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WIE LANGE IST EIN SCHMIERÖL BZW. EINE HYDRAULIKFLÜSSIGKEIT EINSETZBAR?
FRAGESTUNDE MIT DR. CHRISTOPH ROHBOGNER UND RÜDIGER KRETHE
? Die Hersteller von Schmierölen geben die Mindesthaltbarkeit Ihrer Schmierstoffe hinsichtlich ihrer Lagerung an, d.h. vor der Verwendung. Gibt es so etwas Ähnliches auch „für die Zeit danach“, d.h. für den Einsatz von Schmierstoffen?
-> Einfach gesagt: Im Prinzip ja! In vielen Fällen schreibt der Maschinenhersteller in sein Betriebshandbuch, dass das Öl A im System B der Maschine C spätestens nach X Stunden, Monaten oder Jahren zu wechseln ist. Hinsichtlich der Lagerung wird diese Zeitspanne treffend „Mindesthaltbarkeit“ genannt. Das lässt sich auf den Einsatz durchaus übertragen. Wie ein Lebensmittel nach Ablauf der Mindesthaltbarkeitsdauer nicht automatisch ungenießbar geworden ist, so ist das Schmieröl allermeist nach Ablauf dieser Zeitspanne nicht automatisch unbrauchbar geworden. Nur sind die auf diesen Angaben basierenden Ölwechselintervalle in der Regel sehr kurz.
-> Wenn ich das richtig verstehe, können also Schmierstoffe durchaus länger im Einsatz bleiben als angegeben?
-> Ja, genau so ist es in den meisten Fällen. Die auf die Lagerung bezogene Mindesthaltbarkeitsdauer ist an konkrete Lagerungsbedingungen geknüpft. Angaben dazu sind in der Regel im Sicherheitsdatenblatt des Schmierstoffs zu finden. Darüber hinaus gibt es, wie bereits im OELCHECKER berichtet, weitere gute Grundsätze zu Lagerung und Handling. (Mehr erfahren unter: https://de.oelcheck.com/wiki/lagerung-und-handling-von-schmierstoffen/ ) Für die Zeit des Schmierstoffeinsatzes in der Maschine ist das prinzipiell nicht anders. Hier sind es die Belastungen, denen der Schmierstoff unter welchen Umwelteinflüssen und Betriebsbedingungen ausgesetzt ist, die den Unterschied machen. Dazu kommt, dass selbst vermeintlich „gleichwertige“ Schmierstoffe deutliche Unterschiede im Langzeitverhalten zeigen. Die tatsächlich mögliche Ölstandzeit in der Maschine ist also eine sehr individuelle Sache. Pauschalangaben sind eben auch hier „Mindestlaufzeiten“, die unter den angenommenen Bedingungen erreicht werden.
? Welche Faktoren sind entscheidend für die erreichbare Einsatzzeit eines Schmieröls?
-> Schmieröle und Hydraulikflüssigkeiten sind während ihres Einsatzes einem normalen Alterungsprozess unterworfen. An dieser Stelle sei nur die Öloxidation oder der Verbrauch von Additiven genannt. Die einfache Formel „Wie viele Öltropfen müssen welche Temperatur aushalten“ lässt erahnen, wie unterschiedlich das in der Praxis sein kann. Dazu kommen beispielsweise die jährliche Laufleistung, mehr oder weniger widrige Umgebungsbedingungen wie Staub und Feuchtigkeit oder gar der Einfluss bestimmter Chemikalien. Das Schmieröl wiederum hat über das gewählte Grundöl und die Additivierung einen erheblichen Einfluss. Selbst zwei vom Maschinenhersteller freigegebene Öle können sich in der Standzeit deutlich unterscheiden. Die zur Freigabe erforderlichen Tests sind allermeist nicht in der Lage, alle Facetten einer sehr langen Öleinsatzzeit praxisnah abzubilden.
? Sie sprachen Grundregeln für eine optimale Lagerung und das Handling von Schmierstoffen an. Gibt es so etwas auch für den Einsatz?
-> Ein professionelles Schmierungskonzept deckt alle Bereiche ab, von der Schmierstoffbeschaffung über Lagerung und den Einsatz bis zur Entsorgung. In Bezug auf den Schmierstoffeinsatz sei hier stellvertretend auf eine anwendungsorientierte Ölüberwachung und eine darauf aufbauende Ölpflege hingewiesen. Die Grundlage wird bereits bei der Beschaffung gelegt. Wird ein Öl gewählt, dass die in klassischen Anforderungsnormen (z.B. DIN, ISO oder ASTM) definierten Mindestanforderungen erfüllt, oder eines, welches sich an den tatsächlichen Anforderungen der Maschine und eines wirtschaftlichen Betriebs inklusive einer hohen Maschinenverfügbarkeit orientiert.
Eine professionelle Maschinenschmierung ist damit nicht nur nachhaltig und umweltschonend, sondern zugleich wirtschaftlich vorteilhaft.
? Kostenmäßig geht es also gar nicht nur um das Schmieröl an sich?
-> Nein, in der Regel ist die Maschine oder die zu schmierende Komponenten viel teurer als das Schmieröl. Das Schmieröl wird heute nicht mehr als „Verbrauchsmittel“, sondern ähnlich wie ein Maschinenelement gesehen und behandelt. Fällt in einem Getriebe beispielsweise eines der eingesetzten Wälzlager aus, ist das gesamte Getriebe betroffen oder gar eine ganze Produktionseinheit. Ungeplante Stillstandzeiten verursachen in produzierenden Anlagen oft sehr hohe Ausfall- bzw. Folgekosten, die in einer Stunde ein Vielfaches der Kosten einer gesamten Ölfüllung inklusive Wechsel betragen.
? Das heißt neben dem Öl und der Ölalterung ist mehr nötig, um wirklich optimal unterwegs zu sein?
-> Wie schon kurz erwähnt, ist ein ganzheitlicher Ansatz notwendig. Von der Ölauswahl, Lagerung, Handling über den Einsatz inklusive der Überwachung angelieferter und im Einsatz befindlicher Schmierstoffe und einer darauf basierenden pro-aktiven Ölpflege müssen alle Teilbereiche der Maschinenschmierung abgedeckt sein, um diese Effekte wirksam werden zu lassen. Die aufeinander abgestimmten, ineinandergreifenden Maßnahmen der einzelnen Teilbereiche bringen den entscheidenden Erfolg.
Übrigens: Optimal zu sein, ist für mich eher ein Weg, mehr das Unterwegssein als nur ein finaler Zustand.
? Können Sie uns dazu konkrete Zahlen nennen?
-> Jede Maschine bzw. Anlage ist individuell unterwegs. Die nachfolgende Tabelle zeigt jedoch anhand einer Reihe von belegten Praxisbeispielen, was bei einem professionellen Schmier- und Wartungskonzept heute schon möglich ist:
Anwendung | Standard-Intervall* | Langzeitintervall*
Baumaschinenhydraulik (“Erdbewegung”) | 1000 - 2000 Bh | > 5.000 Bh
Biogasmotor Schmieröl | 300 - 500 Bh | > 3.000 Bh
Dampfturbine Schmier- oder Steueröl | 2 Jahre | > 10 Jahre
Gasturbine Schmier-/Steueröl | 1 – 2 Jahre | > 5 Jahre
Spritzgießmaschine „24x7“ Hydrauliköl | 1 – 2 Jahre | > 4 Jahre
Umformpresse Hydrauliköl Automotive Karosseriefertigung | 1 -2 Jahre | > 5 Jahre
Windkraftanlage Schmieröl Hauptgetriebe | 2 Jahre | > 15 Jahre
Papiermaschine Umlaufschmierung | 1 – 2 Jahre | > 4Jahre
*) Standard-Intervall heißt, dass Öle lt. Herstellerempfehlung verwendet werden und die üblichen Wartungsarbeiten eingehalten werden, jedoch keine zusätzlichen Maßnahmen getroffen werden.
Langzeitintervall bedeutet optimierte Bedingungen. Zusätzlich zu den in den vorherigen Antworten angeführten Faktoren bzw. Maßnahmen hinsichtlich des Schmieröls und der Wartung beispielsweise auch, dass die Maschine in einem guten Zustand ist oder das im Falle des Biogasmotors das Biogas vor der Verwendung gereinigt wird etc.
Die Angaben beruhen auf individuellen Praxisfällen, die OELCHECK bzw. OilDoc betreut hat. Das „größer als“ bei den Langzeitintervallen zeigt, dass diese Zahlen in der Praxis durchaus auch übertroffen werden können.
? Also, wenn ich das so sehe: Da geht noch eine ganze Menge…
-> Ja, wir haben gemeinsam mit unseren Kunden schon so Einiges erreicht und die äußerst positiven Rückmeldungen motovieren uns, immer mehr des noch brach liegenden Einsparpotenzials nutzbar zu machen. Mit einem Denken über den Tellerrand hinaus „geht da noch viel mehr“, wie Sie schon sagen. Neben den Ölanalysen von OELCHECK vermittelt OilDoc in seinen praxisorientierten Seminaren und Beratungsdienstleistungen auch das darüberhinausgehende Know-how.
Wir bedanken uns für das Gespräch!
Dr. Christoph Rohbogner, Leiter Tribologie OELCHECK
Rüdiger Krethe, Geschäftsführer OilDoc GmbH