12. Jahrgang • 1/2011 • Nr. 39 (März) 5,50 EUR/7,50 SFr (Einzelpreis)
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THE R ACE he ißt jetzt und erscheint v iermal pro Jahr
oora
Die christliche Zeitschrift zum Weiterdenken
Grün
Gottes Lieblingsfarbe
Mönch und Vermögensverwalter Anselm Grün: »Zehn Prozent Rendite sollten schon rausspringen« Seite 22
Wut auf Gott Wenn das Anzeigelämpchen aufleuchtet Seite 34
Sie Model, Er Musiker Interview mit Corrine und Matt Roush Seite 40
Teste dich selbst:
Wie grün bist du? So geht der Test: Kreuze an, wie du in den unterstehenden Situationen am ehesten reagieren würdest. Die Auswertung findest du auf Seite 5.
1.) Es ist Mai und du siehst, wie ein Maikäfer eine Straße überquert, auf der nur hin und wieder mal ein Auto fährt. Er ist schon fast bis zur Mitte gekommen.
4.) Kennenlern-Essen bei den zukünftigen Schwiegereltern. Die Dame des Hauses hat einen Rinderbraten gezaubert. Du fragst freundlich nach, ob das Fleisch vom lokalen Metzger oder der Discounter-Tiefkühltruhe stammt. Als man dir gesteht, dass es vom Discounter ist, erklärst du mit fester Stimme, dass du es dann nicht essen kannst, da die Tiere mit Sicherheit nicht artgerecht gehalten wurden. (c)
Du hebst den Maikäfer behutsam auf und bringst ihn auf die andere Straßenseite. Dort setzt du ihn mit dem Gefühl, etwas Gutes getan zu haben, ins Gras. (b) Dieses Kriechzeugs ist dir egal. Dass du das Tier überhaupt bemerkt hast, zeigt dir, dass du schon viel zu sehr von diesem grünen Zeitgeist eingenommen bist. Der Maikäfer kommt sicher auch ohne dich klar. (a)
Braten? Geil. Du bist überzeugt: Mit so einer Schwiegermutter sieht die Zukunft mehr als rosig aus. (a)
Als ein Auto naht, stellst du dich zwischen Stahlross und Maikäfer, hältst so den Autofahrer an und machst ihn auf den armen Maikäfer, der fast sein Leben hätte lassen müssen, aufmerksam. Du fragst den Autopiloten, warum er nicht schon längst aufs Fahrrad umgestiegen ist. (d)
Du verzichtest eigentlich auf Rinder- und Schweinefleisch und ziehst umweltfreundliches Geflügel und Fisch vor. Um allerdings höflich zu sein, isst du ausnahmsweise ein Stück von dem Braten und büßt dieses Vergehen, indem du im kommenden Monat keinerlei Fleisch anrührst. (b)
Du fragst dich, wie der Maikäfer auf die Straße gekommen ist und notierst dir, das Thema beim nächsten Naturschutzbund-Abend zur Sprache zu bringen. Es kann nicht sein, dass Maikäfer nicht besser geschützt sind. (c)
2.) In den Nachrichten erfährst du, dass dein Lieblings-Klamottenladen Zwangsarbeiter in Indonesien beschäftigt und ausbeutet. Du hast es eigentlich immer schon geahnt: Solche Preise sind nicht anders zu realisieren, als mit billigen Arbeitskräften auf der Südseite unseres Planeten. Du gründest umgehend eine Facebook-Seite, die gegen das Unternehmen mobil macht und organisierst außerdem noch für diese Woche eine Demo vor der örtlichen Filiale. (d)
Blumen gehören für dich aufs Feld und nicht in die Vase. Diese hier entstammen mit großer Wahrscheinlichkeit einem riesigen holländischen Gewächshaus und sind maßlos überzüchtet. Aber daran hat der Schenker wohl nicht gedacht. (c)
Du beschließt noch während der Nachrichten, niemals wieder einen Fuß in eine ihrer Filialen zu setzen. Später sortierst du alle Kleidungsstücke aus, die du in dem Laden gekauft hast und wirfst sie in den Müll. (b)
Du wunderst dich über den Brauch, anderen Blumen zu schenken – mit Grünzeug konntest du noch nie etwas anfangen. Du freust dich zwar über die Aufmerksamkeit, fändest irgendetwas Materielles aber besser. Der Schenker scheint dich nicht sonderlich gut zu kennen. (a)
Du fühlst dich daran erinnert, wie schlecht und dunkel die Welt ist. Da aber heute jeder alles Mögliche behaupten kann, recherchierst du erstmal im Internet, ob die Information überhaupt stimmt. Als sich die Indizien verdichten, dass es wirklich so ist, beschließt du, dort nicht mehr einzukaufen. (c)
Für dich sind riesige Blumensträuße das Schönste überhaupt und du riechst sofort an ihrem betörenden Duft. Jedes Mal wenn du das Geschenk erblickst, freust du dich von Neuem. (b)
Dass die auch immer dieselbe alte Leier bringen müssen?! Du bist überzeugt, dass es keinen großen Konzern gibt, der seine Produkte nicht auf dem Rücken der Armen und Schwachen produziert und es deshalb überhaupt keinen Unterschied macht, wo du einkaufst. (a) 2
3.) Zum Geburtstag überreicht ein Freund dir einen üppigen, teuren Blumenstrauß.
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Du bist entsetzt. Diese Blumen sind ohne Wurzeln doch dem sicheren Tod geweiht, und dienen die kurze Zeit bis dahin nur der eigenen menschlichen Selbstsucht. Das findest du wenig nachhaltig, rücksichtslos und einfach nur egoistisch, zumal der Strauß sicher mega-teuer war. (d)
Fleisch ist für dich ein absolutes No-Go. Das hattest du den zukünftigen Schwiegereltern eigentlich auch mitteilen lassen. Keine Ahnung, was da schief gegangen ist. Du lehnst den Braten entschieden ab und hältst einen Vortrag darüber, wie argentinisches Rindfleisch in großem Umfang zu der bevorstehenden Klimakatastrophe beiträgt. (d)
5.) Du stehst beim Einkaufen im Supermarkt vor dem Eier-Regal und hast die Wahl zwischen dem 6er-Pack Bio-Eier für 2 Euro oder dem 10erPack aus Käfighaltung, der lediglich 1,20 Euro kostet. Du kaufst natürlich die Bio-Eier. Du hättest kein gutes Gewissen, wenn du – nur um ein paar Cent zu sparen – die Qualen der Käfighühner einfach so in Kauf nehmen würdest. (b) Das ist schwierig, denn auch bei Bio-Eiern ist nicht unbedingt klar, dass die Hühner ein glückliches Leben führen. Deshalb kaufst du Eier nicht im Supermarkt, sondern direkt beim Bauern. (c) Bio ist ja fast dreimal so teuer wie ein einfacher 10er-Pack. So einen Luxus kannst du dir nicht leisten. Du kaufst die preiswerten Eier, ist doch klar. (a) Du lebst vegan und kaufst gar keine Eier, weil du der Meinung bist, Eier zu essen sei anormal. Die armen Hühner können schließlich nichts dafür, dass das größte Raubtier aller Zeiten – der Mensch – ihnen die Eier wegnimmt und verspeist. (d)
Editorial Das Team von links nach rechts: Matthias, Anne, Jörg, Anneke, Michael, Johanna
Hooray! // Nun hältst du die erste Ausgabe mit neuem Namen und neuem Cover in deinen Händen. Dies ist das Ergebnis unserer Suche als Redaktionsteam nach einem neuen Gewand für eine unabhängige und herausfordernde Nachfolgerzeitschrift. Den Weg von THE RACE zu oora kannst du auf Seite 51 nachverfolgen. Schwerpunktmäßig geht es in dieser Ausgabe – wie man auf dem Cover bereits erkennen kann – um das Thema »Grün«. Dabei war »Grün« eigentlich schon weg. Es hatte bei der Abstimmung unter uns Redakteuren einen der hinteren Plätze belegt. Am Ende war dann aber doch »Grün« auf dem Flipchart als Heftthema für die Märzausgabe markiert, nachdem wir als Redaktionsteam die Auswahl der Heftthemen eingehend diskutiert hatten. Haben wir uns von der politischen und gesellschaftlichen Grünwelle mitreißen lassen? Könnte sein, aber bei dem Test, wie grün wir sind, ist keiner von uns als militanter Grün-Fanatiker entlarvt worden (siehe links). Auch bei der Auseinandersetzung mit der Partei »Die Grünen« war uns eine ausgewogene Betrachtung wichtig (S. 20). Vielmehr beschäftigt uns, welche Auswirkungen der Schöpfungsauftrag auf unsere Nachfolge hat und damit verbunden die Frage: Lohnt es sich, eine sterbende Schöpfung zu retten? In dem überraschenden Artikel (S. 10) und dem anschließenden Interview (S. 13) entdecken wir dabei viele neue Antworten. Aber auch neue Fragen. Wir sind gespannt auf deine Gedanken dazu auf unserer Facebook-Seite. Darüber, dass Anselm Grün (S. 22) in die Ausgabe hineingekommen ist, reiben wir uns immer noch verwundert die Augen. Ebenso über seine Aussagen zum Thema »Finanzen«. Auch er hatte bei der Abstimmung der Artikelthemen lediglich einen der hinteren Ränge belegt. Wie er es doch noch geschafft hat, einen Platz in dieser Ausgabe zu bekommen, bleibt wohl unser Geheimnis.
Geschenk für Abonnenten Für alle Abonnenten liegt ein kleines Impulsheftchen »Umweltfreundlich« bei, um euch in eurem »grünen Alltag« zu unterstützen. Mit freundlicher Unterstützung des Down to Earth Verlags: www.down-to-earth.de
Wir wünschen dir viel Spaß bei der Lektüre und freuen uns neben dem neuen Namen auch darüber, jetzt viermal im Jahr bei dir im Briefkasten zu landen. Dein oora Redaktionsteam
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Inhalt
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Artikel, die mit dem Lautsprecher gekennzeichnet sind, gibt es als Audioversion in iTunes und auf www.oora.de/audio.
Schwerpunkt: Grün 6
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Weihnachten
Daniel Hufeisen
Kolumne: Axel Brandhorst
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Und es war Grün
30
Plan B
Psychologische Bedeutung der Farbe Grün Michael Zimmermann
Ines Emptmeyer
10
Immer auf Erden
33
Sandkuchen
Unfair
Quergedacht
Globale Nächstenliebe beginnt beim Konsumieren
Wie die Auferstehung den Umgang mit der Schöpfung beeinflusst Ben Müller
Was wäre, wenn der Ort der Ewigkeit unsere Erde wäre und nicht irgendeine undefinierte Dimension? Eine steile, aber – so zeigt dieser Artikel – berechtigte These.
13
Der Plan vom Ende
Interview mit dem Endzeit-Experten Martin Scott Interview: Martin Preisendanz
16
Grünschnabel oder reife Persönlichkeit?
Wie wir reif werden Kerstin Hack
20
Die Grünen
Warum ich (nicht) grün wähle
Frank Braun / Benjamin Finis
22
Mönch und Vermögensverwalter
Neues aus dem Hinterhof der Geistlichkeit Single oder Traumpartner
Lyrik: Franziska Arnold
34
Wut auf Gott
Axel Brandhorst
37
Die bunte Stadt
Rebekka Preisendanz
38
Schmalspurkommunikation
Kolumne: Linda Zimmermann
40
Sie Model, Er Musiker
Interview: Debora Ruppert
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Ende im Gelände
Thesen zur Auflösung der Postmoderne
Michael Zimmermann
Wenn das Anzeigelämpchen aufleuchtet Leserportrait Nikolai Warth Unter der Oberfläche Interview mit Corrine und Matt Roush
Die typischen Überzeugungen der Postmoderne nagen beharrlich an unserem Gottvertrauen. Aber auch nicht gläubige Menschen haben die Nase voll vom »anything goes« und sind auf der Suche nach einer festen Grundlage. Eine persönliche Reflexion.
Anselm Grün Interview: Bettina Weiguny 26
Gottes Fingerabdruck
Dr. Reinhard Junker
Was uns die Natur über Gott sagt
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Wie Gott meine Pläne durchkreuzte
Kolumne: Mickey Wiese
Mein Freund Gott und ich
Details 2 5 45 50 51
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Teste dich selbst: Wie grün bist du? Gedankensturm Buchrezensionen Impressum | Leserbriefe Neues von oora
Gedankensturm | Grün
Gedankensturm
Grünes aus der Redaktion
Gedankensturm ist, wenn jeder in der Redaktion einen Begriff bekommt und dann gleich niederschreibt, was dazu im Kopf landet ... Berliner Weiße mit Waldmeistergeschmack Text: Michael Zimmermann
Ich kann mich nicht erinnern, dieses Zeug schon mal getrunken zu haben. Das ist so grün wie dieser spektakuläre WaldmeisterWackelpudding, nur zusätzlich mit weißem Schaum obendrauf, durch den man sich wohl zunächst durchtrinken muss, um an die grüne Suppe zu gelangen. Oder warte mal – trinkt man so eine Berliner Weiße nicht mit Strohhalm? Tief in meinen Gehirnwindungen ist ein solches Bild abgespeichert: eine junge Frau, die sich dieses Grüngesöff mit einem Plastik-Trinkröhrchen zuführt. Bäh! Dazu haben die zehn Jahre Berlin scheinbar nicht gereicht, dass ich mich dazu habe bekehren lassen. Aber Waldmeister erinnert mich auch an dieses Brausepulver in den kleinen Tütchen. Bestimmt extrem gesundheitsförderlich! Und sicher auch die Zutat, die in diese Berliner Weiße reingekippt wird, um es grün zu machen. So grün wie Waldmeister eben. Grüne Polizeiuniform Text: Jörg Schellenberger
Ich mag die grünen Polizisten. Umso schwerer fällt es mir, dass sie jetzt alle blau werden sollen. Dies erzählte mir Michi beim Redaktionstreffen in Nordhausen. Denn in Nordhausen sind die alle schon blau angezogen. Bei uns in Ansbach sind sie noch grün, und ich muss ehrlich sagen, ich mag die Farbe. Sie passt einfach zur Polizei. Als ich als Kind im Ausland war und man mir erklärte, dass die blau Uniformierten Polizisten sein
sollten, konnte ich es mir gar nicht vorstellen. Sie wirkten auf mich eher wie Wichtigtuer vom Sicherheitsdienst. Aber nun wird bald der Tag kommen, an dem ich mich auch an die Blauen gewöhnen muss. Ich kann es mir gar nicht vorstellen. Ich werde jetzt auf jeden Fall noch meiner Tochter erklären, dass die Polizisten grün sind. Blau werden die dann schon noch von ganz alleine. Grüne Ampel Text: Anneke Reinecker
Freie Fahrt nach dem Warten. Juhu! Kupplung kommen lassen, Gaspedal drücken, losfahren. Fühlt sich jedes Mal gut an. Zur Not hupen, wenn der Vordermann die Grünphase zu verpennen droht. Ist mir auch schon passiert – als ich auf die falsche Ampel geschaut hab, weil »meine« soweit oben hing, dass ich mir ständig den Kopf verrenken musste, um sie im Auge zu behalten. Manchmal gibt’s ne grüne Welle. Herrlich so was, besonders wenn man spät dran ist. Und dennoch zittere ich jedes Mal, ob’s nicht doch gleich auf Orange springt. Manche Grünphasen sind viel zu kurz. Das nervt. Meinen Kindern kann ich den Unterschied zwischen dem roten und dem grünen Ampelmännchen nur erklären, wenn wir in der Stadt unterwegs sind. Bei uns im Dorf gibt’s nämlich gar keine Ampeln ... Pistazieneis Text: Matthias Lehmann
Pistazieneis – was für eine Kombination zweier Gegensätze. Pistazien und Eis. Das eine ist die Knabberei an einem gemütlichen
Abend auf dem Sofa, am besten bei einer angeregten Konversation mit Freunden. Das andere hingegen ist eine fruchtig-süße Erfrischung an einem heißen Sommertag, in Badehose geschleckt am Kiosk eines überfüllten Schwimmbads. Beides für sich ist Inbegriff von Genuss und Lebensfreude, eine kleine Zelebration der Schönheit des Augenblicks. Und doch habe ich bisher weder Lust noch Mut gefunden, diese Verschmelzung aus beiden zu verkosten. Entgeht mir hier die Erfahrung des Lebensglücks in einer seiner reinsten, potenzierten Formen? Oder hält mich die Ahnung zurück, dass die Vermengung verschiedener Glückszutaten nicht unbedingt ein noch größeres Glückserlebnis, sondern vielleicht nur eine kalte, grüne Masse ergibt? Wahrscheinlich sollte ich es wagen und es einfach mal probieren. Diesen Sommer! In Badehose auf dem Sofa? Ostergras Text: Anne Coronel
Ostergras ist grün, manchmal aber auch pink oder weiß oder blau – ganz einfach dann, wenn in den Osternestern die gekochten Eier abfärben oder Wasser das Grün aus den Papierschnipseln saugt. Ostergras erinnert mich an Lametta. Fasrig, kitschig und irgendwie unbrauchbar. Sozusagen Osterlametta. Doch eine Sache brachte mich immer zum Lächeln: Wenn ich, mich über dem Papierkorb beugend, das Ostergras aus dem Osterkörbchen entfernen wollte, fand ich manchmal in den Tiefen des Ostergrasbündels eine kleine Schokoladenkugel in Glanzpapier, die sich im leicht ausgefärbten Papier verfangen hatte.
Auswertung des Tests auf Seite 2: Notiere, wie oft du a, b, c oder d angekreuzt hast. Der Buchstabe, der am häufigsten von dir angekreuzt wurde, führt dich zu deinem Grün-Typ.
a) Du bist giftgrün, man könnte auch sagen: Du stehst mit grünen Themen auf Kriegsfuß. Das ganze Umweltschutz-Zeug geht dir gehörig auf die Nerven und du willst nicht ständig an dieses leidige Thema denken müssen. Bringt doch alles sowieso nichts. Da du allerdings in diesem Test bis hierher gekommen bist, kann es gut sein, dass du mehr für grüne Themen übrig hast, als du selber zugeben möchtest.
b) Du bist hellgrün, liebst das Leben und willst unbedingt mithelfen, die Natur und alles zu schützen. Dabei bist du allerdings recht naiv und gehst so mancher Propaganda gutgläubig auf den Leim. Dein grünes Verhalten ist von deinem schlechten Gewissen gesteuert und ist meist spontan und impulsiv. Etwas mehr Reflexion würde dein Engagement fundierter machen.
c) Du bist dunkelgrün, reflektierst dich jederzeit selbst und hinterfragst auch das Engagement deiner Mitmenschen äußerst kritisch. Du lässt dich deine Recherche auf der Suche nach Wahrheit einiges kosten und bildest dir am liebsten über alles eine eigene Meinung. Für dich ist Grün denken weitaus mehr als ein Trend – es ist eine Lebenseinstellung.
d) Du bist olivgrün, quasi ein militanter Grün-Fanatiker. So grün, dass es kaum noch grüner und vor allem aufdringlicher geht. Du agierst missionarisch und hast eine einseitige Sichtweise, von der du nicht abzubringen bist. Um dein Grün sein sozial verträglicher und somit nachhaltiger zu machen, könnte dir und deiner Umwelt etwas mehr Zurückhaltung nicht schaden.
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Gr체n | Unfair
Wenn das T-Shirt, das ich trage, vorher schon von einer N채herin in Bangladesch in den H채nden gehalten und bearbeitet wurde, dann wird sie damit zu meiner N채chsten.
Textilindustrie Asien: Vom Kokon bis zur Kleidung in einer Seidenfabrik in Suzhou, China. 6
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Unfair | Grün
Unfair Globale Nächstenliebe beginnt beim Konsumieren Text: Daniel Hufeisen
Audioversion unter www.oora.de/audio
Die Welt ist voller Probleme. Unsere Umwelt zerstört. Unsere Mitmenschen auf fernen Kontinenten geplagt. Für den Funken Hoffnung können wir trotzdem sorgen. // Alle drei Sekunden stirbt ein Kind an Hunger. Im Kongo herrscht seit über zehn Jahren der Krieg mit den meisten Todesopfern seit dem zweiten Weltkrieg. Kinder aus Mali werden in die Elfenbeinküste verkauft, um auf Kakaoplantagen zu arbeiten. In Bangladesch starben im Dezember 2010 mehrere Näherinnen bei Demonstrationen für die Auszahlung eines gerechteren Lohns. In Brasilien werden täglich große Flächen des Regenwalds vernichtet, um Soja anzubauen. Auf solche dramatischen Aussagen kenne ich von mir vor allem zwei Reaktionen: Ich nehme den Zustand der Welt wahr, die Gedanken hinterlassen jedoch keine Spuren in meinem Gedächtnis. Oder ich bin wirklich erschrocken und bewegt – und fühle mich trotzdem machtlos, denn wie soll ich aus der Ferne etwas ändern können? Aber bin ich wirklich total machtlos? Kann ich nicht vielleicht doch etwas tun? Auch wenn ich nie alle Probleme der Welt lösen werde, so kann ich doch etwas zum Guten verändern. Denn vieles, was in scheinbar so weit entfernten Ländern wie Brasilien oder Kongo geschieht, hat ganz konkret mit meinem Verhalten zu tun. Du fragst, wie und warum? Hier einige Beispiele: Der Bürgerkrieg im Kongo finanziert sich vor allem durch den Abbau und den Handel von Coltan. Dieses seltene Metall wird für winzige Kondensatoren, wie man sie in fast allen Handys findet, verwendet.
Wenn ich mir also ein neues Handy kaufe, kann es gut sein, dass ich damit diesen schrecklichen Krieg mit finanziere. Und für mein neues Billig-T-Shirt musste eine junge Frau in Bangladesch unter schlechten Bedingungen und für zu wenig Lohn zum Leben die Stoffe zusammennähen. Und dass das Schwein, von dem ich heute Mittag ein Schnitzel aß, mit brasilianischer Soja gefüttert wurde, ist ziemlich wahrscheinlich. Ebenso wahrscheinlich ist, dass der Kakao für den leckeren Schokoriegel aus der Elfenbeinküste stammt, wo viele Kinder zur Arbeit gezwungen werden. Die Auflistung ließe sich fortsetzen. Mein Lebensstil und besonders mein Konsum haben nicht nur indirekt mit den schrecklichen Dingen am anderen Ende der Welt zu tun. Wir leben in einer globalisierten Welt, in der mein Verhalten weltweite Auswirkungen hat – aber zum Glück nicht nur negative, sondern auch positive. Mir ist es wichtig, dass sich mein Verhalten möglichst positiv auf andere Menschen und die Natur auswirkt. Das ist auch das, wozu mich die Bibel auffordert: Von der ersten bis zur letzten Seite lesen wir dort von einem Gott, der sich um seine Schöpfung kümmert und ganz besonders um die Unterdrückten und Armen auf der Welt. Jesus fasst das zusammen, als er nach dem höchsten Gebot gefragt wird: »Liebe Gott und liebe deinen Nächsten wie dich selbst« (Matthäus 22,36-39). Mein Nächster ist heute nicht mehr nur der, der direkt neben mir steht. Wenn das T-Shirt, das ich trage, vorher schon von einer Näherin in Bangladesch in den Händen gehalten und bearbeitet wurde, dann wird sie damit zu meiner Nächsten. oora.de
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Grün | Unfair
Wir leben in einer globalisierten Welt, in der mein Verhalten weltweite Auswirkungen hat – aber zum Glück nicht nur negative, sondern auch positive. Farbe bekennen
Ich habe lange gebraucht, um mir diese Zusammenhänge bewusst zu machen und noch länger, um entsprechend zu handeln. Anfangs habe ich gar nicht über Dinge wie Kleidung oder Elektronik nachgedacht. Aber irgendwann habe ich einen ersten Schritt gemacht und entschieden, nur noch fair gehandelten Kaffee, bei dem die Kaffeebauern garantiert einen angemessenen Lohn bekommen, zu kaufen. Mir hat es geholfen, mich bei einer Sache fest zu entscheiden und das als gute Gewohnheit einzuüben. Inzwischen weiß ich gar nicht mehr, wie viel ein Päckchen »unfairer« Kaffee kostet. Erst später habe ich über andere Bereiche und Produkte nachgedacht und mein Verhalten – zumindest teilweise – entsprechend geändert. So wurde ich nach der Lektüre des Buchs »Shopping hilft die Welt verbessern« auch ein regelmäßiger Kunde eines Bio-Supermarktes, denn biologische Produkte sind nicht nur gesünder, sondern vor allem besser für die Natur und auch für die Menschen, die sie anbauen. Danach begann ich, auch bei Kleidung darauf zu achten, dass sie möglichst fair und ökologisch ist, auch wenn ich dafür oft länger suchen muss, um etwas Passendes und Bezahlbares zu finden. Insgesamt bin ich noch mitten auf dem Weg zu einem bewussten und nachhaltigen Lebensstil, in einigen Bereichen kann ich noch viel lernen. Aber dieser Weg, den ich gehe, wird immer grüner, und das gefällt mir. Und du?
Es geht mir nicht darum, dass du plötzlich deinen kompletten Lebensstil vollständig umstellst. Ich finde es viel sinnvoller, mit einem kleinen Produkt wie Kaffee oder Schokolade anzufangen – sich gut zu informieren und dann konsequent zu handeln. Wenn daraus eine Gewohnheit wird, kannst du an anderer Stelle weitermachen. Spannend ist auch die Frage, wo es Alternativen zum Konsumieren gibt. Stichwort: verzichten, selber machen, tauschen oder gemeinsam nutzen. In all diesen Bereichen kann ich mich fragen, wer hier mein Nächster ist und was für ihn gut ist und meine Entscheidungen nicht nur von der Frage »Was gefällt mir am besten und wo zahle ich am wenigsten?« bestimmen lassen.
auf Fleisch verzichte, weiß ich, dass für meine Mahlzeit kein Regenwald abgeholzt werden musste und das Klima etwas geschont wird. Wenn ich fair gehandelte Bio-Kleidung trage, weiß ich, dass dafür keiner durch das Spritzen der Baumwolle schwer krank wurde und dass die Näherin genügend Lohn bekommt. Wenn ich einer Firma eine E-Mail schreibe und mich nach den Produktionsbedingungen erkundige, erkennt die Firma, dass dieser Bereich mir als Kunden wichtig ist. Wenn ich darüber nachdenke, welche Auswirkungen mein Handeln für andere Menschen und die gesamte Schöpfung hat, und dann bewusster handle und auch mit meiner Familie und Freunden darüber ins Gespräch komme, dann wird sich etwas verändern. Für mich, mein direktes Umfeld und die ganze Welt. Denn wann immer mehr Menschen anfangen, »grüner« zu leben, wird sich für immer mehr Menschen auf der gesamten Welt etwas zum Guten verändern. So wird globale Nächstenliebe praktisch. ///
Internetseiten mit weiteren Infos: › www.fairlangen.org – fair leben in Erlangen Ein Gemeindeprojekt, das auf einer Website nützliche Informationen wie Ökostrom, ethisch korrekte Geldanlagen, unterstützenswerte Organisation in Erlangen, Fahrrad fahren und Carsharing zusammenstellt. In einem umfangreichen Einkaufsführer auf der Seite sind alle Geschäfte, die fair gehandelte, biologisch angebaute oder regionale Produkte anbieten, aufgelistet. › www.utopia.de Plattform für nachhaltiges Konsumieren › www.micha-initiative.de Engagement gegen globale Armut und für weltweite Gerechtigkeit › www.ardmediathek.de dort nach »Schmutzige Schokolade« suchen Bücher zum Weiterdenken: › Thomas Weißenborn: Christsein in der Konsumgesellschaft – Nachdenken über eine alltägliche Herausforderung (139 Seiten, € 9,95) › Eugénie Harvey, David Robinson: Einfach die Welt verändern – 50 kleine Ideen mit großer Wirkung (112 Seiten, € 12,90) › Fred Grimm: Shopping hilft die Welt verbessern – Der andere Einkaufsführer (480 Seiten, € 8,95)
Bewege ich dadurch wirklich etwas?
Ja! Ich fühle mich zwar oft trotzdem machtlos, wenn ich von großen Katastrophen höre, aber im Kleinen habe ich doch die Macht, positive Veränderung zu bewirken: Wenn ich einen Fairtrade-Schokoriegel esse, weiß ich, dass dafür kein Kind zur Arbeit gezwungen wurde, sondern stattdessen eine Familie genug Geld zum Leben und für die Bildung der Kinder bekommt. Wenn ich 8
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Daniel Hufeisen (28) hat in Marburg Theologie studiert, lebt heute mit seiner Frau in Erlangen und gehört dort zu ELIA, einer evangelischen Gemeinde. Er engagiert sich bei Emergent Deutschland und bloggt unter www.einAugenblick.de
Und es war Grün | Grün
Und es war Grün Psychologische Bedeutung der Farbe Grün Text: Michael Zimmermann
// Die Lieblingsfarbe der Deutschen ist nicht Grün, sondern Blau: Laut einer Befragung des Farbcodes-Diplomprojektes an der Filmakademie Baden-Württemberg1 gaben 33% aller Befragten Blau als ihre Lieblingsfarbe an. Rot steht mit
Meditation, Entspannung, Ruhe,
Ausgleich,
Durchsetzungsvermögen, Frische,
Beharrlichkeit, Lebensfreude, Naturverbundenheit,
Frühling, Hoffnung, Zuversicht, Gesundheit, Jugend, Leben, Wachstum, Fruchtbarkeit, Wohlstand, Vermehrung, Erfolg 19% an zweiter und Grün mit 13% nur an dritter Stelle der Lieblingsfarben der Deutschen. Ebenso viele Personen nannten Grün allerdings auch als unbeliebteste Farbe – man ist also geteilter Meinung. Dabei stellt Grün als Ruhepol zwischen den Farben Rot und Blau die ausgleichende Mitte dar. Rot wirkt leidenschaftlich und aktiv, Blau geistig und passiv – Grün hingegen wirkt beruhigend und wird als sicher wahrgenommen. Unser Empfinden für die Wirkung der verschiedenen Farben wird von jahrhundertealten Ansichten geprägt, die von Generation zu Generation weitergegeben werden, auch unbewusstes kollektives Bewusstsein genannt. Rot wird nicht zuletzt deshalb als warme Farbe empfunden, weil Feuer rot ist. Blau steht für Wasser und Eis und wird daher als kalt wahrgenommen. Und das Wiedererwachen der Natur im Frühjahr bewirkt, dass Grün von jeher mit Fruchtbarkeit assoziiert wird. Das war im 17. Jahrhundert schon so aktuell wie heute. In der Natur ist Grün aufgrund des Pflanzenfarbstoffs Chlorophyll eine überaus häufig vorkommende Farbe.
Wir denken dabei an Wachstum und Leben, es symbolisiert Frische, Natürlichkeit, Hoffnung, Zuversicht und Gesundheit. Grün sind Wiesen, Wälder, Pflanzen. Grün hat sich aufgrund der grünen Vegetation als Symbolfarbe für den Umweltschutz entwickelt. In Deutschland hat die Partei der Grünen sich deshalb diese Farbe als Namensgeber erwählt. Auch manche Unternehmen haben Grün bewusst als Firmenfarbe gewählt, um sich positiv zu den Themen Umwelt, Klima und Nachhaltigkeit zu positionieren.2 Ein Park mitten in einer Großstadt wird als ›grüne Lunge‹ der Stadt bezeichnet. Hier findet der gestresste Städter Ruhe, geht joggen und entspannt sich. Wer sich ganz aus der Stadt heraus in die Natur bewegt und auf einer Wiese oder im Wald unterwegs ist, der spürt, wie viel weniger Reizen er in der Natur ausgesetzt ist, als in der Stadt. Die grüne Umgebung legt sich beruhigend und harmonisch auf die eigene Seele. Man atmet tief durch und erfreut sich an der grünen Kraft. Der tropische Regenwald hingegen trägt mitunter die Bezeichnung ›grüne Hölle‹, da er unberechenbare Gefahren birgt und undurchdringlich scheint. Dennoch ist er es, der – nach den Meeresalgen – der größte Sauerstofflieferant unseres Planeten ist. Wenn Gott allerdings aus dem Weltall auf die Erde schaut, dann sieht er keinen grünen, sondern einen blauen Planeten. Der kleine blaue Ball, den wir Erde nennen, ist zu 70% mit Wasser bedeckt. Nur 26% der Landfläche sind Wald – das macht lediglich 7,5% der gesamten Erdoberfläche aus. Ist Gottes Lieblingsfarbe also auch nicht Grün, sondern vielmehr Blau? ///
1 K napp 4000 Befragte: www.beta45.de/farbcodes/statistik/ stat.php3 2 Beispiele: DAB bank, CosmosDirekt Versicherung, Yves Rocher Kosmetik
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Grün | Immer auf Erden
Immer auf Erden Wie die Auferstehung den Umgang mit der Schöpfung beeinflusst Text: Ben Müller
Die Hoffnung der Christen auf den Himmel führt vielfach dazu, dass sie die Erde für nicht so wichtig halten. Was ist aber, wenn unser Planet der Ort ist, auf dem die Zukunft in der Ewigkeit stattfinden wird? Eine überraschende These, die unseren Blick auf das Hier und Jetzt auf die Probe stellt. // »Alles geht in Arsch – Jesus bleibt.« Dieser Spruch stand unter dem Bild eines nackten Hinterns auf einem knallroten Aufkleber in meinem Berufschulordner und brachte meine Erwartungen an die Zukunft ziemlich genau auf den Punkt. Ich habe einen großen Teil meines Lebens in dem Glauben verbracht, dass diese verdorbene Welt sowieso den Bach runtergeht und es deshalb wenig Sinn macht, Zeit und Energie in die Rettung 10
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unseres Planeten zu stecken. Wir Christen sollten lieber zusehen, dass wir ein paar Seelen retten – allen voran unsere eigene. Das Wichtigste ist doch, dass ich nach meinen Tod in den Himmel komme. Schließlich hat Jesus im Haus seines Vaters schon ein Plätzchen für uns reserviert (vgl. Johannes 14,2-3). Und weil wir Bürger des Himmels sind (vgl. Philipper 3,20), sind wir Christen in der jetzigen Welt quasi Fremdkörper. Das habe ich in verschiedenen Predigten genau so gehört. Christ sein bedeutet demnach, so zu leben, dass es meine Seele in den Himmel schafft, frei nach dem Motto: »Lieber Gott mach mich fromm, dass ich in den Himmel komm.« Und dass wir in der Endzeit leben, heißt, dass diese Welt ihrem Ende entgegengeht. Kurz vor diesem Ende wird Jesus uns Christen entrücken, während sich der Rest der Welt selbst zugrunde richtet. Nachdem das passiert
Immer auf Erden | Grün
Das »neue Jerusalem« kommt vom Himmel auf die Erde, und Gott wird wieder bei uns Menschen wohnen. ist, kommt Jesus noch mal wieder und dann wird aufgeräumt: Er wird diese sündige, verdorbene Welt in die Tonne treten und einen neuen Himmel und eine neue Erde erschaffen. Zugegeben: Dieses Szenario ist eher im freikirchlichen Bereich zu Hause. Aber egal, ob man damit rechnet, dass es nach dem Tod im Himmel weitergeht oder dass Gott einen »neuen Himmel und eine neue Erde« macht – unser Ziel ist es, von dieser Welt zu entkommen. Bei dieser Art von Weltbild hat das, was ich hier auf der Erde mache, mal abgesehen von geistlichen Dingen, wie z. B. Evangelisation, keinen Wert, weil diese Welt ja nur eine Station auf meinem Weg ins Jenseits ist. Aber ist dieser Planet wirklich derart dem Untergang geweiht? Der Schöpfungsauftrag
Als Gott diese Welt erschafft und den Menschen hineinsetzt, gibt er ihm den Auftrag, sich um die Schöpfung zu kümmern. Er soll die Erde bevölkern, sie bebauen und bewahren. Diesen Auftrag hat Gott nie zurückgenommen oder für nebensächlich erklärt. Als Jesus seine Jünger lehrt, wie sie beten sollen, fängt er interessanterweise so an: »Unser Vater im Himmel! Dein Name werde geheiligt, dein Reich komme, dein Wille geschehe auf der Erde, wie er im Himmel geschieht« (Matthäus 6,9-10). Die Jünger sollen nicht dafür beten, dass sie in den Himmel entkommen, sondern dafür, dass sein Reich kommt und Gottes Wille auch auf der Erde umgesetzt wird! Mit »Reich Gottes« bzw. »Himmelreich« ist nicht primär ein Ort, sondern die souveräne Herrschaft Gottes gemeint.1 Dort, wo Menschen sich der Herrschaft Gottes unterstellen und seinen Willen tun – so wie Jesus das vorgemacht hat – da ist das Reich Gottes angebrochen. Dazu gehört auch, Menschen zu Jüngern zu machen, wie Jesus gesagt hat. Aber dass wir unsere Mitmenschen mit Jesus bekannt machen sollen, entbindet uns nicht von der Verantwortung der Schöpfung gegenüber. Du fragst jetzt vielleicht: »Schön und gut, wir sollen also nicht nur Menschen bekehren, sondern auch die Umwelt schützen. Aber welchen Sinn macht es, die Schöpfung zu erhalten, wenn die Erde am Ende sowieso draufgeht? Das ist doch so, als würde man ein Haus streichen, dass nächste Woche abgerissen wird ...« Gehen wir noch mal ganz an den Anfang: Gott liebt seine Schöpfung. Alles was er gemacht hat, befand er als »sehr gut«. Aber dann kam der Teufel in Gestalt der Schlange und brachte alles durcheinander. Adam und Eva haben durch den Sündenfall die ganze Schöpfung korrumpiert, und weil das Resultat von Sünde der Tod ist, ist auch diese Welt verloren. Stopp mal! Was 1 Das Reich Gottes kann als »ein Zustand« beschrieben werden. Vgl. N. T. Wright: Surprised by Hope. Rethinking Heaven, the Resurrection, and the Mission of the Church, S. 201.
ist denn das für eine Logik? Ich meine: Niemand durchkreuzt Gottes Pläne. Gott hat diese Welt geschaffen, um dort mit seinem Ebenbild, dem Menschen, zusammen zu sein. So fängt die Geschichte an und so wird sie auch enden. Durch den Sündenfall mag zwar alles ziemlich dramatisch aus dem Ruder gelaufen sein, aber laut Offenbarung Kapitel 21 kommen am Ende der Zeiten Himmel und Erde wieder zusammen. Das »neue Jerusalem« kommt vom Himmel auf die Erde, und Gott wird wieder bei uns Menschen wohnen. Gott hat seine Schöpfung nicht aufgegeben. Ganz im Gegenteil: Er wird sie erlösen. Könnte es sein, dass Jesus eben den Planeten, auf dem wir jetzt bereits leben, meint? Ich glaube schon. Und: Die Erlösung der Schöpfung hat bereits angefangen, nämlich überall da, wo sich das Reich Gottes ausbreitet. Es ist bereits angebrochen, aber es ist eben noch nicht ganz da. Denn Jesus ist vorübergehend in den Himmel zurückgekehrt, um dort seinen ihm gebührenden Platz einzunehmen. Dort bleibt er so lange, bis die Zeit gekommen ist, in der durch ihn alles wiederhergestellt wird (vgl. Apostelgeschichte 3,21). Wir dürfen dann auf zwei Dinge hoffen: erstens darauf, dass bei Jesu Wiederkunft seine Nachfolger – also wir – genauso von den Toten auferstehen, wie er damals nach seinem Tod am Kreuz. Und zweitens, dass mit seinem Wiederkommen auch der Rest der Schöpfung erlöst wird, indem sich das Reich Gottes dann vollständig über die ganze Welt ausbreitet und Jesus über alles regiert. Bis es soweit ist, sollen wir aber nicht nur hier rumsitzen und Däumchen drehen. Dass wir Bürger des Himmels sind, heißt, dass wir Gottes Agenten sind und mit ihm heute bereits daran arbeiten, dass sein Reich hier auf der Erde kommt – so wie es im Himmel schon der Fall ist. Wir versuchen nicht, dieser Welt zu entkommen, sondern helfen Jesus dabei, sie zu retten, um nach der Auferstehung von den Toten zusammen mit Gott auf ihr leben zu können, so wie er sich das von Anfang an gedacht hat. Der Mensch ist für die Erde gemacht!
Wenn wir also heute einen Beitrag zur Erlösung dieser Welt leisten, ist das eine Investition, die in die Ewigkeit hineinreicht. Die leibliche Auferstehung
Leibliche Auferstehung nach dem Vorbild Jesu heißt Transformation. Unser jetziger Körper verhält sich zum »Auferstehungskörper« wie ein Samenkorn zur Pflanze. Die DNA ist dieselbe, aber die Pflanze ist weitaus mehr als das Samenkorn (vgl. 1. Korinther 15,35ff). Nach seiner Auferstehung erkennen die Jünger Jesus zunächst nicht. Er kann plötzlich auftauchen und ebenso plötzlich wieder verschwinden. Dennoch zeigt sein Körper die Spuren der Kreuzigung (vgl. Johannes 20,19-20). Jesu Körper wurde zwar erneuert, aber nicht vollständig durch einen neuen ersetzt. oora.de
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Grün | Immer auf Erden
Im ersten Brief des Paulus an die Christen in Korinth schreibt Paulus in Kapitel 15 ausschließlich über die Auferstehung. Er endet mit den Worten: »Setzt euch mit ganzer Kraft für die Sache des Herrn ein! Ihr wisst ja, dass das, was ihr für den Herrn tut, nicht vergeblich ist« (1. Korinther 15,58). Was meint Paulus damit? Der Theologe und Leben-Jesu-Forscher N. T. Wright wertet Paulus Aussage folgendermaßen: Das derzeitige »leibliche Leben« ist nicht wertlos, nur weil es sterblich ist. Gott wird unseren Körper zu neuem Leben erwecken. Diese Perspektive wertet das, was wir im Hier und Jetzt tun, enorm auf. Wenn sich nach Jesu Wiederkommen das Reich Gottes über die ganze Erde ausgebreitet hat, werden nicht nur unsere auferstanden Körper, sondern auch der Rest der Schöpfung »transformiert« werden. Wie bereits erwähnt, hat dieser Prozess bereits begonnen und Gott will in dieser Sache mit uns zusammenarbeiten. Was wir in der Gegenwart tun – malen, predigen, singen, nähen, beten, unterrichten, Krankenhäuser bauen, Brunnen graben, für Gerechtigkeit kämpfen, Gedichte schreiben, Bäume pflanzen, für die Bedürftigen sorgen – wird in Gottes Zukunft, die Zeit nach dem zweiten Kommen Jesu, hineinreichen. Auf den Umgang mit der Schöpfung bezogen
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heißt das: Wenn Jesus wiederkommt, kann ich ihm das Bäumchen zeigen, dass ich gepflanzt habe. Recyceln, Fahrrad statt Auto fahren oder sparsam mit Wasser umgehen, machen insbesondere deshalb Sinn, weil die Konsequenzen meines verantwortungsvollen Umgangs mit der Schöpfung auch nach dem Kommen Jesu fortbestehen werden. Wenn wir also heute einen Beitrag zur Erlösung dieser Welt leisten, ist das eine Investition, die in die Ewigkeit hineinreicht. Ich kann mich der Schöpfung zuliebe hier und da einschränken und werde das positive Resultat, zu dem ich im Kleinen mit beitrage, später in der Ewigkeit für immer miterleben. ///
Ben Müller (26) wohnt in Ansbach und studiert Theologie. Er liebt japanisches Essen und das Internet, ist gern auf der Reise und kann sich für alles Skurrile begeistern.
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Der Plan vom Ende | Grün
Der Plan vom Ende Interview mit dem Endzeit-Experten Martin Scott Interview: Martin Preisendanz
Wie hängen die Endzeit, der Schöpfungsauftrag und der Missionsbefehl zusammen? Ein Gespräch mit dem Endzeit-Experten Martin Scott. // Zunächst befürchten wir in der Redaktion eine Überschneidung des Interviews mit dem Artikel »Immer auf Erden«, da der Autor Ben Müller von Martin Scott beeinflusst ist. Beim Redigieren des Interviews entdecken wir jedoch einen interessanten Gedanken nach dem anderen. Somit ist uns schnell klar, dass wir das Interview drucken wollen. Hier ist es: Wenn man über das Ende der Welt nachdenkt – wo fängt man da am Besten an?
Um eine gesunde Perspektive auf das Ende zu haben, brauchen wir eine klare Sicht auf den Anfang, denn Endzeit und Schöpfung hängen direkt zusammen. Meiner Meinung nach gibt uns die Bibel bereits mit der Beschreibung vom Anfang der Schöpfung einige Hinweise zu deren Ziel. Dabei macht sie uns eine Ent-
wicklung deutlich: Es beginnt mit zwei Menschen und endet mit einer unzählbaren Menschenmenge; am Anfang ist ein Garten mitten auf der Erde, am Ziel entsteht eine Stadt, welche die gesamte Welt umfasst; zuerst besucht Gott die Menschen am Abend, doch schließlich wird er für immer bei ihnen wohnen. Warum schuf Gott eigentlich Himmel und Erde?
Die Bibel verwendet zur Beschreibung der Schöpfung oft die Sprache des Tempelbaus. Den Göttern der Antike wurden früher Tempel gebaut, welche als deren Wohnstätte galten und in denen sie angebetet wurden. Zur Fertigstellung des Tempels wurde dann ein Bildnis des jeweiligen Gottes darin aufgestellt. In ähnlicher Weise wohnt der Gott der Bibel in der Schöpfung. Sie ist sein Tempel, jedoch nicht von anderen, sondern von ihm selbst erbaut. Zum Abschluss der Schöpfungshandlung fügt Gott schließlich sein Ebenbild, den Menschen, in das Innerste seines Tempels ein.
Welche Rolle ist den Menschen in der Schöpfung zugedacht?
Der Schöpfungsbericht beschreibt einerseits die Entstehung und das Einrichten dieses Tempels, er lässt aber andererseits auch erkennen, dass der Tempelbau noch nicht vollendet ist. Der siebte Tag ist eine Pause, er ist nicht das Ende der Arbeit. Jesus verdeutlicht das, als er sagt: »Mein Vater wirkt bis jetzt, und ich wirke« (Johannes 5,17). Die Menschen sollen mit Gott zusammenarbeiten, um diese Aufgabe abzuschließen. Gott gibt der Menschheit den Garten Eden als Zuhause und betraut sie gleichzeitig mit einer Aufgabe: Erweitert die Grenzen dieses Gartens über die ganze Schöpfung hinaus und bereitet damit einen Ort, an dem Gott wohnen kann. Was bedeutet es, wenn Gott den Menschen aufträgt, über die Erde zu herrschen?
Das Bild vom Wolf und Lamm, die friedlich beieinander liegen, drückt sehr deutlich die umfassende Dimension des Friedens aus, welcher die zukünftige Herroora.de
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Grün | Der Plan vom Ende
Unser Bestreben gilt nicht einer Rückkehr in den Garten Eden, sondern der Ausbreitung und Vervollständigung Edens, was sich letztlich in dieser zukünftigen Stadt erfüllen wird.
schaft Gottes kennzeichnet. In Markus 1 steht im Bericht der Versuchung Jesu: »Er lebte mit den wilden Tieren zusammen«. Der Widerstand gegen die Mächte des Bösen hat hier zur Folge, dass ein Stück dieses kommenden Zeitalters spürbar wurde. Jesus, der einzig wahre Mensch, zeigt uns in diesem Beispiel, wie sich Gott die Herrschaft der Menschen über die Erde vorstellt. Es bedeutet nicht etwa, die Schöpfung auszubeuten und zu plündern, sondern in einer Weise für sie zu sorgen, dass selbst das »Wilde« in ihr zum Frieden findet. Dies hat natürlich tiefgreifende Auswirkungen auf unsere Lebensführung. Zu bedenken ist, dass wir nach wie vor im Umfeld einer von Gott abgefallenen Welt leben. Wir sollten jedoch zwischen »gefallen« und »böse« unterscheiden: Der Teufel ist gefallen und böse, die Schöpfung hingegen ist nur gefallen. Das bedeutet, dass für sie Erlösung, also die Wiederherstellung der ursprünglichen Bestimmung, möglich ist. 14
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Wie haben die Menschen diesen Auftrag umgesetzt?
Die Menschen breiten sich aus, sie bauen Städte und gründen Nationen. Dabei sind die Menschen zwar von Gott getrennt, »böse« sind diese Handlungen aber vor allem dann, wenn sie aus Stolz, Hochmut und Gier geschehen, wie das beispielsweise beim Bau der Stadt Babel der Fall war. Trotz ihrer gefallenen Natur tragen die Kreativität und der Schaffensdrang der Menschen dazu bei, den vorher beschriebenen Schöpfungsauftrag fortzuführen. Das Bild der Stadt, die am Ende aus dem Himmel kommt, steht einerseits für das Gericht über Babel, also über Hochmut und Gier, andererseits ist es aber auch eine Bejahung menschlichen Handelns in der Schöpfung und in schöpferischer Weise. Unser Bestreben gilt nicht einer Rückkehr in den Garten Eden, sondern der Ausbreitung und Vervollständigung Edens, was sich letztlich in dieser zukünftigen Stadt erfüllen wird.
Im Neuen Testament gibt uns Jesus den Auftrag das Evangelium zu verkündigen. Gibt es einen Zusammenhang zwischen diesem Missionsbefehl und dem Schöpfungsauftrag?
Am Missionsbefehl sollten wir beachten, dass Jesus uns darin aufträgt, alle Völker zu Jüngern zu machen, also nicht nur einzelne Personen. Laut Markusevangelium soll das Evangelium, die gute Nachricht, sogar »aller Schöpfung« verkündigt werden. Ich sehe außerdem eine biblische Verknüpfung zwischen dem Missionsbefehl und der Aussendung des Königs Kyrus in 2. Chronik 36. König Kyrus schickte eine Gesandtschaft nach Jerusalem, um den Tempel Gottes wieder aufzubauen. Das ist für mich ein prophetisches Bild dafür, wie Jesus uns in die ganze Welt sendet, um überall am Tempel Gottes mitzubauen. Der Missionsauftrag ist daher eine Neuformulierung des ursprünglichen Auftrags, die Erde zu einer Wohnstätte Gottes zu machen, verbunden mit dem Versprechen der Gegenwart Jesu.
Der Plan vom Ende | Grün In einer Gemeinde, die ich kenne, engagieren sich einige Mitglieder im Bereich des Umweltschutzes. Das Dach der Kirche wurde z. B. mit Solarzellen versehen. Andere Mitglieder konnten dieses Engagement kaum nachvollziehen, denn schließlich geht es doch darum Menschen zu Jesus zu führen und im Glauben zu stärken. Deshalb arbeiten sie lieber im Alpha-Kurs oder in Hauskreisen mit ...
erschaffen. Die Menschen sollten sich um die Schöpfung kümmern, doch durch ihre Sünde rissen sie die ganze Schöpfung in die Trennung von Gott. Daran zeigt sich: Wo immer die Menschheit hinsteuert, dahin folgt ihr die Schöpfung. Die Erlösung der Menschen ist daher ein Hoffnungszeichen für die Schöpfung – das Zeichen, dass sie ihr auch in die Erlösung folgen kann.
Es gibt ganz offensichtlich einen Unterschied zwischen dem Geistlichen und dem Natürlichen. Die Menschheit lebt in Gottesferne und jeder wird einmal sterben. Daher ist es natürlich nicht falsch, es als das Wichtigste anzusehen, dass Menschen zu Jesus finden. Aber obwohl zum Überleben Wasser genügt, trinken wir trotzdem gerne auch Tee oder Wein. Genauso sollten wir neben der essentiellen geistlichen Verantwortung auch andere wichtige Aspekte beachten. Die Schöpfung steckt voller Reichtum und Vielfalt – indem ich mich für die Umwelt einsetze, bringe ich meine Wertschätzung und meinen Respekt Gott entgegen, dem all das gehört. Hingegen ist alles, was nicht im Sinne Jesu geschieht, eine Verdrehung der Absichten Gottes. Kann etwa Umweltzerstörung oder einfache Gleichgültigkeit gegenüber der Schöpfung dem Wesen Jesu entsprechen? Es ist an der Zeit, dass wir falsche Einseitigkeit ablegen und das Evangelium in seiner Ganzheitlichkeit annehmen.
Also ist Umweltschutz wichtig?
Aber diese Welt wird doch sowieso vergehen, warten wir nicht auf einen neuen Himmel und eine neue Erde?
Meiner Beobachtung nach glauben viele Christen einfach an ein »Leben nach dem Tod« und dass sie »in den Himmel kommen«. Doch diese Formulierungen sind in der Bibel kaum zu finden. Stattdessen lesen wir von der »Hoffnung der Auferstehung«. Das ist unser Ziel, und darin sehe ich auch eine Zukunftsperspektive für die Schöpfung. Sie wartet – wie in Römer 8 steht – nicht darauf, in Flammen aufzugehen, sondern auf ihre Befreiung aus der Knechtschaft der Vergänglichkeit. Das passt auch in die große biblische Geschichte: Erst geschah die Schöpfung, dann wurden die Menschen
Für Umweltschutz gibt es ganz unterschiedliche Motive: Die einen tun es aus Verantwortungsgefühl, andere aus Angst. Für uns, die wir mit Gott leben, ist es jedoch eine Möglichkeit, Samen der Hoffnung zu säen, wie Vorboten der kommenden Zeit. Es ist wirklich faszinierend, wenn wir uns die geistliche Dimension vor Augen führen, dass solche Zeichen nicht nur auf eine andere Realität hindeuten, sondern auch etwas von
Umweltschutzes haben?!
Mir geht es vor allem darum, dass wir nichts trennen, was zusammen gehört. Prioritäten sind wichtig, und es ist unerlässlich, dass Menschen zum Glauben an Jesus finden. Je mehr wir aber von der ungeheuren Weite der biblischen Perspektive erkennen – eine Perspektive, die alle Lebensbereiche umfasst – desto häufiger kann es passieren, dass wir uns aus unserem christlichen Umfeld herauswagen. Dann können wir auch mit Menschen zusammenarbeiten, die unseren Glauben nicht teilen, mit ihnen gemeinsame Ziele verfolgen und dabei sogar ihre Freunde werden. Nicht jeder muss ein Evangelist in den Fußstapfen Billy Grahams sein. Wenn dieser Druck von uns weicht, wird unser Leben mit Gott aufblühen. Denn dann können wir erleben, wie uns unser Glaube zu unserer wahren Berufung befähigt und wie unsere Berufung unseren Glauben sichtbar macht. ///
Nicht jeder muss ein Evangelist in den Fußstapfen Billy Grahams sein. Wenn dieser Druck von uns weicht, wird unser Leben mit Gott aufblühen. dieser Realität in unsere jetzige Zeit herein holen. Zwar wird die Wiederherstellung der Schöpfung erst in der kommenden Zeit vollständig sein, erst dann wird der Shalom Gottes alles durchdringen und alles wieder in Einklang mit Gottes Absichten bringen. Und doch können heute schon Zeichen dieses nahenden Friedens sichtbar werden. Das kann geschehen, indem jemand körperliche Heilung erfährt und genauso indem wir der Schöpfung Bewahrung und Fürsorge zukommen lassen. Unser Lebensstil kann etwas vom Wesen der neuen Zeit vermitteln, und während das geschieht, kommen wir hier und jetzt in Berührung mit der Realität der kommenden Zeit. Aber ist es nicht wichtiger, dass Menschen in eine lebendige Beziehung zu Gott geführt werden? Der Missionsbefehl muss doch Vorrang vor Fragen des
Martin Scott (55) lebt mit seiner Frau in Gayle auf Mallorca. Er hat seine Masterarbeit zum Thema: »Die Endzeitlehre der neueren Kirchengeschichte in Großbritannien« geschrieben, damit er besser versteht wie die Lehre von der Endzeit das Glaubensleben praktisch beeinflusst. Sein Anliegen ist es Menschen zu helfen, Ausdrucksweisen von Gemeinde außerhalb der vier Wände zu leben.
Martin Preisendanz (31) ist verheiratet mit Rebekka. Sie leben in der Innenstadt von Meiningen. Er ist Theologe, Prediger (darf gerne eingeladen werden), Studienleiter der Pionierakademie und träumt davon, allen humorvollen Menschen eines Tages sein eigenes Kabarettprogramm präsentieren zu können. Mehr Infos unter www.martinpreisendanz.de
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Grün | Grünschnabel oder reife Persönlichkeit?
Grünschnabel oder reife Persönlichkeit? Wie wir reif werden Text: Kerstin Hack
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Audioversion unter www.oora.de/audio
Grünschnabel oder reife Persönlichkeit? | Grün
Wie sieht Reife eigentlich aus? Und wie erlangen wir sie? Was tun wir, wenn Defizite in unserer Vergangenheit mangelnde Reife hervorbrachten? Eine Anleitung zum Reifwerden. // Während meines Studiums verlebte ich das schwierigste Jahr meines Lebens. Mittlerweile hat das Leben aufgeholt und mir noch einige schwierige Zeiten beschert, aber damals war es das bislang Schlimmste. Die Dinge liefen absolut nicht so, wie ich es wollte. Im Rückblick auf dieses schwere Jahr sagten mir Freunde gelegentlich: »Du bist durch die Schwierigkeiten so gereift – wie wunderbar.« Voller Reife spürte ich den – vermutlich unreifen – Wunsch ihnen eine reinzuhauen. Als ob Reife ein angemessener Ausgleich für Schmerz und Leid ist. Gelegentlich habe ich gesagt: »Gerne würde ich die Reife zurückgeben und auf die Schwierigkeiten verzichten, die ich durchlebt habe.« Mittlerweile habe ich mich mit der Reife ausgesöhnt und mit den Schwierigkeiten auch. Schwierigkeiten kommen ohnehin. Egal ob man sie bestellt oder nicht. In allen Farben, Formen und Facetten. Ich bin da recht pragmatisch und denke mir: »Wenn ich die ohnehin durchleben muss, kann ich sie auch für mein persönliches Wachstum nutzen.« Ein unreifer Mensch
Doch es stimmt auch: Unreife Menschen können wunderbar sein. So wie Hannah. Sie hat nur sich selbst im Blick und erwartet, dass alle anderen sich um sie und ihre Bedürfnisse kümmern. Sie übernimmt keine Verantwortung, sondern lässt sich von anderen versorgen und hegen und pflegen – die anderen können sogar ihre Scheiße wegmachen. Sie räumt nicht auf, wäscht keine Wäsche. Und wenn die anderen mal nicht springen, gibt es Gezeter und Geschrei. Sie lässt sich mit einer bezaubernden Selbstverständlichkeit verwöhnen: »Ich mache keinen Finger krumm. Dafür sind ja die anderen da.« Ich finde Hannah ganz wunderbar. Sie löst bei mir Fürsorge und Liebe aus, den Wunsch für sie da zu sein und mich um sie zu kümmern. Hannah ist drei Wochen alt und mein Patenkind. Für sie ist Unreife das einzig angemessene Verhalten. Andere sollen, dürfen und müssen alles für sie tun. Ganz klar. Was sonst. Im Lauf der Zeit wird sich das ändern. Sie wird zunehmend Verantwortung für sich selbst übernehmen und ihr eigenes Leben gestalten. Wenn sie sich als Teenager weiterhin so unreif und selbstbezogen verhalten würde, wie sie es jetzt tut,
Wenn man es als Erwachsener nicht ertragen kann, dass die anderen länger als man selbst auf dem Wii–Board spielen, darf man sich schon ein paar Fragen stellen.
würde ich ein ernstes Wörtchen mit ihr reden. Doch wenn ihr Entwicklungsprozess gut läuft, wird sie reifen und schließlich in der Lage sein, für andere Menschen Verantwortung zu übernehmen, für sie zu sorgen und für sie da zu sein – für Menschen, die so klein und niedlich sind, wie sie es jetzt gerade ist. Ihr jetziges »unreifes« Verhalten entspricht ihrem Alter und ihrem Entwicklungsstand und das ist völlig in Ordnung. Nur von einer reifen Frucht erwartet man, dass sie Samen trägt, nicht von einer gerade erst aufblühenden Pflanze. Ein natürlicher Prozess
Problematisch wird es, wenn Menschen in diesem Reifegrad stecken bleiben: Wenn sie noch als Erwachsene andere kaum im Blick haben, nur um sich selbst kreisen, ihre Bedürfnisse mit lautem Geschrei äußern und erwarten, dass andere alles für sie tun und selbst keine Verantwortung übernehmen. Manchmal wird sogar Gott als Deckmantel für die eigene Faulheit und Unreife missbraucht. Man deklariert es als geistlich, darauf zu warten, was der Herr einem zeigen oder schenken wird – z. B. eine Arbeitsstelle, einen Partner, eine Wohnung – statt Verantwortung zu übernehmen und sich selbst auf die Suche zu machen. Solche Menschen sind anstrengend. Von Erwachsenen erwartet man zu Recht reifes Verhalten. Es ist ab einem gewissen Alter angemessen, dass Menschen auch andere im Blick haben und bereichern. Eigentlich ist Reife ein natürlicher Prozess. So wie eine Frucht ganz natürlich heranreift, wenn sie Wärme und Nährstoffe erhält, entwickeln Menschen ganz natürlich Reife, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Auch sie brauchen Wärme und Nahrung – sowohl für den Körper als auch die Psyche. Es ist ein offenes Geheimnis, dass das nicht immer so klappt. Es gibt – in der Kindheit, aber auch später – Phasen der Unterversorgung. Ein Mensch, der das erlebt hat, wird dazu tendieren, oora.de
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Grün | Grünschnabel oder reife Persönlichkeit?
Unsere Autorin Kerstin Hack mit ihrem Patenkind Hannah
das Fehlende noch nachgeliefert zu bekommen. Er reagiert mit Forderungen an andere, für ihn zu sorgen, für ihn da zu sein, für ihn Verantwortung zu übernehmen. Jeder Mensch ist in manchen Bereichen unreif. Egal ob es sich darum handelt, sich das größte Stück Kuchen zu schnappen oder sich ständig darüber zu beschweren, dass man in der Gemeinde nicht gut genug versorgt wird – wir alle haben unsere unreifen Stellen und Verhaltensmuster. Nachreifen
Doch: Wo man mangelnde Reife wahrnimmt, kann man verpasste Entwicklungen nachholen und »nachreifen«. Dazu macht es erst mal Sinn, sich Gedanken darüber zu machen, wie Reife aussieht. Ich definiere Reife als die Bereitschaft und Fähigkeit, ein Mensch zu sein, der andere im Blick hat und gern zu ihrem Leben beiträgt. Nicht aus Pflichtbewusstsein, sondern aus Freude. Es kann sein, dass du es für dich etwas anders definierst. Auf jeden Fall ist klar: Wenn du ein klares Bild davon hast, wie reifes Handeln aussieht, kannst du in den Bereichen, in denen du noch unreif reagierst, leichter »nachreifen«. Mit 20 ist man noch nicht so reif wie mit 70. Wie denn auch? Dennoch kann man überlegen: Welches Verhalten zeichnet für mich Reife aus? Wo verhalte ich mich nicht so reif, wie ich es möchte? Wenn Kinder einander das Spielzeug wegnehmen, mag das noch altersgemäß sein. Wenn man es als Erwachsener nicht ertragen kann, dass die anderen länger als man selbst auf dem Wii-Board spielen, darf man sich schon ein paar Fragen stellen. Es kann gut sein, dass manche Erfahrungen deine Entwicklung zur Reife verlangsamt und womöglich zu Selbstbezogenheit geführt haben. Du kannst die Vergangenheit nicht rückgängig machen, aber trotz schwerer Erfahrungen Reife und Gelassenheit entwickeln. Das geht am Besten, indem du das, was dir gefehlt hat, betrauerst und dann bewusst loslässt. Das kann auch bedeuten, dass du den Menschen vergibst, die unreif waren und dich nicht so versorgt haben, wie es für eine gute Entwicklung nötig gewesen wäre. Du kannst auch Gott bitten, dass er dir hilft, die unreifen Verhaltensmuster, die du aus Mangel heraus entwickelt hast, durch andere Verhaltensmuster zu ersetzen. Diesen Weg der Heilung kannst du allein oder mit kompetenter Begleitung gehen, wenn das gut für dich ist.
tisch liegen einige Zettel, die ich schön gestaltet, mit Bonbons und Bändchen verziert habe und die den Titel »Die Schätze meiner Krisen« tragen. Auf jedem Zettel steht eine Krise – und die Schätze, die ich daraus gewonnen habe. Es sind sozusagen persönliche Reifezeugnisse. Auf den Zetteln ist von beruflichen und privaten Krisen zu lesen und den Erkenntnissen, die ich dadurch gewonnen habe. Ein kluger Mensch hat einmal gesagt: »Gutes Urteilsvermögen kommt aus der Erfahrung. Die Erfahrung ist das Ergebnis von schlechtem Urteilsvermögen.« Reife Menschen sind wunderbar. Sie bereichern unser Leben mit Erfahrung, Gelassenheit, Weisheit, Verantwortung und so vielem mehr. Der Reifeprozess lohnt sich. ///
Krisen
Einer der besten Wege, um Reife zu entwickeln, sind Krisen. In Krisen wird deutlich, wo die Schwachstellen im eigenen Charakter und in dem Vertrauen zu Gott sind. Auf meinem Schreib18
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Kerstin Hack (43) ist Berlinerin, liebt das Leben, Schokoküsse, Liegeräder, Ausstellungen und Go-Kart-Fahren. Über »Reife« hat sie ein ganzes Impulsheft geschrieben: »Natürlich wachsen«, in dem das Thema vertieft werden kann.
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Der JugenDplus-kongress: Für Jugend und junge erwachsene. Der junge kongress mit Inspiration für Mitarbeitende in Jugendarbeit und gemeinde. Anmeldung, news und Infos unter: www.jugendplus-kongress.de
Grün | Die Grünen
Die Grünen
Für Christen sind die Grünen meistens keine Wahl-Option – oder doch? Wir haben zwei gläubige Betriebswirte um ein Statement gebeten, warum sie grün wählen – oder eben nicht.
Warum ich grün wähle Text: Frank Braun
// Der im Januar aufgedeckte Skandal um die Verwendung von mit Dioxin belasteten Industriefetten in der Futtermittelindustrie zeigt einmal mehr, dass unsere Gesellschaft seit geraumer Zeit mit Hochgeschwindigkeit in eine Sackgasse steuert. Ressourcen werden verwendet, ohne an das Morgen zu denken, Wachstum und Profitmaximierung bestimmen die Bewertung erfolgreicher Unternehmen, und auch wir als Verbraucher tragen mit der ständigen Suche nach billigen Schnäppchen dazu bei, dass wir ökologisch, ökonomisch und sozial vor einem Trümmerhaufen stehen.
dass es auch anders geht. Sie waren sperrig und unbequem, nicht primär auf Mehrheiten fokussiert und hatten als Grundwerte Themen wie Ökologie, Selbstbestimmung, Gerechtigkeit und Demokratie zum Kern ihrer Politik erklärt. Das gefiel mir schon damals, denn diese Zielsetzung setzt dort an, wo die notwendige Veränderung meines Erachtens beginnen muss – bei einer Neuorientierung unseres Wertesystems. Über viele Jahre waren die Grünen die kleine Partei der »unbequemen« Wahrheiten und haben vor allem bei ökologischen Fragen mit ihrer Politik (in Kooperation mit vie-
Gelingt es Politik, Wirtschaft und Bürgerschaft nicht gemeinsam, das bestehende System der ökologischen und ökonomischen Verschuldung auf Kosten zukünftiger Generationen zu durchbrechen, wird irgendwann unser Nachwuchs die Rechnung dafür bezahlen. Keine der großen Volksparteien hatte in den 1980er Jahren den Mut radikale Veränderungen vorzuschlagen, als diese Fehlsteuerung unseres westlichen Gesellschaftssystem immer sichtbarer wurde. In jener Zeit entstand dann eine neue Partei, geprägt von Menschen, die es von der Straße in die Politik zog, um zu beweisen, 20
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len NGOs) dafür gesorgt, dass Umweltschutz ein Kernthema der Politik wurde, das heute in keinem Parteiprogramm mehr fehlen darf. Die Grünen von heute sind sicherlich an vielen Stellen angepasster geworden. Mitregieren ist eben etwas anderes, als in der Opposition den Finger in die Wun-
den zu legen. Viele Kompromisse wurden mitgetragen, die mir nicht unbedingt gefallen haben. Letztlich aber hat die Partei ihre Ausrichtung dabei nie aus den Augen verloren. Die Bewahrung unseres Ökosystems und der Ressourcen ist das Fundament unserer Zukunft. Gelingt es Politik, Wirtschaft und Bürgerschaft nicht gemeinsam, das bestehende System der ökologischen und ökonomischen Verschuldung auf Kosten zukünftiger Generationen zu durchbrechen, wird irgendwann unser Nachwuchs die Rechnung dafür bezahlen. Da sind die Grünen auch heute für mich die einzige glaubwürdige Alternative im Parteien system, die wirtschafts-, energie- und verkehrspolitische Forderungen stets mit umweltpolitischen Überlegungen verknüpft und damit Verantwortung über das Jetzt hinaus übernimmt. »Generationengerechtigkeit« nennen die Grünen das in ihrem Grundsatzprogramm. Das ist genau, was wir brauchen: Eine Gesellschaft, die wieder anfängt über ihr eigenes Wohl hinaus zu denken, sowohl als Individuum als auch als Ganzes. Darum wähle ich Grün. ///
Frank Braun (45) ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er ist Betriebswirt und Gründer von Bluepingu e.V. www.bluepingu.de
Die Grünen | Grün
Warum ich nicht grün wähle Text: Benjamin Finis
// Eigentlich steht die Farbe Grün ja für die Hoffnung – aber im politischen Kontext muss man schon beinahe mit Blindheit geschlagen sein, wenn die grüne Partei als Hoffnungsträger wahrgenommen wird. Erneuerbare Energien – ja oder nein? Einerseits forcieren und fordern die Grünen mit Vehemenz den Ausbau der Erneuerbaren Energien, andererseits blockieren sie aber den notwendigen Ausbau der Energie-Versorgungsnetze, um z. B. die an Nord- und Ostseeküste gewonnene Wind-Energie in Richtung Berlin oder sogar in Richtung Süddeutschland zu leiten. Nach Windenergie schreien, aber die nötige Infrastruktur nicht bereithalten? Multi-Kulti als Ziel. Die Grünen vertreten das Ideal einer multikulturellen Gesellschaft, in der es keinen staatlichen oder auch nichtstaatlichen Anreiz oder ›Druck‹ zur Assimilation geben soll. Die ethnischen und kulturellen Gruppen sollen nebeneinander existieren und sich respektieren. Respekt füreinander möchte ich nicht missen, aber ich hege große Sympathie für eine Leitkultur, die uns Deutschen auch ein Stück Identität stiftet. Das fängt für mich auch damit an, dass ich von Mitgliedern der Bundesregierung oder des Bundestages erwarte, dass sie die deutsche Nationalhymne bei offiziellen Anlässen mitsingen. Die grünen Regierungsmitglieder und Abgeordneten bleiben viel zu oft demonstrativ stumm, ein klares Bekenntnis zu Deutschland kommt ihnen nicht über die Lippen.
Einerseits forcieren und fordern die Grünen mit Vehemenz den Ausbau der Erneuerbaren Energien, andererseits blockieren sie aber den notwendigen Ausbau der Energie-Versorgungsnetze. Lobby der Homosexuellen. An vielen Punkten verweisen die Grünen in ihren Statements und Programmen darauf, dass sie gegen jegliche Lobbypolitik sind. Die Zeit ihrer Regierungsbeteiligung (1998-2005) haben sie jedoch genau dafür genutzt: Die Lobby der Homosexuellen ist von Erfolg zu Erfolg geeilt und hat viele gesetzliche Vorteile der Ehe gegenüber der gleichgeschlechtlichen Partnerschaften kassiert. Bis heute unterstützen die Grünen den Lesben- und Schwulenverband hinsichtlich diverser Forderungen. Unqualifiziertes Personal. Der Fisch stinkt vom Kopf her. Grünen-Chef Cem Özdemir ist ein verbaler Scharfmacher, dessen Integrität mehr als einmal bedenklich gelitten hat (siehe Flugmeilen-Affäre). 2010 warf er dem badenwürttembergischen Ministerpräsidenten Stefan Mappus am Tag nach der gewaltsamen Eskalation der S21-Proteste im Stuttgarter Schlosspark vor, »Herr Mappus wollte hier Blut sehen«.1 Ein in jeder 1 www.welt.de/politik/deutschland/article10015082/ Gruenen-Chef-Oezdemir-Mappus-wollte-Blut-sehen.html
Hinsicht disqualifizierender Beitrag, für den er sich einige Tage später im Nachgang zur Welle der Empörung entschuldigt hat. Die Grünen haben gut 50.000 Mitglieder, selbst die Junge Union (politischer Nachwuchs der CDU) hat über 125.000 Mitglieder und so eine breitere Auswahl und eine gesündere Selektion des Führungspersonals. Sollten sich die Umfrage-Werte der Grünen auf einem so hohen Niveau halten, wird es nächstes Jahr viele Menschen in die Parlamente spülen, die keiner dort sehen will. Zumindest ich nicht. ///
Benjamin Finis (26) ist studierter Betriebswirt und engagierter Kommunalpolitiker. Er hat bei einem dreimonatigen Praktikum im Berliner Bundestag die Szene einmal live erlebt und nach einigen Jahren des Träumens so manche politische Ambition ad acta gelegt.
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Grün | Gottes Fingerabdruck
Staubfächer Oberlippe
Staubblatt
Gelenk Platte Unterlippe
Querschnitt durch die Blüte eines Wiesensalbeis: Staubblätter, Gelenk und Platte bilden einen Schlagbaum.
Gottes Fingerabdruck Was uns die Natur über Gott sagt Text: Dr. Reinhard Junker
Ein Kunstwerk steckt voller Spuren seines Künstlers – welche hat uns der Schöpfer in der Natur hinterlassen? Eine Spurensuche mit Blumen, Bienen und besonderen Extras. // Dem Wanderer sind sie bestens vertraut – sie versperren Unbefugten den motorisierten Zugang in den Wald: Schranken, auch Schlagbäume genannt. Das lange und das kurze Ende einer Stange sind über ein Gelenk mit einem Pfosten verbunden. Durch Bewegung des kurzen Endes kann das lange Ende in die gewünschte Stellung gebracht werden. Ein einfacher, aber wirkungsvoller Mechanismus. Erfunden wurde der Schlagbaum aber nicht von einem Menschen. Schon die Blüten verschiedener Salbei-Arten sind mit einer miniaturisierten Form dieser Vorrichtung ausgestattet, beispielsweise die Blüten des Wiesensalbeis, der manche Böschungen und Wiesen schmückt. Wie funktioniert dieser Schlagbaum in der Blüte? Die Salbeiblüte besteht aus Ober- und Unterlippe. Zwei lange, gebogene Staubblätter liegen direkt unter dem »Helm« der Oberlippe. Sie sind am unteren Teil der Blü26
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te seitlich mit der Kronröhre der Blüte verwachsen. Dort befindet sich außerdem ein Gelenk. Von der Gelenkstelle aus ragen die Staubblätter wie zwei lange Fäden nach oben und als zwei kurze Platten nach unten. Da haben wir es. Alle Bestandteile des Schlagbaums sind vorhanden – ein langes und ein kurzes Ende, Gelenk und Pfosten. Fragt sich noch, wozu dieser Schlagbaum eigentlich gut ist und wer ihn betätigt? Bienen beispielsweise landen auf der Blütenunterlippe, die für sie eine regelrechte Landebahn darstellt. Zielsicher steuern sie auf den Blütengrund zu, wo sich nahrhafter Nektar befindet. Doch dabei versperrt ihnen die Platte – das kurze Ende des Schlagbaums – den Weg. Kein Problem! Die Platte wird von der Biene mit dem Kopf nach hinten gedrückt – und die langen Staubblätter schnellen nach unten. Dabei wird der Pollen aus den Staubfächern regelrecht auf den Rücken des Insekts herausgeklopft. Der Schlagbaum funktioniert. Beim Verlassen der Blüte bewegen sich die Staubblätter wieder in ihre ursprüngliche Stellung zurück, während das Insekt – den Rücken mit Pollen eingepudert – seinen Flug fortsetzt.
Gottes Fingerabdruck | Grün
Eine Biene betätigt den Schlagbaum, wird dabei mit Pollen bepudert.
Der Griffel hängt wie ein Vorhang vor der Blüte.
Die Geschichte ist damit noch nicht zu Ende, denn der Pollen muss nicht nur abgeholt, sondern auch wieder an der richtigen Stelle abgegeben werden: am oberen Ende des Blütegriffels einer anderen Pflanze. Das kann erst geschehen, wenn das Insekt eine ältere Blüte besucht. Denn nach einigen Tagen der Blühzeit wird der Griffel lasch, er hängt aus dem »Helm« heraus und versperrt dadurch den Zugang zur Blüte. Die Biene streift ihn mit ihrem Körper wie einen Vorhang zur Seite, dabei wird der mitgebrachte Pollen abgestreift – er ist angekommen und es kann eine Befruchtung stattfinden. Alles passt zusammen: Der ausgetüftelte Blütenbau und der Körperbau des Insekts; auch die zeitliche Abfolge stimmt. Wir sehen, die Sache ist genau durchdacht. Wir sind einem genialen Schöpfer auf der Spur.
Ein Hauch von Luxus
Unnötig komplex
Seltsamerweise besitzen nicht alle Salbeiarten diesen ungewöhnlichen Schlagbaummechanismus. Beim Gartensalbei beispielsweise fehlt er; hier sind die Staubblätter einfacher gebaut. Die Pflanze existiert und gedeiht trotzdem genauso gut. So gesehen ist der Schlagbaummechanismus des Wiesensalbeis überflüssig. Warum gibt es diesen komplizierten Mechanismus dann überhaupt? Ein natürlicher Evolutionsvorgang scheint damit überfordert zu sein, diesen Luxus hervorzubringen. Dafür hat Evolution keinen »Sinn«, bei ihr ist Luxus nur unnötige Verschwendung, die schnellstmöglich wieder eingespart würde. Unter dem Gesichtspunkt der Evolution zählt nur Überlebens- und Konkurrenzfähigkeit und Erfolg in der Nachkommensproduktion. Aber dafür bringt der Schlagbaummechanismus offenbar keinen Vorteil. Es gab demzufolge keinen Anlass und keine Triebfeder zur evolutionären Entstehung dieses kunstvollen Gebildes. Und doch ist es da. Beispiele dieser Art gibt es in der Natur in Hülle und Fülle. Warum also kompliziert, wenn es auch einfach geht, könnte man fragen. Aus der Perspektive eines Schöpfers sind phantasie- und kunstvolle »Extras« aber durchaus bedeutungsvoll. Hat unser Schöpfer damit einen kleinen Gruß hinterlassen? »Ich war’s! Und ich erschaffe nicht nur Nützliches, gerade genug zum Funktionieren und Überleben, sondern ich mache noch reichliche Zugaben an Schönem, Spielerischem und Phantasievollem. Ich gebe und schaffe weit über das Existenzminimum hinaus.«
Seit ich diesen Blick für die Schöpfung bekommen habe, sehe ich die Anzeichen von Gottes »unnötigem« Phantasiereichtum an allen Ecken und Enden in der heimischen Flora, für die ich seit meinem Biologiestudium eine besondere Vorliebe habe. Diesen Reichtum finden wir aber nicht nur in der Natur, sondern auch bei uns Menschen. Wie viel mehr als das Nötigste schenkt uns Gott. Für mich ist das eine anschauliche Erinnerung dafür, dass Gott für uns Menschen ein Leben in Fülle bereithält, so wie es Jesus im Johannesevangelium sagt: »Ich aber bin gekommen, um ihnen das Leben in ganzer Fülle zu schenken« (Johannes 10,10b). Das lässt mich zuversichtlich sein, wenn ich mich im Gebet an ihn wende. Das erste Wunder Jesu war das Wunder der Verwandlung von Wasser in Wein. Jesus schenkte den Menschen hier etwas, was nicht überlebensnotwendig war, sondern ein liebevolles »Extra«, ein Stückchen Luxus, das seine Herrlichkeit offenbaren sollte. Gott ist nicht knauserig. Das sehe ich auch in der Natur, zum Beispiel an der Salbeiblüte mit ihrem verborgenen Gruß meines Schöpfers. /// Publikationen des Autors zum Weiterforschen: › Reinhard Junker, Richard Wiskin: Der Natur auf der Spur im Frühlingswald – Ein Entdeckungsbuch für Jung und Alt (96 Seiten, Christliche Verlagsgesellschaft 2002, ISBN 978-3894363086, € 9,90) › Reinhard Junker: Spuren Gottes in der Schöpfung – Eine kritische Analyse von Design-Argumenten in der Biologie. (171 Seiten, SCM Hänssler 2009, ISBN 978-3775151368, € 12,95).
Dr. Reinhard Junker (55) studierte Biologie, Mathematik und Theologie und promovierte in »Interdisziplinäre Theologie«. Seit 1985 ist er als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Autor bei der Studiengemeinschaft Wort und Wissen e.V. in Baiersbronn (Schwarzwald) tätig. Schwerpunkt seiner Arbeit sind Schöpfungs lehre und kritische Analyse von Evolutionstheorien.
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Quergedacht | Weihnachten
Hat sich da vielleicht wieder mal die Tradition an die Stelle ihres einstigen Inhalts geschlichen? Der Verdacht liegt nahe.
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Weihnachten | Quergedacht
Weihnachten Neues aus dem Hinterhof der Geistlichkeit Text: Axel Brandhorst // Kolumne
Axel erkundigt sich mal, warum die Leute in der Adventszeit eigentlich in einen Lichterrausch verfallen – und bekommt nicht wirklich eine Antwort. Ein erfrischender Aufruf, Weihnachten seinen Sinn zurück zu geben. // So, wir habens hinter uns. Der Dezember ist lange vorbei, Weihnachten überstanden, und wenn du das hier liest, geh ich mal davon aus, dass du zu den Überlebenden zählst. Jedes Jahr beginnt für viele Menschen mit dem Anzünden der ersten adventlich geschmückten Kerze die Zeit der Besinnung. Hochfasziniert betrachte ich dieses an echte Spiritualität erin nernde Verhalten meiner Mitmenschen. Es wird doch ein ge waltiger Aufwand getrieben: Ganze Häuser werden umgestal tet, Lichterketten und sonstige Lichtgebilde erhellen die Nacht, es werden sogar die Laufzeiten der Atomkraftwerke verlängert, um diese Verdrängung der Nacht zu ermöglichen. Überhaupt scheint all das Treiben viel damit zu tun zu haben, mittels Er zeugung sämtlicher Arten von Licht die winterliche Atmosphä re zu verändern. Ich hab da mal recherchiert, warum die Leute das tun. Einfach gefragt. Die Antworten waren erhellend. Von »na wegen dem Advent« bis hin zu »das sieht einfach schöner aus so, wo doch die andern das auch alle machen« hab ich so manches zu hören gekriegt. Allerdings, die eigentliche Frage, nämlich warum – die hat mir keiner beantwortet. Warum ausgerechnet Licht? Sie tun es fast alle – aber sie wissen nicht warum. Das erinnert mich ein kleinwenig daran, wie meine Tochter vor ein paar Jahren in be glückter Seligkeit voll kindlicher Freude an der Monotonie im mer wieder dieselbe Zeile aus einem im Kindergarten gelernten Adventslied trällerte: »Macht euch bereit, macht euch bereit ...!« Natürlich hab ich sie gefragt, auf was ich mich denn bereit ma chen soll. Ratlosigkeit. Wusste sie nicht. Ich auch nicht. Vielleicht finden wir eine Antwort, wenn wir die Suche mehr ins Spirituelle verlagern, hab ich mir gedacht. Denn einem Kind meiner Generation ist der Bezug von Advent, adventlich um funktioniertem Grabschmuck, Weihnachtsbeleuchtung und Je sus ja noch wärmstens anempfohlen worden. Holder Knabe im lockigen Haar, mancher Leser wird sich erinnern. Kam in der Jahresendliturgie des Absingens besinnlicher Lieder in sämt lichen Sozialisationseinrichtungen als Gewissensausgleich zum Geschenkeauspackrausch gleich nach dem Anbetungslied für den zum gewaltsam zum Tode verurteilten Nadelbaum, will kürlich behangen mit den wildesten Geschmacklosigkeiten, der nirgends, wo er irgend im Wege herumstehen konnte, fehlen durfte. Also suchen wir mal spirituell.
Weihnachten ist ja der Geburtstag vom Jesus, hat mich meine Tochter aufgeklärt. Und wenn ich diese Geschichte lese, dann ist da tatsächlich die Rede von nächtlich auftretendem Licht überschuss. Gott hat zuerst einen Stern mehr am Himmel aufge hängt, um den drei Jungs aus dem mittleren Osten den Weg zu weisen. Das gelang. Und dann, als Jesus den Geburtsstress hinter sich hatte und nach der ersten oral verklappten Mahlzeit zufrie den am Schnuller nuckelnd in seiner Krippe lag, muss es noch mal recht hell geworden sein: Es wird berichtet von einem Him mel voller Engel, und die hätte man ja nicht gesehen oder viel leicht gar für Dämonen gehalten, wenn es dunkel gewesen wäre. Also haben wir einen Bezug, oder? Weil Gott die Nacht zum Tag gemacht hat, um den Menschen die erleichternde Botschaft an gedeihen zu lassen, dass tatsächlich der, der die gefallene Schöp fung wieder mit ihrem Schöpfer versöhnen sollte, nun nach jahrhundertelanger Ankündigung endlich auf dem Planeten angekommen war, machen wir das jetzt vor lauter Glück auch. Oder? Warum sagt das dann keiner, den man danach fragt, warum er das macht? Hat sich da vielleicht wieder mal die Tradition an die Stelle ihres einstigen Inhalts geschlichen? Der Verdacht liegt nahe. Und nicht nur das, lässt sich ebendiese Tradition doch trefflichst nutzen, um die Erinnerung an ihren einstigen Inhalt gar völlig zu verdrängen. Ob du, geschätzter Leser, meinen Zynismus angesichts der Entar tung der Geburtstagsfeier unseres Herrn teilen willst oder nicht, das lass ich mal dich selbst entscheiden. Aber versprich mir was, wenn du mutig bist: Ob Leuchteweihnachtsmann und Glitzer kitsch, ob elektroautistische Bärenfamilien mit Knopf im Ohr oder gefällte Stachelpflanzen im Wohnzimmer, ob inhaltsreiche oder -arme Beschenkung beschenkungserwartender näher- oder fernerstehender Mitmenschen, ob in friedlicher Hingabe oder of fener Rebellion – versprich mir, dass du versuchst, an den zu den ken, der da in dieser Nacht kam, um den einen Teil der Mensch heit zu retten und den anderen Teil zu richten, an dem sich alles Entscheidende unserer Geschichte entscheidet, nicht an den hol den Knaben im lockigen Haar, sondern an den nicht so einfach zu begreifenden Gott, der in dieser nicht so einfach zu begreifen den Nacht, Teil dieser nicht so einfach zu begreifenden Mensch heit geworden ist. Und falls es dir diesmal, vor ein paar Wochen, rausgegangen sein sollte; entfallen, aus Zeitmangel aus der Agen da gekippt oder aus Selbstschutz verdrängt – dann tu es heut. In © Axel Brandhorst diesem Sinne – frohe Weihnachten. /// Autoreninfo siehe Seite 36
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Quergedacht | Plan B
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Plan B | Quergedacht
Plan B Single oder Traumpartner Text: Ines Emptmeyer
Frust, Unverständnis, Sehnsüchte. Leben Singles Plan B? Wie hat Gott sich das eigentlich mit Partnerschaft gedacht? Ein Artikel, den auch Nicht-Singles lesen sollten. // Stellen wir uns einen großen Raum vor. Darin sitzen viele Menschen, alles Christen. Der Raum ist dekoriert mit BarbieSachen, pinken Stöckelschuhen, Herz-Bonbons, Barbie-Hunden und Pralinen; dazwischen baumeln Ken und Barbie von der De cke. Viel Humor und Selbstironie liegen im Raum, »Sexbomb«, und Marianne Rosenbergs »Er gehört zu mir wie mein Name an der Tür«, als Hintergrund-Musik in der Luft. Jeder bekommt einen Sekt zum Empfang und ein Papier-Backförmchen, um sich gegebenenfalls Telefonnummern zu notieren. Dekorierte Backformen, Nudelhölzer und Schürzen verraten, dass an dem Abend gebacken wird. Der Titel der Veranstaltung »Backstube Traumpartner«, lässt ahnen, wo wir sind. Wir sind mittendrin bei einem Speed-Dating. Ein Speed-Dating mit 80 Leuten auf einem großen christlichen Festival. Es liegt viel Unsicherheit in der Luft. Ein Gefühl von »ertappt werden« und »oh Hilfe, wo rauf lasse ich mich denn hier ein«. Eine Film-Szene aus dem Ki nofilm »Shoppen«, bei dem typisch deutsche Charaktere beim Speed Dating gefilmt werden, lässt das erste Eis schmelzen. Das Tabuthema
Vor Jahren habe ich mir mit ein paar Freundinnen ein Konzept für ein Wochenende für christliche Singles ausgedacht. Irgend wie, dachten wir, müsste es mal etwas geben, was lustig, locker, selbstironisch, authentisch und lebensnah ist. Somit wurde die »Backstube Traumpartner« geboren. Mir ist aufgefallen, dass sich immer mehr Christen mit Tabuthemen wie Scheidung und Homosexualität auseinandersetzen. Aber wie sieht es mit den Singles aus? Oft erlebe ich, dass dieses Thema in den Gemein den totgeschwiegen wird, oder dass verkrampfte Bemerkungen einen lockeren Umgang mit dem Thema suggerieren sollen. Es ist ambivalent. Vielleicht genauso, wie oben beschrieben: Man kommt zu einem witzigen Abend, lacht und witzelt, und inner lich sieht es so ganz anders aus. Innerlich fühlt man sich wie je mand, der Plan B lebt. Schnell witzelt man mit, wenn es heißt, »hey, mein Bruder ist noch zu haben« und man antwortet: »BIN GO, besorg‘ mir die Nummer!« Aber in Wirklichkeit fühlt man sich unverstanden, nicht wahrgenommen, und in vielen Main stream-Gemeinden kommt man einfach nicht vor. Man ver gleicht sich, fühlt sich immer anders als andere. Im Kopf weiß man, dass es für alles Vor- und Nachteile gibt. Aber im Herzen fühlt man nur die unerfüllten Sehnsüchte.
Mangel
Klar kann man seine Freiheit genießen, alles selbst bestimmen und tun und lassen was man will. Auch hat man inzwischen zu Genüge mitbekommen, dass eine Ehe nicht immer so läuft, wie Hollywood es einem suggeriert. Dennoch: Der Mensch ist auf Gemeinschaft ausgelegt, und wenn Gott sagt »ich will nicht, dass der Mensch alleine sei, ich will ihm ein Gegenüber schen ken«, dann meinte er damit sicher neben guten Beziehungen auch einen Partner; denn »seid fruchtbar und mehret euch« stammt auch von Gott selbst. Wieso also ist dann die ganze Single-Kiste oft so unangenehm? Internetplattformen, auch be kannt als »Rettung für die Übriggebliebenen«, Single-Freizeiten und andere Angebote im frommen Bereich, scheinen oft etwas für Leute ab 40 oder für die »Seltsamen« zu sein. Bin ich selt sam, wenn ich immer noch Single bin? Ganz bestimmt nicht! Aber trotzdem habe ich Nöte, Sehnsüchte und Gesprächsbedarf. Wohin damit? Ich bin ein offener Mensch und auf Leute zuzugehen ist für mich kein Problem. Ich bin gesegnet mit guten Freunden, und dass ich keine Probleme habe, jemanden für Urlaubsreisen oder einen Kurztrip zu finden, ist ein Geschenk. Auch bin ich dank bar in ehrlichen, offenen Beziehungen ein Korrektiv zu finden und so mit Freunden manchmal an Themen dran zu sein, die mir den nötigen Schliff geben.
Jeder bekommt einen Sekt zum Empfang und ein PapierBackförmchen, um sich gegebenenfalls Telefonnummern zu notieren.
Single und Gemeinde
Wenn ich manchmal Singles treffe, die mir am Ende eines Se minares sagen oder mir später eine E-Mail schreiben, dass ich je die Einzige gewesen bin, die mit ihnen darüber gesprochen hat, wie es ihnen mit dem Thema wirklich geht, dann bin ich ganz beschämt, weil ich so beschenkt bin mit guten Freunden. Aber ich werde dann auch irgendwie traurig und sauer auf Christen und Gemeinden, die solche Leute nicht sehen. In Gemeinden er lebe ich oft, dass Lebenskonzepte nach Schema F »heiraten, Kin der kriegen, Hausbau« ständig thematisiert werden, aber »SingleThemen« nicht vorkommen. Wie beispielsweise soll jemand mit dem Bibelvers »wer bittet, dem wird gegeben« klarkommen, wenn die dritte Hochzeit des Jahres hinter ihm liegt, auf die er wieder einmal alleine gegangen ist, oder die Predigt am Sonntag über den Vers »Gott will nicht, dass der Mensch alleine sei« ging? oora.de
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Quergedacht | Plan B
Hier und heute ein Appell an euch Leser: Fragt nach, nehmt wahr, bezieht Singles ein in eure Lebenswelt. Und euch Singles kann ich nur folgenden Rat weitergeben: Sich nicht resigniert mit der Chipstüte in die virtuelle Welt zu stürzen oder wie Brid get Jones vor die Glotze zu hocken, das ist die Kunst und die Herausforderung, die es zu meistern gilt. Seinen Ist-Zustand anzunehmen und sich an den Dingen zu freuen, die man hat und kann und an die ausbaufähigen Bereiche mit Jesus ran zu gehen – dazu braucht man Kraft. Kraft, um sich aufzumachen, der Resignation und dem Vergleichen zu trotzen. Kraft, die vom Himmel kommt. Die jedem von uns zusteht. Im Jetzt leben ist die Devise, das Leben feiern und genießen. Wenn man hierfür keine Leute hat, dann muss man aktiv werden. Anzeigen schal ten, sich zu Kursen anmelden, Vereine, VHS, Hauskreise … Jede Veränderung fängt bei sich selbst an. Das ist die Erfahrung meiner letzten 33 Jahre. Denkt nicht, das Leben fängt erst an, wenn ihr euren Traumpartner gefunden habt. Man wird bitter, wenn man hofft und wartet, dass man ab geholt und mitgerissen wird. Mach dich auf und lass dich von Gott zu einem Traummann oder einer Traumfrau verändern. Lass Gott an dir feilen und dich schleifen.
Warum schreibe und rede ich persönlich eigentlich soviel über Single sein? Weil ich keinen Bock darauf habe, den Stempel »Single« zu tragen. Schließlich schämt sich ja auch niemand »verheiratet« zu sein, oder? ///
Backstube Traumpartner Ein Wochenende für Singles mit Humor, Gelassenheit, Gottvertrauen und Selbstironie. Ob am Kaminfeuer, auf Wanderungen, erlebnispädagogischen Highlights, bei Wellness oder Speed Dating – vom 14. bis 17. Juli 2011 ist in der »Backstube Traumpartner« in Burbach-Holzhausen Zeit dafür, mit anderen Singles ins Gespräch zu kommen und der Frage nachzugehen, wie man selbst zum Traumpartner wird. Referenten und Initiatoren: Stephan und Conny Arnold, Team-F-Leitung, sowie Daniel Just, Team-F Regionalleiter und Coach werden referieren. Ines Emptmeyer, Autorin, ist für Moderation & Co. zuständig, Sarah Kaiser wird mit ihrer jazzigen Stimme die Backstube bereichern, und ein Erlebnispädagoge wird für die interaktiven Kennenlern-Zeiten sorgen. Weitere Infos: www.backstube-traumpartner.de und www.team-f.de
Ines Emptmeyer (33), wohnt seit Kurzem in Bremen und arbeitet bei »ein Zuhause für Kinder« als pädagogische Mitarbeiterin.
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Sandkuchen | Quergedacht
Sandkuchen Text: Franziska Arnold
Zerbrochene Träume. Zerbröselt. Will sie aufheben und aufleben lassen, Wie ein Kind. Ein Kind, das zerbrochene Kekse im Sand sucht. Hebe ich sie auf, schmecken sie bitter, sind nicht zu trennen vom Sand. Hebe ich sie auf, kann ich nicht sehen, wo Selbstsucht beginnt, wo Selbstaufgabe endet und was davon zu genießen wäre. Hebe ich sie auf, sind sie deformiert, deplatziert. Lasse ich sie los, spucke ich sie aus, bleibe ich suchend, elend. Suchend wie ein Kind im Sand, nach den letzten Krümeln seiner Freude.
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Quergedacht | Wut auf Gott
– Kirche an t t e d n ü z n Mädche uf den lieben Got aus Wut a U hr
Wut auf Gott Wenn das Anzeigelämpchen aufleuchtet Text: Axel Brandhorst
Audioversion unter www.oora.de/audio
Wütend auf Gott sein – darf man das überhaupt? Der Autor liefert eine ausgesprochen ganzheitliche Antwort.
:47 Schwe Mai 2010, 17 ihrer k leinen Samstag, 29. d o T en d in Frank uer über s Mädchen ge In tiefer Tra ri h ä lfj ö us Rache ein zw angeleg t. A tt ster hat sich o G en der K irche em lieb l Feuer in a reich mit d M r ie v t tappte die ädchen . Lange Zei x leg te das M u re er P t Zeitung »Le atstad seiner Heim keln. Das berichtet die Du n Polizei im des Katechis «. n Parisie ai während M . er 19 e d n am ei rrer der Gem s au A ls der Pfa er d in er ichts für K die Ermittl mus-Unterr kte, w urden in dem Ker ec td en er eu Kinderhand neut ein F bdruck einer ers benutzt A er D . ig tz ng des Feu u stu d n ü tz n E . as zur ngen Täterin zenwachs, d sie zu der ju e rt h fü , ar worden w t gerettet ester nich w h otiv: Ihre c S ie d fhin sein M au Gott hat ar d d an Sommer bei en gest rgangenen Das Mädch ve e im i se ester nd Gott hab kommen, u k leine Schw ge s en in eb en L s in ll um der K le einem Unfa lizei redete o P ah n ie D aß . M et rett erische eh zi er sie nicht ge e et ie d nd verordn en, meldete Gew issen u ihr verzieh e ab h er rr fa men. Der P n/muei) p (a g. n tu Zei s line-Portal de erschien im On sschau.sf.tv ng du el M e es ge Di w.ta rnsehens: ww Schweizer Fe
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Wut auf Gott | Quergedacht
// Ooops. In uns Menschen geht doch viel mehr vor, als wir wissen und sehen las sen wollen. Wer von uns kennt das nicht – dieses Gefühl der Wut, das uns glauben machen will, dass wir erst dann zu einer Art Frieden zurückfinden können, wenn wir eine Schneise der Zerstörung hin terlassen haben? Also habe ich mir ein paar Gedanken gemacht über das The ma »Wut« – mit besonderem Blick auf die Wut auf Gott, die ein ziemlich heikles Thema zu sein scheint. Dieses Mädchen, das da derart unbändige Kräfte in sich wirken spürte, dass sie bereit war über hohe Hemmschwellen hinweg zugehen – nennen wir sie mal Françoise – die könnte uns was erzählen, wenn wir die richtigen Fragen wüssten. Meist wis sen wir diese Fragen gerade dann nicht, wenn wir die Antworten darauf am drin gendsten bräuchten, nämlich dann, wenn wir selbst wütend sind. Aber jetzt haben wir gerade keine Wut, und wir sind in der Lage, mit etwas kühlerem Kopf vorzuge hen als Françoise angesichts der Behau sung Gottes im französischen Perreux. Was ist Wut?
Die erste Frage könnte sein, was denn Wut überhaupt ist. Da will ich mal die Experten zu Wort kommen lassen und übersetze eine Definition aus der Psycho logie in verständlicheres Deutsch: Wut ist ein Gefühl, das von einer Grenzüber schreitung oder einem an sich selbst ver spürten Schaden verursacht wird und das Bedürfnis mit sich bringt, klarzumachen, dass man nicht einverstanden ist. Das Ziel der Wut ist, eine Änderung oder Ent scheidung herbeizuführen und ein akut wahrgenommenes Problem zu lösen. An Françoises Beispiel verdeutlicht: Sie hat einen Schaden verspürt (den Verlust ihrer Schwester), es gab einen grenz überschreitenden Verursacher (Gott, der seinen Job als Verhinderer übler Dinge nicht getan hat), sie hat viermal den Ver such unternommen, sich zu rächen und wollte dadurch eine Veränderung herbei führen (nicht mehr abhängig zu sein von diesem Gott, der die einfachsten Dinge nicht geregelt kriegt, sondern ihm zu zei gen, dass er von ihr abhängig ist, indem sie ihm die Bude abfackelt, und ihn da
durch hinter die Grenzen zu verweisen, die er ihrer Interpretation nach über schritten hat). Ist Wut hilfreich?
Das führt uns zur zweiten Frage: Ist Wut ein hilfreiches oder ein behinderndes Gefühl? War Françoise »berechtigt«, so zu fühlen, wie sie gefühlt hat und so zu handeln, wie sie gehandelt hat? Hier müssen wir Fühlen und Handeln klar voneinander trennen. Françoise hatte eine Wut auf Gott, der es wagte, ihr einen solchen Schaden zuzufügen, und sei es bloß durch eine Unterlassungshandlung. Das ist eine kausale Kette: Die Schwe ster stirbt, Françoise interpretiert Gott als Schuldigen, nimmt den kaum zu ver arbeitenden Schmerz des Verlustes wahr und spürt Wut. Und wie wir sehen, ist da ziemlich viel Energie drin. Energie, die sie verwenden hätte können, um klarzu kommen, um sich neu zu orientieren, um die Grenze zu finden, wo ihr die Dinge zu nahe gehen und ihre Beziehung zu diesem Gott zu klären – und, um zu trauern. Die Wut gab ihr Energie. Die Wut machte ihr auch klar, dass da etwas unglaublich weh tut und dass eine Lösung nötig ist. Das ist hilfreich, oder? Weniger hilfreich war das Maß der Ener gie, mit der die Wut einherging, und darü ber hinaus war Françoise klar überfordert durch ihr Unvermögen, die Wut zu kana lisieren und sie für die richtigen, Lösung bringenden Handlungen zu nutzen. Dafür kann die Wut nichts; dafür war nur Fran çoise nicht genug ausgerüstet. Wut ist also ein hilfreiches Gefühl, wenn wir in der Lage sind, damit umzugehen. Leider kön nen wir das oft nicht, weil es uns niemand beigebracht hat, und so verbieten wir uns aus Angst vor der Energie, die die Wut frei setzt, dieses Gefühl, statt einen guten Um gang damit zu lernen. Aber Gefühle sind etwas, das Gott uns mitgegeben hat, um das Leben meistern zu können. Sie sind wie ein Anzeigelämpchen im Auto, das uns zeigt, was es braucht: Wenn wir es richtig interpretieren und dann angemessen han deln, läuft alles gut. Wenn wir uns aber ge wisse Gefühle verbieten, weil wir Angst vor ihrer Energie haben, dann äußert sich das Problem bald auf eine andere Art.
Ist Wut auf Gott erlaubt?
Mir brennt eine dritte Frage im Herz: Darf ein Mensch denn überhaupt wütend sein auf Gott? Auf diesen allmächtigen, fehlerfreien, unendlich gütigen und ewig schuldlosen Gott? Denn so wie wir sein Wesen kennen, gibt er uns ja keinerlei Anlass, wütend auf ihn zu werden, rich tig? Oder hast du Gott schon einmal da bei erwischt, wie er was falsch gemacht hat? Jemandes Grenzen nicht geach tet hat? Schnell wird hier klar, dass wir uns entscheiden müssen: zwischen dem Gott, wie er sich in der Bibel erklärt, oder einem, auf den man berechtigt wütend sein darf. Denn wenn ich wütend auf ihn bin, offenbare ich mich als einer, der nicht
Wut ist also ein hilfreiches Gefühl, wenn wir in der Lage sind, damit umzugehen. Leider können wir das oft nicht, weil es uns niemand beigebracht hat. an seine Gerechtigkeit glaubt; als einer, der glaubt, dass Gott einen Fehler macht und meine Grenzen nicht achtet. Hilft uns diese theologische Grundwas serbohrerei? Bedingt, finde ich. Sie zeigt uns, dass unsere Gefühle oft nicht im Einklang sind mit den Dingen, die wir zu glauben glauben. Das ist zwar eine wich tige Erkenntnis; sie verleitet uns jedoch häufig zu falschen Handlungen: Wir hal ten unsere Gefühle für falsch, weil wir das, was sie uns sagen, für einen Wider spruch zur Offenbarung Gottes halten. Und schon stecken wir in der Sackgasse – nicht gerade hilfreich, wenn man wei terkommen will; deshalb möchte ich ver oora.de
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Quergedacht | Wut auf Gott
suchen, einen lebensnäheren Zugang zu finden. Frage vier: Stört es Gott, wenn wir wütend auf ihn sind? Macht es ihm etwas aus? Gell, wir merken es schon: Sicher trauert er um verpasste Gelegenheiten zu freud vollerem Beisammensein, sollte unsere Wut auf ihn anhalten. Aber ausmachen im Sinne von »Verkraftet er das?«, »Ist er beleidigt?« oder gar »Fügt es ihm Schaden zu?« – das geht kaum. Gott hält es aus, er zerbricht nicht daran, wenn wir unbehag liche Gefühle ihm gegenüber haben. Und da sind wir einen kleinen Schritt weiter: Ja, Wut gegen Gott darf sein; daran ge hen keine ewigen Ordnungen kaputt, und er liebt uns auch nicht weniger, wenn wir wütend auf ihn sind. Ist Wut auf Gott Sünde?
Dennoch: »dürfen« wir das? Fünfte Frage, Wiederholung der dritten unter anderen Gesichtspunkten. Fügen wir ihm Unrecht zu, wenn wir wütend auf ihn sind? Oder, um es traditioneller zu formulieren, sün digen wir damit? In Anbetracht der Tatsa che, dass ein gerechter und liebender Gott objektiv gesehen gar nicht der Anlass sein kann, dass wir wütend auf ihn werden, müssen wir feststellen, dass wir ihm Un recht tun, wenn wir ihm die Schuld an un serem Schmerz zuschreiben. Aber er hält es ja aus; wir überfordern ihn damit nicht und müssen daher auf seine Fähigkeit, Dinge zu ertragen, nicht unbedingt Rück sicht nehmen. Und Wut hat die Energie, zielgerichtet einer Lösung zuzustreben. Also ist es ein brauchbarer, wichtiger Weg, die Wut wahrzunehmen und in Auseinan dersetzung mit uns selbst, weiteren betei 36
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ligten Personen und Gott zu gehen. Dabei lässt sich klären, wie die Wut zustande kam (sprich: wo genau unsere Fehlinter pretation von Gottes Handeln lag), und wir können über die Gefühlsübermacht hinaussehen und Zuschreibung von Tat sache trennen. So müssen wir Gott nicht Schuld an unserer eigenen Schuld oder Begriffsstutzigkeit geben und können die Energie der Wut zur konstruktiven Bezie hungsklärung nutzen. Wut auf Gott kann helfen! In der Wut klarkommen
Bleibt eine letzte Frage, denn diese Theorie ist zwar schön, aber grau: Was machen wir denn nicht mit, sondern mitten in der Wut? Sprich: wenn der Kessel zu platzen droht und das Sicherheitsventil vor Überlastung zu pfeifen beginnt? Wenn das Blut in den Ohren rauscht und wir Gott auf der Stel le erwürgen würden, wenn wir nur seinen Hals finden könnten? Dafür brauchen wir zwei Dinge: einerseits das Recht und die innere Erlaubnis, die Wut so rauszulassen, dass sie nachher auch draußen ist, und an dererseits Regeln, damit wir nicht jemand verletzen, den wir nicht verletzen wollen oder etwas kaputtmachen, das wir nicht kaputtmachen wollen. Und die Erfahrung zeigt: Wenn wir uns das Recht und die Er laubnis zur Wut geben, sind wir auch viel leichter bereit, uns an die Regeln zu halten. Und wie kann das gehen, die Wut raus zulassen, ohne an Personen oder Dingen Schaden anzurichten? Da brauchen wir unseren eigenen Weg. Ob Holz spalten, Teppich klopfen, Schreien oder das Ka puttschlagen von Dingen, die sowieso für die Tonne bestimmt sind, das ist egal: Die
Wut ist raus, wenn sich eine gewisse Er schöpfung breitmacht und die Denkfähig keit wieder einsetzt. Und dann ist es sehr hilfreich, nicht zuerst Wunden verbinden oder Schaden aufräumen zu müssen, son dern sich unbeschwert der Lösung des wutauslösenden Moments zuwenden zu können. Und auch das sei zum Schluss noch verra ten: Raus muss die Wut, denn sonst macht sie uns krank. Auf psychosomatischen Ab teilungen in den Psychiatrien kann man ein Lied davon singen, und inzwischen sind wir sogar so weit, einen Zusammen hang nachweisen zu können zwischen unterdrückter Wut und Phänomenen wie Magengeschwüren, Depressionen, Süch ten und Essstörungen. Also machen wir es doch am besten, wie Paulus uns in Ephe ser 4,26 rät: zürnen (mit anderen Worten: Wut rauslassen), aber dabei dafür sorgen, dass nicht danach nie wieder die Sonne © Axel Brandhorst aufgeht. ///
Axxl (37), eigentlich Axel Brandhorst, ist in zweiter Ehe verheiratet und Vater einer bezaubernden Tochter. Er lebt im Kanton Bern in der Schweiz und ist im deutschsprachigen Raum in Seelsorge und psychologischer Beratung unterwegs. Sein Herz schlägt dafür, Menschen zu befähigen, eine gute Beziehung mit sich, ihrem Schöpfer und anderen Menschen leben zu können. Sein Blog: www.axxl.wordpress.com Sein Business: www.axelbrandhorst.org
Die bunte Stadt | Quergedacht
Leser gestalteer,ndie gestalten. Es gibt viele oora Les euch vor. Einige davon stellen wir
Um den hier geht es.
Die bunte Stadt Leserportrait Nikolai Warth Text: Rebekka Preisendanz
»Suchet der Stadt Bestes«, heißt es in der Bibel. Unser Leser Nikolai Warth setzt diese Aufforderung auf außergewöhnliche Weise um. // Die thüringer Kleinstadt Meiningen, Weihnachtsmarkt 2010. Ein junger Mann, Mitte 20, verkauft Hennen. Hennen? Die Hen ne ist das Wahrzeichen der kommenden Kinderstadt in Meinin gen – einem bunten Ferienprojekt für Kinder zwischen sieben und 13, bei dem die Teilnehmer ihre eigene Stadt aufbauen und simulieren. Fünf Tage lang sind die Kinder Herren ihrer eigenen Stadt: Es gibt ein eigenes Finanzsystem, verschiedene Berufe und sogar eine eigene Kinderstadt-Hymne. Nikolai Warth ist an die sem verschneiten Sonntagnachmittag als »Hennenbotschafter«, wie er sich selbst nennt, unterwegs, um Werbung für das Projekt zu machen und Spenden zu sammeln. Dazu verteilt er an Mit bürger Sticker mit dem Hennen-Logo – es ist ihm ein Anliegen, die Menschen in der Stadt mit einzubeziehen. Den Verein, der das Projekt bis 2008 an drei aufeinanderfol genden Jahren initiiert hat, gibt es heute nicht mehr, doch Ni kolai, der das Konzept mit- und weiterentwickelt hat, trägt die ses Programm mit einem neuen Team weiter. »Die Kinderstadt hat das Potential, viele Menschen in der Stadt zusammenzubringen«, sagt der selbstständige Ideenent wickler und Projektgestalter. Er macht sich Gedanken über
Der Kinderstadt-Sticker
alternative Stadtentwicklung, geht dabei der Frage nach: »Wie kann die Stadt, in der ich lebe, mehr zu meiner Stadt werden?« Und weil er davon überzeugt ist, dass gesellschaftliche Ver änderung bei den Jüngsten anfängt, liegt sein Fokus auf der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Es ist Nikolais Wunsch, dass seine Stadt über sich hinaus wächst, indem sie Dinge tut, die unüblich sind, sich über ihre Kinder definiert, sie integriert, ernst nimmt und ihnen Lebensraum schafft. »Ich wünsche mir nicht nur eine kind gerechte, sondern geradezu eine kindliche Stadt. Eine bunte Stadt. Kinder sollen die Möglichkeit bekommen, ihre Stadt mitzugestalten. Eine kindgerechte Stadt ist mit einer be stimmten Anzahl von Spielplätzen pro festgesetzter Fläche zufrieden – eine kindliche Stadt hingegen nimmt selbst kind liche Eigenschaften an und lebt sie aus: Verspieltheit, Leichtig keit, Lachen. Das macht die Power von Kindern aus.« Nikolai zitiert Meiningens Bürgermeister: »Die Bürger sagen immer, die Stadt müsse etwas machen. Dabei sind die Regie renden nur die Ermöglicher; die wahre Gestaltungskraft liegt bei den Bürgern. Das ist mit Demokratie gemeint.« Und so macht Nikolai sich auf den Weg, der Stadt Bestes zu suchen – sie zu bereichern und mitzugestalten. /// Weitere Infos: www.kinderstadt-meiningen.de
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Quergedacht | Schmalspurkommunikation
Schmalspurkommunikation Unter der Oberfläche Text: Linda Zimmermann // Kolumne
Die Autorin hat eine Vorliebe für Kommunikation und eine Abneigung gegen virtuelle Netzwerke. Zum Beispiel gegen Facebook. // Ich liebe die Kommunikation. Erfragen, wie es meinen Freunden geht, auf dem Laufenden sein, wissen, was die jenigen, die mir etwas bedeuten, bewegt. Von ihrem Alltag hören und auch die we niger schönen Themen aufgreifen, die das Leben ausmachen. In die Kitty-Poesiealben von befreunde ten kleinen Mädchen schreibe ich zu ih 38
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rem Unverständnis »Kaffeetrinken und Unterhalten« in die Kategorie, in der sie Gummi-Twist, Pferde und Polly Pocket eintragen. Ich tue diesen werten Poesieal benbesitzerinnen dafür Leid. Hat die Frau nichts Besseres zu tun? Nein, ehrlich ge sagt, hat sie das nicht. Es ist die Interaktion, die mich am Re den und Telefonieren so reizt. Ich werde mit Neuem konfrontiert, werde eingela den in eine andere Welt. Das, was ich von mir preisgebe, sei es in Worten oder aber durch das Drumherum meines Tonfalls, der Pausen, die ich mache, meiner Gesten
und nicht zuletzt dem, was in meinem Gesicht zu lesen ist, beeinflusst wiede rum mein Gegenüber. Ein Lachen, ein besorgter Blick, der Augenkontakt oder auch das bewusste Schweigen, um zu zuhören – Interaktion ist ein Geben und Nehmen, das, in welcher Intensität oder Qualität auch immer, in eine Beziehung mündet, schon Beziehung ist. Man könnte meinen, dass ich mich also dankbar auf jedes Medium stürzen würde, das als Ka nal für besagte Neuigkeiten, Sorgen und Lustigkeiten fungieren könnte. Das Ge genteil ist aber der Fall.
Schmalspurkommunikation | Quergedacht
Wir verderben im kollektiven Einverständnis die guten Sitten der zugewandten Kommunikation.
Aus dem Nichts auftauchende Social Me dia Plattformen wie Google Wave oder Überflüssigkeiten wie die ePost tangie ren mich wenig. Nur am Phänomen Facebook komme ich zu meinem Leidwesen nicht vorbei. Diesem allseits beliebten Medium, das Schmalspurkommunikati on fördert, unauthentische Selbst-Insze nierung verlangt und viele seiner Nutzer zu Beziehungs-Schmarotzern mutieren lässt, die von der Offenheit anderer pro fitieren, ohne sich selbst einzubringen. Meine Anklageschrift zu diesem Thema ist lang und deckt sich mit der anderer Verweigerer und Aussteiger. Mein Pro blem ist nicht in erster Linie der HappyClappy-Modus oder die Oberflächlich keit des Austausches. Was mich wirklich wurmt, ist, dass Facebook ein subtiler Kompromiss ist. Ein Kompromiss, der Kommunikation suggeriert, in Wahr heit aber ein unausgesprochener Pakt des halben Hinhörens ist. Die Abmachung, sich pausenlos gegenseitig beobachten und kommentieren zu dürfen. Die mir hin und wieder vorgehaltene Rechnung »Wenn du auf Facebook wärst, hätten wir mehr Kontakt.« geht für mich nicht auf. Ja, wir würden vielleicht anei nander erinnert, würden gegenseitig unse re Fotos einsehen, würden den Senf mitbe kommen, den die angeblichen »Freunde« unserer eigentlich wahren Freunde zu ihren dargestellten Abenteuern abgeben. Und dann? Dann lassen wir uns mit einem müden Mausklick gegenseitig wissen, was uns an der sorgsam gepflegten Selbstdar stellung des anderen gefällt. Oder wir rea gieren gar nicht. Und dabei kommunizie ren wir bekanntlich gleichermaßen. Und
verstärken die Botschaft unserer passiven Kommunikation noch dadurch, dass wir munter auf Profilen unserer zahlreichen anderen »Freunde« Spuren hinterlassen, die die ignorierten, eigentlich wahren Freunden berechtigterweise in der An nahme stärken, dass wir sie tatsächlich vernachlässigen. Wir verderben im kollek tiven Einverständnis die guten Sitten der zugewandten Kommunikation. Ich gebe zu, ich bin inkonsequent: Mein ach so zugewandtes Festnetz-Medium birgt genauso die Gefahr eben dieser Halbherzigkeit. Den Telefonhörer unter geklemmt und alle halbe Minute Laute des aktiven Zuhörens heuchelnd, putze ich das Bad, schreibe ich Weihnachtskar ten oder – und das ist schändlich – surfe im Netz. Auch in einer SMS reduziere ich den Austausch auf von mir ausgewähl te Kurzeinblicke in meine eigentlich so komplexe Innenwelt. Und zu guter Letzt kann auch einem Brief oder einer E-Mail Selbst-Inszenierung nachgesagt werden, schließlich wähle ich auch in diesen anti quaren Medien sorgsam aus, was ich von mir preisgebe und was nicht. Warum wettere ich also derart gegen Facebook? Eigentlich kommt es doch meinem Wunsch nach Beziehungspfle ge und Austausch entgegen – ich blättere schließlich unheimlich gern in den Fo toalben meiner Freunde und freue mich auch über noch so kurze Nachrichten aus ihrem Alltag. Ist es die Angst vor der Facebook-Sucht, dem unkontrollierten Klick, nur um zu schauen, ob für mich wieder ein Däumchen mehr aufgestellt wurde? Oder habe ich Angst, eine von de nen zu werden, die unter ihren 289 frei
geschalteten »Freunden« irgendwann die wahren sechs vergisst? Bei aller Kritik: Ich frage mich ernsthaft, ob ich mit meinem Facebook-Boykott rückwärtsgewandt bin oder sogar schon erste Anzeichen von Medieninkompetenz aufweise, gegen die heute schon in jeder Kindergartengruppe präventiv vorge gangen wird. Ob ich mich bereichernder Kontakte und inspirierender Netzwerke beraube. Freunden durch mein Nicht-Mit machen vermittle, ich interessiere mich nicht für sie. Mich ins virtuelle Aus ma növriere. Manchmal scheint es mir nur noch eine Frage der Zeit zu sein, wann ich mich auf den Sog des virtuellen Dabeiseins einlas se, für dessen Geschwindigkeit und Cha rakter ich eigentlich nicht gemacht bin. Schließlich bin ich schon soweit gesunken, dass ich im Profil meines Mannes auf die Suche nach alten Bekannten gehe, mich neugierig durch die Fotoalben von Halb bekannten klicke und die »Freunde« mei ner eigentlich wahren Freunde prüfend unter die Lupe nehme. Und dabei als Fa cebook-Trittbrettfahrerin meine gesamte Tagesportion sozialer Energie verbrauche. Das gefällt mir nicht. Gar nicht. ///
Linda Zimmermann (31) ist mit ihrem Mann Michael von Berlin nach Nordhausen am Harz gezogen, um dort Sozialmanagement zu studieren. Sie mag ihr Gästezimmer, das abwechselnd Freunde beherbergt oder als Nähstube für ihr kleines Kreativ-Label »ewig und immer« dient.
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Quergedacht | Sie Model, Er Musiker
Sie Model, Er Musiker Interview mit Corrine und Matt Roush Interview: Debora Ruppert
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Sie Model, Er Musiker | Quergedacht
In den Wegen Gottes leben, gleichzeitig Model und mit einem gut aussehenden Musiker verheiratet sein. Ein Paradox? Die Roushs sind vor zwei Jahren von New York nach Berlin gezogen und berichten hier offen über die Herausforderungen eines jungen Paares im Modelbusiness. // Ich treffe Corrine und Matt Roush – beide 30 Jahre jung – gegen Abend bei einem Glas Wein in einer Berliner Altbauwohnung ... Ihr seid Anfang 2009 von New York nach Berlin gezogen. Was hat euch zu diesem Schritt bewogen?
Corrine: Wir lebten seit einiger Zeit in New York und arbei teten erfolgreich in unseren Berufen – ich als Model und Matt als Landschaftsarchitekt. Neben seinem Beruf war Matt noch als Musiker tätig und spielte in einer Folk-Rock-Band. Zu die ser Zeit trafen wir in Manhattan Christian Nowatzky, einen der Pastoren des Berlinprojektes, einer Gemeindeneugrün dung in Berlin: www.berlinprojekt.com. Er kam regelmäßig in die USA, um dort über das Berlinprojekt zu berichten, und so entwickelte sich bald eine Freundschaft zwischen uns. Wir er zählten ihm, dass wir spürten, dass Gott uns in etwas Neues hineinrufe, wir dieses »Neue« aber noch nicht konkret fassen könnten. Christian bewegte diesen Gedanken mit dem Hinter grundwissen, dass das Berlinprojekt eine Person für den Mu sikbereich und jemanden für die Entwicklung und Betreuung internationaler Partnerschaften und Fundraising-Beziehungen suchte. Im Herbst 2008 fragte er uns, ob wir interessiert wären, nach Berlin zu ziehen und dort im Rahmen des Berlinprojektes mitzuarbeiten. Im Januar 2009 entschieden wir uns dann, die sen Schritt zu wagen. Jetzt sind wir schon zwei Jahre hier. Ein Model und ein Musiker. Das klingt nach einer traumhaften Liebesgeschichte – fast wie aus Hollywood. Wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt?
Matt: In der Highschool. Corrine: Mit 15 habe ich mich total in Matt verliebt. Da wusste er noch nicht einmal, dass ich existiere. Zwei Jahre später hat sich dann eine intensive Freundschaft zwischen uns entwi ckelt und wir sind zusammengekommen. Matt war der absolut coolste Typ der Schule und ich war der dünne Nerd. (lacht) Matt: Aber ich habe das Potential in dir gesehen. (lacht) Wir waren einfach sehr gute Freunde. Dann hat sich unsere Bezie hung ganz natürlich weiterentwickelt, und wir sind uns immer näher gekommen.
Unsere Ehe war uns so wichtig, dass wir sie nicht durch die Modelbranche ruinieren lassen wollten.
Corrine, war es schon immer dein Berufswunsch, Model zu werden?
Corrine: Nein, als kleines Mädchen wollte ich eigentlich Schau spielerin werden. Als Teenager dann hatte ich den Wunsch, ein mal in einer Serie wie »Friends« mitzuspielen. Aber ich wuchs in Ohio auf, und da gibt es kaum Chancen einen solchen Traum auch konkret umzusetzen. Also habe ich etwas Theater in der Schule gespielt, und das war’s dann mit der Schauspielerei. Aber du bist Model geworden. Wie sahen deine ersten Schritte ins Modelbusiness aus? Bist du auf der Straße angesprochen und entdeckt worden? Oder hast du dich bei Casting-Agenturen beworben?
Corrine: Als ich jünger war, wurde meine Mutter manchmal von Leuten angesprochen, die meinten, dass ich doch Model werden könnte. Als ich 16 war, überzeugte ich meine Eltern von der Genialität dieser Idee (lacht) und nahm Kontakt zu ein paar Agenturen auf. Zwischen 17 und 19 modelte ich in Ohio. Die Agenturen wollten dann, dass ich für Fotoaufnahmen an ver schiedene Orte reise, aber dazu hätte ich die Schule verlassen müssen, und das wollten meine Eltern nicht. Mit 22 heirateten Matt und ich, und kurze Zeit später wurde ich einmal in einem Einkaufszentrum zu einem Model-Wettbewerb eingeladen. Dort belegte ich den 2. Platz. Im darauffolgenden Jahr bewarb ich mich in New York bei sechs verschiedenen Model-Agenturen. Ein halbes Jahr unserer Hochzeit unterschrieb ich dann bei einer der Agenturen einen Vertrag. Ab diesem Zeitpunkt pendelte ich zwischen Columbus, Ohio und New York. Wie hat dein Umfeld – Partner, Familie, Freundeskreis – auf diesen Berufswunsch reagiert?
Corrine: Als ich anfing zu modeln, erzählte ich – außer Matt – keinem meiner Freunde davon. Es war mir damals irgendwie unangenehm. Meine Eltern haben mich in meiner Laufbahn als Model immer total unterstützt. Mein Vater sah darin eine groß artige Chance, die große weite Welt kennenzulernen und auf Reisen gehen zu können. oora.de
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Quergedacht | Sie Model, Er Musiker
Gab es spezielle Herausforderungen für dich als Christ auf deinem Weg ins Modelbusiness?
Corrine: Ja, die gab es. Ich war mir bewusst, dass ich in einer Branche arbeitete, in der kaum Christen tätig sind. Außerdem war mir klar, dass es Christen gibt, die es als verwerflich ansehen, als Christ ein Model zu sein. Ich teile diese Meinung nicht, da ich denke, Christen sollten in nahezu allen Industrien vertreten sein. Zu Beginn meiner Modellaufbahn, mit 22 Jahren, hielt ich schriftlich fest, was meine Arbeitsethik sein soll. Ich entschied mich, keine Werbung für Dessous und auch keine Nacktfotos zu machen. Außerdem entschloss ich mich, aus Respekt meinem Mann und meiner Ehe gegenüber, dass ich, falls sich Türen in die Filmindustrie öffnen sollten, keine Sexszenen drehen würde. Ich betete länger über diese Entscheidung und beschloss, dass ich keinen Vertrag mit einer Agentur machen würde, die meine ethischen Standards nicht akzeptieren würde. Für mich war es in diesem Prozess eine große Hilfe, dass ich verheiratet bin. So hatte ich jemanden an meiner Seite, mit dem ich meine Gedanken besprechen konnte. Mir war bewusst: Mit den Entscheidungen, die ich treffe, stehe ich nicht nur in Verant wortung gegenüber Gott und mir selbst, sondern auch gegen über meinem Mann. Matt hat mich in meinem Beruf als Model sehr unterstützt.
Viele Agenturen üben Druck aus und sagen: Wenn du als Model Erfolg haben willst, dann solltest du dich auch nackt oder in Dessous fotografieren lassen. Matt: Wir haben uns nicht vorher theoretisch überlegt, was un sere ethischen Standards sind, sondern wurden plötzlich damit konfrontiert, dass Corrines Agentur sie für Nackt- und Des sous-Aufnahmen buchte. Da mussten wir dann überlegen, wie wir damit umgehen wollen und was unsere Einstellung dazu ist. Das stelle ich mir als eine große Herausforderung für ein frisch verheiratetes Paar vor.
Corrine: Ja, wir waren gerade mal sechs Monate verheiratet, und dann musste ich regelmäßig zum Teil mehrere Monate für Shootings in andere Städte und Länder fliegen. Natürlich hat Matt mich besucht, wenn er konnte. Aber es war wirklich eine große Herausforderung. Matt: Das war wirklich hart. Ich will das nicht vergeistlichen, aber ich erinnere mich an ein Gespräch zwischen Corrine und mir. Wir sahen zwei Wege vor uns: Der eine war der, Nacktund Dessousaufnahmen zu machen und in das Modelleben mit vielen Partys, Alkohol und Drogen und so weiter einzusteigen. 42
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Der zweite Weg war der, sich auf die Modelbranche einzulassen, aber sich selbst und seinen Werten treu zu bleiben und keine Kompromisse einzugehen. Über diese beiden Lebensentwürfe haben wir intensiv gesprochen und gebetet und uns dann dafür entschieden, nach einer jesusmäßigen Ethik zu leben. Unsere Ehe war uns so wichtig, dass wir sie nicht durch die Modelbran che ruinieren lassen wollten. Wir wussten damals nicht, wie sich unsere ethischen Entscheidungen auf Corrines Karriere als Model auswirken würde. Würde es bedeuten, dass ihre Karriere damit zu Ende ist? In der Retroperspektive können wir sehen, dass Gott Corrine total Gnade geschenkt hat. Wir haben dann herausgefunden, dass es zwei große Bereiche im Modelgeschäft gibt. Zum einen das Editorial Modelling, was bedeutet, dass man auf dem Cover oder in Artikeln von FashionMagazinen und Hochglanz-Zeitschriften erscheint. Diese Form des Modelns ist oftmals mit Partys, Drogen und Bettgeschichten verknüpft. Zum anderen gibt es das Commercial Modelling, da geht es primär um Shootings für Kataloge oder beispielsweise für Werbung in Printmedien. In unserem Entscheidungsprozess empfanden wir, dass Gott Corrine in das Commercial Modelling hineinführte. Corrine, wie wirkt sich dein Glaube – deine Beziehung zu Gott – heutzutage auf deinen Beruf aus?
Corrine: Manchmal ist es schwer für mich zu sehen, wie Gott durch mich wirkt, da ich viele Leute nur einmal bei einem Shoo ting treffe und dann nie wieder. Heute habe ich zum Beispiel mit zwei männlichen Models aus Südafrika und den USA zusam mengearbeitet. Wahrscheinlich werde ich sie nie wiedersehen. Da frage ich mich: Wie kann ich ihnen in so kurzer Zeit etwas von Gott weitergeben? Matt (zu Corrine): Mit deinen klaren ethischen Werten und Überzeugungen bist du, denke ich, ein Zeugnis für deine Agen tur und auch für Kunden, mit denen du arbeitest. Deine Agen tur schätzt dich sehr, und auch deine Kunden sehen, dass du hochprofessionell arbeitest, so dass sie dich oft mehrere Jahre hintereinander immer wieder für Shootings buchen. Corrine: Vor zwei Jahren hatte ich einige Shootings mit Teen agern, die so um die 15 Jahre alt waren. Diese jungen Frauen be gannen mir viele Fragen zu stellen, wie zum Beispiel: Was muss ich tun, um ein erfolgreiches Model zu werden? Ich konnte ih nen dann folgende Gedanken mit auf den Weg geben: »Wenn du das Gefühl hast, du willst ein bestimmtes Shooting, beispiels weise eine Nacktszene, nicht machen, dann vertraue deinem Gefühl und lehne ab, auch wenn dir dadurch viel Geld durch die Lappen geht. Du musst das nicht machen. Das bedeutet nicht, dass deine Karriere damit zu Ende ist.« Ich betrachte es als großen Segen, dass ich erst mit 22 so rich tig in das Modelbusiness eingestiegen bin. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich schon ein wenig Lebenserfahrung und war verheira tet. Viele Models fangen mit 15 an. In dem Alter ist es schwer, so weit reichende ethische Entscheidungen zu treffen. Natürlich haben in dem Alter die Eltern noch ein Mitspracherecht. Aber viele Agenturen üben Druck aus und sagen: Wenn du als Mo
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Matt ist Musiker
Corrine beim Fotoshooting
del Erfolg haben willst, dann solltest du dich auch nackt oder in Dessous fotografieren lassen. Matt: Natürlich kann man durch solche Entscheidungen auch manchen Job verlieren. Aber man bleibt sich selbst treu. Corrine: Es ist wichtig, diese ethischen Entscheidungen vorher zu treffen. Befindest du dich nämlich mitten in einem Shooting und man bietet dir für Dessousaufnahmen etliche Tausend, dann kann das Geld in dem Moment sehr verlockend sein. Matt: Das Modelbusiness ist wirklich ein hartes Brot und bringt einen schon sehr an seine Grenzen. Besonders als Christ steht man dabei in verschiedenen Konflikten: Wilde Partys, OneNight-Stands und Drogen sind oftmals Alltag, und nicht jeder kann mit diesen Herausforderungen umgehen. Ich hätte nicht damit umgehen können, aber nachdem ich Corrine nun einige Jahre in diesem Business erlebt habe, glaube ich, dass Gott sie wirklich als Model berufen hat und dass sie die charakterliche Integrität hat, in diesem Beruf zu arbeiten. Bist du in der Modebranche auch anderen Christen begegnet: anderen Models, Bookern oder Fotografen?
Corrine: Ja, meine beste Freundin Elise ist auch Model. Es ist wirklich eine wundersame Geschichte, wie wir uns ken nengelernt haben. Matt und ich lebten gerade mal ein Jahr in New York. Außerhalb des Hauskreises, den ich besuchte, hatte ich kaum christliche Bekannte oder Freunde vor Ort.
Wenn sich jemand in einen von uns verliebt hat oder wir uns zu anderen Menschen hingezogen fühlten, haben wir miteinander darüber gesprochen. Zu dieser Zeit sagte ich zu Gott: Ich schaffe es nicht, in New York zu überleben, wenn du mir nicht eine Freundin schenkst, eine starke Frau, die Christin ist. Es verging gerade mal ein Monat, und bei einem Casting begegnete mir Elise. Wir waren uns gleich sympathisch und stellten im Gespräch fest, dass wir beide Christen waren. Das war vor vier Jah ren, und heute ist sie meine beste Freundin. Wirklich eine prompte Gebetserhörung. Matt: Ein Geschenk von Gott. Durch Elise wiederum lernten wir Christian Nowatzky vom Berlinprojekt kennen und so ka men wir nach Berlin. So schließt sich der Kreis. (lacht) Corrine: Ein anderer guter Freund von mir ist Tony Vavroch, er ist Booker bei Elite Model, www.elitemodel.com, eine der größ oora.de
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Quergedacht | Sie Model, Er Musiker
Corrine und Matt leben seit zwei Jahren in Berlin ten Model-Agenturen in New York und gleichzeitig ein Diakon in einer Gemeinde in Manhattan. Er ist ein wandelndes Para dox. Ein weiterer Freund von uns ist Siki Im – ein sehr erfolg reicher Designer: www.sikiim.com. Dieser Freundeskreis von Leuten, die in demselben Berufsfeld arbeiten, ist wirklich ein Geschenk von Gott. Außerdem habe ich mit der internationalen Organisation »Mo dels for Christ« zusammengearbeitet. Deren Ziel ist es, ein Netz werk für Christen, die in der Modebranche arbeiten, aufzubau en: www.modelsforchrist.com. Matt: Sie laden Christen ein, die in verschiedenen Bereichen der Modeindustrie aktiv sind und die dann von ihren Erfahrungen und Herausforderungen berichten. Man tauscht sich aus, betrach tet verschiedene Themen aus biblischer Sicht und betet füreinan der. Sie nennen diese Treffen »Paradox«, weil es auf den ersten Blick für viele Christen wie ein Paradoxon erscheint, dass jemand Christ ist und gleichzeitig in der Modeindustrie arbeitet. 2010 wa ren wir eingeladen, bei »Models for Christ« in New York einen Vortrag zu halten. Matt, du bist außerdem Musiker. Bringen eure Berufe besondere Herausforderungen für eure Ehe mit sich? Männer stehen vielleicht auf dich als Model, Corrine, und viele Frauen finden Musiker gut. Wie geht ihr damit um, dass jeder von euch in einer Profession tätig ist, bei der man im Rampenlicht steht?
Matt: Natürlich versuchen Männer mit Corrine zu flirten. Es gab Zeiten, in denen wir erlebt haben, dass Leute sich in einen von uns beiden verliebt haben, und das war sehr schwierig. Es war wirklich Gottes Gnade, dass er uns und unsere Ehe auch durch schwierige Zeiten hindurch getragen hat. Zu Beginn un serer Ehe haben wir uns entschieden, keine Geheimnisse vor unserem Partner zu haben, sondern offen und ehrlich miteinan der zu sein, unabhängig davon, wie schmerzhaft es ist. Wir glau ben, dass es langfristig zerstörerisch für eine Beziehung ist, Sa chen im Verborgenen zu halten. Wenn sich jemand in einen von uns verliebt hat oder wir uns zu anderen Menschen hingezogen fühlten, haben wir miteinander darüber gesprochen. Corrine: Wenn man eine Zeitlang verheiratet ist – wir haben vor acht Jahren geheiratet – kommen auch schwierige Zeiten. Man liebt seinen Partner zwar über alles, aber manchmal vermisst man eben auch das Prickeln der Anfangszeit. Es ist wirklich die Gnade Gottes, die unsere Ehe getragen hat. Matt: Wenn eine dritte Person ins Spiel kommt, wird es gefähr lich. Deshalb ist es wichtig, in guten Zeiten ein starkes Ver trauensverhältnis aufzubauen, so dass man über alles sprechen 44
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kann und damit eine solche Situation nicht die Ehe zerstört. Natürlich ist es krass, deinem Ehepartner zu gestehen, dass du dich zu jemand anderem hingezogen fühlst – aber es hat unse re Beziehung bewahrt, dass wir uns dafür entschieden haben, so offen miteinander zu reden. Im gemeinsamen Gespräch re flektiert sich jeder auch selbst. So kann man herausarbeiten, wo man vielleicht zu weit gegangen ist oder sein Gegenüber dazu ermutigt hat, mit einem zu flirten. Corrine, wie sieht langfristig deine berufliche Perspektive aus? Kann man eigentlich sein ganzes Leben lang Model sein oder ist es auf einige wenige Jahre in der Jugend begrenzt?
Corrine: Das ist davon abhängig, in welchem Bereich man ar beitet. Im Editorial Modelling bekommt man im Alter von 1519 Jahren die meisten Aufträge und somit auch das meiste Geld. Normalerweise ist die Modelkarriere dann mit 20 Jahren zu Ende. Nur wenige Frauen sind noch ein paar Jahre länger dabei. Als ich mit 22 anfing, sagten mir viele, ich sei zu alt. Im Commercial Modelling ist die Altersspanne allerdings größer. Es gibt vereinzelt sogar Frauen, die noch mit 60 Jahren Model sind. Tony Vavroch, der Booker von Elite Models, interviewte mich einmal für Paradoxon, dem Treffen von »Models for Christ«, und er sagte: »Ich kenne Corrine seit langer Zeit und wenn du als Booker ein Model triffst, was gemodelt hat, bis sie 30 ist, dann weißt du: Sie kann auch noch bis 60 in dieser Branche arbeiten.« Ich liebe meinen Beruf sehr. Das Reisen und Kennenlernen von unterschiedlichsten Menschen gefällt mir einfach. Ich hoffe, dass ich bis 60 als Model arbeiten kann und Gott weiterhin hier durch mich wirkt. /// Das Interview wurde auf Englisch geführt und ins Deutsche übertragen.
Corrine Roush modelt für: › Mega Model Agency – Berlin: www.megamodelagency.com › Click Model Mgmt. – New York: www.clickmodel.com
Debora Ruppert (29) liebt Berlin und wohnt dort im schönen Kiez Prenzlauer Berg. Sie studiert Theologie via Fernstudium an einer Uni in Florida und fotografiert leidenschaftlich gerne: www.menschkindberlin.de. In ihrer freien Zeit reist sie gerne, besucht Kunstausstellungen und liebt es, sich mit Freunden und Bekannten auf einen Kaffee zu einem netten Plausch zu treffen.
Buchrezensionen | Quergedacht
ücher, die wir gelesen haben
Ron Kubsch: Die Postmoderne
Klaus Berger: Jesus
Jan Demas: 60 Minuten deutsche Geschichte
Dieses Büchlein ist eine knappe Auseinander setzung mit der Kultur der Postmoderne. Die Sprache ist alles andere als oberflächlich, aber zum Teil etwas kryptisch. Auf den 50 Seiten des ersten Buchteils werden zunächst die Ent stehung und das Wesen der Postmoderne er arbeitet. Die Väter der Postmoderne werden eingeführt und Beispiele aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen aufgeführt: Ar chitektur, Kunst, Literatur, Film, Sexuali tät und Christentum. Auf 18 weiteren Seiten nimmt der Autor abschließend die Postmo derne kritisch auseinander und erörtert deren Chancen und Risiken. Wobei er die Chancen weniger engagiert erläutert als dass er die Ri siken betont. Der Versuch objektiv zu argu mentieren gelingt deshalb nur teilweise. Das Büchlein eignet sich gut für einen ersten Überblick über die beschriebene Thematik. Der zweite, kritische Teil schult die eigene Unterscheidungsfähigkeit und lädt dazu ein, die Emerging-Church-Bewegung genauer un ter die Lupe zu nehmen. /// Michael Zimmermann
»Spannungsgeladen, mystisch, fesselnd«, so urteilte die Presse beim Erscheinen des Buches treffend. Mit Klaus Berger fasst ein Mann mit einer besonderen Biographie in diesem Buch die Summe seiner lebenslan gen Forschungen über Jesus und seine Erleb nisse mit ihm zusammen. Berger studierte katholische Theologie und wollte Priester werden. Als ihm das aufgrund eines inzwi schen überholten Häresievorwurfs verwehrt wurde, wechselte er formal das Lager und wurde zu einem der bekanntesten evange lischen Theologieprofessoren der Gegen wart. Dass er auch dort aneckte war un vermeidlich. Ein Gespür davon kann man in diesem Buch bekommen, denn Berger redet keinem nach dem Mund und verficht nachhaltig seine Positionen, auch wenn sie für den Leser unbequem sind. Berger passt in kein Schema und das macht ihn so sym pathisch und lesenswert. Teils provozierend und teils ermutigend bringt er dem Leser die Radikalität Jesu nah. /// Martin Preisendanz
Ich habe dieses Buch vorm Einschlafen gele sen. Dafür ist es ideal. Das Buch besteht aus 60 kurzen Abschnitten, in denen der Leser auf eine kurze Zeitreise in die Vergangenheit mitgenommen wird. Jedes Kapitel beginnt mit einer Momentaufnahme, die sich wie ein historischer Roman liest und eine prägende Minute deutscher Geschichte beschreibt. Das reicht von der Kaiser-Krönung Otto I. im Jahr 962 bis hin zur Eröffnung des Potsdamer Platzes durch Roman Herzog 1992 in Berlin. Ist man emotional an den betreffenden Ort gereist, so wird das Geschehene sogleich fa cettenreich in den gesellschaftlichen Kontext gesetzt. Dadurch werden innerhalb von fünf Seiten etliche geschichtliche Zusammenhän ge klar. Die Lektüre macht Spaß und ver knüpft wichtiges Wissen, statt es nur runter zubeten. /// Michael Zimmermann
Taschenbuch, 96 Seiten, SCM Hännsler 2007, ISBN 978-3-7751-4608-1, € 7,95
Gebundene Ausgabe, 704 Seiten, Pattloch 2007, ISBN 978-3-629-10190-7, € 18,00
Taschenbuch, 320 Seiten, Herder 2010, ISBN 978-3-451-06191-2, € 9,95
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Quergedacht | Ende im Gelände
Ende im Gelände Thesen zur Auflösung der Postmoderne Text: Michael Zimmermann
Mit der Postmoderne wurde unsere Welt und unser Glaube immer komplexer und wir hinterfragten alles, was nicht bei drei auf den Bäumen war. Und jetzt? Eine persönliche Reflexion. // Anja ist in Bayern aufgewachsen und lebt mittlerweile in Berlin. Vom Katho lizismus ihrer Kindheit hat sie sich in einem schmerzhaften Prozess emanzi piert. Dennoch überlegt sie heute, ihrer Tochter die Rituale dieser Religion anzu bieten, unter der sie selbst als Kind gelit ten hat. Sie hofft, ihrem eigenen Kind da mit eine Herkunft zu geben. Einen festen Grund, auf dem es stehen kann. Paradox. Die Journalistin Jana Hensel, die diese Geschichte im ZEITmagazin Nr. 51 vom 15. Dezember 2010 erzählt, ist selber auf der Suche. Sie erklärt: »Meine Suche nach einem festen Untergrund entspringt kei ner konservativen Sehnsucht. Ich glaube nicht, dass es auf die schwierigen Fragen der Gegenwart einfache Antworten aus der Vergangenheit geben kann. Mehr aber weiß ich im Moment auch nicht zu sagen. Ich habe nur die Hoffnung, dass 46
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man die Auflösungsprozesse bewältigen kann. Mit Liebe vielleicht.« Was ist passiert?
Die Philosophen der Postmoderne ste hen mit uns gemeinsam vor dem Scher benhaufen ihrer eigenen Dekonstruktion und fassen zusammen: »Schaut euch die Scherben an. Wir haben alles hinterfragt und nichts hat Stand gehalten. Wir ha ben alles in seine Einzelteile zerlegt und entdeckt, dass die einfachen Antwor ten nicht tragfähig sind. Es ist eindeutig komplexer als gedacht.« Und somit stellen wir fest: Die Postmo derne hat so lange Bestehendes hinter fragt, Meinungen dekonstruiert und Überzeugungen aufgeweicht, bis sie in ihrer zynischen Überlegenheit blind da für wurde, dass ihre Nicht-Antworten zu keinem nächsten konstruktiven Schritt führen. Die Frage ist: Wie machen wir jetzt weiter? Zurück zu den festen Überzeu gungen der Moderne können wir nicht. Dafür war das postmoderne Hinterfra gen zu erhellend und die Dekonstrukti on zu endgültig. Bleibt uns nur der Weg
nach vorne. Nehmen wir also die vor uns liegenden Scherben in die Hand und wa gen das Experiment, sie neu zusammen zusetzen. Nur: Welche Teile erhalten wir und welche nicht? Und was wird bei dem Neu-Zusammensetzen entstehen? Eine neue Zeit
Es ist schwierig – oder soll ich sagen: vermessen? – in Echtzeit das Ende einer gerade noch bestehenden Epoche zu ver künden. So etwas geschieht für gewöhn lich im Nachhinein. Da wird in der Re trospektive erkannt, dass ein bestimmtes Ereignis eine Zeitenwende eingeläutet hat und man sagt in der Beobachtung vergangener Ereignisse: Hier war die se oder jene Epoche zu Ende und wurde von dieser oder jener abgelöst. Dennoch wage ich die Behauptung, dass sich eine neue Zeit abzeichnet: Das Zeit alter des Neu-Zusammensetzens. Beste hende Überzeugungen und konservati ve Werte kommen als Fragmente auf den Prüfstand und werden neu entdeckt. Da mit meine ich nicht den von Erz-Konserva tiven und evangelikalen Trittbrettfahrern ausgerufene Neo-Konservativismus, son
Ende im Gelände | Quergedacht
dern der heimlich entstehende, vermeint lich unreligiöse, neue Konservativismus, der genug hat vom ›anything goes‹ und von der grenzenlosen Dekonstruktion. Wir sehnen uns wieder nach so etwas wie einem Fundament. Etwas, woran wir unser Leben und unsere Entschei dungen ausrichten können und worauf wir irgendwann auch unsere Kinderer ziehung aufbauen können. Dass wir uns danach sehnen, zeigt, dass die Beliebig keit, mit der wir aufgewachsen sind, uns nicht dauerhaft zufriedenstellt – eine Erkenntnis, die wir teilweise leidvoll er fahren mussten. Beliebigkeit bedeutet gleichsam, nichts zu wissen und somit auch nichts zu wollen. Aber das passt uns nicht. Denn wir haben ja schließlich das Bedürfnis, etwas zu wollen. Zunehmend nervt es, dass wir nicht sagen können, was genau das ist. Also experimentieren wir mit einzelnen Überzeugungen und legen uns hier und da wieder auf etwas fest. Auf dies oder auf das oder auf jenes. Dabei schielen Einzelne neidisch auf andere, die scheinbar schon etwas wei ter sind in ihrer Suche nach einer festen Basis. Der eigenen individuellen Grund lage. Immerhin scheint zumindest die se eine Person überzeugt davon zu sein, was sie will. Und das alleine gibt der Sa che eine gewisse Wertigkeit. »Du hast es gut, du kannst glauben. Ich wünschte, ich könnte das auch«, hört man als Glau bender immer häufiger. Einmischung
Dass wir uns wieder einmischen in Po litik und Gesellschaft, wird nicht nur an der Art der Bürgerbeteiligung deutlich, die Stuttgart21 und die neu aufflam mende Anti-Atomkraft-Bewegung im Laufe des Jahres 2010 gezeigt haben. Ein weiteres Beispiel dafür ist die mit über 134.000 Mitzeichnern erfolgreichste Pe tition in der Geschichte Deutschlands. Die 29-jährige Franziska Heine hatte im Frühjahr 2009 diese Petition gegen Inter netsperren ins Leben gerufen. »Ihr werdet euch noch wünschen, wir wä ren politikverdrossen«, lautet ein TwitterEintrag, der die Situation unter Bloggern
Um mich herum sind alle Überzeugungen so gründlich dekonstruiert worden, dass ich um die tiefe Sicherheit meiner Überzeugung »Gott ist da.« bange. und Netzaktivisten im Sommer 2009 auf den Punkt brachte. Die damalige Famili enministerin Ursula von der Leyen hatte ein Gesetzesvorhaben, das als Maßnahme gegen die Verbreitung von Kinderporno grafie im Internet gedacht war, auf den Weg gebracht. Daran wurde kritisiert, dass das Gesetz Kinderpornografie nicht bekämpfe, sondern lediglich vertusche. Es sei dagegen dazu geeignet, unerwünschte Netzinhalte aller Art auszublenden und eine schleichende Zensur inklusive über wachungsstaatlicher Methoden einzu führen.1 Protest machte sich breit – man sprach sich für eine dauerhafte Löschung von kinderpornografischem Inhalt und gegen eine oberflächliche Sperre aus. Dieses Beispiel verdeutlicht unseren Wunsch nach echten, tiefgreifenden Lö sungen. Ein Phänomen, das auch in der zunehmenden Forderung nach tatsäch lich fairen und tatsächlich umweltver träglichen Produkten und Produkti onsweisen erkennbar wird. Wir wollen mitmischen, gestalten, für etwas stehen. Und uns dabei nicht verarschen und am wenigsten instrumentalisieren lassen – weder politisch noch im Kontext einer Gemeinde oder Kirche.
Nach der eigenen post-charismatischen Auseinandersetzung mit dem, was ich als Kind und Teenager geglaubt habe, ste he ich vor dem Scherbenhaufen meines Glaubens und entdecke darin die Scher be meines Gottvertrauens. Steht ihr wei tere Zersplitterung bevor? Oder kann und will ich sie davor bewahren? Ich bin versucht, diese kostbare Scherbe aufzuheben und sie vor noch mehr De konstruktion zu beschützen. Aber: Darf ich das? Darf ich glauben wie ein Kind, dass Gott da ist? Darf ich naiv sein in meinem Gottvertrauen oder blende ich damit die allseits beschworene Kom plexität des Lebens und Glaubens un reflektiert aus? Ist hier wohlmöglich die Trennung zwischen rationaler Logik und irrationalem Glauben zu finden? Dass Gott existiert, dass er da ist, ist vielleicht nicht logisch; aber ist es deshalb nicht dennoch möglich? Mich nervt, wie sehr der deutsche Philo soph und Vater postmodernen Denkens Friedrich Nietzsche die Überzeugung geprägt hat, dass es keine absolute Wahr heit und keinen Gott gebe. Das nervt mich gewaltig. Ich will nämlich glauben und das tue ich auch. ///
Mein Glaube
Mit Unbehagen stelle ich fest, wie die Postmoderne an der kindlichen Selbst verständlichkeit meines Gottesver trauens nagt. Um mich herum sind alle Überzeugungen so gründlich dekonstru iert worden, dass ich um die tiefe Sicher heit meiner Überzeugung »Gott ist da.« bange. ¹ Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Franziska_Heine vom 22.01.2011
Michael Zimmermann (31) ist selbstständiger Grafikdesigner und Redakteur bei oora. Er lebt zur Zeit mit seiner Liebsten in der thüringer Kleinstadt Nordhausen, liebt Radreisen und gute Krimis. Außerdem verfolgt er begeistert das Weltgeschehen und was im Netz so los ist. www.michaelzimmermann.com
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Quergedacht | Wie Gott meine Pläne durchkreuzte
Wie Gott meine Pläne durchkreuzte Mein Freund Gott und ich Text: Mickey Wiese // Kolumne
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Mickey machte Pläne für sein Leben – und erlebte wie sein Freund Gott diese durchkreuzte und ihm stattdessen seine zeigte. Dabei lernte Mickey, auf welche Art Gott zu ihm spricht. // Als mein Freund Gott einmal ganz krass zu mir in einer der wenigen Vi sionen meines Lebens geredet hat, war ich ziemlich geflasht. Und das kam so. Nach meinem Theologiestudium hatte ich ein Jahr freie Zeit. Ich wusste, dass die Zeit mir nicht zu lang werden wür de, denn ich wollte schon immer eine DTS1 bei JmeM machen. Das hing da mit zusammen, dass ich dort den Hei ligen Geist als eine reale Größe, mit der man rechnen kann und sollte, kennen gelernt hatte. Aber ich wollte nicht nur eine normale DTS machen, sondern ich wollte auf die Anastasis, das Schul schiff, weil ich dachte, dass mich das »unangreifbar« machen würde. Wenn mir einer schräg kommt, dachte ich, dann kann ich sagen: »Was willst du von mir? Ich war auf der Anastasis!« ¹ Discipleship Training School (Jüngerschaftsschule) bei Jugend mit einer Mission
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Ich hatte schon alle Formulare ausge füllt und war drauf und dran sie abzu schicken, als mich ein Freund besuchte und fragte, ob ich unseren Freund Gott schon dazu gefragt hätte. »Nein, aber was soll er schon dagegen haben.«, sagte ich. »Okay, dann lass uns beten.« Ich finde, eine der spannendsten Fra gen meiner Beziehung zu meinem Freund Gott ist, wie sich das genau anfühlt, wenn ein Wesen aus der un sichtbaren Welt zu einem redet. Merk würdigerweise ist es gleichzeitig eine der tabuisiertesten Fragen. Ich hab mich jedenfalls ganz oft nicht getraut, einem anderen eine solche Frage zu stellen. Entweder outet man sich sel ber als Nichtwissender oder man will dem anderen nicht auf den Sack gehen. Also haben mein Freund Gott und ich uns einmal in einer stillen Stunde da rüber unterhalten und festgestellt, dass er grundlegend zu mir durch sein Wort spricht. Ich erzählte ihm davon, dass ich beim Lesen oder Hören so ein Ge fühl habe, wie wenn eine Nut einrastet, und dann durchströmt mich etwas, das irgendwo kurz vor der intellektuellen Überprüfung liegt und ich sage mir: »Yo, das muss jetzt wohl mein Freund Gott persönlich gewesen sein, der mir
klarmachen will, dass dieses Bibelwort ganz konkret mir persönlich jetzt in meinen Lebensumständen gilt.« Das mit der Nut gefiel meinem Freund Gott besonders gut, denn er heißt zwar nicht Bob, ist aber trotzdem ein passionierter Baumeister. Manchmal verlegt er beim Bauen auch Sprachrohre, das heißt. ein anderer sagt etwas zu mir, und ich habe dieses Gefühl, dass es eigentlich schon wieder mein Freund Gott ist. So war es ja auch dieses Mal gewesen, als mein anderer Freund mich besuchte. Als wir beteten, sah ich plötzlich eine Vision, so klar wie danach selten noch einmal in meinem Leben. Ich sah ganz deutlich ein großes ruhiges Meer. Und über das Meer fuhr ein Schiff. (Das machte mir schon Hoffnung.) Doch plötzlich, in der Mitte des Bildes, sank das Schiff wie ein Stein ohne eine Ur sache ab und eine Stimme sagte auf Englisch über das Meer: »Psalm Eigh ty-One, Ten« Ich schlug den Bibelvers auf und wusste Bescheid: »Es soll kein fremder Gott bei dir sein, und du sollst nicht anbeten einen Gott des Aus lands.« Fast unnötig zu erwähnen, dass ich 1. die Formulare den Gang alles Ir dischen gehen ließ und 2. von meinem Freund Gott persönlich neue konkrete
Wie Gott meine Pläne durchkreuzte | Quergedacht
Eine der spannendsten Fragen meiner Beziehung zu meinem Freund Gott finde ich, wie das eigentlich genau ist, wenn ein Wesen aus der unsichtbaren Welt zu einem redet.
Wegweisung erhielt. Direkt am näch sten Morgen gingen wir in einen Got tesdienst, und dort meinte ich im Lob preis zu hören, wie mein Freund Gott sagte: »Biete diesen Leuten nach dem Gottesdienst deine Dienste an.« »Aber die kennen mich doch gar nicht.«, wendete ich verblüfft ein. »Biete ihnen deine Dienste an und lass mich nur machen!« Manchmal kann mein Freund Gott ganz schön penetrant sein, wenn er sich et was in den Kopf gesetzt hat. Also bin ich nach dem Gottesdienst zu dem Pastor hin und erklärte ihm, dass ich der und der sei und dass er mich nicht kennen würde, dass ich ihm aber meine Dienste anbieten wolle. Mein Freund Gott bestä tigte derweil meine Worte, indem er in dem Pastor eine sprudelnde Freudenfla sche erst schüttelte und dann öffnete. Er habe so eine merkwürdige, fast überna türliche Freude in sich, wunderte sich der Pastor und nahm das zum Anlass, mir eine Praktikumsstelle in seiner Ge meinde anzubieten. In diesem Augen blick kam ein anderer Pastor aus der Ge meinde auf uns zu und sagte: »Ich weiß schon seit einem Jahr, dass du in unsere Gemeinde kommen wirst.« Er erzählte dann, wie er vor einem Jahr einmal bei
einem Seelsorgeseminar mit mir zu sammen in einem Gebetsteam eingeteilt worden war und wie mein Freund Gott ihm damals gesagt habe: »Dieser Mann wird in deine Gemeinde kommen. Sag es ihm aber nicht, denn du sollst ihn nicht manipulieren. Warte, bis es geschieht.« Gott sei Dank hatte er das beherzigt, denn so wurde diese Geschichte zu einer eindrucksvollen Bestätigung für einen Plan meines Freundes Gott. Wie auch immer jedoch das Reden meines Freundes Gott geschehen mag, ich lasse es prüfen, nachdem ich es ge hört habe. Zunächst durch meine Bi bel, dann durch meinen Verstand und meine Erfahrungen, die ich bisher mit meinem Freund Gott gemacht habe. Sieht ihm das ähnlich oder nicht? Dann lasse ich es durch die »Gemeinde« prü fen, in Form der gesamten versammel ten Mannschaft oder auch nur in Form von zwei oder drei Freunden. Und dann können wir immer noch falsch liegen. Eine Prise Abenteuer bleibt immer da bei, aber was wäre das Leben schon ohne das? »Stimmt genau!«, sagte mein Freund Gott mit einem verwegenen Glitzern in den Augen, »Und selbst wenn sich jemand nur etwas ausgedacht hat, ist
das auch nicht schlimm, denn wer hat das schon noch, dass sich ein anderer Mensch Gedanken über einen macht.« Das war ein verblüffender Blickwinkel, fand ich, den sich vielleicht auch nur Götter erlauben können. Grundvoraus setzung dabei ist natürlich, beruhigte mein Freund Gott mich später, dass man etwas Gutes sagt und meint und will. Und die gute Botschaft ist nur eine gute Botschaft, wenn der andere sie als eine gute Botschaft erkennen und spü ren kann. Wenn ich jedenfalls mit meinem Freund Gott in seinem Plan-Wagen sitze und wir in die aufgehende Sonne fahren, hab’ ich ein gutes Gefühl dabei. Ich blinzele ihn an, er kaut auf einem Grashalm und zusammen pfeifen wir ein Liedchen gegen die Angst. ///
Mickey Wiese (51), länger als er lebt mit Jesus befreundet, ist als Event-Pastor, systemischer Berater für störende Schüler und in einigen anderen Rollen unterwegs. Er hat Sehnsüchte nach Glauben im Alltag, wird gerne gegoogelt und findet Beerdigungen fast besser als Hochzeiten, feiert letztere aber ausgiebiger.
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Impressum
oora
Die christliche Zeitschrift zum Weiterdenken
Nummer 39 • 1/2011 ISSN 2191-7892 Herausgeber: oora verlag GbR, Jörg Schellenberger und Michael Zimmermann, Pfarrstr. 12, 91522 Ansbach Redaktionsleitung: Jörg Schellenberger, Michael Zimmermann (info@oora.de) Redaktionsteam: Anne Coronel, Matthias Lehmann, Anneke Reinecker, Jörg Schellenberger, Michael Zimmermann Anzeigen: Johanna Weiß (johanna@oora.de) Redaktionsbeirat: Klaus-Peter Foßhag, Gernot Rettig Gestaltung: Büro Klaus, www.büroklaus.de Druck: Müller Fotosatz & Druck GmbH, Abonnement: oora erscheint viermal im Jahr (März, Juni, September, Dezember) und kostet 16,50 EUR in Deutschland bzw. 22,50 EUR in anderen europäischen Ländern. Darin sind Mehrwertsteuer und Versandkosten bereits enthalten! Das Abo kann immer bis sechs Wochen vor Bezugsjahresende gekündigt werden. Eine E-Mail an service@oora.de genügt. Das gilt nicht für Geschenk-Abos, die automatisch nach einem Bezugsjahr enden. Einzelpreis: 5,50 EUR/7,50 SFr. Bei allen Preisangaben innerhalb dieser Ausgabe von oora gilt: Änderung und Irrtum vorbehalten. Mengenrabatt: Ab 10 Hefte: 5,00 EUR pro Heft, ab 20 Hefte: 4,50 EUR pro Heft (inkl. Versand) Bankverbindung: oora verlag GbR, Konto-Nr. 836 89 38, BLZ 765 500 00, Sparkasse Ansbach • IBAN: DE18 76550000 0008 3689 38, BIC: BYL ADEM1ANS Leserservice: oora Leserservice, Postfach 1363, 82034 Deisenhofen, Telefon: 089/858 53 - 552, Fax: 089/858 53 - 62 552, service@oora.de, www.oora.de © 2011 oora verlag GbR Bildnachweis Fotos (Wenn nicht anders vermerkt: photocase.com) Titelbild: Photography King (flickr.com); S.2: Morgenroethe; S.22: Medienmagazin pro (flickr.com); S.24: SirLuetzow (wikipedia.org); S.30: Brenneisen; S.34: micjan; S.38: the cramer; S.46: Kallejipp. Alle weiteren aus unseren Archiven oder von privat.
Zertifikat: Hiermit bestätigt natureOffice, dass oora verlag GbR einen nachhaltigen Beitrag zum freiwilligen Klimaschutz geleistet hat, indem dieses Druckerzeugnis durch die Kompensation der entstandenen Emissionen durch anerkannte Klimaschutzprojekte klimaneutral gestellt wurde. Menge CO2e: 893 kg ID-Nummer: DE-245-611078 (Über die ID-Nummer können Sie unter www.natureOffice.com die Echtheit des Zertifikates überprüfen.) Klimaschutzprojekt: Windkraft Projekt in der Region Marmara (GS, VER)
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Leserbriefe Leserbrief zu Ausgbe 3/2010 Michael Käser, Theologiestudent, Nürnberg
In der letzten Ausgabe gab es zwei Arti kel, die mich nötigen euch zu schreiben. Zum einen finde ich es geradezu bizarr, wenn ihr vorne reinschreibt, dass wir ja eigentlich Frieden wollen, dann aber ei nen ganzen Artikel einem BundeswehrSoldaten einräumt. Die Bundeswehr ist eine aggressive Armee, die wirtschafts politische Kriege führt, um die Rendite deutscher Global Player zu sichern. Das ist so unbiblisch wie es überhaupt nur geht. Wenn euer Artikelschreiber als Christ da runter fährt, hat der gute Mann für mein Verständnis ein gravierendes Bibelverständnisproblem. Ihm auch noch eine Plattform zu geben, wie ihr es tut, ist aber genauso schlimm. Ein Christ sollte solche Angriffskriege verurteilen. Eine Zeitschrift, die den Anspruch hat christ liche Inhalte zu vertreten, erst recht. Der zweite Artikel, über den ich mich sehr gewundert habe, ist der von Gerti Strauch. Das Ganze klingt für mich nach Heidenchristen, denen im 1. Jahrhundert noch nicht ganz klar ist, was der Unter schied zwischen ihrer Hokuspokus-Reli gion und dem Glauben an Jesus Christus ist. Auch wenn ihr nun einwenden möget, dass das nicht eure Meinung sei, so gebt ihr diesen Inhalten doch eine Plattform, und da muss man sich schon Gedanken machen, welche Linie man für ein Blatt vertritt. Und wenn ich euch schon einmal schreibe, möchte ich auch noch hinzufü gen, dass die Artikel von Mickey Wiese richtig spitze sind. Auf eure Antwort ver bleibe ich gespannt. Antwort der Redaktion: Punkt 1: Als gläubiger Soldat in Afghanistan – Grundsätzlich sehen wir uns zunächst nicht als politisches Blatt. Ob der Bundeswehreinsatz in Afghanistan nun richtig oder falsch ist, mögen Leute beurteilen, die die Hintergründe besser kennen als wir. Darum ging es uns auch gar nicht. Nun ist es aber ja so, dass bei vielen Christen die Vorstellung, als Christ zur Bundeswehr zu gehen, völlig undenkbar
Leserbriefe bitte einsenden an
anne@oora.de
ist. Hier wollen wir zum Weiterdenken anregen: Christ sein und Soldat – geht das? Wenn du den Text aufmerksam liest, wirst du übrigens feststellen, dass »unser« Soldat nicht einmal direkt in Kampfhandlungen verwickelt war, sondern als Sanitäter Soldaten und Einheimische medizinisch versorgt hat. Punkt 2: Unsichtbare Auseinandersetzungen – Wenn man in einer christlichen Zeitschrift das Thema »Krieg« behandelt, sollte die Thematik der geistlichen Kampfführung nicht ausgelassen werden – gerade weil es ein Reizthema ist. Auch wenn die Thematik in manchen christlichen Kreisen vielleicht überbewertet und nicht immer in Reife und Nüchternheit damit umgegangen wird, können wir nicht leugnen, dass diese Dinge zum Dienst Jesu und der ersten Jünger selbstverständlich dazugehörten. Interessanterweise teilte Gerti Strauch die Ansicht, das Ganze sei Hokuspokus über lange Zeit, machte dann aber andere Erfahrungen. Könnte das nicht ein Anstoß sein, hier einmal weiterzudenken und seinen eigenen Standpunkt zu hinterfragen?
Leserbrief zu Ausgabe 2/2010 Jennifer Adam, Schülerin 12. Klasse, Gießen
Mich hat der Artikel »Schutzprogramm« von Ulf Schinke sehr angesprochen. Ich selbst beschäftige mich seit einiger Zeit mit dem Thema Abtreibung. Ich habe schon eine Menge in Aufklärungsbroschüren über Abtreibung gelesen, die mich jedes Mal er schüttert haben. Was mir aber gefehlt hat, war der Appell, etwas praktisch dagegen zu tun, das Problem aktiv zu bekämpfen. Viel zu oft wird über solche Themen nur geredet, anstatt etwas dagegen zu tun. Dieser Aspekt wurde in dem Artikel endlich mal ange sprochen und dafür bin ich sehr dankbar. Der letzte Teil, dass Träume wahr werden können, wenn wir sie verwirklichen, gefällt mir besonders gut. Doch die angesprochene Grundproblematik beim Helfen-wollen hat mich ins Nachdenken gebracht: Wie sollen wir denn die Frauen erkennen, die ein Kind in sich tragen, aber vorhaben, es niemals das Licht der Welt erblicken zu lassen?
Neues von oora Herzlich Willkommen! Zuwachs im oora Team
Unser Weg von THE RACE zu
oora
Wie wir zu unserem neuen Namen kamen, kannst du hier nachlesen: Name: Johanna Weiß
30.01.2009 Beim Redaktionstreffen in Berlin diskutieren wir darüber den
Jahrgang: 1985
Namen des Heftes zu ändern. Wir bleiben vorerst bei THE RACE. #Unzufriedenheit
Ort: Ansbach Berufliche Tätigkeit: Bachelorabsolventin in der Orientierungsphase
04.11.2009 Michael mag kurze Internet-Domains mit zwei oo. Er probiert
Gemeinde: Wie wir Gemeinde leben kann man wohl am ehesten als »Hauskirche«
verschiedene lateinische Wörter aus und landet eher zufällig bei »ora«. Er hängt
bezeichnen.
vorne ein o dran und reserviert sich die noch freie Domain www.oora.de. #Idee
Was heißt Nachfolge für dich? Zu wissen, dass es Frieden (Shalom) nur bei Gott gibt, auf seine Verheissungen zu vertrauen, mit seinem Reden und Handeln zu
07.12.2009 Wir gründen einen eigenen Verlag. Der Name »oora verlag« setzt
rechnen und im Vertrauen darauf zu gehen.
sich klar gegen die anderen Namensvorschläge durch. Dass »oora« auch der
Warum bist du bei oora eingestiegen? Weil ich so mit tollen Menschen zusam-
Heftname wird, wissen wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht. #Vorbote
menarbeiten kann und wegen der Kombination aus kreativem Arbeiten, Entwickeln, Weiterdenken und betriebswirtschaftlichen Fragestellungen.
03.04.2010 Bei einer Recherche muss unser Autor zunächst lang und breit
Besondere Interessen: Schreiben, Städte, Cafés, Musik hören und machen (noch in
erklären, dass THE RACE nicht »Die Rasse« übersetzt heißt. #Frustration #dislike
den Kinderschuhen), Reisen, Wirtschaftssoziologie Tätigkeiten bei oora: Anzeigen, Marketing, bei der Heftplanung mitmischen
17.09.2010 Beim Redaktionstreffen kommt erneut die Namensänderung zur
Im Team seit: Februar 2010
Diskussion. Einstimmig setzt sich oora durch. #Entscheidung
Zukuntswünsche für oora: Ein Magazin zu sein, dass relevant ist, Dinge anstößt und Menschen zusammenbringt.
01.03.2011 Die erste oora Ausgabe erscheint. #Freude
Die nächste oora erscheint im Juni 2011..
Name: Matthias Lehmann Jahrgang: 1979 Ort: Nordhausen im schönen Thüringen Familienstand: verheiratet mit Christiane, 2 Kinder: Josias und Samuela Berufliche Tätigkeit: Softwareentwickler Gemeinde: Baptistengemeinde Nordhausen Was heißt Nachfolge für dich? Der Wahrheit auf der Spur sein und die Fundstücke dieser Suche im Leben praktisch anwenden. Warum bist du bei oora eingestiegen? Mich begeistert das Ziel von oora, statt fertigen, einfachen Ratschlägen Impulse zum Weiterdenken zu geben – Denkanstöße, die herausfordern und weiterbringen. Besondere Interessen: Mich interessiert, wie ich meine Fähigkeiten verbessern kann, dem Computer meinen Willen aufzuzwingen, dem Klavier kleine Improvisati-
Danke, Anke Liebe Anke, wir danken dir für deinen Einsatz im Marketing- und Anzeigenbereich. Deine Ideen haben uns sehr gut getan. Wir wünschen dir für deine zukünftigen Aufgaben alles Gute!
onen zu entlocken und mit meiner süßen Familie das Leben zu genießen. Und ein bisschen zu verstehen, wie die Welt so funktioniert. Tätigkeiten bei oora: alle Redaktionsaufgaben Im Team seit: September 2010 Zukuntswünsche für oora: Ich wünsche mir, dass sich die oora mit ihrer Leserschaft zu einer aktiven Gemeinschaft entwickelt, die zusammen unterwegs ist, um die Anliegen Gottes mehr zu verstehen und diese im persönlichen Leben und in unserem Umfeld umzusetzen.
Umfrage ahead Beim Redaktionstreffen im Schwarzwald wollten wir den »typischen Leser« beschreiben – und haben aufgegeben. Wir stellten fest: Wir müssen Euch besser kennenlernen! Deswegen werden wir in der nächsten Zeit auf der Webseite eine Umfrage starten und ein paar von Euch sogar anrufen.
oora.de
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