Lucerne Festival (D)

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EinneuesKlavier-Fest

Igor Levit kuratiert die Premiere vom 18 bis 21. Mai 2023 und schlägt gemeinsam mit vier anderen Pianist*innen die Brücke von Klassik zu Jazz und von Notation zu Improvisation

Grenzgänger zwischen JazzundKlassik

Der Kultpianist Fred Hersch tritt am neuen, von Igor Levit kuratierten Klavier-Fest des Lucerne Festival auf Als enge Freunde suchen sie den Dialog – im Alltag und in der Musik.

«Er hat mich in den vergangenen Jahren mehr beeindruckt und beeinflusst als alle anderen»: Das sagt der Meisterpianist Igor Levit (36), der vom 18 bis 21 Mai 2023 ein neues Klavier-Fest am Lucerne Festival kuratiert (siehe Artikel rechts) über seinen Kollegen Fred Hersch (67) Die beiden Musiker zollen einander nicht nur aus der Distanz Respekt Als enge Freunde suchen sie den Dialog – im Alltag und in der Musik Sie kennen das Schaffen des anderen sehr genau Levit hat sogar schon Herschs «Variations on a Folk Song» in seine Programme mit Werken von Beethoven und Brahms geschmuggelt

Anspielung auf

Felix Mendelssohn

Als er den Kollegen für sein Luzerner Projekt zu gewinnen suchte, erinnerte er sich an ein Triple-Soloalbum, das Hersch, seit je ein virtuoser Grenzgänger zwischen Jazz und Klassik, im Jahr 2000 veröffentlicht hatte. «Songs Without Words» heisst es in Anspielung auf Felix Mendelssohns berühmte Sammlung von sechs Heften mit insgesamt 48 lyrischen Klavierstücken. Deshalb bat Levit den Freund um ein zweites Heft mit GenreKompositionen aus seiner Feder Hersch kam der Aufforderung gerne nach. Anders als im Jazz üblich, wo meist nur das Thema und die Akkordfolge, über die improvisiert werden soll, ausgeschrieben werden, notierte er seine neuen Stücke bis ins kleinste Detail. Einigen («Canzona», «Nocturne») gab er reine Gattungsbezeichnungen, andere («The Old Country»», «Choro de Carnaval») erhielten spezifischere Titel Bei allen Kompositionen achtete Hersch darauf, dass die Liedhaftigkeit gewährt blieb «The Two-Minute Waltz» spielt natürlich auf Chopins «Minutenwalzer» an; Hersch hat hier, wie er sagt, mit einem Augenzwinkern eine Melodie kreiert, die aus einem Musical von Rogers und Hammerstein stammen könnte, während er in «Soliloquy» ein Klavierstück nur für die linke Hand verfasst hat

Variationen über

einen Bach-Choral

Fred Hersch tritt an Levits Luzerner Klavier-Fest gleich zweimal auf: Am 19 Mai

stellt er sich in einer Late Night mit seinem Trio vor, tags darauf gibt er einen Soloabend, zu dem er Igor Levit als Special Guest erwartet. Auf beide Konzerte darf man gespannt sein, denn in ihnen wird Hersch, der sublime Variationen über einen Bach-Choral schreiben, aber auch mit Witz und Feuer über ein Thema von Dizzy Gillespie improvisieren kann, die ganze Bandbreite seines Könnens zum Besten geben. Geboren wurde Fred Hersch als Kind einer jüdischen Familie 1955 in Cincinnati, Ohio Schon als Vierjähriger begann er mit dem Klavierspiel; alsbald verlegte er sich auch aufs Komponieren und Improvisieren. «Du übst ja gar nicht!», rief seine Mutter dann jeweils aus der Küche. Nach dem Studium am New England Conservatory in Boston – unter anderem beim legendären Pianisten Jaki Byard –zog Hersch nach New York, wo er sich rasch als Jazzmusiker etablierte Sowohl als gefragter Begleiter von Grössen wie Stan Getz, Joe Henderson und Art Farmer als auch mit seinen Kompositionen und Soloauftritten machte er sich einen Namen Bis heute hat er ein halbes Hundert Alben als Leader veröffentlicht; hinzu kommen mehr als doppelt so viele, auf denen er als Gast oder Begleiter zu hören ist Es gibt im Jazz seit den späten siebziger Jahren kaum einen grossen Namen, mit dem er nicht in Verbindung stand: In seinen Erinnerungen an diese Zeit erweist sich Hersch als wandelndes Lexikon – und als witziger Kopf Der Stil des Pianisten ist oft als impressionistisch beschrieben worden Die Charakterisierung lässt sich nicht auf alle Facetten seines Schaffens beziehen, trifft im Kern aber doch zu Er selbst verweist auf den expressiven Saxofonisten Sonny Rollins als eines seiner wichtigsten Vorbilder Mit seiner sublimen Anschlagskultur und dem Sinn für überraschende Harmonisierungen kommt

Hersch unverkennbar von Bill Evans her Wie dieser setzt er bei seinen Improvisationen nicht auf halsbrecherisch virtuose

Läufe, sondern entwickelt seine Inventionen aus dem Thema heraus Seine lichtdurchwirkten Meditationen über

Melodien von Kurt Weill, Irving Berlin, Thelonious Monk und Joni Mitchell ver-

wenden mit Vorliebe ein spätromantisches Vokabular Bisweilen reduziert sich in ihnen der Jazzanteil auf Spurenelemente In manchen von Herschs Harmonisierungen zeigt sich auch der Zauber Keith Jarretts Wenn er Standards aus dem «Great American Songbook» spielt, klingt zudem immer der Liedtext mit Dieses Können hat er inzwischen an einige seiner Meisterschüler weitergegeben; der bekannteste unter ihnen ist Brad Mehldau

Klavierspiel von gesunder Intensität

Fred Hersch ist ein urbaner Intellektueller Sein Klavierspiel ist jedoch nicht, um mit Hamlet zu sprechen, von des Gedankens Blässe angekränkelt, sondern von glühender Intensität, wie etwa die Mitschnitte seiner Solokonzerte im New Yorker Village Vanguard belegen. Dass er sich daneben auch auf die Kunst der federnden Leichtigkeit versteht, zeigt eine neue, intime Duoaufnahme mit der jungen Sängerin und Bassistin Esperanza Spalding aus dem gleichen Jazzclub

In einem mehrstündigen Gespräch mit dem Pianisten Ethan Iverson (bekannt vor allem durch sein Trio The Bad Plus) hat Fred Hersch ein frühes Erlebnis mit Standards geschildert: Als Teenager kaufte er in einem Plattenladen auf einen Schlag 13 LPs mit verschiedenen Versionen von «Autumn Leaves»; Aufnahmen von Oscar Peterson über Sarah Vaughan bis zu Miles Davis und Ahmad Jamal «Ich hörte sie mir an», sagt er, «und realisierte, dass sie alle so grossartig wie unterschiedlich waren – und dass es keinen Zweck hatte, Stücke so zu spielen, wie jemand anders sie gespielt hatte Das war für mich eine Erleuchtung » Seither spielt Fred Hersch nur noch so wie Fred Hersch – und sein Publikum dankt es ihm

Dieser Inhalt wurde von NZZ Content Creation im Auftrag von Lucerne Festival erstellt.

In wenigen Wochen erlebt Luzern die Premiere des neuen Klavier-Fests, das von Igor Levit kuratiert wird Für das viertägige Festival versammelt der Pianist eine Reihe hochkarätiger Musiker*innen unterschiedlichsten Backgrounds im KKL Luzern: Alexei Volodin, Anna Vinnitskaya, Johanna Summer und Fred Hersch (siehe Artikel links) Levits Gesamtkonzept der sieben Konzerte liegt das Prinzip der Interaktion zugrunde – nicht nur mit dem Publikum, sondern auch der Künstler*innen untereinander «Wichtig ist mir das Miteinander von notierter sowie improvisierter Musik von Klassik und Jazz, Disziplin und Freiheit», erklärt der Kurator Sieben Konzerte in vier Tagen

Igor Levit selbst wird einen Soloabend (19 Mai 18 30 Uhr) geben aber auch im Duo mit Alexei Volodin zu hören sein (18 Mai, 19 30 Uhr) und als Special Guest im Jazz-Rezital von Fred Hersch auftreten Der Maestro (20 Mai, 18 30 Uhr), Johanna Summer (20 Mai, 22 00 Uhr) und Anna Vinnitskaya (21 Mai, 11 00Uhr) gestalten jeweils ein Konzert solistisch

Am Ende des Festivals steht ein Finale, das vier Musiker*innen gemeinsam bestreiten, im Zusammenspiel oder auch im Wettstreit, wenn sie «batteln» wie im Jazz oder Rap (21 Mai, 17 00 Uhr) Und das Fred Hersch Trio stellt sich in einer Late Night (19 Mai, 22 00 Uhr)

«Zwei Prinzipien haben mich bei der Konzeption des Klavier-Fests geleitet», fasst Levit seine Ambitionen als künstlerischer Leiter des neuen Festivals zusammen, «zum einen der Wunsch, dass alle Mitwirkenden nach Möglichkeit über die gesamte Dauer in Luzern bleiben, um nicht nur mit dem Publikum, sondern auch miteinander interagieren zu können – auf und abseits der Bühne. Wichtig

ist mir zum anderen das Miteinander von notierter und improvisierter Musik, von Klassik und Jazz, Disziplin und Freiheit.»

Zwei talentierte Virtuosinnen

Zum einen die russische Pianistin Anna Vinnitskaya (39) Über sie sagt Levit: «Anna bewundere ich seit vielen Jahren als frappierend souveräne Interpretin einiger der anspruchsvollsten Klavierkonzerte. Nicht minder begeistert bin ich von ihrem technisch superben und zugleich so fantasievollen Zugang zu pianistischen Visionären wie Chopin, Skrjabin oder Ravel die entscheidend die Vorstellung eines genuin virtuosen Klavierstils geprägt haben, deren Handschrift sich mir selbst bislang aber weniger intuitiv erschliesst.»

Eine ganz andere Verbindung zwischen Jazz und Klassik stellt laut dem Kurator die deutsche Pianistin Johanna Summer (28) her «Als ich anfing, mich mit ihrem Programm Schumann Kaleidoskop zu beschäftigen, war ich sofort gefesselt von der eigensinnigen, nie gefälligen Poesie der jungen Kollegin Was sie spielt, ist klar, cool, unverschnörkelt und präzise Johanna geht erstaunlich frei mit den romantischen Vorlagen um, besticht aber zugleich durch Ökonomie und Genauigkeit in der Entwicklung ihrer eigenen Ideen.»

Und den in Spanien lebenden russischen Pianisten Alexei Volodin (45) kennt Igor Levit bereits seit 20 Jahren: «Alexei ist einer der besonders seriösen und gewissenhaften Interpreten eines auffallend breiten Repertoires Ein Pianist, der einen wunderbar leuchtenden Klang mit faszinierender Tiefenstaffelung der Stimmen und Verläufe verbindet »

Ticketing-Hotline: 041 226 44 00 Informationen: lucernefestival ch

NZZ am Sonntag 30 April 2023
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ER KA KAPIN
Fred Hersch
GELA MEGREL DZE GREGOR HOHENBERG
FEL X BROEDE/SONY CLASSICAL
Igor Levit Johanna Summer Anna Vinnitskaya

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