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Einmal im Jahr wird der St Galler Klosterhof zur Opernbühne Nachdem hier im Juni/Juli 2022 die Regisseurin Barbora Horáková mit ihrer Inszenierung von Verdis «Giovanna d’Arco» begeisterte, steht dieses Jahr ein Meisterwerk des Verismo auf dem Programm: «Andrea Chénier» von Umberto Giordano (1867–1948) Das 1896 in der Mailänder Scala uraufgeführte Revolutionsdrama wird vom Litauer Modestas Pitrenas dirigiert, Regie führt die Griechin Rodula Gaitanou, die Ausstattung liegt in den Händen ihres Landsmanns takis Gaitanou und takis haben bereits etliche Opern gemeinsam realisiert – Verdis «Ballo in maschera» im Holland Opera Park (London) war für beide eine Offenbarung Und sie hegen auch schon etliche Pläne für die Zukunft «Wir sind ein gutes Gespann» sagt takis «Die Chemie zwischen uns stimmt absolut Natürlich sind wir uns nicht immer einig, dann diskutieren wir Aber wir sagen nie: Das ist Dein Bereich, das ist meiner So funktioniert Oper nicht Musik und Text, Regie und Ausstattung müssen eine höhere Einheit bilden »
Wir treffen die beiden Theaterschaffenden an einem heissen Juninachmittag bei den Proben im Klosterhof Die Stahlrohrtribüne ist bereits aufgebaut; auf der weitläufigen Bühne erhebt sich als zentrales Element ein stilisierter Arc de Triomphe Techniker eilen hin und her, Touristen bleiben stehen und schauen neugierig zu, vom Turm der Kathedrale schlagen die Glocken
Auch eine Premiere für die Regisseurin
Rodula Gaitanou, die wie takis inzwischen von London aus arbeitet, hat schon Opern von Mozart bis Richard Strauss inszeniert Ihr Schwerpunkt liegt indes beim italienischen Repertoire: bei Rossini und Donizetti, Verdi und Puccini An «Andrea Chénier» wagt sie sich in St Gallen zum ersten Mal – sie hat jedoch bereits Giordanos selten gespielte Oper «Mala Vita», die in einem Armenviertel Neapels spielt am irischen Wexford Festival aus der Versenkung geholt
Giordanos Erfolgsoper dreht sich um das tragische Schicksal des französischen Dichters André Chénier, der 1794 in Paris mit 31 Jahren auf der Guillotine endete nur Tage bevor Robespierre selbst gestürzt und hingerichtet wurde
Mit dem historischen Chénier hat die Oper nur wenig zu tun, aber sie überzeugt als eigenständiges Werk Mit dem Librettisten Luigi Illica stand dem Komponisten ein Meister zur Seite, dem wir auch die Texte zu drei von Puccinis wichtigsten Opern verdanken: «La Bohème», «Tosca» und «Madama Butterfly»
Rodula Gaitanou findet «Andrea Chénier» so faszinierend, weil die Oper zum einen ein Liebesdrama ist, das eine bewegende Dreiecksgeschichte erzählt, zum andern ein historisches Thema in existenziell dringlicher, zeitlos aktueller Weise aufgreift. «Die Französische Revolution», erläutert sie, «war als Folge der Aufklärung ein Katalysator für unsere moderne europäische Identität. Die Werte, für die wir heute einstehen, wurden damals formuliert. Aber unmittelbar auf die Revolution von 1789 folgten fünf Jahre der Schreckensherrschaft, in der die schlimmsten Verbrechen begangen wurden. Davon handelt dieses Stück.»
Nebenbuhler spannender als Hauptfigur
Die faszinierendste Figur im Stück ist für Rodula Gaitanou nicht Chénier der unbeirrte Freigeist, der die Revolution zuerst unterstützt und dann bekämpft, seinen Grundsätzen dabei bis zuletzt treu bleibt, sondern sein wandelbarer Nebenbuhler Carlo Gérard, der Gärtnerssohn, der seine Stelle verliert und sich der Revolution anschliesst «Er kämpft für seine Überzeugungen», erklärt die Regisseurin, «und würde für sie sogar töten, aber er hinterfragt sie schliesslich auch Er hat versucht, Gutes zu tun, aber Böses bewirkt, indem er sich in den Dienst des Terrorregimes gestellt hat » Rodula Gaitanou kommt er deshalb vor wie eine Kippfigur zu Mephistopheles in Goethes «Faust», dem «Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft»
Durch Chénier und Maddalena di Coigny, die zu Opfern des Terrors werden – er weil er verurteilt wird sie weil
«Operistdoch keinMuseum!»
Die Regisseurin Rodula Gaitanou und der Ausstatter takis inszenieren an den 18. St.Galler Festspielen Umberto Giordanos Meisterwerk «Andrea Chénier» Ein Augenschein vor Ort
sie aus Liebe mit ihm freiwillig in den Tod geht –, wird Gérard mit den Folgen seines Handelns konfrontiert und versucht, das Geschehene wiedergutzumachen «Er ist die Figur, die den weitesten Weg zurücklegt», sagt Gaitanou, «und den tiefsten Sinneswandel durchmacht Am Anfang ist er Chéniers Rivale und Feind, aber dann, als es zu spät ist, wird er zum Freund » Eine Figur, der sie mit viel Empathie begegnet, ist Maddalena, die dritte Hauptperson Im ersten Akt ist sie eine schnippische junge Dame, die sich der gesellschaftlichen Probleme ausserhalb ihres Standes nicht bewusst ist Sie lebt
abgeschottet von der Realität der notleidenden Bevölkerung und merkt nicht, dass rund um sie die Welt in Aufruhr ist «Der Adel», erklärt Gaitanou, «führt sein im Grunde langweiliges Leben mit Schäferspielen und höfischen Festen Maddalena ist ein Produkt dieser Gesellschaft, aber dann verliert sie alles, wird verfolgt, muss fliehen – und erinnert sich an die Begegnung mit Chénier » Die Regisseurin betont, dass die Liebe zwischen Chénier und Maddalena eine ideelle ist nicht eine physische «Erst im Angesicht des Todes wird aus der gedanklichen Verbindung eine romantische Leidenschaft», sagt sie «Maddale-
18. St.Galler Festspiele
Im Mittelpunkt der diesjährigen Ausgabe der St Galler Festspiele steht die Revolutionsoper «Andrea Chénier» von Umberto Giordano (siehe Artikel) Im Tanzstück «Erscheinen» wird den Überschneidungen von Spiritualität und Musik im sakralen Raum der Stiftskirche nachgegangen Die Revolution als Metapher der Befreiung prägt auch das Programm der Konzertreihe «Révolutionnaire» in verschiedenen Räumlichkeiten des Stiftsbezirks: Sieben Konzerte ergänzen in diesem Jahr die Freiluftoper auf dem Klosterhof und die Tanzproduktion in der Kathedrale Die 18. St Galler Festspiele dauern vom 23 Juni bis 7 Juli 2023 stgaller-festspiele ch
na entwickelt sich von einer unsicheren jungen Frau zu einer furchtlosen Gestalt die sich am Ende dafür entscheidet, mit Chénier zu sterben Sie sucht den Tod geradezu, indem sie die Wachen besticht, um ins Gefängnis geschleust zu werden und mit einer Verurteilten die Rolle zu tauschen Sie heisst den Tod willkommen, er ist für sie nicht das Ende, sondern ein verheissungsvoller Anfang Zwei Menschen, die ihre Liebe auf Erden nicht ausgelebt haben, werden für immer verbunden sein in einer anderen Welt » «Andrea Chénier» ist – noch vor «Fedora» – Giordanos bekannteste Oper Ist sie auch sein Meisterwerk? Auf diese Frage reagiert die Regisseurin mit einem hellen Lachen: «Wissen Sie, wir sind mitten in den Proben und in dieser Phase identifiziere ich mich immer so stark mit dem Stück, dass ich es tatsächlich für ein absolutes Meisterwerk halte Aber ich liebe ‹Andrea Chénier› tatsächlich, und zwar wegen der Schattierungen Es ist kein Stück, in dem es um schwarz und weiss geht um richtig und falsch Giordano wertet nicht Andere Komponisten machen in jeder Szene klar, wo ihre Sympathien und Antipathien liegen Er tut das nirgends Zudem ist seine musikalische Sprache sehr eigenständig, weit weg von der Wagner-Schule mit ihrer Leitmotivik » Inszenierung zwischen damals und heute Giordano war Ende zwanzig, als «Andrea Chénier» uraufgeführt wurde Aber für die Regisseurin ist die Oper ein Werk, das von viel Lebenserfahrung zeugt – und Fragen der «condition humaine» verhandelt, die heute brennender sind denn je. «Wir versuchen», summiert takis, «beiden Aspekten gerecht zu werden – der Historizität des Werks wie seiner Aktualität Wir gehen mit Respekt an die Sache heran, doch ebenfalls mit dem Ziel, die Menschen von heute zu erreichen Oper ist doch kein Museum!»
Wichtig für beide ist zudem, die Umgebung einzubeziehen, die Veränderung des Tageslichts zwischen 20:30 Uhr und 23:00 Uhr, aber auch die historischen Gebäude ringsum. «Das können und wollen wir nicht ignorieren», erklärt takis «Es spielt alles ins Stück hinein Und was die Bühne betrifft so müssen die Kulissen stabil und wetterfest sein – wir haben auch nicht die Möglichkeiten eines Hightech-Theaters » Rodula Gaitanou ist ursprünglich Geigerin In ihren frühen Jahren war Jascha Heifetz ihr Idol «Was ich an ihm bis heute bewundere» sagt sie «ist die Verbindung von Artistik und Strenge Er spielte mit emotionaler Tiefe – und gleichzeitig höchst diszipliniert Diese Verbindung von Leidenschaft und Disziplin ist meine Richtschnur geblieben » Auch die Liebe zum Freilichttheater geht bei ihr in die frühe Kindheit zurück: «Seit meinem vierten Lebensjahr war ich jeden Sommer an den Festspielen in Epidauros Dort habe ich das Theater als überwältigendes Gemeinschaftserlebnis erfahren, als etwas, das eine elementar sinnliche, aber auch eine sakrale Dimension hat »
Dieser Inhalt wurde von NZZ Content Creation im Auftrag der St.Galler Festspiele erstellt
NZZ am Sonntag 18 Juni 2023
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Hinter den Kulissen: Ausstatter takis (links) und Regisseurin
FOTOS M CHELE L M NA
Rodula Gaitanou
«Aber ich liebe ‹Andrea Chénier› tatsächlich, und zwar wegen der Schattierungen.»