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PALAZZO

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LANDHAUS

LANDHAUS

Oben: Wer möchte nicht auch diesen Tisch decken – voller Vorfreude auf das Essen mit Freunden in einer lauen Sommernacht? Unten: Die hohen Decken mit den Kreuzbogen lassen an Kathedralen denken.

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Das grosse Portal mit dem alten Holztorfälltnichtaufineiner Region,indervielehistorische HäusermitimposanterenEingängen protzen. So laufen im apulischenStädtchenMuroLecceseEinheimische wie Touristen meist achtlos an der offenen Pforte im Tor vorbei. Wenn sie wüssten, was sie verpassen.

Es wartet ein üppiges Paradies, ein GartenmitausladendenNussbäumen.Orangenund Olivenbäume stehen in Gruppen, dort rahmt raschelnder Bambus einen Sitzplatz. Uralte Feigenkakteen strecken ihre Körper skulpturalindenRaum.Dazwischenschimmert das Blau schmaler, langer Wasserbecken. Lange Tische unter begrünten Pergolasladenzuritalienisch-üppigencena.Die grüne Insel umrahmen Palastgebäude aus dem 16. Jahrhundert. Der teilweise labyrinthischanmutendeKomplexausHäusernmit überhohenRäumen,Durchgängen,Öffnungen mit Ausblicken, kleinen Höfen und immer wieder Zugängen zum zentralen, schattig-frischenGartenstrahlenheutewieder die Grosszügigkeit der Renaissance aus.

Oben: Bogen mit Balkon: An den Palazzi finden sich Stilelemente vieler Epochen. Unten: Dieses grosszügige Bad lässt an die Opulenz der alten Römer denken. Rechte Seite: Garten und alte Mauern bilden den harmonischen Rahmen beim Bad im Pool. Lange Jahre war nichts mehr davon zu spüren. Erbschaften und Verkäufe hatten über die Jahrhunderte die benachbarten Palazzi Bevilacqua und Ferramosca in StockwerkeigentummiteinemchaotischemGrundriss zerstückelt. Billig ausgeführte Modernisierungen bedrohten die alte Substanz. Die Rettung des Gartens vor der Bebauung und dieweitereAufteilungintouristentaugliche Mini-Apartments kam von unerwarteter Seite. Ein geschäftlich erfolgreiches Paar verliebtesichindiealtenSteine.Esliesssich auf ein Abenteuer ein, das die beiden heute selbst als «wahnsinnig» bezeichnen.

Als Alessandro Giuliani und Priscilla Daroda zur Jahrtausendwende nach einem Ferienhaus in Apulien suchten, waren sie zuerst enttäuscht. Nach Jahren in den USA träumten der erfolgreiche Wirtschaftsanwalt und die Marketingfachfrau von einem Haus am Meer für ihre Familie. «Doch die stillen Fischerdörfer, die ich aus meiner Kindheit kannte, gab es nicht mehr. Die Küste hatte sich zu stark entwickelt», erzählt der Bauherr, dessen Eltern noch in derRegionwohnten.Sieentdecktenjedoch, dass es nur wenige Kilometer von der Küste entferntechteJuwelenzufindengab.«Jedes Dorf hier hat ein Zentrum, in dem sich die Adligen noble Häuser gebaut hatten. Doch niemand wollte hier etwas kaufen», erinnert sich Giuliani.

Ein nobles Haus mit Geschichte

DieHeimkehreraufZeitersteheneinerstes grossesHausfürwenigGeldundrenovieren es im Geiste von Puristen. In kurzer Zeit wardieSanierungvollbracht–auchweilsie sich auf das absolut Essenzielle beschränkten. «Wir beliessen vieles sozusagen roh. Das Haus war eine Ruine, aber es hatte unendlich viel Geschichte», sagt der Bauherr.

Oben: Der aussergewöhnlich lange Designertisch kommt ohne Mittelstützen aus. Er betont die Grosszügigkeit des Zimmers. Für den Bauherren ist die Verquickung von Architektur, Kunst und Garten das zentrale Ziel: «Es ist alles ein grosses Ganzes.»

SiesetztenkeinemoderneHeizungein,weil dies «die schönen Linien in den Zimmern gestört hätte».

Die radikale Renovation war – im Rückblickbetrachtet–nurderBeginneiner seit 20 Jahren andauernden Leidenschaft für das architektonische Erbe der Region. 2005 erstand das Paar in Muro Leccese, gut dreissig Kilometer südlich von Lecce, eineWohnungineinemKomplexvonPatrizierhäusern, den Palazzi Bevilacqua und Ferramosca. «Es war damals nur als Kapitalanlage gedacht. Wir gaben 70 000 Euro aus», sagt Giuliani. «Ich hatte keine Ahnung, in was für eine Art von Exzess sich das Ganze entwickeln würde.»

Über Jahre hinweg würde er fortan mit den vielen Teileigentümern der labyrinthischen Palazzi verhandeln. Den Anstoss gab der damals verwilderte Garten, den die beidenPatrizierhäuserumschlossen.Davon wolltedasPaareinStück.DochdieBesitzer waren immer nur verkaufsbereit, wenn er ihnendiedazugehörigeWohnungabnahm. So wuchsen ihnen immer mehr Anteile an den Häusern zu. Irgendwann fehlten nur noch wenige, aber zentrale Räume für das grosse Ganze.

«Die Eigentümer forderten einen absurd hohen Preis, den ich nicht bezahlen wollte», beschreibt Giuliani das Katz-undMaus-Spiel. «Schliesslich liessen sie mir ausrichten, sie verhandelten jetzt mit dem lokalen Fischhändler. Da habe ich das Geld am nächsten Tag überwiesen.»

Zusammen mit dem befreundeten ArchitektenFedericoPaceentschiedensich die neuen Eigentümer bei der Renovation für eine Neuorientierung der Strukturen. Sie verlegten den Fokus der Palazzi weg von der Strasse und damit der opulenten Piazza des Dorfes hin zum Garten.

Langlebige und edle Materialien

«Wir wollten die alten Gebäude erhalten, aberdort,wodieGeschichteeinwidersinniges oder unvollständiges Erbe hinterlassen hat, haben wir versucht zu klären und zu vervollständigen»,erläutertArchitektPace. Renovation und Umbau lassen nun das Volumen der Räume sprechen. Die Erneuerer versahen die Gebäude mit allen zeitgenössischen Annehmlichkeiten. Alt und NeuverbandensieüberMaterialienundArt der Restauration: Oft kamen traditionelle Handwerkstechniken zum Einsatz. Auch die heutigen Eigentümer setzten, wie schon die noblen Bauherren im 16. Jahrhundert, auf langlebige, edle Materialien. Deren diskreter Luxus offenbart sich oft erst auf den zweiten Blick.

Über Jahre trug die Hauptlast der Renovation ein kleines, lokales Bauunternehmen. Der Firmenchef teile seine Leidenschaft für sorgfältige Arbeit, traditionelle Bauweisen und Materialien, sagt Giuliani. Das Festhalten an diesen bewährten MitstreiternhabezwardenErneuerungsprozess verlangsamt. Doch der Bauherr war bereit, diesen Preis zu bezahlen: «Ich wollte nie, dass es schnell geht, sondern dass es gut wird.» Bauen sei ein komplizierter Prozess und Druck zu schneller Arbeit führe leicht zu teuren Fehlern.

Angesichts der Grösse des Komplexes setzte die Bauherrschaft auf eine modulare Nutzbarkeit. Entstanden sind zwei unabhängige,luxuriöseVillenmitfünfundsechs

Oben: Blick auf Muro Leccese aus einem Küchenfenster der Palazzi. Den Namen erhielt der Ort, weil die Einwohner vor 2400 Jahren zum Schutz gegen Invasoren aus Rom eine kilometerlange Steinmauer um ihre Siedlung bauten.

Gästezimmern, jeweils mit eigenem Pool, undzweikleinereApartments.Wermöchte, bleibt für sich. Um die aufwendigen Renovationen mitzufinanzieren, können die VillenunddiekleinenWohnungen(ohneGartenzugang) wochenweise gemietet werden, selbst ein Teilverkauf sei denkbar.

Das Paradies des Gärtners

Bei der Einrichtung lässt sich die weitgereisteBauherrschaftvomeigenenSinnfür schlichteWohnlichkeitleiten.HelleNaturfarben dominieren, ausgesuchte Designstücke wie ein fünf Meter langer, stützenfreier Esstisch unterstreichen die Grosszügigkeit der Räume. Auch die moderne Kunst an den Wänden bietet Fokus, ohne theatralischalleAufmerksamkeitaufsichzu ziehen. Die grösste Aufmerksamkeit gebühre dem Garten, findet die Bauherrschaft. Der Wunsch nach dem grünen Flecken habe alles ins Rollen gebracht. Selten hat ein Gärtner mehr Aufwand betrieben, um sich sein kleines Paradies zu schaffen. www.benessehome.com

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