Raiffeisen (D)

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«Der Anlagenotstand ist zurück»

Matthias Geissbühler, CIO von Raiffeisen Schweiz, blickt auf ein robustes Börsenjahr 2024 zurück, warnt aber vor den Herausforderungen im Jahr 2025 – Europa schwächelt, China droht eine Stagnation, die USA hoffen auf eine weiche Landung. Defensive und dividendenstarke Aktien, Gold und Immobilien bieten attraktive Anlagechancen.

Die geopolitischen Unsicherheiten haben 2024 weiter zugenommen. In diesem schwierigen Umfeld blicken wir auf ein starkes Börsenjahr zurück. Sind die Finanzmärkte inzwischen immun gegen geopolitische Einflüsse?

MATTHIAS GEISSBÜHLER: Nein, aber andere Themen haben die Börsen im vergangenen Jahr noch stärker dominiert und bewegt – allen voran die erfreuliche Entwicklung in den USA. Dort sind die Unternehmensgewinne deutlich gestiegen und haben die Märkte beflügelt. Unterstützt wurde der Aufwärtstrend durch erste Leitzinssenkungen der Notenbanken. Die Aussicht auf eine weiche Landung ohne Konjunktureinbruch sorgte für zusätzlichen Rückenwind. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass die Entwicklung weltweit stark divergierte.

Viele Finanzexperten haben für 2024 eine weiche Landung der Weltwirtschaft prognostiziert. Diese Einschätzung hat sich als zu pessimistisch erwiesen. Kommt der Abschwung jetzt einfach später?

In der Tat erwarten wir für 2025 eine konjunkturelle Abkühlung in den USA. Im kommenden Jahr rechnen wir noch mit einem Plus von 2 Prozent. Das wäre eine weiche Landung. Aber es gibt auch rezessive Tendenzen in anderen Ländern. Die Wirtschaft in Japan stagniert, in Europa schwächeln einige Länder. Und auch für China sehen wir keinen grossen Aufschwung. Wir sind nicht pessimistisch und erwarten keine globale Rezession. Aber das Wachstum dürfte vor allem in Europa mager ausfallen.

Wie werden sich die USA unter dem neuen Präsidenten Donald Trump entwickeln?

Die Frage ist, welche Wahlversprechen er wie schnell umsetzen wird. Ich gehe davon aus, dass er sehr schnell handeln wird, da die Republikaner sowohl das Repräsentantenhaus als auch den Senat kontrollieren. Ansonsten ist eine Einschätzung derzeit noch schwierig, auch wenn es die zweite Amtszeit von Donald Trump ist. Seine Unberechenbarkeit bleibt, aber es sind auch positive Effekte zu erwarten, wenn er die Deregulierung verstärkt oder Steuersenkungen umsetzt. Ein Risiko stellt jedoch die Handels- und Zollpolitik dar.

Längerfristig könnte sich das als Bumerang erweisen?

Das ist richtig. Handelshemmnisse und damit eine schleichende Deglobalisierung führen in der Regel zu einer Lose-lose-Situation. In den USA liegt

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die Inflation mit 2,7 Prozent immer noch deutlich über dem Zielkorridor der Notenbank. Höhere Zölle dürften zu weiteren Preissteigerungen in Amerika führen und die verschärfte Einwanderungspolitik dürfte den Arbeitsmarkt verknappen. Beides heizt die Inflation an.

Inwieweit verschärfen die Handelsschwierigkeiten die Krise in China? Es ist eine zusätzliche Belastung. Aber die Lage ist unabhängig davon schon schwierig. Ich sehe einige Parallelen zu Japan in den 1990er Jahren, als dort ebenfalls eine Immobilienblase platzte. Die Krise in Japan dauerte mehrere Jahre. Man spricht heute von einem verlorenen Jahrzehnt. Ähnlich könnte es China ergehen.

Wird China zu alter Stärke zurückfinden?

Da bin ich skeptisch. Denn neben der konjunkturellen Schwäche durch die Immobilienkrise hat sich auch die Demografie in China verändert. Die Bevölkerung schrumpft; die Menschen werden älter. Gleichzeitig ist der Wohlstand gestiegen. Zweistellige Wachstumsraten wie in den 2000er Jahren wird es in China nicht mehr geben. Das Plus dürfte künftig eher bei 3 bis 4 Prozent liegen.

Der US­Aktienmarkt wurde 2024 von den «Glorreichen Sieben», Alphabet, Amazon, Apple, Meta, Microsoft, Nvidia und Tesla, dominiert. Viele Anleger fragen sich, ob diese Aktien inzwischen zu teuer sind. Was sagen Sie dazu?

Tatsächlich scheinen viele Hoffnungen – etwa im Bereich der künstlichen

Intelligenz – bereits in den Aktienkursen eingepreist zu sein. Die Titel haben

2024 im Schnitt um gut zwei Drittel an Wert zugelegt. Gleichzeitig sind ihre Gewinne «nur» um rund 30 Prozent gestiegen. In den vergangenen Monaten hat also eine deutliche Bewertungsexpansion stattgefunden. Damit ist das Korrekturrisiko für Technologieaktien gestiegen, zumal sich 2025 die Wachstumsraten angesichts der absoluten Höhe der Gewinne abschwächen werden. Es ist daher ratsam, einen Teil der Kursgewinne mitzunehmen.

Europa hinkt dagegen wirtschaftlich hinterher. Wie schätzen Sie die Lage hier ein?

Europa befindet sich aufgrund der Industrierezession in einer schwierigen Situation – und es gibt derzeit keine Anzeichen für eine Besserung. Frühindikatoren, wie etwa der Einkaufsmanagerindex, sind weiterhin rückläufig. Hinzu kommen die politischen Unsicherheiten in Deutschland und Frankreich. Mit Blick auf die zweite Jahreshälfte 2025 könnten Zinssenkungen helfen. In den ersten sechs Monaten erwarten wir hingegen kaum Wachstumsimpulse.

Im Dezember hat die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen um 0,25 Prozentpunkte auf 3 Prozent gesenkt. Welche weiteren Schritte erwarten Sie im Jahr 2025?

Wir gehen von einer deutlichen Lockerung der Geldpolitik aus: Bis Ende 2025 dürfte die EZB den Leitzins auf 1,5 Prozent senken, um die Konjunktur anzukurbeln. Bei europäischen Aktien bleiben wir jedoch vorsichtig. Erst wenn die Frühindikatoren über drei Monate konstant nach oben zeigen, wäre dies für uns ein Signal, wieder verstärkt in zyklische Werte zu in-

die Anlagepolitik verantwortlich.

«Deglobalisierung führt in der Regel zu einer Loselose-Situation.»

vestieren. Dies dürfte aber frühestens in der zweiten Jahreshälfte 2025 der Fall sein.

Noch stärker als die EZB, nämlich um 0,5 Prozentpunkte, hat die SNB den Leitzins gesenkt. War das nötig? Ich war etwas überrascht, wie schnell die SNB vorgegangen ist. Begründet wurde der Schritt unter anderem mit dem starken Franken. Dieser hat sich aber kaum verteuert. Auch die Inflationsziele der SNB werden derzeit komfortabel erreicht, und vieles spricht für eine weiche Landung der Konjunktur. Dennoch deuten die jüngsten Aussagen darauf hin, dass eine Zinssenkung von heute 0,5 in Richtung 0 Prozent durchaus denkbar ist.

Immobilien profitieren von sinkenden Zinsen. Lohnt es sich, zu investieren? Tiefe Zinsen werden die Immobilienmärkte beflügeln. Die Hypothekenzinsen sind bereits gesunken und werden voraussichtlich weiter sinken. Zudem dürften Immobilien als Alternative zu sicheren Staatsanleihen zunehmend gefragt sein. Aus diesen Gründen erwarten wir eine solide Preisentwicklung auf dem Schweizer Immobilienmarkt. Insbesondere Immobilienfonds dürften dank attraktiver Ausschüttungsrenditen bei gleichzeitiger Aussicht auf steigende Preise verstärkt in den Fokus geraten.

Gold als Anlage erreichte 2024 ein Rekordhoch – ist der Preis gerechtfertigt? Ja. Wir sind der Meinung, dass Gold aus Diversifikationsgründen weiterhin in ein Portfolio gehört. Weiter sinkende Zinsen und geopolitische Unsicherheiten sprechen für das Edelmetall. Ein weiterer Anstieg um 30 Prozent ist 2025 aber nicht zu erwarten.

Wie soll man sich 2025 positionieren? Für Anlegerinnen und Anleger in Schweizer Franken wird der Anlagenotstand wieder zum Thema. Zehnjährige Bundesobligationen werfen nur noch knapp 0,2 Prozent Rendite ab. Auch auf Sparkonten gibt es kaum noch Zinsen. Zieht man die Inflation ab, resultiert ein Kaufkraftverlust. Deshalb sollte man nicht benötigtes Geld in Sachwerte wie Aktien, Immobilienfonds oder Gold investieren. Infrage kommen auch dividendenstarke, defensive Werte wie Novartis, Nestlé oder Roche. Sie sind sichere Dividendenzahler und bieten attraktive Ausschüttungen von rund 4 Prozent. Nach der relativ schwachen Performance in den letzten zwei Jahren hat der Schweizer Aktienmarkt Aufholpotenzial. Schweizer Immobilienfonds und Gold gehören ebenfalls in ein diversifiziertes Portfolio.

Muss das Portfolio entsprechend umgeschichtet werden?

Das hängt von der aktuellen Zusammensetzung des Portfolios ab. Durch die starken Börsenbewegungen im Jahr 2024 dürften sich aber die Gewichte im Portfolio verschoben haben. Dann bietet sich ein sogenanntes Rebalancing an. In jedem Fall ist es aber sinnvoll, regelmässig einen Blick auf die persönliche Vermögenssituation zu werfen –zum Beispiel im Rahmen eines Vermögenschecks zu Jahresbeginn.

Dieser Inhalt wurde von NZZ Content Creation im Auftrag von Raiffeisen erstellt.

PD Seit 2019 ist Matthias Geissbühler als Chief Investment Officer (CIO) von Raiffeisen Schweiz für

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