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Vorwort des Präsidenten

Freiheit, Abenteuer, Verantwortung

Outdoor bedeutet Verantwortung, ob bei der Ausübung der vielen Freizeitsportaktivitäten, aber auch gegenüber unserer Gesellschaft und der Natur. Sorgsam und rücksichtsvoll mit ihr umzugehen ist wichtiger denn je, sei es unterwegs, oder bei der Auswahl von Produkten, die uns das Abenteuer erst ermöglichen.

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Ob beim Bergsteigen im Hochgebirge, beim Skitouren gehen oder beim Winterwandern, um im Ernstfall Wind und Wetter zu trotzen braucht es funktionale Ausrüstung, die schützt, angenehm zu tragen ist und gleichzeitig umweltverträglich ist. Was im urbanen Raum im ersten Moment nicht so erkennbar ist, am Berg spürt man den Qualitätsunterschied sofort. Auf Qualität zu setzen und darauf zu achten, ein langlebiges Produkt zu kaufen, ist für immer mehr von uns eines der wichtigsten Kriterien bei der Auswahl von Outdoor-Kleidung und Bergsport-Ausrüstung.

Auch Produzenten stellen Schritt für Schritt ihre Wertschöpfungsketten um, nehmen Einfluss auf Arbeitsbedingungen. Einige Hersteller produzieren nur mehr mit nachwachsenden, natürlichen Rohstoffen. Eine Familie aus Schweden beispielsweise produziert für uns Wollmützen, Wollsocken und Woll-Handschuhe; sie erfreuen sich im ÖTK-Alpinshop großer Beliebtheit. Das Gefühl wieder ein Naturprodukt auf der Haut zu spüren, ist unbeschreiblich. Wir sind der Meinung, dass nachwachsende, natürliche Rohstoffe die Zukunft sind.

Reparieren und Ressourcen schonen Wichtig zu erkennen ist, dass es in unserer Ausrüstung viele Materialien gibt, auf die wir nicht verzichten können. Das Vernünftigste und Nachhaltigste ist, Ausrüstung möglichst lange zu nutzen. Der nachhaltige Umgang mit Ressourcen hat im hauseigenen ÖTK-Alpinshop in Wien 1, Bäckerstraße 16 immer schon einen hohen Stellenwert. So bieten wir unseren Mitgliedern ein Reparaturservice für Bergschuhe an, die eine neue Vibram®-Sohle brauchen. Auch Gore-Tex® Outdoorbekleidung lässt sich nach Stürzen wieder reparieren oder an Ärmel, Bundweite oder Hosenlänge anpassen – ohne Beeinträchtigung der Wasserdichtheit. Selbst gebrauchte Kletterseile werden in unterschiedlicher Weise einer neuen Verwendung zugeführt.

Franz Zehetmayer, Präsident

corona: Alle Maßnahmen für bergsport und hütten tagesaktuell auf oetk.at

Das Programm der „Bergwelt“ tagesaktuell direkt am Smartphone. Weihnachten steht vor der Tür. Eine gute Gelegenheit in der Bäckerstraße vorbei zu schauen und das eine oder andere Geschenk zu entdecken.

Weihnachten ist eine stille Zeit, eine Zeit der Rückbesinnung auf das, was die Pandemie mit uns allen gemacht hat. Die Einschränkungen haben an unserer seelischen und psychischen Gesundheit gezerrt. Kinder und Jugendliche leiden massiv unter dem Bewegungsmangel. Die Vier- bis Fünfjährigen bewegen sich laut einer Studie nur noch 63 Minuten pro Tag – vor dem Lockdown waren es 189 Minuten, also das Dreifache! Unternehmen wir nichts, kann dies zu enormen Folgeschäden im Erwachsenenalter führen. Wir haben deshalb unser Ausbildungsprogramm speziell auf die geänderten Bedürfnisse adaptiert. Der ÖTK ermöglicht unter anderem auch Menschen, die in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt sind, den Zugang zum Klettersport. Auch Ergotherapie ist Bestandteil unseres Angebots mit über 400 Kursen und Touren in 25 Freizeitsportarten. Dass sich Sport auf die Anfälligkeit für Infektionskrankheiten auswirkt, ist mittlerweile beweisen. Einer US-Studie zufolge haben Menschen, die nie Sport machen, im Vergleich zu Sportlern eine dreifach erhöhte Sterblichkeit. Wer nichts mit Klettern am Hut hat, der kann sich mit unseren wöchentlichen Fitness-Einheiten fit halten. Wir erleichtern jetzt allen Interessierten den Zugang zu unseren Leistungen:

Gemeinsam mit dem Sportministerium wurde der sog. „Sportbonus“ geschaffen, eine Förderung, die bis zu 75 % des ÖTK-Mitgliedsbeitrages fördert. Der ÖTK übernimmt als einziger Verein die restlichen 25 %! Die ÖTK-Mitgliedschaft ist für Neumitglieder 2021 und 2022 gratis. Die einmalige Aktion ist befristet bis 31.12.2021. Ein ideales Geschenk! Nähere Informationen auf

www.oetk.at

Das ÖTK-Team wünscht allen einen bewegungsreichen Herbst und einen schönen Jahresausklang, herzlichst,

Ihr Franz Zehetmayer

Vom

Schnell im Schnee: Rodeln ist eine Alternative zum Skifahren. Rodelfieber rolf Majcen hat großartige Alpenbahnen entdeckt. gepackt

Ich bin Jurist in Wien, Naturliebhaber und Bergsportler und habe im Dezember 2018 das Rodeln als neues Hobby in unerwarteter Dimension entdeckt. Ich wollte meiner Lebensgefährtin Jin Lan die Schönheit der Alpen im Winter zeigen. Sie kann nicht Skifahren. Alternativen? Ja, warum nicht rodeln! Aus der spontanen Idee wurde eine Alpentour, die uns zu 18 Rodelbahnen in den Alpen geführt hat. Jin Lan war begeistert. Sexten, Sterzing, Zermatt, Grindelwald, Bergün, Wildkogel-Arena/Neukirchen–Bramberg, und die Fideriser Heuberge in Graubünden waren nur einige der Gegenden, in denen wir so glücklich gerodelt sind. Insgesamt flitzten wir in wenigen Tagen 150 Kilometer bergab, schneestaubend den schönsten Alpentälern entgegen, zwischen Dolomiten,

Mit der Smaragdbahn in Bramberg (Pinzgau) geht es auf knapp 2100 m Seehöhe. Dort beginnt die längste beleuchtete Rodelbahn der Welt - 14 km!

Rodeln am Gornergrat (Rotenboden, 2819 m Seehöhe) mit Blick auf das Matterhorn! Ortler, Eiger-Nordwand und Matterhorn. Das waren Abfahrten in überwältigender Landschaft und das Miteinander aus Fahrtwind, Fliehkraft, Konzentration, Adrenalin, Spaß und verwirbeltem Schnee zog uns vollkommen in den Bann.

Superlative in Bramberg und Grindelwald Bramberg am Wildkogel hat die längste Rodelbahn von Österreich. 14 km Abfahrt und 1300 Höhenmeter. Dazu kommen das herrliche Bergpanorama und der pittoreske Tiefblick in den Pinzgau. Bei Nacht, wenn sich die Lichter in den kleinen Bergdörfern vom Schwarz der Dunkelheit abheben und man dem Tal entgegen rodelt, wirkt das ganz besonders schön. Die „Big Pintenfritz“ in Grindelwald ist mit 15 km und 1441 Hm die längste Schlittenbahn der Welt. Schon die Auffahrt mit

Links: Jin Lan am Fuß der mächtigen Felsbastion des Heiligkreuzkofel (2907 m) bei Pedratsches, Dolomiten.

Nach einer fantastischen Auffahrt mit der Gondel von Grindelwald nach First (2168 m) steigt man auf bestens präparierter Trasse in einer Traumlandschaft auf das Faulhorn (2681 m). Danach beginnt die Abfahrt über die 15 km lange „Big Pintenfritz“ und die Viertausender stehen Spalier. Weltweit einzigartig!

der Seilbahn zum First (2167 m) und der Blick auf die Viertausender im Umfeld sind mitreißend. Von der Bergstation führt eine gut präparierte Schneespur bis zum Faulhorn (2681m). 2 ½ Stunden dauert der Marsch, bei dem man die Rodel hinter sich nachzieht, und der fantastische Blick zur EigerNordwand bleibt unvergesslich. Oben angekommen fährt man los, Richtung Bachalm und weiter bis Busstation Weidli, oberhalb von Grindelwald. Rodeln, rodeln, rodeln im Banne des berühmten Berner Dreigestirns Eiger, Mönch und Jungfrau. Da dringt eine spezielle Herrlichkeit in die Gefühlswelt, und der Fahrtwind treibt einem die feinen Schneekristalle, die beim zarten Bremsen auf der so harmonisch angelegten Strecke aufgewirbelt werden, ins Gesicht. 2019 hat mich die Rodel-Leidenschaft zu 26 neuen Gebieten im Al-

Die Rodelbahn am Loser bietet mit 9 km die längste Abfahrt der Steiermark.

Nachrodeln ist ein ganz besonderes Erlebnis! In Hainzenberg im Gerlostal hat man wunderschöne nächtliche Tiefblicke in das Zillertal!

9 km Abfahrt auf der „Rudi Run“ von der Plose bei Brixen. Auch am Roßkopf bei Sterzing und vom Speikboden im Ahrntal kann man fast 10 km lang bergab rodeln!

penraum gebracht. Begonnen hat das Abenteuer im Februar in klarer Nacht unter funkelnden Sternen auf der 7 km langen Gerlosstein-Rodelbahn in Hainzenberg. Das magisch beleuchtete Zillertal aus hoch oben gelegener, tief verschneiter Berglandschaft betrachten zu können, und der Fahrtwind in der stillen Nacht bleiben unvergesslich. Tags darauf war ich in den Bayrischen Voralpen. Die Wallbergbahn brachte mich von Rottach-Egern auf den Wallberg. Weder das Wetter noch die Szenerie mit dem dunkelblauen Tegernsee hätten schöner sein können. Ich schaute und staunte, dann ging es auf zwei Kufen sportlich anspruchsvoll auf fein präpariertem Schnee ins Tal. Ich war hingerissen von der Bahn, die zu den längsten Deutschlands gehört. Nach dem Abstecher über die Staatsgrenze kam ich in die Silberregion Karwendel, nach Pillberg bei Schwaz, um die Kellerjoch-Naturrodelbahn kennenzulernen. Ich startete beim Hecherhaus und erfreute mich der nordseitig gelegenen Bahn. Tief unter mir lag das Inntal und nördlich davon präsentierte sich das Karwendel mit seinen felsigen Bergflanken, ausgedehnten Wäldern und sanften Almwiesen in wilder, erhabener Schönheit. Zu Mittag war ich in Neustift im Stubaital, stieg bei der Elferbahn-Bergstation aus und war gleich verliebt beim Anblick der wuchtigen Kalkbastion des Serleskammes. Genießen. Erst dann auf die Rodel setzen. Antauchen. Fahrt aufnehmen. Und über die schnellen Kurven der 8 km langen Rodelbahn durch idyllischen Tiroler Bergwald bergab düsen. Genial! Nach der beherzten Schlittenfahrt fuhr ich ins Pitztal, zweigte in Jerzens ab und konnte am späten Nachmittag im Skigebiet Hochzeiger aussichtsreichen Rodelspaß im schönsten Zirbenwald genießen. Kein Wunder, werden doch der Zirbe, die liebevoll „Königin der Alpen“ genannt wird, positive Effekte auf das menschliche Wohlbefinden und harmonisierende Eigenschaften nachgesagt. Und auch diese 6 km lange Rodelbahn ist mit dem NaturrodelbahnGütesiegel des Landes Tirol ausgezeichnet. Abends bog ich auf meiner Reise in die Ostschweiz noch ins Montafon ab, um in St. Gallenkirch Bekanntschaft mit Vorarlbergs längster beleuchteter Nachtrodelbahn zu schließen. Und es war Liebe auf den ersten Blick, weil die 6 km lange Bahn perfekt präpariert und die Nacht sternenklar war.

Weiter in die Schweiz Trotz minus 6 Grad schlief ich wieder im Auto. In Jakobsbad, bei der Kronbergbahn im Schweizer Kanton Appenzell, kochte ich im Auto am Gaskocher zum Frühstück Spiegeleier. Und schon kurz nach acht Uhr stand ich am Kronberg und ließ die atemberaubende Kulisse des Alpsteinmassivs mit der ver-

schneiten Säntis-Westwand auf mich wirken. Der Kronberg ist bekannt für seine faszinierende Aussicht. Dann stürzte ich mich inmitten der bezaubernden Winterlandschaft jauchzend ins Rodelvergnügen und sauste diese Schlittelbahn, die zu den längsten in Graubünden zählt, hinunter. Ja, mit einem „L“, denn in der Schweiz sagt man „schlitteln“. Nach dem vergnüglichen Morgen fuhr ich nach Chur und freute mich, dass die Rodel-Alpentour so optimal begonnen hatte. Das Faszinierende am Rodeln ist die Naturverbundenheit, wenn du in hochalpiner Landschaft losfährst und dein Körper kilometerlang auf dem Schlitten die Feinarbeit des Bremsens, Beschleunigens und Steuerns leistet; und all deine Sinne von einer Vielzahl intensiver Reize und vom Glücksgefühl berauscht sind.

In Chur schwebte ich mit der Gondel direkt aus der Altstadt auf den Brambrüesch und rodelte den langen Schlittelweg zur Mittelstation Känzeli hinFortsetzung mit Tochter Livia Drei Wochen später setzte ich die Rodeltour fort, diesmal nicht allein, sondern in Begleitung von Tochter Livia. Die damals 14-Jährige hatte so etwas noch nie gemacht. Und sie war begeistert. Wir starteten im Ennstal bei der langen Galsterberg-Rodelbahn und verlegten gleich danach nach Obertauern zur Gnadenalm, wo wir per Skidoo – sehr aufregend – zum Start der Rodelbahn chauffiert wurden. Anschließend hielten wir noch in Radstadt, fuhren mit der Gondel bei einbrechender Dunkelheit hinauf zum Beginn der Königslehen-Rodelbahn – es war ein zauberhaftes Erlebnis dort im Schein der vielen Lichter, gemeinsam mit der Tochter, ins Tal zu rodeln. Tags darauf zeigte ich Livia Bramberg: 14 km Abfahrt, so aussichtsreich, so phänomenal. Wegen der optimalen Verhältnisse gönnten wir uns diese Gaudi noch ein zweites Mal, bevor wir nach Stainach am Brenner fuhren, um uns dort auf Wochenende wieder gemeinsam mit Jin Lan. Die spektakuläre Abfahrt vom Piz Sorega nach Sankt Kassian in den Dolomiten, zuerst mit MarmoladaBlick, später mit Heiligkreuzkofel-Felswandpanorama. Dann: Die wunderschöne Rodelstrecke vom Raschötz nach Gröden, eingebettet in den Naturpark Puez-Geisler und überragt von der Felsbastion der Langkofelgruppe. Zu Mittag: Die aussichtsreiche Bahn im Skigebiet Meran 2000. Und um 16 Uhr: Das Rodelabenteuer am Erlebnisberg Watles im Vinschgau, mit OrtlerPanorama und unglaublichem Tiefblick in den Vinschgau. Und am Sonntag? Herrliche Bergwelt und abwechslungsreiche, lange Tiroler Rodelbahnen in Serfaus und See im Paznauntal und das Finale am Astberg in Going. Eine großartige Rodel-Alpentour 2019 mit 26 neuen Touren und 160 km Abfahrt ging damit vor der Felskulisse des Wilden Kaisers zu Ende! Wieder wurden unzählige Au-

Die Astberg Rodelbahn begeistert mit dem Blick zum Wilden Kaiser. Auf halbem Weg nach Bramberg ist für Rodler Zeit für eine „Zwischnzeit“ bei kleinen Snacks und heißen Getränken. Rodelbahnen sind extra gekennzeichnet. Sie werden vor atypischen Gefahren gesichert und üblicherweise gut präpariert.

unter. Er war großartig, mit seinen rasanten Abfahrten, schwungvollen Kurven, gemütlichen Zwischenstrecken und der eindrucksvollen Aussicht in die herrliche Bündner Bergwelt und ins Churer Rheintal. Das knapp 17 Auto-Minuten entfernte Rhäzüns war mein nächstes Ziel. Aber nur, um von dort mit der Luftseilbahn ins kleine Bergdorf Feldis zu gelangen, wo es mehrere ungemein reizvolle Rodelbahnen am Hausberg Mutta gibt. Ich war von den dortigen Schlittelwegen tief bewegt, und die harmonische Landschaft trug viel dazu bei. Am späten Nachmittag hielt ich noch in Lenzerheide, gondelte zuerst auf das Rothorn (2850 m) hinauf: Prachtpanorama! Dann ging es am Schlitten von der Mittelstation Scharmoin außergewöhnlich schnell zurück und mit dem Auto weiter in die Dolomiten zum Skifahren. der langen Bergeralm-Rodelstrecke zu vergnügen. Zum Schluss rast man mit dem Schlitten unter einer mächtigen Autobahnbrücke hindurch. Am späten Nachmittag hielten wir noch südlich des Brenners, in Ladurns, im wunderschönen Südtiroler Pflerschtal, und hatten auf der abwechslungsreichen Rodelbahn nicht nur richtig viel Spaß, sondern auch eine beeindruckende Aussicht auf den Tribulaun. Sonntag – Heimreisetag, doch zuerst rodelten wir noch im Südtiroler Jaufental. Und oberhalb von Meransen, am Gitschberg in den südlichen Zillertaler Alpen, mit herrlichem Fernblick in die Dolomiten. Und hielten noch in Alta Badia zum Skifahren.

Mit Jin Lan in die Dolomiten Den letzten Teil meiner Rodel-Alpentour 2019 erlebte ich an einem Märzgenblicke zu einem großartigen Gesamterlebnis.

47 Rodelbahnen sind noch lange nicht genug Heute kann ich auf 47 verschiedene Pisten und mehr als 300 Abfahrtskilometer zwischen Semmering und Matterhorn zurückblicken. Wären der schneearme Winter 2019/2020 in der Schweiz und Corona nicht dazwischengekommen, wären es wohl schon 70. Nach zweijähriger Pause brennt die Leidenschaft umso stärker, und ich kann es kaum noch erwarten, meine Reise als „Alpenrodler“ endlich wieder fortzusetzen, um die langen Schlittelwege auf Klewenalp, Fiescheralp, Rigi, Belalp, Rosswald, Niederhorn, Kandersteg, Adelboden und in Grindelwald gegenüber dem Lauberhorn kennenzulernen. ❙

Große Aussichten für wenig Schweiß: Skitouren und Schneeschuhwandern in den sanften Von Nock zu Nock Erhebungen der Nockberge

Von Andrea (Text) und Andreas strauß (Fotos)

Scheinbar ganz nah: die Gipfel der Hohen Tauern. Besonders prominent die Hochalmspitze.

Es weht ein frisches Lüftchen aus Sibirien. Die Schneekristalle, die es vor sich hertreibt, bläst es uns mit voller Kraft ins Gesicht. Obwohl die Sonne scheint, herrschen eisige Temperaturen. Von wegen „liebliche Tourengegend für Anfänger und Genießer“ und „auch bei ungünstigen Verhältnissen lohnend“ oder „Winterspaß mit hohem Wohlfühlfaktor“! Wer auch immer die Lockrufe für die Nockberge geschrieben hat, kennt sie nicht an Tagen wie diesen, wenn die kleinen

Eiswind pfeift über den Kamm oberhalb des Rosanintals. Immerhin ist der Königstuhl schon in Sichtweite.

Berge so tun, als würden sie zu den ganz Großen gehören.

Die Nockberge. Eine kleine Gebirgsgruppe in den Niederen Tauern. Wo man drüben in den Hohen Tauern losgeht, schenkt man hier schon den Gipfeltee ein. Mit 2441 Metern ist der Eisenhut auf der Steiermarker Seite der höchste Gipfel. Auch die Bergformen haben wenig gemein mit den Felsflanken und den scharfen Graten auf der westlichen Seite der Tauernfurche. Rosennock, Klomnock & Co. sehen eher aus wie die bekannte Salzburger Süßspeise. Oder, wer die Salzburger Nockerln nicht kennt: wie ein Kinderpopo. Ein Kinderpopo, an dem drei Bundesländer Anteil haben: Salzburg, Steiermark und Kärnten. Ein despektierliches Urteil? Nein, überhaupt nicht. Denn sowohl als Tourengeher wie auch als Schneeschuhwanderer schätzen wir gleichmäßige Neigungen, schön verschneite Almweiden, sanfte Rücken und Gipfel, auf denen wir die Pause genießen können, ohne uns

Die letzten Minuten hinauf zum Falkertgipfel.

auch nur ganz kurz die Frage stellen zu müssen: „Wie komme ich hier wieder herunter?“

Zudem herrschen gerade im Hochwinter nicht immer die sichersten Lawinenverhältnisse, sodass man um ein schönes Ausweichziel froh ist. Im Fall der Nockberge soll es sogar Tourengeher geben, die auch dann ihre Spuren in die Hänge ziehen, wenn die Verhältnisse für noch bekanntere, wildere Berge passen und es gar keine Notwendigkeit zum „Ausweichen“ gibt. Zu groß für eine Woche Jetzt sausen uns also am Falkert die Schneekristalle um die Nase. Sie kommen waagrecht und finden jede Lücke zwischen Anorak, Mütze und Sonnenbrille. Gestartet sind wir heute Morgen von der Kärntner Seite, aus St. Oswald oberhalb von Bad Kleinkirchheim. Durch einen Talboden, dann über ei-

nen freien Hang und zuletzt auf einem Rücken geht es zu diesem schönen Gipfel hinauf. Nicht ganz tausend Höhenmeter in perfektem Einsteiger- und Genießergelände, wenn nur der Wind nicht wäre. So richtig zeigt er ab der Hundsfeldscharte die Zähne. Oben auf den letzten Metern zum Gipfelkreuz hat er aber auch für einen echten Eistraum an den Felsen gesorgt. Als wären unzählige Eischneeflocken von den Salzburger Nockerln aus Versehen nicht in der Backform gelandet, sondern hier am Falkertgipfel. „Ziemlich wild für einen Nock!“, stelle ich fest. Ich hatte noch viel rundere Formen erwartet. Kinderpopo eben. Aber zumindest der Falkert ist ein richtiger Berg! Ob die anderen Nocken ähnlich felsige Seiten haben? Eine

Und morgen? Am Falkert lassen sich die Gipfel rundum bestimmen.

Im Sommer wie im Winter beliebt: das Rosanintal mit dem Königstuhl.

knappe Woche haben wir Zeit, um das zu erkunden. Für alle Skitourengipfel der Nockberge wird die Woche bei Weitem nicht reichen, allein der ehemalige Nationalpark Nockberge umfasst fast 200 Quadratkilometer Fläche. Der Nachfolger „Biosphärenpark Salzburger Lungau und Kärntner Nockberge“ hat 1500 km² – viel zu groß für nur eine Woche. Aber im weiteren Kammverlauf westlich des Falkert werden Klomnock und Rosennock sicher noch Teil unserer Erkundungen werden, das Gelände sieht ausgesprochen attraktiv aus. Als Tourengeher teilen wir uns einige der Nockberg-Gipfel mit Winterwanderern und Schneeschuhgehern: Die Geländeformen geben es her und überlaufen sind die Nockberge deshalb noch lange nicht. Nockn-Haute-Route Ein paar Tage später haben wir uns an die eisigen Grüße aus Sibirien gewöhnt, trösten uns damit, dass es auf den höheren Gipfeln noch viel ungemütlicher ist und brechen unbeeindruckt vom Wind zur langen Kammwanderung auf den Königstuhl auf. Nur 600 Höhenmeter trennen uns am Ausgangspunkt bei der Dr.-Josef-Mehrl-Hütte vom Gipfel. Das Übliche wäre, den Weg durchs Rosanintal anzusteuern, bis in die Königstuhlscharte zu gehen und in einer Viertelstunde zum höchsten Punkt zu steigen – aber das tägliche Pensum an Nocken erreicht man nur bei der Über-

schreitung Stubennock – Sauereggnock – Seenock – Friesenhalshöhe – Königstuhl. Ein herrliches Schaulaufen, das einer Nockn-Haute-Route gleichkommt. Abgesehen vom Eiswind ist das für mich ohnehin das Beeindruckendste in den Nockbergen: große Aussicht für wenig Schweiß. Nicht erst vom Königstuhl, sondern schon lange vorher blicken wir auf die Zackenreihen der Julischen Alpen und der Dolomiten, sehr markant auf den Ankogel und auf die Dachsteingruppe im Norden. Drei Bundesländer überblicken wir vom Königstuhl sowieso, denn am Gipfel tref-

Die Dr.-Josef-Mehrl-Hütte.

Der Steinnock. Wie so viele Gipfel in den Nockbergen für Tourengeher und Schneeschuhwanderer ein tolles Ziel.

In den windgeschützten Flanken erwartet uns herrlicher Pulverschnee.

fen Salzburg, Steiermark und Kärnten aufeinander. Der Pulverschnee in der Abfahrt durchs Rosanintal dagegen ist rein Salzburgerisch und fluffig weich wie die Süßspeise.

Am Weg zum Eisenhut.

Endlich passt die Werbung Winterspaß mit hohem Wohlfühlfaktor erwartet uns am letzten Tag der Tourenwoche. Endlich passen Werbung und Wirklichkeit zusammen. Ausgerechnet am Eisenhut, dem höchsten Gipfel der Nockberge, erleben wir die Nockn von ihrer zahmsten Seite. Windstill und fast warm ist es, die Sonne scheint, im südseitigen Hang findet sich ein herrliches Jausenplätzchen. Den dicken Anorak können wir nicht nur öffnen, sondern sogar für eine Weile ausziehen.

Heute kosten wir die Vorzüge der Region aus. Das gutmütige Gelände, die weiten Blicke, die meist beschauliche Gesamtlänge und auch den hohen Standard, wenn es an die Jausn geht. Im Rucksack warten frisches Bauernbrot und zwei verschiedene Käsesorten aus der Region, von glücklichen Kühen, die irgendwo hier in den Bergen den Sommer verbringen. Vielleicht passen in die 1100 Höhenmeter zwischen Ausgangspunkt und höchstem Punkt des Eisenhuts ja sogar zwei Pausen? Der Rucksack ist jedenfalls ausreichend gefüllt mit Köstlichkeiten. ❙

empfehlenswerte wintergipfel in den Nockbergen:

Öffentliche Anreise: Bahnverbindung bis Tamsweg im Norden oder Spittal an der Drau im Süden. Ab hier Busverbindung zu den Talorten. Die Ausgangspunkte der Skitouren sind meist kaum öffentlich erreichbar. Mit dem Auto: Aus dem Bereich der Tauernautobahn A 10 nach Osten, entweder über die Bundschuh-Landstraße oder die Turracher Straße. Die Nockalmstraße hat Wintersperre. karten/Führer: Freytag & Berndt, WK 222 „Bad Kleinkirchheim, Biosphärenpark Nockberge“, 1:50 000; Gerald Sagmeister, Christian Wutte, Kärnten West, Radstädter Tauern bis Karnischer Hauptkamm, 50 Skitouren, Bergverlag Rother, München 2014. infos zum biosphärenpark: Biosphärenpark Nockberge, Tel.: +43 4275 665,

www.biosphaerenparknockberge.at

Falkert, 2308 m

10 km, 3–4 Stunden, 900 Höhenmeter, mittelschwer Ausgangspunkt: Parkmöglichkeit nördlich von St. Oswald, am Beginn der Forststraße zum Falkerthaus, ca. 1380 m

einkehrmöglichkeit/Übernachtung:

Falkerthaus, Tel.: +43 676 5724090, www.

falkerthaus.at

schwierigkeit: überwiegend einfache Hänge, nur der Gipfelanstieg kann bei wenig Schnee felsig sein, daher mittelschwer.

königstuhl, 2336 m, mit Überschreitung stubennock – seenock

11 km, 3–4 Stunden, 800 Höhenmeter, einfach Ausgangspunkt: Parkplatz bei der Dr.-Josef-Mehrl-Hütte, 1730 m

einkehrmöglichkeit/Übernachtung:

Dr.-Josef-Mehrl-Hütte, Tel.: +43 4736 320,

www.alpenverein.at/wien/

schwierigkeit: einfaches Gelände, das bei normalen Verhältnissen auch für Einsteiger geeignet ist.

eisenhut, 2441 m

11 km, 4–5 Stunden, 1100 Höhenmeter, mittelschwer Ausgangspunkt: Parkplatz der Turrachbahn, 1390 m schwierigkeit: eine mittelschwere Tour mit wenigen steileren Passagen. Bei schlechter Sicht ist allerdings abzuraten.

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