Libelle Dezember 2011

Page 1

Verlagspostamt 8010 Graz

Libelle Die Zeitschrift der ÖH Uni Graz

Ausblick Österreichische Unis 2015 Interview Psychologische Studierendenberatung Reportage 30 Jahre Frauenhaus Graz Im Einsatz Psychiatrischer Krisendienst Liebeserklärung Arrested Development

Fürchte dich (nicht). Schwerpunkt Angst

Dezember 2011


pr ä sen t iert

Cirque noËl * * Die Zirkusg e sChiCht en in g r a Z

Cirque Noël präsentiert „Pfffffff“ der Compagnie Akoreacro Pfffffff ist ein fantastisches Geräusch: Es beschreibt den Moment, ehe der Korken aus der Flasche zischt. Den Moment, ehe das Feuerwerk die Nacht zum Flirren bringt. Den Moment, in dem man tief Luft holt, um aufs Ganze zu gehen. Pfffffff, das heißt jetzt auch: akrobatische Glanzleistungen und mitreißende Musik. Menschen jenseits der Schwerkraft und dazu die Sounds von Hip Hop, Tango, Klezmer, Beat Box, Jazz. Eine Geschichte, die von der Begegnung zweier grundverschiedener Spezies erzählt und dazu die Kunst des Cirque Nouveau auf unnachahmliche Weise einsetzt. Pfffffff, das beschreibt hier auch den Moment, in dem man atemlos vor Spannung die Luft anhält. Und den, in dem man atemlos vor Lachen nach Luft schnappt. Ein Winterabend, prickelnd wie ein Flirt.

gnie akore aCro“ Heuer m iT „C om pa Jänner 2012 20. Dezember 2011– 6. )720 733 748 Tickethotline: +43 (0 .at www.Cirque -noel

Kartenvorverkauf: ÖT-Verkaufsstellen in ganz Österreich Information und Kartenbestellung: 0720 733 748 tickets@cirque-noel.at www.cirque-noel.at

Gewinnspiel: Die Libelle verlost vier Karten zu Cirque Noël. Sende einfach eine E-Mail mit dem Betreff „Zirkus“ bis 18. Dezember an gewinnspiel@oehunigraz.at

Zeigt her eure Ideen! Unzählige Probleme auf dieser Welt warten auf eine Lösung. Hatten Sie schon einmal eine Idee für ein neues oder verbessertes Produkt? Für eine innovative Dienstleistung oder ein neuartiges Verfahren? Eventuell im Zuge Ihres Studiums, einer Forschungsarbeit oder im Beruf? Der Science Park Graz Ideenwettbewerb Wir vergeben 7.500 Euro und super Sachpreise für die besten Einfälle und Erfindungen. Wenn Sie wollen, helfen wir Ihnen auch dabei Ihre Idee weiterzuentwickeln und auf den Markt zu bringen. Holen Sie Ihre Geistesblitze aus den Schubladen und machen Sie mit beim Science Park Graz Ideenwettbewerb! P.S.: Selbstverständlich behandeln wir Ihre Einreichungen vertraulich. Der Science Park Graz unterstützt AkademikerInnen bei der Umsetzung innovativer Geschäftsideen. Der Ideenwettbewerb, der heuer das 6. Mal organisiert wird, soll Studierende und AbsolventInnen aller Fachrichtungen motivieren ihre Ideen niederzuschreiben. Die Teilnahme am Wettbewerb bietet nicht nur die Chance auf tolle Geld- und Sachpreise, sondern auch die Möglichkeit, die Ideen auf ihr Potential einschätzen zu lassen und nach Wunsch gemeinsam mit den ExpertInnen des Gründungszentrums an ihrer Verwirklichung zu arbeiten. Weitere Informationen gibt es unter www.ideenwettbewerb.at


3

Libelle 12/11

Inhalt Bildung

8

Vorsitz

Schwerpunkt Angst

Pop

16

24

Veranstaltungskalender

24

Theater

Handeln statt Jammern

8

Der Leiter der Psychologischen Beratungsstelle für Studierende im Interview

Protest

Plattform gegen Studiengebühren 8

17

Was mach‘ ich?

Die ÖH stellt sich vor 9

Voranmeldung abgeschafft

Einigung bei Neuregelung der Inskribition 9

Frag die Franzi!

20

Willkommen in Lethargia

Österreichische Unis und ihre Studierenden im Jahr 2015 11

19

„Wenn man Angst hat, ist alles dunkel“

Fortschritt verfehlt

25

Arrested Development

Meet the Bluth Family 26

Menschen voller Ängste

27

Comic

27

10 Tipps

4 5 24

Autoren / Autorinnen Editorial Impressum

Traurig, faul, niedergeschlagen?

Depressionen. Ein Bekenntnis 21

„Windszeit“ im TiK

Reportage über das Grazer Frauenhaus

Im Einsatz mit dem Psychiatrischen Not- und Krisendienst.

Studienberatung 10

„Leistungsdruck hat zugenommen“

Im Rausch der Sinne

Kolumnen

Musik & Nerd & Sex

Spiel mit mir

Ein Kommentar zum Bildungsvolksbegehren

17 22

21

10


Autorinnen & Autoren Julia Slamanig

studiert an der FH Joanneum “Journalismus und PR” und schreibt seit zwei Jahren als freie journalistische Mitarbeiterin für die Kleine Zeitung. Für diese Ausgabe war sie einen Tag lang mit dem Psychiatrischen Notund Krisendienst in Kärnten unterwegs.

Verena Kolm

studiert Germanistik und schreibt als freie Mitarbeiterin für den Kurier. Für diese Ausgabe hat sie das Grazer Frauenhaus besucht und dort eine ehemalige Klientin über ihr Leben davor und danach befragt.

Thomas Knapp

ist 25 Jahre alt, lebt und studiert (Philosophie) in Graz, liebt Bücher, lehnt Kurzbiografien ab und schreibt sehr gerne, u.a. für neuwal.com.

Enesa Mujezinovic

mag „My Little Pony“, Regenbögen und Einhörner, nicht unbedingt in dieser Reihenfolge. Sie schreibt sehr gerne über sich selbst in der 3. Person & trollt gerne im World Wide Web.


Titelbild & Illustration: Micka Messino <ssb_profi@hotmail.com>

Liebe Leserin, Lieber Leser!

Die zweite Ausgabe der Libelle hältst du in deinen Händen und wir hoffen, auch dieses Mal wieder dein Interesse zu wecken. Für uns als Redaktion sind die Wirren des Anfangs vorbei, langsam pendeln sich die Arbeitsabläufe ein. Und doch ist jede neue Ausgabe eine neue Herausforderung. Wir finden, ohne in Selbstlob ersticken zu wollen, dass es uns dieses Mal besonders gelungen ist. „Angst“, ein Thema über das gerne geschwiegen wird, ist der Schwerpunkt in dieser Ausgabe. Wir nehmen dich mit auf eine Fahrt mit dem Psychiatrischen Notdienst, besuchen das Frauenhaus Graz, bekennen

uns zu Depressionen und fesseln dich ans Bett. Wir wohlen mit den lesenswerten Texten der Autorinnen und Autoren die Angst vor dem Tabu der Angst nehmen. Zu der unserer ersten Ausgabe erhielten wir Feedback & Lob, aber auch manche kritische Stimme. Um den Diskurs zu fördern, um Kritik und Anmerkungen eine Plattform zu bieten, arbeiten wir an einem Online-Auftritt, der dies zukünftig ermöglichen soll. Bis dahin freuen wir uns weiterhin über eure Gedanken und Meinungen unter libelle@oehunigraz.at

Martina, Patrick & Fuchsy


6

Libelle 12/11

29.02.2012 * *An diesem Stichtag läuft die bisherige Studiengebührenregelung nach einem Urteil des Verfassungsgerichtshofes aus. Wie es weitergeht ist unklar: Wissenschaftsminister Töchterle beharrt darauf, dass Unis dann autonom Gebühren einheben dürfen. Die ÖH widerspricht dieser Idee klar. Am Foto: Eine Aktion der Grazer Plattform gegen Studiengebühren Foto: Bernhard Bitterer


Bildung

Voranmeldung Abgeschafft

Neuregelung der Inskription und Ausbau der Studierendenberatung Willkommen in Lethargia

Eine beliebige österreichische Universität im Jahr 2015 Protest

Plattform gegen Studiengebühren

Sozialtopf

Bevor du wegen deiner finanziellen Situation Kopf, Nerven und Studium schmeißt, geh zum ÖH-Sozialreferat und such dir Hilfe. Das kompetente Team rund um Sozialreferentin Nadja Kenda berät dich in allen sozialen/ finanziellen Lebenslagen. Und wenn alle Stricke reißen und das Sparschwein bereits notgeschlachtet darniederliegt, gibt es für Notfälle immer noch den ÖH-Sozialtopf: Nähere Infos und Förderungsrichtlinien findest du hier: www.oeh.uni-graz.at/de/service/sozialtopf/

Sonderprojekttopf

Du hast eine Idee für ein Projekt mit Uni-/Studierendenbezug, aber keinen Plan wie du es finanzieren sollst? Kein Problem! Stell einfach einen Antrag an den ÖH-Sonderprojekttopf. Wie der Name schon vermuten lässt, wurde dieser eingerichtet, um dir zu helfen, deine Ideen und Pläne umzusetzen, wenn es sonst keine Stelle gibt, die dich hier unterstützen kann. Nähere Infos und Förderungsrichtlinien findest du hier: www.oeh.uni-graz.at/de/service/ sonderprojekttopf/

Bildungseintopf

Den einen ging es nicht weit genug, den anderen zu weit. Das Bildungsvolksbegehren hat die Meinungen gespalten wie kaum ein anderes Volksbegehren. Die Liste der Forderungen war lang und bunt, ebenso die der BefürworterInnen und GegnerInnen. Nach monatelanger Bewerbung und politischem Hickhack haben schlussendlich 383.820 Menschen das Begehren unterschrieben. Ob das ein Erfolg ist oder nicht, liegt wohl im Auge des Betrachters/der Betrachterin.


8 Bildung

Libelle 12/11

Handeln statt Jammern Die Diskussion über die Hochschulfinanzierung ist in Bewegung. Aber auch in anderen Bereichen ist die Stimme der Studierenden wichtig. Text Vorsitz der ÖH Uni Graz (Stefan Thum & Bernhard Bitterer)

Die Debatte zur kurzfristigen Zukunft der Unis dreht sich um die immer gleichen Vorschläge: Studiengebühren hier, Zugangsbeschränkungen da. Studierende mussten dabei schon deutliche Verschlimmerungen in Kauf nehmen – als Beispiel sei die Kürzung der Familienbeihilfe genannt. Hochschulen werden als Problem und unwichtiger Posten im Budget gesehen. Kaum eine andere Gruppe würde sich dies gefallen lassen. Es liegt daher an uns Studierenden gemeinsam, darauf aufmerksam zu machen, dass Bildung wieder zur Priorität wird und nicht als reine Kostenstelle erscheint. Womit wir bei der Rolle der ÖH angelangt wären. Als Interessensvertretung ist es unsere Aufgabe für die Rechte der Studierenden einzutreten und Forderungen zu stellen. Die ÖH ist aber nicht ein in sich abgeschottetes

Universum abseits des Campus. Die ÖH ist offen für das, was du einbringst. Ob leidenschaftliche Diskutantin oder harmoniebedürftiger Denker, in ihrer Vielfältigkeit spiegelt sich die ÖH in Diskussionen wieder. Was außenstehend manches Mal abwertend als „Politikkindergarten“ abgetan wird, ist innerhalb eine Pluralität der Meinungen. Übersehen werden darf nicht, dass eine Studierendenvertretung die Möglichkeit bietet aktiv mitzugestalten. Ein Erfolg der letzten Zeit war die Abschaffung der Voranmeldung (siehe Text auf der nächsten Seite). Sei es eine Knock-Out-Prüfung im Studienplan oder die geplante Einführung von Studiengebühren für alle: Sich zu wehren und gegen Missstände auftreten ist nie verkehrt.

Studiengebühren retten keine Unis Mit einer Aktion vor der Uni Graz wollte die Plattform gegen Studiengebühren auf die Schieflange der Debatte über Studiengebühren aufmerksam machen. TEXT Plattform gegen Studiengebühren Foto Bernhard Bitterer

„Während anderswo Millionen und Milliarden ohne mit der Wimper zu zucken ausgegeben werden, stagnieren die Mittel für die Universitäten seit Jahren, wenn sie nicht sogar gekürzt werden.“ so Leopold Lindenbauer von der Plattform. Die Zahlen sprechen für sich: Eine Erb- und Schenkungssteuer, die dem internationalen Durchschnitt entsprechen würde, bräche über eine Milliarde Euro. Geld, das die Unis dringend nötig hätten und auch nur wenige

Erbende von Vermögen belasten würde. Anstatt jedoch darüber zu diskutieren, müssen Studierende befürchten, dass sie wieder zur Kasse gebeten werden. Studiengebühren stellen einen vergleichsweise kleinen Betrag dar: Die 150 Millionen Euro netto, die den Universitäten dadurch zur Verfügung stünden, halten nicht mal BefürworterInnen der Gebührenregelung als ausreichend um die Finanzierungsmisere im Hochschulbereich zu lösen.

Was mach‘ ich? Über 300 Menschen sind in verschiedensten Funktionen an der ÖH Uni Graz tätig. Wir wollen dir einen Einblick in die unterschiedlichen Bereiche geben.

WER BIN ICH:

Marco Wechselberger, 24, studiere ein individuelles Masterstudium namens Operations Research and Logistics an der Uni Graz und der Uni Leoben. WAS MACH‘ ICH: Seit Anfang Oktober sind wir (Agnes, Albin, Jenny, Marco, Maxim, Nina, Stefan), mit sehr viel Begeisterung das Alternativreferat der ÖH Uni Graz. DAS MACH‘ ICH: Wir vom Alternativreferat machen Veranstaltungen zu Themen wie Ausgrenzung, Tierrechte, Gesellschaftskritik, Ökologie und Menschenrechte. Konkret haben wir vom 07. – 11. November 2011 die „Aktionswoche gegen Ausgrenzung“ organisiert. Zentrum der Aktivitäten war ein Glühweinstand zwischen Hauptbibliothek und Resowi, der als Kommunikations- und Diskussionsort diente. Und dessen Erlös dem Mojo-Projekt (Schulentwicklung in Tansania) zugutekam. Am Gelände waren täglich unterschiedliche Organisationen (Attac, VGT, Amnesty International, Vinzi ...) mit Infoständen vertreten. Außerdem fanden Filmvorführungen im Willi-Gaisch-Hörsaal sowie eine Buchpräsentation mit Tierschützer Martin Balluch in der Aula statt. WARUM: Wir wollen die gesellschaftliche Entwicklung in Österreich nicht hinnehmen – wir wollen ein Umdenken im Kleinen forcieren.


Bildung

Libelle 12/11

Voranmeldung abgeschafft ÖH und Wissenschaftsministerium einigten sich auf eine Neuregelung der Inskription und den Ausbau der Studierendenberatung

Text oeh.ac.at Foto sean dreilinger

Die heuer erstmals durchgeführte Voranmeldung war ein Flop und hat nicht zum gewünschten Ziel der erhöhten Planbarkeit geführt und soll daher durch eine prognosestärkere Regelung abgelöst werden: Die allgemeine Zulassungsfrist für die erstmalige Zulassung zu einem Bachelor- oder Diplomstudium soll künftig österreichweit am 5. September (für das Wintersemester) bzw. 5. Februar (für das Sommersemester) enden.

Frist zur Fortsetzungsmeldung (wie bisher): 30. November Gesetzlich festgelegte Vereinfachung des Bachelor-Master-Umstiegs bei Studienabschlüssen an derselben Universität: Hier soll bei unmittelbarem Einstieg weiter die Frist bis zum 30. November gelten. Damit wird sichergestellt, dass Studierende, die ihr Studium bis 30. November abschließen, ohne Zeitverlust weiter studieren können. Darüber hinausgehende Regelungen zur Vereinfachung des Umstiegs können in der jeweiligen Satzung getroffen werden. Analoge Regelungen für die Zulassung zum Sommersemester (5. Februar, Nachfrist bis 30. April). Geplanter Ausbau der Studienberatung

Zukünftig muss man früher Inskribieren

Die geplanten (neuen) Rahmenbedingungen für die Erstzulassung zu Bachelor- und Diplomstudien im Überblick:

Allgemeine Zulassungsfrist für die erstmalige Zulassung zu einem Bacheloroder Diplomstudium: Mitte Juni bis 5. September. Für Studien mit Aufnahmeverfahren bzw. Aufnahmebedingungen oder Eignungstests können eigene Fristen festgelegt werden (z.B. Psychologie, Publizistik, Architektur, Kunststudien, Sport). Den Beginn der Zulassungsfrist legen die Rektorate (wie bisher) nach Anhörung des Senats fest, das Ende ist österreichweit einheitlich. Durch einen klar definierten Ausnahmekatalog werden alle Ausnahmefälle beachtet. Nachfrist für die erstmalige Zulassung zu einem Bachelor- oder Diplomstudium (wie bisher): 30. November

Rund 50 Prozent der Studienbeginnerinnen und Studienbeginner an Universitäten entscheiden sich für rund zehn Prozent der angebotenen Studien – oft wissen die angehenden Studierenden nur unzureichend über die breite Palette an Studien Bescheid. Es ist daher das gemeinsame Anliegen des Wissenschafts- und Forschungsministeriums (BMWF), der Universitätenkonferenz (uniko) und der Österreichischen Hochschüler/innenschaft (ÖH), die Studienberatung weiter auszubauen und die angehenden Studierenden noch besser und umfassender zu informieren. Es ist im Sinne der uniko, der ÖH und des Ministeriums, dass die zunächst geplante Verpflichtung der Studienberatung nicht umgesetzt wird: In der Begutachtung gab es zahlreiche kritische Stimmen seitens der Hochschulpartner, die u.a. den bürokratischen Mehraufwand und die Verpflichtung bemängelten. Das bestehende Beratungsangebot soll künftig erweitert werden. Insgesamt investiert das Wissenschaftsministerium in den Ausbau der Studienberatung rund 1,25 Millionen Euro.

Frag die Franzi! Hallo Franzi! Ich studiere jetzt schon eine Weile, irgendwie hab ich mir das aber ganz anders vorgestellt. Ich bin mir jetzt nicht sicher, ob ich das Studium wechseln soll. Kannst du mir helfen, das richtige Studium auszusuchen? Wie mach ich das mit dem Studienwechsel? Manuela

Hallo Manuela!

Ob du das Richtige studierst, kannst nur du entscheiden – schließlich kennst du dich selber am besten. Wenn du dir nicht mehr sicher bist, kannst du ja versuchen, dich selbst ein wenig besser kennen zu lernen. Zum Beispiel bietet die Psychologische StudentInnenberatung kostenlos eine Studienwahlberatung an, bei der du herausfinden kannst, wo deine Stärken und Vorlieben liegen. Ob ein Studium deinen Vorstellungen entspricht, kannst du gemeinsam mit der Studienvertretung herausfinden. Falls du beschließt, dein Studium zu wechseln, gibt es ein paar Dinge zu tun. Das Einschreiben geht ganz schnell – einfach der Studien- und Prüfungsabteilung (dort, wo du schon bei der Inskription warst) am Schalter melden, was du noch studieren willst (Voranmeldung nicht vergessen!). Dann wird es kompliziert: Wenn du Familienoder Studienbeihilfe bekommst, musst du der Behörde den Studienwechsel bekanntgeben. Achtung: Wenn du öfter als zwei mal oder jeweils nach mehr als 2 Semestern wechselst, kannst du die Beihilfen verlieren. Genauere Infos bekommst du in den Sprechstunden des Sozialreferates im 1. Stock des ÖH-Gebäudes. Es grüsst deine Franzi

Schick‘ deine Fragen zum Studium an: franzi@oehunigraz.at

9


10 Bildung

Libelle 12/11

Willkommen in Lethargia Mal ehrlich: Die Mehrzahl der Studierenden in Österreich hat mindestens so einen an der Waffel wie ein durchschnittlicher Eissalon: Es gilt die Devise „Augen zu und durch“ und „Mich wird‘s schon nicht treffen“. Zugangsbeschränkungen? „Hm.“ Studiengebühren? „Ja, äh, also ...“ Streichung von Studienrichtungen? „Man muss ja nun wirklich nicht jeden Dreck studieren können.“ Text Markus KoschuH Foto Miss X Eine beliebige österreichische Universität im Jahr 2015: Die

Anwesenheitspflicht wurde von Seminaren auch auf Vorlesungen ausgedehnt. Einziger Entschuldigungsgrund für das erlaubte einmalige Fernbleiben ist der eigene Tod. An allen Eingängen stehen Bankomaten, mit denen man seinen Quick-Chip der StudentCard aufladen kann. Das Drehkreuz will heute nicht so richtig, der Sicherheitsmann wirkt gestresst. Schon wieder hat er einen Studenten aus dem Ausland darauf hinweisen müssen, dass dieser die StudentCard zwei Mal stecken muss, damit ihm auch zweimal 2 Euro für den heutigen Zutritt zur Uni abgebucht werden. Der ausländische Studierende, dunkler Teint, erdreistet sich aufzumucken, dass doch die eine von vorhin, Berliner Akzent sprechend, Deutsche und somit auch Ausländerin sei. Die habe aber nur einmal 2 Euro bezahlen müssen. Mit einem angedeuteten Griff zum Taser bringt der Herr Sicherheitsmann den Aufrührer rasch zum Schweigen. Nach 10 Metern zweites Drehkreuz. „Sicherheitskontrolle“: Digicams, Handys & Co müssen abgegeben werden. Mit einem von einem übergelaufenen Psychologiestudenten ausgetüftelten Test werden jene Studierenden, die ein fotografisches Gedächtnis haben, herausgefiltert und wieder nach Hause geschickt. Niemand soll die PowerPoint-Folien abfotografieren oder sich merken können. Per DNA-Abgleich gibt es beim Lehrveranstaltungsleiter das mit einem EAN-Code versehene Skript des Tages für einen Druckkostenbeitrag von weiteren 2 Euro. Das Skript enthält oft leere Seiten, weil für den Toner kein Geld mehr da war.

Kaufen muss man das Skript trotzdem – ohne Vorlage des personifizierten Skripts kommt man bei den Drehkreuzen K – M im Sicherheitsbereich A wie Ausgang nicht raus. Eine Mitschreibberechtigung auf mitgebrachtem Papier gibt es nur für jene, deren Eltern vor der Anmeldefrist zum Studium, die mit dem Tag der ersten Schluckimpfung gegen Kinderlähmung endet, das entsprechende Formular ausgefüllt und die Bearbeitungsgebühr in Höhe von 2.500.- Euro bezahlt haben. Viele Studierende sind dazu übergegangen, ihr Gedächtnis durch Meditation und Yoga zu trainieren. Einige wurden bereits vom psychologischen Test am Drehkreuz der erhöhten Merkfähigkeit überführt und für ein Semester suspendiert. Manche haben statt einer HanfPlantage nun eine Walnuss-Plantage auf dem Balkon und rauchen sich in der Früh mit den Resten der Hanfplantage für eine halbe Stunde auf normales Merkniveau hinunter, um nicht aufzufliegen und durch die Eingangskontrolle zu kommen. Ein beliebiger österreichischer Hörsaal im Jahr 2015: Die Professo-

rin am Rednerpult ist – einem Papamobil gleich – unter einer Art Käseglocke nur für LippenleserInnen verständlich. Für alle anderen gibt es von einer FastFood-Kette „gesponserte“ „McListen“Terminals. Schiebt man die StudentCard ein, kann man für 1 Euro pro 10 Minuten die Vortragende hören. In unregelmäßigen Abständen hüpft ein Clown mit roten Haaren durch den Hörsaal und versprüht ein Parfum, das einmal nach Apfeltasche, ein anderes Mal nach Hamburger riecht.

Eine beliebige österreichische Bundesregierung im Jahr 2015

betont, dass es nur mit den aufgebrachten Drittmitteln eines nicht näher zu nennenden Unternehmens aus der Pharma-Branche gelungen sei, die Wiener Pfizer-Universität unter den Top 100 Unis weltweit zu halten. Aber auch das Verhindern des Abrutschens der Salzburger Nestlè-Universität, der Grazer BMW-Uni und der Innsbrucker Stubaier-Gletscher-ganzjährigerBetrieb!-Universität in die Bedeutungslosigkeit konnte so verhindert werden.

Eine beliebige Bachelorin (oder Bachelora? Oder Bacheloress?) im Jahr 2015 wundert sich, warum

sie den Bildungskredit, den sie für die letzten 2 Jahre bekommen hat, schon bis 2016 zurück zahlen soll. Auf Anfrage erhält sie die beruhigende Antwort, dass die Rückzahlungsraten ohnehin zweckgebunden seien. Für die Rettung des Rettungspakets für den Bankensektor.

Ein beliebiger Student im Oktober 2011 schleckt sein Eis – eine Kugel

Stracciatella und eine Kugel Vanille – genüsslich von einer Eiswaffel. Heute Abend geht er mit Freunden einen heben. In der Zeitung hat er was von Zugangsbeschränkungen und Studiengebühren gelesen. Das wird ihn nicht mehr treffen. Er schreibt ja schon an seiner Bachelorarbeit. Hinter ihm die Sintflut. Ursprünglich erschienen in „UNIpress“ Übernommen mit freundlicher Genehmigung von der ÖH Innsbruck


Bildung 11

Libelle 12/11

Fortschritt verfehlt „Die stillstehende Uhr, die täglich zweimal die richtige Zeit anzeigt, blickt nach Jahren auf eine lange Reihe von Erfolgen zurück.“ (Marie von Ebner-Eschenbach) TEXT Patrick Kloiber 6,07%

der

Stimmberechtigten

haben gewählt, sich pro Bildungsvolksbegehren entschieden. Sich für etwas eingesetzt, das nach gesundem, ökonomischen Menschenverstand schon Normalität sein sollte. Natürlich waren nicht alle Punkte gleichermaßen unterstützenswert, aber den Großteil der Forderungen konnte man, egal aus welchem politischen Eck man kommt, nicht als schlecht oder intellektuell verwirrt abtun. Auch aus der Wirtschaft tönt es dementsprechend: „Bei den einfachsten Anforderungen in Rechnen, Schreiben und Lesen besteht ein gravierender Nachholbedarf“( Alexander Bouvier, Vorstand der Treibacher Industrie). Für ein Land wie Österreich sind Zahlen von gesuchten 10.000 Fachkräften und 5.000 Lehrlingen eigentlich relativ hoch. Trotzdem haben wir eine hohe Arbeitslosen-

quote, die nicht darin begründet liegt, dass die Leute zu faul zum Arbeiten wären, sondern vor allem darin, dass man gewissen Bevölkerungsschichten kaum Alternativen angeboten hat. Viel eher liegt es daran, dass sich gewisse Parteien, die in den letzen Jahrzehnten in der Regierung nichts anderes getan haben als veralteten, vertrockneten Ideologien nachzuhecheln, die uns (als spätere Elite Österreichs) nicht viel bringen. Eher sollte den alten Herren, würden sie sich für die Jugend interessieren, die Besorgnis zusetzen, dass gewisse Länder an unserem zukünftigen Wohlstand naschen könnten und den Nutzen, den wir aus unserem System bisher zogen, reduzieren werden. Tut es aber nicht, da sie in verblendeter Manier nichts anderes tun können, als sich gegen-

seitig höchstens Erfolge in der Größe eines physikalischen Quantensprunges zu gönnen. Es gilt zumindest das Bildungssystem von solch einer unguten Art der Behandlung zu befreien, es sollte effizient sein und flexibel reagieren. Genau das wurde im Volksbegehren verlangt, wenn es im Parlament wie so vieles untergeht, stagniert unser Bildungssystem wahrscheinlich wieder für ein paar Jahre und weitere Heerscharen an künftigen SozialhilfeempfängerInnen, die wir in Zukunft versorgen werden müssen, werden unnötig entstehen Je früher wir den Bildungsbereich reformieren, desto früher bekämpfen wir zumindest ein paar Probleme, die langfristig ihre Auswirkungen zeigen könnten.




14

Libelle 12/11

0,9 *

* Verletzungen pro Million Achterbahnfahrten in den USA 2009 Quelle: International Association of Amusement Parks and Attractions Foto: kulturgestaltung / photocase.com


Angst

„Der Leistungsdruck hat zugenommen“

Interview mit dem Leiter der Psychologischen Studierendenberatung „Wenn man Angst hat, ist alles dunkel“

Das Frauenhaus bietet die Chance auf ein neues Leben ohne Angst und Gewalt Menschen voller Ängste

Im Einsatz mit dem Psychiatrischen Not- und Krisendienst Traurig, faul, niedergeschlagen?

Ich habe Depressionen

Im Rausch der Sinne

Spiel mit mir die Geisterbahn ohne Notausgang

Prolog

Angst ist eine der bestimmenden Emotionen in unserem Leben. Evolutionär gesehen hat sie durchaus einen Sinn – sie soll uns vor Situationen bewahren, die uns das Leben kosten (zB. Dunkelheit = Säbelzahntigerhöhle = Tod). Leider hat sie in den meisten Fällen das Zeitalter der Aufklärung nicht mitbekommen, und regiert uns immer noch, als lebten wir in der Steinzeit. Denn die Angst ist mit der Erkenntnis nicht gewichen, sondern hat sich nur ein neues Gewand gesucht. Und so leben wir in einer Zeit, in der wir theoretisch

vor nichts mehr Angst haben müssten, denn wir können alles rational erklären – und fürchten uns trotzdem. Wovor? Grundsätzlich vor vielem, mal mehr mal weniger. Sei es nun ein “Klassiker” wie Arachnophobie oder Klaustrophobie, eine Erscheinung des Zeitalters der Technik wie Angst vorm Autofahren oder Flugangst. Manche Ängste sind jedoch existenzieller, rauben uns den Mut zum Alltag und gehen über das Psychische hinaus. Die Angst greift dann physisch an und verletzt. Statistiken zeigen, dass Gewalt und daraus resultierende Angst noch viele Opfer

fordert und Leben zerstört. Manche lassen sich von ihren Ängsten leiten und zermürben sich und andere damit. Aber es gibt auch die andere Angst, mit der kokettiert wird, mit dem Gefühl, sie überwinden zu können um sich richtig lebendig zu fühlen. Menschen jagen ihr nahezu nach, verfallen ihr mit Haut und Haaren und brauchen sie, um sich wohl zu fühlen. Wer mit weichen Knien nach einer Achterbahnfahrt aussteigt, fühlt sich als BezwingerIn seiner oder ihrer selbst.


16 Angst

Libelle 12/11

„Der Leistungsdruck hat zugenommen“ Hofrat Dr. Rudolf Pichler ist Leiter der Psychologischen Beratungsstelle für Studierende in Graz. Die „Libelle“ sprach mit ihm über die Sorgen und Ängste der Studierenden. Interview Franz Fuchs Foto Beratungsstelle GraZ

Wann sollten Studierende spätestens zu ihrer Einrichtung kommen? Es ist nie zu spät. Es geht in dieser Beratungsstelle, einer Serviceeinrichtung des Wissenschaftsministeriums und meines Wissens nach in dieser Art weltweit einzigartig, um eine kompetente Beratung der Personen, die freiwillig kommen. Je früher dies geschieht, desto besser. Welche Sorgen und Ängste plagen Studierende? Das ist schwierig zu beantworten. In unserer Beratungsstelle haben wir nur eine selektierte Gruppe von Studierenden. Der medizinische Terminus, den ich nur sehr ungern verwende, hierfür ist „Personen, die eine Krankheitseinsicht haben“. Deshalb bekommen wir nicht die ganze Bandbreite des Spektrums an Personen bzw. Problemen, von denen sie geplagt werden, mit. Zu uns kommen Studierende oftmals wegen Zukunftsängsten wegen mangelnder Jobaussichten, Ängsten aufgrund von Beziehungen, Sozialphobien, Prüfungsängsten, Ängsten, sich in Lehrveranstaltungen zu blamieren bis hin zu Panikattacken. In Extremfällen trauen sich die Betroffenen nicht mehr aus dem Haus. Oftmals sind Prüfungsängste auch verbunden mit Existenzängsten aufgrund des drohenden Verlusts von Beihilfen. Kann man über die Jahre eine Veränderung beobachten? Ich bin mittlerweile in meinem 37. Dienstjahr und konnte durchaus Veränderungen bei den Problemen beobachten. In den letzten Jahren kommt es verstärkt zu Panikattacken. Das gab es vor 30 Jahren kaum. Der Anteil der Depressionen blieb meiner subjektiven

Empfindung nach über die Jahre stabil. Die Zukunftsängste, die mit Leistungsdruck in Verbindung stehen, haben zugenommen. Können sie hier eine Verbindung mit der Umstellung auf das Bachelor-Master-System sehen? Ja, ich habe den Eindruck, dass Studierende durch die Straffheit der Curricula vermehrt unter Druck stehen. Gibt es auch Probleme aufgrund der Doppelbelastung von berufstätigen Studierenden? Es sind mir einige Fälle in Erinnerung geblieben, dass Personen relativ viel arbeiteten und „auf ihr Studium vergessen haben“. Nach einer gewissen Zeit erkennen sie dann, dass sie weitermachen sollten. Studierende werden oftmals auch am Arbeitsmarkt ausgebeutet. Aufgrund des finanziellen Drucks müssen sie es sich gefallen lassen und schlussendlich zerbrechen einige an diesem Druck. Gibt es auch Veränderungen des Drucks von familiärer Seite? Das ist sehr unterschiedlich und breit gefächert. Eltern, die auf einen raschen Studienabschluss drängen, gibt es in allen sozialen Schichten. Auch Eltern, die sehr viel Verständnis zeigen, gibt es in allen Schichten. Oftmals ist es eher so, dass sich die Studierenden selbst unter Druck setzen, mitunter auch, damit die Eltern die finanzielle Belastung nicht mehr tragen müssen. Haben Studierende die gleichen Ängste wie die Bevölkerung oder gibt es Unterschiede? Es gibt interessanterweise unglaublich viele Ängste in der Bevölkerung. Und dies zu einer Zeit, in der es seit

Hofrat Dr. Rudolf Pichler Leiter der Psychologischen Beratungsstelle für Studierende in Graz

Infobox Die Psychologische Studierendenberatung hilft dir bei Wahl und Beginn des Studiums, unterstützt dich bei der Persönlichkeitsentfaltung und berät bei Studiums- oder persönlichen Problemen. Sie ist eine Einrichtung des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung, die Leistungen können vertraulich und kostenlos in Anspruch genommen werden. Neben der Beratung werden auch Gruppentrainings angeboten. In Graz findest du die Beratungssstelle in der Dreihackengasse 1 oder im Internet unter www.studentenberatung.at


Angst 17

Libelle 12/11

langem keine Kriege mehr gab, soziale Sicherheit weitgehend gegeben ist, allgemeine Gesundheit herrscht und die Lebenserwartung hoch ist. Die Tendenz zur Absicherung ist groß und dadurch werden Ängste geschürt.

subjektiv entlastend wirken, angewandt, die wenig konstruktiv sind. Oft flüchtet man in die Alkohol- oder Drogensucht. Spiel- und Sexsucht kommen weniger oft vor, sind aber auch zu beobachten.

Wird Depression als Krankheit in der Gesellschaft zunehmend akzeptiert? Das kann man nicht klar beantworten. Männer verstecken ihre Ängste oftmals. Frauen sind hier viel offener. Frauen sind auch leichter dazu bereit, sich helfen zu lassen. Der Frauenanteil unter den Leuten, die zu uns kommen, liegt in etwa bei zwei Drittel.

Was raten Sie Studierenden? Man sollte bereits zu Beginn des Studiums ein Konzept haben, es sollten erreichbare Ziele gesetzt werden. Es sollte nicht getrödelt werden, aber man sollte sich auch nicht unter Druck setzen. Bei vielen rennt es ohnehin von selbst. Jene die etwas länger brauchen, sollten sich nicht unnötig unter Druck setzen.Studierende haben an den Universitäten relativ viele Freiheiten. Dies führt dazu, dass Studierenden lernen müssen, sich selbst zu organisieren.

Was machen Menschen, die mit ihren Ängsten nicht fertig werden? Hier werden oftmals „Strategien“, die

Muss man auch das Scheitern lernen? Man darf das Versagen bei einer Prüfung nicht unnötig dramatisieren. Es ist eine Gelegenheit, für sich selbst zu überprüfen und zu reflektieren, was genau falsch gelaufen ist, um danach aus den Fehlern zu lernen. So gesehen kann man auch sagen, dass jemand, der/die nur Einser hat und rasant durchs Studium kommt, kaum etwas gelernt hat.

„Wenn man Angst hat, ist alles dunkel“ Flurije S.*, 40, hat durch das Frauenhaus die Chance auf ein neues Leben ohne Angst und Gewalt bekommen. Am 25. November feierte die Schutzeinrichtung ihr 30-jähriges Bestehen.

Text Verena Kolm Foto Elmar Gubisch

„Nachdem ich 2006 zum ersten Mal vom Frauenhaus erfuhr, konnte ich nicht mehr ruhig schlafen. Ganze zwei Jahre habe ich gebraucht, um gemeinsam mit meinen Kindern den Schritt dorthin zu wagen.“ 1999 kommt Flurije mit ihrer Familie um vor dem Krieg zu flüchten aus dem Kosovo nach Österreich. „Wir haben hier zu zwölft in einer Wohnung gewohnt, besser geworden ist aber nichts.“ Flurijes Ehe ist von Beginn an von körperlicher und psychischer Gewalt seitens des Mannes gegenüber seiner Frau und den Kindern geprägt. Daran ändert sich auch in Österreich nichts. Während der gesamten Bezie-

hung, die insgesamt 13 Jahre dauert, haben Flurije, ihre beiden Söhne und ihre Tochter Angst. Zur Information, dass es das Frauenhaus gibt, kommt sie 2006 über ihre Ausbildung als Kinderbetreuerin, die sie gegen den Willen ihres Exmannes besucht. Sie erhofft sich, dadurch irgendwann ihren Traum, nämlich als Kindergärtnerin zu arbeiten, erfüllen zu können. „Mein Exmann sagte immer, ich darf nicht arbeiten gehen, weil wir sonst die Familienbeihilfe verlieren. Wenn ich nicht arbeitete, warf er mir vor, ich würde nur essen, trinken und das „große Leben“ genießen.“ Nach Gesprächen mit der Schule ihrer Kin-

der sowie dem Jugendamt beschließt Flurije 2008 endgültig, den Schritt ins Grazer Frauenhaus zu wagen. Sie bekommt dort vorerst alles, was sie braucht, es gibt PsychologInnen, sie kann Freundschaften knüpfen und auch für ihre Kinder ist Platz. „Dort war alles schön. Wir mussten dort keine Angst mehr haben“, so Flurije. Im Frauenhaus bleibt Flurije mit ihren Kindern sechs Monate, länger ist der Aufenthalt im Frauenhaus, außer in Einzelfällen, nicht erlaubt. Danach wird die Familie zwei Jahre lang in einer Übergangswohnung untergebracht, dort aber immer wieder von Flurijes Ex belästigt, bis er irgendwann nach etlichen Drohungen, auch gegen-


18 Angst

über seinen Kindern, inhaftiert wird. „Wir sind dann in die Schweiz zu meinem Bruder gegangen. Aber schön war das auch nicht. Meine Kinder waren dort immer krank.“ Zurück in Österreich beginnt plötzlich der Bruder, die Familie mit dem Umbringen zu bedrohen, weil sich kurz nach Flurijes Aufenthalt in der Schweiz dessen Freundin von ihm trennte, nachdem diese in Flurije ein Vorbild entdeckt hatte. Die neue Schule, die Flurije für ihre Kinder sucht, kennt ihr Ex schon von früher und es dauert nicht lange, bis er dort wieder auflauert. Im April diesen Jahres nimmt Flurije ihre drei Kinder von der Schule und geht wieder ins Frauenhaus. „Angst macht alles. Ich habe das Gefühl, dass, solange die Mutter Angst hat, die Kinder das übernehmen. Jetzt, wo meine Kinder sehen, dass es mir gut geht, sind sie sehr stark geworden.“ Vor einem Monat hat sich Flurije mit ihren Kindern, heute 10, 13 und 14, eine eigene Wohnung genommen. Mit ihrer Arbeit als Kindergärtnerin seit September hat sie sich einen Lebenstraum erfüllt. Der Ex und der Bruder melden sich mittlerweile nicht mehr. „Und auch wenn mich einer von den beiden finden würde, ich hätte keine Angst mehr. Wenn man Angst hat, ist alles

Libelle 12/11

dunkel. Wenn man keine Angst hat, ist die ganze Welt schön.“ Im Moment wohnen 20 Frauen und 21 Kinder im Grazer Frauenhaus, 41 von 45 Plätzen sind besetzt. Meldet sich eine Frau bei der Einrichtung, dann wird zuerst abgeklärt, wie akut die Situation ist. Vieles kann auch mit einer telefonischen Beratung geklärt werden. Sobald die Notwendigkeit einer Betreuung in der Schutzeinrichtung geklärt ist, hat die Betroffene das Recht, bis zu sechs Monate dort zu leben. Ab diesem Zeitpunkt ist es die Aufgabe des Frauenhauses, die Betroffene bei der akuten Traumabewältigung und der Verarbeitung der Gewalterfahrung zu unterstützen und sie auf das Leben nach dem Frauenhaus bestmöglich vorzubereiten. Oft bedeutet der Weg ins Frauenhaus für die Betroffene, mit den Kindern plötzlich das gesamte Lebensumfeld zu verlassen; bei nicht wenigen Opfern ist mit einem Schlag alles weg. Alles muss komplett neu organisiert werden, oft auch der Kindergarten- oder Schulplatz für die Kinder, falls eine Bedrohung durch den Vater besteht. Die erste Zeit ist dadurch für die Betroffenen äußerst traumatisch, weil sie gezwungen sind, sich komplett neu zu organisieren. Geleitet wird das Grazer Frauenhaus seit 2008 von Michaela Gosch, die davor bereits 21 Jahre lang auf unterschiedlichsten Ebenen, u.a. an der TU Graz, frauenpolitisch aktiv war. „Ich habe die größte Hochachtung vor allen Frauen, die zu uns kommen, weil es extrem schwierig ist, sich aus psychischer und physischer Gewalt herauszureißen. Man kennt es aus eigener Erfahrung, wie schwer eine Trennung für jemanden mit vielen Ressourcen sein kann, es ist ja schon bei unabhängigen Frauen oft sehr schwer, sich aus einer emotionalen Beziehung zu lösen.“ Seit 2010 zeichnet sich der Trend von sehr jungen und auch einigen älteren Frauen ab (über 60). Gosch führt diese Entwicklung auf eine funktionierende Primärprävention zurück. Michaela Gosch war die letzten zehn Jahre, bevor sie zum Frauenhaus wechselte, im Büro für Gleichstellung und Frauen-

förderung der TU Graz aktiv. „Das Frauenhaus setzt viel weiter unten an, an der TU Graz arbeitet man auf einer sehr hohen Ebene; es geht darum, beruflicher Diskriminierung auf Grund des Geschlechts entgegenzuwirken. Diese Frauen haben schon sehr viel erreicht in ihrem Leben, während es im Frauenhaus darum geht, den Boden zu bereiten.“ Im Idealfall zieht die Frau nach der Zeit im Frauenhaus in eine neue Wohnung, hat einen Job, einen sicheren Platz für ihre Kinder und kann in ein neues, gewaltfreies Leben starten. Leider reicht diese befristete Zeit aber oft nicht aus. „Die Frauen, die zu uns kommen, fangen zum Teil wirklich bei Null an. Viele haben noch nie allein gelebt. Dafür sind sechs Monate wirklich eine sehr kurze Zeit“, so Gosch. Wenn das nicht gelingt, besteht die Möglichkeit, noch in eine andere Einrichtung, wie etwa in das Frauenwohnheim der Stadt Graz, das Haus Rosalie oder in andere Einrichtungen der Caritas zu wechseln. Dies ist jedoch weit entfernt von einer idealen Lösung. In Österreich wurde das erste Frauenhaus im Jahr 1978 in Wien eingerichtet, 1981 wurden die Frauenhäuser in Innsbruck und Graz, 1982 in Linz, 1984 in Klagenfurt eröffnet. Die Frauenhäuser werden in Österreich überwiegend aus öffentlichen Mitteln der Bundesländer finanziert. In der Steiermark gibt es seit dem Jahr 2005 das Steirische Gewaltschutzeinrichtungsgesetz, das Frauen und Kindern Hilfe im Frauenhaus gewährt, wenn sie akuter physischer, psychischer oder sexueller Gewalt durch einen nahen Angehörigen ausgesetzt sind, ihren gewöhnlichen Wohnsitz in der Steiermark haben und zur Bewältigung der Gewaltsituation und zu ihrem Schutz einen Aufenthalt in einer sicheren Umgebung anstreben. Wenn die Vorbereitung auf das Leben nach dem Frauenhaus in den sechs Monaten nicht gelingt, wird es oft sehr schwierig für die Klientinnen, weil viele kein soziales Netzwerk haben. Nach den sechs Monaten muss vieles passen. Manche Frauen gehen auch aus Mangel an Alternativen und Perspektiven wieder zu Tätern zurück. * Namen von der Redaktion geändert


Angst 19

Libelle 12/11

Menschen voller Ängste 2010 rückte der Psychiatrische Not- und Krisendienst allein in Kärnten über tausend Mal aus. Im Einsatz mit dem Psychiatrischen Not- und Krisendienst. Text Julia Slamanig

Die Wände sind dunkelgelb. Im Wohn- und Schlafzimmer stehen helle Möbel. An den Wänden hängen Bilder von lachenden Kindern. Auf den zweiten Blick erkennt man dichte Rauchschwaden unter der Decke. Abgedunkelte Fenster schirmen die Nachmittagssonne ab. Mittendrin ein Mann. Er stiert auf den Boden. Es riecht nach abgestandener Luft und Zigaretten. Jakob P.*, 35 Jahre alt, alkoholabhängig, leidet an Depressionen und ist suizidgefährdet. Ein Freund hat den Psychiatrischen Not- und Krisendienst verständigt, aus Angst, dass sich P. etwas antut. „Kommt herein“, sagt er stockend, nach jeder Silbe eine Pause, „setzen wir uns doch aufs Sofa.“ Jakob P. kennt den Psychiatrischen Not- und Krisendienst bereits, hat dort schon selbstständig einige Male Hilfe geholt, denn er hat schon mehrmals versucht, sich das Leben zu nehmen. Rund 1.300 Mal rückte der Psychiatrische Not- und Krisendienst (PNK) 2010 in Kärnten aus. Neben den psychiatrischen Krisen zählen Ängste, Alkohol und Drogen zu den häufigsten Problemen. Patienten mit Depressionen kombiniert mit Alkohol neigen am stärksten dazu, sich das Leben zu nehmen. Jakob P. schleppt sich zum Sofa. „Drei Monate war ich trocken nach meinem letzten Entzug“, erzählt er. „Vor vier Tagen waren die Gedanken dann wieder unerträglich. Ich hab nicht mehr können und hab zu trinken begonnen.“ Jakob P. sitzt auf dem Sofa, zusammengekauert, Hände verschränkt, Blick zum Boden – wie ein kleines Kind, das sich schämt. Er versucht, die Gedanken mit dem Alkohol zu kompensieren. Ganz im Gegenteil verstärkt er damit aber die depressive Stimmung und löst Suizidgedanken aus. „Wie viel haben Sie heute bereits getrunken?“, fragt die Psychologin. „Drei Bier“, meint Jakob P. „Und wie weit sind die Gedanken, sich selbst etwas anzutun?“ P. zuckt mit den

Augen. „Die sind schon da“, antwortet er leise. Dann lauter: „Ich mach es nur nicht wegen meinen Eltern.“ „Fahren Sie mit uns ins Krankenhaus“, bietet die Psychologin an. „Dort können Sie sich stabilisieren und sind nicht alleine.“ „Ich schaff das allein. Ich bin ein Kämpfer“, kontert P. stur. Seine Beine zappeln in kleinen Bewegungen ruhelos auf und ab. „Sie werden entzugig.“ Die Psychologin weiß, dass Jakob P. den Entzug alleine nicht übersteht. Sie fragt nach Tabletten gegen die Depressionen. Der Mann deutet auf eine weiße Schachtel mit violettem Etikett. Zwei Tabletten leuchten aus dem silbernen Blister. „Am Abend, spätestens in der Nacht kann es sein, dass die Gedanken wieder stärker werden. Glauben Sie dann, wieder zur Flasche zu greifen?“ Jakob P. nickt zustimmend, trotzdem betont er: „Ich bin ein Kämpfer. Ich schaff das allein.“ Die Psychologin lässt nicht locker. Sie schlägt vor, seine Mutter zu verständigen, um ihm jemanden Vertrauten zur Seite zu stellen. „Sie jetzt in dieser Stimmung alleine zu lassen, möchte ich nicht verantworten. Wenn jemand bei Ihnen ist, würden Sie sich sicherer fühlen und die Gedanken sind nicht so schlimm.“ Und wieder nickt Jakob P. zustimmend. Einen Anruf später: Die Mutter ist am Weg. Der PNK ist eine kostenlose Notfallhilfe für Menschen in psychischen Notlagen und Krisensituationen – 365 Tage im Jahr rund um die Uhr erreichbar. Zwei MitarbeiterInnen, meist PsychologInnen oder psychiatrisch geschultes Fachpersonal, verrichten den Dienst gemeinsam. Via telefonischer Beratung oder Einsatz vor Ort versucht man, den Menschen zu helfen. „2010 mussten von 902 Einsätzen im Raum Unterkärnten nur 130 Leute ins Krankenhaus eingeliefert werden“, sagt die organisatorische Leiterin Carin Egger. Seit über 20 Jahren gibt es den PNK in Kärnten. Ähnliche Einrichtungen haben auch Wien, Salzburg und Oberösterreich.

Jakob P. begann vor neun Jahren zu trinken, als er sich von seiner Freundin trennte. „Ich hab meine Eltern und einen Bruder. Aber sonst hab ich nur einen Freund und der ist auch Alkoholiker.“ Seine zusammengekniffenen Augen glänzen. Er wischt sich schnell und unbeholfen mit dem Handrücken übers Gesicht. Die Psychologin erkundigt sich nach weiteren sozialen Kontakten: „Und auf facebook?“ „Da hab i wohl Kontakte, aber die sind halt nur virtuell.“ Eine mittelgroße Frau, seine Mutter, schiebt sich durch die Tür. „Wie geht’s dir denn?“ Sie bemüht sich um ein Lächeln. „Komm, wir fahren ins Krankenhaus!“ „Nein. Ich bleib daheim. Ich bin ein Kämpfer. Ich schaff das allein“, bleibt Jakob P. trotzig. Nach langem Hin und Her erklärt er sich bereit, ins Krankenhaus zu fahren – aber nur, um Tabletten zu besorgen. Alkohol ist eine legale Droge. Die Menschen dürfen sich wortwörtlich „zu Tode trinken“. Der PNK kann nur eingreifen, wenn Selbst- oder Fremdgefährdung besteht. „Es ist gut, dass der Mann freiwillig mit ins Krankenhaus fährt. Ich hab gehofft, dass durch das Beiziehen der Mutter die Motivation, an die Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie zu fahren, gestärkt wird“, sagt die Psychologin auf dem Weg ins Krankenhaus. Jakob P. fährt mit seiner Mutter in ihrem Auto hinten nach. „Es ist würdevoller, wenn der Patient nicht unter Zwang ins Krankenhaus eingewiesen werden muss. Ich lege großen Wert darauf, den Menschen ihre Würde zu lassen.“ Es ist 15.30 Uhr. Jakob P. hat 2,5 Promille. Er bleibt im Krankenhaus. Nach der Behandlung sind die PatientInnen meist wieder stabil und haben Lebensfreude. „Immer wieder bedanken sich die Menschen bei uns.“ Ohne den PNK hätte Jakob P. diesen Tag womöglich nicht überlebt.


20 Angst

Libelle 12/11

Traurig, faul, niedergeschlagen? Nein. Ich habe Depressionen. Genauer gesagt, laut Diagnose eine mittelschwere chronische depressive Verstimmung. Ich bin in Therapie und das hilft mir. Aber es geht in diesem Text nicht um mich. Sondern darum, wieso es so schwer ist, Vorangegangenes zu sagen und warum das furchtbar ist. Text Thomas Knapp

Jede zweite Woche liest oder hört man irgendwo von der “Volkskrankheit Depression”. Und damit ist das weite Feld der psychischen Probleme erst eröffnet. Ängste, Essstörungen, Borderline, Burnout, usw. bis hinauf zu schwersten Erkrankungen wie der Schizophrenie in all ihrer Furchtbarkeit brechen immer stärker in den Alltag der Menschen ein. Meistens sind diese Krankheiten gut zu behandeln, verschwinden bis auf einen Schatten oder eine Erinnerung ganz. In der Regel jedenfalls lassen sie sich zumindest mehr oder weniger gut ins Leben integrieren. Vorausgesetzt, sie werden richtig behandelt. Vielen Menschen wird nicht geholfen. Vermeidbare Suizide passieren. Und das ist sicher nicht die Schuld der Betroffenen. Es ist nicht ihre Schuld, dass man sich viel zu oft für eine psychische Krankheit schämen muss. Dass man anders behandelt wird. Fast wie ein Aussätziger oder ein Fremdkörper. Manchmal, als ob man besonders zerbrechlich wäre, dann, als ob man besonders schwach wäre. Und das von Menschen, die in ihrem gesamten Leben oft nicht einmal einen Bruchteil der Dinge ertragen und überstanden haben. Es ist so lächerlich, auf jemand herabzusehen, der/die es schafft, mit einer schweren Angststörung zu leben, diese zu überwinden. Es ist so falsch, mit Menschen Mitleid für ihre schwierige Kindheit zu haben, anstatt sie für die immense Stärke, die sie zeigen, indem sie trotzdem noch da sind, zu bewundern. Eine psychische Krankheit ist nicht mehr oder weniger peinlich als eine physische Erkrankung. Meine Depression ist genauso wenig oder viel

meine Schuld, wie deine Erbkrankheit die deinige ist. Psychische Probleme sind genauso wenig ein Zeichen von Schwäche wie Krebs. Faul oder feig?

Mehr als genug Leute haben kein Verständnis für psychische Probleme. Oft wird entlang der medizinischen Unterscheidung zwischen Neurosen und Psychosen in Faule und Feiglinge einerseits, und Verrückte, die man wegsperren soll, andererseits unterschieden. Das ist richtig scheiße und kann für die Menschen, denen es ohne jede Schuld ohnehin schon dreckig geht, zu einer enormen Belastung werden. Dagegen hilft Aufklärung und Sensibilisierung, dagegen hilft Information. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Anstrengung, die in Österreich schlicht und ergreifend nur von Pharmakonzernen unternommen wird. Natürlich haben diese dabei den Gedanken im Hinterkopf, dass die Betroffenen und ihr Umfeld die Informationen sammeln und die gleich daneben abgedruckten Logos dazu führen, dass sie dann Medikamente von diesem Hersteller/dieser Herstellerin wollen. Aber die Information ist in der Regel richtig und solange der Staat seinen Arsch nicht hochkriegt und uns im Regen stehen lässt immer noch besser als nichts. (Un)gebrochenes Tabu

Psychische Erkrankungen sind vielleicht kein gesellschaftliches Tabu mehr. Aber von einem vernünftigen Umgang damit sind wir meilenweit entfernt. Es ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, dass die Behandlung von psychischen Problemen nicht vom Gesundheitssystem sichergestellt wird

und mehr als nur eine Zwei-KlassenMedizin herrscht. Wer arm und psychisch krank ist, darf sich um einen Therapieplatz anstellen, und bekommt vielleicht einen, oder auch nicht, und wenn dann sehr wahrscheinlich nicht nach den Kriterien, nach denen man TherapeutInnen auswählen sollte (passt zum Patienten/zur Patientin, gutes Klima, Verständnis, Arbeitsmethode). Die Betroffenen können noch nicht einmal dagegen protestieren, weil sie dann stigmatisiert werden und verschiedenste Nachteile in Beruf und Privatleben befürchten müssen. Ich habe für mich eine Entscheidung getroffen, und ich bin froh und dankbar, dass das für mich möglich ist. Wenn mich jemand anders (im Sinn von schlecht/abwertend) behandelt, weil ich sage “Ich habe Depressionen” oder “Ich nehme Antidepressiva”, etc., dann kann ich das oft einfach ignorieren. Dann weiß ich “Ui, das ist ein Idiot, ohne den versäum´ ich nichts.” Aber viele können das nicht. Niemand kann das immer. Die Welt ist keine gute, sicher, und es wird immer etwas geben, das besser sein sollte. Die Welt ist ungerecht, und wird es immer irgendwie sein. Aber wir alle, die dazu in der Lage sind, sind moralisch dazu verpflichtet, diese Ungerechtigkeit zu minimieren. Und ich hoffe, ein gutes Betätigungsfeld dafür beschrieben zu haben.

Buchtipps André, Christophe und Lelord, Francois: Die Macht der Emotionen. Hell, Daniel: Welchen Sinn machen Depressionen? Margraf, Jürgen: Kosten und Nutzen der Psychotherapie. Eine kritische Literaturauswertung.


Angst 21

Libelle 12/11

Im Rausch der Sinne Angst. Ein Thema, welches häufig mit einem negativen Gefühl assoziiert wird. Doch oftmals vergisst man, wenn man an obiges denkt, dass man auch gegen seine Angst kämpfen oder sie für eigene Zwecke nutzen kann.

Text WADE Rogers Foto RYN TMRW Wer hatte nicht ein leicht mulmiges Gefühl, als er oder sie zum ersten

Mal auf dem 5-Meter Brett stand und sich daran machte zu springen (oder auch nicht)? In jenem Moment, in welchem man das erste Mal hinunterblickte und das Wasser sah, weite Tiefen so nachlässig verbergend, dass sich ein leichtes Maß an Schaudern ergab, welches den Rücken überzog. Nun, man kann das Ganze auch etwas intensiver angehen und fragen, wie es sich anfühlt, aus einem Flugzeug zu spähen und zu wissen, dass man gleich springen wird. Diese Angst, die man gerechtfertigter Gründe wegen hat, zu überwinden, wirkt wie ein Rausch, der einen benebelt und die Sinne verdreht. Fast könnte man meinen, es wäre ein Tunnelspiel, in welchem man der Hauptcharakter ist – ein Spiel, bei dem man ab einem bestimmten Moment nicht mehr umdrehen und das Ende höchstens herbeisehnen kann. Eine Geisterbahn ohne Notausgang, wie es ein Freund formulierte, wäre ein nettes Beispiel. Sowie es Leute gibt, die knallharte Action brauchen und dabei immer am Grade eines möglichen Todes (auch wenn die Wahrscheinlichkeit durch neuestes Equipment äußerst gering ist) herum balancieren müssen, so gibt es auch jene, die gewisse Stimulationen im Bett bevorzugen. Jene Art von Menschen, die gerne mit Handschellen, Seilen und – der Kreativität sei kein Ende gesetzt – Lan-Kabeln oder Krawatten hantieren. Natürlich gibt es auch gewisse Extreme, die unter dem Namen Public Disgrace laufen und auch ausgelieferte Menschen in der Öffentlichkeit beinhalten, wo man sich nur vorstellen kann, was der/die ‚hilflose‘ PartnerIn wohl fühlen mag.

überrascht vs. die Lust am Genießen der romantischen oder härteren Natur der Behandlung. Doch ist eigentlich Angst dabei, wenn man sich dem- bzw. derjenigen ausliefert, dem/die man liebt und über alles vertraut? Oder ist es nur eine Art, um sein Privatleben mit mehr Action auszustatten?

So viel zum intensiven Kopfkino – wer sich durch diese Vorstellung gereizt fühlt, der mache es nur mit Einverständnis(!) des Partners/der Partnerin und zwinge ihn nicht in persönlich unerwünschte Situationen hinein. Ebenso gibt es jene, die ihre PartnerInnen liebevoll fesseln und verwöhnen, während dieseR hilflos daliegt und als süß-fiese Zuckergussvariante gegebenenfalls verbundene Augen hat. Doch selbst hier muss die Furcht überwunden werden, sich de facto auszuliefern, denn wer schließt schon bei seinem ersten Mal die Augen und sagt: „Spiel mit mir!“? Das Ausgeliefertsein und die Unmöglichkeit, sich um die eigenen Bettbedürfnisse kümmern zu können, kombiniert die Angst und Lust oftmals gut. Immerhin – die Angst davor, wie der Partner oder die Partnerin einen

Doch was, wenn man mal wirklich eine Abwechslung vom Herumgedrücke, Massieren und Liebkosen sucht und die Feder-Variante satt hat und sich mal mit neuen Erfahrungen bereichern möchte? Nun, sagt mal eurem Partner/ eurer Partnerin, dass ihr heute Eiswürfel im Kühlschrank und eine (am besten schon an sich selbst probierte) Kerze habt und er damit herumspielen möge. Um die Gefühlspalette zu erweitern, kann man auch zu kalten Gabeln, abgerundeten Zylindern (mit/ohne Stromversorgung), Kitzelattacken, Peitschen und anderem greifen. Mein persönlicher Lieblingstipp jedoch ist es ja noch immer, die süße Unwissenheit auszunützen und sich einfach zum Partner/zur Partnerin dazu zu kuscheln, wenn er/sie so hilflos daliegt, das hat ja auch seinen kleinen gemeinen Reiz. ;-)


22 pop

Libelle 12/11

520 *

* Tage, die sechs Freiwillige durchgehend in einem isolierten Komplex in der russischen Weltraumagentur Roskosmos verbrachten. Das Experiment „Mars-500“ sollte einen bemannten Flug zum Mars simulieren. Am Foto sieht man die Bordapotheke. Foto: European Space Agency


Pop

Arrested Development

Eine Liebeserklärung Theater

„Windszeit“ im TiK 10 Tipps

Wie feststellen, dass man schon zu lange studiert?

TrekDinner Graz

Lust am Fachsimpeln über SciFi? Gleichgesinnte zum Philosophieren über Comics gesucht? Das trekdinner Graz ist seit 1994 der Treffpunkt für Geeks & Nerds. Anders als der Name vermuten lässt, geht‘s nicht nur monothematisch um Star Trek, auch Jedi-RitterInnen, Elfen & Co sind gerne gesehen. Einmal im Monat wird im Brandhof in der Gleisdorfergasse gemeinsam getrunken, gegessen und über Serien, Filme, Comics und Games getratscht; ebenfalls einmal monatlich gibt‘s einen gemeinsamen Videoabend. Wer Lust bekommen hat: www.trekdinner-graz.org

offsZEHNer // Das andere Theater

Darf‘s mal etwas anderes sein? Wer dem Christkind die Suche nach einem Weihnachtsgeschenk erleichtern möchte oder sich selbst vielleicht schon lange Gedanken macht, was wohl auf die Wunschliste kommen soll, dem sei folgendes Angebot ans Herz gelegt: Das andere Theater, die IG Freie Theater Steiermark, ermöglicht mit ihrem offsZEHNer Kulturgenuss an zehn Abenden zu äußerst günstigen Preisen. Ein Abo also, das dich direkt ins Publikum der steirischen Theaterschaffenden bringt! Spielplan und alle weiteren Infos unter: http://dasanderetheater.at /seiten/offsZEHNer

Unbeachtete Erkenntnisse

Endlich: WissenschaftlerInnen der University of California nehmen sich dem sprachlichen Phänomen des Sarkasmus an. Die ForscherInnen sehen nach ihren Studien allen Grund hierzu: Sarkasmus dominiere die heutige Sprache und fordere, Messungen zufolge, das Gehirn mehr als normale Sprache. Auch die Fähigkeit mittels Computeralgorithmen Sarkasmus filtern zu können, wird untersucht. Schon 2006 gaben ProgrammiererInnen bekannt, einen Telefoncomputer mit 80% Sarkasmusfeststellsicherheit entwickelt zu haben. Ein Sarkasmus-Detektor. Wie nützlich.


24 pop

impressum Medieninhaberin, Herausgeberin und Verlegerin: Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft an der Universität Graz Schubertstraße 6a, 8010 Graz Tel: 0316 380 2900 E-mail: vorsitz@oehunigraz.at Redaktion: Franz Fuchs, Martina Winkler, Patrick Kloiber E-Mail: presse@oehunigraz.at Layout: Franz Fuchs und Beatrix Lorber Lektorat: Bettina Pint Dank an: Anna Hutter Druck: Universitätsdruckerei Klampfer

Detailierte Bild- & Lizenznachweise für nicht eigene Fotos und Illustrationen: Seite 9: Sean Dreilinger / flickr.com CreativeCommons Attribution-NonCommercial-ShareAlike 2.0 Generic Seite 12: Miss X / photocase.com Seite 14: kulturgestaltung / photocase.com Seite 21: ryn tmrw / flickr.com CreativeCommons Attribution-NonCommercial-ShareAlike 2.0 Generic Seite 22: European Space Agency Icons Seite 26: The Noun Project / CreativeCommons Attribution 3.0

Libelle 12/11

Veranstaltungskalender Dezember 2011

Jänner 2011

15. Dezember Soziologie weihnachtsfest

9. Jänner

20.00 Uhr / 2. Stock ÖH Uni Graz Das Weihnachtsfest der StV-Soziologie von, mit und für alle! Der Eintritt ist frei und Specials gibt es einige. Welche? Wir werden sehen. Musikalisches Tanzvergnügen mit: Swing, Boogie, 60ies-Beat, Shoegazing & ein bisschen Indie, Elektro & Bass von: DJ(+ane)‘s ternopil & anuschka rotfux [brotfrauplatten. - Graz | Kiew]“

Montagsakademie Von der Arche Noah zur Einwanderungsbehörde: Jüdisch-argentinische AutorInnen und ihre bewegten Geschichten 19.00 Uhr / Aula Universität Graz 9. Jänner

Montagsakademie Wanderarbeit, Jobnomadismus und Migration – Mobilität von Arbeitsleistungen als Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft 19.00 Uhr / Aula Universität Graz

Theater: „Windszeit“ im TiK TEXT Kulturreferat ÖH Uni Graz

Das ‚Theater im Keller’ gilt mit seinem 60-jährigen Bestehen als eines der ältesten freien Theater der Welt und positioniert sich abseits von großen Dramen und klingenden Namen als Ur- und Erstaufführungstheater. Es versteht sich selbst als ein Theater der Möglichkeiten, das Unbekanntes aus dem Dunkel hervorholt und erhellend darstellt. Demgemäß verfuhr man auch im heurigen Jubiläumsjahr: Das nur fragmentarisch erhaltene Stück ‚Windszeit’ des Dramatikers Wolfgang

Bauer wurde von vier Grazer AutorInnen etappenweise weiter- und zu Ende geschrieben. Entstanden ist dabei ein buntes und surrealistisches Stück, in dem jede Szene die persönliche Handschrift eines Autors/einer Autorin trägt und das dennoch in sich kohärent und stimmig ist. Schauplatz des Stückes ist das Gasthaus ‚Zum Windswirt’ in windigen Gefilden einer ‚verwunschenen Gegend’. An diesem phantastischen wie absurden Ort sind die Figuren den Kräften des Windes, der in ihnen

größte Wirren, Ausbrüche und Exzesse stiftet, schonungslos ausgeliefert. Der ‚Windswirt’ wird im Laufe des Stückes zu einem Ort des Unmöglichen, der sich jeglicher Logik und Kausalität entzieht: Schauspielerin Candice Bergen mit Wohnsitz in Mariagrün erscheint als Mary Poppins mit aufgespanntem Regenschirm, ein polnischer Koch wird zum gefürchteten Herzausreißer mit einer Vorliebe für warme Jungfrauengedärme. Kurzum: Alles ist möglich.


pop 25

Libelle 12/11

Arrested Development Eine Liebeserklärung

Text ENESA Mujezinovic Meet the Bluth Family, eine typische amerikanische (ehemalige) wohlsituierte Familie. Das Problem: Sie sind alle schräg und weltfremd. Alle bis auf Michael Bluth (hervorragend gespielt von Jason Bateman), welcher den Protagonisten der Serie spielt und der Einzige ist, der halbwegs normal ist. Nachdem sein Vater wegen dubioser Machenschaften (sprich Anlagenbetrug und Steuerhinterziehung) ins Gefängnis muss, ist er der einzige, der sich um seine dysfunktionale Familie und das Familienunternehmen „Bluth Company“ kümmern kann. Zusammen mit seinem Sohn George Michael (gespielt von Michael Cera), welcher zu allem Überfluss auch noch in seine Cousine Maeby verliebt ist, kommt er von einer banalen Situation in die nächste. Vater und Sohn arbeiten beide bei einem Bananenstand und wie der Name es schon sagt: Sie verkaufen nichts anderes als Bananen. Außerdem leben sie nicht wie der Rest der Familie luxuriös, nein, eher das Gegenteil ist der Fall. Michael und George Michael leben in einem sogenannten Musterhaus der Familie, ein Haus welches picobello auszusehen hat, aber zum Wohnen ungeeignet ist, da es jeden Tag von potentiellen KäuferInnen besucht wird und man den Anschein wahren muss. Somit leben Vater und Sohn in eher bescheideneren Verhältnissen, nämlich im Keller und schlafen anstatt auf Seidenlaken auf Matratzen auf dem Boden. Die BluthFamilie besteht aus witzigen und sehr widersprüchlichen Charakteren. Auf der einen Seite haben wir Lucille, die narzisstische Mutter von Michael. Sie hat ein „kleines“ Alkoholproblem und

ist extrem eitel. Ihr Ehemann, George, sitzt im Gefängnis. Ihre Tochter Lindsay (Portia Rossi) steht ihrer Mutter um nichts nach, wenn es um Selbstsucht und Eitelkeit geht. Wegen ihres Images heiratete sie den damaligen Psychologen Dr. Tobias Fünke, der sich selbst als „analyst“ und „therapist“ bezeichnet. Abgekürzt bedeutet das laut ihm „analrapist“ (his words, not mine!). Dann hätten wir da noch ihre gemeinsame Tochter, Maeby, die etwas unterbelichtet ist und alles tut, um die Aufmerksamkeit ihrer verrückten Eltern zu erregen. Dann hätten wir da

noch Buster, das Muttersöhnchen der Familie, der sich mit 30 Jahren immer noch von seiner Mutter vorschreiben lässt, was er tun und nicht tun darf. Gob, der 2. Bruder Michaels ist von Beruf Magier und gehört einer Society an, die sich dafür einsetzt, dass die Berufsgeheimnisse der Magier nicht weitergegeben werden. Ob er ein guter Magier ist oder nicht, darüber lässt sich streiten. Jedes Familienmitglied hat seine Macken. Aber genau das ist der Grund, warum sich die ZuschauerInnen so gut mit der Familie identifizieren können und was auch die Sitcom so populär gemacht hat.

Die „Arrested Development“ Sitcom wurde von 2003 bis 2006 im amerikanischen Fernsehen ausgestrahlt. Die Serie spielt mit Zwei-und Mehrdeutigkeiten, trockenem Humor, Running Gags und die Autoren der Serie lassen die Charaktere regelmäßig in eine skurrile Situation nach der anderen hineinstolpern. Die kompletten 3 Staffeln sind im Mockumentary-Stil gehalten, sprich es gibt weder einen „Laughing-Track“ wie es normalerweise bei Sitcoms der Fall ist, sondern es gibt eine „Voiceover Narration.“ Außerdem hat man das Gefühl, live dabei zu sein, wenn die Familie Bluth sich von einer ausweglosen Situation in die nächste bewegt und genauso wie der Titel der Serie drehen sich die Charaktere im Kreis und sind in ihrer Entwicklung zum Stillstand gekommen. Der Titel der Serie spielt auch auf den Gefängnisaufenthalt von Michaels Vater an. Obwohl es zu Zeiten der Ausstrahlung schlechte Quoten für die Serie gab, hat „Arrested Development“ inzwischen eine treue Fangemeinde angesammelt, die massiv dazu beigetragen hat, dass eine Staffel (wenn auch nur eine Ministaffel) und sogar ein „Arrested Development“ -Film folgen werden. Das zeigt wieder einmal, dass man niemals die die Macht des Fandoms unterschätzen sollte!


26 pop

Libelle 12/11

Musik

Nerd

Text Manuel Borovsky

Text Herwig Riedl

Text Karla Bro‘Show

Ein Paradebeispiel für Musik, die bei den ZuhörerInnen ein Gefühl der Angst erzeugen soll, ist „Tilt“ von Scott Walker aus dem Jahr 1995. Walker wurde 1965 mit seiner Band „The Walker Brothers“ und dem Evergreen „The Sun Ain’t Gonna Shine Anymore“ bekannt. Schon damals zeigte sich in seinem Songwriting eine düstere Melancholie, die im Soloalbum „Tilt“ als Kombination seiner melodramatischen Stimme mit äußerst düsterer Produktion gipfelte. „The Cockfighter“ beispielsweise löst bei den ZuhörerInnen zumindest ein sehr beklemmendes Gefühl aus, indem sich melodische Abschnitte mit schrägen Perkussion-Teilen abwechseln, alles garniert mit der charismatischen und gewaltigen Stimme Walkers. Auch das etwas zugänglichere „Farmer In The City“ könnte problemlos als Hintergrundmusik einer Geisterbahn durchgehen.

Steve Urkel war in den Neunziger ein schlecht gekleideter Nerd. Heute, in denselben Klamotten, ein stylischer Hipster. Ob ironisch oder nicht, die Kleiderkiste der früheren Eierköpfe ist im Facebook-Jahrzehnt Hipster-Uniform. Wann wurde Nerdchic modisch? Ich bin kein Fashionexperte, schließlich hielt ich ganze Jahrzehnte in Flanellhemden durch. Ich behaupte mal: Modetrends kann man getrost außer Acht lassen, diese sind sich wiederholende Schwingungen, welche ab und zu in Subkulturen wildern. Mode hat also Nerds wohl nicht zum MainstreamKulturgut gemacht.

Trennungen sind an und für sich nie

Kolumne

Ein Beispiel für eine die Angst thematisierende Songzusammenstellung ist der Sampler „Lauschangriff“, der zum Anlass der Demo „Freiheit statt Angst“ 2010 in Berlin zusammengestellt wurde. Die 13 Musikstücke sind allesamt GEMA-frei sind und somit gratis verfügbar. Die Genres erstrecken sich von deutschem Hip-Hop über Punk bis hin zu Reggae; man bemerkt aber schnell, dass bei den meisten Songs eindeutig die Botschaft im Vordergrund steht. Wer hier aufwändige Produktionen oder perfekt arrangierte Kompositionen erwartet, wird enttäuscht werden. Im Gedächtnis bleiben Stücke wie „Propaganda“ von Jammin*Inc oder „Genug“ von Schwesta. Neugierig geworden? http://bit.ly/lauschangriff-sampler

Kolumne

War Simon Peggs „Spaced“ früher noch eine kleine Nischenserie, ist heute „The Big Bang Theory“ ein Quotenrenner. Auch früher nur JapanologInnen bekanntes „Visual Kei“ landete durch Tokyo Hotel inmitten von Provinz-Kinderzimmern. Eine Antwortmöglichkeit ist, dass das Wort Nerd einfach nicht mehr nur für die negativen Stereotypen gilt. Waren es im Achtzigerfilm “Revenge oft the Nerds“ noch Außenseiter, die gerne verdroschen wurden, ist ein Nerd heute jemand, der etwas mit Leidenschaft betreibt und sich Detailwissen mit eher geringer Alltagsüberlebenstauglichkeit anlacht. Beispiele gefällig? Du gehst gerne zu französischen Autorenfilmen ins Kino? ARTHOUSE-NERD! Du kennst die besten Weinregionen Aventuriens? DAS-SCHWARZE-AUGE-NERD! Römische Geschichte? TACITUSNERD! Ihr Nerds, die ihr euch für eine unverstandene Subkultur hieltet, seid im Mainstream angekommen. Face it: Eure Mütter trollen bald auf 4chan. Und nicht vergessen: Winter is coming.

Sex

Kolumne

wirklich prickelnde Ereignisse. Egal ob man der ausführende oder der abservierte Part ist. Es gibt die Trennung, bei der frau einfach nur froh ist, dass man den vermeintlichen Traumprinzen los ist, weil dieser eine Metamorphose zu Prinz Valium vollzogen hat. Aber es gibt auch die ganz schlimmen, bösen Trennungen, die eigentlich nur in Novellen aufgearbeitet werden können. Jene, bei denen man sich in den Schlaf heult, bei denen es niemals zu viel Alkohol, Zigaretten und Schokolade gibt. Aber der Umstand, der hier behandelt werden soll, begegnet einem in beiden Fällen: Die „Hilfe, ich werde nie wieder so guten Sex haben“-Angst. Denn egal ob er ein blöder Businessschnösel, ein Party-Prolo oder einfach nur der Falsche war, er war unglaublich in der Vertikalen. Frau hatte ihn schon so gut eingestellt, er verstand es sich zu bewegen und er las die Brailleschrift des Körpers. Und jetzt? Nach X (individuell geeignete Zahl einfügen) ONS und Affären festzustellen, dass es sie immer noch gibt, diese Ohrspeichler, diese „Du sexy Bitch“-Sager und diese anatomisch Unfähigen. In Beziehungszeiten wurden diese Stereotype verdrängt und ins Reich der Märchen abgeschoben nur um jetzt, in dieser Phase der Verletzbarkeit und Unsicherheit wieder aufzutauchen. Und dann, ja dann wünscht frau sich plötzlich sogar ihren Couch-Potato wieder ins Bett zurück. Aber Vorsicht: Sexuelle Misserfolge in den ersten Wochen nach Trennungen sind kein Grund, sich das mit Mister „Mein Workload ist so hoch“, „Aber heute ist Whiskey-Cola Nacht“ oder „einfach nur der Falsche“ wieder zu überlegen und den Trennungsschmerz ein weiteres Mal aufzukochen.


pop 27

Libelle 12/11

10 Tipps festzustellen,

1

Du kennst deine Professorin vom Erstsemestrigentutorium. Du warst ihre Tutorin.

2

Als Einziger kannst du am Institut noch mit dem Lochkartenrechner umgehen.

3 4

Du wirst am Campus nicht nur von Erstsemestrigen gesiezt. Bei deinen Studiengebühren erhältst du Stammkundenrabatt.

5

Nicht nur deine Eltern fragen dich, wann du mit dem Studium endlich fertig bist, sondern mittlerweile auch deine Kinder.

6

Dein Auslandssemester absolviertest du noch in der Sowjetunion.

7

Du hast alle 101.270 möglichen Kombinationen des Pizzabausatzes bereits ausprobiert.

dass man schon zu lange studiert.

8

Die Anfänge deiner Diplomarbeit sind auf 5,25“ Disketten gespeichert.

9

Bei Studienplanumstellungen fragst du dich: „Schon wieder“?

10

Du hast bis hierher gelesen und jetzt ein schlechtes Gewissen.


facebook.com/ StudentenLeben.by.BankAustria

Bis zur Sponsion ist es noch ein weiter Weg.

UC_studentenK_215x265abf_Libelle.indd 1

Genießen Sie jeden einzelnen Tag. Studieren ist schön. Studieren mit dem kostenlosen StudentenKonto noch schöner. Denn es bietet Ihnen nicht nur alles, was ein Konto können muss, sondern auch viele Extras wie das Bank Austria Ticketing, mit dem Sie für über 4.000 Events im Jahr vergünstigte Karten erhalten. studenten.bankaustria.at

02.11.11 11:40


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.