1 Kirche Mogno, 2017, 100 Ă— 70 cm, Papier gefaltet Nr. 4 | NZZ Edition Kunst | November 2017 | Simon Schubert
2 Wasserspiegelung Grossmünster, 2017, 100 × 70 cm, Graphit auf Papier
Im Ateliergespräch
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Internationale Künstler blicken auf die Schweiz Nach dem Niederländer Herman de Vries und der Japan-Schweizerin Leiko Ikemura stellen wir Ihnen in unserer aktuellen Ausgabe der NZZ-Unikatreihe mit Simon Schubert einen Künstler aus dem Rheinland vor. Auch wenn er von sich selber eher als Bildhauer spricht, handelt es sich bei seinem aktuellen Werkzyklus um Arbeiten auf Papier. Simon Schubert ist einer breiteren Öffentlichkeit auch durch seine Papierfaltungen bekannt geworden. Somit resultiert hieraus auch kein Widerspruch, denn diese machen sich das Papier weniger als Bildträger, sondern vielmehr als Werkstoff zunutze. Aber auch seine später entwickelte Technik der Graphitarbeiten lässt sich kaum mit traditionellen künstlerischen Gattungsbegriffen klassifizieren. Bei diesem Werkkomplex handelt es sich um einen nahezu modellierenden Prozess mit Graphit, also eine eher plastische Herangehensweise des Schöpfens aus der Materialität. Vernissage 17. November 2017 NZZ-Foyer, Falkenstrasse 11 17 Uhr Vernissage 18 Uhr Künstlergespräch Anmeldungen bitte unter shop.nzz.ch/veranstaltungen/ Eintritt frei.
Alle Werke unter shop.nzz.ch
Warum sollten diese unorthodoxen Sonderwege aber auch verwundern, bei einer Persönlichkeit, die ihre künstlerische Vita an einer Kunstakademie mit einem Studium der Philosophie beim Schweizer Professor Paul Good beginnt, der sein Tagungszentrum in Bad Ragaz heute selber als «Philosophie-Atelier» bezeichnet? Ausgangspunkt für die vorliegende NZZ-Reihe im Zyklus unserer Serie «Internationale Künstler blicken auf die Schweiz» war eine im Sommer dieses Jahres absolvierte Studienreise Schuberts an besondere Orte entlang der Achse Basel–Zürich–St. Gallen. Entstanden ist ein Werkkomplex der Kontraste zwischen Weiss und Schwarz, Konkretem und Diffusem, graphischer Architektur und organischer Landschaft. Hierbei nimmt Simon Schubert uns mit auf eine Reise durch vielleicht nächtliche Wasserwelten der Seenund Flusslandschaften der Nordschweiz. In ihren spektakulären Spiegelungen stiften sie immer wieder Assoziationen und Erinnerungen zu eigenen Begegnungen mit diesen besonderen und charakteristischen Orten. Im harmonischen Kontrast zu seinen schwarz dominierten Graphitarbeiten stehen seine weissen Faltungen. Sie leben vom Spiel von Licht und Schatten, das erst in der Lage ist, diese aussergewöhnlichen Werke zum Leben zu erwecken. Im Fokus dieser Arbeiten stehen Bauwerke und Architektur, die die urbane Ästhetik der Schweiz, ihre Tradition und die Geschichte der Menschen aufzeigen. Geniessen Sie auf den folgenden Seiten die Abbilder jener faszinierenden Werke. Machen Sie sich aber wenn möglich die Freude, sich bei einem persönlichen Erleben von den einzigartigen künstlerischen Techniken, die sie ausmachen, zu überzeugen. Ihre NZZ
«Von meiner Studienreise habe ich die Idee mitgebracht, dass ich Zürich und die Schweiz im Spiegel des Wassers betrachten möchte.»
Simon Schubert hat für die NZZ einen Werkzyklus aus 20 Arbeiten geschaffen. Die Werke sind online auf shop.nzz.ch verfügbar. Es gilt die Reihenfolge der Bestelleingänge. 3
3 Wasserkirche, 2017, 100 Ă— 70 cm, Papier gefaltet
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4 Leuenhof, 2017, 100 Ă— 70 cm, Papier gefaltet
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Flächen und Tiefe Zum Werk von Simon Schubert
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Simon Schubert gehört unbestritten zu jenen seltenen jungen Künstlererscheinungen, die, kaum dreissigjährig, die Akademie verlassen mit einem Werk im Kopf, sozusagen mit einem Bewusstsein, das seiner selbst innewird. Bereits seine erste Einzelausstellung 2005 in Köln offenbarte dem Betrachter, und vielleicht nicht zuletzt auch ihm selbst, ein Gefühl von Fallen und gleichzeitigem Gehaltensein durch eine Raumfolge aus Papier, ganz weiss im Weissen, bei der begehbare und verschlossene Zimmer aufeinander folgten und sich in sich verschachtelten, einem Labyrinth gleich und einem Endpunkt. Fussleisten, ein Mantel an der Wand, ein Türblatt und Bilder in Rahmen waren allein durch Faltungen im Papier sichtbar, aber durch die ungerichtete Beleuchtung an der Grenze zum Wahrnehmbaren. Den Titel dieser Installation entlehnte Simon Schubert dem späten Prosatext «Le Dépeupleur» von Samuel Beckett, von dessen Werk seine Arbeit seit der Akademiezeit massgeblich beeinflusst ist und der den Reichtum seiner inneren Anlagen entwickeln half. Becketts Begriff von Abstraktion und die reduzierten sprachlichen Formen, die er dafür fand, schienen ein grundsätzliches Problem von Raumdarstellung zu lösen, nämlich die Abhängigkeit vom Ausformulierten und die damit verbundene Schwierigkeit, dass das Ausformulierte das Geheimnisvolle auslöscht. Bei Schubert formuliert sich das Formulierte selbst aus. Alles findet auf dem weissen Papier statt, dem der Inhalt des Bildes, das es trägt, durch Faltung und Knicke eingeschrieben wird. Und es benötigt in dieser Konsequenz Licht, um sichtbar zu werden. Und mit dem Licht ändert sich auch das Bild, nicht in seiner Bedeutung, aber in der Tiefe, in seinen Schwingungen und in seiner emotionalen Zugänglichkeit. Es ist ein inneres Labyrinth, das Simon Schubert unaufhörlich abschreitet. Auch hierin ist er Beckett sehr ähnlich. Und darin, dass beim Abschreiten die aufgenommenen Begegnungen in der Kunstgeschichte unmittelbare Entwicklungen erzeugen. So ging dem Verfassen des Textes «Le Dépeupleur / Der Entvölkerer» 1966 Becketts Besuch einer Ausstellung in der Pariser Nationalbibliothek voraus, die der sogenannten «Revolutionsarchitektur» gewidmet war. Das sind imaginäre Bauten aus Grundformen: Pyramiden, Würfel, vor allem aber runde Hohlkörper, nicht verwirklichte, auch gar nicht zur Ausführung bestimmte Entwürfe, eigentlich Bilder, sprechende Bilder. Etienne-Louis Boullée, der Schöpfer des «Kenotaph Newtons», nannte sie Architecture parlante. Seine Entwürfe wird Beckett in der Ausstellung gesehen haben. Der Kenotaph, dieses Mausoleum mit dem Grab Newtons in seinem Innern, ist eine riesige hohle Kugel, die in ihrem oberen Drittel runde Öffnungen nach aussen hat. So ist es innen bei Tag wie Nacht, und das Licht, das durch die Fenster eindringt, zeichnet den Sternenhimmel ab. Die Form, mit der Beckett den Raum in seinem Text beschreibt, ist ebenfalls ein geometrischer Körper, ein Zylinder, hohl und bevölkert mit Wesen, die sich nach immer wiederkehrenden Gesetzen bewegen und dabei den Aufstieg über Leitern nach oben versuchen. Die Leitern, der geometrische Raum, eine
unerreichbare Höhe, die Nischen in den Wänden, das Gefangensein erinnern sicherlich auch an die «Carceri d’invenzione» von Piranesi, und Piranesis distanzierter Blick in das Düstere entspricht dem Dantes, der die Hölle begehen konnte. Dante selber erscheint an einer Stelle in Becketts Text, als einziger Name. Aus dieser Vielzahl von Bezügen, aus diesen Chiffren für philosophische Thesen subtrahiert Beckett den Zustand, der sich doch nach allen Richtungen hin zu öffnen in der Lage ist, ein Nukleus, nicht Philosophie, sondern Kunst. An diesen Gedanken von Kunst knüpft Simon Schubert an. Und seine Rauminstallationen, die mit dem «Entwohner» begannen und inzwischen, nach Installationen in Düsseldorf, Bregenz, Paris, München, Berlin, Neubrandenburg und New York zu einem stetig anwachsenden imaginären Gebäudelabyrinth werden, sind in vielen Durchdringungen eine Verneigung vor diesem Schriftsteller. Weisse Räume, angefüllt von der gedanklichen Auseinandersetzung mit den künstlerischen Möglichkeiten des Weglassens, des Verschwindens und der Öffnung. So befand sich am Anfang in einem der Räume eine Papierfaltung mit dem Bild einer zentralperspektivischen aufsteigenden Treppe, in einem anderen Raum sah der Betrachter in einem «Spiegel» das Antlitz eines alten Mannes mit sanften Zügen, im Flur hing das gefaltete Gegenstück zum «Eismeer» von Caspar David Friedrich, und in dem Hohlraum einer nicht existierenden Wendeltreppe – auch ein Motiv, dem sich Simon Schubert immer wieder zugewandt hat – sass der Bewohner selbst, ein Entwohner seiner eigenen Behausung. Zuletzt sind es die über die Jahre entstandenen Papierarbeiten mit Beckett-Porträts, die neben dem unaufhörlichen Gefesseltsein oder der Anziehung zeigen, dass in der Tiefe die Aussagen nie erschöpfend getroffen werden können. Und es auch gar nicht müssen. Die Papierfaltungen sind ein zentraler Werkkomplex, der nicht zuletzt für Simon Schuberts internationale Bekanntheit gesorgt hat. Zu den imaginären Räumen kamen mit der Zeit auch existierende Gebäude hinzu, darunter eine umfangreiche Serie zu den Sälen und Treppenhäusern des Berliner Stadtschlosses, das Simon Schubert in doppelter Hinsicht gefesselt hat. Zunächst trifft sich das Interieur der spätbarocken Architektur mit den Theorien des Barock-Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz, wo sich Zeit und Raum bis ins Unendliche falten lassen, und diese Räume werden fast dokumentarisch präzise zum Leben erweckt, obwohl es sie nicht mehr gibt. Schliesslich sind die jüngsten Faltungen, die für die NZZ entstanden sind, reale historische Gebäude oder Innenräume in Zürich und anderen Schweizer Städten, zentralperspektivisch gefasst, so dass sie den Betrachter in das Gefühl versetzen, er befände sich in ihrer Mitte. Ebenfalls für die NZZ schuf Simon Schubert einen neuen Zyklus von Graphitarbeiten, die bewegte Oberflächen von Schweizer Seen und Flüssen zeigen, in deren Wellenspiel sich charakteristische Gebäude spiegeln. Abbild und Bewegung verschmelzen zu fast abstrakten Bildern, deren verführerische Dichte den Blick stetig herausfordert. Franz van der Grinten
Porträt Samuel Beckett, 2008, 110 × 90 cm, Papier gefaltet
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5 Limmat (Fraumünster), 2017, 100 × 70 cm, Graphit auf Papier
«Der Charme der Graphitarbeiten liegt darin, dass die Formen durch die
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6 Limmat (Haus zum Rüden), 2017, 100 × 70 cm, Graphit auf Papier
ch die weichen Übergänge eher umschrieben als klar formuliert werden.»
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7 Treppenhaus Bundeshaus Ost Bern, 2017, 100 Ă— 70 cm, Papier gefaltet
8 Korridor Bundeshaus Ost Bern, 2017, 100 Ă— 70 cm, Papier gefaltet
9 Limmat (Altstadt), 2017, 100 × 70 cm, Graphit auf Papier
10 Rhein (Münster Basel), 2017, 100 × 70 cm, Graphit auf Papier
je nach Lichtverhältnissen, und der Idee, Architektur als komplex gefaltete Oberfläche zu verstehen. Die Papierfaltungen verändern sich mit dem Verlauf des Tageslichts. So ist das Dargestellte mal nur schwach und dann wiederum sehr deutlich zu erkennen. Die Bilder befinden sich zwischen Zweiund Dreidimensionalität, was durch die Faltung von Spiegeln und Durchbrüchen noch verstärkt wird. Hierbei entsteht eine immer weiter gehende Verschachtelung und ein Wechselspiel zwischen Raum und Abbild von Raum. Übertragen auf deine Graphitarbeiten ist die Plastizität von Fläche und Tiefe ein rein optisches Phänomen. Kann man hier auch noch von einem bildhauerischen Aspekt durch deine Bearbeitung sprechen, oder was charakterisiert hierbei Prozess und Ergebnis in besonderer Form? Ich würde bei den Graphitarbeiten eher von der bewussten Vermeidung der Formfindung durch bildhauerische Prozesse sprechen. Sowohl die architektonischen Graphitzeichnungen, die ich in den letzten Jahren gemacht habe, als auch die Wasserreflexionen für das jetzige Projekt nähern sich den Formen durch das Einfangen des Lichts auf den Oberflächen an. Die Form wird hier durch die weichen Übergänge eher umschrieben als klar formuliert. Bei den ersten gemeinsamen Überlegungen für die NZZ-Reihe im Sommer dieses Jahres hast du der dann folgenden positiven Beantwortung eine Studienreise in die Schweiz vorangestellt. Was verbindet dich mit der Schweiz und welche neuen Impulse hast du von dieser Reise mitgebracht?
11 Villa Patumbah, 2017, 100 × 70 cm, Papier gefaltet
Simon Schubert im Ateliergespräch Samuel Beckett gestehen Literaturkritiker heute seit «Warten auf Godot» 1952, spätestens aber seit dem ein Jahr später veröffentlichten «Der Namenlose» die künstlerische Herausarbeitung eines bis dahin einzigartigen und völlig losgelösten Erzählstils zu. Für wie wichtig erachtest du eine nicht nur inhaltliche, sondern auch stilistisch neue Position für einen Künstler? Beckett brachte die Sprache an den Rand der Auflösung auf mehreren Ebenen, formal wie inhaltlich. Dieser Aspekt an Becketts Werk interessiert mich künstlerisch. Ein Künstler muss nicht immer eine inhaltlich oder stilistisch neue Position erschaffen. Ein Künstler muss einen eigenen, singulären Blick auf die Welt entwickeln und mit seinen Mitteln transportieren, ein sogenannter Fortschritt in der Technik ist sekundär. Die Differenz zu anderen Positionen interessiert mich mehr. Dies kann sowohl mit tradierten Kunsttechniken wie Malerei, Skulptur, Zeichnung, aber auch mit modernsten technischen Mitteln geschehen. Daher denke ich, dass die vielseitigen Totsagungen verschiedener 14
Techniken überflüssig sind. Ich sehe das Neue in der Einzigartigkeit des Ausdrucks. In einer Zeit, in der man als Künstler ständig mit der These konfrontiert wird, dass bereits alles existent sei, hast du eine völlig neue Sprache zwischen Zwei- und Dreidimensionalität entwickelt. Mit höchster Präzision und maximalem geometrischem und architektonischem Anspruch entstehen in deinem Werk komplexe Raumszenarien, Architekturkreationen oder Porträts. Wird die Faltung auch in Zukunft integraler Werkbestandteil bleiben? Die Faltungen werden sicherlich weiterhin ein zentraler Teil meiner Arbeit bleiben. Ich betrachte und behandle Papier aus der Sicht eines Bildhauers. Auf dem Papier sind keine Striche wie bei einer Zeichnung zu erkennen, sondern durch positive und negative Faltung entstehen reliefartige Erhebungen, die durch Licht und Schatten das Bild formulieren. Interessant finde ich hierbei das Zusammenspiel zwischen der Auflösung des Bildes,
Meine engste Verbindung in die Schweiz ist eine sehr persönliche, nämlich zu meinem ehemaligen Philosophieprofessor von der Kunstakademie Düsseldorf, Prof. Dr. Paul Good, für den ich einige Jahre als Assistent gearbeitet habe und der meine Arbeit inhaltlich massiv beeinflusst hat. Professor Good ist gebürtiger Schweizer und lebt mittlerweile wieder in der Schweiz in Bad Ragaz und ich besuche ihn regelmässig. Auf gemeinsamen Wanderungen und Gesprächen unter anderem zum Rhein in Bad Ragaz bin ich der Landschaft der Schweiz nähergekommen. Ich lebe in Köln nur einige Meter vom Rhein entfernt, was für mich, über den langen Weg, den das Wasser genommen hat, eine schöne Verbindung in die Schweiz darstellt. Von meiner Studienreise habe ich dann die Idee mitgebracht, dass ich die Schweiz und im Speziellen Zürich im Spiegel des Wassers betrachten möchte, woraus dann die Kombination der Papierfaltungen zu den Graphitzeichnungen entstanden ist. Spannend finde ich besonders, dass hierdurch eine Spiegelung auf mehreren Ebenen entsteht, sowohl in meinen Arbeitsweisen selbst, den tatsächlichen Ansichten, als auch in den Gegenüberstellungen von konkreten und abstrakten Motiven. Du kamst nicht nur mit einem «Ja» für eine Zusammenarbeit, sondern auch mit der klaren Agenda, dass es einen Block weisser und einen
12 Vierwaldstättersee, 2017, 100 × 70 cm, Graphit auf Papier
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Installation Schattenfuge, Villa Zanders, 2012, Foto: Michael Wittassek Block schwarzer Arbeiten geben wird. Architektonische Faltungen Schweizer Monumente und Graphitarbeiten mit Spiegelungen in Schweizer Gewässern. Was gab den Ausschlag für dieses zweigeteilte Porträt? Diese Zweiteilung liegt zum einen in meiner Arbeit selbst begründet, die sich in den letzten Jahren zu einer zunehmenden Polarisierung zwischen den streng architektonischen Faltungen und den mit weichen Übergängen arbeitenden Graphitzeichnungen entwickelt hat. Andererseits sehe ich eine ähnliche Polarisierung zwischen der Natur der Alpen und dem, was der Mensch der Natur abringt. In der Schweiz besonders beeindruckend zu beobachten ist dies in den Ingenieursleistungen des Tunnelbaus als auch der Wasserkraftnutzung. Deine Arbeit ist von Kontrasten durchzogen. Schwarz und weiss, innen und aussen, Leben und Tod. Du warst Meisterschüler bei Professor Irmin Kamp an der Düsseldorfer Akademie. Über zehn Jahre nach dem Tod von Joseph Beuys kamst du an die Hochschule. Irmin Kamp sagte zu dieser Zeit, der Geist jener (Beuys-)Jahre berühre weiter die Lehre der Bildhauerei. Der Verdacht liegt auch bei dir nahe.
sollen über das rein Ästhetische hinausgehen und eine eigene Wirkung oder Funktion erzielen. Einige meiner Arbeiten sind begehbar und es gibt auch Objekte zum Gebrauch. Die figürlichen Arbeiten in den Räumen sind eher als Figuren und nicht als rein klassische Skulptur zu sehen, sondern als Besucher einer Ausstellung, Bewohner der Installation oder Mitbewohner der Sammler. Die beliebteste Frage der Betrachter deiner Papierarbeiten ist, ob sie tatsächlich von dir gefaltet werden. Du hast also wirklich jedes Sujet dieses Teils der NZZ-Reihe nach ästhetischen und künstlerischen Parametern für dich ausgewählt und dann in reiner Faltung umgesetzt? Die Papierfaltungen entstehen durch Faltungen der einzelnen Linien. Durch das Zusammenspiel von Positiv- und Negativfaltungen entsteht ein flaches Relief, das durch Lichtreflexionen auf den Kanten und Schattenwürfen in den Faltentälern ein räumlich illusionistisches Bild entstehen lässt. Die Faltungen arbeite ich mit speziell entwickelten Werkzeugen, die es mir ermöglichen, die Falten möglichst exakt in das Papier zu setzen. Wichtig ist hier die Beschaffenheit des Papiers als auch die Präzision der Arbeitsweise.
verschwommen und teilweise sogar abstrakt. Geht es hierbei auch um einen Kontrastpunkt zu den sehr konkreten Bezügen der weissen Arbeiten dieses Schweiz-Zyklus? Exakt, die schon oben beschriebene Polarisierung erstreckt sich auch auf die Motivebene zwischen den sehr konkreten architektonischen Papierfaltungen und deren Auflösung ins Abstrakte in den Graphitzeichnungen. Beide Vorgehensweisen arbeiten auf unterschiedliche, teilweise gegensätzliche Weise mit Licht. Hierbei stehen die Graphitzeichnungen wie Negative den Faltungen gegenüber. Die einen Arbeiten verzichten komplett auf die Farbe, den Stift, während die anderen massiv mit Graphitpulver bearbeitet werden. Verschiedene Gegensatzpaare treffen hier aufeinander: konkret-abstrakt, schwarz-weiss, Licht-Schatten, Ordnung-Unordnung. Die beiden Arbeitsweisen stehen somit in einem wechselseitigen Verhältnis zueinander, wie in einer gegensätzlichen Spiegelung auf verschiedenen Ebenen.
Vielen Dank für das Gespräch! Beuys hat mich zur Kunst gebracht. Ich würde den Zusammenhang zu Beuys zwar nicht zu eng sehen, aber der Gedanke, dass Kunst in das Leben hineinwirkt, ist mir sehr nahe. Meine Arbeiten 16
Bei den Graphitarbeiten mit ihren Spiegelungen zeigst du dem Betrachter bereits durch die Titelfindung auf, dass es sich um konkrete Gewässer handelt. Dennoch bleibt vieles
Das Gespräch mit dem Künstler führten Dr. Anke Brack und Rene S. Spiegelberger am 8. Oktober 2017.
Tür, 2016, 233 × 140 cm, Graphit auf Papier
«Meine Arbeit vereint die streng architektonischen Faltungen und die mit weichen Übergängen arbeitenden Graphitzeichnungen. Parallel sehe ich eine ähnliche Polarisierung zwischen der Natur der Alpen und dem, was der Mensch dieser Natur abringt.» 17
13 Limmat (St. Peter), 2017, 100 × 70 cm, Graphit auf Papier
«Die Graphitarbeiten spiegeln die Faltungen in der Gegenüberstellung vo
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14 Treppenhaus Universität Zürich, 2017, 100 × 70 cm, Papier gefaltet
ng von Abstraktem zu Konkretem.»
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15 Limmat (Wasserkirche), 2017, 100 Ă— 70 cm, Graphit auf Papier
16 Reuss (Kapellbrücke), 2017, 100 × 70 cm, Graphit auf Papier
17 UBS-Schalterhalle Zürich, 100 × 70 cm, Papier gefaltet
«Durch das Zusammenspiel von Positiv- und Negativfaltungen entsteht ein und Schattenwürfe in den Faltentälern ein räumlich illusionistisches Bil 22
18 Universität Luzern, 2017, 100 × 70 cm, Papier gefaltet
eht ein flaches Relief, das durch Lichtreflexionen auf den Kanten hes Bild entstehen lässt.» 23
19 ETH-Gebäude, 2017, 100 × 70 cm, Papier gefaltet
«Verschiedene Gegensatzpaare treffen hier aufeinander: konkret-abstr ak weisen stehen somit in einem wechselseitigen Verhältnis zueinander, wi 24
20 Rhein (Basel Altstadt), 2017, 100 × 70 cm, Graphit auf Papier
str akt, schwarz-weiss, Licht-Schatten, Ordnung-Unordnung. Die beiden Arbeitser, wie in einer gegensätzlichen Spiegelung auf verschiedenen Ebenen.» 25
Installation Raum II, Galerie Thomas Modern Foto: Walter Bayer
Simon Schubert Studium 1997–2004 Studium Freie Kunst / Bildhauerei bei Prof. Irmin Kamp an der Kunstakademie Düsseldorf 2000–2004 Assistent bei Prof. Dr. Paul Good, Lehrstuhl für Philosophie an der Kunstakademie Düsseldorf 2003 Meisterschüler 2004 Akademiebrief
Ausgewählte Einzelausstellungen 2017 Im Zweifel für den Zweifel, van der Grinten Galerie, Köln 2016 Jenseits von Ideen, Galerie Wagner + Partner, Berlin In a room with no window, van der Grinten Galerie, Köln (mit Cosima Hawemann) Fragmente einer Sammlung, Kunstsammlung Neubrandenburg, Neubrandenburg Wo auch immer ist jetzt, Galerie Thomas Modern, München 2015 Photome, van der Grinten Galerie, Köln Multa Nocte, Foley gallery, New York City 2014 Vertigo, van der Grinten Galerie, Köln 2013 Das Carbinett, van der Grinten Galerie, Köln The unexpected answer, Bodson-Emelinckx gallery, Brüssel Blind Space, Abtei Brauweiler, Brauweiler Dämmerfluchten, Galerie Thomas Modern, München 26
2012 Lucid Dreams, Galerie Thomas Modern (Projektraum), München Weekend, Philara (mit Markus Karstiess), Düsseldorf Schattenfuge, Städtische Galerie Villa Zanders, Bergisch Gladbach 2011 Haus Ascher, Kunstverein Bregenz, Bregenz Galerie Thomas Projektraum, München 2010 Lepidopter, Galerie Kudlek van der Grinten, Köln 2009 In Apnoesie, Galerie upstairs berlin, Berlin 2008 Monode, Kunststation St. Peter, Köln 2007 Paramären, Galerie Kudlek van der Grinten, Köln 2006 Beckett, Literaturhaus, Köln 2005 Entwohner, van der Grinten Galerie, Köln 2004 Speranza und so (mit Cosima Hawemann), Kunstraum Stapelhaus, Köln
Ausgewählte Gruppenausstellungen 2016 Drawings Q, Galerie Fahnemann, Berlin Fünfzig Zigarren für das Licht der Zukunft, Kunstverein Kiss, Schloss Untergröningen, Untergröningen 2015 Das Haar in der Suppe, Kunstverein Lo Spirito del Lago, Isola Bella im Lago Maggiore, Italien Walk the line, Kunstmuseum Wolfsburg, Wolfsburg Paper art, old museum Jaffa, Jaffa, Israel 2014 Einknicken oder Kante zeigen – die Kunst der Faltung,Museum für Konkrete Kunst, Ingolstadt
Les esthétiques d’un monde désenchanté, Centre d´art contemporain Meymac, Meymac, Frankreich 2013 Hair! Das Haar in der Kunst von der Antike bis Warhol – from Tilman Riemenschneider to Cindy Sherman, Ludwiggalerie, Schloss Oberhausen, Oberhausen 2012 Zeitgespenster, Museum Schloss Morsbroich, Leverkusen Trait papier, un essai sur le dessin contemporain, Musée des beaux-arts, La Chaux-de-Fonds, La Chaux-de-Fonds, Schweiz 2011 Zwischen Film und Kunst – Storyboards von Hitchcock bis Spielberg, Kunsthalle Emden Von Engeln und Bengeln, Kunsthalle Krems, Krems, Österreich 2010 Liebhaberstücke, Kunstmuseum Mühlheim a.d.R., Mühlheim a.d.R. Hängung #6, Sammlung Alison und Peter W. Klein, Eberdingen-Nussdorf Walking the Borderline, Erfurter Kunstverein, Erfurt Infinite Fold, Galerie Thaddaeus Ropac, Paris 2009 Chhttt… Le merveilleux dans l’art contemporain: 2ème volet, CRAC ALSACE, Altkirch, Frankreich Art Made of Paper, Craft Museum of Finland, Jyväskylä, Finnland Sehnsucht nach dem Abbild. Das Porträt im Wandel der Zeit, Kunsthalle Krems, Krems, Österreich Wasser und Wein – Der Katholische Faktor in der zeitgenössischen Kunst, Städtische Galerie im Leeren Beutel des Historisches Museums Regensburg, Regensburg 2006 Klasse Kamp 1974–2006, Kunsthalle Düsseldorf, Düsseldorf 2005 Vordemberge-Gildewart-Stipendium der Stadt Köln, Stapelhaus, Köln
Preise der Werkreihe Nr. 4 | NZZ Edition Kunst Simon Schubert Werkübersicht NNZ-Nr.
Titel
Jahr
Masse
Technik
1
Kirche Mogno
2017
100 × 70 cm
Papier gefaltet
2
Wasserspiegelung Grossmünster
2017
100 × 70 cm
Graphit auf Papier
3
Wasserkirche
2017
100 × 70 cm
Papier gefaltet
4
Leuenhof
2017
100 × 70 cm
Papier gefaltet
5
Limmat (Fraumünster)
2017
100 × 70 cm
Graphit auf Papier
6
Limmat (Haus zum Rüden)
2017
100 × 70 cm
Graphit auf Papier
7
Treppenhaus Bundeshaus Ost Bern
2017
100 × 70 cm
Papier gefaltet
8
Korridor Bundeshaus Ost Bern
2017
100 × 70 cm
Papier gefaltet
9
Limmat (Altstadt)
2017
100 × 70 cm
Graphit auf Papier
10
Rhein (Münster Basel)
2017
100 × 70 cm
Graphit auf Papier
11
Villa Patumbah
2017
100 × 70 cm
Papier gefaltet
12
Vierwaldstättersee
2017
100 × 70 cm
Graphit auf Papier
13
Limmat (St. Peter)
2017
100 × 70 cm
Graphit auf Papier
14
Treppenhaus Universität Zürich
2017
100 × 70 cm
Papier gefaltet
15
Limmat (Wasserkirche)
2017
100 × 70 cm
Graphit auf Papier
16
Reuss (Kapellbrücke)
2017
100 × 70 cm
Graphit auf Papier
17
UBS-Schalterhalle Zürich
2017
100 × 70 cm
Papier gefaltet
18
Universität Luzern
2017
100 × 70 cm
Papier gefaltet
19
ETH-Gebäude
2017
100 × 70 cm
Papier gefaltet
20
Rhein (Basel Altstadt)
2017
100 × 70 cm
Graphit auf Papier
Stand 02.11.2017. Druck- und Preisfehler vorbehalten.
Alle Arbeiten Nr. 1 – 20 sind im Format 100 × 70 cm ausgeführt. Der Preis der Faltungen sowie der Graphitarbeiten beträgt Fr. 4980.–. Die Künstlerrahmen mit entspiegeltem UV-70-Museumsglas haben einen Selbstkostenpreis von Fr. 690.–. Jedes Werk ist ein Unikat. Es gilt die Reihenfolge der Bestelleingänge. Alle Werke sind auf shop.nzz.ch verfügbar.
IMPRESSUM NZZ Edition ist eine Sonderveröffentlichung der NZZ. Projektleitung Dr. Anke Brack Konzeption Rene S. Spiegelberger Beiträge Franz van der Grinten Grafik, Layout Kristina Ullerich, Anja Manz Fotos Simon Schubert, Cosima Hawemann, Lilith Hawemann, Michael Wittassek Projektassistenz Marlen Mose, Antonia Niecke
Simon Schubert wird vertreten von der Galerie van der Grinten (vandergrintengalerie.com) sowie der Galerie Thomas Modern (galerie-thomas.de).
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Exhibition view at Van der Grinten Galerie, „Frans Roermond, Beckett Play“, September 2017 (photo: M. Wittassek)
Representing Simon Schubert Christoph Knecht Ruth Marten Wolfgang Flad Marcus Neufanger Izima Kaoru Gábor Ösz Frans Roermond Pierre Faure Karl Hugo Schmölz
Collaborating Elger Esser Luzia Simons Cosima Hawemann Fernando de Brito Rebecca Stevenson Bernd Halbherr Robert Currie Matthias Röhrborn
Gertrudenstr. 29, 50667 Köln GERMANY