IKRK (D)

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«Die humanitäre Katastrophe im Sudan macht sprachlos»

Seit April 2023 herrscht im Sudan Bürgerkrieg. Seither ist die humanitäre Lage katastrophal. Vielerorts ist die medizinische Versorgung zusammengebrochen, mehr als die Hälfte der sudanesischen Bevölkerung leidet Hunger und es grassieren Epidemien. Das IKRK ist vor Ort und setzt sich für die notleidende Bevölkerung ein. Der humanitäre Bedarf ist jedoch längst nicht gedeckt.

Amelie Chbat ringt um Worte, um die aktuelle humanitäre Situation im Sudan zu beschreiben. «Ich bin seit acht Jahren in verschiedenen IKRK-Missionen unterwegs, war im Kongo und in Afghanistan und habe lange in Gesundheitseinrichtungen im Libanon gearbeitet. Aber nirgends war die Lage nur annähernd so katastrophal wie im Sudan», sagt Chbat, die für das IKRK im Sudan Gesundheitsprogramme betreute und erst kürzlich ihre Mission beendete.

Auslöser dieser Katastrophe ist der Konflikt zwischen dem sudanesischen Militär und der Miliz RSF, der seit April 2023 anhält. Laut UNO-Angaben sind mehr als 6,6 Millionen Menschen innerhalb des Landes vertrieben worden, 1,8 Millionen fanden in Nachbarländern Zuflucht, im Südsudan, in Äthiopien, Ägypten, im Tschad und in der Zentralafrikanischen Republik. Zum Leid, das durch den Konflikt verursacht wird, kommen Umweltkatastrophen hinzu. Im August dieses Jahres sorgten schwere Regenfälle für Überschwemmungen. Als Folge davon brach eine Choleraepidemie aus, die zusätzlich zu Denguefieber und Malaria das Leben der Bevölkerung bedroht. «Die Menschen im Sudan fragen sich jeden Morgen: Was ist die nächste Katastrophe? Es fehlt ihnen an lebenswichtigen Gütern und vor allem auch an medizinischer Versorgung», sagt die IKRK-Mitarbeiterin. Dringend benötigte Hilfe in medizinischen Zentren «80% der Gesundheitseinrichtungen sind komplett zerstört. Die wenigen, die noch in Betrieb sind, sind für die meisten Menschen im Sudan gar nicht erreichbar. Und wenn, dann ist das Sicherheitsrisiko auf den Strassen zu hoch oder es sind keine Medikamente verfügbar.»

Das IKRK versorgt die Gesundheitseinrichtungen mit medizinischen Hilfsgütern, Wasser, Nahrungspaketen und Treibstoff. Dabei arbei-

tet das IKRK mit dem Sudanesischen Roten Halbmond zusammen.

Das Team, dem Gesundheitskoordinatorin

Amelie Chbat angehörte, hat sich auf die Versorgung von Schussverletzungen spezialisiert. «Im Sudan gibt es hochqualifiziertes medizinisches Personal. Unter ihnen haben wir ein Netzwerk aufgebaut. Es sind Ärzte/-innen und Pflegende, die in Gesundheitszentren in jenen Gebieten arbeiten, die vom Konflikt am meisten betroffen sind, und entsprechend viele Schusswaffenverletzte behandeln. Fehlen ihnen chirurgisches Material und Medikamente, wenden sie sich an uns», erklärt die Gesundheitskoordinatorin.

Angriff auf IKRK-Konvoi

Der Weg von der Material- und Medikamentenbeschaffung bis zum Zugang zu den medizinischen Einrichtungen sei jedoch äusserst komplex, erklärt Amelie Chbat weiter. Das Land ist riesig – mehr als 45-mal so gross wie die Schweiz – und gleicht laut Amelie Chbat einem Mosaik. «Der Sudan ist in kleine Teile unterteilt, in denen die verschiedenen Konfliktakteure die Macht übernommen haben. Wollen wir durch ihr Territorium fahren, müssen wir sie jeweils um eine Durchfahrtserlaubnis bitten und uns genau an ihre Abläufe halten.» Trotzdem ist der Transport immer mit Risiken verbunden. Wie damals im Dezember 2023. Amelie Chbat und ihr Team waren mit einem Konvoi unterwegs, als sie von einem bewaffneten Überfall überrascht wurden. «Wir befanden uns auf dem Rückweg von einer Mission in Khartum. Dort beurteilten wir die humanitäre Lage der unter Waffengewalt leidenden lokalen Gemeinden», erinnert sich die IKRK-Mitarbeiterin. Zwei ihrer Kollegen, die als Fahrer mit dabei waren, wurden bei dem Angriff getötet. «Es war ein Schock für uns. Ich habe danach eine kurze Pause eingelegt. Aufgeben war für mich aber keine Option.»

Beeindruckende Resilienz

Es war vor allem der Gedanke an das sudanesische Gesundheitspersonal, der sie bewog, Teil der IKRK-Mission zu bleiben: «Ich habe grosse Hochachtung vor diesen Menschen. Ihr Mut und ihre Resilienz sind beeindruckend, ihre Einsatzbereitschaft ist ansteckend. Ich habe viel gelernt in diesen Monaten.»

In Erinnerung bleibt ihr eine Begegnung mit einer Pflegefachfrau in einem Spital mitten in einem Konfliktgebiet. «Sie war so engagiert, hat sich liebevoll um die Patienten/-innen gekümmert und ihnen Mut zugesprochen.»

Chbat hat sich mit ihr in erster Linie über medizinische Themen unterhalten. Bis sie erfahren hat, dass die Frau alles verloren hat und die meisten Familienmitglieder von ihr im Konflikt ums Leben kamen. «Sie und viele andere hätten fliehen können. Sie aber bleiben, verrichten ihre Arbeit aus einer inneren Überzeugung, ohne Lohn und ohne zu wissen, was morgen ist. Wir müssen ihnen Hilfe und Schutz bieten, damit sie ihre Aufgabe in einer sicheren Umgebung ausführen können.»

«Wir werden weitermachen»

Dieser Satz eines Arztes, dessen Gesundheitszentrum schon zweimal bombardiert wurde, begleitet Amelie Chbat seit dem Ende ihrer Mission im Sudan. «Die medizinischen Fachkräfte geben nicht auf. Die Welt scheint den Sudan längst aufgegeben zu haben. Das Land gehört zu den vergessenen Katastrophen, was leider oft gleichbedeutend ist mit vergessenem Leid der Menschen», sagt Amelie Chbat. «Aber das IKRK vergisst die sudanesische Bevölkerung nicht.»

Damit die Arbeit im Sudan und in anderen Konfliktregionen weiterhin möglich ist, braucht es die Unterstützung von Spenderinnen und Spendern. Laut Marie-Jo Girod, Leiterin Legate und Spenden, erhält das IKRK von vielen Privatpersonen einmalige oder regelmässige Zuwendungen. «Eine weitere Möglichkeit, die

Arbeit des IKRK zu unterstützen, sind Vermächtnisse», erklärt sie weiter. «Sie sind für unsere Organisation von unschätzbarem Wert und tragen in hohem Masse zur Erfüllung unserer Aufgaben bei.» Und Amelie Chbat ergänzt: «Diese grosszügige Geste macht einen grossen Unterschied im Leben der notleidenden Bevölkerung in Konfliktgebieten.»

Dem IKRK ein Vermächtnis hinterlassen?

Bitte beachten Sie, dass im Testament der vollständige Name und die Adresse der Begünstigten stehen müssen, in diesem Fall das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK), 19 avenue de la Paix, 1202 Genf.

Bei einem Legat an das IKRK haben Sie die Möglichkeit, die Gültigkeit Ihres Testaments kostenlos durch eine Fachperson prüfen zu lassen, wenn Sie sich an das IKRK wenden. Legate und Erbschaften an das IKRK sind zu 100% steuerfrei.

Für weitere Auskünfte steht Ihnen Marie-Jo Girod, Leiterin Legate und Spenden beim IKRK, gerne zur Verfügung: Tel. +41 22 730 33 76 oder Mail an mgirodblanc@icrc.org

www.icrc.org/de/legat

Ein Mitarbeiter des IKRK spricht mit Fatimé, deren Neffe ins Gesicht geschossen wurde. Sie begleitete ihn tagelang, bevor sie die tschadische Grenze erreichte, wo er die Pflege erhielt, die er benötigte.

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