oper leipzig
dreiklang — MAGAZIN DER OPER LEIPZIG
Oper Leipziger Ballett Musikalische Komödie
ausgabe 06
januar, februar, märz 2014
2 Editorial
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Liebe Leserinnen und Leser, — egal, ob ich als Dirigent im Orchestergraben stehe, auf der Probebühne den Probenbetrieb mitverfolge oder ob ich durch die Gänge unserer beiden Häuser und unserer Werkstätten gehe, überall erfahre ich eine große Lust an Musik und Theater. Auch wenn der Theaterbetrieb ein Höchstmaß an Planung, Organisation und Disziplin erfordert, so ist der Akt des Theatermachens immer ein lustvoller Prozess. Nur so überträgt sich die Lust am Theater auch auf den Zuschauer. Es ist die Lust, andere Perspektiven einzunehmen und so uns selbst besser zu verstehen, was die Menschen an die Kunst und an das Theater führt. Es ist der innere Drang, sich anderen künstlerisch mitzuteilen und die Hoffnung, anderen Menschen eine Freude zu bereiten, sie vielleicht ein Stückchen besser zu machen. Für den Zuschauer ist es nicht zuletzt das lustvoll-sinnliche Vergnügen des Sehens und Hörens. Und das Besondere dabei ist: Es ist immer ein Live-Erlebnis! In der neuen Ausgabe unseres Theatermagazins DREIKLANG wollen wir Ihnen wieder einen Einblick geben hinter die Kulissen des Lustortes Theater, jenes ältesten 3D-Entertainments der Welt, und wollen Ihnen Lust machen auf das, was Sie in den nächsten Monaten in Oper, Leipziger Ballett und Musikalischer Komödie erwartet. Ich freue mich auf Sie!
Ihr Prof. Ulf Schirmer Intendant und Generalmusikdirektor
Foto: Kirsten Nijhof
Inhalt
magazin der oper leipzig
INHALT — S. 04
S. 08 S. 12 S. 14 S. 17 S. 18 S. 20 S. 22 S. 23 S. 24 S. 27 S. 28 S. 30 S. 31 S. 32 S. 33 S. 34 S. 35
die heiterkeit im schatten D ie Reportage »Ich male nicht, um Kunst zu produzieren« D as Interview geniessen um jeden preis: die lustige Witwe A ußenansicht Starke Frauen im Wettlauf gegen die Zeit » Elektra«, »Rosenkavalier« und »Manon Lescaut« an der Oper im WALKÜRENRITT R ückblick: Oper walküre: hinter den kulissen B ildstrecke crossover im »intershop camp« B allett Extra mozart trifft pasolini B allett-Premiere PAX 2013: BeRÜHRENDE PREMIERE R ückblick: Ballett Den Sippenhass in Liebe umzukehren B allett-Premiere Musikalische Komödie lachen mit wagner R ückblick: Musikalische Komödie grosse oper für kleine leute E ducation: Wagnis Wagner / Elternratgeber freude an herausforderungen V orgestellt: Mathias Hausmann gegen den Teu-Teu-Teufel T heaterbegriffe erklärt unterwegs in leipzig M itarbeiter der Oper Leipzig empfehlen empfehlungen R eingehört. Reingelesen. Reingeschaut. seitenblicke N eues aus der Oper Leipzig service & impressum
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Ganz und gar nicht unschuldig: Norinas (Anna Virovlansky) Hochzeitspl채ne sind alles andere als ernsthaft.
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Die Reportage
die heiterkeit im schatten oder Die Lust am (Ver-)Lachen — P remiere von Gaetano Donizettis dramma buffo »Don Pasquale« an der Oper Leipzig a m 8. Februar 2014
reportage johanna mangold Fotos Kirsten Nijhof
» Die Moral von der Geschicht’ ist nicht schwer zu erraten: Denn ziemlich dumm ist der, der im Alter noch heiraten will!«
Kurz und gut: Ein Mann sollte sich im fortgeschrittenen Alter gut überlegen, nochmal an Hochzeit zu denken. Erst recht, wenn die Auserwählte eine junge Frau ist! Und wenn er sich nicht daran halten will, dann gehört ihm eine gesalzene Lektion verpasst. Diese kompakt gebündelte Moral am Ende von Donizettis Oper »Don Pasquale« richtet die junge Witwe Norina an den alten Mann Don Pasquale, der eben noch von einer Heirat mit einer jungen Frau geträumt hat. Aber nach Norinas gehöriger Lektion ist er weiterhin Single und sein Traum von der Ehe ist dahin … Gaetano Donizettis dramma buffo »Don Pasquale« ist 1843 in Paris entstanden, drei Jahre vor seinem Tod. In dieser Oper geht es um Don Pasquale, der trotz seines hohen Alters nochmal heiraten will. Don Pasquale entspricht dadurch dem alt bekannten Typus des lüsternen Alten, der auf der Theater- und Opernbühne eine lange Tradition hat: Er war beispielsweise in der commedia dell’arte, dem Stegreiftheater aus dem 16. Jahrhundert Italiens, eine beständig wiederkehrende Maske (Figur).
Als »Pantalone« ließ er auf der Bühne seiner Lüsternheit freien Lauf und amüsierte das Publikum mit seiner Geschäftstüchtigkeit, seinem Geiz und seiner Verliebtheit. Er war eine komische Figur ohne Gefühle, über die das Publikum immer wieder lachen konnte. Selbst ordentliche Prügel konnten dieser Figur nichts anhaben. Er ist eine Kunstfigur, die kein persönliches Schicksal, keine Gefühle und keinen Tod kennt. Gegenstand einer commedia war z. B. ein wirbelndes Verkleidungs-, Verwechslungs- und Intrigenspiel in Verbindungmit einer Heirats- und Liebesthematik. Tiefschürfende psychologische Zusammenhänge oder Figurencharaktere waren unwichtig. Die commedia fußt auf dynamischen Kontrastspannungen, wie z. B. dem Kampf zwischen Jung und Alt. Dieser Generationskonflikt wird zugunsten des jungen Liebespaares ausgetragen, während die lächerlichen Alten verulkt werden. So betrachtet, ist die commedia ein Fest der blühenden Jugend, wo alte Käuze keinen Platz haben. Auch ein Don Pasquale nicht!
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Wie stehen Sie zum Alter?
Die Bedeutung der commedia für die italienische komischen Oper (opera buffa) im Stile von Mozart, Rossini oder Donizetti ist groß, da die buffa auf die Typen, die Heiratsthematik und die Verkleidungs- und Intrigenspiele der commedia zurückgreift und diese variiert. Mozarts opera buffa »Le nozze di Figaro« (1786) oder Rossinis »Il barbiere di Siviglia« (1816) sind berühmte Beispiele. Auch in Donizettis Oper »Don Pasquale« finden wir einen lächerlichen Alten, eine Heirat, skrupellose Drahtzieher und ein Verkleidungsspiel. Aber eines nach dem anderen: Das junge Liebespaar Norina und Ernesto will heiraten, darf aber nicht. Denn Don Pasquale, der alte, aber reiche Oheim Ernestos, will seinen Neffen lieber an eine aristokratische Dame verheiraten, als ihn Norina zu überlassen, die weder reich noch adlig ist. Als sich Ernesto gegen seinen Onkel auflehnt, wird er kurzer Hand aus dem Haus geworfen und enterbt. Aber damit nicht genug: Don Pasquale will selbst heiraten! Und sein Freund Malatesta scheint sogar die perfekte Braut gefunden zu haben: seine Schwester »Sofronia«,
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Wie komisch finden Sie Don Pasquale?
eine angeblich harmlose und weltfremde Nonne aus dem Kloster, die ihre Freizeit nicht im Theater, sondern mit Sockenstopfen verbringt. Die fromme »Sofronia« ist in Wirklichkeit aber die verkleidete Norina, die Don Pasquale gemeinsam mit ihrem Komplizen Malatesta hinters Licht führen will: Direkt nach der Hochzeit ist Schluss mit dem braven Nonnengetue und es wird auf den Putz gehauen. »Sofronias« plötzlicher Wandel zur exzessiven Luxus- und Vergnügungsgöre machen Don Pasquale das Leben zur Hölle und vertreiben sein Trugbild einer harmonischen Ehe. Vollkommen demoralisiert, lässt sich Don Pasquale am Ende scheiden und es schließt, wer hätte das gedacht, mit der Heirat von Norina und Ernesto. Es wird also deutlich, wie stark Handlung und Figuren in Donizettis Oper dem alten Komödienschema verpflichtet sind. Don Pasquale ist der dumme Alte, der am Ende bestraft wird. Versöhnung gibt es nicht, dafür aber eine gesalzene Moralpredigt Norinas. Das traditionelle opera buffa-Schema, das Donizetti auf den ersten Blick bedient, ist
Mathias Hausmann, Darsteller des Dr. Malatesta, im Interview ohne Worte.
aber nicht mehr als eine formale Hülle, unter der es kräftig brodelt und gärt. Denn das, was sich im zweiten und dritten Akt auf der Bühne abspielt, ist nicht mehr wirklich lustig: Don Pasquale ist gegenüber Norinas Attacken hilflos. Sogar eine Ohrfeige muss er kassieren. Er stottert, erstarrt und bittet seinen Freund Malatesta händeringend um Unterstützung gegen seine zur Furie gewordene Ehefrau »Sofronia«. Und allmählich bekommen wir Mitleid mit dem alten Mann, der derart gnadenlos von seinen jungen Gegenspielern in die Pfanne gehauen wird. Gefühle, die wir beispielsweise mit einem Dr. Bartolo aus Rossinis »Barbier von Sevilla« nicht haben. Auch in der commedia dell’arte identifizieren wir uns nicht mit den unsympathischen Alten. Unter Don Pasquales verschrobener Hülle aber steckt ein (zu) alt gewordener Junggeselle, der den Spiel- und Intrigenmechanismen seiner jungen Gegenspieler nicht mehr gewachsen ist. Seine Hilflosigkeit und Ohnmacht durchbrechen den emotionslosen Typus des komischen Alten und machen ihn zu einer verletzlichen, menschlichen,
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Schon mal eine Ohrfeige bekommen?
ja sterblichen Figur. Kann man da noch lachen? Donizettis Oper durchbricht also den wiederholbaren Klamauk des commediaund oper buffa-Gefüges und entlarvt ihn als brutalen, herzlosen Mechanismus. Dies wird bereits im Titel der Oper deutlich, die nicht opera buffa, sondern dramma buffo heißt. Aber genau dieses Merkmal macht Donizettis Oper für uns heute so spannend, da sie uns dazu auffordert, unsere eigenen Lach-»Mechanismen« zu hinterfragen. Denn Lachen bedeutet auch ein »Über-die-Situation-erhaben-Sein«, das sich einerseits als Distanz, andererseits aber auch als emotionale Gleichgültigkeit äußern kann. Dazwischen liegt eine feine Trennlinie, die darüber entscheidet, ob und inwiefern wir zu Empathie für unsere Mitmenschen fähig sind, auch wenn sie scheinbar aus dem Raster fallen.
Wie war das?
gaspare traversi: Mandolinata, 1756, Öl auf Leinwand
Gaspare Traversi (1722 – 1770) war ein barocker Maler aus Neapel, v. a. bekannt durch seine ausdrucksstarken Genrebilder. Er war ein feiner Beobachter menschlicher Emotionen und Befindlichkeiten, die er auf humorvoll-kritische Art wiedergab. Die jeweiligen Schwächen werden zwar offengelegt, aber nicht bloßgestellt. Traversi war außerdem ein Maler des neapolitanischen Musikalischen Intermezzos, eine komödiantische Theaterform, aus der die opera buffa hervorgegangen ist. Die Stimmung dieser Bilder, in der Heiterkeit und Schatten unmittelbar nebeneinander stehen, fangen wunderbar die Grundfarbe von Donizettis »Don Pasquale« ein.
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Thema Lust
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Das Interview
»Ich male nicht, um Kunst zu produzieren« — Ein Gespräch mit Rosa Loy über Lust am schöpferischen Prozess, Gartenarbeit und ihre Leidenschaft für Ballett.
interview Philipp Amelungsen Fotos Kirsten Nijhof Dreiklang > Frau Loy, in unserem Magazin geht es in dieser Ausgabe um Lust. Vor allem um die Lust am Kreativen, am künstlerischen Prozess. Sie selbst sind Frühaufsteherin und sagen von sich selbst, dass Sie einen ritualisierten Tagesablauf brauchen. Das klingt wenig lustvoll, eher sehr diszipliniert. Wie geht das zusammen?
Rosa Loy – Leipziger Malerin Rosa Loy wurde 1958 in Zwickau geboren. Ihre Eltern arbeiteten als Gärtner. Sie absolvierte an der Humboldt-Universität ein Diplom als Gartenbauingenieurin und arbeitete bis 1985 in diesem Beruf. Im Anschluss wurde sie Studentin an der Hochschule für Grafik und Buchkunst. Ihre Liebe zur Natur begleitet sie aber bis heute und spiegelt sich in ihrem Werk wieder. Nachdem sie 1990 ihr Diplom in Buchgestaltung erhalten hat, wurde sie Meisterschülerin bei Rolf Münzner im Bereich Malerei und Grafik. Seit Anfang der 90er Jahre arbeitet Rosa Loy als freischaffende Künstlerin in Leipzig. Sie hat ihr Atelier auf dem Gelände der Baumwollspinnerei. Seit dem hat sie ihre Werke international auf Ausstellungen präsentieren können. Zuletzt 2012 in den Kunstsammlungen Chemnitz als Doppelschau gemeinsam mit Werken ihres Ehemanns Neo Rauch.
Rosa Loy > Disziplin und Lust schließen sich nicht aus. Wenn ich mein Tagesritual einhalte, finde ich das sogar sehr lustvoll, dann bin ich froh, es auch geschafft zu haben. Das ist ein zufriedenes Gefühl. Gerade wenn man freischaffend arbeitet, denken alle, dass man unendlich viel Zeit hat. Das stimmt aber nicht. Man ist nur viel mehr für seine eigene Zeit verantwortlich. Ich glaube, dass feste Rituale dabei helfen und jeder muss seine eigenen finden. Morgens brauche ich zum Beispiel Zeit für mich, mache meine Post und Büroarbeit, erst dann gehe ich ins Atelier. Das ist meistens gegen zehn Uhr. Da beginnen meine produktiven Stunden, bis dreizehn Uhr. Weiter geht es dann von zwei bis fünf und oft auch am Abend ein paar Stunden. Um diese Zeiten baue ich dann meinen Tagesplan. Unter Arbeit verstehe ich aber nicht nur das Körperliche, sondern ebenfalls die Arbeit mit der eigenen Inspiration. Dreiklang > Den Dingen nachhängen, gar nicht an Staffelei und der Leinwand stehend? Rosa Loy > Doch, unbedingt am Material. Mein Gedanke hat eher etwas mit Zeit zu tun: Es ist toll, wenn ich es schaffe an gar nichts zu denken. Mich ausklinke und warte, was kommt. Das sind wertvolle Momente, die ich mir unbedingt beibehalten muss. Es darf kein Telefon klingeln, es wird nicht gegessen, nicht getrunken, gar nichts. Diesen Moment immer weiter auszudehnen ist
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sehr lustvoll. Alles andere ist außen und ich genieße es ganz bei mir sein zu können. Man muss einfach dieses krampfhafte »Jetzt muss es aber sein!« loswerden. Dann kommen Ideen oder Gedanken von ganz allein. Mancher wird das von handwerklichen Tätigkeiten oder Gartenarbeit kennen; plötzlich sprudeln die Gedanken. Man muss aber auch offen dafür sein, sich Themen widmen zu können, die einen über den Weg laufen. Das sind oft nicht die großen, sondern die kleinen Dinge. Die untersuche ich dann, umschreite die Dinge und überlege: Wie gehe ich das jetzt an?
Dreiklang > Malen ist eine handwerkliche Tätigkeit und Sie selbst bezeichnen sich als Malerin. Rosa Loy > Heute war der Klempner bei uns um die Heizung zu prüfen. Ich schaue da unheimlich gerne zu; die können Gewinde schneiden, Rohre zusammenschrauben. Das ist ein schöner Beruf. Es ist gut, so ein Handwerk zu beherrschen. Ähnlich ist das auch in meinem Fach. Malen ist ein Handwerk, das stimmt. Ich beschäftigte mich mit den Materialien. Wie werden Farben gemischt? – Das hat fast schon etwas Alchemistisches! Wie spannt man Leinwände, wie Untergründe auf? Natürlich müssen auch Regeln der Komposition beherrscht werden. Das alles musste ich lernen. Wenn man das kann, darf man die Regeln auch wieder vergessen oder brechen. Natürlich kann ich sagen: Ach, ich bin ein großes Genie, ich brauche das alles nicht! Aber wenn ich ganz grundlegende Dinge nicht beherrsche, kann ich noch so begünstigt sein vom Schicksal, trotzdem werde ich nicht wissen, wie man eine Leinwand grundiert oder Farbe auf einem Bild fixiert.
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Dreiklang > Können Sie den Moment fassen, wo das Schöpferische, das Kreative einsetzt? Rosa Loy > Ja, irgendwann beginnt dann der »Flow«, das nennen vor allem Läufer so, aber das gibt es eigentlich in jedem Beruf. Da sind wir wieder bei der Zeit, die dehnt sich auseinander, wird plötzlich riesig. Wenn ich im Flow bin, dann malt es mich oder besser, das Bild malt sich selbst. Das ist sehr verrückt. Ich habe ein Bild im Kopf, wie es am Ende aussehen soll, wenn es fertig ist. Mir ist es aber noch nie gelungen, das zu erreichen. Ab einem gewissen Moment sagt das Bild dann: Nein! Hier will ich etwas mehr Blau haben, da muss es etwas dunkler sein, dort haut die Komposition nicht hin. Dann bin ich gar nicht mehr unbedingt beteiligt, sondern nur noch Ausführende.
» Das hat dann tatsächlich etwas mit I nspiration zu tun, oder mit den guten Geistern im Atelier, die sagen ›Los jetzt!‹ und mich benutzen um zu malen.« Dreiklang > Das hat fast etwas von einem Medium … Rosa Loy > Ein bisschen vielleicht. Aber ich kann ja nur Medium sein oder solche Geschichten transportieren, wenn ich mit einem Thema verbunden bin, mir Wissen angesammelt oder etwas gelesen habe. Wir haben hier einen so reichen kulturellen Humus, aus dem wir schöpfen können, da gibt es so vieles, was zu einem kommt.
Die Leipziger Malerin Rosa Loy verbindet in ihren Bildwelten Naturelemente und weibliche Ikonen.
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Dreiklang > Sind das die Momente, in denen Kunst entsteht? Rosa Loy > Ich möchte mir nicht anmaßen zu sagen, dass ich Künstlerin bin. Wenn ich ein Bild male und es ist fertig, finde ich es immer so banal und langweilig, weil es das Thema wiederspiegelt, mit dem ich mich genau in der Zeit des Malens befasst habe. Diese Beschäftigung ist sehr existentiell für mich, da denke ich überhaupt nicht an Begriffe wie »Kunst«. Sobald ich das Bild aber in einer Ausstellung sehe, es wieder treffe – vielleicht auch bei einem Sammler – dann gibt es schon Situationen, in denen ich denke, dass mir hier ein gutes Bild gelungen ist. Dann kann man vielleicht von so etwas wie einem Kunstbegriff sprechen. Wenn ich aber im Prozess bin, kann ich nicht in solchen Dimensionen denken. Ich male ja nicht, um Kunst zu produzieren. Dreiklang > Sie haben ein Diplom als Gartenbauingenieurin, bauen bis heute Ihr eigenes Gemüse in Ihrem Garten an und Naturmetaphern finden sich auch immer wieder in Ihren Werken. Welche Rolle spielt Natur in Ihrem Leben? Rosa Loy > Ich komme aus einer Gärtnerfamilie und ich leide, wenn ich kein frisches Gartengemüse habe. Das ist herrlich. Selbst im November ernte ich noch Spinat oder Rettich; wenn noch nichts erfroren ist. Auch die Zeit in Berlin an der Humboldt-Universität war wichtig für mich, dort habe ich eben Gartenbauingenieurin studiert und auch fünf Jahre in diesem Beruf gearbeitet. Das hat mir aber nicht gefallen. Irgendwann habe ich dann gedacht: Schluss jetzt! Und mich schließlich an der Hochschule hier in Leipzig beworben, weil ich schon immer gern gemalt habe. Hobby und Beruf habe ich quasi vertauscht. Meine Verbindung zur Natur hat aber nie aufgehört. Ich bin ohne Religion groß geworden, meine Eltern waren nicht katholisch und auch nicht evangelisch. Irgendwann stellte ich fest, dass ich eine pantheistische Weltsicht habe. Man geht raus und findet dort Trost und Hilfe. Ich kann mich abreagieren, auf der Erde rumtrampeln, die nimmt mir nichts übel. Insofern ist Natur meine Religion. Vielleicht spielt das auch in meinen Werken eine Rolle, aber das passiert nicht bewusst, das fließt aus mir heraus. Letztlich gehört Natur genauso in mein Leben wie mein Atelier. Dreiklang > Ein anderes zentrales Motiv sind Frauengestalten in Ihren Bildern, die sich oft mit organischen Formen verbinden. Woher kommt diese Lust an der Weiblichkeit? Rosa Loy > Zum einen bin ich eine Frau und im Prinzip bin das immer wieder ich auf den Bildern. Zum anderen leben wir seit 2000 Jahren im Patriarchat. Das Weibliche ist auf Grund dieser patriarchalen Erziehung ins Hintertreffen geraten. Wenn man sich mit dem beschäftigt, was immer noch schwach ist, dann kann es wachsen. So ist mein Blick auf das Weibliche vielleicht ein kleiner Beitrag dazu. Weiblichkeit als Thema beschäftigt mich seit der Wende. Die Situation von Frauen hat sich seitdem erheblich geändert. In meiner Erziehung hieß es immer, dass Mädchen und Jungen gleich sind. Geschlechterspezifische Eigenschaften wurden nivelliert. Dann habe ich aber gemerkt, dass Frauen doch
ganz andere Potentiale haben. Dem auf die Schliche zu kommen, damit bin ich immer noch nicht fertig. Was ist das Weibliche? Vielleicht die Aufnahme, das Kümmern. Wir sind ein großes Gefäß, wir sammeln Dinge. Und Männer geben sie aus, die sind mehr geradlinig. Sie haben einfach andere positive Eigenschaften. Das Feminine gibt es aber nicht nur bei Frauen, auch Männer haben weibliche Eigenschaften, genauso wie Frauen männliche. Dem auf den Grund zu gehen ist meine Antriebskraft.
»Was ist das Weibliche? Vielleicht die Aufnahme, das Kümmern.« Dreiklang > Ihre Bilder sind körperlich: Menschen in Aktion, in Kraftanstrengung und Bewegung. Besuchen Sie deshalb gern Ballettvorstellungen? Rosa Loy > Oh ja. Ich finde Ballett ganz wunderbar. Die Tänzerinnen und Tänzer machen etwas, was ich überhaupt nicht kann. Sie tanzen und springen, machen elegante Bewegungen und sind graziös. Das ist unheimlich schön! Das ist einfach ein hoher Genuss, wenn jemand seinen Körper so als Instrument benutzt. Dreiklang > Sehen Sie Parallelen zu Ihrem Beruf in Bezug auf Technik und Handwerk? Rosa Loy > Natürlich, genau wie ein Maler muss auch ein Tänzer ein Handwerk lernen. Davor habe ich großen Respekt. Wie beherrsche ich den Körper? Welche Muskeln muss ich trainieren. Wie dehne ich meine Sehnen? Das sind ja alles existentielle Dinge bei einem Tänzer. Dreiklang > Gibt es eine Produktion, die Sie besonders berührt hat? Rosa Loy > Es gibt so viele tolle Aufführungen. Ich habe »Chaplin« gesehen und die »Weihnachtsgeschichte«. Ich sitze meistens in der zweiten Reihe, so dass ich wirklich die Körper sehe. Man ist ganz nah dran, sieht die Anstrengung, den Atem, den Schweiß. Musik und Tanz sind unglaublich. Und Leipzig ist da sehr reich. Wenn ich in der Oper oder dem Gewandhaus sitze und Musik höre, dann prickelt alles. Es ist ein großes Glück, dass wir Menschen so etwas produzieren und auch genießen können. Wenn man nach Hause kommt, ist man ganz beseelt und ausgefüllt. Man schwingt noch in Musik und das hält mindestens ein oder zwei Tage an. Das ist ein lustvoller Trost. Dreiklang > Eine persönliche Frage zum Abschluss: Was bereitet Ihnen in Ihrem Leben am meisten Lust?
Rosa Loy > Das habe ich eigentlich am Anfang schon gesagt. Ganz bei mir sein zu können. Das kann ich auch mit anderen Leuten gemeinsam, wenn ich mich z. B. mit meinen Freundinnen treffe. Lust ist dieses extreme Glücksgefühl, wenn ich so richtig eins bin mit mir und der Welt. Mich verbunden und eingebettet fühle im Hier und Jetzt. Für solche Momente bin ich dankbar.
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Jules Pascin ツサAn der Bar des Bal Tabarinツォ, テ僕 auf Leinwand, 1913.
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Außenansicht
geniessen um jeden preis — » Die lustige Witwe«, gelesen aus der Sicht eines Psychoanalytikers
text Bettina Lehmbruck-Mangold
zip zwar unterworfen, aber trotzdem noch wahrnehmbar ist (!), ist sie beim Genießen und der Gier in Gefahr, verloren zu gehen.
In der Operette »Die lustige Witwe« von Franz Lehár dreht sich alles, wie der Titel es schon in »lust-ig« andeutet, um »Lust«. Eine vornehme Gesellschaft trifft sich auf verschiedenen Festen, wo sie per se Lust auf Lust, Genuss, Genießen hat, bis hin zur Gier. Kann das gut gehen? Nein, im normalen Leben nicht!
Wie wir sehen, ist der erstrebenswerte Zustand der Lust in der Psyche des Menschen mit Gefahren verbunden, die im pathologischen Fall zu Stillstand und Realitätsverlust führen kann. Wir sind hier aber in einer Operette! Kann es hier mit der Lust in ihren zahlreichen Facetten gut gehen? Gott sei Dank ja! Jeder Akt spielt auf einem Fest, der beste Rahmen der Lust zu frönen. Bei einem Fest soll die Realität draußen bleiben und wir werden sehen, dass sie nur mit List und Intrige davon abgehalten werden kann, den Festsaal zu stürmen!
Die Lust brauchen wir zum LEBEN und leben. Die Psychoanalyse spricht von »Lustprinzip«, d. h. wir brauchen grundsätzlich die Lust zum LEBEN / leben um weiterzukommen. Die Lust ruft im Menschen eine Erregung hervor, die ihn antreibt. Lust hängt mit »Lust auf / Lust zu« zusammen und wenn wir Lust auf / zu etwas haben, sind wir bereit, dieses »Lustobjekt« auch zu »ertragen«. Hier kommt das Element des Tragens hinzu, was Schwere und somit Ängste mit sich bringt, anders ausgedrückt: Die Lust trifft auf die Realität. Das Lustprinzip ruft Lustgefühle hervor, die aber grundsätzlich mit der Realität kollidieren. Der Mensch aber will Unlust vermeiden, noch mehr, er will den Genuss! Die Realität wird also immer dem Lustprinzip unterworfen. Übermäßiger Genuss kann übergehen in »Genießen«, das als »Endzustand« gesehen werden kann: Der Erregungszustand flaut ab, der Mensch ist im Genuss festgefahren. Er riskiert der Versuchung zu erliegen, diesen Moment des Genießens ständig wiederholen zu wollen und das widerspricht dem Lustprinzip, das zum Vorwärtskommen im Leben notwendig ist. Der Wunsch, etwas Bekanntes wieder (herbei) zu holen, bedeutet Stagnation, nicht FortSchritt. Der Mensch aber braucht die Bewegung in der Erregung, die uns antreibt, doch in dem Wieder-Holen wird die Bewegung von uns festgehalten. Die Psychoanalyse spricht hier von »Wiederholungszwang«. Wenn das Genießen zur GIER wird, ist es ein Genießen »um jeden Preis«. Hier lässt uns das Genießen jedes Maß verlieren. Der Gierige ist verzweifelt, wenn er sein »Objekt der Begierde« nicht besitzen kann. Während in Lust und Genuss die Realität dem Lustprin-
Hanna, die »lustige« Witwe, kommt nach Paris mit der Lust, ihr Vermögen »ganz nach Pariser Art« auszugeben. Sie kokettiert mit dem Genuss, von den Männern hofiert zu werden, sich immer der Realität bewusst, dass diese sie nur wegen ihres Geldes umschwärmen. Die Pariser und Pontevedrinische Gesellschaft, die sich bei den Festen einfindet, will genießen: Die Männer die Ehefrauen anderer Männer, die besagten Frauen den Seitensprung. Nur List und Intrige verhindern die (realistische) Katastrophe. Die Männer wollen aber noch mehr: Sie gieren nach Hannas Geld und wollen sie deshalb heiraten ohne sie zu lieben. Jeder von ihnen würde seine Liebschaft dafür aufgeben, Baron Zeta sogar seine Ehe mit Valencienne. Nur bei Danilo ist es anders und da ist er beinahe eine tragische Gestalt: Er liebt Hanna seit langem, durfte sie aber nicht heiraten. Um sie zu vergessen, flieht er nach Paris zu den Grisetten, man könnte sagen: Er sucht Trost im Genießen! Als er Hanna auf den Festen wiedertrifft, verbietet er sich selbst, um sie zu werben, da er nicht nach ihrem Geld giert, sondern sie liebt. Erst als alle Hindernisse beseitigt sind und sich beide wiedergefunden haben, gibt er den Besuch bei den Grisetten auf: Er hat vergessen, was es zu vergessen gab! Die Realität, die Liebe ist eingetreten. Die Männer wenden sich von der Gier nach Hannas Geld ab und ihren Frauen bzw. Mätressen wieder zu. Somit ist im Festsaal die alte Ordnung wieder eingekehrt: Lust, Genuss und Genießen und ein klein wenig Realität.
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Repertoire
Starke Frauen im Wettlauf gegen die Zeit —
Zu den Wiederaufnahmen von »Rosenkavalier«, »Elektra« und »Manon Lescaut«
Octavian zwischen reifer Frau und junger Geliebter: Marschallin und Sophie im »Rosenkavalier«.
Oper
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text Christian Geltinger fotos Andreas Birkigt Es ist wie eine tickende Zeitbombe. Sekunde für Sekunde verkürzt sich das schier endlose Warten der von Hass zerfressenen Elektra auf den heilsbringenden Bruder Orest mit dem einzigen Ziel, gemeinsam den Vater Agamemnon zu rächen und die Mutter und den Stiefvater Ägisth zu töten. Sekunde für Sekunde zieht sich die Schlinge der Provokationen der rebellierenden Tochter enger um den mit Steinen besetzten Hals der Klytämnestra. Über allem schwebt der unentrinnbare Familienfluch der Tantaliden, der die Figuren unaufhaltsam ihrem Schicksal entgegentreibt und den Personen kaum Handlungsspielraum lässt. Es wundert nicht, dass die Zeit um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert für mythologische Stoffe wie diesen ein besonderes Interesse zeigte. Mit dem Aufkommen der Psychoanalyse wurde die bürgerliche Epoche, in der klare Wertvorstellungen und feste Familienstrukturen den Menschen ein Gefühl von Sicherheit und Halt suggerierten, abgelöst von einem Zeitalter, in dem die Neurosen und Pathologien entdeckt wurden. Das ist der Fluch der Moderne, der den Menschen des fin de siècle mit seinem eigenen Ich konfrontiert. Hofmannsthal und Strauss stellen in ihrer Oper »Elektra« Frauentypen auf die Bühne, die Spiegel dieser Endzeitstimmung sind. Neben der unter Schlaflosigkeit und Wahnvorstellungen leidenden Klytäm nestra verkörpern Elektra und ihre Schwester Chrysothemis
die wohl markantesten, weil vollkommen konträren Lebensentwürfe. Die eine ist fast schon pathologisch besessen von ihrem Plan, den Vater zu rächen, ist zu keiner menschlichen Regung, geschweige denn zu einer Bindung fähig. Sie lebt nur für ihre Rache, ist getrieben von der Lust nach Zerstörung. Die andere träumt davon, ihre weibliche Rolle als Mutter zu leben und damit das Familienmuster zu durchbrechen. Das Bild der Frau um die Jahrhundertwende ist extremen Wandlungen unterworfen. Diejenigen, die sich daran abarbeiten, sind die Männer, die Komponisten und Librettisten, die Dichter und Maler. Die Frau, sei es als männermordende Amazone, als schillernde Verführerin, als keifende Ehefrau oder hilflose Unschuld, wird für sie zur Projektionsfläche für die Wünsche, Sehnsüchte und Ängste der Männer. Das gilt im Besonderen für die italienische Oper und deren Hauptvertreter um 1900: Giacomo Puccini. In seinem Buch »Die kleinen Gärten des Maestro Puccini« deutet der Schriftsteller Helmut Krausser die Opernfiguren Puccinis autobiografisch als Projektionen des Komponisten. Während sich Puccini im echten Leben eher von einfachen Mädchen angezogen fühlte, wagte er sich in seinen Opern durchaus an starke, selbstbewusste Frauen heran, die er aber – und das ist das Interessante dabei – am Schluss meist zugrunde gehen lässt. Das gilt für die Diva Tosca ebenso wie für Magda in »La Rondine« oder für Manon. In ihrem Wunsch, ein Leben in Freiheit und Freizügigkeit zu leben, ein Leben im Luxus und gegen alle Konventionen, ist Manon ebenfalls eine zutiefst moderne Frau. Hin- und
Zwischen Liebe und Hass: die Schwestern Elektra und Chrysothemis in »Elektra«.
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hergerissen zwischen der Liebe zu dem jungen, aber mittellosen Des Grieux und dem reichen Alten Geronte, bei dem sie ein Leben ohne Liebe, aber in finanzieller Unabhängigkeit führen kann, beginnt auch für sie ein Wettlauf mit der Zeit, als sie Geronte verlässt und sich dabei des Diebstahls schuldig macht. Sie landet in einer Strafkolonie, von wo sie Des Grieux befreit, bis sie schließlich völlig entkräftet in dessen Armen stirbt, als Gefangene ihrer Lebenslust. Richard Strauss’ Marschallin aus der Oper »Der Rosenkavalier« scheint da etwas abgeklärter zu sein. Sie ist wahrscheinlich eine der philosophischsten Frauenfiguren, die die Opernbühne überhaupt kennt. Ihre Liebe zu dem deutlich jüngeren Octavian konfrontiert sie mit der eigenen Vergänglichkeit, dem Wettlauf mit der Zeit, dem jeder Mensch ausgesetzt ist: »Die Zeit, die ist ein sonderbar Ding. Wenn man so hinlebt, ist sie rein gar nichts. Aber dann auf einmal, da spürt man nichts als sie.« Mit sich und mit der Welt im Reinen scheint diese Figur jedoch am Ende der Oper, nachdem sie einer Jüngeren Platz gemacht hat: »Hab mir’s gelobt, ihn lieb zu haben, in der richtigen Weis’, dass ich selbst sein Lieb’ zu einer andern noch lieb hab.« Das Zeitalter der Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs scheint der Beschwörung einer vermeintlich guten alten Zeit Platz zu machen. Doch die Frau hat ihre Rolle sowohl in der Oper als auch im richtigen Leben noch lange nicht gefunden.
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Starke Frauen – Starke Darstellerinnen – Spannende Rollendebüts In der Titelrolle von Puccinis »Manon Lescaut« kehrt die gebürtige Leipzigerin Nadja Michael wieder auf die Opernbühne ihrer Heimatstadt zurück. Mittlerweile hat sie Weltkarriere gemacht und gibt nun ihr Rollendebüt in dieser Partie. In den Kritiken wird immer wieder ihre besondere Aura und darstellerische Ausdruckskraft hervorgehoben. Ebenfalls ein Rollendebüt ist die Elektra von Irmgard Vilsmaier. Sie ist regelmäßiger Gast an den Staatsopern von München und Dresden und ist erstmals in Leipzig zu erleben. Ensemblemitglied Karin Lovelius singt ihre erste Klytämnestra, Ensembleneuzugang Mathias Hausmann den Orest. Die international gefragte Sopranistin Manuela Uhl gibt in Leipzig ebenfalls ihr Rollendebüt als Feldmarschallin im »Rosenkavalier«. Jean Broekhuizen singt ihren ersten Octavian neben Eun Yee You als Sophie. ELEKTRA Wiederaufnahme 12. Jan. 2014, Opernhaus 18. Jan. / 04. und 31. Mai 2014 DER ROSENKAVALIER Wiederaufnahme 15. Feb. 2014, Opernhaus / 23. Feb. / 27. Apr. und 08. Jun. 2014 MANON LESCAUT Wiederaufnahme 22. Feb. 2014, Opernhaus 02. März / 19. Apr. und 10. Mai 2014
Gefangene ihrer Lebenslust: Manon zwischen Liebe und finanzieller Sicherheit.
Oper
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Rückblick: Oper
im WALKÜRENRITT —
I m Dezember feierte die Oper Leipzig mit der restlos ausverkauften Premiere v on »Die Walküre« in der Regie von Rosamund Gilmore die Fortsetzung des » Ring des Nibelungen« von Richard Wagner.
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(1) Die Geschichte um die Geschwister Sieglinde und Siegmund (Christiane Libor und Guy Mannheim) ist mit ihren inzestu ösen Verwicklungen ein packendes Familiendrama. (2) Die Göttertochter Brünnhilde (Eva Johansson) hier mit ihrem treuen Begleiter, dem Pferd Grane (Zif Frenkel) (3) Die Rolle des zornigen Göttervaters Wotan übernahm der in Leipzig als König Nabucco bekannte Dresdner Markus Marquardt. (4) Die titelgebende Schwesternschaft der acht Walküren ist hier in der beeindruckenden Bühnenarchitektur von Carl Friedrich Oberle zu sehen.
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Fotos: Tom Schulze
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hinter den kulissen der walküre —
Fotograf Tom Schulze hat während der »Walküre«-Premiere das Geschehen im B ackstage-Bereich festgehalten. Entstanden sind ungewöhnliche Einblicke in intime T heatermomente, die dem Publikum sonst verschlossen bleiben.
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Ballett Extra
crossover im »intershop camp« —
I n der Galerie für Zeitgenössische Kunst richten junge Choreografen und Tänzer des Leipziger Balletts gemeinsam mit Medienkünstlern der HGB eine Woche lang e in Labor zur Erkundung neuer Produktionsformen ein.
text olaf bargheer Foto Ida Zenna »So nah – so fern«. Eine Woche lang richten Choreografen, Tänzer, Videokünstler und Elektronikmusiker in der Galerie für Zeitgenössische Kunst ein Camp ein. Die »Artists in Residence« entwickeln gemeinsam ein Stück, das gleichermaßen als Installation, Sound Sculpture und Tanz Performance funktioniert – und die gängigen Produktionsweisen im Atelier oder Ballettstudio sprengt. Zwei »Intershop«-Abende mit Arbeiten junger Choreografen hat das Leipziger Ballett 2010 und 2012 an der Oper Leipzig gezeigt. Bei der Produktionsreihe, die ihren Namen dem vielfarbigen Angebot des »Intershop«-Supermarktes der DDR entlehnt, stehen die oftmals rohen, nach Form, Handschrift und Erzählung suchenden Arbeiten junger Choreografen im Mittelpunkt. Die einzelnen Produktionen werden üblicherweise in Form eines Reigens gezeigt. Die Aufführung setzt sich aus einer Kompilation einzelner Stücke zusammen. Diese klassische Abfolge setzen die jungen Choreografen und Tänzer des Leipziger Balletts in den Galerieräumen der GfZK außer Kraft. Denn Ausstellungen in der bildenden Kunst funktionieren nach gänzlich anderen Gesichtspunkten: Die Zeitungebundenheit ist hier wesentlich. Eine Ausstellung ist nicht an den Moment gebunden. Der Betrachter flaniert. Die Ausstellung bleibt. Die Permanenz eines Ausstellungsaufbaus funktioniert genau entgegengesetzt zu einer Ballettaufführung. Hier die dauerhafte Installation, dort das Flüchtige der Performance (die nur durch die gemeinsame Live-Erfahrung mit dem Publikum vollständig wird). Eine Woche lang werden beide Produktionsweisen in der quirligen und kollaborativen Camp-Atmosphäre der GfZK kombiniert und ausgetestet. Öffentlich. Unter Beobachtung. Mit Besuchern, die in den Ateliers herumstreifen und sich Einblicke in Arbeits-
weisen und Zwischenstände verschaffen. Die in unserer CampBar Bier trinken, Filme schauen, twittern oder mit Künstlern ins Gespräch kommen möchten. Die Produktionsteams verstehen das »Intershop Camp« als Trainingslager, als konsequente Versuchsanordnung, als sinnliche, vitale Laborsituation. Ein bewusst gewählter Hybrid, ein Crossover-Projekt, das alle Parteien voneinander lernen lässt und gegenseitiges künstlerisches Verständnis fördert. Zumal nach einer Woche ein sechzigminütiges Stück zur Aufführung gebracht werden soll: »So nah – so fern« wird am Samstag in den Ausstellungsräumen der GfZK gezeigt. Und am Sonntag in der »Residenz« Spielstätte des Schauspiel Leipzig in der Baumwollspinnerei. Ein Stück über die Stadt und den öffentlichen Raum. Über Gemeinschaft und Einanderfremdsein. Über Fortwollen und Dableiben. Über das, was unser Camp, unsere Kunst und unser Leben in der Stadt Leipzig ausmacht.
CAMP »Blue Monday« / Eröffnungsabend des »Intershop Camps« / Montag 06. Jan. 2014 / 18 Uhr / GfZK (Karten über Oper Leipzig) »Intershop Salon #1« / Meet the artists & open studios / Mittwoch 08. Jan. 2014 / 19 Uhr / GfZK (Eintritt frei) »Intershop Salon #2« / Meet the artists & open studios / Donnerstag 09. Jan. 2014 / 19 Uhr / GfZK (Eintritt frei) Aufführungen »So nah – so fern« / Samstag 11. Jan. 2014 / 19 Uhr / GfZK (Karten über Oper Leipzig) »So nah – so fern« / Sonntag 12. Jan. 2014 / 19 Uhr / »Residenz« (Karten über Schauspiel Leipzig)
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Leipziger Ballett
Die GfZK wird eine Woche lang zum Kreativ-Camp f端r Leipziger K端nstler.
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22 Leipziger Ballett
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Premiere
mozart trifft pasolini — Mario Schröder choreografiert Mozarts »Requiem« i n Anlehnung an Pasolinis »Medea« text christian geltinger Worüber hätten sich wohl Wolfgang Amadeus Mozart und Pier Paolo Pasolini unterhalten, wenn sie sich im realen Leben einmal begegnet wären? Über ihre Väter? Über ihre Kindheit und Jugend als Hochbegabte? Über den Fluch des Genies? Über die Aufgabe der Kunst in der Gesellschaft? Über die Macht der katholischen Kirche? Über die Unvereinbarkeit von Kunst und Leben? Wir wissen es nicht. Fakt ist, dass die beiden Künstlerpersönlichkeiten mehr verbindet, als man auf den ersten Blick vielleicht vermuten mag. Da ist zum einen der kleine Wolferl, der zum Wunderkind stilisiert wird, seine Schwester Nannerl weit in den Schatten stellt, sich aber Zeit seines Lebens an seinem übermächtigen Vater abarbeitet. Zum anderen der junge Pasolini, mit einer starken Mutterbindung, der seinen Bruder an Intelligenz weit übertrifft, dennoch aber nicht den Erwartungen seines Vaters entsprechen kann, der seine Neigung zu den Künsten und nach einigem Ringen auch zum eigenen Geschlecht entdeckt. Beide verbindet ein ambivalentes Verhältnis zum Glauben bzw. zur katholischen Kirche. Als 25-Jähriger schafft Mozart den Absprung von seiner Anstellung am Hof des Salzburger Fürsterzbischofs in die für damalige Verhältnisse vollkommen ungewöhnliche Existenz als freischaffender Künstler. Pasolini wurde von Kindheit an im Geist der italienischen Volksfrömmigkeit erzogen, fühlte sich mit allen Sinnen von der Welt des katholischen Glaubens angezogen, bis sein Gottesbild mehr und mehr von der marxistischen Vorstellung eines klassenverbindenden Christusbildes beeinflusst wurde. Künstlerisch ist diese Auseinandersetzung in dem Gedichtband »Die Nachtigall der katholischen Kirchen« (»L’Usignolo della Chiesa Cattolica«) dokumentiert. Ebenso wie Mozart für seine Zeit mit den musikalischen Mitteln an die Grenzen geht, dominieren das Schaffen Pasolinis extreme Persönlichkeiten wie die von Maria Callas kongenial gezeichnete Medea-Figur in dem Film von 1969, in dem die Callas gewissermaßen zur Inkarnation der mythologischen Kindermörderin wird. Beide, Mozart und Pasolini, verbindet ein exzessives Leben für die Kunst, das sie an den Rand der Gesellschaft, ja sogar an den Rand ihrer Existenz führt. Beide sind durch ihren viel zu frühen, bis heute nicht vollstän-
dig geklärten, mysteriösen Tod selbst zum Mythos geworden. Pasolini wurde in der Nacht vom 1. auf den 2. November 1975 Opfer eines brutalen Mordes. Ob es eine politisch motivierte Tat war, die eine der revolutionärsten und unbequemsten Stimmen der Zeit zum Schweigen bringen sollte, ein Sexualverbrechen oder ein Raubmord, ist bis heute nach wie vor offen. Beide sterben über einem Lebenswerk. Besonders signifikant ist in diesem Zusammenhang Mozarts »Requiem«, ist doch die Entstehungsgeschichte dieses Werks immer wieder aufs Engste mit Mozarts Tod in Verbindung gebracht worden. Miloš Formans Verfilmung von Peter Shaffers Theaterstück »Amadeus« aus dem Jahre 1984 treibt die in der romantischen Mythenbildung des 19. Jahrhundert begründeten Spekulationen um Mozarts Tod auf die Spitze, indem sie uns Glauben schenken möchte, Mozarts »Requiem« sei von einem schwarzen Mann (dem Rivalen Antonio Salieri?) in Auftrag gegeben worden, der den genialen Komponisten im Anschluss in den Tod getrieben hat. Möglicherweise hat Mozart seinen nahenden Tod tatsächlich schon gespürt, als er sich an die Komposition des »Requiems« machte. Fest stand, er brauchte das Geld, das mit diesem Auftrag, der in Wirklichkeit von dem gut betuchten Grafen Franz von Walsegg ausging, verbunden war. Am 5. Dezember 1791 starb Mozart über der Partitur seines »Requiems«. Seine Witwe Constanze ließ das Werk von Joseph Eybler und Franz Xaver Süßmayr zu Ende komponieren. Schließlich wollte und konnte die Witwe nicht auf das angekündigte Honorar verzichten. Mit dem »Requiem« hinterließ Mozart einen Schwanengesang eines genialen Künstlers. Mario Schröders Choreografie ist aber nicht nur eine Hommage an zwei Ausnahmekünstler des 18. und 20. Jahrhunderts. Ausgehend von Pasolinis »Medea«-Film bewegen ihn Fragestellungen, die sich um das Thema der Medea-Figur ranken. Es ist ein Requiem auf die Kinder, aber auch auf die Mütter, deren Motive und inneren Nöte nur sie selbst kennen, eine Geschichte über die Stigmatisierung von Individuen in einer normierten Gesellschaft, die eine klare Einordnung in Schwarz und Weiß, in Täter und Opfer zu kennen scheint. PREMIERE 08. März 2014, Opernhaus weitere aufführungen 16. Mär. / 06., 21. und 26. Apr. / 09. und 22. Jun. 2014
Leipziger Ballett
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Rückblick: Ballett
PAX 2013: BeRÜHRENDE PREMIERE —
D er Doppelabend, bestehend aus Mario Schröders Uraufführung »Blühende Land- schaften« und der Rekonstruktion der meisterhaften Choreografie »Pax questuosa« v on Uwe Scholz, ist ein packendes und berührendes Erlebnis. Unsere Premierengäste dankten mit langem Applaus und stehenden Ovationen.
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(1) Bewegend: Der Chor der Oper Leipzig singt am Ende des Abends »Dona nobis pacem« aus Bachs h-Moll Messe. (2) »Blühende Landschaften« ist gleichzeitig eine Hommage an Schröders Freund und Mentor Uwe Scholz. (3) Schon im September haben die ersten Proben im Ballettsaal begonnen. (4) Beide Stücke bedienen sich der Musik Udo Zimmermanns. Der Komponist und ehemalige Intendant der Oper Leipzig ließ es sich nicht nehmen zur Premiere anwesend zu sein. Sein Auftritt wurde vom Publikum gefeiert.
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NUR Noch eine Aufführung 14. Februar 2014, Opernhaus
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»Und schwöre Dich zu meinem Liebsten«: »Romeo und Julia« an der Musikalischen Komödie.
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Musikalische Komödie
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Premiere
Den Sippenhass in Liebe umzukehren — M irko Mahr choreografiert »Romeo und Julia« als Ballett für junge Erwachsene
text christina geissler Fotos Kirsten Nijhof Jedes Jahr kommt ein neues Jugendlexikon mit »100 % Jugendsprache« heraus, was äußerst unterhaltsam den – angeblich – gebräuchlichen Schulhof-Slang encodieren hilft. Da wird beispielsweise ein sehr billiges Fahrradschloss zum »Geschenkband« und ein »Allround-Laie« zur diplomatischen Umschreibung für einen Totalversager auf sämtlichen Gebieten. Die Funktion der Education an der Oper Leipzig ist ähnlich dieser Wörterbücher: Ihre Arbeit hilft spielerisch und oft mit einem Augenzwinkern ein Verständnis für das Geschehen auf der Bühne zu entwickeln. Daher waren beide Musiktheaterpädagoginnen auch maßgeblich an der Entscheidung beteiligt, das bekannteste Ballett von Sergej Sergejewitsch Prokofjew in dieser Spielzeit für Jugendliche in den Spielplan der Musikalischen Komödie aufzunehmen. Bei aller Tragik ist »Romeo und Julia« doch ein sehr lebendiges Stück und wie gemacht für den ersten Kontakt von jungen Menschen mit dem Ballett. Obwohl die schönste Liebesgeschichte Shakespeares über 400 Jahre alt ist, berührt sie bis heute – vorausgesetzt, man glaubt an die Liebe auf den ersten Blick. Und Sergej Prokofjews Komposition über das berühmteste Liebespaar des Theaters gilt heute als ein Höhepunkt seines musikalischen Schaffens, vereint sie doch die unterschiedlichsten Facetten seiner Klangsprache. Lyrisch und reich an Melodien zeichnet die Musik die Charaktere der Figuren. So spiegelt sich Julias kindlich-widerspenstige Seite in ihrem ungestümen, sprunghaften Motiv, ihre liebevollen und weicheren Wesenszüge sind in ein zartes Thema gefasst, das mit dem Romeos verschmilzt. Die Musik ist längst zum Klassiker avanciert und so gehört der berühmte »Tanz der Ritter« inzwischen zum Standardrepertoire bei jedem Rundfunk-Wunschkonzert. Prokofjews
Adaption für das Ballett hält sich dabei strikt an den ShakespearePlot. Wobei die reiche und vielfältige Instrumentierung sowie die rhythmische Komplexität der Partitur immer noch Herausforderungen für Orchester und Tänzer darstellen. Trotzdem hat das Ballett in unzähligen Choreografien seinen Siegeszug um die Welt angetreten. Gerade der Tanz eignet sich als Ausdrucksmittel für die seelischen Vorgänge und aufwühlenden Emotionen der hitzigen Halbstarken. Passend zu dieser Lebensphase mit vielen Verständigungsschwierigkeiten beginnt das Stück auch gleich mit einer handfesten Prügelei zwischen den Sprösslingen der verfeindeten Familien – denn wo ein Montague ist, kann kein Capulet sein. Shakespeares zahlreiche Wortspiele und auch sexuell-derbe Anspielungen, sind für heutige Leser nicht ohne weiteres verständlich. Aber vertanzt finden die Provokationen, Temperamente und Eigenheiten der Charaktere, so zum Beispiel die charmante Vorwitzigkeit Mercutios, der seinen Kumpel Romeo gerne mal als »Schmachtlappen« aufzieht, in der neuen Choreografie von Mirko Mahr ihre Darstellung. Einen besonderen Stellenwert nehmen in dieser Inszenierung Julias abgeklärte Amme, verkörpert von Sabine Töpfer, und der um Versöhnung bemühte Pater Lorenzo, gespielt von Michael Raschle, ein. Sie führen mit Originaltexten Shakespeares in der Übersetzung von Frank Günther durch das weniger als fünf Tage umfassende Geschehen. Die Abteilung Education ist bei einer solchen Produktion für ein junges Publikum ein fester Bestandteil des Teams. Die Musiktheaterpädagoginnen übernehmen gleichzeitig die Dramaturgie und entwickeln gemeinsam mit dem Regisseur Inszenierungskonzepte. Mirko Mahrs Ansatz stellt sich unaufdringlich der Frage nach der Verantwortung der Generationen. Dabei werden auch Tänzerinnen und Tänzern der unterschiedlichsten Alters-
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stufen auf der Bühne agieren, um den Figuren, angefangen bei der blutjungen »Julia« bis hin zur Grandezza des »Fürsten von Verona«, zu entsprechen. Für die Darstellungsweise der spannungsgeladenen Atmosphäre entwickelte der Bühnenbildner Frank Schmutzler die passenden Lebens- und Handlungsspielräume, die alle ihre realen Vorbilder in Leipzig und Berlin haben und als bühnenbildnerische Entsprechung in der Szenerie Eingang finden. Das Werk des Elisabethaners sollte ohne Verbiegungen ins Heute geholt werden – Spitzentanz nicht ausgeschlossen. Das Vertanzen von Shakespeares Stücken liegt nahezu auf der Hand, denn in sämtlichen seiner Werke wurde nicht nur gesprochen, sondern auch getanzt – nicht nur in seinen Komödien, sondern auch in seinen Tragödien und erst recht in seinen Historien. Und schon zu seiner Zeit wurde »Romeo und Julia« sehr häufig aufgeführt und auch bearbeitet. Bis heute ist es die beliebteste Liebestragödie der Weltliteratur, was letztendlich wohl an den typisch menschlichen Eigenschaften der Figuren liegt, die nicht an Jahrhunderte gebunden sind. Anknüpfend an das Wörterbuch der Jugendsprache ist es somit auch egal, ob diese kreativen Wortschöpfungen wirklich aus jugendlichem Munde stammen oder doch eher auf der Tastatur einer findigen Redaktion entstanden sind. Vielleicht ist es nicht der Sprachstil aller Jugendlichen
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der Gegenwart, aber auf jeden Fall ist es ein Ausdruck dafür, dass dieser betont lässige Umgang mit Sprache mit Jugendlichkeit assoziiert wird und so eine Abgrenzung zur Erwachsenenwelt hergestellt werden soll. Dementsprechend ist Prokofjews Ballett »Romeo und Julia« in der Choreografie von Mirko Mahr »leider geil!« Übersetzt heißt das: Shakespeare bleibt immer modern und Liebesgeschichten werden niemals alt. PREMIERE 31. Januar 2014, Musikalische Komödie weitere aufführungen 04. Feb. / 04. Mär. / 01. und 02. Apr. / 20. Mai / 11. und 13. Jun. / 04. Jul. 2014 (Vorspiel Seniorenprojekt 31. Jan. 2014, 18:30, Venussaal)
Musikalische Komödie
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Rückblick: Musikalische Komödie
lachen mit wagner —
D as Musical »Wagners Ding mit dem Ring« feierte im Oktober in der Musikalischen Komödie seine Welturaufführung. Autor Ulrich Michael Heissig und Komponist Thomas Zaufke e rzählen Wagners sechzehnstündige Tetralogie »Der Ring des Nibelungen« in knapp drei S tunden und das mit viel Humor.
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Zaufke und Heissig (1), hier bei »Wagt Wagner« in der Moritzbastei im Vorfeld der Premiere, gruben für die Musical-Komödie einen amerikanischen Verwandten Richard Wagners aus. Traugott Wagner gründete gegen Ende des 19. Jahrhunderts einen »Green Hill« im lauschigen »New Bayreuth« in Kentucky. Einer seiner Nachfahren WW (2) macht sich nun auf den Weg nach Old Europe um hier mit den Swinging Rheintöchtern (3), den Cowgirl-Walküren (4), einem gestandenen Siegfried (5) und natürlich selbst als Göttervater Wotan das Showbusiness zu erobern. »Eine kurzweiligere Einführung in die Ring-Handlung ist kaum denkbar« urteilte die Leipziger Volkszeitung über die Mischung aus Musical, Comedy, Revue und Comic.
Fotos: Tom Schulze
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Eine Frage an die Education
Wagnis Wagner — Wie viel Wagner verträgt mein Kind?
text christina geissler Fotos Kirsten Nijhof, Tom Schulze Es war für ihn die wichtigste Frage an diesem langen Abend, die der Jüngste unter den Opernbesuchern in der 12. Reihe zu Beginn der Pause an seine Mama richtete: »Ist es jetzt zu Ende, können wir jetzt endlich gehen?« Da hatte er tapfer den ersten Akt geschafft und ein weiterer langer wartete auf ihn. Richard Wagners »Liebesverbot« dauert (für Wagner kurze) drei Stunden und auf dem Kindersitz im Zuschauerraum erscheint die Zeit wohl doppelt so lang. Und das Geschehen auf der Bühne bei diesem Stück ist in diesem Alter, auch bei liebevollster Vorbereitung, schwer zu erfassen, selbst wenn man im Kindergarten schon eine Freundin hat. Doch die empörte Bemerkung eines pädagogisch interessierten Herrn auf dem Platz dahinter »Wagner ist doch nun wirklich noch nichts für Kinder« geht an der Fragestellung ebenso vorbei wie die feste Überzeugung mancher ehrgeiziger Eltern, ihr untrüglich hochbegabtes Kind müsse möglichst noch vor dem Schulanfang von Mozart bis Strauss das gesamte Opernrepertoire abgearbeitet haben. Wie beruhigend ist es da, dass man sich selbst unter den Urenkelinnen Wagners darüber nicht einig ist, ob sich Opernkunstwerke »erkrabbeln« lassen. Die Musiktheaterpädagoginnen der Oper Leipzig lehnen Wagner für Kinder nicht ab, raten aber eher zu kleinen, altersgerechten Schritten. Manchmal ist eine Kinderoper am Sonntagnachmittag doch ein nachhaltigeres Erlebnis, als die große Abendvorstellung inmitten von Erwachsenen. Zur besseren Wagners Musik: eine Herausforderung an große und kleine Hörer.
Orientierung veröffentlicht die Education für alle Produktionen an der Oper Leipzig Altersempfehlungen. Aber auch im persönlichen Gespräch mit den beiden Musikpädagoginnen kann man herausfinden, ob eine Vorstellung für das eigene (Enkel-) Kind ein tolles Geschenk oder der erste und letzte Opernbesuch des Nachwuchses wird. Kinder erleben viele Operngeschichten, die uns Erwachsenen inhaltsschwer und voller Doppelbödigkeit scheinen, als vertonte Märchen, die ihnen auch und vor allem Richard Wagners Musik zu erzählen vermag. Letztere erleben sie noch viel selbstverständlicher, haben nicht den Drang sie zu entschlüsseln und zu hinterfragen. Vielleicht muss es am Anfang ja nicht eine der ganz großen Opern sein. Und wenn es nicht eine extra für Kinder arrangierte Opernfassung ist, dann sind vielleicht eine Wagner-Ouvertüre oder ein Chorstück im Konzert ein guter Einstieg. Die Handlungen der Opern lassen sich dann zu Hause wunderbar erzählen und mit Musikbeispielen werden die Figuren und Situationen der Werke lebendig. Der »Fliegende Holländer« kann so ein geeigneter Operneinstieg werden. Und auch wenn den kleinen Wagnerfans die Erlösungsfrage noch verborgen bleibt, Sturm und Meerestosen, Angst und Verzweiflung, Hoffnung und Enttäuschung erleben sie ganz und gar. Vor allem aber Wagneropern in kindgemäßer Fassung und Länge, wie seit einigen Jahren in Bayreuth praktiziert und mit dem »Ring für Kinder« in Leipzig ein großer Publikumsrenner, sind der Beweis, dass Wagner und Kinder wunderbar zusammenpassen. Und wenn auch nicht zur Einschulung, so wird der »Parsifal« doch zu einem tollen Geschenk zur Konfirmation.
Education
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Elternratgeber: Mit Kindern in die Oper
grosse oper für kleine leute — » Der Ring für Kinder«, »Papageno und die Zauberflöte«, »Pinocchio« – n ur ein Teil des Angebots für junges Publikum an der Oper Leipzig
text heidi zippel Fotos Andreas Birkigt, Tom Schulze Wenn Pamina in »Papageno und die Zauberflöte« davon singt, dass sie vor lauter Kummer sterben möchte, rollen im Konzertfoyer schon einmal Kindertränen. Glücklicherweise gibt es Papageno, der alles wieder in Ordnung bringt. Aber erzählt wird Mozarts wunderbare Oper für Kinder ab 5 Jahren mit großer Ernsthaftigkeit, mit der Sprache Schikanders und ohne jede Kindertümelei. Und von den großen Arien Mozarts singen die Sänger auch die zweite Strophe – manchmal begleitet im Zuschauerraum vom nervösen Auf und Zu der Klettverschlüsse an den Schuhen und mit einem Finger im Mund. Neue Sänger werden liebevoll vorbereitet, dass bei der Schweigeprüfung schon mal ein kleiner Zuschauer aufstehen und mit beschwörenden Gesten, aber laut und deutlich einfordern könnte: »Seid doch still!« Am Ende der Vorstellung strahlen dann alle, die Kinder und ihre Eltern, die Musiker des Gewandhausorchesters und die Sänger. Mozarts Musik hat sie verzaubert und für eine Stunde eine ganz besondere Welt erschaffen. Dass Sieglinde und Siegmund als Geschwister ein Kind zeugen, hat ganze Generationen von Moralaposteln auf die Palme ge bracht. Für Kinder ist es ganz einfach: Die beiden lieben sich eben. Und auch den Tod des Helden Siegfried am Ende der »Götterdämmerung« können sie ganz gut verkraften. Er hätte ja auch auf die Rheintöchter hören können. Da ist es dann allerdings doch hilfreich bei der Verarbeitung, dass jener Siegfried so strahlend zur Autogrammstunde kommt und fröhlich lachend
noch einmal erklärt, es sei eben doch ein Märchen und Theater sowieso ein Spiel. Das aber haben die Kinder wunderbar verstanden, die komplizierte Geschichte um das gestohlene Rheingold erschließt sich ihnen auf ganz selbstverständliche Weise. Vor allem aber mögen sie, entgegen allen Unkenrufen, Richard Wagners Musik. Große Oper für kleine Leute scheint ein Erfolgsmodell an allen großen Opernhäusern zu sein. Dabei ist das junge Publikum besonders anspruchsvoll. Zwischen »super toll« und »total langweilig« ist ein schmaler Grat und die Theaterleute müssen die ganz unverblümten Meinungsäußerungen auch aushalten. Doch meist sind die Kinder einfach nur verzaubert, tauchen ein in eine zunächst fremde Welt, in der Geschichten mit Musik erzählt werden. Wenn diese Geschichten ihre Phantasie anregen können, sie in fremde Welten entführen, Themen beinhalten wie Angst, Liebe, Glück und Schmerz, die in ihren Erfahrungsbereich gehören, dann gibt es keinerlei Berührungsängste. Wenn dann die Kinder Musiktheater als Ensemble aller Künste erleben, wenn Stimme und Körper, Bühne und Kostüme, Technikzauber und Effekte zusammenwirken, dann entsteht das Wunder Theater. Wie bei der letzten Vorstellung »Der Ring für Kinder« in der Musikalischen Komödie, als ein kleiner Junge erklärte, es habe richtig gekribbelt und er fände Wagner doch ziemlich toll.
Auch die Sänger haben Spaß an der viel direkteren Interaktion mit dem jungen Publikum.
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Vorgestellt!
freude an Herausforderung — Mathias Hausmann – der neue Bariton im Ensemble.
text marita müller Foto Kirsten Nijhof Wiederaufnahme von Verdis »La Traviata« im November: Der Sänger des Germont wird mit begeistertem Applaus und Bravorufen gefeiert – was für ein Debüt für das neue Ensemblemitglied Mathias Hausmann! Und es wird nicht das einzige bleiben: In dieser Spielzeit ist der Sänger in sechs Partien zu erleben, allein fünf davon sind Rollendebüts. Den ersten Gesangsunterricht erhielt der Österreicher vom Großvater, der Professor für Chordirigieren an der Grazer Musikhochschule war. Hausmann war Schüler des bekannten Bassbaritons Walter Berry in Wien – eine Ausbildung, die er als prägend für seine Laufbahn ansieht. Zudem hatte er Meisterkurse bei namhaften Sängern, wie dem Bariton Thomas Hampson, dem er wichtige künstlerische Impulse verdankt. Weitere Studien führten ihn an das Royal Collage of Music in London. Nach seinem Operndebüt in Graz sang Mathias Hausmann für einige Jahre an der Wiener Volksoper, wo er sich besonders mit Partien in Mozart- und Rossini-Opern als Publikumsliebling etablieren konnte. Mit einer Glanzrolle der Operette, dem Danilo in der »Lustigen Witwe«, gelang ihm der Sprung an die Mailänder Scala, wohin er mehrfach zurückkehrte. Am Teatro Colón in Buenos Aires trug ihm der Danilo den Titel »Sänger des Jahres« ein.
Nach der Belastung durch den ständigen Ortswechsel gefragt, der mit der Gastspieltätigkeit verbundenen ist, entgegnet der Sänger, dass ihm das Reisen Spaß mache. An den Gastspielorten kann man ihn oft in Museen finden, denn neben der Musik und der Literatur gilt sein besonderes Interesse der Bildenden Kunst. Doch am liebsten kommt er dorthin zurück, wo seine Familie zu Hause ist, nach München. Die erste Begegnung des charmanten Baritons mit Leipzig liegt ein paar Jahre zurück, als er im Gewandhaus in Bachs »Johannes passion« unter Riccardo Chailly mitwirkte. Jetzt hat er öfter Gelegenheit, die Stadt für sich zu entdecken. Einen ersten Eindruck hat er bereits gewonnen: »Leipzig ist eine schöne Stadt mit hoher Lebensqualität.« Sein Engagement an der Oper Leipzig will Mathias Hausmann nutzen, um sein Stimmfach zu erweitern. Fünf neue Partien sind ein gewaltiges Pensum, aber der Sänger freut sich auf die Herausf orderung. Als nächstes singt er in der Leipziger Neuinszenierung von »Don Pasquale« den Dr. Malatesta, der zu seinem bisherigen Repertoire gehört. Als Orest in »Elektra«, als Manons Bruder Lescaut, als Morald in Wagners »Feen« und als Amfortas steht er in dieser Saison erstmals auf der Bühne. Ein Grund mehr, unbedingt dabei zu sein!
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Theaterbegriffe erklärt
gegen den Teu-Teu-Teufel —
Über Selbstverletzungen, ordentlich Spucke und allerlei Teufel am Theater.
text philipp amelungsen Foto tom schulze Ja, wir Theatermenschen sind abergläubisch und manchmal ziemlich eigen. Anstatt einfach nur »Viel Glück« zu wünschen, veranstalten wir allerlei Sperenzchen. Vor einer Premiere wuselt es durch die engen Gänge, man hört »toi, toi, toi« von den deutschen Kollegen, die Amerikaner und Engländer rufen »break a leg«, die Italiener gar »In bocca al lupo!«. Wer nicht am Theater arbeitet, mag sich dabei fragen, was der ganze Zauber eigentlich soll. Zauberei ist dabei kein schlechtes Stichwort. Im Mittelalter glaubte man, dass gute Wünsche böse Geister anlocken, um diese gleichsam zu bannen hat man dreimal ausgespuckt. Spucke sollte also den »Teu-Teu-Teufel« fernhalten ohne ihn dabei zu benennen. Dabei spuckte man stets über die linke Schulter, da auf dieser bekanntlich der Beelzebub hockt. Gerade in fahrenden Theatertruppen hat sich der Brauch als festes Ritual etabliert. Mit der Institutionalisierung von Theatern und veränderten Hygienevorstellungen vor allem im 19. Jahrhundert galt das Spucken zunehmend als unschicklich. Deshalb hat sich – um nicht ganz mit der Tradition zu brechen – das lautmalerische »toi, toi, toi« herausgebildet. Dank sollte man dafür übrigens nicht erwar-
ten, auch das bringt – so sagt man – Unglück. Man könnte es aber mit einem herzlichen »Hals- und Beinbruch« als Antwort versuchen, oder eben englisch: break a leg! Tatsächlich, so eine Theorie, bezieht sich der Ausruf auf ein sprachliches Missverständnis. Das jiddische »hatslokhe u brokhe« (»Glück und Segen«) ist von deutschen Zuhörern auf Grund der klanglichen Ähnlichkeit wohl falsch verstanden worden. Es könnte aber auch eine bewusste Umkehrung der guten Wünsche sein: Will man für jemanden etwas Gutes, wünscht man ihm das Schlechte, auf dass es sich verkehren soll. Ganz famos treiben es derweil die Italiener. Sie sehen sich vor schweren Prüfungen (Und das kann ein Bühnenauftritt durchaus sein!) schon »In bocca al lupo!« – im Maul des Wolfes. Ein gutes deutsches Gegenstück haben wir für diesen Ausruf nicht. Am ehesten lässt er sich vielleicht mit »in die Höhle des Löwen gehen« übersetzen, sich also einer Herausforderung stellen. Wage mutig erwidert man auf die drohende Prüfung »Crepi il lupo!« – der Wolf soll krepieren. Na dann: Viel Glück!
Alter Theaterbrauch: Vor der Vorstellung wünscht man sich ein herzliches »toi – toi – toi«.
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Mitarbeiter der Oper Leipzig empfehlen
Unterwegs in Leipzig Freizeit-Tipp
Kultur -Tipp
A ugustusplatz im P lätzchenduft
S töbern in der Vergangenheit
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Stefania Abbondi auf dem Augustusplatz.
Studienleiter Ugo D’Orazio ist umgeben von Büchern ganz in seinem Element.
Wenn man im Dezember auf den Augustusplatz geht, spiegeln sich verheißungsvoll die blinkenden Lichter des Weihnachtsmarktes in den Fensterfassaden der Universität wieder. Wie lebendig dieser Platz ist. Aber es ist auch die zentrale Lage des Augustusplatzes, die Architektur, vor allem die Geschichtsträchtigkeit, die die gebürtige Italienerin Stefania Abbondi fasziniert. Stefania arbeitet im Künstlerischen Betriebsbüro als Assistentin. Bevor sie nach Leipzig an die Oper wechselte, hat sie bereits an der ehrwürdigen Mailänder Scala hospitiert. Mit ihrem abgeschlossenen Studium in Geige und Gesang sowie Theatermanagement ist sie ein Profi vom Fach. Neben der Stadtatmosphäre schätzt sie an Leipzig die lange Musiktradition, architektonisch versinnbildlicht in der ehrzDas Künstlerische Betriebsbüro verlangt viel Konzentration und Aufmerksamkeit. Da kommt ein wenig Erholung bei Plätzchenduft und Glühweindampf im Advent gerade recht.
Als Ugo D’Orazio eines der traditionellen Leipziger Antiquariate in der Ritterstraße betritt, wird er neugierig. Bücher stapeln sich bis unter die Decke, Geschichts-, Philosophie-, und Medizinbücher, Dramen, Biographien, Romane, Krimis, alle peinlich genau sortiert. Stundenlang könnte man hier in den bereit gestellten Sesseln sitzen und schmökern. Für Menschen mit einer Leidenschaft für Bücher, ist dieses Antiquariat ein purer Genuss und eine Fundgrube. Ugo wandert durch die vielen Regale und findet, was er sucht: Notentexte! Sie liegen etwas versteckt ganz unten in einer der hintersten Reihen, eine kleine Auswahl antiquarischer Noten: Bach, Mozart, Fauré, Debussy, sogar ein Klavierauszug von Giuseppe Verdis Oper »Die Macht des Schicksals«. Ugo D’Orazio ist Italiener, kommt aus Mailand. Er ist seit dieser Spielzeit der neue Studienleiter der Oper Leipzig. Seine Liebe zur Literatur kommt nicht von ungefähr: Er hat Philosophie studiert und liest alles, was er in die Hände bekommt.
Fotos: Kirsten Nijhof
Daher verwundert es auch nicht, dass Ugo, bevor er sich der Oper und der Musik zuwandte, am Institut für Geschichte der Medizin der Charité Berlin eine wissenschaftliche Karriere einschlug. Aber die Macht des Schicksals war stärker: Mitte der 90er Jahre verabschiedete sich Ugo von Wissenschaft und Forschung, um sich der Kunst zu widmen. Für ihn ist der Berufswechsel ein Kinderspiel, im wahrsten Sinne des Wortes. Denn bereits als Kind spielte er aus eigenem Antrieb Opern aus Klavierauszügen und eignet sich in jungen Jahren ein immenses Repertoire an, von dem er bis heute profitiert. Die größte Anziehungskraft von Leipzig geht für den Italiener dennoch von den zahlreichen Antiquariaten Buchläden und Bibliotheken aus. Wenn er nicht gerade Probe hat, Pläne koordiniert oder mit den Sängern an ihren Partien arbeitet, durchforstet er die Bücherläden nach wertvollen und vor allem ungewöhnlichen Schätzen. Auch heute wird er wieder fündig.
Oper Leipzig
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Reingehört. Reingelesen. Reingeschaut.
Empfehlungen Buch
Buch
Buch
A lles, was man wissen muss! Web-Theater?!
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O perette als Literatur
verdi handbuch
internetauftritte für theater
das deutsche operettenlibretto
Natürlich kann man im Verdi-Jahr aller hand über den italienischen Komponis ten lesen. Ein so umfangreiches und fundiertes Nachschlagekompendium ist allerdings nur im Metzler Verlag erschienen. Das Verdi Handbuch in der Herausgeberschaft von Anselm Gerhard und Uwe Schweikert lässt eigentlich keine Wünsche offen. Ob Verdis Wirken im italienischen 19. Jahrhundert, Fragen der Komposition und der Ästhetik bis hin zu einer fundierten Werkübersicht samt Entstehungsgeschichte, Handlung und Wirkung und inhaltlichem Kommentar sind viele Themenfelder abgedeckt. Dabei ist das Buch mitnichten nur etwas für Fachleute. Die Sprache ist stets klar und auch der interessierte Laie wird einen leichten Zugang finden, der schließlich den nächsten Opernbesuch bereichern wird.
Ulf Otto vom Institut für Medien, Theater und populäre Kultur der Universität Hildesheim untersucht in seinem 2013 erschienenen Buch die Entwicklung Neuer Medien unter dem Gesichtspunkt theatertheoretischer Begriffe wie Auftritt, Inszenierung, Spiel, Zuschauer, Rolle, Theatralität und Interaktion. Er geht von der These aus, dass das Internet als »Bühne« fungiert, auf der die User mit den Möglichkeiten des Internets Auftritte inszenieren und in »Interaktion« treten können. An konkreten Beispielen setzt er sich kritisch mit seiner These auseinander und demonstriert u. a. die Mechanismen der Interaktion, die die Medien dem User bereitstellen. Empfehlenswert für jeden, der sich mit dem Thema Neue Medien im Kontext theaterwissenschaftlicher Diskurse beschäftigen will.
Der Regisseurin und Dramaturgin Heike Quissek ist eine bisher einzigartige Abhandlung über die Operette unter librettologischen und literaturwissenschaftlichen Blickwinkeln gelungen. 10 Forschungsjahre und rund 80 Einzelwerke sind in ihre Untersuchung eingeflossen, die sie nach poetologischen Grundlagen, dramaturgisch-formalen Strukturen, Gattungsfragen, Themen und Stoffen gliedert. Sie vermittelt dem Leser einen detaillierten Einblick in die diversen Bausteine einer Operette und trägt dadurch dazu bei, dieses offene, hybride und plurimediale Kunstwerk in seiner Einzigartigkeit verstehen zu lernen. Durch die klare Gliederung ist das Buch außerdem ein praktisches Nachschlagewerk zu einzelnen Operetten, Figuren und Kontexten.
Gerhard / Schweikert (Hg.): Verdi Handbuch. Metzler/Bärenreiter. Stuttgart und Weimar, 2013.
Ulf Otto: Internetauftritte. Eine Theatergeschichte der Neuen Medien., transcript Verlag, Bielefeld 2013.
Heike Quissek: Das deutschsprachige Operettenlibretto. Figuren. Stoffe. Dramaturgie, J. B. Metzler, Stuttgart /Weimar 2012.
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Neues aus der Oper Leipzig
Seitenblicke fräuleinwunder
jubilare
seniorenprojekt
»Die Fräuleinwunder« machten den Anfang bei »Late Night«, einer neuen Reihe der Oper Leipzig. In entspannter Lounge-Atmosphäre präsentierten die drei Damen a-cappella Tonfilmschlager, Songs der Comedian Harmonists und andere Klassiker.
Im November fand die alljährliche Jubilaren-Runde der Oper Leipzig statt. In diesem Jahr ehrte die Opernleitung 72 Mitarbeiter, die seit mehr als zwanzig Jahren für das Haus arbeiten. Insgesamt ergibt das 1860 Jahre Betriebszugehörigkeit.
Begleitend zur Neuproduktion »Romeo und Julia« realisiert die Oper Leipzig ihr erstes eigenständiges Seniorenprojekt. Zwanzig spielfreudige Senioren arbeiten seit September daran und werden die Ergebnisse am Premierenabend in der Musikalischen Komödie präsentieren.
teufelsgeiger
mozart in japan
klangfarben
Am 31. Oktober startete der Film »Der Teufelsgeiger« mit David Garrett in der Hauptrolle in den deutschen Kinos. Der Soundtrack wurde von Ulf Schirmer zusammen mit dem Münchner Rundfunkorchester eingespielt. Der Film widmet sich dem Leben des Geigenvirtuosen Niccolò Paganini.
Im Oktober dirigierte Ulf Schirmer am New National Theatre in der japanischen Hauptstadt Tokio die Wiederaufnahme von Mozarts »Die Hochzeit des Figaro«. Schirmer stand für vier Aufführungen der Inszenierung von Andreas Homoki am Pult des Tokyo Philharmonic Orchestras.
Im Mittelpunkt der dreiteiligen Reihe »Klangfarben« in der Musikalischen Komödie steht die sinfonische Seite des Operetten- und Musicalorchesters. In der ersten Ausgabe am Buß- und Bettag konnte die Erste Konzertmeisterin Agnes Farkas als Solistin der »Vier Jahreszeiten« von Vivaldi glänzen.
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