holz. 2050 laufen Verkehr und Infrastruktur unter Tage, es gibt keine Staus mehr, aber unterirdisch leben werden wir nicht. Implenia ist 2050 immer noch äusserst erfolgreich, weil wir unseren Kunden genau diejenigen Baudienstleistungen anbieten, die sie auch wirklich brauchen.»


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Die Visualisierung des Turms «Tour d’Horizon»: www.tour-d-horizon.ch.

NZZ am Sonntag 12. Januar 2020

Benedikt Koch ist Direktor des Schweizerischen Baumeisterverbandes SBV. FOTOS: PD

Innovation Leader

Die Bauunternehmer blicken weit voraus «Wir gestalten die Zukunft», so lautet der neue Claim des Schweizerischen Baumeisterverbandes SBV. Unter diesem Motto steht nicht nur der Auftritt an der Messe Swissbau mit dem Turm «Tour d’Horizon», sondern auch die Verbandspolitik. Die Baumeister wollen bei grossen Zukunftsthemen wie der Klimafrage Teil der Lösung sein.

leiste die Digitalisierung gute Dienste, etwa mittels Plattformen, auf denen Baubetriebe Aushub- oder Abbruchmaterial, das sie brauchen, erstehen können.

Eine Branche im Umbruch Die Digitalisierung bringt den Bauunternehmern in vielen Belangen einen Mehrnutzen und ermöglicht es, bei der Realisierung von Bauten neue, ungewohnte Wege zu beschreiten. Gleichzeitig werden Gewohnheiten und etablierte Prozesse in Frage gestellt. Und das verunsichert. «Die Digitalisierung bewirkt einen Umbruch unserer Branche», räumt Koch ein, «wir haben deshalb auf unsere Fahne geschrieben, unsere Mitglieder bei diesem Thema zu unterstützen. So können sie die Veränderung als Chance nutzen.» «Baumeister 5.0» nennt sich das Projekt (siehe Seite 23), das dafür sorgen will, dass die Schweizer Bauunternehmer auch künftig die modernsten technischen Mittel zu nutzen verstehen. Damit wird es ihnen möglich sein, selbst kühne Visionen, die im Tour d’Horizon allenfalls geäussert werden, Realität werden zu lassen. Story: Susanna Vanek

«Wenn wir die Wünsche der Schweizer kennen, können wir ihnen einen Mehrwert bieten.»

Auch bei grauem Himmel wird man vom Turm aus, der vor den Messehallen der Swissbau stehen wird, einen weiten Ausblick haben. «Tour d’Horizon» (www.tour-d-horizon.ch) heisst die Aussichtswarte, von der aus nicht über Dächer, sondern ins Jahr 2040 geschaut wird. Projektiert und realisiert hat den allen Interessierten zugänglichen Turm der Schweizerische Baumeisterverband SBV. «Die Einwohnerinnen und Einwohner unseres Landes sind unsere Bestellerinnen und Besteller», sagt Benedikt Koch, Direktor des SBV, «deshalb wollen wir mit ihnen in Dialog treten. Sie sollen uns aufzeigen, wie sie sich die Schweiz der Zukunft vorstellen, weil wir Baumeister es sind, die diese bauen werden.»

Anschliessend auf Tour Konkret bedeutet das, dass alle, die es wollen, im Turm während der Swissbau, also vom 14. bis 18. Januar 2020, Fragen zur künftigen Entwicklung unseres Landes, zur gewünschten Infrastruktur und zu den Wohnformen im Jahr 2040 stellen können und Antworten erhalten sollen. «Wenn wir die Wünsche der Schwei-

zerinnen und Schweizer kennen, können wir ihnen einen Mehrwert bieten», führt Koch aus. Mit dem Turm «Tour d’Horizon» wird der SBV in der Folge noch an einigen Standorten in der Schweiz zusammen mit der Bevölkerung in die Zukunft schauen. Die Aktion steht im Zusammenhang mit dem 125-Jahr-Jubiläum des SBV, das im Jahr 2022 stattfinden wird.

«Wir gestalten die Zukunft» An der Swissbau wird der SBV weiter erstmals mit seinem modernisierten Logo und dem neuen Claim «Wir gestalten die Zukunft» auftreten. Benedikt Koch erläutert, dass die Baumeister mit ihrer Tätigkeit für einige Probleme, denen sich die Schweiz stellen muss, Lösungen bieten. So führe eine Erneuerung des veralteten und nicht energieeffizienten Gebäudeparks zu den notwendigen Einsparungen, die es benötigt, um die Energie- und Klimaziele zu erfüllen. Weiter erwähnt der SBV-Direktor eine ressourcenorientierte Arbeitsweise der Bauunternehmer, die ein Augenmerk auf die Kreislaufwirtschaft legt. Dabei

Der Verband Der Schweizerische Baumeisterverband SBV wurde 1897 gegründet. Er ist die gesamtschweizerische Berufs-, Wirtschafts- und Arbeitgeberorganisation der Unternehmungen des Hochund Tiefbaus sowie verwandter Zweige des Bauhauptgewerbes. Der SBV vertritt die überbetrieblichen Interessen seiner Mitglieder im Staat, in der Wirtschaft und in der Öffentlichkeit und engagiert sich namentlich in den Bereichen Arbeitgeberpolitik, Wirtschaftspolitik und Berufsbildung. Regelmässig handelt der SBV zudem mit den Gewerkschaften den Landesmantelvertrag, den Gesamtarbeitsvertrag für das Bauhauptgewerbe, aus. Der Baumeisterverband repräsentiert über 2600 Unternehmen als Arbeitgeber von rund 80 000 Mitarbeitern. Das vom hiesigen Bauhauptgewerbe jährlich generierte Umsatzvolumen beträgt rund 20 Milliarden Franken. Der SBV beschäftigt an seinen Geschäftsstellen in Zürich und Lausanne 72 Mitarbeitende.

An diesen Themen ist die Baubranche aktuell dran Künftige Fachkräfte sichern Die Zukunft stellt auch die Baubranche vor Herausforderungen. Sie muss sich gut aufstellen, damit sie auf die Bedürfnisse der Bevölkerung Antworten und Lösungen parat hat. Wenn sich die Arbeit auf der Baustelle ändert, dann bleibt das nicht ohne Einfluss auf die Berufsbilder. Auf dem Bau wird auch in Zukunft der Mensch im Mittelpunkt stehen. So braucht es Fachkräfte, die die neuen Prozesse verstehen, die digitalen Hilfsmittel anwenden und neue Materialen verarbeiten können. Die Baubranche passt aktuell in einem grossen und breit abgestützten Projekt die Ausbildung so an, dass den Bauunternehmen weiterhin gut ausgebildete Fachkräfte zur Verfügung stehen. Dabei wird einerseits das duale Bildungssystem gestärkt, andererseits werden aber auch Möglichkeiten geschaffen, damit interessierte Quereinsteiger in der Baubranche lohnende Zukunftsperspektiven finden.

Der Nachhaltigkeit verpflichtet Im Schweizer Gebäudepark schlummert das grösste Potenzial überhaupt, um mit Ersatzneubauten und Sanierungen die Energieeffizienz massiv zu verbessern und den CO2-Ausstoss zu senken. Die Baumeister verbessern ihre Prozesse und investieren in moderne Technologien, um der Kreislaufwirtschaft und der Nachhaltigkeit stärker Rechnung tragen zu können. Als Branchenverband unterstützt der SBV in Sachen Umweltschutz seine Mitgliedfirmen, unter anderem mit digitalen Tools oder gezielten Beratungen. Neben Ökologie und Wirtschaftlichkeit beinhaltet der Begriff Nachhaltigkeit stets auch eine soziale Komponente. In dieser Frage sind die Schweizer Bauunternehmer aus dem Bauhauptgewerbe klar ein Vorbild für andere Branchen. Sie zahlen nicht nur die höchsten Handwerkerlöhne und schaffen sehr gute Karrieremöglichkeiten, sondern offerieren auch die Möglichkeit, bereits mit 60 Jahren in Pension zu gehen. Das bietet kein anderer Berufsverband in der Schweiz. Story: Susanna Vanek


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NZZ am Sonntag 12. Januar 2020

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Innovation ist Chefsache

«Veränderung muss von oben kommen» Das St. Galler Software-Unternehmen Abacus Research arbeitet in der Schweiz mit über 44 000 Kunden zusammen. Claudio Hintermann, Gründer und CEO, sowie Marcel Kupferschmied, CEO der Tochterfirma Abacus Business Solutions, zeigen auf, wie die Digitalisierung die ganze Gesellschaft in ihren Grundfesten treffen wird. Die Digitalisierung verändert gerade die Welt. Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage? Claudio Hintermann: Ich schaue die Entwicklung in historischen Dimensionen an und würde von drei Epochen sprechen: Vom Pre-Printing-Zeitalter bis zur Erfindung der Druckmaschine durch Gutenberg und dann von der Epoche des bedruckten Papiers sowie der Vervielfältigung. Ohne die Druckmaschinen hätte Luther seine Thesen zur Reformation nicht verbreiten können. Und das gedruckte Wort hat auch die Industrialisierung erst möglich gemacht. In der Vergangenheit haben wir viele Prozesse auf Papier abgebildet. Jetzt steht die Gesellschaft vom Post-Printing-Zeitalter, in dem das Abbilden von Medien auf Papier verschwinden wird und sich jeder neu finden muss. Denn alle Prozesse werden anders ablaufen. Was bedeutet das im Detail? Hintermann: Das Hauptproblem besteht darin, die epochale Veränderung zu erkennen, die in einer Geschwindigkeit geschehen wird, wie man es noch nie gesehen hat. Als Folge daraus erfordert diese Entwicklung von allen ein fundamental anderes Denken – nicht mehr evolutionsmässig, sondern revolutionsmässig. Ein CEO muss kurzfristig Altes und Gewohntes vergessen, sodass er seine Firma im neuen Zeitalter richtig positionieren kann. Viele Leute verstehen nicht, dass wir am Ende einer Epoche stehen. Wenn eine Firma nur auf ihre Quartalszahlen schaut, dann optimiert sie bloss alte Prozesse. Wie sollten Unternehmen mit dieser Zei­ tenwende umgehen? Hintermann: In einer solchen Phase müssen Entscheide auf oberster Ebene gefällt werden. Wenn sie von unten kommen, werden sie von den Strukturen gebremst. Aufbau- und Ablauforganisation schützen sich selber und sorgen dafür, dass alles wie gewohnt funktioniert. Etwas Neues wird automatisch als Bedrohung angesehen, als falsch oder zu teuer bezeichnet. Deshalb muss Veränderung von oben kommen. Vielfach kann der

Kauf eines Start-ups die Lösung sein, weil die Abläufe im bestehenden Unternehmen Änderungen gar nicht zulassen. Gibt es negative Beispiele?

Marcel Kupferschmied: Schauen wir die Geschichte der Firma Kodak an, welche die digitale Fotografie erfunden hat. Der Denkanstoss kam damals von den Technikern. Das Management wollte aber weiter Chemie und Papier verkaufen. Was ist passiert? Kodak wurde innert kürzester Zeit vom Weltmarktführer zu einer unbedeutenden Firma in diesem Bereich. Ein weiteres Beispiel ist die Firma Nokia. Sie konnte den Paradigmenwechsel zum Smartphone nicht abdecken und verpasste deshalb als führende Marke den Anschluss an die Konkurrenz. Hintermann: Es braucht in einem Unternehmen ein spezielles Team, das von oben geführt ist und neue Wege sucht. Dabei muss zum Teil auch das eigene Business hinterfragt werden. Und irgendwann muss man entscheiden, ob man die Konkurrenz von innen zulassen oder darauf warten will, bis ein anderes Unternehmen kommt und alles besser macht. Wie gehen Sie intern mit solchen Situa­ tionen um? Hintermann: Bei uns funktioniert es gut, weil Entscheide zur Veränderung auf höchster Ebene getroffen werden. Wenn der CEO einen Entscheid fällt, dann ist es schwierig, Widerstand zu leisten. Wenn aber der Anstoss aus einer Abteilung kommen würde, wären auch bei uns die Widerstände gross. Zudem haben wir den Vorteil, eine private Firma zu sein. Ein börsenkotiertes Unternehmen mit Shareholder Value muss immer auch das nächste Quartal und den Aktienkurs im Auge haben. So wird vielfach kurzfristig der Erfolg gesucht, statt langfristig investiert. Im Moment sind wir in einer disruptiven Phase, die sich rasend schnell entwickelt. Die industrielle Revolution ging wesentlich langsamer vonstatten. Wir sind mit einem Phänomen konfrontiert, das wir psychologisch

Hintermanns und Kupferschmieds Selbsteinschätzung Wie digital fit sind Sie selbst?

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Wie digital fit ist Ihre Firma?

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Wie sehr disruptieren neue Technologien Ihre Branche? Wie sehr investieren Sie in die technologische Zukunft? Skala: 1 = Tiefstwert / 10 = Höchstwert

Claudio Hintermann (rechts), Gründer und CEO des Software-Unternehmens Abacus Research, und Marcel Kupferschmied, CEO der Tochterfirma Abacus Business Solutions: Die inhabergeführte Gruppe mit Sitz in St. Gallen beschäftigt über 460 Mitarbeitende und entwickelt seit mehr als 30 Jahren betriebswirtschaftliche Software für Unternehmen. FOTO: MICHELE LIMINA

«Es steht sehr viel auf dem Spiel, denn im Moment entsteht eine neue Welt.»

kaum erfassen können und das jeden Industriesektor betrifft. Dabei wird es Gewinner und Verlierer geben.

Kupferschmied: Bei uns ist Claudio Hintermann als CEO einer der Treiber mit innovativen Ideen, die er einem Team zur Weiterentwicklung übergibt. Vielfach ist er dann beeindruckt, dass daraus etwas noch Besseres entstanden ist. So werden Ideen zwischen verschiedenen Teams ausgetauscht, bis ein neues Produkt entsteht. Ich bin davon überzeugt, dass in den nächsten fünf bis zehn Jahren unsere Gesellschaft durch die Digitalisierung stärker verändert wird, als es in den letzten 30 Jahren der Fall war. Wenn sich ein Unternehmen nicht bewegen will oder kann, wird es diese Phase nicht überleben. Was waren die Hauptentwicklungen in den letzten 30 Jahren? Hintermann: Die Prozesse haben sich grundsätzlich nicht geändert, aber sie wurden rationalisiert. Wir haben beispielsweise die Buchführung von manuell auf maschinell umgestellt. Hier wurde jedoch nur der Papierprozess abgebildet. In Zukunft gibt es wegen den veränderten Prozessen nichts mehr auf Papier. So muss die Software im Hintergrund ein ganz anderes Problem lösen als bis jetzt – und dies erst noch in Echtzeit, ortsunabhängig und sehr schnell. In der Baubranche ist es extremer. Da muss CAD mit der Berechnungslogik verbunden werden. Dadurch wird die Verschmelzung von bisher eigenständigen Produkten Realität.

Was kommt in den nächsten Jahren kon­ kret auf die Baubranche zu? Kupferschmied: Computer anschaffen, aber die Prozesse gleich lassen. Das wurde in der Baubranche lange Zeit unter Digitalisierung verstanden. Offerten wurden ausgedruckt und verschickt, ein Aussendienstvertreter besuchte die Kunden und nahm Bestellungen auf. Diese Prozesse werden verschwinden. Unstrukturierte Daten bekommen eine Struktur. Der Computer lernt immer mehr und löst Prozesse selber aus. In der Bauindustrie ist das Verständnis, dass die Daten das Gold der Zukunft sind, noch nicht überall angekommen. Bei einem Hausbau sind etwa 40 Handwerker involviert. Wenn drei Jahre später ein Wasserschaden auftritt, kommt ein Handwerker vorbei und schaut, wo es tropft. Er hat kein Dossier und keine BIM-Angaben – es fehlt ihm die gesamte Historie des Kunden und des Gebäudes. In Zukunft wird der Handwerker über viel mehr Informationen verfügen und von sich aus anrufen, weil zum Beispiel der Boiler entkalkt werden muss. Diese Informationen stellen wir bei Abacus Business Solutions über unsere ganzheitliche Abacus-ERP-Lösung zur Verfügung. Hintermann: Unabhängig von der Branche gibt es zwei grosse Tendenzen. Daten und Prozesse werden integriert, standardisiert und in Echtzeit verarbeitet. Eine Kreditanfrage bei einer Bank wird sofort beantwortet. Nur wer den Übergang in die Echtzeit-Epoche schafft, hat eine Zukunft. Bei der Planung eines Hauses will ich doch sofort auch die Abrechnung sehen und wissen, was es kostet. Digital heisst nicht, ein PDF zu erstellen und dieses per E-Mail zu verschicken. Ein PDF ist zweidimensional, die Daten sind jedoch mehrdimensional. Kupferschmied: Viele Handwerker erledigen noch heute die Büroarbeit eher widerwillig und am Wochenende. Investitionen in die IT sind unbeliebt, dabei gehört ihr die Zukunft. Auf der Baustelle ist das Optimierungspotenzial nicht so gross, aber im Büro ist es enorm. Wir reden von 20 bis 30 Prozent Effizienzsteigerung, wenn mit einer durchgängigen Software gearbeitet wird, die alle Abläufe automatisiert und dezentrales Arbeiten ermöglicht.

Was spürt man von dieser Gesamtent­ wicklung schon? Hintermann: Im Moment entstehen weltweit Wissenszentren – in Zürich, Dubai, New York, Singapur und Mailand. Alle suchen die besten Talente. Um relevant zu bleiben, muss ein solcher Wissens-Hub sein, wo Firmen gegründet werden, welche die nächste Epoche mitgestalten. Es steht sehr viel auf dem Spiel, denn im Moment entsteht eine neue Welt. Banken und Versicherungen, wie wir sie heute kennen, wird es in zehn, zwanzig Jahren nicht mehr geben. Und das Smartphone wird als Endgerät noch wichtiger, als es heute schon ist. Was sind die langfristigen Folgen davon? Hintermann: Die Megatrends zu verstehen, ist entscheidend. Es stellt sich auch die Frage, ob das Ende der Demokratie naht. Gutenberg beendete die Vormachstellung des Katholizismus. Demokratie und Kommunismus sind Resultate der industriellen Revolution. Es ist gut möglich, dass sich in der neuen Epoche wieder einiges grundlegend verändern wird. Ich glaube zum Beispiel, dass es in der neuen Welt keine Vollbeschäftigung mehr geben wird. Die Maschinen werden die Arbeiter zunehmend ersetzen, was dazu führt, dass immer mehr Jobs wegfallen. Das wird Auswirkungen auf das Sozialsystem und die Gesellschaft haben. Und plötzlich ist ein bedingungsloses Grundeinkommen wieder ein politisches Thema. Interview: Michael Baumann

Unsere Vision 2050 … «Handwerk wird immer noch goldenen Boden haben. Es wird aber moderner und einfacher gebaut. Normierung und Vorfertigung werden an Bedeutung gewinnen, wobei fixfertige Bauteile in China hergestellt werden. Und die Visualisierung mit Augmented Reality wird bei der Planung und im Verkauf wichtiger. Offerten lassen sich viel genauer erstellen, weil man den Zeitaufwand besser budgetieren kann.»


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NZZ am Sonntag 12. Januar 2020

Überlegungen dürfen hier nicht fehlen. Deshalb beziehen wir die Bevölkerung mittels Beteiligungsverfahren in den Entwicklungsprozess mit ein. Das bewährt sich. Wir holen die Bedürfnisse der Anwohnerinnen und Anwohner ab und schaffen Räume, die die Lebensqualität im Quartier erhöhen. So konnten wir gemeinsam mit dem Kanton Basel-Stadt beim Meret Oppenheim Hochhaus einen Aussenraum mit Brunnen und Skulptur nach einem Entwurf der namensgebenden Künstlerin realisieren. Der neue Quartiertreffpunkt wird von der Bevölkerung sehr gut angenommen und in der warmen Jahreszeit rege genutzt.

Alexander Muhm ist Mitglied der Konzernleitung der Schweizerischen Bundesbahnen und Leiter von SBB Immobilien. Die Geschäftssparte baut Bahnhöfe und angrenzende Areale zu vielseitigen Dienstleistungszentren und Stadtquartieren aus – eine nachhaltige Entwicklung mit viel Verantwortung für die Schweiz der Zukunft. FOTO: MICHELE LIMINA

Innovative Grossprojekte

«Wir werden spätestens 2030 klimaneutral sein» Alexander Muhm, Mitglied der Konzernleitung der Schweizerischen Bundesbahnen und Leiter von SBB Immobilien, verwaltet eines der interessantesten Immobilienportfolios des Landes. Mit einer Vielzahl von Massnahmen bei Sanierung und Neubau macht die SBB ihre Gebäude fit für eine nachhaltige Zukunft. Herr Muhm, wie nachhaltig sind die SBB? Alexander Muhm: Die Bahn ist das klimafreundlichste Transportmittel und stösst deutlich weniger CO2 aus als alle anderen motorisierten Verkehrsträger. Die SBB tragen erheblich zur Umsetzung der Energiestrategie 2050 des Bundes bei, unter anderem mit ihren schweizweit über 3500 Gebäuden. Wie optimieren Sie denn die Nachhaltigkeit Ihrer Immobilien? Wir setzen unsere Schwerpunkte in den Bereichen Klimaschutz, Energiesparen, nachhaltiges Bauen und Kreislaufwirtschaft. Beim Klimaschutz senken wir die CO2-Emissionen, reduzieren die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und fördern erneuerbare Energien wie Photovoltaik. Energie sparen wir, indem wir die Gebäudeeffizienz durch Sanierungen steigern. Beim nachhaltigen Bauen halten wir uns an den umfassenden Standard «DGNB» der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen. Damit optimieren wir unsere Objekte anhand von über 40 Nachhaltigkeitskriterien. Dazu gehören Themen wie Dachbegrünung, Ökobilanzierung, graue Energie, die Nutzungsflexibilität oder die Rezyklierbarkeit der eingesetzten Materialien. Sie haben auch die Kreislaufwirtschaft erwähnt. Worum geht es da? Wir entsorgen jährlich über 40 000 Tonnen Abfall und betreiben einen grossen Aufwand für das Trennen und Recyceln. Wir stellen den Reisenden in unseren Bahnhöfen über 1400 Recyclingstationen zur Verfügung. Hier darf ich den Reisenden ein grosses Kompliment machen: Der Verunreinigungsgrad

bei den einzelnen Abfallsorten wie PET oder Papier ist sehr niedrig, sodass wir kaum nachsortieren müssen. Das ökologische Bewusstsein ist tief in der Schweizer Gesellschaft verwurzelt. Damit leisten wir alle einen Beitrag zu einer nachhaltigen Schweiz. Für die kommenden Jahre haben wir uns zudem vorgenommen, das Thema Kreislaufwirtschaft weiter zu entwickeln. Wir werden unsere Baumaterialien analysieren, um gezielter Aussagen über nachhaltige Sanierungen oder den Rückbau tätigen zu können. Wie gehen Sie bei den bestehenden Bauten vor, um sie klimafreundlicher zu machen? Wir ersetzen beispielsweise jedes Jahr rund 30 Ölheizungen durch fossilfreie Alternativen. Bis 2030 werden wir in unseren Bahnhöfen und übrigen Gebäuden keine Öl- oder Gasheizungen mehr betreiben. Wir setzen auf Holzpellets, Wärmepumpen oder Fernwärme – je nachdem, was für lokale Möglichkeiten bestehen. Seit 2015 haben wir über 100 Heizungen ersetzt. Dadurch sparen wir jährlich über 1,3 Millionen Liter Heizöl. Zu den baulichen Massnahmen gehören energetische Dach-, Fenster- und Fassadensanierungen. So bringen wir eine Immobilie nach der anderen auf den Stand der Technik. Der Strom für unsere Gebäude stammt seit 2019 zu 100 Prozent aus Wasserkraft und ist somit vollständig erneuerbar. Welche Resultate können Sie schon vorweisen? Im Vergleich zu 2011 sparen wir jährlich 48 Gigawattstunden Energie. Dies entspricht dem Energieverbrauch von rund 11 000 Haushalten. Wir befassen

«Für die kommenden Jahre haben wir uns vorgenommen, das Thema Kreislaufwirtschaft weiter zu entwickeln.»

uns schon seit 2010 mit der ökologischen Nachhaltigkeit und haben uns ambitionierte Ziele gesetzt. Die Strategie wurde laufend den aktuellen Erkenntnissen angepasst. Vor zehn Jahren war der Holzbau noch wenig aktuell und die Photovoltaik weniger leistungsfähig als heute. Hier sind wir in den letzten Jahren viel aktiver geworden. Das neue Energiegesetz macht den Eigenverbrauch, das heisst den Konsum des selbst produzierten Solarstroms, deutlich einfacher und kostengünstiger. Daher werden wir die Photovoltaik stark ausbauen und bis 2030 rund 30 Gigawattstunden Sonnenstrom produzieren. Sind Sanierungs- und Modernisierungsmassnahmen aufgrund des Denkmalschutzes immer möglich? Der bewusste Umgang mit unserem Bauerbe ist für uns Teil der sozialen Nachhaltigkeit und einer unserer Beiträge zur hohen Baukultur der Schweiz. Hier gilt es Kompromisse zu finden und mit Bedacht abzuwägen – denn der Grossteil unserer Bahnhöfe ist denkmalgeschützt. Die Zusammenarbeit ist in der Regel aber problemlos und zielführend. Ein gutes Beispiel ist die alte Sihlpost in Zürich, die für die Europaallee identitätsstiftend ist. Die thermische Sanierung konnte im Gebäudeinnern vollzogen und die Fassade ohne formale Eingriffe belassen werden. Das ist für mich gelebter Denkmalschutz. Welche Ideen verfolgen Sie bei Neubauten? Nachhaltigkeitskriterien sind bei uns integrierender Teil des Planungs- und Bauprozesses. Auch gesellschaftliche

Können Sie aktuelle Beispiele von nachhaltigen Bauprojekten nennen? Ja, beispielsweise das Dreijohann in Basel. Hier planen wir einen Holzbau mit 70 Wohnungen, das Holz kommt grösstenteils aus der Schweiz. Die Elemente werden industriell unter besten Arbeitsbedingungen vorgefertigt und auf der Baustelle zusammengefügt. Das wirkt sich positiv auf die Fertigungsqualität aus. Deshalb bin ich ein grosser Verfechter des modularen Bauens. Ein anderes Beispiel ist der Andreasturm in Zürich, für den wir das Zertifikat «DGNB Platin» entgegennehmen durften. Das ist die höchste Auszeichnungsstufe dieses ambitionierten Standards, der bei allen unseren Neubauprojekten zum Einsatz kommt. In welcher Grössenordnung tragen die Massnahmen bei den Immobilien zur Erreichung der Gesamtenergieziele der SBB bei? Der Hauptbeitrag zum Konzernziel der ökologischen Nachhaltigkeit kommt vom Personenverkehr und von der Infrastruktur. Wir haben in der Konzernleitung entschieden, bis 2025 jährlich rund 600 Gigawattstunden Energie einzusparen – das entspricht dem Energieverbrauch von 150 000 Haushalten. Mit den Immobilien werden wir gut 10 Prozent dazu beitragen. Wesentlich grösser ist unser Beitrag bei der Reduktion der CO2-Emissionen. Mit den Gebäuden verursachen wir momentan rund ein Drittel der CO2-Emissionen der SBB. Wir tragen mit den besprochenen Reduktionsprogrammen bis 2030 massgeblich zur Klimaneutralität der SBB bei. Wo liegt der grösste Hebel, mit dem Sie bei den Immobilien den Energiebedarf und die Klimaemissionen reduzieren können? Beim Ausstieg aus der fossilen Energie – hier werden wir spätestens 2030 klimaneutral sein. Wir wollen aber auch den energetischen Fussabdruck unserer Gebäude weiter reduzieren. Wo technisch möglich und betrieblich sinnvoll, werden wir den Energieverbrauch weiter optimieren. Weitere Hebel sehe ich bei der innerstädtischen Verdichtung, an Orten mit öffentlichem Verkehr und bei der Kreislaufwirtschaft. Interview: Michael Baumann

Digitalisierung Zur Rolle der Digitalisierung erklärt Alexander Muhm: «Sie bringt zweifellos viele Vorteile, sie ist aber nicht per se grün. Unsere Herausforderung wird es sein, die Digitalisierung klimaneutral zu nutzen. Wir setzen die Mittel der Automatisation ein, um Schwachstellen zu erkennen und die Immobilien effizienter zu bewirtschaften. In leeren Büros muss kein Licht brennen und die Lüftung kann reduziert oder komplett ausgeschaltet werden. Deshalb müssen die Gebäude aus der Benutzung ‹lernen› und entsprechend reagieren, um keine Energie zu verschwenden. Mit der Weiterentwicklung der Leit-, Steuer- und Regeltechnik lässt sich diesbezüglich noch viel erreichen – auch bei der Sanierung von Bestandsobjekten. So machen wir beispielsweise den rund 100-jährigen denkmalgeschützten Südtrakt des Hauptbahnhofs Zürich bis 2023 fit für die Zukunft. Gebäudetechnisch handelt es sich dabei um einen Neubau. Gleiches gilt für den Westflügel des Bahnhofs Basel, den wir 2021 unseren Reisenden zur Benutzung zurückgeben.»


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Innovation Leader

Smart aus Tradition

Innovation Leader

BEST OF SWISSBAU INNOVATION LAB

Schlüssel für alles Mit digitalen Zutrittssystemen schafft das weltweit tätige Schweizer Unternehmen dormakaba die Voraussetzungen, um Immobilien nahtlos in die Ökosysteme der Zukunft einzubinden. Der Schlüssel der Zukunft hängt nicht mehr klirrend am Schlüsselbund, sondern ist integriert in eine SmartphoneApp, die deutlich mehr kann, als bloss eine Türe zu öffnen. Die dormakaba Gruppe gehört weltweit zu den führenden Anbietern von Zugangssystemen und Sicherheitslösungen. Das Unternehmen mit Sitz in Rümlang bietet schon heute eine Reihe raffinierter digitaler Systeme an, die sich nahtlos in die jeweilige Umgebung einfügen. Der sogenannte Mobile Key spielt dabei buchstäblich eine Schlüsselrolle. Andreas Häberli, Chief Technology Officer und Mitglied der Konzernleitung von dormakaba, nennt als Beispiel das Hotelgeschäft, bei dem die Zutrittskarte zunehmend durch eine SmartphoneApp ersetzt wird: «Wir haben mit den Marriott Hotels eine Lösung entwickelt, mit der ein Gast zunächst seine Reservation tätigt. Als nächstes erhält er eine Nachricht, sobald sein Zimmer bereit ist, und kann es dann über die App öffnen.» Während das Hotel-Beispiel bereits funktionierende Realität ist, sehen Häberli und sein für das Schweizer Geschäft zuständige Kollege Stefan Ammann neue Bereiche, die in naher Zukunft entstehen oder weiter wachsen. Schon heute ist es relativ einfach möglich, ein klassisches Schloss durch einen Digitalzylinder zu ersetzen: «Ich wohne in einem zwanzig Jahre alten Einfamilienhaus, und wir haben vor einiger Zeit unser al-

tes Türschloss durch einen Digitalzylinder ersetzt. Dafür braucht es nicht mehr als eine durchschnittliche handwerkliche Begabung», sagt Ammann. «Meine Töchter können jetzt zum Beispiel ihren Freunden via App Zugang zum Haus gewähren, aber die Berechtigung kann auch leicht wieder entzogen werden.»

Wirtschaftlicher Faktor Was im Einfamilienhaus bereits Vorteile hat, wird im grösseren Massstab zum interessanten wirtschaftlichen Faktor: Digitale Schlösser in Wohnliegenschaften etwa vereinfachen viele Abläufe wie Mieterwechsel, die Zutrittsberechtigungen für Handwerker, Spitex-Dienste oder Lieferanten. Selbst das Parkplatzmanagement kann integriert werden. Wenn Teilen wichtiger wird als Besitzen, können Vermieter zum Beispiel bei Bedarf Parkplätze für Mobility-Autos tageweise vermieten und digital managen. Oder sie stellen Sharing-Anbietern Flächen zur Verfügung: Verwaltung, Zugang und Abrechnung werden durch die digitale Schlüsseltechnologie vereinfacht. Die Liegenschaftenverwalterin Livit etwa arbeitet heute schon mit Lösungen von dormakaba, die Prozesse effizienter machen. Auch Mieter oder Wohnungsbesitzer profitieren von Digital Keys. So können berufstätige Eltern ihre Kinder via App schon vor ihnen ins Haus lassen, und ältere Personen sind in der Lage, ohne

Um sich einen vollständigen Durchblick zu verschaffen, war und ist Jean-Marc Devaud im wahrsten Sinne gefordert. Seit August 2019 ist der 55-Jährige beim Zentralschweizer Fenster- und Fassadenbauunternehmen 4B als CEO engagiert. Dies als Branchenneuling, denn zuvor leitete Devaud erfolgreich eine Division des global tätigen Live-Marketing-Unternehmens MCH Group. Und er hatte dabei herzlich wenig mit Fenstern und Fassaden zu tun. Mit der 120-jährigen Firmengeschichte der einst aus einer Schreinerei entstandenen 4B habe er sich deshalb erst intensiv auseinandersetzen müssen, sagt Devaud. Der erfahrene Manager lernt schnell, auch deswegen wurde er von 4B engagiert. Nicht, um selbst Fenster und Fassaden zu bauen, sondern um den Schweizer Marktführer mit strategischem Geschick durch eine höchst spannende Transformationsphase zu führen. Denn die gesamte Baubranche steckt derzeit mitten in einem epochalen Wandel. Digitalisierung, Energieeffizienz und «Smart Living» sind die grossen Innovationstreiber der Stunde. «4B soll und wird hier ganz vorne mitspielen», so die Überzeugung des CEO. Vom Leistungsausweis der mit TopExperten gespickten Forschungs- und

Entwicklungsabteilung des Unternehmens mit total 680 Mitarbeitenden hat er sich eingehend überzeugt – und ist schwer beeindruckt. 4B hat in den vergangenen Jahrzehnten diverse Patente angemeldet und die Entwicklung von Branchenstandards hauptsächlich geprägt.

Innovation zur Differenzierung Innovation ist für Jean-Marc Devaud das tauglichste und auch das einzige Mittel zur Differenzierung im Markt. 4B tüftelt und entwickelt deshalb mit Hochdruck an der nächsten Fenstergeneration. «Wir werden in absehbarer Zeit innovative Fenstersysteme auf den Markt bringen, die neben einer Top-Energieeffizienz dem Trend zum ‹Smart Living› gerecht werden.» Schon heute befasst sich 4B mit der BIM-Methode (Building Information Modeling). Bei grösseren Ausschreibungen kommt dem Unternehmen jedoch nicht nur die digitale Fitness zugute, sondern auch seine Kernkompetenz aus der Tradition. So setzt etwa der gewaltige Neubau des Kinderspitals in Zürich auf die Expertise der ursprünglichen Schreinerei und lässt sich von 4B die Fenster- und Fassadenelemente in Pfosten-Riegel-

Potenziale beim Klimaschutz Dynamik und Innovationskraft stehen bei 4B im Fokus, was in Anbetracht des enormen Preisdrucks in der Branche notwendig ist. «Verschiedene Mitbewerber, auch aus dem Ausland, wollen den Fenster- und Fassadenmarkt gegenwärtig mit teils ruinösen Dumpingtarifen aufmischen», beobachtet Devaud und wird dadurch in seiner Vorwärtsstrategie für 4B zusätzlich bestärkt. Als zweite Herausforderung nennt er den akuten Fachkräftemangel in der Branche. «Wir müssen es hinkriegen, dass wieder mehr junge Leute den Weg in unsere tolle Branche finden.» Argumente dafür gibt es genug, zumal die bevorstehenden Marktentwicklungen ebenfalls in digitaler Hinsicht neue und spannende Jobprofile in Aussicht stellen. Auch an Arbeit und Aufträgen wird es 4B in Anbetracht des nach wie vor aktiven Neubaumarkts künftig kaum fehlen. Bei Sanierungen identifiziert Devaud derweil gewaltige brachliegende Potenziale. «Wenn der Bund zur Einsicht käme, dass Klimaschutz im Gebäudebereich nicht nur durch Subventionen zur Abkehr von Heizöl, sondern genauso durch grossflächige Fensterrenovierungen zu erreichen ist, wäre das nicht nur aus unserem Eigeninteresse ein grosser Schritt in die richtige Richtung.» Auch dieser Thematik will sich der CEO im neuen Jahr noch intensiver zuwenden. Story: Robert Wildi

physischen Aufwand einem Pflegedienst Zutritt zu geben. Einem Paketboten kann der Zugang bis ins Treppenhaus oder sogar bis hinter die eigene Wohnungstür gewährt werden. Dabei geht es nicht nur um den eigentlichen Vorgang des Aufund Zuschliessens: Durch die Cloud-basierte Software ist jederzeit nachzuverfolgen, wer wann ein Objekt betreten und wieder verlassen hat.

Erhöhte Sicherheit So ergeben sich vier Bereiche, in denen ein digitales Zutrittssystem sehr viel vorteilhafter ist als ein Schlüssel, der unter der Fussmatte oder im Briefkasten versteckt wird: Mieter können die Türe zu ihrer Wohnung selber managen. Vermieter erhalten effiziente Lösungen etwa bei Mieterwechseln oder für das Parkplatzmanagement. Dienstleister wie Reinigungsfachleute oder Pflegepersonal erhalten einfach Zugang. Und schliesslich ist das System auch in Notfällen vorteilhaft. Die Sicherheitsfrage ist für Andreas Häberli zentral: «Wir sprechen hier von einem subjektiven Sicherheitsempfinden. Eine digitale Lösung ist besser zu überwachen und zu steuern als ein hinterlegter oder weitergegebener physischer Schlüssel. Die Daten für unsere On-Demand-Systeme, die bei vernetzten Lösungen zum Einsatz kommen, werden in einer Swisscom-Cloud verarbeitet und sind vor unberechtigtem Zugriff bestens geschützt», erklärt der CTO von dormakaba. Dass digitale Zutrittssysteme mehr sind als App-basierte Schlüssel, die via Bluetooth Türen öffnen können, zeigt sich auch am Beispiel der zunehmenden Co-Working-Spaces, in denen sich freischaffende Dienstleister auf Zeit einmieten. Die Lösungen von dormakaba erlauben es dem Anbieter, solche Arbeitsflächen ohne Rezeption zu steuern, und selbst Kopiergeräte oder Kaffeemaschinen lassen sich damit verwalten. Höhere Flexibilität, bessere Kontrolle, vereinfachte Abläufe – der Digital Key ist der Schlüssel zur Zukunft. Story: David Schnapp

FOTO: PD

Jean-Marc Devaud ist CEO des Fenster- und Fassadenbauunternehmens 4B.

FOTO: PD

Einst waren sie klein, hässlich, undicht. Heute sind sie imposant, lichtspendend und optimal isolierend. Der Fensterbau hat eine bewegte Geschichte, mitgeschrieben vom Schweizer Marktführer 4B, der in Zeiten von «Smart Living» an der Entwicklung einer neuen, intelligenten Fenstergeneration tüftelt.

Bauweise aus Holz fertigen. Zeitgleich hat das Unternehmen in seinen Zentralschweizer Entwicklungslabors ein hochmodernes Modulsystem namens «Synfinity» entwickelt, das selbst mit den ausgefallensten Wünschen und Eigenkreationen von Architekten kompatibel ist. «Im Rahmen dieses filigranen Programms können wir zum Beispiel exklusive Räume mit variablen Eckzusammenbauten bestücken. Diese Innovation erfüllt die hohen Ansprüche an Licht, Design und Komfort», erklärt Devaud.

Die Haus- oder Wohnungstüre lässt sich per App auf dem Smartphone öffnen.


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Ökosystem und Innovation

«Wir müssen bereit sein, uns radikal zu verändern» Ein Architekturbüro wie Burckhardt+Partner befindet sich in einem Spannungsfeld zwischen noch sehr analoger Baustelle und digitaler Planung. Oliver Schmid, stellvertretender Vorsitzender der Geschäftsleitung, und Wolfgang Hardt, Mitglied der Geschäftsleitung, erklären, was das bedeutet und wie sie das Unternehmen fit für die Zukunft machen. Sieben ihrer Fachleute veranschaulichen diese Innovation anhand von Anwendungsbeispielen.

Wie meinen Sie das konkret? Hardt: Wir müssen Entscheidungen viel schneller und mutiger fällen, oft auch ins Ungewisse, und uns viel agiler verhalten. Das heute Aktuelle wird mor­ gen bereits überholt sein. Deshalb müs­ sen wir eine positive Fehlerkultur sowie eine komplett neue Art der Führung eta­ blieren. Es braucht andere Entschei­ dungsprozesse, ein anderes Denken und Handeln. Ich bin davon überzeugt, dass wir in unserer Branche nur mit radikalen Veränderungen etwas erreichen können.

Integrated Project Delivery Philipp Seer, Digital Change Management

«Das Streben nach iterativer Optimierung wird zunehmend durch ein grundlegendes Neudenken von Abläufen und Leistungen bereichert. Integrated Project Delivery ist ein gutes Beispiel. Der integrale Planungsansatz basiert auf einem technologiegestützten Rahmenwerk, das mit neuen Vertragsmodellen gekoppelt wird. Ziele werden vom Bauherrn, den Planern und den ausführenden Unternehmern gemeinsam definiert und an ein Bonus-Malus-System gebunden. Ich sehe grosses Potenzial in solchen Ansätzen, da bestehende Abhängigkeiten systematisch aufgelöst und somit neue digitale Abläufe ermöglicht werden.»

Schmid: Was die Technologie betrifft, ist der Wandel vor allem bei der Software ausserordentlich rasant. Updates hat es immer gegeben, aber heute passiert alles viel schneller und auf allen Ebenen gleich­ zeitig. Diese Gleichzeitigkeit in Verbin­

dung mit dem Tempo ist einer der zentra­ len Aspekte der laufenden Entwicklung.

FOTO: MICHELE LIMINA

Die Digitalisierung betrifft auch Ihre Branche stark. Welches sind die wichtigsten Auswirkungen? Oliver Schmid: Ganz klar die verän­ derten Prozesse, die eine direkte Aus­ wirkung der digitalen Entwicklung sind und uns stark fordern. Prozesse müssen neu gedacht werden, Rollen und Spielre­ geln verändern sich. Alles wird interdis­ ziplinärer. Und man arbeitet auf offenen Plattformen als Drehscheibe digitaler Ökosysteme. Wolfgang Hardt: Wir müssen uns be­ wusst werden, dass sich aktuell alles im Wandel befindet. Wir müssen das erst einmal verstehen, den Umgang damit lernen und die Folgen dieser Entwick­ lung managen. Das hat weniger mit Technologie zu tun, vielmehr ist das Kopfsache. Schmid: Eine Folge des Wandels bei zunehmender Geschwindigkeit ist die Instabilität des Systems. Natürlich gab es Wandel, etwa als CAD eingeführt wur­ de. Aber das waren einfach neue, elekt­ ronische Werkzeuge. Jetzt haben wir nicht nur andere Tools, sondern gleich­ zeitig neue Werte, Rollen, Prozesse – ein sich wandelndes Berufsbild.

Wie gehen Sie damit um? Schmid: Entscheidend ist, breit gefä­ chert zu denken, daraus aber die richtigen und der Organisation zumutbaren Schritte abzuleiten und umzusetzen. Hardt: Ich vergleiche unser eher grosses Büro und die damit verbunde­ nen Strukturen gern mit einem Ozean­ dampfer. Schnell vom Kurs abzuwei­ chen ist nahezu unmöglich. Um den aktuellen Entwicklungen proaktiv zu begegnen, haben wir diverse Experten­ gruppen etabliert. Verglichen mit dem Ozeandampfer sind dies unsere experi­ mentierfreudigen und agilen Speed­ boote.

Oliver Schmid (links), stellvertretender Vorsitzender der Geschäftsleitung, und Wolfgang Hardt, Mitglied der Geschäftsleitung, erklären den innovativen Ansatz der digital@BP-Struktur von Burckhardt+Partner, mit dem die 400 Mitarbeitenden an acht Standorten in der Schweiz und in Deutschland vernetzt arbeiten.

Parametric Design Periklis Kyriakidis, Architekt

«Die Arbeit des Architekten ist seit jeher system- und parameterbezogen. Die Einführung der Informationstechnologie in unsere Prozesse lässt uns parametrische Systeme auf eine digitale Weise aufbauen. Daraus entsteht Parametric Design, womit wir schnell komplexe und früher undenkbare Formen generieren und fabrizieren lassen können. So konnte Burckhardt+ Partner beispielsweise die komplexe, gekurvte Form eines Auditoriums parametrisch konzipieren und anfertigen.»

Wie weit sind Sie schon gekommen? Hardt: Wenn ich zurückdenke, was wir über die letzten Jahre angegangen, verändert und neu etabliert haben, stel­ le ich eine grosse Entwicklung fest. Un­ ser Weg war bis anhin sicherlich nicht einfach und folgte auch keiner Idealli­ nie, sondern war eher ein Annäherungs­ prozess mit vielen unterschiedlichen Versuchen. Viele Beteiligte mussten die Komfortzone und bekanntes Terrain verlassen. Für uns hat er sich aber als der richtige Weg herausgestellt, der zu einer für uns zugeschnittenen Ablaufor­ ganisation geführt hat, unserer soge­ nannten digital@BP-Struktur. Wie sind Sie da vorgegangen? Hardt: Unsere digitale Ablauforgani­ sation ist das Produkt aus verschie­ denen Versuchen und Erkenntnissen sowie aus den Bedürfnissen unserer Projekte und Teams. Auch das ist eine wichtige Erkenntnis: Jedes Unterneh­ men muss für sich die passgenaue Her­ angehensweise und Methodik finden. Schmid: Wir haben ein von der Stand­ ortorganisation unabhängiges soge­ nanntes Digital Panel implementiert. Es setzt sich zusammen aus einem Vertre­ ter des Virtual Design & Construction (VDC), der Information & Communica­ tions Technology (ICT), einem erfahre­ nen Projektleiter sowie einem Experten

im Bereich Digital Change Management. Ergänzt wird das Panel durch themen­ bezogene, interne Fachleute. Daneben gibt es ein Digital Board, das Vorgaben macht und über Anträge aus dem Panel entscheidet. Man könnte es als eine Art Legislative bezeichnen. Zum Board gehören ein Ausschuss der Geschäfts­ leitung, der ICT-Verantwortliche, ein Delegierter aus dem Panel, das Digital Change Management sowie optional Experten je nach Thema.

VDC-Manager Ulrich Prestle, VDC-Manager

«In der digital@BP-Struktur ist der VDC-Manager verantwortlich für die Leitung, Schulung und Überwachung der VDC-Teams gemäss dem unternehmensweiten entwickelten Standard. Wesentlich ist auch die Unterstützung und Beratung der Geschäftsleitung sowie der Projektleitung bei der Implementierung des gesamten BIM-Prozesses von der Vertragsverhandlung über die Koordination der BIM-Projektverantwortlichen, der Definition der BIM-Leistung bis zur Begleitung der Projektteams.»

Und wie funktioniert dieser Prozess konkret? Hardt: Die digital@BP-Struktur be­ schäftigt sich in den verschiedenen Be­ reichen mit diversen aktuellen Themen und Bedürfnissen aus unseren Projek­ ten, aber auch mit eigenen Spezialauf­ gaben, forscht und entwickelt in neuen Bereichen, die bei Erfolg und Bedarf dann in unsere Gesamtstruktur ein­ fliessen. Schmid: Das Digital Board und letzt­ lich die Geschäftsleitung müssen manchmal über Themen und Anträge entscheiden, für welche die eigene technische Expertise nicht ausreicht. Dabei müssen wir uns auf die Fachleute verlassen können und vor allem Ziele definieren. Es geht grundsätzlich dar­ um, unsere Teams im digitalen Bereich derart weiterzubringen, dass Wirkung erzielt wird im operativen Kernge­ schäft, das heisst in der Abwicklung un­ serer Projekte. Es ist eine grosse Her­ ausforderung, die in diesem Sinn rich­ tigen Entscheidungen zu treffen und sich nicht in den fast unermesslichen Möglichkeiten neuer Methoden und Tools zu verlieren. Unsere im letzten Sommer eingeführte digital@BP-Struk­ tur hat meine hohe Erwartungshaltung bisher erfüllt. Ich denke, dass diese In­ novation im Hinblick auf die digitale Transformation eines Planungsbüros ziemlich einzigartig ist. Wie würden Sie daraus folgend das Architekturbüro 4.0 bezeichnen? Hardt: 4.0 bedeutet, dass wir alle ak­ tuellen Veränderungen verstanden ha­ ben und so weit «state of the art» sind, was das Hier und Jetzt betrifft. Etwas vorwegnehmen können wir allerdings nicht, aber dennoch Vordenker oder Vorreiter unserer Branche sein.

Automatization Azuolas Bucas, Architekt

«Automatisierte Prozesse sind die Grundlage für intelligentes Arbeiten mit parametrischen und generativen Konstruktionen. Diese ermöglichen neue Effizienzansätze. Damit wird jeder architektonische Modellierungsprozess angegangen, der wertvolle Zeit einspart, die ansonsten für Wiederholungsprozesse benötigt würde. Dadurch bleibt Zeit, um sich den Planungsprozessen und der Architektur zu widmen. Die Automatisierungsmöglichkeiten bei Burckhardt+Partner wachsen exponentiell und folgen der Marktentwicklung der Branche. Denkweisen müssen überdacht und neu ausgerichtet werden. Dies bedingt eine Neubewertung dessen, wie Aufgaben angegangen werden und automatisiert werden können.»

«Das heute Aktuelle wird morgen überholt sein. Deshalb müssen wir eine positive Fehlerkultur etablieren.»


FOTO: ADRIANO A. BIONDO

FOTO: BURCKHARDT+PARTNER

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In seiner 69-jährigen Geschichte hat Burckhardt+Partner immer wieder ikonografische Architektur geschaffen. Der BIZ-Turm prägt seit den 1970er-Jahren die Silhouette von Basel.

«Neben aller Innovation muss aber auch das operative Geschäft laufen, sonst geht nichts mehr.»

Generative Design José Algeciras, Architekt

«Architekten müssen sich mit vielen Parametern wie Raumgeometrie, Materialien oder Raumfläche auseinandersetzen. Gleichzeitig spielen – neben der Designqualität – Rahmenbedingungen wie behördliche Vorschriften oder Kosteneffizienz eine wichtige Rolle. Durch Definition verschiedener Parameter lässt sich ein iterativer Entwurfsprozess definieren, um etwa Fassadenalternativen zu untersuchen, die Fenstergrösse oder die Dämmstärke anzupassen oder um die ideale Sonneneinstrahlung und Temperatur für ein Gebäude zu erreichen. Dank des Computers können beliebig viele Parameter und Daten verwendet werden, um so die optimale Lösung zu eruieren. Dieser iterative Prozess ist die Basis des Generative Design.»

Hardt: Die Baubranche und die damit verbundenen Bereiche entwickeln sich ja gerade erst. Wir können aber auf jahr­ zehntelange Erfahrung aus anderen Bran­ chen zurückgreifen. Die Flugzeug­ und Autoindustrie, E-Commerce, «peer to peer»­Dienste, Blockchain­Technologie, Datenanalyse, Informatik oder Frontend­ und Game­Design zeigen uns, wo die Reise in Bezug auf 3D-Modellierung, Logistik, Vorfabrikation, Daten­ und Informationsaustausch, Ansteuerung von Computern und Maschinen und der Interaktion zwischen Mensch und Soft­ ware hingeht. Schmid: Es kann wohl niemand vor­ aussagen, wie das Architekturbüro 4.0 aussehen wird. Ich denke jedoch, dass es zwar noch viel digitalisierter sein wird, gleichzeitig aber die Kombination mit analogen Elementen an Bedeutung ge­ winnt. Die Verbindung von digital und analog halte ich für sehr zielführend. Hardt: Kollaboration ist ein entschei­ dender Faktor. Wenn wir uns den anste­ henden, immer komplexer werdenden Aufgaben stellen wollen, wird das nur ge­ meinschaftlich funktionieren. Schmid: Neben aller Innovation und technischer Entwicklung muss aber auch das operative Geschäft laufen, sonst geht nichts mehr. Genau das ist eine der ganz grossen Herausforderungen. Nur bei er­ folgreichem Geschäftsgang ist man über­ haupt in der Lage, sich so intensiv mit der Zukunft zu befassen, wie wir es tun. Was sind die grössten Hindernisse? Hardt: Auf der technischen Ebene müssen wir bei der Implementierung neuer Programme und Methoden in kur­ zer Zeit viele Mitarbeitende damit ver­ traut machen. Das ist für ein Büro unserer Grösse und der Anzahl parallel laufender Projekte durchaus eine sportliche Auf­

Auch 40 Jahre später ist das Architekturbüro städtebaulich prägend – der 2017 fertiggestellte Grosspeter Tower steht als markantes Wahrzeichen am Eingang der Stadt Basel.

gabe. Die Kultur zu ändern, ist allerdings eine viel grössere Herausforderung. Hier müssen wir mit Vorbildfunktion auf oberster Ebene unsere Vision leben. Schmid: Ein Risiko auf unserem Weg besteht darin, dass bei diesem Tempo nicht alle Mitarbeitenden mitkommen und wir sie verlieren. Denn es entsteht Unsicherheit, und gewohnte Routinen werden teilweise wertlos. Auch der finan­ zielle Aspekt darf nicht vergessen wer­ den. Wir investieren enorme Summen.

Digital Fabrication Nils Jarre, Architekt

«Digital Fabrication beschreibt den Herstellungsprozess eines Bauteils mittels computergestützter Technologien. Dazu zählen Spritzguss, CNCFräse oder 3D-Druck. Die bei Burckhardt+Partner eingesetzte modellbasierte Planungsweise bietet hierfür ideale Voraussetzungen. So eröffnen sich völlig neue Möglichkeiten von der Formfindung bis zur Baustelle: Gebäudemodelle entstehen innerhalb kurzer Zeit unter dem 3D-Drucker, Gebäudeteile wie Wände oder Fassaden werden mithilfe von Robotern vorfabriziert.»

Wie gehen Sie intern mit diesem Strukturwandel um? Schmid: Wir unterstützen, entwickeln und schulen unsere Mitarbeitenden konti­ nuierlich. Kulturveränderung ist ein Pro­ zess, der bedingt, gewisse Dinge zu leben beziehungsweise vorzuleben. Dazu gehö­ ren agile Führungsmethoden wie Scrum. In einem Scrum­Projekt gelten wenige und einfache Spielregeln und Rollenverteilun­ gen, die massgeblich dazu beitragen, dass das Team die gemeinsamen Ziele erreicht. Hardt: Wie in jedem Unternehmen gibt es auch bei uns die innovativen Visionäre mit Blick in die Zukunft sowie eher traditionell verbundene Personen, die Veränderungen als schwierig empfin­ den. Jetzt wäre es einfach zu behaupten, dass dies ein wunderbares Spannungs­ feld aufspannt. Dem ist nicht so. Wenn wir uns als Unternehmen fit für die Zukunft machen, die exponentiellen Veränderungen verstehen und innovativ voranschreiten wollen, müssen wir be­ reit sein, uns radikal zu verändern. Wie von Oliver Schmid zuvor beschrieben, braucht es aber beides – analog und digital. Wie geht die Entwicklung weiter? Schmid: Augmented Reality wird an Be­ deutung gewinnen, denn die Verbindung der analogen mit der digitalen Welt eröff­ net fantastische Möglichkeiten. Und sie trägt dazu bei, Fehler zu vermeiden. Ein weiterer Trend, in dem ich eine grosse Chance sehe, ist die Standortunabhängig­ keit. In der konzeptionellen Phase der Pla­ nung darf es künftig keine Rolle mehr spielen, wo unsere Leute arbeiten. Schliesslich bin ich auch überzeugt, dass sich on­ und offline immer mehr verwi­ schen. Hardt: Es wäre wünschenswert, wenn wir uns mit anderen Unternehmen part­

Computer Generated Imagery Pascal Stöckli, Visualisierungsspezialist

«Unter Computer Generated Imagery versteht man das Erstellen digitaler Bilder anhand von 4-, 3- respektive 2-dimensionaler Information. Die Kommunikation zwischen Architekt und 3D-Artist wird durch den automatischen Informationsaustausch über das BIM-Modell vereinfacht. Ein neues Lichtkonzept beispielsweise kann direkt im Modell geplant werden, die Visualisierung erfolgt dann entsprechend mit diesen Daten. Der grosse Vorteil liegt auf der Hand: Der Planungsprozess wird durch visualisierte Informationen präziser, Entscheidungen können dadurch früher und genauer getroffen werden.»

nerschaftlich zusammenfinden könnten, um visionäre Ideen junger Start­ups, reali­ tätsnahe Bedürfnisse und Themen aus der Planung sowie zukünftige Lösungen für die Baustelle gemeinschaftlich zu disku­ tieren und daraus Lösungen für die Zu­ kunft unserer Branche abzuleiten. Interview: Michael Baumann


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«Life Cycle Data Management umfasst die Phasen der Planung, der Realisierung und des Betriebs eines Baus.»

Simon Caspar (links), Partner und Head of Digital Solutions bei pom+, zusammen mit Alar Jost: Der Datamanagement-Experte ist beim Zürcher Beratungsunternehmen verantwortlich für Building Information Modeling (BIM) und Life Cycle Data Management (LCDM). FOTO: MICHELE LIMINA

Ökosystem und Innovation

Verantwortung der Eigentümer im digitalen Lebenszyklus Gut gepflegte Datenströme sind in einer zunehmend vernetzten Welt die tragenden Elemente einer Immobilie. Sie eröffnen neue Potenziale – ob beim Planen und Bauen oder später während der Nutzung und im Unterhalt. nent neue Informationen, die von der Immobilie und ihren Nutzern generiert werden. Daten etwa über die vorhandenen Flächen, den Energieverbrauch, das Mieterverhalten oder die Betriebskosten. Diese Informationen können zur digital vernetzten Instandhaltung, Wartung und Nutzung von Immobilien ver-

wendet werden. So dienen beispielsweise digitale Baupläne sowie Betriebs- und Reparaturanleitungen dem effizienteren Unterhalt von Gebäuden. Vernetzte Sensoren wiederum informieren jederzeit über den aktuellen Zustand der Anlage – und zwar nicht nur direkt vor Ort, sondern auch über grössere Distanzen.

Ganzer Lebenszyklus

Der digitale Zwilling

QUELLE: POM+

Digital vernetzte Informationen Geht die Immobilie nach ihrer Fertigstellung in Betrieb, lassen sich die vorhandenen Daten nahtlos in weitere Lösungen integrieren. Hinzu kommen perma-

Von sensorgesteuerten Arbeitsabläufen bis hin zu Kostenberechnungen, die von lernfähigen Algorithmen erstellt werden: Kein Bereich der Bau- und Immobilienwirtschaft bleibt von diesen tiefgreifenden Änderungen ausgeklammert. Gerade Eigentümer oder Betreiber mit einem breiten Immobilienportfolio können davon profitieren, indem sie zum Beispiel die Effizienz unterschiedlicher Installationen und Apparate ermitteln, Optimierungsprozesse anschieben und wichtige Hinweise für künftige Objektgestaltungen ableiten, etwa wenn es in gewerblichen Immobilien darum geht, den präzisen Bedarf an Büroflächen zu ermitteln.

Life Cycle Data Management

QUELLE: POM+

Die Welt tickt digital. Überall und immer schneller. Im Zeichen von 0 und 1 ist die Bau- und Immobilienwirtschaft genauso gefordert. Auch hier rücken Daten in den Fokus. Als Querschnittsbranche entlang dem Lebenszyklus von Gebäuden ist sie geradezu prädestiniert, die Potenziale der Digitalisierung zu nutzen und zugleich für andere Bereiche verfügbar zu machen. Ihre Unternehmen besitzen bereits heute die erforderlichen Instrumente, um die Türen in eine zunehmend smarte Zukunft weit aufzustossen. Eine Zukunft, in der intelligente Gebäude – von Büro- und Wohnimmobilien über Einkaufszentren bis hin zu Flughäfen – vielfältige Informationen für unterschiedlichste Nutzergruppen bereitstellen. In den verschiedenen Phasen von der Planung über die Fertigstellung bis zum Betrieb und Unterhalt von Gebäuden fallen enorme Mengen an Daten an, die sich ökonomisch verwerten lassen. Diese Datenströme werden laufend grösser, gängige Branchenstrukturen oder Wertschöpfungsprozesse neu definiert. Über alle Bau- und Lebensphasen eines Gebäudes hinweg lassen sich die gesammelten Informationen in einem Datengerüst abbilden und bis ins kleinste Detail analysieren. Heute werden auf diese Weise bereits Investitions-, Kalkulations-, Planungs- und Bauprozesse abgeglichen. Bauherren kommt dabei eine entscheidende Rolle zu: Sie müssen schon von Beginn an zur physischen Bestellung auch ein digitales Modell in Auftrag geben, um am Ende von gut strukturierten Daten profitieren zu können.

Das alles ist keine Zukunftsmusik mehr: Mit Building Information Modeling, kurz BIM, projektieren Planer und Architekten schon heute Immobilien digital samt ihren Details. So können Fehlplanungen minimiert und eventuell entstehende Mehrkosten früh erkannt und verhindert werden. Um die Vorteile der Digitalisierung umfassend nutzbar zu machen, müssen jedoch alle für die jeweilige Benutzergruppe relevanten Informationen verfügbar gemacht werden. Deshalb ist es so entscheidend, frühzeitig mit der Digitalisierung eines Projekts zu beginnen. «Wir begleiten die komplette Entwicklung von der Planung bis zur Ausführung. Das Resultat ist eine vollständige Dokumentation mit strukturierten, gemanagten Daten», sagt Simon Caspar, Partner und Head of Digital Solutions bei pom+. Das Zürcher Unternehmen hat mit seinem Life Cycle Data Management, kurz LCDM (siehe Grafik) eine ideale Lösung geschaffen. «LCDM umfasst die Phasen der Planung, der Realisierung und des Betriebs eines Baus»,

erklärt Alar Jost. Der Datamanagement-Experte ist verantwortlich für Building Information Modeling und Life Cycle Data Management. Immobilien sollten nicht in Teilsegmenten wahrgenommen werden, so wird betont, sondern als integrale Einheit, die sich in einer Prozesskette komplett digital abbilden lässt – von der Planung bis zum Betrieb eines Gebäudes (siehe Grafik). Es entsteht so auf der Basis von BIM und innovativen Software-Lösungen ein «digitaler Zwilling», der mehr ist als die Digitalisierung einzelner Gebäudeaspekte. Er eröffnet die Chance eines vollständig datengetriebenen Immobilienmanagements. Durch das Zusammenführen von Kosten, Projektplänen, Aufträgen und Zustandsinformationen wird die optimierte Steuerung eines Gebäudes im gesamten Lebenszyklus möglich. Damit zur richtigen Zeit die richtigen, gut gepflegten Daten verfügbar sind, muss jedoch von Anfang an definiert werden, was überhaupt gebraucht wird: Welche Systeme sollen während der Planung, während der Entstehung und nach der Fertigstellung eines Bauwerks miteinander kommunizieren?

Eine Kernkompetenz von pom+ Wie das physische Bauwerk, das auch nach seiner Fertigstellung unterhalten werden will, müssen die «digitalen Zwillinge» genauso laufend aktualisiert werden, um den Anschluss an die vernetzte Umwelt sicherzustellen. Der Vorgang ist vergleichbar mit dem Betriebssystem eines Computers als Basis für alle anderen Programme auf dem Rechner. Nur wenn die Betriebs-Software aktuell ist, funktionieren weitere Anwendungen stets mit ihrem vollen Potenzial. Dieses sorgfältige kontinuierliche Datenmanagement setzt spezifisches Know-how voraus und gehört zu den Kernkompetenzen von pom+. Mehr als 80 hochqualifizierte Spezialistinnen und Spezialisten arbeiten täglich daran – Architekten, Ingenieure, Betriebswirtschaftler, Digitalisierungsfachleute, Datenanalytiker und -visualisierer. «Unser Vorteil ist, dass wir das Ökosystem Immobilien und Infrastruktur sehr genau kennen», erklärt Simon Caspar. Als Dienstleister mit der Erfahrung aus über zwanzig Jahren Praxis und als Anbieter, der nur Beratungsmandate aus dem Immobilien-Business übernehme, sei man in der Lage, Projekte gesamthaft digital abzubilden und diese Daten laufend zu pflegen. Alar Jost ergänzt: «Nun liegt die Verantwortung bei den Gebäudeeigentümern, die Methode aufzugreifen und anzuwenden.» Story: David Schnapp

Swissbau 2020 Die pom+ Consulting AG, ein für Immo­ bilien, Infrastrukturen und Organi­ sationen tätiges Schweizer Beratungs­ unternehmen mit Sitz in Zürich, ist Research­Partner der Swissbau 2020 in Basel. Vom 14. bis 18. Januar ist pom+ mit einem Infopoint im Innovation Lab der Messe präsent und zeigt ausser­ dem ein Innovationsprojekt im iRoom. In Zusammenarbeit mit Securiton, Kaulquappe und Selmoni stellt pom+ Ideen für den künftigen Umgang mit Datenschutz im Gebäudebetrieb vor – sowohl aus Nutzer­ als auch aus Betreibersicht.


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NZZ am Sonntag 12. Januar 2020

Neubau des Hôpital Riviera-Chablais in Rennaz im Kanton Waadt.

Neues Spitalgebäude «Horizont» des Kantonsspitals Frauenfeld.

Innovative Grossprojekte

Optimale Bedingungen für Ärzte und Patienten Das Bauen von Spitälern gilt als besonders anspruchsvoll und verlangt spezifische Fachkompetenzen sowie langjährige Erfahrung. Die Steiner AG setzt mit zukunftsorientierten Lösungen neue Standards. Spitäler sind komplexe Gebilde, die nicht nur vielfältige Funktionen erfüllen, sondern auch ganz unterschiedlichen Bedürfnissen und Ansprüchen gerecht werden müssen. Einerseits muss der reibungslose Ablauf aller Behandlungen gewährleistet sein, jeweils auf dem neuesten Stand der Technik. Andererseits benötigen Patienten inmitten des klinischen Alltags eine angenehm-freundliche Atmosphäre, in der sie Ruhe finden und schnell genesen können. All das stellt hohe Anforderungen an die Infrastruktur sowie den Bau von Spitälern. Ein Fall für den Immobilienentwickler, General- und Totalunternehmer Steiner AG. Als Spezialist für den Neubau, Umbau oder die Renovation von Spitälern, Alters- und Pflegezentren hat die Zürcher Firmengruppe seit 1973 schweizweit bereits mehr als 60 verschiedene Projekte im medizinischen Bereich realisiert. «Darauf bauen wir auf und entwickeln uns ständig weiter», so CEO Karsten Hell. «Die Aufgaben und Ansprüche im Spitalbau haben sich nicht nur bezüglich der Medizin, sondern auch im Hinblick auf die Architektur und Gebäudetechnik grundsätzlich verändert. Sie unterliegen einem permanenten Wandel. Mit nachhaltigen, zukunftsorientierten Lösungen schaffen wir die Voraussetzungen, um betriebliche Effizienz, hohe Wirtschaftlichkeit und optimale Rahmenbedingungen für Ärzte, Fachkräfte und Patienten sicherzustellen.»

Moderne Infrastruktur schaffen Mit dem Neubau des visionären Hôpital Riviera-Chablais in Rennaz sowie dem neuen Spitalgebäude «Horizont» des Kantonsspitals Frauenfeld unterstreicht die Steiner AG einmal mehr ihre führen-

de Rolle im Spitalbau. In Frauenfeld realisiert sie einen Auftrag mit einem Bauvolumen in Höhe von 160 Millionen Franken, einen der grössten Bauaufträge, die je im Thurgau vergeben wurden, während mit dem Hôpital Riviera-Chablais gleich fünf einzelne Regionalspitäler in einem neugeschaffenen medizinischen Zentrum aufgehen. Bauvolumen: mehr als 240 Millionen Franken. Wie derzeit viele Spitäler in der Schweiz sahen sich die beiden Einrichtungen vor das Problem gestellt, dass ihre in die Jahre gekommene Infrastruktur die Erfordernisse eines modernen Gesundheitswesens nicht mehr ausreichend erfüllen konnte. In Frauenfeld entschied man sich daher für einen teilweisen Neubau sowie den Umbau bestehender Strukturen, während man in Rennaz durch einen kompletten Neubau die umfassende und kostspielige Sanierung der vorhandenen Krankenhäuser vermeiden wollte. Die Steiner AG konnte sich in den Bauausschreibungen an beiden Standorten als verlässlicher Generalunternehmer mit qualitativ hochwertigen Konzepten präsentieren: Der Konzern erhielt dann 2014 bzw. 2016 die Bauaufträge. Das neue Spital in Rennaz ist im Herbst 2019 offiziell an die Bauherrin Consortium HRC übergeben worden, woraufhin die fünf bestehenden Akutspitäler mit ihrem Umzug in die neue, zukunftsorientierte Umgebung beginnen konnten. In Frauenfeld ist die Übergabe des neuen Spitalgebäudes «Horizont» Ende Dezember 2019 erfolgt. «Die neue, topmoderne und erweiterte Infrastruktur des Kantonsspitals Frauenfeld wird dazu beitragen, die steigende Nachfrage der Bevölkerung und der öffentlichen Hand nach einer qualitativ erstklassigen Gesundheitsversorgung

Die Steiner AG will dazu beitragen, eine erstklassige Gesundheitsversorgung sicherzustellen.

entscheidenden Voraussetzungen, um einen Spitalbetrieb wirtschaftlich zu führen. Dies kann nur gelingen, wenn die baulichen Rahmenbedingungen, die Prozesse und Technologien von Anfang an eng aufeinander abgestimmt sind. Spitalprojekte würden in Zukunft an Komplexität sogar noch zunehmen, ist Karsten Hell überzeugt. Nicht zuletzt deshalb lohne es sich für Bauherren, mit einem Total- und Generalunternehmer zusammenzuarbeiten. «Die Steiner AG verfügt über ein Team erfahrener Spezialisten, kann sämtliche Dienstleistungen aus einer Hand anbieten und modular kombinierbare Lösungen garantieren. Auf diese Weise gelingt es, auf Kundenbedürfnisse flexibel zu reagieren.» Die Dimensionen des Neubaus in Rennaz sind eindrucksvoll. So umfasst die Gesamtkapazität des Spitals 300 Akutbetten. Bei Vollbetrieb werden im neuen Gebäude rund 2000 Beschäftigte tätig sein. Und noch weitere Zahlen verdeutlichen den Umfang des Projekts: Im gesamten Komplex wurden 50 000 Kubikmeter Beton, 6000 Tonnen Stahl, 70 Kilometer Verteilungsnetze, 10 000 Leuchten und rund 500 Kilometer Stromkabel verbaut. Innerhalb des Gebäudes mussten 60 000 Quadratmeter verputzte Wände erstellt, 2600 Türen montiert und 30 000 Quadratmeter Bodenbelag verlegt werden. Das Herzstück des medizinischen Zentrums ist das 17,6 Meter hohe Gebäude mit einer Gesamtfläche von 67 000 Quadratmetern.

Alte Spitalgebäude ersetzen

auch in Zukunft sicherzustellen», betont Karsten Hell. «Bei der Realisierung des Horizont-Projekts hatte vor allem die Integration der Baumassnahmen in den laufenden Spitalbetrieb eine grosse Herausforderung dargestellt. So mussten wir strenge Anforderungen in Bezug auf Logistik, Lärm, Vibrationen und Staubemissionen einhalten. In Rennaz erzielen wir mit der Zusammenführung der alten Spitäler in ein Zentrum, das medizinisch und technisch auf dem neuesten Stand ist, zudem Gesamteinsparungen im Betrieb.»

Effizienz in all ihren Aspekten Angesichts des allgemeinen Kostendrucks im Gesundheitswesen ist Effizienz das Gebot der Stunde: Es geht um betriebliche Effizienz, Flächeneffizienz, Gebäudeeffizienz. Sie bilden heute die

Auch die Details des Bauprojektes im Thurgau haben es in sich: So errichtet die Steiner AG für das Kantonsspital Frauenfeld über den Zeitraum 2016 bis 2022 nicht nur den soeben fertiggestellten Neubau «Horizont» mit Operationstrakt und Bettenhaus, sondern verantwortet auch den Rückbau des bisherigen Bettenhochhauses sowie die Errichtung eines neuen Konferenzzentrums. Weithin sichtbar wird das neue Spitalgebäude den alten Turm ersetzen. «Um eine starke Fernwirkung zu erzielen», so Karsten Hell, «haben wir uns dabei für eine tiefenwirksame, profilierte Fassadengestaltung aus anodisiertem Aluminium entschieden.» Der neue Turm besteht im Unterschied zum in die Jahre gekommenen Hochhaus aus einem nur noch halb so hohen, dafür aber doppelt so breiten Gebäude. Der Sockel erhielt einen neuen Eingangsbereich für die zentrale Patientenaufnahme und einen klar strukturierten Grundriss, mit dem Ziel, alles offener und übersichtlicher zu gestalten. Im Neubau vereinen sich bestehende Abteilungen in einer Neuorganisation. So ziehen in der Abteilung interdisziplinäre medizinische Diagnostik neben alten Arbeitsbereichen auch neu organisierte Bereiche ein. Auch die Ta-

Karsten Hell, CEO der Steiner AG.

gesklinik und die ambulante Chirurgie sind nun einfacher zu erreichen. Im Zentrum des Neubaus befindet sich ein hochmoderner OP-Bereich, der die hochwertige medizinische Grundversorgung für den Kanton Thurgau gewährleisten soll. Marc Kohler, CEO der Bauherrin thurmed Gruppe, freut sich, dass der Bevölkerung nun ein hochwertiges und auf die heutigen und künftigen Anforderungen ausgerichtetes Krankenhaus zur Verfügung steht: «Mit dem neuen Spitalgebäude, das von der Steiner AG innerhalb des definierten Kosten- und Zeitrahmens zu unserer vollen Zufriedenheit realisiert worden ist, können wir uns im rasch wandelnden und hoch anspruchsvollen Spitalmarkt gut positionieren und gleichzeitig einen wichtigen Standortfaktor für die Region Frauenfeld schaffen.» Story: Elmar zur Bonsen

Steiner-Gruppe Die Steiner AG ist einer der führenden Projektentwickler sowie Total- und Generalunternehmer in der Schweiz und bietet umfassende Dienstleistungen in den Bereichen Neubau, Umbau sowie Immobilienentwicklung an. Das 1915 gegründete Unternehmen hat seinen Hauptsitz in Zürich und ist mit Niederlassungen in Basel, Bern, Genf, Tolochenaz und Luzern vertreten. Im Geschäftsjahr 2018/2019 erreichte die Steiner-Gruppe mit rund 600 Mitarbeitenden einen Umsatz von 830,4 Millionen Franken.


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NZZ am Sonntag 12. Januar 2020

Ökosystem und Innovation

Fortschritt, Transformation – und mittendrin der Mensch Diese sechs Megathemen beschäftigen die Immobilienbranche aktuell. Zentral ist es dabei, sowohl Partner als auch Kunden mit auf die Reise zu nehmen. Das Buhlen um die Gunst von Mieterinnen und Mietern wird sich für Liegenschaftsbesitzer in den nächsten Jahren weiter verschärfen. Der Schweizer Bewirtschafter Livit skizziert anhand von sechs konkreten Megathemen, wie die Immobilienbranche den gesellschaftlichen Umwälzungen und dem technologischen Fortschritt proaktiv und erfolgreich begegnen kann. Die digitale Transformation ist Tatsache. Auch – und wenig überraschend – in der Immobilienbranche. Die modernen Informations- und Kommunikationstechnologien verändern fundamental die Art und Weise, wie Dienstleistungen und Objekte entwickelt, bewirtschaftet und vermarktet werden. Gleichzeitig steigen die Ansprüche auf Seiten von Mieterinnen und Käufern. Und das nicht nur, was den Ausbaustandard anbelangt, sondern auch, wenn es um Angebotsumfang, Individualität, Präsentation oder zusätzliche Services geht. Die Digitalisierung stellt vieles auf den Kopf, was über Jahrzehnte hinweg als gesichert gegolten hat. Daraus abzuleiten, dass der über Jahrzehnte hinweg erfolgreich praktizierte «analoge» Umgang ein Auslaufmodell ist und die Zukunft einzig und allein den digitalen Prozessabläufen gehört, käme zum jetzigen Zeitpunkt allerdings einer fatalen Fehleinschätzung gleich. Denn bei weitem nicht jede Interessentin und jeder Mieter will technische Neuerungen umgehend testen und kann demnach als «digital-affin» bezeichnet werden. Der Schweizer Bewirtschafter Livit siedelt den entsprechenden Anteil aufgrund einer repräsentativen Umfrage aktuell erst bei 21 Prozent an. Gleichzeitig darf auch nicht davon ausgegangen werden, dass ältere Mitmenschen automatisch weniger affin sind im Umgang mit den technologischen Neuerungen als jüngere Generationen. Das macht es gerade für Verwaltungen und Bewirtschafter nicht einfacher. Die «Mieterin» und der «Mieter» – sie präsentieren sich heute als heterogenere Klientel, als sie es noch vor zehn oder zwanzig Jahren gewesen sind. Und so

Livit Livit ist ein Schweizer Unternehmen für Real Estate Management. Über 55 Jahre Erfahrung in der Bewirtschaftung von Immobilien, im Vermietungs-, Bau- und Facility Management machen Livit zu einem grossen Kompetenzzentrum und stark aufgestellten Partner für private und institutionelle Eigentümer und ihre Mieter. Seit 1999 ist das Unternehmen eine hundertprozentige Tochter des Versicherungskonzerns Swiss Life. Mit Herzblut und Begeisterung engagieren sich über 1000 Mitarbeitende bei der Livit AG und der Livit FM Services AG für ihre Kunden. Die Gruppe betreut schweizweit an neun Standorten über 174 700 Mietobjekte, 1,8 Millionen Quadratmeter Gewerbefläche sowie Immobilien im Gesamtwert von 46 Milliarden Franken. Andreas Ingold ist seit 2008 Vorsitzender der Geschäftsleitung der Livit AG und Verwaltungsratspräsident der Livit FM Services AG. www.livit.ch und www.livit-fm.ch

heisst ein Gebot der Stunde, mit dem sich die Immobilienbranche intensiv auseinanderzusetzen hat: Individualisierung. Und dies sowohl in der Ansprache als auch im Angebot und in den zukünftigen Entwicklungen. Denn wenngleich Markt und Möglichkeiten sich für Bewirtschafter wie für Mieter stetig und immer rasanter weiterentwickeln, so sollte nach wie vor ein konkreter Faktor im Zentrum sämtlicher Überlegungen stehen. Und dieser Faktor heisst ganz einfach «Mensch»: Der Mensch mit seinen Ansprüchen und seinen Forderungen, der Mensch mit seiner Bereitschaft, für Produkt A und Dienstleistung B einen entsprechenden Gegenwert zu leisten, der Mensch als Mieter und Käufer – er spinnt den roten Faden, der uns in der Folge durch sechs Megathemen führt. Ein Überblick, der zum Nachdenken anregen und letztlich mithelfen soll, aktuelle Herausforderungen zu identifizieren und dank dem gezielten Setzen von Prioritäten aktiv zu bewältigen.

1. Urbanisierung Schweizer Städte werden immer grösser, die Bevölkerungszahl wächst, Grenzen zwischen Stadt und Land verschmelzen, die Verdichtung nimmt zu. Um dem rasanten Wachstum und den grundlegenden Veränderungen in den urbanen Räumen gerecht zu werden, ist eine effiziente und infrastrukturelle Planung erforderlich. Energieeffiziente Gebäude, die Reduktion von Verschwendung und die Nutzung erneuerbarer Energien werden die Städte von morgen wesentlich prägen. Neue Services, Vermietungsmodelle und Bewirtschaftungskonzepte machen Liegenschaften für Mieter interessant. Und was für den Mieter attraktiv ist, wird für den Eigentümer rentabel.

2. Digitalisierung Immer mehr Prozesse und Produkte existieren ausschliesslich digital. Das hat viele Vorteile, gerade wenn es um Vernetzung, Verwaltung, Bewirtschaftung oder Kundenbetreuung geht. Virtuelle Wohnungsbesichtigung? Grossartig. Elektronische Ablage von Liegenschaftsdossiers? Praktisch. Branchenübergreifende Kollaborationen? Zukunftsträchtig. Allerdings ziehen viele Mieterinnen und Mieter nach wie vor das Altbewährte, also die analogen Abläufe, den digitalen Prozessen vor. Die Digitalisierung ermöglicht personalisierte Angebote und massgeschneiderte Services, sie sorgt im besten Fall für einen Zeitgewinn – auf der anderen Seite fördert das Schlagwort Digitalisierung vielerorts Abwehrreaktionen, gerade wenn es um persönliche Daten und Anliegen geht. Das Online-Formular zur Reparaturmeldung ersetzt den Schalter in der Verwaltung und die persönliche Betreuung (noch) nicht.

3. New Work Neue Arbeitsformen und Arbeitsmodelle sind Realität. In vielen Berufen ist es heute schon möglich, von unterwegs und von zuhause aus zu arbeiten. Rund um die Uhr. Stets verfügbar. Die sogenannte Arbeitswelt 4.0 verlangt nach innovativen Flächenkonzepten. Geschäftsobjekte müssen, was das Raumangebot anbelangt, flexibler gehalten werden. Währenddessen erfordert New Work in vielen

Wohnbauten eine leistungsstarke Telekommunikations- und Informatikumgebung. New Work verändert die Ansprüche an Immobilien fortwährend. Flexibilität in Angebot und Nutzung wird zum neuen Renditetreiber. Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob die stete Verfügbarkeit, das Verschmelzen von Arbeit und Wohnen, tatsächlich ein Zukunftsmodell ist, dem sich der Mensch des 21. Jahrhunderts längerfristig hingeben will.

4. Wissensgesellschaft Der globale Bildungsstand ist heute so hoch wie nie zuvor. Wissensgesellschaften sind dank dem Internet auf dem Vormarsch. Wichtigster Rohstoff der digitalisierten Welt ist das Wissen. Das hat Gültigkeit in Bezug auf Bewirtschaftung und Facility Management genauso wie in Bezug auf die Mieterschaft. Das Internet der Dinge verwandelt Infrastruktur und Nutzung von Immobilien letztendlich fundamental, gleichzeitig werden Unternehmen, Liegenschaften und Dienstleistungen laufend kritisch, manchmal sogar un-

fair bewertet. Mieterinnen und Mieter gewinnen an Macht, die Anbieterkommunikation wird sensibler. Wie intelligent ist meine Liegenschaft? Ist sie energetisch auf dem aktuellen Stand? Was lohnt sich, was nicht? Wer nicht weiss, muss glauben – wer hingegen weiss, ist informiert. Das ist begrüssenswert. Und herausfordernd.

5. Silver Society Die Lebenserwartung steigt, die Menschen bleiben länger gesund – und in den eigenen vier Wänden. Die Gruppe der wohlhabenden Männer und Frauen im «Unruhestand» wächst. Die soziodemografische Verschiebung erfordert infrastrukturelle und servicebezogene Leistungen. Die Nachfrage und der Anspruch an das Raum-, Wohnungs- und Dienstleistungsangebot verändert sich und verlangt nach innovativen Lösungen wie unterstützende Dienste, alternative gemeinschaftliche Wohnformen, kreative und flexible Raumkonzepte, zeitgemässe Kommunikationsinfrastrukturen und Sicherheitsinstallationen. Zu vollführen ist

ein wahrer Spagat: Denn wenngleich die Silver Society im Umgang mit der Digitalisierung durchaus geübt ist, bevorzugt sie häufig altbekannte Kommunikationswege und Entscheidungshilfen: «digital first» hat hier tatsächlich nur in beschränktem Masse Gültigkeit.

6. Individualisierung Irgendwie haben wir doch alle das Gefühl, einmalig und einzigartig zu sein, nicht? Das digitale Zeitalter eröffnet der Individualisierung eine völlig neue Dimension. Big Data und intelligente Strategien machen es möglich, dem Kunden genau das zu bieten, was er sich tatsächlich wünscht. Dazu gehören digitale Vermittlungsprozesse ebenso wie elektronische Plattformen zum Austausch mit der Bewirtschaftung oder dem Auftragsmanagement. Dank der modernen Möglichkeiten bei Datenanalysen, Datenmanagement und Datennutzung können Kundenwunsch und Angebot individuell harmonisiert werden. Und je genauer die Marktleistung zu den Erwartungen und


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Drei Beispiele, drei Bedürfnisse Gemäss Bundesamt für Statistik hat der Leerwohnungsbestand zwischen 2016 und 2019 schweizweit um fast 49 Prozent zugenommen. Der Vermietermarkt wird immer mehr zu einem Mietermarkt – dementsprechend müssen sich Eigentümer, Verwaltungen sowie Bewirtschafter neu positionieren

Marc, 30: Einzigartig leben, schnell entscheiden Nach dem Studium hat der junge Mann seine erste Stelle bei einem international tätigen Konzern angetreten. Der Verdienst ist gut, die Perspektiven, es beruflich einmal weit zu bringen, sind in Marcs Augen durchaus gegeben. Nach Jahren in der WG soll eine coole Bleibe in einem angesagten Quartier (→ Urbanisierung) den neuen Lebensabschnitt einläuten. Klein darf sie zwar sein, dafür sollte der Ausbaustandard stimmen. Marc geniesst momentan das Single-Leben. Was Job sowie Beziehungsstatus anbelangt, gewährt er sich eine gewisse Flexibilität (→ Individualisierung). Das gilt ebenso für den Abschluss eines Mietvertrags – nichts ist schliesslich für die

FOTOS: PD

Familie Basler: Gemeinsam wachsen, günstig wohnen Seit das zweite Kind da ist, wird es für Familie Basler in der 3-Zimmer-Altbauwohnung langsam, aber sicher eng. Etwas Grösseres muss her, am liebsten in einem der neu entstandenen Quartiere am Stadtrand (→ Urbanisierung), die den Zielen der 2000-Watt-Gesellschaft verpflichtet sind und einen Nutzungsmix zwischen Wohnen und Arbeiten (→ New Work) bieten, Anschluss ans ÖV-Netz, direkten E-Mobility-Zugang, und siedlungseigenen Kinderhort inklusive. Da die Kinder ja grösser werden, sollen die Räume möglichst flexibel genutzt werden können und quasi mit der Familie mitwachsen. Die Eltern haben sich dahingehend schlau gemacht und sind zu-

Bedürfnissen jedes einzelnen Kunden passt, desto glücklicher ist er. Mit der Individualisierung lassen sich die Services verbessern und die Kundenzufriedenheit steigern. Selbstverständlich reicht die Liste der Megathemen, die die Immobilienbranche tangieren, noch weiter. Nachhaltigkeit, Mobilität oder Achtsamkeit sind beispielsweise drei weitere Bereiche, denen grösste Aufmerksamkeit geschenkt wird. Gleichzeitig gilt es aber auch, Prioritäten zu setzen und den Fokus auf das zu richten, was wirklich wichtig ist für den Besitzer, den einzelnen Bewirtschafter, die Branche, für die Objekte, für die Prozesse und an erster Stelle natürlich für die Menschen, die diese beleben. Denn ein ganz grundlegend menschliches Bedürfnis wird sich selbst durch die digitale Transformation, durch New Work oder Urbanisierung kaum ändern – jenes nach einem Zuhause, in dem man sich wohl und geborgen fühlt. Story: Flavian Cajacob

Quintessenz Die digitale Transformation bewegt die Immobilienbranche – und mit ihr die Mieterinnen und Mieter. Der technologische Fortschritt macht vieles möglich, doch was will, was braucht der Mensch überhaupt, wenn es um sein Zuhause und um den Wohlfühlfaktor Wohnung geht? Diese Frage ist mehr denn je von zentraler Bedeutung, auch oder gerade in der heutigen Zeit. Immobilienbewirtschafter tun deshalb gut daran, die Reise in eine digitale Zukunft gemeinsam mit den Mieterinnen und Mietern anzutreten und sich regelmässig mit ihnen auszutauschen. Denn echte Zufriedenheit ist nicht virtuell, echte Zufriedenheit ist real.

Urs und Rose, beide 73: Digital suchen, analog leben Das Stichwort altersgerecht quittiert das pensionierte Ehepaar mit einem verächtlichen Lächeln. Urs und Rose, beide 73, stehen mitten im Leben, nehmen aktiv teil am Geschehen in ihrer Gemeinde und in ihrem Umfeld. Sie hat ein Herzensprojekt in Angriff genommen, er engagiert sich seit der Pensionierung als Kursleiter bei einem Hilfswerk (→ Wissensgesellschaft). Urs und Rose pflegen den viel beschworenen «Unruhestand». Zwölf Jahre nachdem das letzte von drei Kindern aus der 5-Zimmer-Gartenwohnung im Parterre ausgezogen ist, sucht das Ehepaar nun eine neue, kleinere, aber praktische Wohnung mit Anbindung an den öffentlichen Verkehr und

und attraktive Pakete schnüren. Statt der Immobilie liegt der Mieter, liegt die Mieterin noch stärker im Fokus. Doch wer ist dieser Mieter, diese Mieterin? Wie sehen deren Bedürfnisse konkret aus, wo setzen sie Prioritäten bei der Entscheidungsfindung? Drei Beispiele aus dem Leben.

Ewigkeit gemacht. Für ihn und seine «Peergroup» ist vor allem eines wichtig: Das Tempo, der «quick click» (→ Digitalisierung). Verschiedene Immobilienplattformen liefern Marc Vorschläge, die seinem Traum von der ersten eigenen «Loge» nahekommen. Der Algorithmus weiss, dass der 30-Jährige auch mal von zuhause aus arbeiten wird (→ New Work) und sich der Verzicht auf einen Parkplatz und einen eigenen Waschturm durchaus mit dessen partiellem «Sharing»-Bewusstsein deckt (→ Wissensgesellschaft). Eine Besichtigung vor Ort ist dem jungen Berufsmann nicht wichtig, dazu fehlt ihm sowieso die Zeit. Fotos, ein virtueller Rundgang sowie Bewertungen reichen aus, um einen Entscheid zu fällen. Hauptsache, er bekommt vom Vermieter, mit dem er fortan sowieso nur im absoluten Notfall Kontakt haben möchte, möglichst rasch den Zuschlag. Und genauso schnell wie Marc drin ist in seiner neuen Wohnung, will er später einmal wieder raus sein. Vom Besitzer und Bewirtschafter erwartet er dahingehend volle Flexibilität, einen digitalen Umgang per se und selbstverständlich ein Verhalten, das seinem absolut einzigartigen Lebensstil gerecht wird.

dem angetan von der Vorstellung, ihren eigenen ökologischen Fussabdruck im neuen Heim im Vergleich zur aktuellen Wohnsituation reduzieren zu können. Vor allem die Vorstellung, vielleicht einmal einzig und allein mit dem Trittdruck in den Zimmerböden Strom produzieren zu können (→ Wissensgesellschaft), lässt sie auf den Immobilienplattformen gezielt nach Angeboten suchen, die in diese Richtung gehen (→ Digitalisierung). Für Baslers ist klar, dass sie an ihrem neuen Wohnort Teil einer gut durchmischten, generationenübergreifenden Gemeinschaft, einer «Community», sein wollen, also gezielt den Kontakt und den Austausch mit anderen Mieterinnen und Mietern pflegen werden. Das soll nicht hinter verschlossenen Türen geschehen, sondern an zentralen Orten, an denen sich die verschiedenen Generationen (→ Silver Society) begegnen können. Von den Bewirtschaftern erwarten sie dahingehend ein gescheites, weil zukunftsträchtiges Konzept – ein «grosses Ganzes» eben, das im Kleinen viel Freiraum für die persönliche Gestaltung und Entfaltung gewährt (→ Individualisierung). Und ja, natürlich sollte das Ganze auch bezahlbar sein.

in unmittelbarer Nähe zu Läden und Arzt (→ Urbanisierung). Dass das neue Heim einen altersgerechten und barrierefreien Ausbaustandard aufweist (→ Silver Society), versteht sich für die beiden von selbst. Spannend und für die Generation Ü60 bezeichnend ist der Umgang von Urs und Rose mit modernen Kommunikationsmitteln (→ Digitalisierung), gerade wenn es ums Wohnen geht. Während sich die Suche nach dem neuen Heim kaum vom Verhalten der jüngeren Generationen unterscheidet und primär über die bekannten Immobilienplattformen erfolgt, gestaltet sich der Kontakt mit Eigentümern, Verwaltung und Bewirtschaftung anschliessend häufig nach bewährtem Muster: analog geht vor digital – der persönliche Austausch geniesst hohe Priorität, für eine Schadensmeldung beispielsweise nimmt Rose gerne mal den Telefonhörer in die Hand oder schaut mit Urs bei der Verwaltung vorbei. Mit Blick auf die Silver Society stellt sich für Bewirtschafter also die Frage, welche Leistungen konkret digital angeboten und bei welchen Prozessen respektive bis zu welchem Punkt die bewährten, eben analogen Wege eingeschlagen werden sollen (→ Individualisierung).


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FOTOS: MICHELE LIMINA

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Impressionen aus dem Holcim-Zementwerk im aargauischen Siggenthal.

Ökosystem und Innovation

Sich für nachhaltiges Bauen starkmachen 60 Prozent der Infrastruktur, die 2050 weltweit gebraucht wird, ist laut Studien noch nicht gebaut. Mit innovativen Lösungen und ökologischen Produkten trägt der Baustoffhersteller Holcim dazu bei, nachhaltiges Bauen in der Schweiz zu fördern. Ein Augenschein im Zementwerk Siggenthal. Von weither ist das eindrückliche Holcim-Zementwerk im aargauischen Siggenthal schon zu sehen. Auf dem ganzen Areal mit Ofen, Mühlen, Förderbändern und Silos ist stets etwas los, denn die Produktion läuft rund um die Uhr: Züge und Lastwagen fahren herein und hinaus, Arbeiter mit Helmen und Signalwesten kümmern sich um die Abläufe, und der Drehofen, in dem der Klinker bei 1450 Grad hergestellt wird, strahlt spürbar Wärme ab. Das 1912 eröffnete Werk wurde seither regelmässig modernisiert und immer wieder auf den neuesten Stand umweltschonender Produktion gebracht. Rund 900 000 Tonnen Zement verlassen Jahr für Jahr das Werk, wofür es hohe Temperaturen sowie Brennstoffe braucht und was CO2 erzeugt. Die Produktionsabläufe werden deshalb ständig auf Verbesserungen geprüft, wie Thomas Richner, Umweltverantwortlicher bei Holcim Schweiz, sagt: «Wir optimieren die CO2-Effizienz unserer Prozesse und Produkte und fördern mit innovativen Produkten das nachhaltige Bauen.»

100% alternative Brennstoffe Weil Beton, der aus Zement hergestellt wird, weiterhin eine wichtige Rolle in der Bauwirtschaft spielen wird, hat jede Effizienzmassnahme, die der Baustoffhersteller Holcim ergreift, weltweit eine grosse Hebelwirkung. Allein in der Schweiz werden pro Jahr 60 bis 80 Millionen Tonnen an Baumaterialien benötigt. Mit verschiedenen Massnahmen hat Holcim Schweiz seit 1990 mehr als 30 Prozent CO2 netto pro Tonne Zement eingespart – und hierzulande damit überdurchschnittlich viel zur CO2-Reduktion beigetragen.

Diverse weitere Massnahmen sollen zusätzliche Verbesserungen bringen. Um klimaneutrales Bauen in Zukunft möglich zu machen, hat Holcim eine Vision für 2050 entwickelt. Darin sollen die Stoffkreisläufe in der Zement- und Betonproduktion entlang der gesamten Wertschöpfungskette vollständig geschlossen werden. Zudem will das Unternehmen in der Produktion zu 100 Prozent auf alternative Brennstoffe umstellen und die Emissionen auf ein Minimum reduzieren. Bei der Reduktion des CO2-Ausstosses setzt Holcim auf das Drei-Säulen Prinzip: Möglichst energieeffiziente Anlagen einsetzen, fossile Energieträger durch alternative Brennstoffe ersetzen und den Klinkerfaktor, also den Anteil des gebrannten Gesteins im Zement, verringern. Bei der Säule der energieeffizienten Anlagen werden bei Ersatzbeschaffungen die modernsten Maschinen gekauft. So hat man in Siggenthal durch die Installation des neuen Klinkerkühlers für die Ofenanlage schon viel erreichen können, wie Werkleiter Thomas Brühlmann auf einem Rundgang erklärt. Darüber hinaus arbeitet Holcim an verschiedenen Innovationsprojekten zur Förderung des klimaneutralen Bauens, beispielsweise an der Rekarbonatisierung – also der Absorption von CO2 durch Beton.

Fernwärme für 2100 Haushalte Ausserdem fördert Holcim an allen Standorten die Wiederverwendung von Wärme und Energie. In Untervaz (GR) wird aus der Abwärme elektrischer Strom erzeugt, eine entsprechende Anlage ist in Eclépens (VD) im Bau. «Die übrige Abwärme wird in Fernwärmenetze eingespeist, sodass etwa 2100 durch-

«Der Baustoffhersteller verwertet aktuell rund 200 000 Tonnen mineralische Abfälle, wodurch alle fünf Jahre eine Deponie eingespart werden kann.»

schnittliche Haushalte mit Fernwärme versorgt werden können. In Siggenthal wird Abwärme zusätzlich an die Klärschlamm-Trocknungsanlage abgegeben», führt Brühlmann aus. Zudem punktet Siggenthal mit einer weiteren Massnahme: «Wir betreiben in unserem Werk den weltweit einzigen Aktivkohlefilter dieser Art, der bei verschiedenen Komponenten zu deutlich reduzierten Emissionen führt.» Darüber hinaus wird seit 2019 Strom aus 100 Prozent erneuerbarer Energie verwendet und bald ein Teil davon auch durch eigene Photovoltaikanlagen produziert. Durch die vermehrte Verwendung von alternativen Brenn- und Rohstoffen

hat Holcim ein weiteres Instrument in der Hand, um die ambitionierten Energieziele zu erreichen. Eine wichtige Funktion kommt in diesem Bereich der Kreislaufwirtschaft zu. Die Zementindustrie sollte weiterhin als Chance innerhalb der Abfallwirtschaft Schweiz wahrgenommen werden, wie Marco Wey, Operations Manager von Geocycle Schweiz, dem auf Abfallverwertung spezialisierten Brand von Holcim Schweiz, sagt. Sie biete eine thermische Verwertungslösung an, wo eine stoffliche Verwertung nicht möglich sei – und das ohne Deponierungsrückstände wie Schlacke. Der Baustoffhersteller investiere deshalb laufend in Technologien, um alle möglichen Stoffkreisläufe entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu schliessen, damit eine nachhaltigere Wirtschaft und Gesellschaft Tatsache werde. Heute gewinnt Holcim Schweiz schon mehr als 50 Prozent der benötigten thermischen Energie aus Abfallstoffen. Laut Wey wird das Ziel verfolgt, die fossilen Brennstoffe zu 100 Prozent durch Alternativen zu ersetzen. In Siggenthal würden etwa Sortierreste von Plastikabfällen oder industrieller Plastikmüll aus Produktionsbetrieben, Schlamm aus den umliegenden Kläranlagen der Gemeinden oder andere gewerbliche und industrielle Abfälle wie Tiermehl oder Altöl verbrannt. «Diese Art der lokalen Abfallverwertung ist besonders sinnvoll, weil dadurch aus logistischer Sicht weniger und kürzere Lastwagenfahrten anfallen.»

zunehmend Verwendung. Als Resultat ist als neueste Innovation der Zement Susteno entstanden, dessen Herstellung auf dem Kreislaufprinzip basiert und der nur noch aus 55 Prozent Klinker besteht. Das bedeutet: weniger Ressourcenverbrauch und rund 10 Prozent weniger CO2-Emissionen im Vergleich zur Produktion von herkömmlichem Zement. Aus Susteno hat Holcim 2018 den ressourcenschonenden Beton Evopact/EvopactPLUS entwickelt, der den Stoffkreislauf nahezu vollständig schliesst (siehe Kasten). Ein weiteres Handlungsfeld eröffnet sich für Holcim beim Fuhrpark. Rund 60 Prozent des Materials und der Produkte werden im Zementwerk Siggenthal mit der Bahn angeliefert und abtransportiert. Bei den Lastwagen, auf welche die anderen Fahrten entfallen, werden derzeit Gas- und Elektrovarianten evaluiert, wie Werkleiter Brühlmann erklärt. Zudem sollen auf den Dächern der Gebäude weitere Photovoltaikanlagen montiert werden, um so direkt erneuerbare Energie für den Betrieb des eigenen Werks zu gewinnen. Verstärkt gefördert wird in Siggenthal ausserdem die Digitalisierung und Automatisierung. Bemerkbar machen werden sich die damit verbundenen Massnahmen laut Brühlmann beispielsweise bei den Inspektionen, der Fehlersuche oder der Lagerbewirtschaftung – und auch wieder in der Energiebilanz. Story: Michael Baumann

Aushub und Schutt verwerten

CO2-neutraler Beton

Von Baustellen und Industriebetrieben kommen auch mineralische Abfälle nach Siggenthal, die dort vollständig zu neuem Baumaterial verarbeitet werden. Wey nennt als Beispiel die Verwertung von verunreinigtem Aushub und Bauschutt als alternative Rohstoffe für die Zementproduktion. Dadurch brauche Holcim weniger natürliche Rohstoffe wie Kalkstein und Mergel. «Gleichzeitig leistet Holcim durch diese Verwertung einen wichtigen Beitrag zur Reduktion von Bauabfällen, weshalb weniger Deponien nötig sind: Der Baustoffhersteller verwertet aktuell rund 200 000 Tonnen mineralische Abfälle, wodurch alle fünf Jahre eine Deponie eingespart werden kann», erklärt Wey. Zudem sei die stoffliche Verwertung eine endgültige Lösung, während die Deponierung eine Verlagerung des Problems darstelle. Schliesslich setzt Holcim beim Produkt selber an und verwendet weniger Klinker im Zement. Dabei wird ein Teil des Klinkers durch hochwertig aufbereitetes Mischgranulat aus Rückbauprojekten ersetzt, ohne dass es zu einem Qualitätsverlust kommt. Auch gebrannter Ölschiefer und Hüttensand finden

An der Swissbau 2020 vom 14. bis 18. Januar in der Messe Basel lanciert Holcim den ersten CO2-neutralen Beton in der Schweiz. Dabei wird unter dem Motto «Do your best, compensate the rest» den Kunden die Möglichkeit eröffnet, den CO2-Fussabdruck, den der EvopactPLUS-Beton noch hinterlässt, durch die Unterstützung von Projekten im In- oder Ausland zu kompensieren. Dieser CO2-neutrale Beton wird unter dem Namen EvopactZERO vermarktet. «Als First Mover zeigen wir durch diese Produktinnovation, dass Ökologie, Dekarbonisierung und Kreislaufwirtschaft nicht nur ein Bekenntnis zum schonenden Umgang mit Ressourcen sind, sondern auch ein starker Wachstumstreiber sein können», sagt Nick Traber, CEO von Holcim Schweiz. «Kein anderes Baumaterial ist sicherer, langlebiger und vielseitiger einsetzbar als Beton. Unter Berücksichtigung seines gesamten Lebenszyklus hat Beton im Vergleich zu den meisten anderen Materialien sogar die besten Energie- und Emissionswerte.»


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Innovative Grossprojekte

Mit Holz ganz hoch hinaus In Zug entsteht mit 80 Metern das höchste Holzhochhaus der Schweiz. Es soll preisgünstigen Wohnraum schaffen. Im Zentrum des Projekts «Pi» stehen ökologische und soziale Aspekte. Ein einzigartiges Vorhaben, realisiert von Implenia als Totalunternehmer. nen.» Ihre Praxistauglichkeit wurde anhand eines Modells im Massstab 1:1 auf Herz und Nieren getestet und nachgewiesen. Das lineare Holzrahmentragwerk wird auch nach Fertigstellung sichtbar bleiben. Es stabilisiert das Hochhaus ohne aussteifenden Betonkern und macht tragende Innenwände überflüssig, was den Planern maximale Flexibilität bei der Grundrissgestaltung lässt. Dass die Treppenhäuser und Liftschächte aus Beton gefertigt werden, ist den Brandschutzvorschriften geschuldet: Sie dienen als sichere Fluchtwege. Die künftigen Bewohner können unbesorgt sein. «Die Holzbauweise ist im Brandfall sogar sicherer als herkömmliche Bauten aus Stahl», erklärt Anita Eckardt. «Im Brandfall ist Holz widerstandsfähiger als Metall, weil es nicht weich und damit instabil wird. Durch die Verkohlung wird zudem eine natürliche Schutzschicht gebildet, die den Abbrand verzögert.» Daneben fällt noch ein anderer Vorteil ins Gewicht. «Mit Holz lässt sich zügig und damit effizient arbeiten, denn es erlaubt eine zeitsparende Vorfertigung der Teile», sagt Tobias Hohermuth. «Die eigentliche Bauphase wird kürzer, was

FOTO: FILIPPO BOLOGNESE

Bis die ersten Bagger anrollen, dauert es zwar noch knapp zwei Jahre, doch hinter den Kulissen laufen die Vorbereitungen längst auf Hochtouren. Nach Abschluss aufwändiger Studienverfahren und der Kür des Siegerentwurfs – er stammt von Duplex Architekten, WaltGalmarini Ingenieuren und Implenia – dreht sich nun alles um die Detailplanung. Zahlreiche Vorgaben, Wünsche und Gewerke gilt es zu integrieren, bis der eigentliche Bau beginnen kann. Ende 2024 soll im Auftrag der V-ZUG Immobilien AG dort, wo heute noch Wohnsiedlungen und Firmengebäude stehen, Zugs neues Leuchtturmprojekt fertiggestellt werden. Wie es einmal aussehen wird, verraten bereits die computeranimierten Innen- und Aussenansichten – ein elegantes Hochhaus in zentraler City-Lage, das sich von oben nach unten hin dezent verjüngt und auf 27 Geschossen viel Raum für moderne Wohnträume bietet. Der eigentliche Clou: Es ist ein Bauwerk aus Holz! Mit einer Höhe von 80 Metern wird «Pi» das höchste seiner Art in der Schweiz sein. Es wäre zugleich das dritthöchste Holzhochhaus der Welt.

Teil des «Tech Cluster Zug» Das ambitionierte 100-Millionen-Franken-Projekt bildet den Auftakt für die Entwicklung des künftigen «Tech Cluster Zug» – ein Generationenprojekt der Metall Zug Gruppe: Auf dem Areal der V-ZUG entstehen in den kommenden Jahren eine neue, vertikale Fabrik des Unternehmens und, in mehreren Etappen, weitere Gebäude zur industriellen Nutzung. Eingebettet in einen städtebaulichen Gesamtentwurf, fasziniert das Hochhausprojekt an der künftig von Bäumen gesäumten Baarerstrasse mit einem Konzept voller überraschender Lösungen. Sie machen «Pi» zu einem echten Vorzeigemodell in Sachen Nachhaltigkeit, ökologisch und aus sozialer Perspektive, ganz nach den Vorgaben von V-ZUG. Das Unternehmen will seinen Mitarbeitenden attraktive Wohnungen anbieten, die nicht nur preisgünstig sind, sondern auch – ganz im Trend der Zeit – dem Wunsch nach urbanem Wohnen und individuellen Lebensformen gerecht werden. Im Gebäude werden verschiedene Wohnungstypen – flexibel gestaltet für Familien, Wohngemeinschaften oder Singles – unter einem Dach zusammengefasst: So soll jeweils eine dreigeschossige «Piazza» das Zusammenleben der Bewohner fördern und der Anonymität entgegenwirken. Dabei entstehen zehn

Implenia Implenia ist das führende Bau- und Baudienstleistungsunternehmen der Schweiz mit einer starken Stellung im Infrastrukturmarkt in Deutschland, Frankreich, Österreich, Schweden und Norwegen sowie bedeutenden Aktivitäten im deutschsprachigen Hoch- und Ingenieurbau. Das breite Angebotsspektrum und die Erfahrung seiner Spezialisten erlauben es der Gruppe, ein Bauwerk über seinen gesamten Lebenszyklus zu begleiten – wirtschaftlich, integriert und kundennah. Im Fokus steht dabei eine nachhaltige Balance zwischen wirtschaftlichem Erfolg sowie sozialer und ökologischer Verantwortung. Implenia mit Hauptsitz in Dietlikon bei Zürich beschäftigt europaweit mehr als 10 000 Personen.

«Mit Holz lässt sich effizient arbeiten, denn es erlaubt eine zeitsparende Vorfertigung der Teile.»

wiederum hilft, die Gesamtkosten zu reduzieren.» Hinzu kommt: Holz ist ein nachwachsender Rohstoff und regional gut verfügbar. Allein in der Fabrikationshalle von Implenia in Rümlang werden jährlich rund 4000 Kubikmeter Holz verarbeitet. «Wenn man es herunterrechnet, wächst in der Schweiz fünf Mal pro Tag so viel nach, wie wir in einem Jahr verarbeiten», erläutert Hohermuth.

Ökologische Nachhaltigkeit

Mit 80 Metern wäre «Pi» in Zug das dritthöchste Holzhochhaus der Welt.

geschossübergreifende «Nachbarschaften» mit jeweils 20 bis 24 Wohnungen. Ergänzt werden sie um grosszügig angelegte Gemeinschaftsflächen, das öffentlich zugängliche Erdgeschoss mit Co-Working-Büros, Showroom und Bistro sowie um einen zweigeschossigen Hofpavillon mit Kindertagesstätte. Nicht zu vergessen ein Gemeinschaftsraum samt Dachgarten in luftiger Höhe, der einen herrlichen Panoramablick auf den Zugersee und die umliegenden Berge bieten wird.

Bäume bis 84 Meter hoch Dass ein Bauwerk mit diesen Dimensionen aus Holz gebaut wird, ist zwar (noch) eher ungewöhnlich, stellt aber für

einen Kompetenzführer wie Implenia trotz vielfältiger Herausforderungen kein Problem dar. Schon das mit 85 Metern derzeit höchste Holzhochhaus der Welt, der Mjøsa Tower in Norwegen, belegt die Machbarkeit eines solchen Projekts. Auch beim Zuger Hochhaus «Pi» soll – so weit möglich und sinnvoll – Holz anstelle herkömmlicher Materialien eingesetzt werden. Ein Meilenstein für das umweltschonende Bauen. «Bäume wachsen bis 84 Meter hoch in den Himmel. So zeigt uns die Natur die Leistungsfähigkeit des Rohstoffs Holz, mit dem Projekt ‹Pi› meistern auch wir diese Aufgabe», sagt Anita Eckardt, Leiterin Division Specialties bei Implenia. Schon über Jahrhunderte hat sich Holz als hochwertiger Baustoff bewährt.

Heute ist es so gefragt wie nie, zunehmend auch für den Hausbau. Neue Produkte, innovative Technologien und digitale Prozesse ermöglichen es, immer grössere und passgenauere Anforderungen zu erfüllen. «Auf diese Weise können wir für das Projekt ‹Pi› ein Rahmentragwerk erstellen, das ganz aus Holzwerkstoffen besteht», erklärt Tobias Hohermuth, Leiter Holzbau bei Implenia. «Ein weiteres Kernelement der Konstruktion ist die innovative Holz-Verbund-Flachdecke, die wir zusammen mit WaltGalmarini und der ETH Zürich entwickelt haben. Sie ist bei gleicher Konstruktionsstärke wesentlich leichter als eine herkömmliche Stahlbetondecke und verursacht pro Quadratmeter Bauteil rund 20 Prozent tiefere Treibhausgasemissio-

Für Implenia sind das alles schlagende Argumente, doch es geht noch um mehr. Man wolle mit dem Projekt «Pi» ein deutliches Zeichen für Nachhaltigkeit setzen, betonen Tobias Hohermuth und Anita Eckardt unisono. «Wir sehen uns als multinational führender Baudienstleister und führendes Bau- und Baudienstleistungsunternehmen der Schweiz in der Pflicht, die Treibhausgasemissionen, die durch unsere Bautätigkeit entstehen, zu reduzieren.» Die Holzbauweise könne dazu in Zeiten des Klimawandels – auf dem Weg zur 2000-Watt- und 1-Tonne-CO2-Gesellschaft – einen wichtigen Beitrag leisten. Auch wenn während des Herstellungsprozesses Kohlendioxid freigesetzt werde, so werde immer noch mehr davon im Baustoff gebunden, heisst es. Ökologische Nachhaltigkeit soll übrigens auch später im Betrieb des Zuger Wohnturms gewährleistet sein: Durch Photovoltaikmodule in der Fassade wird das Gebäude zum Energieproduzenten, das einen Teil seines Bedarfs mit selbst erzeugtem Strom decken wird. Erneuerbare Wärme und Kälte aus dem Boden sowie aus dem Zugersee sollen «Pi» zusätzlich energetisch versorgen. Auch in dieser Hinsicht erweist sich das Holzhochhaus als echtes Vorzeigeprojekt. Story: Elmar zur Bonsen


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Die drei Co-Founder der Company Factory in Winterthur (von links nach rechts): Beat Scheidegger, Roberto Vetrano (CEO von Bodenschatz) und Christoph Meili. FOTO: MICHELE LIMINA

Innovation Leader

Gute Ideen, neues Geschäftsmodell Das KMU Bodenschatz schaffte den Wandel – und etablierte mit der Company Factory eine zukunftsträchtige Firmenfabrik: Das aus dem Badaccessoire-Spezialisten hervorgegangene Start-up entwickelt aus innovativen Lösungsansätzen neue, zukunftsträchtige Geschäfte, auch für die Baubranche.

Jedes «Geschäft» muss unter dem Strich vor allem eines: rentieren – am besten nachhaltig. Um zu dieser Weisheit zu gelangen, braucht es kein Studium in Betriebswirtschaft. Ein bisschen schwieriger wird es allerdings, wenn es darum geht, herauszufinden, ob sich eine Idee gewinnbringend in die Tat umsetzen lässt. «Vielen Unternehmen fehlt schlicht das Geld, mangelt es an Erfahrung und Ressourcen, um in solch einem Falle eine Geschäftsidee seriös umzusetzen», sagt Christoph Meili, «also fallen durchaus interessante neue Geschäftsfelder häufig einfach unter den Tisch.»

Mit Mut zurück auf Kurs Meili ist Mitgründer und CEO der Company Factory, einer Firmenfabrik mit Sitz in Winterthur. Das Unternehmen bestärkt und unterstützt Betriebe darin, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln und am Markt zu etablieren. Einfach gesagt, schafft sie neue Geschäftszweige oder baut bestehende Modelle um. Das Interessante daran: Diese dürfen, müssen jedoch rein gar nichts mit dem eigentlichen Kerngeschäft des jeweiligen Unternehmens zu tun haben. Was zählt, ist die Bereitschaft, die evolutionären Elemente mit revolutionären Ansätzen zu paaren – neue Ideen zu entwickeln, ohne die bewährten Pfade gänzlich zu

verlassen also. Denn dies, so Meili, sei das Gebot der Stunde. «Klassische Strategien liefern keine abschliessenden Antworten auf die aktuellen Entwicklungen im globalen Wirtschaftsumfeld», führt der ehemalige Unternehmensberater aus. «Wer als Gewinner aus dem globalen Wandel hervorgehen will, der braucht Visionen.» Was dies in der Praxis konkret bedeutet, lässt sich am Beispiel der Company Factory bestens erörtern. Denn das Unternehmen ist selbst aus einer bösen Firmenkrise hervorgegangen – jener des Allschwiler Badaccessoire-Spezialisten Bodenschatz, eines 80 Jahre alten mittelständischen Betriebs, der primär die Fachkanäle der Baubranche bediente. Roberto Vetrano ist seit 2011 CEO von Bodenschatz. Zuvor leitete er das Marketing und den Verkauf – und er kann sich noch erinnern an jenen Herbsttag im Jahr 2009, als ihm sein grösster Kunde eröffnete, fortan das Gros der von ihm benötigten Produkte direkt aus Asien beziehen zu wollen. «Das war ein absoluter Schock. Wir wussten, dass binnen eines Jahres ein signifikanter Teil unseres Umsatzes wegbrechen könnte», erzählt Vetrano. «Wollten wir unsere Existenz nicht gefährden, mussten sehr schnell ein paar wichtige, wegweisende und richtige Entscheide gefällt werden, so viel war klar.» Mit einschneidenden Res-

«Wer als Gewinner aus dem globalen Wandel hervorgehen will, der braucht Visionen.»

trukturierungsmassnahmen und der Konzentration auf das Wesentliche, das Kurzfristige, konnte die Existenz des Unternehmens schliesslich gesichert werden. Ein äusserst schmerzhafter Prozess sei dies gewesen, so Vetrano, aber 2013 hätte die Firma zurück auf Kurs gefunden, seien neben den kurzfristigen auch die mittel- und längerfristigen Ziele wieder vermehrt in den Vordergrund gerückt.

Unglaubliche Chancen Der schmerzhafte Prozess führte bei Bodenschatz auch zu einer völlig neuen Denkweise. Zu einer, die Vetrano als «grösser» bezeichnet. «Wir wussten, dass das, was wir taten, grundsätzlich gut war. Aber reichten die bewährten

Komponenten auch aus, um uns als Firma in einem sich immer schneller drehenden Umfeld zu behaupten?» Sorgenfalten und zufriedenes Schmunzeln spiegeln sich abwechslungsweise in seinem Gesicht, blickt er zurück auf die damit verknüpften Erkenntnisse. «Wir wussten, was wir wollten, und hatten eine Vision. Allerdings mussten wir auch das bestehende Geschäft am Laufen halten und evolutionär weiterentwickeln.» Vor diesem Hintergrund hätten dem Unternehmen schlicht die zeitlichen Ressourcen wie auch das Wissen gefehlt, um das eigene Geschäftsmodell zu revolutionieren. «Zudem fehlte uns das Knowhow im Digital Business, das uns unglaubliche Entwicklungschancen bot.» Da der Markt damals auch keine adäquate, massgeschneiderte Lösung bereithielt, gründete Bodenschatz 2017 ganz einfach seine eigene Innovationsabteilung – die später ausgelagerte und heute vom Badaccessoire-Spezialisten losgelöst agierende Company Factory. Die 26 Mitarbeitenden der Winterthurer Firmenfabrik widmen sich nach wie vor dem Aufbau neuer Geschäftsmodelle. Aus der Not heraus geboren, liegt es in der DNA des jungen Unternehmens, den berühmten «einen» Schritt weiter zu machen. Testphase, Lancierung am Markt und Aufbau des kompletten Betriebs, inklusive Personalrekrutierung und Investorensuche. «Wir sehen uns nicht in der Rolle traditioneller Berater, die mit Strategien beim Kunden antraben», führt Christoph Meili aus. «Viel eher sind wir Unternehmer, die den Schwerpunkt ganz klar auf die Umsetzung und die Realisierung neuer Geschäftsideen legen.» Innovationen mit radikalerem Charakter würden von ihm und seinen Kollegen in neuen, separaten Gefässen aufgebaut, aus denen im idealen Fall wiederum neue Firmen entstünden. «Dadurch können die bestehenden Regeln von ganzen Branchen gebrochen, Kooperationen in Gang gebracht und neue Geschäfte schnell und einfach am Markt etabliert werden», so Meili.

Innovation am Bau gefragt Inzwischen unterstützt die Company Factory mehr als 20 Kunden. «Meist geht es darum, ein Unternehmen durch die Transformation der heutigen Wirtschaftswelt zu bringen und neue Möglichkeiten zu kreieren, damit sich dieses abseits der eigentlichen Kerntätigkeit weiterentwickeln oder sogar neu aufstellen kann.» Als Beispiel nennt der Company-Factory-CEO den Aufbau der digitalen Einheit eines mittelgrossen Papeterie-Unternehmens, die Entwicklung einer Sensoren-Lösung zur Sturzpräventi-

on für einen bekannten Beleuchtungsexperten oder den Aufbau der Endkunden-Einheit für Condair, einem weltweit führenden Hersteller im Bereich Luftbefeuchtung (siehe Seite 18). Gerade mit Blick auf die Bau- und Immobilienbranche sehen Vetrano und Meili ein riesiges Potenzial, um nebst den evolutionären Elementen, also beispielsweise der Weiterentwicklung des Produktesortiments, auch bahnbrechend neue Ansätze verfolgen zu können. «Überlegen Sie einmal, wie viel Zeit wir in Gebäuden verbringen», sagt Christoph Meili, «und dann schauen Sie, mit welchen innovativen Ideen die Branche diesem Umstand begegnet.» Sein Blick verrät: Es sind in seinen Augen weder genügend, noch gehören diese Innovationen zu den spannendsten.

Klarer Blick von aussen Das Bestehende in eine Vision des Künftigen zu überführen – diese Mission sprengt denn häufig auch ganz einfach den Horizont eines Unternehmens. Wirklich überraschend sei das allerdings nicht und habe durchaus auch seinen Grund, sagt Roberto Vetrano, der Company Factory zusammen mit Christoph Meili und Beat Scheidegger einst aus der Taufe gehoben hat. «Solange es läuft und die Zahlen stimmen, überlegt sich kaum eine Firma freiwillig, welche Geschäftsfelder über die Stammtätigkeit hinaus sich zusätzlich erschliessen liessen.» Wenn überhaupt, dann komme diese Fragestellung erst auf, wenn sich das Unternehmen vor vollendete Tatsache gestellt sehe und die Auseinandersetzung mit dem Thema schlicht zu einem «Muss» werde. Anders als betriebsinternen Abteilungen sei es ihnen als Externen möglich, frei von der Firmendoktrin an eine Aufgabe oder ein Problem heranzugehen, sagt Meili, der CEO der Company Factory. «Wir sind in der Lage, innert kürzester Zeit zu rapportieren, ob sich eine Idee als realisierbar und gewinnbringend erweist. Und wir machen aus dieser Idee letztendlich ein Geschäft.» Gefragt sei allerdings immer auch ein gesundes Mass an Flexibilität. Denn mitunter würden sich im Laufe eines Entwicklungsprozesses plötzlich ganz neue Wege auftun, an deren Existenz anfänglich noch niemand gedacht habe. Roberto Vetrano lacht: «Bei Bodenschatz waren wir zwar davon überzeugt, dass unsere Idee funktionieren und für die eigene Geschäftsentwicklung sehr wertvoll sein würde. Dass die Entwicklung und der Erfolg aber so überwältigend ausfallen, daran hat damals sicherlich niemand gedacht.» Story: Flavian Cajacob


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Bernd Stadlwiesers Selbsteinschätzung Wie digital fit sind Sie selbst?

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Wie digital fit ist Ihre Firma?

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Wie sehr disruptieren neue Technologien Ihre Branche? Wie sehr investieren Sie in die technologische Zukunft? Skala: 1 = Tiefstwert / 10 = Höchstwert

Markt vorhanden ist. Für uns ist es wichtig, dass wir Formate skalieren können, denn sie kosten viel Geld. Zürich hat natürlich das grösste Einzugsgebiet in der Schweiz und ist deshalb für Publikumsevents sehr geeignet.

Bernd Stadlwieser, CEO der MCH Group: Die Geschäftstätigkeit der Unternehmensgruppe mit Sitz in Basel umfasst die Veranstaltung von rund 30 eigenen Messen, den Betrieb der Messegelände in Basel und Zürich sowie individuelle Dienstleistungen im Bereich Experience Marketing – von der Strategie über die Konzeption bis zur Umsetzung. FOTO: ROBERT AEBLI

Innovation ist Chefsache

«Aus Messen werden Plattformen» Seit Mitte 2019 ist der Österreicher Bernd Stadlwieser als CEO der MCH Group daran, einen Transformations- und Innovationsprozess umzusetzen. Mit Hilfe der Digitalisierung will er das traditionelle Messegeschäft modernisieren und in Plattformen überführen, die das ganze Jahr über präsent sind. Sind Messen noch zeitgemäss oder Aus­ laufmodelle? Bernd Stadlwieser: Das muss man differenziert anschauen. In Europa und den USA haben sich die Messen in letzter Zeit im Gleichschritt mit der Konjunktur entwickelt und ein jährliches Wachstum von bis zu 4 Prozent verzeichnet. In Asien ist diese Zahl noch höher. So gesehen kann man nicht von einem Auslaufmodell sprechen. Trotzdem gibt es einige Formate, die heute nicht mehr funktionieren, das gilt zum Beispiel für ehemalige Messen wie die Muba (Mustermesse Basel) oder die Züspa (Zürcher Herbstmesse). Doch es kommen auch neue Formate dazu. Aus meiner Sicht haben Publikumsmessen ein grosses Potenzial, wenn man sie nicht im traditionellen Messeformat veranstaltet. Wir sprechen vielmehr von Events und Festivalisierung, wobei es da sozusagen um die Verpackung geht. Der Kern besteht dann aus dem konkreten Thema. Wenn ich die Muba oder Züspa aus Besuchersicht be-

urteile, dann war das Format nicht mehr zeitgemäss. Wurde die Züspa nicht bis zum Schluss weiterentwickelt? Bei der Züspa hat man lange an der Verpackung gearbeitet und Modeschauen, Autogrammstunden und Konzerte dazu genommen, allerdings nicht konsequent genug. Und am Kern hat man nichts verändert. Wofür stand die Züspa am Schluss noch? Da gibt es heute andere Formate, die entweder im Publikumsbereich ein Querschnittsthema besetzen oder eine ganz spezifische Zielgruppe ansprechen. So muss man Publikumsmessen in der heutigen Zeit aufziehen. Verpackung und Kern müssen stimmen. Wird es Nachfolgemessen der Muba und Züspa geben? Ich spreche ungern von einer Nachfolgemesse. Aber wir planen, wieder eine grössere Publikumsmesse zu veranstalten. Ich bin davon überzeugt, dass ein

«Die Swissbau hat früh damit angefangen, sich auf die Zukunft auszurichten.»

Ein anderer Problemfall ist die Basel­ world, die an Zuspruch verloren hat. Was haben Sie hier vor? Die Baselworld ist eine klassische Uhren-Fachmesse im B2B-Bereich. Da hat sich in den letzten Jahren im Markt viel verändert. Man hat es verpasst, mit unserem B2B-Format rechtzeitig darauf zu reagieren. Hier muss man als Plattform-Betreiber sehr nahe am Markt und am Kunden sein, Veränderungen erkennen und darauf reagieren. Wir haben nun eine zweigleisige Strategie entwickelt: Die Baselworld ist trotz Schwierigkeiten immer noch der wichtigste und grösste Branchentreffpunkt, mit vielen Marken und Händlern aus der ganzen Welt. Wir müssen dieses Format für alle Beteiligten attraktiver machen. Dafür müssen wir weg von der Messe und hin zu einer Plattform, auf der die Industrie präsent sein muss. Um das Format langfristig erfolgreich zu halten, gilt es, über B2B hinaus einen Community- und Plattform-Charakter zu entwickeln. Zur Community gehören auch Endkunden, Sammler und Uhren-Fans, die sich eingehend mit dem Thema beschäftigen. Wir haben eine historische Chance, weil wir uns in der besten Position befinden aufgrund unserer Glaubwürdigkeit, Tradition und unseres Netzwerks. Von dieser Community wird dann auch der Live-Event in Basel profitieren. Sie sprechen viel von Plattformen. Wie sieht die Messe der Zukunft aus? Intern diskutieren wir viel über den Begriff Messe, der einen etwas verstaubten Touch hat. In unserer neuen Strategie sprechen wir nicht mehr von Messen, sondern von Plattformen und Communitys. Das sollen nicht nur schöne Begriffe sein, sondern sie stehen für einen fundamentalen Unterschied. Eine Messe ist zeitlich beschränkt. Man kommt an einem Ort zusammen und geht am Schluss wieder auseinander. Mit einer Plattform haben wir aber die Möglichkeit, für die Community das ganze Jahr über präsent zu sein. Egal, ob B2B oder B2C. Die Besucher, die Aussteller und die Medien sind stets miteinander in Kontakt. Und die eigentliche Messe ist dabei als Teil der Plattform der Live-Event, der aber wichtig ist, denn aus Gründen der Effizienz gibt es nichts Besseres, als wenn eine Industrie an einem Ort zusammenkommt. Zum Live-Event gibt es keine Alternative, er ist, isoliert gesehen, aber heutzutage zu wenig für viele Marketingkonzepte. Welche Rolle spielt bei diesem Transfor­ mationsprozess die Digitalisierung? Die Community läuft über eine digitale Plattform, die die ganze Zeit für den Austausch genutzt werden kann. Aus unserer Sicht als Unternehmen können wir so nicht nur die Quadratmeter in den Messehallen verkaufen, denn dieses Geschäftsmodell allein geht nicht mehr auf. Auf der Plattform lassen sich Werbeflächen und Match-Making anbieten. Da gibt es ganz viele Ideen, die aber noch nicht final in ein Produkt eingeflossen sind. Aber die Prozesse sind gestartet worden. Seit ich hier bin, arbeiten wir intensiv am Thema. Eine meiner ersten Amtshandlungen war die Schaffung der Stelle eines Chief Digital & Innovation Officer, der im November 2019 seine Arbeit aufgenommen hat. Wichtig ist auch, dass er der Unternehmungsleitung angehört. Denn diese Themen sind Chefsache. Ich selber bin kein Spezialist, verstehe davon aber so viel, dass ich Entscheidungen treffen kann. In diesen Bereich müssen wir viel investieren, denn die Digitalisierung ist das Rückgrat der Plattform-Stra-

tegie. Deshalb müssen Entscheide über grosse Ausgaben in der Unternehmensführung gefällt werden, und die muss etwas davon verstehen. Sind Sie da nicht mit Verspätung unter­ wegs? Die MCH hat die Digitalisierung nicht verschlafen, aber diese ist auch nicht konsequent genug angegangen worden. Jede Messe hat sich ein bisschen damit beschäftigt, eine übergeordnete Strategie gab es jedoch nicht. Digitalisierung funktioniert nur dann, wenn sie zentral organisiert ist und sich ein Team damit beschäftigt, das in der Tiefe etwas davon versteht. Weil die Digitalisierung der Werttreiber der Zukunft ist und nie abgeschlossen sein wird, muss sie zwingend im eigenen Haus angesiedelt sein. Wir müssen eine gesamtheitliche Strategie entwickeln, die wir für alle Veranstaltungen skalieren können. Dabei muss das digitale Gerüst, das Backend, für alle Veranstaltungen gleich und skalierbar sein, gegen aussen muss das Frontend an die Zielgruppe angepasst werden. Weil wir uns mit verschiedenen Themen befassen, sind auch die Ansprüche an die Plattformen individuell. Wie steht diesbezüglich die Swissbau da? Die Swissbau hat früh damit angefangen, sich auf die Zukunft auszurichten. Das ist für eine Veranstaltung, die nur alle zwei Jahre stattfindet, nicht so einfach. Die Swissbau besteht schon heute aus drei Teilen. Zum einen haben wir die klassische Messe mit rund 880 Ausstellern. Dann gibt es seit einiger Zeit den Swissbau Focus, eine grosse Konferenz im B2B-Bereich mit rund 6000 Teilnehmern. Dabei geht es darum, zusammenzukommen, Trends aufzunehmen und Erfahrungen auszutauschen. Das funktioniert auf der ganzen Welt, nennt sich Convex und ist eine Mischung aus Convention und Konferenz. Der dritte Teil ist das Swissbau Innovation Lab mit rund 60 Ausstellern, wobei es sich um eine andere wichtige Komponente der Fachmesse handelt, die den digitalen Erlebnisbereich im Bauwesen abdeckt. Das ist ein klarer Mehrwert für die Besucher. Und die Aussteller können die Kunden noch auf einer ganz anderen Ebene abholen. Wie könnte sich die Swissbau weiterent­ wickeln? Auch die Swissbau ist noch nicht so weit, dass wir von einer Plattform sprechen können. Es ist im Grundsatz immer noch eine Messe herkömmlichen Zuschnitts, aber mit modernem Inhalt. Auch hier werden wir den Plattform-Ansatz umsetzen. Zudem planen wir kleinere Events zwischen der Hauptveranstaltung, die alle zwei Jahre stattfindet, um neben der digitalen Plattform mehr Austausch und hochwertiges Networking für die Community zu schaffen. Beispielsweise bei der Ilmac, der Schweizer Industriemesse für Chemie und Life Sciences, hat man das 2019 mit einem Convex-Ansatz schon ansatzweise getestet. Interview: Michael Baumann

Meine Vision 2050 … «Wir werden nicht mehr über Messen sprechen, sondern über Plattformen. Punkto Digitalisierung stehen wir noch ganz am Anfang, da wird noch viel kommen, was wir uns heute noch nicht vorstellen können. Aber unsere Veranstaltungen werden nicht ausschliesslich auf Plattformen stattfinden. Die Live-Komponente wird 2050 immer noch eine wichtige Rolle spielen, weshalb es in Zukunft mehr solche Anlässe geben wird.»


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BEST OF SWISSBAU INNOVATION LAB

Im Geiste von «Star Wars» entstehen bei der Zürcher Digitalagentur Raumgleiter virtuelle Architekturmodelle, die trotz eines Hangs zur Perfektion ausgesprochen emotional wirken. Ein Bauprojekt beginnt heute selten noch mit einem ausgefeilten architektonischen Plan, sondern vielmehr mit einer Idee. Damit der Immobilienentwickler einen Investor von seinem Projekt überzeugen kann, benötigt er aber zumindest eine perfekte Visualisierung seiner Idee. Das ist die Spezialität der Raumgleiter AG. «Wir zeigen die emotionale Seite eines Projekts», sagt Matthias Knuser. Der 33-jährige ETH-Architekt ist Co-Gründer und einer von drei Managing Partner des Unternehmens mit Sitz in Zürich, seine Welt sind virtuelle Kulissen auf höchstem Niveau. Bei Raumgleiter werden zwar mit den besten verfügbaren Rechnern und Grafikkarten aufwendige Visualisierungen designt und programmiert, aber für Knuser geht es letztlich um irrationale Gefühle. «Studien zeigen: 80 Prozent unserer Entscheidungen sind emotional. Einen Ferrari kauft man sich nicht, um von A nach B zu kommen – dazu reicht ein Ford –, sondern aus emotionalen Gründen. Und genau so ist es mit

Bauprojekten.» Dabei spiele es keine Rolle, ob ein ganzes Stadion oder eine Eigentumswohnung zur Wahl stehe. Ohne Visualisierung entsteht kaum noch ein Projekt, die Entwickler wollen möglichst schon vor Baubeginn Vollvermietung oder -verkauf erreichen, dafür brauchen sie ausgefeilte virtuelle Modelle.

Bauvorhaben kunstvoll zeigen Können Architekturprojekte frühzeitig visualisiert werden, kann der Entwickler Zeit und Geld sparen. Er muss nicht mehr für 100 000 Franken ein komplettes architektonisches Projekt erarbeiten lassen, sondern lässt zunächst Bilder für sich sprechen und kann schneller mit einem Entscheid des Investors rechnen. Sobald die Pläne konkreter werden, zeigen sich weitere Vorteile kunstvoll digitalisierter Bauvorhaben. «Auf Plänen ist nicht immer so genau zu erkennen, worauf man sich einlässt. Aber mit Virtual Reality können wir ein begehbares Modell einer Eigentumswohnung zeigen,

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Das Klima muss stimmen Einst ein Zusammenschluss von 20 kleineren Firmen, heute Weltmarktführer in Sachen Luftbefeuchtung: Die Schweizer Condair Group sorgt für ein gesundes Raumklima.

Condair Group Die Condair Group mit Sitz in Pfäffi­ kon/Freienbach SZ ist der weltweit führende Hersteller im Bereich kom­ merzieller und industrieller Luftbe­ feuchtung und Verdunstungskühlung. Gegründet wurde das Unternehmen 1948, zwischen 1975 und 2014 gehörte es zur börsenkotierten Walter Meier AG. Mit professionellen, innovativen Luftbefeuchtungssystemen setzt Condair heute neue Massstäbe in Bezug auf eine gesunde, komfortable und energieeffiziente «Hydrierung» der Raumluft in Büros und Privathaus­ halten. Condair beschäftigt rund 750 Personen, exportiert in mehr als 50 Länder und erwirtschaftet einen Jahresumsatz von rund 180 Millionen Franken.

Zu kühl, zu warm, zu trocken, zu feucht. Das Klima – und an dieser Stelle für einmal nicht das globale – sorgt für Diskussionen im Büro und in der Familie. «Und trotzdem wird dem Raumklima aktuell viel zu wenig Bedeutung beigemessen», sagt Oliver Zimmermann, CEO der Condair Group, dem Weltmarktführer in Sachen Luftbefeuchtung mit Sitz in Pfäffikon/Freienbach (SZ). Allzu erstaunlich indes sei das nicht, meint er. Denn gerade was die «Humidity» anbelangt, weisen wir Menschen von Natur aus ein sensorisches Manko auf. Im Gegensatz beispielsweise zu Luftzug und Temperatur können wir die relative Luftfeuchtigkeit nicht als zu hoch oder zu tief wahrnehmen. Zeitverzögert spüren wir lediglich die Symptome, also trockene Augen, Nasenbluten – oder dann, beim Berühren von Metall, ganz direkt die äusserst schmerzhafte elektrostatische Entladung.

Die Führungscrew von Raumgleiter (von links nach rechts): Matthias Knuser, Hana Disch und Daniel Kapr.

und jeder sieht sofort, ob das Bad gross genug ist oder ob die Küche praktische Anforderungen erfüllt», erklärt Knuser. Eine Musterwohnung zu bauen, wäre um den Faktor fünf- bis zehnmal teurer, als wenn man sich eine virtuell begehbare Wohnung aus dem Supercomputer erstellen lässt. Dabei gehört es zum Selbstverständnis der Raumgleiter-Spezialisten, dem Ideal möglichst nahe zu kommen, so Knuser. «Wenn wir eine Mietwohnung für eine Familie mit 7000 Franken Monatseinkommen visualisieren, überlegen wir uns genau, welche Möbel darin stehen sollten, damit es diese Leute anspricht. Und ebenso präzise suchen wir die Weinflasche aus, die in einer virtuellen Villa auf dem Tisch steht. Es ist dann halt Champagner statt Prosecco, und mit diesem Detaillierungsgrad heben wir uns auch von anderen Anbietern ab.» Für ein Grossprojekt in Frankfurt etwa wurden bei Raumgleiter virtuelle Modelle für 262 Wohnungen erstellt, die sich jetzt zu verschiedenen Tages- und Nachtzeiten sowie in unterschiedlichen Wettersi-

Während das Raumklima beim Bau und bei der Wartung von Geschäftsräumlichkeiten heutzutage in der Regel mit einbezogen wird, stösst es diesbezüglich bei Privatgebäuden auf weit weniger Aufmerksamkeit. Gerade moderne, energieeffiziente Wohnhäuser werden mehr oder weniger luftdicht konstruiert, was sich direkt auf die relative Luftfeuchtigkeit auswirkt. Nicht selten liegt diese bei tiefen 15 bis 20 Prozent. «Das ist, als ob wir während der Heizsaison einige Monate in der Wüste verbringen würden», führt der Condair-Chef aus. «Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden sind jedoch nur in einem mittleren Bereich von 40 bis 60 Prozent Luftfeuchtigkeit gewährleistet.»

Trocken wie in der Wüste Liegt der Wert deutlich darunter, wirkt sich dies negativ auf die Gesundheit aus. Bakterien, Viren, Milben oder Sporen beispielsweise fühlen sich in (zu) trockener Umgebung pudelwohl und sorgen so dafür, dass Allergien entstehen und Infektionen rasch übertragen werden. Die Folge sind Grippe, Husten, Schnupfen, Bronchitis oder Nebenhöhlenentzündungen. Der Genesungsprozess wiederum lässt sich, so eine Studie der Yale University, durch eine mittlere relative Luftfeuchte von 40 bis 60 Prozent positiv beeinflussen. Die richtigen Luftbefeuchtungslösungen erzeugen zum einen also ein angenehmes Raumklima, zum anderen leisten sie, gerade im industriellen Umfeld und in Büroräumen, einen entscheidenden Beitrag zur Optimierung von Produktions- und Lagerungsprozessen, der Erhaltung von Werten und der Arbeitsleistung. «Eine perfekte Luftbefeuchtung muss immer auf den spezifischen Einsatz abgestimmt sein», erklärt Oliver Zimmermann. «Das stellt hohe Anforderungen an die Planung und die Wahl des passenden Systems. Aus diesem Grund legen wir ein grosses Augenmerk auf die Beratung.» Dank einem umfassenden Produktportfolio hat Condair für jede erdenkliche Aufgabe die passende Lösung zur

tuationen besichtigen lassen. Der potenzielle Bewohner sieht also, wie die Sonne zur jeder Stunde ins Wohnzimmer fällt oder wie sich die Stimmung bei Wolken und Regen verändert.

Interdisziplinäre Spezialisten Mit der Erschaffung virtueller Welten beschäftigt sich Raumgleiter seit seiner Gründung 2001. Als Vorbild für das damals exotische Geschäftsfeld nahm sich die Führungscrew den ersten «Star Wars»-Film von 1977, in dem der Todesstern als virtuelles Architekturmodell in 3D erscheint. «Die ‹Star Wars›-Macher haben uns damit gewissermassen den Weg bereitet», sagt Knuser heute mit einem Augenzwinkern. Aber ganz reale Modelle von «Star Wars»-Raumschiffen aus Legosteinen oder Darth-VaderMasken sind bis heute ganz selbstverständlich Teil der Dekoration in den Büros von Raumgleiter. Das Einsatzgebiet der erfolgreichen Visualisierungsspezialisten – darunter

sind Architekten, Landschafts- und Innenarchitekten, Medien- und Gamedesigner, Experten für 3D-Modeling und Animation, Programmierer, Fotografen oder Filmer – reicht heute von der Renaturierung eines Flusslaufs bis zu Grossüberbauungen wie jener der SBB in der Zürcher Europaallee. Dass bei Raumgleiter so viele interdisziplinäre Spezialisten unter einem Dach arbeiten, ist bei den unterschiedlichsten Projekten mit den unterschiedlichsten Anforderungen ein Vorteil. Die architektonischen Grundlagen, ästhetische Kompetenz, Sinn für unterhaltsames Storytelling sowie schliesslich die Umsetzung in einen wirksamen Computercode kommen laut Matthias Knuser aus einer Hand. Dadurch sind die Kommunikations- und Entscheidungswege kurz. Die Resultate naturgemäss immer nur virtuell, entstehen aber mit einem ausgeprägten liebevollen Hang zur Perfektion. Story: David Schnapp

FOTO: PD

Kulissenbauer in höchsten Sphären

NZZ am Sonntag 12. Januar 2020

FOTO: RAUMGLEITER

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Oliver Zimmermann ist CEO der Condair Group.

Hand: vom Zerstäuber über den Elektro-Dampfluftbefeuchter bis hin zum atmosphärischen Dampfverteiler und dem Hybrid-Luftbefeuchter. «Die Technologien entwickeln sich laufend weiter», bemerkt der Condair-Chef. «Alternative und energieeffiziente Lösungen gewinnen auch im Bereich der Luftbefeuchtung und Verdunstungskühlung mehr und mehr an Bedeutung.»

Komfort und Gesundheit Moderne Luftbefeuchtungssysteme sind in der Lage, verschiedene Räume in einem Gebäude unabhängig voneinander und individuell zu versorgen. Die Bedienung kann mitunter mittels App über das Smartphone vorgenommen werden. Sensoren und die Möglichkeit zur Ferndiagnose sowie ein automatisches Nachfüllen mit Wasser erhöhen zudem den Bedienkomfort. Ob nun verdampfen, verdunsten oder zerstäuben: Oliver Zimmermann ist sich sicher, dass das Thema Luftbefeuchtung im Bau- und Immobilienwesen zunehmend an Bedeutung gewinnen wird. «Wir müssen vermehrt den Menschen und nicht das Gebäude in den Vordergrund rücken, denn das Gebäude dient dem Schutz des Menschen», be-

merkt er. «Ein ideales Raumklima wirkt sich letztlich nicht nur auf dessen Wohlbefinden aus, sondern eben auch auf die Gesundheit ganz allgemein.» Story: Flavian Cajacob

Company Factory Condair versteht sich als aktiver «Hidden Champion», der vermehrt in den residenziellen Markt einsteigen will. Damit geht ein Ausbau des Geschäftes von B2B hin zu B2C einher, was die Bereiche Digitalisierung und Internet of Things noch stärker in den Fokus rückt. Um die damit verbunde­ nen Herausforderungen zu meistern, hat Condair im letzten Herbst die Zusammenarbeit mit Company Fac­ tory (siehe Seite 16) gesucht. Ziel ist der Aufbau einer teilweise eigen­ ständig agierenden Business Unit namens Condair HumiLife, die sich mit innovativen und professionellen Raumluft­Hydrierungslösungen auf Architekten und private Endkunden ausrichtet.


NZZ am Sonntag 12. Januar 2020

Verlagsbeilage Zukunft Bauen

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In welchem Spannungsfeld stehen Architektur und Funktionalität? Für mich muss ein Areal oder eine Immobilie eine innere Logik haben. Das Nutzungskonzept muss stehen. Die Haustechnik, die Zufahrten und die Personenflüsse müssen gelöst sein. Erst dann kann man die Gebäude gestalterisch ausformulieren. Nicht umgekehrt, denn dann funktioniert es unter Umständen nicht. So haben wir es auch mit dem ersten Gebäude auf dem Schorenareal gemacht. Schnell war klar, dass es in den Räumen keine Stützen haben soll. Deshalb haben wir aussen grosse Träger konzipiert, die man stilgebend als Teil der Fassade sehen wird.

Hans-Jörg Fankhauser ist CEO der Fankhauser Arealentwicklungen AG, ein auf Grossprojekte spezialisiertes Büro mit Sitz in Reinach im Kanton Basel-Landschaft (BL). Mit 20 Mitarbeitenden erarbeitet er Lösungen für die Neugestaltung und Umnutzung von anspruchsvollen und komplexen Arealen in der ganzen Schweiz. FOTO: MICHELE LIMINA

Innovative Grossprojekte

BEST OF SWISSBAU INNOVATION LAB

«Die Nähe zu vielen Talenten ist der wichtigste Faktor» Hans-Jörg Fankhauser, CEO der Fankhauser Arealentwicklungen AG in Reinach (BL), baut für die Zukunft. Aktuell wächst in Arlesheim (BL) der Industrie-Campus uptownBasel als Zentrum für die digitale Transformation in die Höhe. Auf einer Grundstücksfläche von rund 70 000 Quadratmetern entstehen verschiedene Gebäude – ein Technologiepark 4.0 für die Nordwestschweiz. Herr Fankhauser, wie sind Sie auf das Grundstück in Arlesheim gekommen, um ausgerechnet dort die Industrie anzusiedeln, die sich schon heute mit der Zukunft beschäftigt? Hans-Jörg Fankhauser: Die Industrie der Zukunft braucht Talente. Mithilfe einer an der ETH Zürich entwickelten Software, die auf den Hektardaten der Schweiz aufgebaut ist, haben wir errech­ net, dass innert 20 Minuten Anfahrtszeit über 280 000 hervorragend ausgebilde­ te Personen den Standort Arlesheim auf dem Schorenareal erreichen. Talente mit überdurchschnittlichen Kenntnissen, vor allem in den Bereichen Digitalisie­ rung, IT und IoT. Wir haben im Raum Ba­ sel zehn Standorte berechnet und dann das Areal in Arlesheim ausgesucht. Das Schorenareal hat eine lange Tradition als Industriegebiet, lag aber seit 1995 fast gänzlich brach und konnte sofort bebaut werden. Vor allem auch die schnelle Ver­ fügbarkeit ist in der heutigen Zeit der rasanten Veränderungen im Industrie­ bereich ein entscheidender Faktor. Die Nähe zu vielen Talenten ist jedoch der wichtigste Faktor. Mit dem Family Office von Thomas Staehelin, Wirtschaftsan­ walt und Privatinvestor, habe ich den richtigen Finanzier für dieses Thema gefunden. Was haben Ihre Berechnungen weiter ergeben? Dass überdurchschnittlich viele dieser Talente im Umkreis von 2,5 Kilometern in den Birs­Stadtgemeinden Arlesheim,

Reinach, Münchenstein und Muttenz le­ ben. Dies ist nicht verwunderlich, denn erstens liegt die Internationale Schule Basel (ISB) nur wenige Hundert Meter vom Standort unseres Projekts uptown­ Basel entfernt, und zweitens haben gerade diese Vorortgemeinden hervor­ ragende Infrastrukturen wie Schulen so­ wie Freizeit­ und Kulturmöglichkeiten, aber auch viele lebenswerte, naturnahe Wohngebiete. Zudem wohnen im nahe gelegenen Stadtquartier Gundeldingen heute sehr viele Expats und gut ausge­ bildete junge Leute. Gerade dieses Quar­ tier ist in den letzten Jahren zum Hype­ quartier für Menschen geworden, die gerne in städtischer Dichte wohnen. Auch aus dem Gundeldingen erreicht man den Standort uptownBasel mit dem Fahrrad innert 10 Minuten. Und welche Vorzüge hat das Areal von uptown-Basel? Es liegt direkt vor der Kernstadt, die ein grosses Angebot an Aus­ und Weiter­ bildungsmöglichkeiten bietet. Mit der Universität Basel und der Fachhoch­ schule Nordwestschweiz in Muttenz ist die Region hervorragend positioniert. Die drei Clusterthemen Life Sciences, Transportation und Technical Manufac­ turing prägen seit Jahrzehnten den Ar­ beitsmarkt, was internationale Top­Fir­ men nach Basel zieht. Aber auch Start­ ups kommen aus der ganzen Schweiz hierher, um zusammen mit den hier wohnenden Talenten ihre Unternehmen aufzubauen. So zieht gerade das Top­5­

«Bis 2027 wollen wir die Gebäude fertiggestellt haben, dann werden mindestens 2000 Leute hier arbeiten.»

Start­up Tolremo von Zürich nach Mut­ tenz in das auch von uns entwickelte Projekt «the 5th floor», ein nach Berliner Vorbild konzipiertes Start­up­Netzwerk. Was muss ein 4.0-Areal sonst noch bieten? Bestens mit Bahn, Bus und Auto er­ schlossen sein. Wichtig jedoch ist eine redundante Stromversorgung und ein hervorragend ausgebautes Glasfaser­ netz, beides ist am Standort Arlesheim vorhanden. Wie erwähnt, ist es ein seit Jahrzehnten bestehendes Industrie­ areal. Immerhin entstand hier vor über 100 Jahren die EBM, die sich neu den Na­ men Primeo Energie gegeben hat. Auch der bekannte Datacube, ein schweizweit bekanntes Rechencenter, liegt wenige Hundert Meter von uptownBasel ent­ fernt. Für viele Arbeitnehmer ist zudem ein naturnahes Arbeitsumfeld wichtig, denn viele wollen sich in der Mittags­ pause in schönem Umfeld körperlich ak­ tiv betätigen können. Die angrenzende Birs und der weitläufige Naturpark Rei­

nacherheide bieten Freiräume, die in städtischem Umfeld so nicht möglich sind. Warum ist diese Naturnähe so wichtig? Viele dieser Talente in unserer Region haben gar kein Auto mehr oder schätzen es, den Arbeitsplatz mit dem ÖV, zu Fuss oder mit dem Fahrrad zu erreichen. Die Fahrradwege führen entlang der Birs durch naturnahe Gebiete, was den Arbeitsweg sehr attraktiv gestaltet. Für die rund 2000 Arbeitsplätze sehen wir 700 Fahrradplätze vor. Dazu bauen wir Garderoben mit Umkleidekabinen und Duschen. Wie soll sich uptownBasel entwickeln? Technische Innovationen, Nachhal­ tigkeit und kollaboratives Arbeiten: Das ist unser Credo. Wir wollen ein Kompe­ tenzzentrum für die digitale, vernetzte Industrie schaffen, einen Smart Manu­ facturing Hub für 50 Technologiefirmen mit rund 2000 attraktiven Arbeitsplät­ zen aus den drei genannten Clusterthe­ men. Zehn Unternehmen sind schon unter Vertrag, darunter zwei grosse fran­ zösische Technologiekonzerne, die eu­ ropaweit je über 150 000 Mitarbeitende haben. Zusammen werden sie bereits Ende Jahr mit 400 Talenten im Bau 1 ein­ ziehen. Mit weiteren Top­Firmen sind wir heute in Kontakt, auch wenn wir die­ se erst in zwei bis drei Jahren aufnehmen können. Bis 2027 wollen wir die Gebäu­ de fertiggestellt haben, dann werden mindestens 2000 Leute hier arbeiten.

Woher wissen Sie, welche Trends auf uns zukommen? Dafür habe ich zwei Innovation Scouts angestellt. Diese gehen für mich an wichtige Messen und Kongresse in den Bereichen Informationstechnolo­ gie, Mobilität, Security, 3D-Druck, Sen­ sortechnik, Robotik oder künstliche Intelligenz und erstellen jeweils einen vierseitigen Bericht. Natürlich sind wir keine Futurologen, aber wir spüren sys­ tematisch Innovationen und Trends auf und versuchen dadurch, der Zukunft dicht auf den Fersen zu sein und Markt­ chancen zu erkennen. So wissen wir aus erster Hand, was wo läuft. Zudem schliessen wir mit externen Innovation Scouts Verträge ab. So bekommen wir auch von dieser Seite Input und Namen von Firmen, die sich mit den zentralen Themen der Zukunft beschäftigen. Was machen Sie konkret mit diesen Informationen? Die Informationen verwenden wir, um uns Gedanken über die Areal­ und Gebäudestrukturen von zukünftigen Geländen zu machen. Auch können wir so ableiten, wie eng die Firmen in Zu­ kunft zusammenarbeiten müssen. Dies führt zu neuartigen Gebäuden und stark vernetzten Arealen mit allen dazu nötigen Infrastrukturen. Die zentrale Voraussetzung aber bleibt immer die Erreichbarkeit für gut ausgebildete Leute. In uptownBasel integrieren wir keine Wohnungen, weil diese in unmit­ telbarer Nähe in grosser Anzahl vorhan­ den sind und weitere Wohnbauprojekte erstellt werden. Da es keine Wohnun­ gen braucht, haben wir uns entschie­ den, ein Areal zu entwickeln, in dem mindestens zweischichtig gearbeitet werden kann. Dies benötigt entspre­ chende Infrastrukturen wie Restau­ rants, Fitness­ und Aufenthaltsräume. Wie wird die Industrie 4.0 die Gesellschaft verändern? Durch die neuen Technologien – bei­ spielsweise 5G und die vernetzte, digi­ talisierte und automatisierte Industrie 4.0 – werden zwar neue Arbeitsplätze geschaffen, viele bestehende werden aber verschwinden. Das könnte kurz­ fristig zu gesellschaftlichen Problemen führen. Hier muss etwas getan werden. Mittel­ und langfristig müssen wir die gesamte Ausbildung neu strukturieren. Da in Zukunft Kollaboration, Geschwin­ digkeit und Innovation im Vordergrund stehen werden, müssen Skills wie Empathie und das Arbeiten mit künst­ licher Intelligenz frühzeitig geübt werden können. Dies wird das ganze Schulsystem revolutionieren. Interview: Michael Baumann

Swissbau 2020 Zum Auftritt an der Messe vom 14. bis 18. Januar erklärt Hans-Jörg Fankhauser: «An der Swissbau 2020 spielt uptownBasel die zentrale Rolle im Innovation Lab. Unser Projekt kommt genau zum richtigen Zeitpunkt und steht genau am richtigen Ort. uptownBasel wird zum Inkubator für Forschung und Entwicklung sowie Technologietransfer. Im Innovation Lab an der Swissbau 2020 ist die digitale Transformation unmittelbar erlebbar. Anhand unseres konkreten Projekts werden rund 50 innovative Unternehmen aus der ganzen Schweiz realitätsnah aufzeigen, wie in Zukunft alle von der Digitalisierung profitieren können. uptownBasel liefert dazu den Rahmen.»


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NZZ am Sonntag 12. Januar 2020

Ivo Lenherr lehnt beim Aargauer Bau- und Immobiliendienstleister Leuthard an eine Säule, die im 3D-Drucker beim Betonzusatzhersteller Sika entstanden ist. FOTO: MICHELE LIMINA

Innovation Leader

Wo reale und virtuelle Welt verschmelzen Ivo Lenherr von fsp Architekten denkt den Begriff «Bauen» stets einen Schritt voraus. Auf dem Werkhof eines Bauunternehmens erklärt er, wie 3D-Drucker, Emotionen und spartenübergreifende Netzwerke die Branche in Zukunft grundlegend verändern werden. Ivo Lenherr lehnt an einer Säule. Nicht an irgendeiner Säule, sondern an einer, die im 3D-Drucker beim Betonzusatzhersteller Sika entstanden ist. Im seinem Rücken prangt ein grosser Schriftzug: INNOVATION. Dunkelstes Schwarz auf gelbem Filz, grafisch gehalten im Erscheinungsbild des Aargauer Bau- und Immobiliendienstleisters Leuthard. Lenherr, Mitinhaber von fsp Architekten und sattlerpartner (spa) sowie Initiant von mic.mind.set (siehe Kasten), stösst sich ab von der Säule, die in ihrer strukturierten und Schicht um Schicht nach Höherem strebenden Erscheinung dem ansonsten nüchtern gehaltenen Grossraumbüro eine leichte, spielerische Note verleiht. Dann richtet der Architekt den Blick auf den langgezogenen Schriftzug und meint: «Was wir hier sehen, verkörpert für mich die Art und Weise, wie Planer, Produzenten und Kunden künftig zusammenarbeiten. Und es zeigt, welche Rolle Architekt und Bauherrschaft in Zukunft einnehmen werden.» Auf dem folgenden Rundgang wird viel die Rede sein von «Collaboration», von «Cluster», von «Digital Fabrication» und selbstverständlich «Innovation».

Verschiedene Welten vernetzen Lenherr beschäftigt sich tagtäglich mit der Frage, wohin die Architektur steuert, welche Einflüsse von aussen sich in welcher Form auf die Arbeit von Planern, Bauherren und die Immobilienbranche auswirken werden. Vor den Fenstern queren Bagger den Hof, fahren Laster vor, wechseln Bauarbeiter und Büroangestellte die Seiten. Dort, wo bis vor kurzem noch eine grosse Einstellhalle

stand, erstreckt sich heute eine von Fertigelementen gefasste, moderne Bürowelt. Während sich der Werkhof von Leuthard seit jeher in Merenschwand (AG) befindet, war der operative Bereich bis anhin im gut 10 Kilometer entfernten Affoltern am Albis (ZH) angesiedelt. Aus Effizienzgründen habe man sich aber entschieden, den ganzen Betrieb an einer Stelle, am Standort Merenschwand, zusammenzulegen, wie Ivo Lenherr berichtet. «Uns als Planer und Architekten hat dies die willkommene Möglichkeit eröffnet, einen an sich wenig attraktiven Ort ganz neu zu inszenieren. Baumaschinen in die Nähe von Computern zu rücken, kaufmännisches Personal und Kolleginnen und Kollegen vom Bau zu überlagern und so letztlich verschiedene Welten miteinander zu vernetzen.»

«Wir agieren in Zukunft noch stärker in Netzwerken, in denen jeder von jedem profitiert.»

Emotionale Erlebnisse Lenherr spricht in diesem Zusammenhang ein wenig pathetisch von der Schaffung einer «Glaubenskirche», einem Ort also, an dem sich eine Gemeinschaft – neudeutsch: eine «Community» – versammelt, um einer gemeinsamen, vereinenden Tätigkeit nachzugehen. Als Beispiel hierfür zieht er gerne den Tech-Giganten Apple heran. «Es gibt das Unternehmen als Brand mit deren Jüngern, es gibt die digitale Plattform iTunes, es gibt die haptischen Produkte wie iPhone oder iPad, die darauf zugreifen, und dann gibt es noch diese Orte der Begegnung: die Apple Shops oder den Apple Park. Dorthin pilgern die Menschen, um zu schauen, zu erleben, sich miteinander auszutauschen.» Ein Arbeitsort, aber

auch ein Wallfahrtsort für Technologiefreaks und Architekturfans quasi. «All das ist auch im Kleinen möglich, überall auf der Welt, auch im Labor Schweiz», ergänzt der 51-Jährige mit einem Schmunzeln. «Das ist für mich denn auch das Bauen der Zukunft: Die Verschmelzung der realen und der virtuellen Welt. Wir wollen Orte schaffen, die zu emotionalen Erlebnissen werden.» Welche Rolle Architektinnen und Architekten in dieser Inszenierung konkret zukommt? Lenherr, der sich gerade anschickt, über eine breite Wendeltreppe in den zweiten Stock der neuen Leut-

hard-Bürowelt zu gelangen, muss nicht lange überlegen: «Wir agieren in Zukunft noch stärker in Netzwerken, in denen jeder von jedem profitiert. In diesem konkreten Fall zum Beispiel ist es das Bauunternehmen Leuthard mit seiner für die Branche ausgeprägten digitalen Affinität, der Betonhersteller Sika mit seinem einmaligen 3D-Drucker und wir, die wir uns ständig überlegen, welche Chancen und Möglichkeiten solche Cooperations bieten.»

Digitale Meilensteine setzen Für Lenherr ist klar: Wer als Architekt oder Vertreter der Bau- und Immobilienbranche nicht gewillt oder fähig ist, den Gedanken der Vernetzung und der Zusammenarbeit in die Tat umzusetzen, der werde sehr bald nur noch darauf beschränkt sein, Hüllen zu erschaffen. «Wer indes seine Geschäftsfelder in Netzwerke einbringt, der ist für Inhalt zuständig und wird Teil einer Bewegung, in der auf verschiedener Ebene an der Zukunft gebaut wird.» Lenherr vergleicht die Situation des modernen Architekten mit jener des Trainers in einem Fussballteam: «Es braucht jemanden, der die Strategie und die Mannschaftsaufstellung im Kopf hat, der die Position und die Stärken der einzelnen Spieler kennt, der einen klaren Plan hat, das Spiel zu gestalten. Es braucht einen Coach – so interpretiere ich unser Berufsbild in Zeiten von Digitalisierung, Vernetzung und steigendem Innovationsbedarf.» Sein eigenes Unternehmen fsp/spa investiert seit vielen Jahren ganz gezielt in die Zusammenarbeit mit anderen Firmen, bewusst auch spartenübergreifend. Momentan umfasst das Netzwerk über ein Dutzend innovative Firmen und Mitstreiter – und laufend werden es mehr. «Wer die ausgetretenen Pfade verlassen will und einen Beitrag dazu leisten möchte, wie wir in unseren Breitengraden inskünftig leben werden, der findet bei uns immer Möglichkeiten zur Kooperation. Wir sind ein open house.» Nun ist das Reusstal nicht unbedingt das Silicon Valley und Merenschwand auch nicht Cupertino – und wenngleich eine unter Einbezug modernster Technologien inmitten eines Werkhofs geschaffene Bürolandschaft durchaus ihren architektonischen wie arbeitspsychologischen Reiz hat, so sei dennoch die Frage erlaubt, ob Visionen wie «Glaubenskirche», «Collaborations» und «Clusters» in der kleinen und zuweilen behäbigen Schweiz letztendlich nicht doch zum Scheitern verurteilt sind. «Warum denn?», fragt Ivo Lenherr fast schneller zurück, als dass die Frage überhaupt gestellt ist. «Wir verfügen in diesem Land eigentlich über alle Zutaten, die es dazu braucht, Orte zu schaffen, an denen Vernetzung möglich ist, an denen digitale Meilensteine gesetzt werden können und zu denen die Leute gerne hin pilgern,

weil sie innovativ und anders sind.» Wo diese Orte anzutreffen seien? «Vor den Toren Zürichs, rund um den Flughafen, dort, wo sich junge Start-ups, etablierte Firmen und technologische Treiber ansiedeln, nicht weit entfernt von den Hochschulen also, an denen Visionen gefördert werden.»

Schweiz als Vorreiter Lenherr ist auf seinem Rundgang wieder bei den weissen, im 3D-Drucker entstandenen Säulen angekommen, die für ihn ja ein Sinnbild sind für das Bauen der Zukunft und für die vernetzte Zusammenarbeit über verschiedene Sparten hinweg. Der Drucker steht am einen Ende der Produktionskette, die dank der Digitalisierung kürzer und effizienter wird. Am anderen Ende sitzt der Planer. «Ziel ist natürlich, dass die von ihm erarbeiteten Daten dem Roboter die Anhaltspunkte liefern, damit dieser autonom wirken und produzieren kann», erklärt der Vordenker. Noch seien diesbezüglich Zwischenhalte notwendig, ebenfalls brauche es den einen oder anderen Schritt, bis Bauelemente inklusive eines Kernes gedruckt werden können und somit über genügend Tragfähigkeit verfügen, um beispielsweise im Treppenbau Verwendung zu finden. «Aber das ist bloss eine Frage der Zeit», ist er sich sicher. Er blickt noch einmal auf den grossen Schriftzug INNOVATION. «Ich bin davon überzeugt», sagt Lenherr, «dass die Schweiz aufgrund ihrer industriellen Vergangenheit durchaus in der Lage ist, künftig weltweit eine Vorreiterrolle in Sachen digitale Fabrikation einzunehmen. Ganz konkret mit einem eigenen Cluster in der Flughafenregion Zürich.» Story: Flavian Cajacob

mic.mind.set Der digitale Wandel ist komplex, äusserst dynamisch und mit vielen Annahmen respektive Unsicherheiten verbunden. Um ihn zu bewältigen, braucht es einen Kompass. Und der heisst bei fsp Architekten AG, zu der seit 2017 auch sattlerpartner AG (spa) gehört, mic.mind.set. Die «Firmenbibel» hat den Charakter eines – mit einem Augenzwinkern manifestierten – Glaubensbekenntnisses hinsichtlich der digitalen Kette im Bau- und Immobilienwesen und steht für eine nachhaltige Entwicklung in der Landschaft der Architektur und des Bauens, heute genauso wie morgen. mic.mind.set. vereint aber auch im Sinne eines Netzwerkes Denkerinnen und Visionäre, die das kollaborative Wirtschaften (Sharing, Prosuming, Cooperations usw.) als ökologisches und ökonomisches Zukunftsmodell erachten.


NZZ am Sonntag 12. Januar 2020

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Innovation ist Chefsache

«Die Vernetzung spielt eine zentrale Rolle» Jahangir Doongaji, Konzernleitungsmitglied bei Hilti, erklärt, warum das Liechtensteiner BautechnologieUnternehmen immer mehr zum Anbieter von Gesamtlösungen wird: «Software und Services gehören schon lange zu unserem Portfolio, doch nun kommen vermehrt Internet-basierte Neuentwicklungen hinzu.» Jahangir Doongaji, Konzernleitungsmitglied bei Hilti, ist bei der Liechtensteiner Unternehmensgruppe für die Bereiche Elektrogeräte, Forschung und Geräteservices verantwortlich. Hilti beliefert die Bau- und Energieindustrie weltweit mit technologisch führenden Produkten, Systemlösungen, Software und Serviceleistungen. FOTO: PD

Wie würden Sie Ihr persönliches Verhältnis zur Digitalisierung und zur digitalen Transformation bezeichnen? Sind Sie ein Mover oder ein Shaker? Jahangir Doongaji: Beides. Ein Mover, weil wir das Thema frühzeitig und in allen Bereichen aufgegriffen haben. Und ein Shaker, weil die Digitalisierung ein grundsätzliches Umdenken erfordert. Wie beurteilen Sie die digitale Entwicklung in der Werkzeugbranche und der Befestigungstechnik in den letzten Jahren? Wir sind in diesem Prozess mitten drin. Die Digitalisierung macht auch vor der Bauindustrie nicht halt. Natürlich ist das nicht vergleichbar mit der Mobilfunkbranche zum Beispiel. Und die Entwicklung verläuft je nach Land und Region verschieden. Die Nachfrage der Kunden ist insgesamt deutlich gestiegen. Was nicht verwunderlich ist, weil in der Bauindustrie in Sachen Produktivität über die letzten Jahrzehnte hinweg kaum Fortschritte erzielt wurden. Diesbezüglich tut sich mit der Digitalisierung ein enormes Potenzial auf. Unsere Motivation ist, den Kunden über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg digitale Lösungen anzubieten, die einfach anzuwenden sind und ihre Prozesse optimieren. Die Digitalisierung bietet uns in dieser Hinsicht ganz neue Möglichkeiten. Hilti mache die Arbeit auf der Baustelle einfacher, schneller und sicherer, sagt Ihr Unternehmen. Gibt es konkrete Meilensteine, die Sie uns nennen können? Auch wir stehen mitten im Wandel und werden immer mehr zu einem Anbieter von Gesamtlösungen. Software und Services gehören schon lange zu unserem Portfolio, doch nun kommen vermehrt Internet-basierte Neuentwicklungen hinzu. Die Vernetzung spielt hierbei eine zentrale Rolle. Ein Beispiel ist «ON!Track», unser System für die Betriebsmittelverwaltung. Damit können unsere Kunden ihren gesamten Fuhrpark digital erfassen. So behalten sie den Überblick, wer gerade welches Betriebsmittel benutzt und wo es sich befindet, was die Produktivität verbessert. Diese Lösung ist sehr gefragt – nicht zuletzt, weil damit eine Menge Papierkram wegfällt. Ein Beispiel für den grossen Trend zur digitalen Baustelle ist Building Information Modeling, kurz BIM. Es beinhaltet die komplette digitale Abbildung eines Bauprojekts mit allen am Bau beteiligten Gewerken. So lassen sich im Voraus Fehlplanungen vermeiden, die zu

erheblichen Zeitverlusten und Mehrkosten führen. BIM ist auch ein gutes Beispiel für die neue Art der Zusammenarbeit mit unseren Kunden. Wir bieten eben nicht nur physische Produkte wie etwa Brandschutzvorrichtungen an, sondern ergänzen diese um Software zur Auslegung, zur Dokumentation der Installation und für das DokumentenManagement. Ist die Digitalisierung bei Hilti Chefsache oder Aufgabe der Teams? Es braucht beides. Die digitale Transformation ist hochrelevant für uns, auch in strategischer Hinsicht, und hat die volle Aufmerksamkeit im Top-Management. Aber die Erarbeitung von innovativen Lösungen und der Gesamterfolg sind immer Teamsache. Das ist in unserer Unternehmenskultur verankert. Wir können in der Führung zwar die Richtung vorgeben, brauchen aber auch alle Teams an Bord und ein gemeinsames Verständnis, was der digitale Wandel für uns bedeutet und welche Chancen sich daraus ergeben. Wenn die Mitarbeitenden erkennen, wie sie das mittragen und mitgestalten können, schaffen wir ein hohes Mass an Motivation und damit ein gutes Arbeitsumfeld. Und Ihre Aufgabe? Meine persönliche Rolle hat diesbezüglich verschiedene Facetten. Auf der einen Seite geht es darum, das Gesamtbild zu zeichnen, gleichzeitig die Grenzen permanent auszuloten und es laufend anzupassen. Genau gleich wichtig ist aber auch, die dafür notwendige Kompetenz bei uns sicherzustellen, und vor allem die Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen unsere Teams motiviert und erfolgreich arbeiten können.

«Die Erarbeitung von innovativen Lösungen und der Gesamterfolg sind immer Teamsache.»

Wo sehen Sie Chancen, wo Herausforderungen und Risiken der Digitalisierung? Die Digitalisierung bietet aus meiner Sicht zahlreiche Chancen. Web-basierte Technologien bilden die Plattform für eine Vielzahl neuer Lösungsansätze und Geschäftsmodelle. Wir treiben die Digitalisierung von Vertrieb und Marketing mit Kompetenzzentren in Paris und Dallas voran. Gleichzeitig arbeiten unsere Produkt- und Technologiebereiche an der Erweiterung unseres Angebots um digitale Lösungen. Die Herausforderung ist, alle auf diesem Weg mitzunehmen. Wir wollen unsere Mitarbeitenden digital fit machen und wir kommunizieren innerhalb des Unternehmens intensiv über das, was wir tun und warum wir es tun und welchen Nutzen unsere Ansätze haben. Das erschliesst sich nicht immer für alle auf den ersten Blick und man muss zeigen, weshalb eine Veränderung auch für die persönliche Weiterentwicklung wertvoll sein kann. Uns ist aber bewusst, dass der digitale Transformationsprozess in einem Unternehmen Zeit benötigt. Wie werden neue Lösungen und Produkte bei Hilti entwickelt? Die Impulse kommen von verschiedensten Seiten. Das Herzstück sind unsere Konzernforschung, unsere Entwicklungszentren an unterschiedlichen Standorten und das Know-how unserer Teams. Diese Basis ist intern und extern international vernetzt. Wir haben über viele Jahre hinweg enge Partnerschaften mit führenden Universitäten und technischen Hochschulen etabliert. Darüber hinaus arbeiten wir in Normen- und Richtlinien-Gremien mit. Dort werden Branchentrends sehr früh identifiziert und untersucht. Ein etwas jüngerer Zweig in diesem Gebilde ist die Zusammenarbeit mit Start-ups. Hier ist die Digitalisierung der wesentliche Treiber. Unser Innovationsfokus ist aber derselbe geblieben. Der Kunde steht bei allen Entwicklungen im Zentrum. Er ist deshalb von Anfang an in den Prozess eingebunden. Und mit unserem Direktvertrieb haben wir einen zentralen Wettbewerbsvorteil: Wir sind mit unseren Vertriebsteams und technischen Beratern sehr nahe an den Kunden. Mit weltweit 250 000 Kontakten pro Tag haben wir reichlich Gelegenheit, Bedürfnisse frühzeitig zu erkennen und in unsere Lösungsansätze einfliessen zu lassen. Wir schauen genau hin und hören gut zu, weil es unser Anspruch ist, heute zu verstehen, was die Kunden morgen brauchen.

Jahangir Doongajis Selbsteinschätzung Wie digital fit sind Sie selbst?

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Wie digital fit ist Ihre Firma?

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Wie sehr disruptieren neue Technologien Ihre Branche? Wie sehr investieren Sie in die technologische Zukunft? Skala: 1 = Tiefstwert / 10 = Höchstwert

Inwieweit ist Ihr Unternehmen als Arbeitgeber attraktiv für die Generationen Y und Z? Ich denke, da gibt es einige Punkte, die man nicht oft genug betonen kann. Zunächst sind wir ein Familienunternehmen, das langfristig orientiert ist, sowohl was die Weiterentwicklung der Firma betrifft als auch im Hinblick auf die Perspektiven, die wir den Mitarbeitenden geben wollen. Als global tätiger und vertikal integrierter Bautechnologiekonzern, der sich intensiv mit der Digitalisierung befasst, haben wir ein breites und globales Themenspektrum, das viel Raum bietet, um etwas Neues auszuprobieren. Wer gute Ideen hat – egal, ob Nachwuchskraft oder erfahrener Mitarbeitender –, kann bei uns viel bewegen. Auch die junge Generation möchte den Sinn hinter ihrem Tun erkennen und erfahren, dass ihr Beitrag etwas zählt. Es ist für uns eine Frage der persönlichen Wertschätzung, jedem zu verdeutlichen, dass er ein wichtiger Teil des Ganzen ist. Den Rahmen darum herum bildet ein Arbeitsumfeld, das den Anforderungen des «New Way of Working» gerecht wird: mit flexiblen Modellen hinsichtlich der Arbeitszeit und des Arbeitsorts. Umwelt und Klima sind die Schlagwörter der Gegenwart. Kann Hilti hier mit Hilfe der Digitalisierung einen Beitrag leisten, um die Situation zu verbessern? Wir achten entlang der gesamten Wertschöpfungskette auf den Umweltschutz, das beginnt schon bei der Produktentwicklung anhand unserer Ökodesign-Prinzipien. Es gibt viele Stellschrauben, an denen man drehen kann. Als Anbieter von Systemlösungen haben wir einen eigenen Service für Wartung und Reparatur von Geräten. Unser Flottenmanagement geht in eine ähnliche Richtung: Wir vermieten Geräte, anstatt sie zu verkaufen, um sie dann am Ende der Lebens-

dauer einzusammeln und fachgerecht zu entsorgen. Ausserdem arbeiten wir an der kontinuierlichen Reduktion unseres Energie- und Wasserverbrauchs oder unseres Abfallaufkommens. Beispielsweise investieren wir in unseren Werken laufend in Massnahmen, um die Nachhaltigkeit zu fördern. Aber auch die Digitalisierung trägt an vielen Stellen zum Umweltschutz bei: Alles, was die Effizienz auf der Baustelle erhöht, zahlt sich am Ende für die Umwelt aus, denn es lassen sich wertvolle Ressourcen sparen, sei es Baumaterial, Energie oder Wasser. Interview: Norman Bandi

Meine Vision 2050 … «Das Bauen der Zukunft erfolgt automatisiert, effizient und vernetzt – von der Materialauswahl über die passgenaue Vorfertigung von Baumaterialien und -teilen bis hin zur Wartung des fertigen Objekts. Die Geräte auf der Baustelle kommunizieren miteinander, sodass die Planer frühzeitig potenzielle Probleme erkennen können. Die Baustellenlogistik wird digital von einer Schaltzentrale organisiert, damit sämtliche Teile exakt dann zur Verfügung stehen, wenn sie benötigt werden. Baugeräte werden zu roboterartigen Fahrzeugen, die automatisiert arbeiten und schwere Arbeiten oder Routinetätigkeiten übernehmen. Der Mensch erhält auf Knopfdruck eine Auswertung zur Sicherheit und Effizienz seines Bauobjekts. Hilti wird auch auf der Baustelle der Zukunft durch seine enge, direkte Beziehung zu seinen Kunden ein verlässlicher Partner sein – basierend auf langjährigem gegenseitigem Vertrauen.»


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Verlagsbeilage Zukunft Bauen

NZZ am Sonntag 12. Januar 2020

Ökosystem und Innovation

Mit künstlicher Intelligenz zu perfekten Lösungen Geberit setzt am Bau und bei der Dimensionierung von Rohrleitungssystemen auf innovative Methoden – vom Reinforcement Learning bis zum Building Information Modeling. Warum kompliziert, wenn es auch einfach geht? Oder anders gefragt: Sind wirklich jede Menge platzraubende Rohrleitungen erforderlich, um Regenwasser vom Flachdach einer Fabrikhalle oder eines vergleichbaren Gebäudes abfliessen zu lassen? Wie das Unterdrucksystem Geberit Pluvia an zahlreichen Einsatzorten rund um den Globus zeigt, geht es tatsächlich einfacher als mit den üblichen Verfahren. Entscheidend ist die richtige Technologie. Während konventionelle Systeme das Regenwasser lediglich durch Rohrgefälle ableiten, füllt sich das kompakt dimensionierte Leitungssystem Geberit Pluvia zügig auf und saugt das Wasser durch den entstehenden Unterdruck vom Dach. Die Vorteile im Telegrammstil: Doppelte Ablaufmenge bei halbem Rohrdurchmesser, weniger Dachwassereinläufe, höhere Flexibilität in der Gebäudeplanung durch Einsparung von Fallleitungen, maximale Raumausnutzung durch horizontale Rohrleitungen ohne Gefälle. Der modulare Aufbau mit zahlreichen Varianten macht es möglich, das von Geberit entwickelte Gesamtsystem für fast alle Einbausituationen auf grossen Gebäuden und Dächern zu verwenden. Das zahlt sich erst recht aus, wenn es um komplexe Dachstrukturen oder anspruchsvolle Geometrien geht.

Versuch-und-Irrtum-Strategien Bei der Berechnung eines Unterdrucksystems Geberit Pluvia kommt auch künstliche Intelligenz (KI) zum Einsatz. Als «Mastermind» fungiert hier ein Experte für Informatik: Christian Hidber aus Zürich. Der ETH- und Berkeley-Absolvent setzt bei der Beratung von Industriekunden wie Geberit auf Methoden des maschinellen Lernens, um über Simulationen noch schneller und zuverlässiger zu den jeweils besten Lösungen zu kommen. Das Zauberwort lautet Reinforcement Learning. Dieser Ansatz ermöglicht, dass Computer oder andere Maschinen komplexe Abläufe und vorausschauendes Handeln durch clevere Versuch-und-Irrtum-Strategien selbstständig erlernen. «Das ist ähnlich wie bei Kindern, die ein neues Spiel auf dem Handy ausprobieren», sagt Hidber. «Man muss ihnen nicht erklären, wie das Spiel funktioniert – es macht ihnen Spass, das selber herauszufinden. Sie beginnen mit dem Drücken einiger zufälliger Tasten und sehen, was passiert. Nach einer Weile optimieren sie kontinuierlich ihre Spielstrategie und erzielen immer bessere Ergebnisse.»

Algorithmen für das Reinforcement Learning versuchen, ein solches Gaming-Verhalten nachzuahmen: Über «geschicktes Ausprobieren», so Hidber, finden sie eine gute Spielstrategie, die sich verallgemeinern und auf neue, noch unbekannte Situationen anwenden lässt. Mit Reinforcement Learning ist es zum Beispiel gelungen, autonom fliegenden Helikoptern Akrobatikmanöver beizubringen. Oder Go-Weltmeister am Spielbrett zu schlagen. Weshalb wird dieser Ansatz auch auf Dachentwässerungssysteme übertragen? Zu welchem Zweck? «Erstaunlicherweise gibt es auf diesem Gebiet keine Algorithmen, um die genau richtige Dimensionierung von Leitungsrohren zu berechnen», erläutert Hidber. «Die Erfolgsquote lag hier bisher bei 93 Prozent, was zwar ein sehr guter Wert ist, aber es fehlten immer noch 7 Prozent. Mit Reinforcement Learning sind wir einen grossen Schritt weitergekommen. Geberit hat uns dafür eine sehr gute Ausgangslage geboten. Das Unternehmen verfügte bereits über ein raffiniertes physikalisches Modell mit einem erprobten Simulator. Daran konnten wir anknüpfen, um etwa den idealen Durchmesser von Rohrleitungen zu ermitteln», sagt Hidber. «Nachdem andere KI-Lösungen an einem bestimmten Punkt nicht mehr zum Ziel führten, ist uns mit dem zusätzlich eingesetzten Reinforcement Learning der Durchbruch gelungen.» Was diese Methode darüber hinaus wertvoll macht: Bei Reinforcement Learning benötigt man weder Trainings-Datensätze mit den richtigen Antworten noch hart-codiertes Spezialwissen. «So gesehen ist dieser Ansatz schon fast magisch», betont Hidber.

Für Installateure und Planer Von den Ergebnissen der künstlichen Intelligenz profitieren in der Praxis unmittelbar auch Installateure und Fachplaner. Mit der Software Geberit ProPlanner steht ihnen ein ausgereiftes Werkzeug zur Verfügung, mit dem sie Dachentwässerungssysteme und zahlreiche weitere Projekte der Sanitärtechnik selber planen können. Schnell und zuverlässig. Digitale Tools wie der Geberit ProPlanner tragen heute in der gesamten Baubranche dazu bei, die Effizienz der verschiedenen Planungs- und Prozessschritte zu erhöhen. Erfolgsentscheidend ist dafür ein reibungsloser, einheitlich strukturierter Informationsfluss: Die Daten aus Bauwerksmodellen und Dokumenten müssen für die Projektbeteiligten zu jeder Zeit in der richtigen Version, Qualität

Während konventionelle Systeme das Regenwasser lediglich durch Rohrgefälle ableiten, füllt sich das kompakte Leitungssystem Geberit Pluvia zügig auf und saugt das Wasser durch den entstehenden Unterdruck vom Dach. FOTOS: PD

«BIM ist für uns weit mehr als nur die Bereitstellung weiterer 3D-Datenformate.»

zu gestalten. Durch umfangreiche Entwicklungsaktivitäten und fortwährende Rückkopplung mit Forschung und Industrie ist es uns gelungen, innovative Lösungen für das digitale Bauen auf den Weg zu bringen.»

Auf BIM-Daten zugreifen

und Detaillierung einfach und zielgerichtet abrufbar sein. Und das alles über die Grenzen von Organisationen, IT-Systemen und Projektphasen hinweg. Genau darin liegen die Vorteile des Building Information Modeling (BIM). Es sorgt für Planungssicherheit und verringert Risiken. «Die BIM-Methode ist die Industrie 4.0 für die Bauindustrie», betont Geberit-CEO Christian Buhl. «Vor dem Hintergrund, dass diese Methode fundamentale Veränderungen mit sich bringt, ist neben den erforderlichen technischen Anpassungen ein grundlegendes Umdenken am Bau und auch in der Sanitärindustrie gefordert. BIM ist für uns bei Geberit weit mehr als nur die Bereitstellung weiterer 3D-Datenformate. Vielmehr wollen wir unseren Kunden ganzheitliche Lösungen zur Verfügung stellen, um die digitale Planung mit unseren Produkten so einfach wie möglich

Zu den neuen Lösungen zählen zum Beispiel das Geberit BIM Catalogue Plug-in sowie das Geberit Pluvia Plug-in für die Planungs-Software Autodesk® Revit®. Das Geberit BIM Catalogue Plug-in räumt Probleme aus dem Weg, die in der Praxis noch häufig Kopfzerbrechen bereiten. Herstellerdaten zum Beispiel können unvollständig, veraltet oder sogar fehlerhaft sein. Ausserdem zeigt sich in der digitalen Planung, dass zu voluminöse Datenmengen Hardware- und SoftwareSysteme schnell an ihre Leistungsgrenzen bringen, vor allem bei Grossprojekten. In vielen Fällen müssen BIMObjekte auch von den Nutzern manuell nachgebessert werden. Das Geberit BIM Catalogue Plug-in macht es Planern möglich, direkt in der Planungs-Software auf die BIM-Daten zuzugreifen. Mit der Installation steht den Nutzern ein digitaler Produktkatalog zur Verfügung, mit dem sich die BIMModelle nach Bedarf direkt in das Projekt laden lassen. Mühsames Zusammensuchen einzelner Modelle auf unterschiedlichen Plattformen entfällt damit. Werden spezielle Fittings oder Formstücke benötigt, können diese einzeln und gezielt aus dem Katalog ausgewählt werden. Mit der direkten Anbindung an das Produktinformationssystem von Geberit ist zudem sichergestellt, dass der Anwender nur geprüfte und freigegebene BIM-Objekte verwendet. Fehlerhafte oder veraltete BIM-Daten sind damit kein Problem mehr. Mit dem Geberit Pluvia Plug-in lässt sich die eingangs skizzierte KI-basierte Planung von Dachentwässerungen auch in der BIM-Software AutoDesk® Revit® direkt nutzen. Damit kann der Planer die Dimensionierung des Dachentwässerungssystems ohne Umwege in AutoDesk® Revit® vornehmen. Die ganze Pla-

Christian Buhl, CEO von Geberit.

nung, Berechnung und Visualisierung erfolgt vollständig und ohne Bruchstellen in 3D. Konflikte mit anderen Gewerken werden sofort erkannt, Änderungen nahtlos nachgeführt. Die Planung dadurch immer aktuell und akkurat. Der Installateur profitiert von einem kompletten Angebot, einer detaillierten Materialliste und präzisen Befestigungspositionen. Selbst die ungefähren Installationszeiten sind enthalten. Warum also kompliziert, wenn es auch einfach geht! Story: Elmar zur Bonsen

Geberit Die weltweit tätige Geberit-Gruppe ist europäischer Marktführer für Sanitärprodukte und der führende Systemanbieter für Sanitärlösungen in der Schweiz. Geberit verfügt in den meisten Ländern Europas über eine starke lokale Präsenz und kann dadurch sowohl auf dem Gebiet der Sanitärtechnik als auch im Bereich der Badezimmerkeramiken einzigartige Mehrwerte bieten. Die Fertigungskapazitäten umfassen 29 Produktionswerke, davon sechs in Übersee. Der Konzernhauptsitz befindet sich in RapperswilJona. Mit rund 12 000 Mitarbeitenden in rund 50 Ländern weltweit erzielte Geberit 2018 einen Umsatz von 3,1 Milliarden Franken.


Verlagsbeilage Zukunft Bauen

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Innovation Leader

Schweiz. Grundsätzlich sind wir immer offen für neue Ideen und Partnerschaf­ ten, die das Bauhauptgewerbe und die gesamte Branche in Sachen Digitalisie­ rung nachhaltig voranbringen.

«Die gesamte Branche nachhaltig voranbringen»

Was erwartet uns in Zukunft? Nun, das Thema BIM bleibt weiterhin ein wichtiger Taktgeber. Wo wir aber die Möglichkeiten von BIM und der Digitali­ sierung in naher Zukunft noch stärker ausloten werden, ist im Zusammenspiel mit der Kreislaufwirtschaft. Hier sehen wir viel Potenzial für die Baubranche und die Umwelt. Interview: Norman Bandi

Zafer Bakir, Leiter Digitalisierung & IT des Schweizerischen Baumeisterverbandes SBV, über «Baumeister 5.0», das vor 15 Monaten lancierte Digitalisierungskonzept – ein Rückblick mit Ausblick.

Und was hat es mit 5.0 auf sich? Das ist eigentlich ganz simpel. Die vierte industrielle Revolution um­ schreibt einfach gesagt die intelligente

Fabrik, vernetzt durch das Internet der Dinge. Was aber ist mit den Menschen? 5.0 ist unser Statement, dass ein zentra­ ler Pfeiler unseres Digitalisierungskon­ zepts in der digitalen Befähigung aller Disziplinen im Bauhauptgewerbe liegt. Konkret: Über allem stehen der Bau­ unternehmer und seine Mitarbeitenden, die auch in Zukunft die Maschinen und Materialien miteinander vernetzen, digi­ tal planen und den Baufortschritt digital überwachen. Hierfür müssen wir als Ver­ band den Hebel bei einer modernen Aus­ und Weiterbildung ansetzen. Wie fällt Ihre Zwischenbilanz nach etwas mehr als einem Jahr aus? Wir haben in den vergangenen Mona­ ten viel erreicht, insbesondere durch ei­ nen kollaborativen und kooperativen An­ satz mit ausgewählten Partnern aus der Branche. So haben wir unter der Feder­ führung von BuildingSmart Schweiz und weiteren Organisationen das «Professio­ nal Certification Program» proaktiv mit­

Viele Schweizer Bauunternehmen – insbesondere KMU – stehen noch am Anfang der digitalen Transformation. Doch Building Information Modeling (BIM) als Treiber der Digitalisierung in der Baubranche ist in aller Munde. Aber wie gestalten Bauunternehmen den digitalen Wandel mit BIM? Viele suchen ihren individuellen Weg und stellen sich die Frage: «Wie führe ich BIM in meinem Bauunternehmen am besten ein?» Im Grunde ist dafür eine strukturierte, koordinierte und schrittweise Herangehensweise schon die halbe Miete. Um diese Frage leichter beantworten zu können, hat der SBV in Zusammenarbeit mit Fachpersonen aus der Baubranche ein Anwenderhandbuch für die strategische Einführung von BIM erarbeitet. Es kann unter https://shop.baumeister.ch erworben werden: Artikelnummer 1160101.

Zafer Bakir ist Leiter Digitalisierung & IT des Schweizerischen Baumeisterverbandes SBV. FOTOS: PD

entwickelt, um OpenBIM-Ausbildungsin­ halte zu standardisieren und diese bei Lerninstitutionen im Bauhauptgewerbe zu verbreiten. Nebst Analysen zum Füh­ rungsverständnis im digitalen Zeitalter haben wir eine Analyse von BIM­fähigen Tools – Soft­ und Hardware – mit Fokus BIM2Field durchgeführt. Und weil Buil­ ding Information Modeling (BIM) nicht nur eine technische, sondern auch eine strategische Herausforderung ist, haben wir in Zusammenarbeit mit dem Weiter­ bildungszentrum Campus Sursee und der terra digital AG ein Anwenderhand­ buch für die strategische Einführung von BIM erarbeitet. Mit dem Campus Sursee als Partner stellen wir sicher, dass die In­

Innovation Leader

Rechtsexperte mit IT-Fitness

halte einerseits den Bedürfnissen und Anforderungen des Bauhauptgewerbes entsprechen und andererseits in die Aus­ und Weiterbildung fliessen. Als Zwi­ schenfazit nach dem ersten Jahr lässt sich folglich festhalten, dass wir unsere operativen Ziele erreicht haben. Wo gibt es Verbesserungspotenzial? Wir müssen das Bauhauptgewerbe noch stärker für die Chancen und Gefah­ ren der Digitalisierung sensibilisieren und noch enger mit wichtigen Playern zusammenarbeiten, beispielsweise mit dem Kompetenzzentrum für Standards in der Bau­ und Immobilienwirtschaft CRB oder mit der Plattform Bauen digital

Preis für SBV-Mitglieder: CHF 19.90 ( exkl. MwSt.) Preis für Nicht-Mitglieder: CHF 49.90 ( exkl. MwSt.)

BIM im Bauunternehmen Ein Anwenderhandbuch für die strategische BIM-Einführung im Bauunternehmen

Schweizerischer Baumeisterverband SBV Digitalisierung & IT Weinbergstrasse 49 / Postfach / 8042 Zürich digitalisierung@baumeister.ch / www.baumeister.ch

FOTO: MICHELE LIMINA

Herr Bakir, mit «Baumeister 5.0» unterstützt der SBV seine Mitglieder, das Bauhauptgewerbe und die gesamte Branche bei der digitalen Transformation. Was steckt genau hinter dem Konzept? Zafer Bakir: Auf der einen Seite han­ delt es sich bei «Baumeister 5.0» um ein deskriptives Bild des Baumeisters im di­ gitalen Zeitalter, das sowohl handlungs­ leitend als auch motivierend für unsere Mitglieder wirken soll. Auf der anderen Seite handelt es sich um ein durchstruk­ turiertes Konzept mit mehreren Ziel­ dimensionen, die sich im Wesentlichen an der digitalen Befähigung des Unter­ nehmers (Mikroebene), der digitalen Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmer (Mesoebene) sowie einer zukunfts­ und marktfähigen Schweizer Bauwirtschaft (Makroebene) orientiert.

Buchtipp

BIM im Bauunternehmen

NZZ am Sonntag 12. Januar 2020

Die Digitalisierung des Immobilienmarkts schreitet unaufhaltsam voran. Eine Herausforderung auch für Juristen wie David Schwaninger. Um stets up to date zu sein, hat der Zürcher Fachanwalt für Bau- und Immobilienrecht sein IT-Fachwissen über Jahre systematisch geschärft. Seine Dienste sind gefragt. Wo gebaut wird, fahren in der Regel vor dem Ausstecken der Grundrisse auf der grünen Parzelle schon die Juristen auf. Das war schon immer so und wird sich auch kaum je ändern. Denn das Bau­ und Immobilienrecht ist für Laien ein Buch mit sieben Siegeln. Ohne professionelle Hilfe ab der ersten Stunde hinterlässt es viele Fragezeichen, nicht selten löst es heftige Konflikte unter den beteiligten Parteien eines Projekts aus. Streitigkei­ ten um Baupläne, Grundstückabstände, Gebäudeausrichtungen, Lärmemissio­ nen oder Schattenwürfe sind juristische Klassiker. Seit die digitale Transformation der Weltwirtschaft den Bau­ und Immobili­ ensektor erreicht hat und diesen grund­ legend wandelt, erweitert sich auch das Anforderungsprofil der Fachjuristen um eine neue Komponente. Wird heute ein neues Spital, ein Verwaltungsgebäude oder ein Büroturm mithilfe der digitalen BIM-Methode (Building Information Mo­ deling) entworfen, mutiert ein Planungs­ und Bauprojekt schnell auch zu einem IT-Projekt. Wollen die Bauherren zur frühzeitigen Klärung von rechtlichen

Fragen einen kompetenten Juristen bei­ ziehen, muss dieser auch in IT­relevan­ ten Belangen auf der Höhe sein.

rung trotz wachsendem Einsatz der BIM-Methode bislang noch nicht Realität ist.»

Wachsende Nachfrage

Spannende Mandate

Einer, der diesen Rucksack mitbringt, ist David Schwaninger, Partner in der Zür­ cher Kanzlei Blum&Grob Rechtsanwälte. Seit Jahren setzt sich der Spezialist für Bau­ und Immobilienrecht intensiv mit den digitalen Auswirkungen auf die Branche auseinander und hat sich die entsprechenden Kompetenzen im Im­ materialgüterrecht und IT-Recht ange­ eignet. Eine Interdisziplinarität, die sich spürbar auf seinen «Marktwert» ausge­ wirkt hat? «Die Nachfrage für meine Beratungs­ dienste zu digitalen Herausforderungen im Immobilienbereich ist stetig gewach­ sen», stellt Schwaninger fest. Wobei die­ ser Prozess eher langsam vonstattenge­ he. «Die Immobilienbranche muss sich mit den neuen digitalen Technologien weiter vertraut machen.» Das brauche seine Zeit. «Zu bedenken ist ferner, dass eine über den ganzen Lebenszyklus ei­ ner Immobilie durchgehende Digitalisie­

Dies sei aber nur eine Frage der Zeit, so Schwaninger. Schon bald dürften Fragen und Debatten um IT­rechtliche Belange den Immobilienmarkt überfluten und ein wachsendes Bedürfnis nach entspre­ chender juristischer Beratung auslösen. Vorderhand ist die «Spezies» der Bau­, Immobilien­ und IT-Rechtsanwälte in ei­ nem noch rar gesät. Dass Blum&Grob mit David Schwaninger einen der wenigen Vertreter in den eigenen Reihen hat, führte zuletzt zu einigen spannenden Mandaten. Dazu gehört etwa die Überarbeitung eines Generalplaner­Vertragswerks, da­ mit der Kunde dieses in BIM-Projekten einsetzen und so Daten für den ganzen Lebenszyklus generieren kann. In einem anderen Fall berät Schwaninger einen Bauherrn und Betreiber einer Ge­ samtüberbauung dahingehend, diese Daten bereits ab der Planungsphase be­ schaffen zu können. «Bei diesem Mandat

David Schwaninger ist Partner in der Zürcher Kanzlei Blum&Grob Rechtsanwälte. liegt der besondere Fokus auf der Über­ tragung der Daten in die Bewirtschaf­ tung», sagt Schwaninger. Man spricht im Jargon von BIM2FM (BIM to Facility Ma­ nagement). Ferner hat der IT-Spezialist Beratungen im Zusammenhang mit Da­ tenmanagement im Hoch­ und Tiefbau durchgeführt, ebenso für ein Block­ chain­Projekt im Immobiliensektor. Die vielfältigen Kompetenzen in digi­ talen Fragen haben David Schwaninger

inzwischen den Einsitz in diversen nati­ onalen und internationalen Fachkom­ missionen zur BIM-Methode und zum Datenmanagement eingebracht. Zu den gleichen Themen referiert er regelmässig als Dozent an verschiedenen Fachhoch­ schulen sowie in Organisationen. Der Rechtsexperte mit ausgeprägter IT-Fit­ ness ist ein gefragter Mann. Story: Robert Wildi


BRAND RELATIONS PRÄSENTIERT

#ZukunftBauen

Best-of Schweizer Bau- und Immobilienbranche BRAND RELATIONS kommuniziert, was die Schweizer Bau-, Immobilienund Bankingbranche bewegt, und setzt Massstäbe im Storytelling disruptiver, digitaler Trendthemen.

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NZZ am Sonntag 12. Januar 2020

Zukunft Bauen

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Sarah Schlagenhauf | Inhaberin & Herausgeberin schlagenhauf@brandrelations.ch


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