Dreiklang N° 05

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DREI KLANG

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Identität ist ein fortwährendes, endloses Gespräch. Stuart Hall


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E di t o ri a l

Liebe Leserinnen und Leser, »Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?«, mit dieser simplen Formel hat der Philosoph und Publi­zist Richard David Precht eine der zentralen ­erkenntnistheoretischen Fragen der Menschheit augenzwinkernd auf den Punkt ­gebracht. Wer sind wir? Was macht uns aus? Sind wir das zufällige Produkt genetischer ­Informationen und neurobiologischer Prozesse oder vernunftbegabte W ­ esen, ­deren Identität sich aus den Prägungen und ­Erfahrungen ­unserer Umwelt und unserer Fähigkeit zur Selbstreflexion konstituiert? Viele von uns haben in den Wochen und Monaten, in denen wir durch die ­Folgen der Ausbreitung des ­Corona-Virus einer Ausnahme­ situation ausgesetzt waren, erfahren, wie sehr unser A ­ lltag im ­positiven Sinne durch bestimmte Verhaltensmuster und Gewohnheiten, durch soziale Kontakte und unterschiedliche ­familiäre, berufliche und gesellschaftliche Kontexte ­bestimmt wird. Sie alle bilden einen wesentlichen Teil unserer Identität ab. In der Erfahrung des ­Defizits können wir entdecken, was uns ausmacht. Denn die Entwicklung einer Identität bedarf des Gegenübers. Um zu ­erkennen, was uns mit a­nderen verbindet oder von anderen unterscheidet – denn nichts anderes besagt das Wort »Identität« – brauchen wir den Anderen. Gleichzeitig hat diese Erfahrung bei vielen ­Menschen neue Perspektiven e­ röffnet. Neue Formen der ­Solidarität und gegenseitigen Achtsamkeit wurden gepflegt. Das Virus hat eine kollektive Identität jenseits nationaler Grenzen ­g eschaffen, eine Verbundenheit der Menschen über die Kontinente hinweg. Die vielen Aktionen von Künstlerinnen und Künstlern, produktiv mit der Krise umzugehen, und die breite Resonanz, die sie dabei in den sozialen Netzwerken erfuhren, haben nicht nur gezeigt, welch eine große Rolle die Digitalisierung mittler­ weile in u ­ nserer persönlichen Identitätsbildung spielt. Wir konnten auch erleben, dass die Kunst einen nicht unbeträchtlichen Stellenwert für die k ­ ulturelle Identität einer Gemeinschaft einnimmt. Denn in der Auseinandersetzung mit Kunst formiert sich unser Ich, sie ­problematisiert die Gefahren von kollektiver Identitätsbildung, wenn wir uns beispielsweise die Frage stellen, warum Menschen gerade in Not­situationen einen Heilsbringer wie Lohen­ grin herbeisehnen und ihm blind vertrauen. All dies und noch viel mehr erfahren Sie in der neuen Ausgabe unseres Theater­ magazins. Viel Freude damit!

P ROF. U LF SC H I RM E R I N T E N DAN T U N D G E N E RALMU SI K D IR E K TO R

A bg e s p e i c her t

Was wir vor dieser Ausgabe noch nicht wussten … Dass die Durchführung von Video-Konferenzen eigentlich total simpel ist. CH R IS T IA N G E LTI NG ER

Queen Elizabeth II. benötigt keinen Pass. Sie kann ihre Identität mündlich bestätigen. N E L E W IN T ER

Früher bezeichnete man die Fermate, das Ruhe- und Haltezeichen in der Musik, auch als Corona. E L ISA B E T H KÜ HNE

Zw i s c h e n s t o pp

Wo wir für diese A ­ usgabe waren

Im Homeoffice

In der Notenbibliothek


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INHALT 4

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Das hat mich geprägt …

Vorhang auf! Die Musikalische Komödie kehrt zurück in ihr frisch saniertes Stammhaus.

Umfrage

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Ein Gefühl von Freiheit Wir haben unsere Künstlerinnen und Künstler befragt, wie es sich anfühlt, auf der Bühne Abend für Abend eine neue Identität anzunehmen.

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Neue Klänge braucht das Land! Die Oper Leipzig lobt den zweiten Kompositionswettbewerb zum Thema »Wahrheiten« aus.

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Wie man Menschen bewegt 6

Identitäten im Wandel

Oder: Wie Mario Schröder seit zehn Jahren am Leipziger Ballett den Tanz feiert

Eine persönlichkeitspsychologische Perspektive auf die Frage, wer wir sind

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Augen und Life Ohren is confuNie sollst offen sing at this point du mich halten! befragen 12

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Musical-Star Jan Ammann singt Sweeney Todd.

Eine künstlerisch-fotografische Annäherung an das Thema Identität

Zum Begriff der Identität bei Richard Wagner und Giuseppe Verdi


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Zugabe 1 1 Aus dem Homeoffice Unsere Ensemblemitglieder zuhause

3 4 Zu Hause mit … Balletttänzer Marcelo Ferreira in den eigenen vier Wänden

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Ist gerächt gleich gerecht?

4 2 Ein Blick in die Notenbibliothek der Oper Leipzig

E- b

5 0 Ohne Worte antwortet Andreas Rainer, Sänger an der Musikalischen Komödie, auf unsere Fragen.

Prof. Mario Gollwitzer über Funktion und Folgen eines gesellschaftlichen Tabus

ook

5 3 Tipps vom Profi Wie Ihre Wäsche richtig sauber wird

5 4 Schnappschuss Warum die ­Theaterwerkstätten plötzlich Masken und Kittel nähen

Digitale Oper ­L eipzig

5 5 Nachgefragt Sie fragen – wir antworten.

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Happy Birthday! Der Kinderchor der Oper Leipzig wird 30 Jahre.

6 1 Angerichtet Unser Rezept zur Premiere

6 5 Bilderrätsel

Können Sie die Zeichen richtig deuten?

6 6 Fundstücke Was uns sonst noch alles über den Weg lief

6 7 Detailverliebt Gewinnen Sie Premierenkarten!

6 8 »Du siehst aus, wie ich mich fühle« 6 8 Impressum

1. Kostenloses E-Book auf www.oper-leipzig.de/ebook herunterladen.

2. Zusatz­material entdecken.

Fragen? Rufen Sie uns einfach an, täglich von 9:00 – 17:00 Uhr T +49 (0)341 - 12 61 253


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Um frage

Das hat mich geprägt … Am meisten geprägt hat mich mein früherer Trainer, als ich angefangen habe zu reiten und später als Berufsreiter gearbeitet habe. Er war ein sehr dominanter Mensch und hat mich immer zum Lernen angeleitet und mich motiviert. M A N F R E D L E IN , L E IPZ IG

Mich hat ein schwerer Verlust in der Familie zu einer Opti­­­ mistin und starken Frau gemacht, die das Leben und dessen Vorzüge inzwischen sehr zu schätzen weiß. H AN N A SC H ABAC K E R , H AL L E

Ganz klar: Armin Mueller-Stahl. Ein selbstbewusster Musiker und Schauspieler in meinem Alter, der sich auch zu DDR-Zeiten nichts hat gefallen lassen. Mittlerweile ist er sogar sehr oft wieder in Deutschland. KARL- H EI N Z VET TER , LE I P ZI G


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Mein Beruf – die Gastronomie. Neue Leute kennenlernen, Unterhaltungen führen, sich gegenseitig zuhören. Ein sehr sozialer Beruf. In der heutigen Zeit würde ich es jedoch nicht mehr machen wollen, auch wenn ich meinen Beruf vermisse.

Ich bin ukrainischer Staats­ bürger und mit acht Jahren nach Deutschland gezogen. Ich konnte kaum Deutsch und stotterte, als mir mein bester Freund mit auf den Weg gab, ich solle erst in Ruhe darüber nachdenken, was ich ausdrücken möchte, bevor ich etwas sage. Seitdem kann ich mich äußerst bedacht und selbstbewusst artikulieren, weil ich immer genau überlege, was ich wirklich sagen möchte. M AX IM SAV IT S KY I, L E IPZ IG

MARTI N A S CH WARZ, LE I P ZI G

Am stärksten geprägt hat mich mein Studienabschluss, der mich in die Welt ent­lassen hat mit allen Möglichkeiten, die sich mir boten, aber auch mit dem Problem, auf einmal vor einem Überfluss an Mög­ lich­keiten zu stehen. Heute mache ich beruflich etwas ganz anderes. MARCUS VO I GT, LE I P ZI G

Mein Auslandsaufenthalt in Barcelona letztes Jahr. Ich war alleine in Spanien, in einer heruntergekommenen Unterkunft und mein Spanisch war noch nicht so gut. Dadurch bin ich viel selbstbewusster geworden und habe gelernt, meine Familie und mein Zuhause enorm zu schätzen. Heute schreibe ich jeden Tag fünf Dinge auf, für die ich dankbar bin. LUCIA R O S E , L E IPZ IG


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Identitäten im Wandel Eine persönlichkeitspsychologische Perspektive auf die Frage, wer wir sind T E XT: J UL E S PECH T I LLU S T R AT IO N E N : Z E B U


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ließ oder geteilte Erfahrungen aus einer bestimmten Perspektive betrachten lässt. Ebenso wenig wie von den genetischen Prädispositionen, die unsere Eltern uns in die Wiege legten.

Wer sind Sie? Oder genauer: Müssten Sie sich mit fünf Begriffen ­beschreiben, welche wären das? Gesellig oder humorvoll vielleicht? Fleißig oder ­rebellisch? Oder definieren Sie sich vor allem über Ihre sozialen Verbindungen, als Tochter der Eltern, als Ehemann einer Frau, als Elternteil eines Kindes, vielleicht auch als Mitglied im Kegelclub? Oder ist Ihre Identität geografisch verankert, fühlen Sie sich als Europäer oder als Sächsin, als Zugezogene oder als Ostdeutscher? Vielleicht spielt auch Ihr ­Aussehen eine Rolle und sie definieren sich über Ihren Körper­ bau, Ihr Geschlecht oder Ihre Hautfarbe. Oder über die Zuschreibungen, die Sie von anderen Ihnen gegen­über erfahren? Oder hadern Sie vor allem damit, wer Sie bei der Fülle an Merkmalen, die Sie auszeichnen, tatsächlich, tief in Ihrem Inneren sind? Entschuldigen Sie die vielen Fragen direkt zu Beginn. Als Psychologin fragt man so gern. Als Persönlichkeitspsychologin besonders, schließlich gelten die Menschen selbst – möchte man sich ihrer Persönlichkeit nähern – als die besten Expertinnen und Experten, denn wir kennen uns selbst immer noch am besten. Und dabei müssen wir selbst noch nicht einmal ein vollständiges Bild davon haben, wer wir eigentlich sind. So wie wir in der Psychologie Persönlichkeit auch messbar machen, ohne genau zu wissen, wodurch die Persönlichkeit eigentlich bestimmt wird (außer dass bisher nicht näher spezifizierte Prozesse im Gehirn ursächlich sind – feuernde Nervenzellen, zwischen denen Neurotransmitter herumspringen und ganze Hirnregionen aktivieren). Für die Identität spielen aus persönlichkeitspsychologischer Perspektive unsere sozialen Netze, unsere Herkunft und unser Aussehen zunächst eine nachgeordnete Rolle. An erster Stelle stehen unser Denken, Fühlen und Verhalten. Persönlichkeit ist, wie wir typischerweise denken, fühlen und handeln und wie wir uns dabei von unseren Mitmenschen unterscheiden. Es sind also eher die Gewohnheiten und Rituale, die wir im Alltag pflegen, die unsere persönlichkeitspsychologische Identität ausmachen. Und diese sind natürlich nicht losgelöst von den Menschen, mit denen wir durchs Leben gehen, und von unserer He­rkunft, die uns bestimmte Erfahrungen machen

Unsere Persönlichkeit zeigt sich dann in dem, was wir sagen (und worüber wir schweigen), aber auch darin wie wir es sagen, zu wem wir sprechen, mit welcher Intention und vor dem Hintergrund welcher Werte und Einstellungen. Dieser Komplexität – wage ich mal zu unterstellen – wird die künstlerische ­Auseinandersetzung mit Persönlichkeiten oftmals eher gerecht als die persönlichkeitspsychologische. Auf der Bühne oder zwischen Buchdeckeln, auf der Leinwand oder im Museum gelingt die Betrachtung des Facettenreichtums und der Ambiguitäten einzelner Persönlichkeiten mit künstlerischen Mitteln zum Teil differenzierter als in der Psychologie. Das mag daran liegen, dass Kunst und Wissenschaft typischerweise unterschiedliche Methoden nutzen, um sich einer Frage zu nähern. Aber auch daran, dass sie unterschiedliche Ziele verfolgen. Während Kunst auch die Auseinandersetzung mit dem Einzelfall, das »in jemanden Hineinfühlen« und das Erfahrbarmachen des Nichterlebten ermöglicht, fokussiert die Persönlichkeitspsychologie auf das Aufdecken von Gesetzmäßigkeiten, um darauf aufbauend Vorher­ sagen für die Zukunft zu treffen. Auch in der Persönlichkeitspsychologie kommt ­dabei der Sprache eine zentrale Rolle zu. Nach Jahrzehnten des weitgehend unstrukturiert nebeneinanderher Forschens, wurde nach einer Möglichkeit gesucht, die Komplexität der Persönlichkeit in eine Struktur mehr und weniger grundlegender Persönlichkeitsmerkmale einzubetten. Dabei setzte sich die Perspektive durch, dass sich alles, was zentral für die Persönlichkeit – und damit für das Zusammen­ leben von Menschen – sei, sich in der Sprache niedergeschlagen haben muss. Für alles, was unser Denken, Fühlen und Verhalten charakterisiert – so die Annahme – gibt es ein Wort. Und gibt es kein Wort – so der Umkehrschluss – dann wird es wohl von ­vernachlässigbarer Bedeutung sein. So kam es schließlich, dass Wörterbücher gewälzt und alle Worte herausgeschrieben wurden, die Unter­ schiede zwischen Menschen in ihrem Denken, Fühlen und Verhalten beschreiben. Mehrere tausend

… auch neue Perspektiven auf uns und unser Leben können Veränderungsprozesse anstoßen.


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Persönlichkeitsmerkmale waren das Ergebnis ­ dieses Prozesses oder, wie Gordon Allport schrieb, »ein ­semantischer Albtraum«. Zu viel, zu komplex, zu differenziert. Vielleicht nicht, um die Individualität eines Menschen abzubilden, aber doch um allgemeine Gesetzmäßigkeiten aufzudecken, die es erlauben würden, aus der Persönlichkeit der einen Menschen Rückschlüsse auf die Persönlichkeit a­ nderer Menschen zu ziehen. Zugute kam der Psychologie die Beobachtung, dass Persönlichkeitsmerkmale nicht unabhängig vonein­ ander sind. Überzufällig viele Menschen, die sich durch Geselligkeit auszeichnen, fallen auch durch ihre Gesprächigkeit, ihre Fröhlichkeit, ihren Aktivi­ tätshunger, ihre Lebhaftigkeit und ihre Durchsetzungsfähigkeit auf. Diese Gesetzmäßigkeit ­ermöglicht, mehrere Merkmale zusammenzufassen, die letztgenannten zum Beispiel zum Persönlichkeitsmerk­ mal Extraversion. Statt Menschen also anhand dieser sechs Merkmale zu beschreiben, fasst man diese zu einem Merkmal zusammen. Die Fehler, die dabei entstehen, dass natürlich nicht alle geselligen Menschen gleichermaßen fröhlich, lebhaft und durchsetzungsfähig sind, werden um der Sparsamkeit willen in Kauf genommen.

Die Big Five Übrig bleiben von den anfangs mehreren tausend Persönlichkeitsmerkmalen nach vielen Runden des Zusammenfassens schließlich fünf breite Eigen­ schaften: die Big Five. Dazu zählen neben der Extraversion auch die emotionale Stabilität (wie ängstlich und sorgenvoll jemand ist), die Offenheit für neue Erfahrungen (ebenso wie für Kunst und Kultur), die Verträglichkeit (wie nachgiebig oder streitlustig jemand ist) und die Gewissenhaftigkeit (wie fleißig und zielstrebig sich jemand verhält). Fünf Merkmale, in denen sich Menschen unterscheiden können. Oder wie ich in meinem Buch »Charakterfrage« in Anlehnung an ein Zitat meines geschätzten Kollegen Jonas Obleser schrieb: eine Persönlichkeit als Punkt im fünfdimensionalen Raum. Die Persönlichkeit auf einen solchen Punkt zu reduzieren ist praktikabel, geht aber natürlich an der deutlich komplexeren Wirklichkeit vorbei. Auch deshalb, weil Persönlichkeit auch im Auge der Betrachterin liegt. Wir mögen uns selbst als freundlich und verträglich empfinden, aber es gibt bestimmt auch Gegenüber, die unsere provozierenden und dick­ köpfigen Seiten kennengelernt haben und dementsprechend durchaus eine andere Perspektive auf unsere Persönlichkeit haben können. So geht es uns sowohl im echten Leben als auch vor den ­Bühnen dieser Welt: Zwar mögen wir darin übereinstimmen, wer Heldin und wer Schurke ist (wenn überhaupt das!), doch je mehr uns Autor und Regisseurin ­zutrauen, desto facettenreicher werden die Charaktere sein und desto unterschiedlicher unsere Perspektiven auf die einzelnen Persönlichkeiten.


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Für die Vorhersage von zukünftigem Verhalten ist die Multiperspektivität kein Hindernis: Berücksich­ tigen wir bei der Vorhersage nicht nur die Perspektive einer Person selbst, sondern zusätzlich auch noch die Perspektive von drei bis fünf nahestehenden ­Personen oder – noch besser – die Perspektive von Per­ sonen, die unsere Zielperson nicht leiden können und die daher anderen Verzerrungseffekten unterliegt, dann werden unsere Vorhersagen genauer. Damit wird auch deutlich, dass Menschen nicht »die eine Identität« besitzen, die sie sich selbst zuschreiben oder von anderen zugeschrieben bekommen, sondern dass sich die Perspektiven auf die Identität eines Menschen ergänzen, selbst wenn sie sich zu widersprechen scheinen. Dass unterschiedliche Menschen uns unterschiedlich sehen, liegt auch daran, dass wir im Alltag in unterschiedliche Rollen schlüpfen, nicht nur als Schauspielerin. In der Elternrolle mögen wir uns anders verhalten als in der beruflichen Rolle, in einer Partnerschaft andere Gewohnheiten zeigen als gegen­über Freunden. So füllt jede Person verschiedene s­ oziale Rollen aus, manche mehr und andere weniger, von denen manche besser vereinbar und andere eher im Konflikt zueinander stehen und die sich auch in unterschiedlichen Identitäten widerspiegeln, die uns andere jeweils zuschreiben. Zu jeder Zeit befinden wir uns also in mehreren ­sozialen Rollen, die sich auf unser typisches Denken, Fühlen und Verhalten und damit auf unsere Persönlichkeit (oder unsere persönlichkeitspsychologische Identität) auswirken. Doch auch über die Zeit hinweg kommt es zu Veränderungen. Unsere heutige Persönlichkeit ist nämlich auch das Ergebnis unserer Erfahrungen, die unseren Blick auf das Leben und uns selbst geschärft haben, uns neue Gewohnheiten ausprobieren ließen und uns immer neue Anpassungen abverlangte.

Vielmehr ist unsere Identität im stetigen Wandel begriffen und hat über die gesamte Lebensspanne das Potenzial, sich weiterzuentwickeln.

Solche Erfahrungen können zum Beispiel im Zusammenhang mit einschneidenden persönlichen Lebens­ ereignissen stehen wie dem Eintritt in den Beruf oder dem Übergang in die Rente, dem Beginn oder Ende einer Partnerschaft, der Geburt eines Kindes oder dem Tod einer nahestehenden Person. Vor allem berufliche Lebensereignisse nehmen einen deutlichen Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung und tragen unter anderem dazu bei, dass wir im Laufe des jungen Erwachsenenalters im Durchschnitt deutlich gewissenhafter werden. Der Beginn einer festen Partnerschaft dagegen stärkt eher die emotionale Stabilität und das Selbstwertgefühl, auch über die Dauer einer Beziehung hinaus.

Kollektive Lebensereignisse Auch sogenannte kollektive Lebensereignisse ­können Persönlichkeitsveränderungen anstoßen. Dabei ­handelt es sich um Ereignisse, die zeitgleich mehrere Menschen betreffen, wenn auch nicht unbedingt in gleicher Weise. Ein aktuelles Beispiel dafür ist die Corona-Pandemie, die uns allen vorübergehend ­soziale Distanzierung und weitgehenden Verzicht auf kulturelle Veranstaltungen abverlangt und gleichzeitig mit einer erheblichen Unsicherheit in Bezug auf gesundheitliche Fragen und nicht absehbare Zukünfte einhergeht. Da diese Pandemie in ihrer Tragweite ein singuläres Ereignis ist, gibt es bisher wenig belastbare Daten dazu, wie sich diese kollektive Erfahrung auf die Persönlichkeit auswirken wird. Auf Basis früherer Studien, die sich mit dem Einfluss von Naturkatastrophen beschäftigt haben, lässt sich aber spekulieren, dass sich vor allem die Ängstlichkeit – die fehlende emotionale Stabilität – auch ­ nach Abklingen der Pandemie langfristig in der Gesellschaft halten wird. Für unsere Identitätsentwicklung ist aber nicht ­unbedingt ein Lebensereignis notwendig, auch neue Perspektiven auf uns und unser Leben können Veränderungsprozesse anstoßen. Ein persönliches Beispiel: Es brauchte das 30-jährige Jubiläum des Mauerfalls und das Buch »Lütten Klein« des Soziologen Steffen Mau, um mir die Bedeutung meiner ostdeutschen Identität bewusst zu machen. Auch wenn die DDR weit zurück liegt und ich selbst damals noch nicht einmal im Schulalter war, ich sowohl im Ost- als auch im Westteil Deutschlands sowie im Ausland gelebt habe, hat mir doch die Auseinandersetzung mit der DDR-Vergangenheit bewusst gemacht, wie sehr ich weiterhin auch Ostdeutsche bin. Meine Identität wurde also erweitert, einfach weil eine bestimmte geteilte Lebenserfahrung salient wurde. In der Persönlichkeit schlägt es sich, wie wir gerade in einer


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Studie aufgedeckt haben, übrigens weiterhin nieder, ob eine Person in Ost- oder Westdeutschland lebt. Und auch hier handelt es sich nicht um in Stein gemeißelte Identitäten, vielmehr scheinen wir uns in unserer Persönlichkeit zum Teil an die Region anzupassen, in der wir gerade leben. Es wird deutlich: Unsere persönlichkeitspsycholo­ gische Identität ist nicht nur facettenreich, sondern unterliegt auch einem stetigen Wandel. Das fällt uns meist rückblickend auf, wenn wir uns daran erinnern, wer wir vor zehn oder zwanzig oder mehr Jahren waren und wie wir uns zu unserem aktuellen Ich weiter­ entwickelt haben. Schwerer fällt uns, ebenso viele Veränderungen auch für unsere Zukunft zu ­erwarten, ein Effekt, der »end of history«-Illusion genannt wird. Dabei werden wir zu keinem Zeitpunkt eine fertige oder stabile Persönlichkeit erreichen. Vielmehr ist unsere Identität im stetigen Wandel begriffen und hat über die gesamte Lebensspanne das Potenzial, sich weiterzuentwickeln.

Aus d e m Ho m e o f f i c e

M AG DA L E N A H IN T E R D O B L E R , S OPRAN, B E IM G ES TA LT E N IH R E R H O MEPAG E

J US T US S E EG E R , BA R ITO N , B E I M S TU DI ER E N E IN E R N U M M E R VO N G E RS HW I N

ZU R P E RSON

Jule Specht, 1986 in Ost-Berlin geboren, ist Professorin für Persönlichkeit­spsychologie an der Humboldt-Universität zu Berlin und veröffentlichte zuletzt das Buch »Charakter­ frage: Wer wir sind und wie wir uns verändern« (2018).

V IV IA N WA N G , TÄ N Z E R IN , B E IM TRAI NI NG VO N Z U H AU S E AU S


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Life is confusing at this point Arbeiten von Sunny Pudert & Ixa, Juli Schmidt, Tim Deniz Heide, Anna Sophie Knobloch, Harriet Meyer, Roman Häbler, Hyejeong Yoo, Anna Maria Krężel, Felix Brenner, Sophie Meuresch und Jana Mila Lippitz

Kooperation der Oper Leipzig mit der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig. Der künstlerische Beitrag der Klasse für Fotografie wurde von Heidi Specker kuratiert.














Es könnte zum Beispiel so beginnen: Jemand wird etwas sagen. Jemand wird aufstehen und zum Fenster gehen. Jemand wird sagen: Du heißt L. Du hast dunkelbraunes mittellanges Haar und dein Gesicht ist schön. L sitzt auf einem Stuhl, die Beine übereinander geschlagen, den Kopf leicht zur Seite geneigt. Der Stuhl, auf dem L sitzt, steht am Fenster, er kippelt leicht, er ist hellbraun. L sitzt immer auf diesem Stuhl. Die ander­e n sagen: L liebt diesen Stuhl. L sagt: Ich sitze gerne am Fenster. Es gab Zeiten, da schlug L das linke Bein über das rechte. Jetzt schlägt L das rechte Bein über das linke. L lacht. L lacht und sagt: Ich schlage meine Beine nicht mehr übereinander, das habe ich mir abgewöhnt. Die anderen sagen: L sitzt immer am Fenster und schaut hinaus, L hat dunkles Haar, L schlägt die Beine übereinander, L ist schön. L sitzt vor mir und schaut mich an. L sagt: Ich finde dein Gesicht schön. Oder: Dein Mund sieht aus wie meiner. L sitzt vor mir und schaut mich an und sagt: Dein Gesicht ist schön. Ich schaue L direkt in die Augen, L neigt den Kopf leicht zur Seite, L streicht mir übers Haar. L sagt: Dein Haar ist weich. Ich schaue L direkt in die Augen und dann schaue ich auf Ls Nase, dann auf den Mund, dann auf die Wangenknochen, dann auf die Stirn, dann auf das Kinn, dann auf das Haar. Ich kenne dein ganzes Gesicht, sage ich.


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In andere Rollen schlüpfen, neue Charaktere erkunden, in fremde Welten eintauchen – all dies gehört zum Beruf des Sängers, Tän­zers und Schauspielers grundlegend dazu. Doch wieviel Authentizität braucht eigentlich die Verstellung? Wir haben unsere Künstlerinnen und Künstler befragt, wie es sich anfühlt, auf der Bühne Abend für Abend eine neue Identi­tät anzunehmen.

Ein

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Die ganze Spannbreite von Identität LU K E O L IV E R F R A N CIS, TÄ N Z E R IM L E IPZ IG E R BA L L E T T

Ein schönes, erhebendes Gefühl! AN G E L A ME H LI N G , SÄ N GER I N AN D E R MU SI KALI SC H E N KOMÖDIE

Wie fühlt es sich an, auf der Bühne eine andere ­Identität anzunehmen? Es ist das Größte, was ich mir in diesem Beruf erträumen kann! Wenn bei einer Bühnenfigur eine Wandlung, ein Werdegang dahintersteckt und ich peu à peu merke, wie ich mich in die Rolle hineinversetze, in ihr aufgehe, im Einklang stehe, glaubhaft werde, das ist das Wichtige! Ich freue mich immer auf Herausforderungen, wenn ich einen Charakter darstellen darf, der interessant ist (heiter, traurig, frech, schnoddrig, arrogant, sensibel, sentimental u.s.w.), der sogar gegen mein Naturell geht, dann ist die Darstellung noch spannender, weil man sich doppelt mit der Rolle auseinander­setzen darf. Wenn ich mit der Regie konform gehe, wenn auch Kostüm und Maske das Ganze unter­streichen, dann kann ich die Rolle optimal gestalten und die Zufriedenheit ist anschließend groß und das ist ein schönes, erhebendes Gefühl!

Die Identität auf und abseits der Bühne betrachte ich als zwei getrennte Einheiten, die sich ­gegenseitig formen und verbessern können. Abhängig von der ge­zeigten Produktion ändern sich die Rollen, meine persönliche Identität bleibt dabei stets ­erhalten. Grund­­­sätzlich würde ich mir aber wünschen, dass auf der Bühne mehr echtes Leben dargestellt wird. Meine eigene Geschichte als queere nicht­binäre ­person of colour wird nicht thematisiert, sodass ich ­gewissermaßen gezwungen bin, eine neue ­Identität anzunehmen – das kann einerseits befreiend sein, wenn man sich selbst auf der Bühne e­ ntkommen kann, andererseits vermittelt es aber auch das ­Gefühl, dass mein persönlicher Hintergrund nicht relevant ­genug ist, um dargestellt zu werden. Und wenn queere ­Erzählungen auf der Bühne stattfinden, dann meist im Sinne eines Skandals, was nur wenig mit u ­ nserer ­heutigen Welt zu tun hat. Angesichts ­dessen versuche ich Teile meiner ­persönlichen Identität auf der Bühne einzu­ bringen. Wenn ich wirklich glauben und verstehen kann, was ich auf der Bühne tue, ist meine Performance viel ­authentischer und wird – ­hoffentlich! – vom ­Publikum besser verstanden. Es gibt einige Rollen, meist in klassischeren Balletten wie »Schwanensee«, die so weit von der Realität entfernt sind, dass es sehr aufregend ist, sich in diese wirklich fiktive Figur zu vertiefen. Nach solchen Vorstellungen bin ich ­geistig immer sehr erschöpft, weil es zusätzliche Kraft braucht, ganz aus sich herauszutreten und sich voll in das Erleben des Charakters hineinzuversetzen. Bei nicht-narrativen Werken, meist mit einem moderneren Tanzstil, halte ich es jedoch für wichtig, die eigene Persönlichkeit und Erfahrung auf der Bühne


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Gefühl von

mit einzubringen, das Selbstvertrauen ­genauso wie die Unsicherheiten. So entstehen viel ­ehrlichere, interessantere Aufführungen. Ich ­genieße ­dieses ­Gefühl der Freiheit auf der Bühne, das es einem er­mög­ licht, an jedem Abend eine andere Interpretation zu zeigen. Schließlich hat man bei keiner Aufführung die gleichen Gefühle – manchmal ist man nervöser oder melancholischer oder unglaublich aufgeregt, und das verändert die Art und Weise, wie man sich auf der Bühne bewegt. All diese Faktoren kann man sich zunutze machen und auf der Bühne etwas ­Wahres zeigen. Ich bin glücklich, in einer Ballettcompany zu arbeiten, die die Vielfalt der Identitäten sowohl auf als auch abseits der Bühne zu schätzen weiß. Doch es gibt noch viel mehr zu tun – lasst uns ins Gespräch ­kommen und die ersten Schritte zur Veränderung gehen! So kann das Opernhaus ein sicherer und respekt­voller Arbeitsplatz für alle Identitäten sein und ­f esselnde Produktionen anbieten, die die ganze Spann­breite von Identität zeigen – von fiktionalen bis hin zu relevanten Geschichten aus dem wir­klichen Leben.

Weit weg und doch ganz nah SARAH STOP P, MI TG LI E D D ES J U G E N DT H E AT E RCLU B S

Wenn ich auf der Bühne eine andere Identität annehme, versuche ich immer ein kleines bisschen von mir selbst mit in die Rolle einzubringen, um das Ganze authentisch und plastisch wirken zu ­lassen. Denn ich glaube, dass man Emotionen nur dann wirk­ lich rüberbringen kann, wenn man sie selbst schon einmal erlebt hat. Schließlich spielt man einen Men­ schen mit einer Geschichte, mit Gefühlen, Konflik­ ten, Ängsten und Hoffnungen. Das ist auch der Grund, warum die Stücke des Jugendtheaterclubs immer von Problemen und Gedanken handeln, die uns als Mit­ glieder beschäftigen – so fällt es uns leichter, eine Identität anzunehmen, die zwar weit weg von uns ist, aber doch irgendwie ganz nah.

Ich liebe das Spielen! T U O M AS PURS IO, SÄ N G E R A N D E R O PE R L E IPZ IG

Zunächst muss ich sagen, dass ich das Spielen liebe! Insofern genieße ich jeden Tag, jeden Abend und jede Gelegenheit, bei der ich etwas anderes interpretieren darf als meinen Alltag. Dabei spielt es für mich keine Rolle, ob es sich um eine kleine oder große Partie handelt, es ist mir immer ein Genuss. Durch mein Stimmfach als Bassbariton stelle ich oftmals die Bösewichte dar, was mich aber überhaupt nicht stört. Im Gegenteil: Ich finde solche »bösen« Partien viel interessanter als einen Priester, Vater oder ­König. Natürlich würde ich gern auch mal in heiteren Opern wie »Gianni Schicchi« oder »Viva la Mamma« mitwirken, schließlich habe ich auch ein komisches Talent. Vielleicht sieht man es nicht gleich auf den ersten Blick, aber wir Finnen sind ein ­humorvolles Volk! Doch egal, welchen Charakter ich auf der Bühne darstelle, eines ist mir dabei ganz wichtig: Ich muss diese Figur sein und nicht nur versuchen, sie zu spielen. Ob es sich nun um Scarpia, Wotan oder Nick Shadow handelt – für zwei oder drei Stunden dringe ich in diese Figur ein. Natürlich ist es manchmal schwierig, sich danach wieder aus der Gedankenwelt und Dynamik des Charakters zu lösen. Aber dafür gibt es ja zum Glück die Kantine, wo man das Adrenalin langsam abbauen und wieder zu sich selbst kommen kann. Und auch mein normaler Alltag als Familienvater und Ehemann hilft mir, mich nicht zu sehr in die Rollen hineinzusteigern – zuhause kann ich schließlich nicht zwei Wochen den Wotan geben. Umso wichtiger ist es mir, auf der Bühne Vollgas zu geben, ohne dabei zu überlegen, wie es aussieht oder was andere darüber denken. Das ist mental sehr anspruchsvoll, weil man seine Seele offenlegt und Gefühle zeigt. Aber gerade das finde ich persönlich spannend an meinem Beruf!

Freiheit


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Wie man ­Menschen bewegt Oder: Wie Mario Schröder seit zehn Jahren am Leipziger Ballett den Tanz feiert T E XT: E L ISA B E T H KÜH N E

Wenn das Leipziger Ballett zur Feier von Mario Schröders zehnjährigem Jubiläum als Ballettdirektor und Chefchoreograf der Company ausgerechnet die Wiederaufnahme von »Chaplin« auf den Spielplan setzt, also jenes Balletts, mit dem er 2010 sein Amt in Leipzig antrat, schließt sich ein Kreis, der weit über die letzten zehn Jahre hinausreicht. Charlie Chaplin, die unsterbliche Filmikone, die es verstand, Humor und Unterhaltung mit politischem und sozialem Gewissen zu vereinen, ist Schröders großes Vorbild. Chaplin-Bilder, -Bücher und sogar -Puppen schmücken sein Büro unter dem Dach des Leipziger Opernhauses. Und Charlie Chaplin ist es letztlich zu verdanken, dass Mario Schröder überhaupt zum Tanz gefunden hat: Als er als Kind die Lust am Fuß­ ball verliert, schlägt ihm seine Mutter vor, es doch

ein­mal mit Ballett zu versuchen. Mit diesem Begriff weiß der Neunjährige noch nichts anzufangen. Das sei so ähnlich wie das, was Charlie Chaplin mache, erklärt ihm seine Mutter. Damit ist der Junge, der ­Chaplins Filme abgöttisch liebt, sofort zu überzeugen. Er bewirbt sich an der renommierten Palucca Hochschule für Tanz in Dresden. Doch beim Vortanzen fühlt er sich verloren, so etwas hatte er in seinem Leben noch nicht gemacht. Gret Palucca, Weltstar der Tanzszene, ermutigt ihn, genau dieses Unbehagen körperlich auszudrücken. Am Ende wird Mario Schröder als einer von wenigen an der Schule aufgenommen. Mit zehn Jahren zieht er weg aus dem heimischen Finsterwalde ins Internat nach Dresden, und verfällt dort endgültig dem Tanz. Nach Abschluss seiner Ausbildung legt er eine Bilderbuchkarriere


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380.000 Zuschauer

hin: Er geht als Tänzer ans Leipziger Ballett, wo er bald Erster Solist wird, ab 1991 auch unter Chefchoreograf Uwe Scholz – der Beginn einer lebenslangen Freundschaft und künstlerischen Seelenverwandtschaft. Es sollten diese Jahre sein, die Zeit der Friedlichen Revolution, der Wende und des wiedervereinten Deutschlands, die Mario Schröder Skadi Jennicke als Mensch und Künstler Bürgermeisterin und B ­ eigeordnete vielleicht am nachhaltigsten für Kultur der Stadt Leipzig prägten. Im Herbst 1989 entgeht er bei einer Friedens­ demonstration an der Niko­ laikirche nur knapp der Verhaftung. Als ihn vier Herren in Zivil festsetzen wollen, kann er gerade noch ins Opernhaus fliehen. Fassungslos über die Zustände auf den Straßen Leipzigs, bricht Mario Schröder die laufende Probe zu Tschaikowskis »Dornröschen« ab. Wie kann er weitertanzen, wenn vor dem Opernhaus Leute verhaftet werden? Dieses Erlebnis markiert einen Wendepunkt in Schröders Kunstverständnis: Tanz soll etwas bewegen, in den Köpfen und den Herzen der Menschen, er soll sie zum Nachdenken anregen, soll ihren Blick weiten. Ermutigt von seinem Mentor Uwe Scholz beginnt Schröder neben seinem Engagement am Leipziger Ballett an der Hochschule für Schauspielkunst »Ernst Busch« in Berlin Choreografie zu studieren. Mitte dreißig beendet er schließlich seine Karriere als Tänzer und startet 1999 als Ballettdirektor und Chefchoreograf am Mainfranken­ theater in Würzburg durch, zwei Jahre später wechselt er in gleicher Funktion ans Theater Kiel. Mit derselben Leidenschaft, die er als Tänzer auf der Bühne versprühte, widmet er sich nun der Schöpfung neuer Ballette. Dabei ist er in seiner choreografischen Arbeit immer auf der Suche nach der Motivation der Be­we­ gung, dem Gedanken, dem Gefühl, der Stimmung, die dahinterstehen. Mit höchster Genauigkeit studiert er Musik und Text, spürt hinein in die Atmosphäre des Stücks, ergründet die Impulse, die den Tanz aus­ zulösen vermögen. Er möchte, dass seine Tänzerinnen und Tänzer etwas ausdrücken, etwas erzählen, eine Botschaft vermitteln – eine Botschaft, die sie in sich Mit der Figur des Tramp hat Mario Schröder vor zehn Jahren die Herzen der Leipzigerinnen und Leipziger im Sturm erobert. So mancher kann sich vielleicht noch erinnern, als im Vorfeld der Premiere von »Chaplin« ­eine Horde lebender Abbilder des le­gendären Komikers durch die Leip­ ziger Innenstadt trippelte. Ein Stück Urbanität hat sich das Leipziger Ballett unter seinem Ballettdirektor und Chefchoreografen bis heute bewahrt. Ich danke Mario Schröder für seine Verdienste um die Leipziger Tanzszene und gratuliere ihm zu zehn Jahren erfolgreicher Arbeit mit dem Leipziger Ballett.

»Lobgesang«

tragen. Bis ins letzte Detail erarbeitet er mit ihnen Haltung und Bewegung, probt und korrigiert mit einer Hingabe, die sowohl die Company als auch ihn selbst bis an die Grenzen der physischen und psychischen Belastbarkeit treiben – und teilweise auch darüber hin­ aus. Schröders Arbeitstage beginnen häufig früh morgens und dauern bis spät in die Nacht, er kreiert bis zur Erschöpfung. Als er Mario ist ein Künstler, eine Künstler­ 2010 schließlich den Ruf persönlichkeit mit einer ungeheuren nach Leipzig erhält, liegt Strahlkraft und Überzeugungskraft, er mit einer schweren Sepsis ungemein viel Fantasie und dem Willen, diese auf der Bühne in eine im Krankenhaus. Nach sehr kunstvolle Form zu bringen. seiner Genesung übernimmt Sein Einsatz, der bis zu völliger er das Leipziger Ballett als Er­schöpfung und Schlafmangel geht, ist unheimlich beeindruckend Chefchoreograf und Ballettund scheint wie ein Sturm zu diesen direktor und kehrt damit komplexen Abenden zu führen. an jenen Ort zurück, der ihn Paul Zoller zu dem Künstler geformt Bühnen- und Kostümbildner


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E i n A be n d – d r ei Han d s c h r i ft en

SOTO / SCHOLZ / SCHRÖDER 3-teiliger Ballettabend Choreografien von Cayetano Soto, Uwe Scholz und Mario Schröder

Mario Schröder mit Laura Costa Chaud, Marcos Vinicius da Silva und Lou Thabart bei den Proben zu »Le Sacre du Printemps«

10 137 43 Jahre

Choreografien

In seinen Choreografien geht es nicht darum Antworten zu geben, sondern Fragen zu stellen. Mario stellt sich selbst die Fragen nach dem Sinn, dem Ziel, dem Weg. Und er gibt seine Fragen weiter an uns und wir haben die Möglichkeit sie zu verändern. Durch diesen Prozess, durch den wir Tänzerinnen und Tänzer gehen, füllen wir unsere Bewegungen mit Inhalt: So wird eine Bewegung nicht nur schnell, sondern scharf wie ein Messer. Nicht langsam und melancholisch, sondern zu einer Träne. Das Zittern des Körpers zu einem Schrei, der die Welt umarmt. Wenn du nicht fühlst, was du tanzt, nicht tanzt, was du bist, dir der Mut zur Hässlich­ keit fehlt und du nicht bereit bist, die Grenze als eine Linie hinter dir zu sehen, bleiben es nur leere Bewegungen. Was ich in diesen 21 Jahren gelernt habe, kann man mit einem Wort beschreiben: »Authentizität«. Oliver Preiß Ehemaliger Tänzer im Leipziger Ballett

Uneven Musik von David Lang (World to come für Cello und Audioplayback) L E IT U N G

Choreografie, Bühne, Kostüme Cayetano Soto Musikalische Leitung Matthias Foremny Licht Seah Johnson

Zweite Symphonie Musik von Robert Schumann L E IT U N G

Choreografie, Bühne, Kostüme, Licht Uwe Scholz Musikalische Leitung Matthias Foremny

Klarinettenkonzert Musik von Aaron Copland Choreografische Uraufführung L E IT U N G

Choreografie Mario Schröder Musikalische Leitung Matthias Foremny Bühne, Kostüme Paul Zoller Licht Michael Röger Dramaturgie Thilo Reinhardt

verschiedene Choreo­g rafen

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B ES E TZ UNG

Leipziger Ballett Gewandhausorchester

Aufführungsorte

Uwe Scholz’ »Siebente Sinfonie«


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DR E IKL ANG #05

Menschlichkeit. Immer wieder taucht dieser Begriff in den Gesprächen auf. In höchstem Respekt vor seinen Tänzerinnen und Tänzern denkt Mario immer an das Zwischenmensch­ liche, das Miteinander, den Austausch und was unter diesen Gegeben­ heiten liegt, erforscht mit seiner Arbeit das, was die Menschen ausmacht und wie sie zueinander finden, wie eine Gemeinschaft entsteht. Verschiedene Kulturen und deren Ausdruck in Tanz und in Bewegung scheinen sein Interesse zu wecken, befeuert von den Eindrücken, die er auf seinen vielen Reisen zu verschiedensten Zielen auf der ganzen Welt sammelt.

Ballettdirektor und Chefchoreograf Mario Schröder

hat, der er heute ist. Immer wieder ist die Stadt Leipzig mit ihrer facettenreichen Kunst- und Kulturgeschichte genauso wie mit ihrer politi­ schen Vergangenheit als Aus­ gangspunkt der Friedlichen Paul Zoller Revolution Bezugsachse seiBühnen- und Kostümbildner ner choreografischen Arbeit. In Balletten wie »JohannesPassion« oder »Lobgesang« schöpft er mit den Werken Johann Sebastian Bachs und Felix Mendelssohn Bartholdys aus der reichen Musikgeschichte Leipzigs – und setzt sie dabei ganz bewusst in einen neuen Kontext zur Gegenwart, zu anderen Kulturen, zur Welt. Wenn wie in »Magni­ ficat« die Musik Bachs auf die indischen Klänge von Tablas und Sitar der Band »Indigo Masala« trifft, ist das nur ein Beispiel für die Grenzen überwindende Kraft der Choreografien Mario Schröders. 40 Tänzerinnen und Tänzer aus über 20 verschiedenen Nati­ onen gehören dem Leipziger Ballett inzwischen an – eine Company so international und weltoffen wie ihr Leiter. Und auch stilistisch gibt es für Mario Schröder und das Leipziger Ballett keine Schranken: Mit der Einladung von Gastchoreografen aus aller Welt lernen die Tänzerinnen und Tänzer immer wieder andere Bewegungssprachen und In seinen Jahren am Leipziger Ausdrucksmöglichkeiten Ballett ist es Mario gelungen, das Ballett als Institution und auch kennen. Diese Impulse wiedie Company stilistisch in verschie­ der­um über die Mauern der dene Richtungen weiter zu ent­ Oper Leipzig in die Stadt hinwickeln – von klassisch bis contem­ porary. Seine Arbeiten sind visionär. einzutragen, ist Schröder Trotzdem konnte er sich eine ein wichtiges Anliegen. Mit Verspieltheit und Kindlichkeit der Reihe »Tanz in den erhalten. Häusern der Stadt« geht die Roman Slomski Erster Ballettmeister Company bewusst an

un­gewöhnliche Orte im Stadtraum, um Menschen für die Sprache des Tanzes zu öffnen. Seit ­Jahren ­kooperiert das Leipziger Ballett mit dem lofft und pflegt damit auch den kulturellen Austausch zur freien Szene. Gleichzeitig hat Mario Schröder nie die ­Anbindung an seine künstlerischen Wurzeln verloren. Insbesondere das Schaffen seines viel zu früh verstorbenen Mentors Uwe Scholz ist bis heute ­prägender Bestandteil des Repertoires. Werke wie Scholz’ »Siebente ­Symphonie« oder »Pax Questuosa« werden für M ­ ario ­Schröder zum Ausgangspunkt für eigene S­ chöpfungen. Nicht zuletzt spiegelt sich darin auch Schröders Aus­ einandersetzung mit der selbst erlebten Leipziger Mario ist ein Sprechdenker, dem die Gedanken beim Sprechen kommen, Wende- und Nachwendezeit in der Unterhaltung, dem lebendigen wider. Ein Auftritt, der ihm Austausch mit anderen. Dabei entdaher besonders am Herzen steht ein Raum, in dem die Begriffe und Gedanken wie Bälle umher­ liegt, ist der beim Lichtfest, fliegen, Pässe geschlagen werden, die mit dem sich das Leipziger dem Gegenüber eine treffende ErBallett am Gedenken an kenntnis ermöglichen. Für den Choreografen Mario ist auch das Denken die Friedliche Revolution geistige Bewegung in einem Raum ­beteiligt. Tanz erstarrt ­dabei voller Möglichkeiten, die Gedanken aber nie zum statischen und Wörter sind Objekte, die man drehen und wenden kann. Ich erin­ ­Kanon. Vielmehr feiert ­ nere mich an schöne Gespräche im Mario Schröder den Tanz Sommer an Rückzugsorten, wo wir seit nunmehr zehn Jahren mit seinem langjährigen Bühnenbildner Paul Zoller stundenlang, am L ­ eipziger Ballett als tagelang über den Inhalt des neuen Form des Austauschs und Projekts gesprochen haben, ohne der Transformation, als dem Denken dabei irgendwelche Grenzen zu setzen. Alles ist relevant eine Kunst, die sich an der für das aktuelle Thema, der Ort an Gegenwart reibt, eine Kunst, dem wir sind, die Zeitung, der Traum die im wahrsten Sinne des der vergangenen Nacht, der bevor­ stehende Ausflug. Die Grenzen zwiWortes die Menschen bewegt. schen Leben und Arbeit verschwinden. Für Mario ist das normal. Sein Leben ist seine Arbeit. Thilo Reinhardt Regisseur und Dramaturg


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Wi e d e r auf n ahme

Chaplin Ballett von Mario Schröder Musik von Charlie Chaplin, Benjamin Britten, Samuel Barber, John Adams, Richard Wagner, Charles Ives, Kurt Schwertsik Marios Leidenschaft für seine Tätigkeit wirkt in mir noch immer nach. Seine schier endlose Energie in der körperlichen Arbeit und seine Beharrlichkeit in künstlerischen Dingen. Seine Forderung an die Tänzerinnen und Tänzer, nicht nur Technik, sondern Kunst zu produzieren – mehr zu fühlen, zu vertrauen, hinzugeben. Uns selbst vollständig zu zeigen, Seele und Herz, Körper und Schmerz.

L E IT U N G

Fang Yi Liu in »Mozart Requiem«

Musikalische Leitung Christoph Gedschold Choreografie Mario Schröder Bühne, Kostüme, Video Paul Zoller Licht Mario Schröder, Steffen Böttcher Dramaturgie Thilo Reinhardt

Isis Calil de Albuquerque Ehemalige Tänzerin im Leipziger Ballett

B ES E TZ UNG

Leipziger Ballett Gewandhausorchester

»Magnificat«

Amelia Waller in »Chaplin«


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DR E IKL ANG #05

Z U GABE

Zu Hause mit

Marcelo Ferreira Nun kann es losgehen. Aufgrund der ak­tuellen Situation trainieren wir von zu Hause aus. Ich bin dabei nicht immer auf mich ­allein gestellt, sondern verbinde mich per App mit den anderen Tänzerinnen und Tänzern und den Ballettmeistern zum gemeinsamen Training.

Frühstück Z UH AUSE

Für mich die beste Art in den Tag zu starten: Toast, Eier, Speck, Blaubeeren und Orangen­ saft! So habe ich genug Energie für das bevor­ stehende Training.

Es ist schön, die anderen zumindest auf dem Bildschirm zu sehen, aber das Training im Ballettsaal ersetzt das natürlich nicht.

Einkauf S T R AS S E / W EG Z UM S U PE R M A R K T

Zwischendurch brauche ich eine Stärkung. Deshalb mache ich mich auf den Weg zum Supermarkt, um etwas einzukaufen, natür­ lich mit Mundschutz. Es ist schön, zwischen­ durch die Sonne und die Bewegung an der frischen Luft zu genießen und mal etwas anderes zu sehen als die eigenen vier Wände.

Snack KÜ CH E

Für uns Tänzer ist es wichtig, auf gesunde Ernährung zu achten. Deshalb esse ich gerne selbstgemachte Guacamole aus Avocado, Zwiebeln, Knoblauch und Tomaten.

Training I N TERN E T


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Lieferung FAH RST U H L

Heute habe ich ein Stück Tanzboden aus dem Opernhaus bekommen, der extra von der Technik für alle Tänzerinnen und Tänzer zugeschnitten wurde. Diesen verlege ich nun in meinem Wohn­ zimmer und befestige ihn mit Tape, damit er nicht verrutscht. So funktioniert das Training von zu Hause aus besser und ist sicherer.

Da heute das Wetter mitspielt, genieße ich die Frühlingssonne. Beim Spaziergehen höre ich gerne Musik, hier zum Beispiel Lady Gaga.

Vorstellungskraft AU G US T US PL ATZ

Ich freue mich sehr darauf, dass demnächst erste kleine Formate im Westbad möglich sind und hoffe, dass ich bald wieder gemein­ sam mit meinen Kolleginnen und Kollegen auf der Bühne stehen und tanzen kann.

Entspannung WO H N Z IM M E R

Der Tanzboden ist nun verlegt und es kann mit dem Training weitergehen. Zwischen­durch brauchen Körper und Geist Ruhephasen. Deshalb entspanne ich mich gerne beim Yoga.

Wieder da! BA L L E T T SA A L

Endlich dürfen wir wieder im Ballettsaal trainieren. Dabei gibt es allerdings strenge Auflagen. Wir trainieren in kleinen Gruppen, wobei jeder seinen eigenen Bereich hat. Nach dem Training müssen wir diesen und auch die Ballettstange desinfizieren und gut durchlüften. Trotz der Einschränkungen fühlt es sich aber schön an, wieder gemeinsam mit anderen zu trainieren. Z UR PE RS O N

Spaziergang PARK

Spaziergänge tun gut und helfen, den Kopf frei zu bekommen.

Vorfreude IN N E N S TA DT

Heute gehe ich seit Langem mal wieder ins Opernhaus, worauf ich mich sehr freue. Auf dem Weg dorthin pflücke ich eine kleine Blume im Park vor dem Hauptbahnhof.

Marcelo Ferreira wurde in Guarulhos in São Paulo in Brasilien geboren. Im Alter von zwölf Jahren fing er an zu tanzen. Seine Ausbildung begann er an der Escola de Ballet Adriana Assaf in seiner Heimatstadt. Nachdem er im Jahr 2015 am Prix de Lausanne teilgenommen hatte, wurde ihm ange­ bo­ten, seine Ausbildung an der Ballettschule des Hamburg Ballett John ­Neumeier zu beenden. Anschließend wurde er Mitglied des angeschlossenen Bundesjugendballetts. Seit Beginn der Saison 2019/20 ist er Tänzer im Leipziger Ballett.


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Nie sollst du mich befragen Zum Begriff der Identität bei Richard Wagner und G ­ iuseppe Verdi TEXT: CH R I S TI A N GELTI N G E R

»Das ist die Kunst, die wir brauchen!«, so die Titelfigur Diederich Heßling in Heinrich Manns bitterböser Abrechnung mit der wilhelminischen Gesellschaft im deutschen Kaiserreich, »Das ist die deutsche Kunst!« Und weiter heißt es: »Tausend Aufführungen einer solchen Oper, und es gab niemand mehr, der nicht national war!« Heinrich Manns Prototyp des nach der Reichsgründung vor nationalem Größenwahn wiedererstarkten deutschen Kleinbürgers, der sein minderbemitteltes Ego mit dem Glanz von Preußens Gloria aufzupolieren versucht, kommt gerade aus einer Auf­ führung von Richard Wagners »Lohengrin«. Mittlerweile sind etwa fünfzig Jahre seit der Weimarer Uraufführung von Wagners »Romantischer Oper« vergangen. Auf frappierende Art und Weise legt Heinrich Mann die Lesart offen, die dem Werk im Laufe seiner ersten Jahrzehnte zuteil wurde.

Mit der Geschichte vom Schwanenritter, dessen Identität zunächst verschleiert bleibt, brachte Wagner eine Projektionsfigur auf die Bühne, die ebenso als roman­ tisierende Sehnsuchtsfantasie welt­ abgewandter Märchenkönige diente wie als erlösender Heilsbringer national gesinnter Reichsbürger. Gleichzeitig lässt sich an Richard Wagners Romantischer Oper »Lohengrin« – insbesondere vor dem Hintergrund der wechselhaften deutschen Geschichte von der Kleinstaaterei des 19. Jahrhunderts bis zur jüngsten deutschdeutschen Vergangenheit – ablesen, wie brüchig derartige Konstrukte von kollek­ tiver oder nationaler Identität sein können. Gerade im Land der Dichter und Denker hat die Instrumentalisierung der Kunst zum Zwecke der Kompensation nationaler Minderwertigkeitskomplexe fatale Auswüchse gezeitigt. Richard Wagner ist eines der besten Beispiele für die ideologische Vereinnahmung von


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Kunst, was zumindest den heutigen ­Betrachter vor die Frage stellt: Gibt es eine nationale Kunst ohne einen klaren Begriff von Nation? Was unterscheidet die Suche nach einer eigenständigen »deutschen Kunst«, wie sie etwa in Richard Wagners »Meistersinger von Nürnberg« thematisiert wird, von der zweifelhaften Forderung nach einem erhöhten Anteil deutscher Schauspiele oder Opern an unseren Bühnen, wie sie in unseren Tagen wieder verstärkt laut wird? Lässt sich Kunst national vereinnahmen oder wird nicht etwa am Beispiel der Geschichte der Musik des 18. und 19. Jahrhunderts offensichtlich, dass ihrer Entwicklung ein historisch wie geografisch dynamischer Prozess zugrunde liegt, der keine territo­ rialen Grenzen kennt? Vereinfacht gefragt: War Beethoven ein deutscher oder ein österreichischer Komponist? Was ist an der Musik Smetanas, von der behauptet wurde, in ihr würde die böh­mische Volksseele lebendig, typisch böhmisch? ­Warum gilt der »Freischütz« als die deutsche roman­ tische Oper schlecht­hin? Und warum scheint dabei einigen die nationale Zuschreibung so wichtig? Ist ein so gearteter Identitätsbegriff insbesondere vor dem Hintergrund einer globalisierten Welt nicht eher ein sentimentales Relikt des 19. Jahrhunderts? Es ist die Dialektik jeglicher Form von ideologischer Vereinnahmung von Kunst, dass sie sich aus der analytischen Distanz betrachtet selbst entkräftet. Richard ­Wagners Romantische Oper diente einerseits als Folie identitärer Allmachtsgefühle, andererseits legt sie die Mechanismen eines fehlgeleiteten Verständnisses von

Gibt es eine nationale Kunst ohne einen klaren Begriff von Nation?


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DR E IKL ANG #05

Identität bedarf eines eigenständigen, selbstbestimmten Individuums.

kollektiver Identität frei. Auf frappierende Art und Weise lassen sich dabei überzeitliche Muster der Entstehung von Nationa­ lismen im Allgemeinen ablesen, die bei einigen europäischen Nachbarländern einen anachronistischen Rückfall ins 19. Jahrhundert vermuten lassen. Wir erleben zu Beginn der Oper eine ziemlich chaotische Situation. Insbesondere die Vakanz des Thrones von Brabant sorgt für Instabilität und Unsicherheit. Angesichts der expansiven Bedrohungen von außen ist das Selbstbewusstsein vor allem der kleinen Fürsten- und Herzog­ tümer geschwächt. Die Reaktion der

Mannen von Brabant: Sehnsucht nach Zugehörigkeit und Abgrenzung nach außen. Hier ist es die Bedrohung aus dem Osten. Explizit werden die Ungarn angesprochen. Einheit verspricht man sich durch ein gemeinsames Feindbild: »Nun ist es Zeit, des Reiches Ehr’ zu wahren; ob Ost, ob West, das gelte allen gleich! Was deutsches Land heißt, stelle Kampfes­ scharen, dann schmäht wohl niemand mehr das Deutsche Reich!« Die unsicheren politischen Verhältnisse im Reich erinnern augenscheinlich an die Klein­ staaterei des 19. Jahrhunderts. Das Minder­ wertigkeitsgefühl gegenüber »großen Nationen« wie Frankreich oder Russland

ist unüberhörbar. Kompensiert wird dieses Gefühl durch die lautstarke Akklamation einer vermeintlich göttlich legi­ timierten Allianz: »In God we trust!« würde man heutzutage in den USA sagen. Das Ganze manifestiert sich im Gottes­ gericht, das weltliche Gerichtsbarkeit, kultisches Ritual und moralische Ehr­ begriffe miteinander vermengt. Dass da­ bei in erster Linie die Männer das Sagen haben, bedarf wohl keiner zusätzlichen Erklärung. Elsa wird als Frau das Recht auf Selbstverteidigung verwehrt. Das Auftreten des Schwanenritters entlarvt die Äußerlichkeit des Gottesgerichts als hohles Ritual durch das tatsächliche


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Hereinbrechen einer scheinbar übersinnlichen Macht. Vor den Augen aller offenbart sich ein unerklärliches Mysterium, ein »Wunder«. Plötzlich wird der namenlose Unbekannte als »Gottgesandter« apostrophiert. In der hypnotisierenden Wirkung des Schwanenritters auf die Massen, die zwischen den Extremen orgiastischer Massenhysterie und choralartiger Verehrung hin und her schwanken, wird das manipulative Potenzial offensichtlich, das in gruppendynamischen Prozessen dieser Art steckt. Wir erleben die Sehnsucht nach einer Identifikationsfigur und den blinden Gehorsam, der daraus resultieren kann. Die Historie kennt tragischer Weise bis heute viele vergleichbare Beispiele der Forderung nach einem starken Mann. Doch Lohengrin bedient dieses Schema nur bedingt. Im Gegenteil: Der schillernde Märchenheld verweist das Bedürfnis nach kollektiver beziehungsweise nationaler Identität in den Bereich romantischer Sentimentalität. Ausgerechnet mit dem Schwanenritter stellt Wagner eine zutiefst moderne Figur auf die Bühne. Derjenige, der seine Identität nicht affirmativ vor sich herträgt, derjenige, der sie für sich behält, im Herzen bewegt, als Privatsache ansieht, derjenige, der sich nicht beruft auf Sprache, Nation, Herkunft, derjenige, der sich nicht über eine »Krone« definiert, etabliert eine neue Wirklichkeit. Dass dieses Konzept von Identität der Realität in ­Richard ­Wagners Oper nicht standhält, dass Lohen­grin vielmehr dazu verdammt ist, wieder in das Reich romantischer Verklärung zurückzu­ kehren, liegt am Misstrauen gegenüber dem Anderen, Fremden, Namenlosen ebenso wie am mangelnden Vertrauen des Einzelnen in sich selbst. Die Erfah­ rung von Diversität – um in diesem Kontext bewusst einen Begriff aus der aktuellen gesellschaftlichen Debatte zu verwenden – ist also dem Begriff der Identität inhärent, setzt aber voraus, dass man sich seiner selbst bewusst ist. Elsa, die in der klischeehaften Lesart veralteter Rollenmuster gerne als dumme Gans abgestempelt wird, weil sie ihre Neugier (natürlich eine »typisch weib­ liche« Eigenschaft!) nicht im Zaum halten kann, steht hier nur stellvertretend für die Leute von Brabant: »In dir muss ich vergehen, vor dir schind’ ich dahin, soll ich mich selig sehen, nimm alles, was ich bin!« Natürlich ist sie ein Produkt ihrer Umgebung. Die bedingungslose Hingabe, das Ausschalten jeglicher Selbstreflexion, die absolute Verklärung des Helden macht sie verführbar für die

Zweifel, die Ortrud in ihr streut. Eine Begegnung der Liebenden auf Augenhöhe in der Privatheit des Brautgemachs scheitert. Identität bedarf eines eigenständigen, selbstbestimmten Individuums. Ein Identitätsprozess, der sich emanzipiert von der öffentlichen Meinung, bleibt zumindest im 19. Jahrhundert Utopie. Vor dem Hintergrund der pseudosakralen Mystifizierung des Nationenbegriffs, wie er in letzter Konsequenz in die deutsche Katastrophe mündete, stellt sich unweigerlich die Frage nach dem nationalen Selbstverständnis unserer europäischen Nachbarn. Natürlich ist die Ausprägung sogenannter nationaler Schulen auf dem Gebiet der Musik im 19. Jahrhundert ein gesamteuropäisches Phänomen, nichtsdestotrotz scheint die Sublimierung nationaler Minderwertigkeitskomplexe auf den Bereich der Kunst symptomatisch für unsere sogenannte verspätete Nation (Helmuth Plessner): Revolutionen im­plodierten, das musste auch Richard Wagner erleben, und im Gegensatz zu einer gemeinsamen Idee (etwa Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit) konnte sich diese Nation nur auf das »Volkstum« als gemein­same Basis berufen. Selbst die Oper war eine italienische Erfindung. Wie sieht es dann beispielsweise mit Wagners Zeitgenossen Verdi aus, der nahe­ ­zu ein komplettes Jahrhundert italienische Operngeschichte schrieb und damit zu einer vergleichbaren Identifikationsfigur wurde? Ähnlich wie Wagner war Verdi in der ersten Hälfte des 19. Jahr­ hunderts sehr stark politisch engagiert und gehörte der italienischen Freiheits­ bewegung des Risorgimento an. Mit seinem Gefangenenchor schrieb er ­bekanntlich so etwas wie die geheime Nationalhymne der Italiener in einer

S c h o n g e w us s t?

Als der Tenor Leo ­Slezak während einer Aufführung des »­Lohengrin« den Einstieg in den Schwanen­ wagen verpasste, überbrückte er die ­Situation mit dem­­trockenen Kommentar: »Wann geht der nächste Schwan?«

Me i n l i e be r S chw a n!

Lohengrin Richard Wagner Gekürzte Fassung ohne Pause L E IT U N G

Musikalische Leitung Ulf Schirmer Szenische Konzeption Patrick Bialdyga Choreinstudierung Thomas Eitler-de Lint Dramaturgie Christian Geltinger B ES E TZ UNG

König Heinrich Sebastian Pilgrim Lohengrin Michael Weinius Elsa Jennifer Holloway / ­Gabriela Scherer Telramund Simon Neal / ­Tuomas Pursio Ortrud Kathrin Göring Heerrufer Mathias Hausmann / Kai Stiefermann Chor der Oper Leipzig Gewandhausorchester


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DR E IKL ANG #05

Heute sind wir scheinbar gewohnt, zwischen den Identitäten hin und her zu switchen. A l l ’e r ta! A l l ’e r ta!

Il trovatore Zeit, in der Italien unter der Vorherrschaft der Habsburger stand. Zahlreiche seiner Opern lassen sich als unmittelbare Antwort auf die unbefriedigende politische Situation lesen und waren für seine Zeitgenossen identitätsstiftend. Durch diese deutlich konkretere Bezugnahme auf die unmittelbare Gegenwart und die Fokussierung auf diesseitige allgemeinmenschliche Grundkonflikte lassen seine Opern jedoch weniger Spielraum für den Dunst irrationaler Nationalismen und ideologischer Vereinnahmungen. So sind auch in vielen anderen Opern Giuseppe Verdis die Unterdrückten, die Außenseiter, die Fremden die Sympathieträger, ob das nun die am ägyptischen Hof gefangengehaltene Sklavin Aida ist oder der vermeintliche »Zigeuner« Manrico in »Il trovatore«. Als Graf Luna erfährt, dass es sich bei dem »Sohn der Zigeunerin« – so die Überschrift, die die Autoren dem zweiten Akt vorangestellt haben – in Wirklichkeit um seinen leiblichen Bruder handelt, ist es bereits zu spät. Luna hat den Anführer der Rebellen zum Tode verurteilt und muss von diesem Zeitpunkt an mit seiner Schuld weiterleben. Mit seinem »Troubadour« führt uns Verdi vor Augen, auf welch fatale Art und Weise das Durchkreuzen von familiärer und ethnischer Herkunft die Frage nach der Identität ad absurdum führen kann. Mit der Indi­vidualisierung der Gesellschaft im 19. Jahrhundert, der immer stärkeren Trennung von privater Person und politisch-öffentlicher Funktion, steht das Individuum vor komplett neuen Her­ausforderungen. Alte Autoritäten, Ordnungen und Verbindlichkeiten werden in Frage gestellt. Gleichzeitig wächst durch die Erschließung neuer Welten etwa durch die Kolonialisierung die Bedeutung der kulturellen Diversität, was nicht selten dazu geführt hat, dass durch die Projektion eigener Sehnsüchte

und Obsessionen auf das Andere, Fremde, vermeintlich »Wilde« kulturelle Vorurteile befeuert wurden. Dass selbst in unserer heutigen globalisierten Gesellschaft, in der wir scheinbar gewohnt sind, zwischen den Identitäten hin und her zu switchen oder uns selbst jederzeit neue Identitäten zu kreieren, die Denkmuster des 19. Jahrhunderts noch nicht überwunden sind, ist offensichtlich. Durch die kritische Auseinander­ setzung mit den Werken und ihrer Rezep­ tion, die genaue Analyse von Intention und Wirkung, das Freilegen der Verführbarkeit von falschem, das heißt unreflektiertem Pathos führt uns das Musiktheater vor Augen, wo wir anfällig sind für versteckte Nationalismen und unhaltbare kulturelle Zuschreibungen, und trägt damit, wenn wir es wagen, uns unseres eigenen Verstandes zu bedienen, zur Identitätsbildung bei.

Sc h o n g e w us s t?

Salvadore Cammarano konnte das Libretto zu »Il trovatore« nicht mehr fertig stellen. Kurz vor der Vollendung des Texts zu der düsteren Oper starb er plötzlich nach kurzer Krankheit.

Giuseppe Verdi Gekürzte Fassung ohne Pause L E IT UN G

Musikalische Leitung Antonino Fogliani Inszenierung Jakob Peters-Messer Bühne Markus Meyer Kostüme Sven Bindseil Licht Michael Röger Choreinstudierung Thomas Eitler-de Lint Dramaturgie Nele Winter B ES E TZ UN G

Manrico Gaston Rivero Conte di Luna Dario Solari / Evez Abdulla Leonora Roberta Mantegna Azucena Marina Prudenskaya Ferrando Sejong Chang / ­Randall Jakobsh Ines Sandra Maxheimer Ruiz Dan Karlström / Alvaro Zambrano Chor der Oper Leipzig Gewandhausorchester


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Investigativ nachgefragt Der Komponist Richard Wagner im Gespräch I N T E RV IE W: CH R IS T IA N G E LT IN G E R

Was würden Sie als Ihre Heimat, Ihre Wurzeln, Ihre Identität bezeichnen? Mein Leben war von Jugend an bestimmt vom rastlosen Umherirren. Vermutlich ist es das Los des Künstlers, wie die Titel­ figur in meiner Oper »Der fliegende Holländer« niemals Ruhe zu finden. Der Künstler ist dazu verdammt, ein Außenseiter zu sein. Sie können das in vielen meiner Musikdramen beobachten, vielleicht am eindringlichsten in der Figur des Tannhäuser. Das ging mir in Leipzig so, wo meine erste Oper »Die Feen« ab­ gelehnt wurde, das war in Dresden so, wo sich die Zeit für revolutionäre Ideen als noch nicht reif erwies, das war in München so, wo die verbohrten Ministeriale des Königs mein Schaffen diskreditierten, indem sie ausgerechnet mir Größenwahn und Verschwendungssucht unterstellten, worauf ich nochmal Unterschlupf in der Schweiz suchen musste, bis man schließlich den Wert meiner Kunst erkannte und ich mich in Bayreuth niedergelassen habe. Der Spruch, den ich auf der Vorderseite der Fassade meiner Villa eingravieren ließ, ist bezeichnend: »Hier, wo mein Wähnen Frieden fand – Wahnfried – sei dieses Haus von mir genannt.« Sie wissen jedoch vermutlich besser als ich, dass es mir nicht vergönnt gewesen ist, dort auch meinen Geist auszuhauchen. Selbst der Tod überraschte mich in Venedig. Kurzum: Der Künstler ist nur in seinem Kunstwerk wahrhaft zu Hause.

Wie würden Sie die Beziehung zu Ihrer Geburtsstadt Leipzig beschreiben? Mein Verhältnis zu Leipzig war nicht immer ungetrübt. Schon meine Geburtsstunde stand unter einem schlechten Stern. Als meine Mutter in den Wehen lag, wüteten am Stadtrand die Kämpfe der Völkerschlacht. Mein Vater starb nur sechs Monate nach meiner Geburt. Niko­lai- und Thomasschule sind mir nicht gerade in bester Erinnerung. Dass die Leipziger Operndirektion allerdings meine erste Oper »Die Feen« abgelehnt hatte, um stattdessen eine drittklassige italienische Oper auf den Spielplan zu setzen, das konnte ich den Leipzigern lange nicht verzeihen. Erst als ich international reüssierte, wich die Verblendung. Umso mehr war ich dann überrascht, als die Leipziger Operndirektion meinen »Ring des Nibelungen« auf den Spielplan setzte. Es war damals das erste Haus nach Bayreuth, das sich an dieses Großprojekt heranwagte. Die Tat ist wohl dem Mut des Theaterimpresarios Angelo Neumann zu verdanken, der kurz zuvor von Wien nach Leipzig berufen wurde. Vielleicht haben die Leipziger den süffisanten Tonfall meines Glückwunschtelegramms zur Premiere des »Ring des Nibelungen« verstanden: »Heil Leipzig, meiner Vaterstadt, die eine so kühne Theaterdirektion hat.«

Apropos Vaterstadt. Wie bewerten Sie die Gerüchte, es handle sich bei Ihrem Vater nicht um den Polizeiaktuarius Carl Friedrich Wilhelm Wagner, sondern um Ludwig Geyer, den zweiten Mann Ihrer Mutter? Ich kann die Frage schon nicht mehr hören. Fakt ist, dass ich meinen leiblichen Vater leider nie gekannt habe. Ludwig Geyer ging schon vor dem Tod meines Vaters bei uns ein und aus. Er war einer der besten Freunde meines Vaters, der sich wohl auch sehr für das Schauspiel interessiert haben soll, allerdings eher für dessen weibliche ­Aspekte. Geyer und meine Mutter ­waren ­dagegen gewissermaßen Seelenverwandte. Es lag also nahe, dass die beiden relativ rasch nach dem Tode meines Vaters heiraten würden. Der Maler, Schriftsteller und Schauspieler wurde für mich zu einer wichtigen Vaterfigur. Er war es auch, der meine Begeisterung für das Theater weckte. Man munkelt, Sie hätten in Ihrer Vita einiges geschönt. Ich nenne nur die drei Frühwerke, die Sie der Öffentlich­ keit vorenthalten wollten, um Ihre musikalische Entwicklung nicht preis­ zugeben. Steckt darin ein gewisser Hang zur Selbstinszenierung und Verschleierung Ihrer wahren Identität? Der Künstler wird immer ein Mysterium bleiben. Für ihn gibt es keinen Unterschied zwischen Kunst und Leben.


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DR E IKL ANG #05

Z U GABE

Ein Blick

in die Werkstätten. Diesmal sind wir zu Besuch in der Notenbibliothek und ­b egleiten Kathrin Hohensee, Tanja Rechenburg und Maria Viezens-Michael bei ihrer Arbeit zwischen Buchpresse, Schreibtisch und Archiv. FOTO S : K IRS T E N N IJ H O F

Kathrin Hohensee

Unser Bestand umfasst über 12.000 Noten – Partituren, Klavierauszüge, Orchesterstimmen, darunter auch echte Raritäten!

Tanja Rechenburg


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In insgesamt vier Archiven wird der Notenbestand der Oper Leipzig aufbewahrt. Damit das Papier keinen Schaden nimmt, wird es fachgerecht in speziellen säurefreien Kartons gelagert.

Beim Einrichten der Orchesterstimmen braucht man viel Sorgfalt und Konzentration! Zu den Aufgaben der Notenbibliothek gehört auch viel Büroarbeit: Angefangen von der Recherche, Bestellung und Einrichtung des Notenmaterials über die Abklärung der Urheberrechte in engem Kontakt mit den Verlagen bis hin zum Aushandeln der Konditionen von Kaufund Mietmaterial.

Maria Viezens-Michael

Für Regisseure und Inspizienten werden in der Notenbibliothek spezielle, sogenannte »durchschossene« Klavierauszüge angefertigt: Neben jeder Notenseite wird ein leeres Blatt Papier eingefügt, auf dem detailliert die Regieanweisungen festgehalten werden – so kann die Inszenierung auch später noch genau rekonstruiert werden.


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DR E IKL ANG #05

Kathrin Hohensee ist gelernte Buch­ binderin und fertigt die Klavierauszüge für die Künstlerinnen und Künstler der Oper Leipzig an. Im sogenannten Lumbeck-Verfahren fächert sie zunächst die Notenblätter auf und bestreicht sie am späteren Buchrücken mit speziellem Kaltleim.

Anschließend geht es in die Buchpresse, in der die Bindung ca. 30 Minuten unter Druck durchtrocknen kann. So wellt sich das Papier nicht, der Leim wird klar und flexibel.

Für den Einband und den Buchrücken werden mit einer Pappschere Karton und beschichtetes Leinen auf Maß geschnitten. Die Schere ist circa 100 Jahre alt – und scharf wie am ersten Tag!


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Der fertige Buchblock bekommt mit den Deckelpappen und dem Geweberücken einen einfachen Broschüren­ einband. Damit man hinterher den Auszug auch problem­ los auf- und zuschlagen kann, lässt Kathrin Hohensee ein paar Millimeter Abstand zwischen dem Rücken und dem Deckel – die Falz, die mit einem Falzbein aus Knochen eingerieben wird. Abschließend müssen nur noch die überstehenden Reste des Leinenstreifens abgeschnitten werden.

Manche Noten hefte ich auch klassisch mit Nadel und Garn – echte Handarbeit!

Selbst vermeintlich hoffnungslose Fälle wie dieser alte Klavierauszug von Wagners »Die Meistersinger von Nürnberg« sind noch zu retten und werden von Kathrin Hohensee liebevoll repariert.


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Vorhang auf! Bald erstrahlt das Haus Drei Linden in neuem Glanz. TEXT: ELI SA BE T H KÜ H N E FOTOS: TOM SC H U LZE


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Der Countdown läuft und die Vorfreude steigt: Nach knapp anderthalb Jahren Bauzeit kehrt die Musikalische Komödie in der Spielzeit 2020/21 aus ihrem Quartier im Westbad zurück ins frisch sanierte Stammhaus in der Dreilindenstraße. Ein Augen­ blick, der vom Solistenensemble und der Leitung, von Chor, Ballett und Orchester gleichermaßen mit Spannung erwartet wird: Die Freude, Alt-Vertrautes wiederzuentdecken, aber vor allem die Neugier auf Neues ist den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Tonnen Schutt wurden deutlich anzumerken. während des Umbaus Tatsächlich hat sich seit Baubeginn im Juli 2019 viel abtransportiert. in ihrer MuKo getan: Der Zuschauerraum, der Venussaal und der Orchestergraben wurden komplett entkernt, aufwendig saniert und technisch modernisiert. »Es gibt einiges zu entdecken, lang Gesperrtes und fast Vergessenes wird wieder zugänglich sein«, verrät Torsten Rose, Betriebsdirektor der Musikalischen Komödie. »Die Treppenhäuser hinter dem Saal sind wieder nutzbar und ein sanierter Venussaal, als Zugang zum Rang, kann wieder für Pausengespräche genutzt werden. Und auch im Zuschauerraum ist fast nichts mehr so, wie es einmal war: Jeder Besucher und jede Besucherin wird nun in bequemen Theatersesseln bei den Vorstellungen mit bester Sicht auf die Bühne und frisch gekühlter Luft verwöhnt.« Für das Publikum wird sich also einiges zum Positiven verändern: Mit einer neuen Bestuhlung, die vom Orchestergraben bis hin zum Rang gleichmäßig ansteigt und sich verbreitert, werden Sitzkomfort und Sichtverhältnisse auf die Bühne deutlich verbessert. Eine neue Klimaanlage sorgt fortan auch im Sommer für angenehm temperierte Theaterabende – und das sogar ökologisch höchst effektiv: Zur Kühlung des Saals Ku r z vo rg e s te llt werden nämlich die 50.000 Liter Löschwasser ein­ SWEEN E Y TOD D gesetzt, die im ehemaligen Heizhaus aus Feuerschutzgründen vorgehalten werden müssen. Zusätzlich zum Nach fünfzehn Jahren kehrt Benjamin Barker in seine Heimat neu gestalteten Venussaal können die Zuschauerinnen London zurück. Er schwört Rache und Zuschauer mit einer neu geschaffenen Außenan dem Richter Turpin, der ihn anlage im Innenhof ihre Pause nun auch im Grünen zu Unrecht in die Verbannung geschickt hatte. Barker ergreift verbringen und in entspannter Atmosphäre die Vorseinen alten Beruf als Barbier und stellung nachklingen lassen.

2,5

nennt sich von nun an Sweeney Todd. Als er um seine Rache betrogen wird, fällt er in einen Blutrausch. Doch wohin mit den Leichen? Die Figur des Sweeney Todd stammt ursprünglich aus Horror-Groschenromanen, die den dämonischen Barbier im England des 19. Jahrhunderts bekannt machten. Sondheim ließ sich von dem Stoff zu seinem durchkomponierten Musical inspirieren, das er als tiefschwarze Operette bezeichnete. Das Stück gewann 1979 neun Tony Awards und wurde spätestens 2008 in Tim Burtons Verfilmung weltberühmt.

Doch auch für die Künstlerinnen und Künstler der Musikalischen Komödie ergeben sich mit dem Umbau völlig neue Perspektiven: »Wir werden uns daran gewöhnen müssen, wieder nach oben in den Rang zu spielen, was den Kopf erhebt und das Doppelkinn weniger zum Vorschein kommen lässt«, erklärt der Chefregisseur der Musikalischen Komödie Cusch Jung mit einem Augenzwinkern. »Ich freue mich natürlich auf die neuen Blickwinkel, die man aus dem Zuschauer­ raum haben wird, auf den versenkbaren Orchestergraben, der uns neue Spielmöglichkeiten >vor dem Vorhang< eröffnet und grundsätzlich auf die Frisch­ zellenkur, die man dem Hause verabreicht.« Mit dem Einbau eines höhenverstellbaren Orchestergrabens erfüllt sich ein lang gehegter Wunsch des Hauses.

B l uti g e R a c he

SWEENEY TODD The Demon Barber of Fleet Street Stephen Sondheim / Hugh Wheeler L E IT U N G

Musikalische Leitung Stefan Klingele / ChristophJohannes Eichhorn Inszenierung, Licht Cusch Jung Bühne, Kostüme Karin Fritz Choreinstudierung Mathias Drechsler Dramaturgie Nele Winter B ES E TZ UNG

Sweeney Todd Jan Ammann Mrs. Lovett Sabine Töpfer Die Bettlerin Anna Preckeler Tobias Anna Evans Johanna Katia Bischoff Anthony Hope Jeffery Krueger Büttel Bamford Justus Seeger Pirelli Andreas Rainer Richter Turpin Michael Raschle Mr. Fogg Roland Otto Ein Vogelhändler Holger Mauersberger Chor und Orchester der Musikalischen Komödie


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Damit kann nun endlich den unterschiedlichen akustischen Anforderungen von Operette und Musical entsprochen und auf verschiedene Orchesterbesetzungen gesondert eingegangen werden. Zur Verbesserung der Akustik im Raum wurde auch in die Modernisierung der Tontechnik investiert und das Tonpult in die Mitte des Zuschauerraums verlegt – für beste Hörverhältnisse auf jedem Platz. Von all dem können sich die Fans der Musikalischen Komö­ die schon bald selbst über­ Armes Waisenkind trifft auf brot­ losen Künstler: Jettchen Gebert zeugen: Im Februar öffnet verliebt sich in den Schriftsteller sich endlich wieder der VorFriedrich Kößling, ist aber schon hang im Haus Drei Linden. dem Kaufmann Julius Jacobi versprochen. Widerwillig fügt sich Als erste Premiere sorgt dann Jettchen in die Hochzeit – und die ­Geschichte von ­»Sweeney verschwindet noch am Tag ihrer Todd«, dem rachsüchtigen Vermählung. Doch war am Ende alles nur ein böser Albtraum? Barbier aus der Fleet Street, Walter Kollos Bilderbuchgeschichte im frisch sanierten Haus im aus dem Berliner Biedermeier wahrsten Sinne des Wortes »Jettchen Gebert« nach dem gleichnamigen Roman von Georg Hermann für eine Mords-Stimmung, verbindet Witz und Lokalkolorit wie sich Cusch Jung freut: mit nachdenklichen und stillen ­»>Sweeney Todd< war schon ­Momenten. Liebevoll-detailliert gestaltete Figuren und die eingän­ immer auf meiner Wunschgigen Melodien des Komponisten liste, und es reiht sich ein in von »Wie einst im Mai« lohnen die die erfolg­reichen Musicals wie Wiederentdeckung dieses Werkes! >Jekyll & Hyde<, >Dracula< und >Der Graf von Monte Christo<, die ja auch ziem­lich blutrünstig sind. Außerdem war es ­an der Zeit, endlich einmal einen Musical­komponisten zu ehren, der so viel Musical­geschichte geschrieben hat: ­Stephen Sondheim. Ich bin glücklich, für die Titelrolle Jan Ammann gewonnen zu haben, da er als Doktor Schiwago bei uns große Erfolge gefeiert hat und ein echter Publikumsmagnet ist.«

1300 m2 Stoff werden für die neuen Theatersitze vernäht.

Ku r z vo r g e st e l l t

JET TCH EN GEBERT

»Neue Farbe und Sitze werden aber nicht unseren Auftrag verändern«, verspricht Cusch Jung. »Neben dem Musical pflegen wir natürlich weiterhin die traditionelle Operette mit einem frischen Blick auf die Vergangenheit.« Und auch Operettenausgrabungen werden nach wie vor das Profil des Hauses schärfen, wie Stefan Klingele, Chefdirigent der Musikalischen Komödie, versichert: »Natürlich ist manches zu Recht vergessen, aber es gibt doch viel mehr Meisterwerke, die auch heute noch unbedingt aufführenswert sind und die berühmten >Eisbergspitzen< dann in einen anderen Kontext stellen.« Für musikalische Entdeckungen der beson­ deren Art sorgt auch der Operettenwork­ shop, der seit vielen Jahren in Kooperation mit dem Dirigentenforum des Deutschen Musikrats stattfindet. »In einem Workshop muss sowieso im wahrsten Sinne >pro­ biert< werden«, so Klingele. »Am besten geht das mit einem ungehörten Werk, an das sich die Dirigentinnen und Dirigenten, das Sängerensemble und das Orches­ter gemeinsam heranarbeiten. Die Bedingungen sind in der Kurswoche nahezu ideal,


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Zuschauern bietet die sanierte Musikalische Komödie Platz. die jungen Musikerinnen und Musiker arbeiten nämlich auf Augenhöhe mit dem Orchester und der Prozess ist ungemein spannend.« Im diesjährigen Abschlusskonzert präsentieren die jungen Dirigiertalente »Jettchen Gebert«, ein Werk aus der Feder des Großmeisters der Berliner Operette Walter Kollo. »Walter Kollo war Erfinder von unzähligen Melodien, die seinerzeit allen bekannt waren und überall gespielt wurden«, erklärt Stefan Klingele. »Aber die inhaltlichen Nuancen dieser Operette musi­ kalisch abzustufen und nicht nur einfache Melodien zu dirigieren, ist sicherlich die Hauptaufgabe des Kurses. Weil auch dieses Werk quasi gar nicht mehr existiert – das Notenmaterial wird gerade für uns neu erstellt –, bin ich wie die letzten Male selbst neugierig, wo die Reise enden wird.«

3,13 m

Auf eines können sich aber die Gäste der Musika­ lischen Komödie bei all den Neuerungen und Umbauten mit Gewissheit verlassen: Wo MuKo drauf kann der neue höhenverstell- steht, ist auch MuKo drin. Schließlich lebt gerade bare Orchestergraben herdas Lindenauer Theater mit Herz vom Charme und untergefahren werden. Können seiner vielseitigen Künstlerinnen und Künstler, die Ihnen auch weiterhin die ganze Band­ breite von Operette bis Musical präsentieren. Torsten Rose ist sich jedenfalls sicher: »Der lang ersehnte Umbau passt sich endlich unseren künstlerischen Qualitäten an und wird den unbeschwerten Theaterbesuch abrunden.« Und Cusch Jung ergänzt: »Wir alle werden die Musikalische Komödie nach dem Umbau noch mehr lieben als zuvor. Darsteller und Zuschauer gleichermaßen!«

A bs c h l us s k onzer t O p e r e tte n w o rks ho p

JETTCHEN GEBERT Walter Kollo In Kooperation mit dem ­Dirigentenforum des ­Deutschen Musikrats L E IT U N G

Musikalische Leitung Stefan Klingele Choreinstudierung Mathias Drechsler B ES E TZ UNG

Jettchen Mirjam Neururer Friedrich Kößling Adam Sanchez Riekchen Angela Mehling Lizzi Waldmister Nora Lentner Hannchen Gebert Anne-Kathrin Fischer Salomon Gebert Andreas Rainer Johann Schickseneder Justus Seeger Julius Jacobi Jeffery Krueger Elias Gebert Milko Milev Chor und Orchester der Musikalischen Komödie


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ZU GABE

OHNE WORTE

antworten die Künstlerinnen und Künstler der Oper Leipzig auf unsere Fragen. Dieses Mal: Andreas Rainer, Sänger an der Musikalischen Komödie FOTO S : IDA Z E N N A

Was ist ein Sänger ohne Bühne?


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Wenn du nicht Sänger geworden wärst, dann …?

Welches ist dein persönliches Lieblingsstück?

Dein Gefühl beim Gedanken an den Rückzug in die »neue« MuKo?


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Neue Klänge braucht das Land! Zum zweiten Mal findet der Kompositions­ wettbewerb der Oper Leipzig statt. Diesmal geht es um das Thema »Wahrheiten«. T E XT: N E LE WI N T E R

Ein Musikstück ist formgewordene Zeit, so wie ein Bild oder eine Skulptur formgewordener Raum sind. Während Leinwand oder Ton Materialien der bildenden Künstlerinnen und Künstler sind, ist das Material der Komponistinnen und Komponisten die Zeit. So konfrontiert uns die Musik auch immer zwangsläufig mit der Vergänglichkeit. Dieses Verwobensein von Zeit und Musik gibt Komponistinnen und Komponisten die Macht, mit ihrer Musik die Zeit zu formen, die Wahrnehmung der Hörerinnen und Hörer auf bestimmte Aspekte zu richten und so ihre erlebte Zeit zu gestalten. Gerade weil die Musik eine Zeitkunst ist und von der ständigen Auseinandersetzung mit aktuellen Geschehnissen lebt, ist es der Oper Leipzig ein besonderes Anliegen, die zeitgenössische Musik zu fördern. Deshalb wurde im Jahr 2019 der erste Kompositionswettbewerb der Oper Leipzig ausgeschrieben. Dabei waren junge Künstlerinnen und Künstler aufgerufen, sich mit der Frage »Wie klingt Heimat?«

auseinanderzusetzen. Im Preisträger­ konzert überzeugte Steven Heelein mit seiner Komposition »auf gewundnen ­Stegen (… dort … 2)« vor allem aufgrund des musikalisch-strukturellen Werts ­seiner Arbeit. Nach dem Erfolg des ersten Wettbewerbs lädt die Oper Leipzig nun zum zweiten Mal junge Komponistinnen und Komponisten ein, sich mit einer künstlerischen Fragestellung auseinanderzusetzen. Im Mittelpunkt des Wettbewerbs steht erneut das ureigenste Instrument des Menschen, die Stimme. Das Thema lautet diesmal »Wahrheiten«. Die aktuelle ­Situation, in der Begriffe wie »Fake News«, »Alternative Facts« und »Lügenpresse« in vieler Munde sind, wirft dazu zahlreiche Fragen auf. Gibt es so etwas wie die eine Wahrheit überhaupt? Können sich zwei Wahrheiten widersprechen? Und ist die Wahrheit immer eine Tochter ihrer Zeit?

Ich bin sehr dankbar und froh, dass ich bei der ersten Ausgabe des Kompositions­ wettbewerbs der Oper Leipzig »Wie klingt Heimat?« als F ­ inalist und Preisträger dabei sein konnte. Allen Betei­ ligten war anzumerken, ob in der Orga­nisation oder als Musiker auf der Bühne, dass hierbei die zeit­genössische Musik im Zentrum steht. Es ist jedem, der heute komponiert, nur zu wünschen, bei der kommenden Ausgabe des Wettbewerbs dabei zu sein! Prof. Steven Heelein, Gewinner des ersten Kompositionswettbewerbs der Oper Leipzig

Die Uraufführung der Oper »Paradiese« von Gerd Kühr und Hans-­Ulrich Treichel ist ein willkommener Anlass, um nach den positiven Erfahrungen in der Saison 2018/19 erneut einen Kompositionswettbewerb für junge Komponistinnen und Komponisten auszuloben. Auf diesen Erfahrungen aufbauend wollen wir dem kompositorischen Nachwuchs auch weiterhin eine Plattform bieten, auf der sie sich einer breiteren Öffentlichkeit präsentieren und durch den Austausch mit einer fachkompetenten Jury neue Netzwerke knüpfen können. Nicht zuletzt das hohe Niveau der ­Einsendungen des vergangenen Wettbewerbs und die breite Resonanz darauf haben uns dazu veranlasst, den Wettbewerb in 2021 anlässlich unserer Opernuraufführung zu wiederholen. Prof. Ulf Schirmer, Intendant und GMD der Oper Leipzig

J URY

Prof. Ulf Schirmer, Intendant und GMD der Oper Leipzig Salome Kammer, Hochschule für Musik und Theater München Prof. Gerd Kühr, Universität Graz Joscha Schaback, Schott Music GmbH & Co. KG Olaf Wegener, Deutscher Musikrat AU S S CH R E IB U N G

Die vollständige Ausschreibung des Kompositionswettbewerbs finden Sie auf unserer Homepage www.oper-leipzig.de


ZUGABE

Ti p p s vo m P r o f i

Nicht nur sauber, sondern rein! Kennen Sie das? Sie sitzen gemütlich bei einem Glas Rotwein zusammen – und schon ist es ­p assiert: ein Fleck auf der neuen Lieblingshose. Was nun?

In dieser Situation helfen unsere Tipps vom Profi, schließlich sorgen die Ankleiderinnen und Ankleider der Oper Leipzig tagtäglich dafür, dass die Kostüme unserer Künstlerinnen und Künstler nach den Vorstellungen wieder frisch und sauber werden. Chefankleiderin Jana Eckhardt verrät Ihnen, wie Sie Ihre Wäsche richtig reinigen: »Wir benutzen zum ­Reinigen fast ausschließlich Fein­waschmittel, nur sehr verschmutzte Kleidung und Handtücher waschen wir mit Vollwasch­ mittel. Den Weichspüler ­lassen wir der Umwelt zuliebe meist weg. Sie können Waschmittel aber auch selbst her­ Chefankleiderin Jana Eckhardt stellen: Einfach Waschsoda und Wasser verrühren, etwas Kernseife und eventuell noch ein paar Tropfen Duftöl dazu – fertig. Diese Mischung eignet sich besonders gut bei Theaterblut! Wir waschen meist bei 30 Grad, Hemden bei 40 Grad und Handtücher bei 60 Grad oder bei starker Verschmutzung bei 90 Grad. Um Abfärben zu verhindern, waschen Sie am besten farblich sortiert, für

empfindliche Kleidungsstücke wie S­ trumpfhosen empfehlen wir Wäschesäcke. Die Waschmaschine sollte voll sein, das ist gut für die Wäsche, die ­Maschine, die Umwelt und den Geldbeutel – aber bitte nicht pressen! Bei hartnäckigen Flecken hilft es, sie vor dem Waschen mit einem Schwamm oder Küchenpapier abzutupfen. Blut sollte mit kaltem Wasser und Kernseife vorbehandelt werden und über Nacht in Natron- oder Backpulver-Lauge eingeweicht werden. Gegen Rotwein auf der Kleidung schafft reichlich Salz oder Stärke Abhilfe: den Fleck damit bestreuen, aufsaugen lassen und abbürsten. Einen Fettfleck können Sie vor dem Waschgang mit Gebiss­ reiniger-Tabs einreiben. Nach dem Waschen sollte die Wäsche nicht zu eng aufgehängt werden, Blusen und Hemden werden auf Kleiderbügeln getrocknet, um das spätere Bügeln zu erleichtern. Auf Trockner verzichten wir übrigens meist, da sie viel Energie verbrauchen. Um das Bügeln zu erleichtern ist Dampf von Vorteil. Oder Sie sprühen die Kleidung vorher mit etwas Leitungswasser ein, das gibt ein faltenfreies Ergebnis. Und zum Schluss noch ein Geheimtipp: Müffelnde Wäsche können Sie mit etwas Wodka besprühen – der neutralisiert unangenehme Gerüche!«

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Z U GABE


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Nac h g e f r ag t

Schn a p p schu ss

Fancy goes useful Wo sonst kunstvolle Kostüme für die Leipziger Bühnen in liebevoller Handarbeit entstehen, wurde seit Ausbruch des Coronavirus im März dieses Jahres mit heißer Nadel an sehr viel schlichteren, aber nicht weniger »wertvollen« Modellen gearbeitet. Statt Damast und Brokat lagen in dieser Zeit vor allem kochechte Baumwolle und Gummibänder auf den Zuschnitttischen. Die Kostümwerkstätten der Oper Leipzig haben mit tatkräftiger Unterstützung der Theaterwerkstätten im Auftrag der Stadt Leipzig mehr als 50.000 MundNase-Masken und 5.000 Behelfskittel produziert. In Spitzenzeiten waren täglich rund 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der ungewöhnlichen Massenproduktion beteiligt. Um mehr Arbeitsplätze zu schaffen und den gebotenen Abstand zum Schutz vor einer Infektion einzuhalten, wurden außerhalb der Kostümwerkstätten weitere Nähstrecken im Malsaal der Theaterwerkstätten und in den Räumen der Lehmbaugruppe eingerichtet.

Warum wird in der Oper oder im Konzert so viel gehustet? L IE B ES PU B L IKU M ,

sicherlich kennen Sie die Situation. Sie sitzen in der Oper, vollkommen elektrisiert, fiebern der finalen Schlusskadenz der Sopranistin entgegen, da fängt es plötzlich in der Reihe hinter Ihnen an zu hüsteln, zunächst leise räuspernd, sich zu dumpfer Schnappatmung krampfartig steigernd, bis sich das Ganze schließlich in einem befreienden Husten Bahn bricht. Beruhigt wähnen Sie die unerwartet eingetretene Klangkulisse damit für beendet, da kramt es plötzlich in der Handtasche und es ist das leise Rascheln knisternden Zellofans zu vernehmen. Die Szenerie könnte entweder einem Sketch von ­Loriot entnommen sein oder ein wunderbares Drehbuch für den Werbespot eines Halsbonbons abgeben. Aber mal im Ernst: Warum scheinen wir im Konzert oder in der Oper mehr zu husten? Und warum suchen wir uns dafür ausgerechnet die leisesten Stellen aus? Wissenschaftler der Musikabteilung am Max-Planck-Institut für empirische ­Ästhetik haben dafür eine Antwort: Das Husten ist ein Ausdruck innerer Beteiligung. In ihm entlädt sich die Anspannung, die sich im Laufe eines Theater- oder ­Konzertabends aufgebaut hat. Wir Menschen sind nicht dafür gemacht, zwei Stunden ruhig zu sitzen und nicht auf unsere Umwelt zu reagieren. Daher platzen die Emotionen förmlich aus uns heraus. Natürlich kann man ungewollten Hustenanfällen auch vorbeugen, und mit einer ausgewachsenen Erkältung sollte man nach den Ereignissen der letzten Monate ohnehin zu Hause bleiben. Aber sollten Sie sich demnächst wieder einmal über einen unliebsamen »Huster« in Ihrer Nähe ärgern, denken Sie einfach: »Die Stimmung im Saal ist zum Bersten aufgeladen!« IH R CH R IS T IA N G E LT IN GER

N E UG IE R IG ?

Was wollten Sie schon immer mal von uns wissen? Senden Sie uns Ihre Fragen an dreiklang@oper-leipzig.de


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Augen und Ohren offen halten! Als Doktor Schiwago hat er das Leipziger Publikum verzaubert. Nun kehrt er für diese Rolle an die Musikalische Komödie zurück und verkörpert zudem die Titelpartie in dem Musical »Sweeney Todd«, das im Februar Premiere feiert. Wir haben Jan Ammann für einen Spaziergang im Palmengarten in der Nähe der Musikalischen Komödie getroffen. I N TE RVI E W: N E LE WI N T E R

Sie sind vor einiger Zeit nach Leipzig gezogen. Wie kam es dazu? Ich war immer viel unterwegs und habe einiges in und außerhalb von Deutschland gesehen. Dabei fühlte ich mich wie ein »fahrender Geselle« und fand es spannend zu entdecken, welche Ausstrahlung die unterschiedlichen Städte haben. Als ich hier in Leipzig an der Musikalischen Komödie angefangen habe an »Doktor Schiwago« zu arbeiten, war ich schockverliebt in diese Stadt. Ich mag die offene und direkte Art der Leipziger. Sie sind Menschen mit Herz und tragen dieses auch auf der Zunge. Auch die »Artenvielfalt« der Menschen finde ich schön. Außerdem gibt es viel Kultur und es macht einfach Spaß hier zu wohnen. Nächste Spielzeit singen Sie bei uns wieder den Doktor Schiwago, verkörpern aber auch Sweeney Todd, für Sie ein Rollendebüt… Das ist für mich der Ritterschlag meiner Karriere! Als der Anruf kam, sind tatsächlich ein paar Tränen ­g eflossen. Es ist eine schwere Partie, sozusagen das Bayreuth für Musicaldarsteller, aber nicht weil sie ­besonders laut oder hoch ist. Sondheim fordert dem Künstler Qualität im höchsten Maße ab, aber auch dem Publikum. Bei dieser Rolle ist es über den reinen Schöngesang hinaus besonders wichtig, die Zuschauer in den Bann zu ziehen und einzuladen in diese dunkle Welt, in der sich ja auch gesellschaftliche Probleme offenbaren. Ich bin sehr dankbar, dass diese Rolle an mich herangetragen wurde und dann auch noch in Leipzig an der MuKo! Wie bereiten Sie sich auf so eine neue Rolle vor? Ich mache die Augen auf und schaue mir mein Umfeld an, auch in den sogenannten »sozialen Netzwerken«. Gerade in dieser etwas beängstigenden Corona-Zeit, die uns Künstler an die Grenze der Existenz drängt, ist es interessant zu beobachten, wie die Menschen reagieren. Ich entdecke viel Angst, Frustration und Aggression bei anderen, aber auch bei mir selbst, die

daher rührt, dass keiner weiß, was passiert. Ich bin froh, dass wir ein Staatsoberhaupt haben, das nicht noch zusätzlich diese Angst schürt, wie das in anderen Ländern der Fall ist. Dafür können wir dankbar sein. Diese Zeit gibt mir aber auch die Möglichkeit, über mein Schaffen und mein Sein als Mensch und Künstler nachzudenken. Manchmal hilft es, sich den eigenen Dämonen zu stellen, um einen Zugang zu einer Rolle zu finden. Die Betrachtung und das Verständnis dieser Dämonen öffnen dann die Tore zu Frieden und Vergebung. Wie wenden Sie Ihre Beobachtungen für die Rolle des Sweeney Todd an? Sweeney Todd kehrt viele Jahre nach seiner Verbannung in eine Gesellschaft zurück, die von Armut und Ungerechtigkeit geprägt ist. Er hat seine Liebe verloren und sein Leben wurde komplett zerstört. Nun sieht er, wie der Richter, der an seinem Unglück Schuld ist, machen kann, was er will. Aus seiner Angst, Wut und Ohnmacht heraus, entwickelt sich nun Mordlust. Dass er mordet, kann ich natürlich nicht gutheißen, aber ich kann seine Motivation nachvollziehen. Die größte Herausforderung bei der Rolle ist es, nicht nur den Bösewicht, sondern auch den Sympathen zu etablieren, zu zeigen, dass er ein Mensch ist, der versucht Gerechtigkeit zu finden. Die Identifikation mit der Rolle ist wichtig. Man muss den Menschen mögen, den man verkörpert.

»Sweeney Todd ist für mich der Ritterschlag meiner Karriere! Sozusagen das Bayreuth für Musicaldarsteller.«


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Ist es das, was für Sie den Reiz des Schauspielens ausmacht, sich in einen anderen Menschen hineinzufühlen und eine Zeit lang seine Identität anzunehmen? Für mich sind viele Rollen ein Ventil, um mich ­komplett in ein Gefühl fallen zu lassen. Deshalb ist es mir so wichtig, mich in dem, was ich spiele, ­wiederzufinden. Dann kann ich von einem authentischen Grund schöpfen. Dieses Ventilieren von ­Gefühlen, das bei der Interpretation von Wort und Ton, zum Beispiel im Musical-, aber auch im Liedgesang, möglich ist, brauche ich wie die Luft zum Atmen. Wie sind Sie denn eigentlich zur Musik gekommen? Ich war sehr jung, als ich angefangen habe, FischerDieskau zu hören und mitzusingen. So wie andere bei Britney Spears mit Kopfhörern vor der Stereo­ anlage gesessen haben, habe ich das bei Schubert ­gemacht. Die »Winterreise« konnte ich mit zehn Jahren fast auswendig. Das war für mich der Einstieg in die klassische Musik. Dietrich Fischer-Dieskau habe ich sogar ein Tonband geschickt und habe tatsächlich einen handgeschriebenen Brief zurückbekommen. »Eine wirklich entwicklungsfähige, tolle, samtige Stimme«, hat er geschrieben und mich ermutigt dranzubleiben. Das werde ich nie vergessen. Ich habe dann Gesangsunterricht genommen und eins kam zum anderen. Das Schöne an meinem Weg zum ­professionellen Sänger war, dass ich die Entwicklung nie forcieren musste. Es hat sich natürlich und selbstverständlich angefühlt. Im Nachhinein ist mir ­bewusst, was für ein Glück ich hatte, dass ich so tolle Lehrer hatte, und dass ich zum Musical gekommen bin, auch wenn ich der Klassik und der Oper eine ganz dicke Träne nachweine. Die »Einstiegsdroge« war also die Musik. Wie kam das Schauspielen dazu? Mein Erstengagement war im Festspielhaus in Füssen, wo ein durchkomponiertes Musical mit klassischen Sängern gespielt wurde, also fast wie eine Oper. Ich kam damals direkt aus dem Opernstudium in ­München und habe zunächst eine kleine Rolle gespielt, später dann eine größere. Während dieser Zeit fiel mir auf, dass meine schauspielerischen Fähigkeiten nicht im Verhältnis zu meinen sängerischen stehen. Es fühlte sich an, als würde ich humpeln und ein Bein nachziehen. Der beste Orthopäde dafür war das Schauspiel. Ich bin dann nach Los Angeles gegangen und habe Schauspielunterricht genommen. Jeden Morgen vor den Kursen hatte ich Bauchschmerzen, weil sich etwas in mir weigerte, frei zu sein. Gerade das hat mich aber motiviert weiterzumachen. Der größte Horror war für mich die Improvisation. Ich wollte immer vorbereitet sein, was dabei nicht ­möglich ist. Dadurch habe ich viel gelernt, was sich auch auf meinen Gesang auswirkte. Ich bin immer intimer und authentischer geworden. Ich bin nicht nur Sänger, sondern Interpret.

»Die größte Herausforderung bei der Rolle ist es, nicht nur den Bösewicht, sondern auch den Sympathen zu etablieren, zu zeigen, dass er ein Mensch ist, der versucht Gerechtigkeit zu finden.« Was ist die größte Herausforderung an Ihrem Beruf? Für mich ist die Herausforderung eines Sängers, die unterschiedlichen Komponenten des Lebens in eine authentische Reihenfolge zu bringen. Die Stimme darf nicht nur Werkzeug sein, sondern muss sich mit dir im Einklang befinden. Diese Fähigkeit muss man lernen und das bedeutet nicht immer Schöngesang. Ein Schauspieler ist manchmal so nah an dem Gefühl, dass es keiner Töne mehr bedarf. Umgekehrt ist ein Sänger oft so nah an dem Gefühl, dass er nichts anderes mehr kann als singen. Es ist eine lange Reise, das Handwerk zu lernen, aber auch zu sich selbst zu finden und nicht einfach jemanden zu kopieren oder anderen gefallen zu wollen. Was ist Ihre größte Motivation Musical zu machen? Ich finde es schön, wenn sich Menschen für zweiein­ halb Stunden eine Auszeit von ihrem Alltag nehmen, wenn sie sich auf eine andere Welt einlassen und die eigenen Gedanken und Probleme eine Zeit lang ruhen lassen. Ich mag es, wenn die Zuschauer mit einem Lächeln aus dem Theater gehen oder auch nachdenklich. Es gibt ja auch Produktionen, die diskussionswürdig sind. Künstlerische Diskussion ist das tollste, was es gibt!


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Welche Interessen haben Sie neben dem Musiktheater? Ich fotografiere gerne. Hier kann ich eigenverantwortlich inszenieren und eine künstlerische Aussage treffen. Außerdem mache ich sehr gerne Sport und studiere nebenbei Sportwissenschaft und Ernährung im Fernstudium in Kanada. Ich bin medizinisch sehr interessiert, wahrscheinlich auch weil mein Vater Arzt ist, und finde es spannend, wie wir Menschen funktionieren. Haben Sie ein Lebensmotto? Nie aufhören zu lernen und immer die Augen und Ohren offenhalten! Dann gerät man nicht so schnell in das Fahrwasser der Angst und bleibt frei. Mit meiner Freundin spreche ich aktuell viel über Ängste. Sich diesen zu stellen, ist eine große Heraus­ forderung, aber indem man darüber redet, kann man sie oft lösen. Wir Menschen meinen immer viel zu wissen. Wir sollten uns lieber in Bescheidenheit üben und aus einer Meinung nicht gleich einen Fakt machen wollen. Ich glaube, dass Diskurs immer zu einer Lösung führt. Deshalb finde ich Lernen und Diskutieren großartig.

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»Ein Schauspieler ist manchmal so nah an dem Gefühl, dass es keiner Töne mehr bedarf. Umgekehrt ist ein Sänger oft so nah an dem Gefühl, dass er nichts anderes mehr kann als singen.«

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Schon gewusst?

Die Figur des Sweeney Todd erschien zum ersten Mal 1846 in einem sogenannten »Penny Dreadful«, einem britischen Grusel-Groschenroman.


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Ist gerächt gleich gerecht? Sozialpsychologe Prof. Mario Gollwitzer über Lust und Frust an der Rache

Wie kann Rache sowohl süß als auch Blutwurst sein? Wieso wird Rache einerseits für verachtenswert, primitiv, ein Tabu gehalten, während andererseits ganze Genres dramatischer Literatur (wie etwa die Elisabethanischen Tragödien) und darstellender Kunst (wie etwa Westernfilme), die sich schon immer großer Beliebtheit erfreuten, der heroischen Rache immer und immer wieder ein Denkmal setzen? Die Frage ist faszinierend, und die Antwort kenne ich leider (noch) nicht. Aber die Widersprüchlichkeit bei der Betrachtung und Analyse des Themas Rache findet sich durchaus auch in der Philosophie und der Psychologie wieder. So hat Francis Bacon schon im Jahre 1601 die Rache als »eine Art wilde Gerechtigkeit« beschrieben; Georg Wilhelm Friedrich Hegel hat die Gefahr endloser Teufelskreise der Rache beschworen, und Sir James Fitzjames Stephen, dem englischen Rechtsgelehrten und Onkel von Virginia Woolf, wird das in mehrerer Hinsicht interessante Bonmot zugeschrieben, mit der Rache verhalte es sich im Vergleich mit dem Strafrecht wie mit dem Verhältnis zwischen Ehe und »sexuellem Appetit«. Die Psychologie ist in Bezug auf die Verteufelung der Rache als allfälliges und kulturübergreifend existierendes Phänomen interpersonellen Verhaltens etwas zurückhaltender. So betrachtet die Neo-Psychoanalyse Rache zwar als »psychologische Fehlfunktion« (Karen Horney), aber wenn sie so fehlbar, so schlecht, so schädlich wäre: Wieso wurde sie nicht schon längst von der Evolution ausgemerzt? Nun, abgesehen davon, dass auch die Evolution nur recht langsam arbeitet, könnte es ja durchaus sein, dass Rache bei der Regulation unserer sozialen Beziehungen und in der Kommunikation mit anderen eine Funktion erfüllt, und zwar sowohl eine individuelle (»intrapsychische«) als auch eine soziale (»interpersonale«) Funktion. Die intrapsychische Funktion lässt sich wie folgt verstehen: Ein Bedürfnis nach Rache zeigt, dass wir eine moralische Ist-Soll-Diskrepanz, eine Ungerechtigkeit entdeckt haben, die sich von alleine nicht schließen wird und daher unser Eingreifen erfordert. Die menschliche Fähigkeit, moralische Empörung zu empfinden – jene Emotion, die Rachereaktionen motiviert –, erlaubt es uns erst, Ungerechtigkeiten zu identifizieren und auf sie zu reagieren. Die zweite Funktion, die interpersonale, lässt sich so erklären: Indem wir nach Rache streben und

Rache an Übeltätern üben, zeigen wir eben diesen – und auch anderen –, dass man es nicht mit uns machen kann, dass wir nicht machtlos, nicht hilflos, nicht ohne weiteres verletzbar sind. Rache ist insofern sowohl eine »Empowerment«-Maßnahme als auch ein Mittel zur Abschreckung. Kurz gesagt: Unser Bedürfnis nach Rache ist nichts anderes als ein Bedürfnis nach Gerechtigkeit. Aber dummerweise ist es oft nicht so einfach, diese Botschaft so zu verschicken, dass sie auch ankommt. Zum einen ist Gerechtigkeit leider nichts, was sich objektiv messen ließe: Was der eine als unfassbar empörend ansieht, lässt die andere eher mit den Schultern zucken. Hinzu kommt, dass ein und dieselbe Missetat vom Opfer als wesentlich schwerwiegender und unfairer betrachtet wird als vom Täter. Folglich wird eine Rachereaktion vom Opfer eher als angemessen und gerecht erachtet, vom Täter hingegen als total ungerecht und übertrieben. Es ist also nicht die Rache an sich, welche den Hegelschen Teufelskreis in Gang setzt, sondern vielmehr die Perspektivendiskrepanz, die die naturgemäße Subjektivität von Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit mit sich bringt. Zum anderen stehen dem Opfer nicht immer alle Möglichkeiten, eine Tat mit gleicher Münze heimzuzahlen, zur Verfügung. Wie soll Sweeney Todd als armer Barbier die Grausamkeit eines mächtigen Richters vergelten, ohne sich dabei selbst in Gefahr zu begeben? Hier hilft das Strafrecht, vor dem alle gleich sind oder zumindest sein sollten (eine Voraussetzung, die im bei »Sweeney Todd« dargestellten London des 19. Jahrhunderts noch nicht gegeben zu sein scheint), das eine faire Verhandlung und eine angemessene Bestrafung verspricht und insofern erfolgversprechender ist als die privat verübte Rache. Psychologisch tut das Strafrecht jedoch nichts anderes als die Rache: Es versucht, die Ungerechtigkeitslücke zu schließen und somit der Gerechtigkeit Genüge zu tun. Oder, wie einst Potter Stewart, ein weiser Richter des Obersten Gerichtshofs der usa, im Jahre 1972 in einer berühmten Urteilsbegründung (die übrigens zu einer vorübergehenden Abschaffung der Todesstrafe in den usa führte) schrieb: »Das Bedürfnis nach Vergeltung ist Teil der menschlichen Natur, und dieses Bedürfnis durch die Anwendung des Strafrechts zu kanalisieren, erfüllt einen wichtigen Zweck zur Stabilisierung einer Gesellschaft.«

Z UR PE RS O N

Mario Gollwitzer ist Professor für Sozialpsychologie an der Ludwig-Maximilians-­ Universität München. In seiner Forschung befasst er sich unter anderem mit der Frage, wie Menschen Ungerechtigkeit erleben und wie sie auf diese Ungerechtigkeiten reagieren. Das Thema Rache treibt ihn seit seiner Dissertation mit dem Titel »Ist gerächt gleich gerecht?« aus dem Jahre 2004 um. Und nicht nur wegen des Themas Rache, sondern auch wegen der Musik gehört »Sweeney Todd« zu seinen Lieblingsmusicals.


ZUGABE

A n g e r i c h te t

Blätterteigpastete zur Premiere von Sondheims »Sweeney Todd« empfohlen von Sabine Töpfer

ZU TAT E N

1 Ei 1 Packung Tiefkühl- oder Frischblätterteig 500 g frischer Spargel oder im Winter aus dem Glas 1 Packung Scheibenkäse Gouda oder Edamer 1 Packung gekochter Schinken Mehl zum Ausrollen des Teiges

ZU BE RE I T U N G

D IE BÄCK E R IN

Den Blätterteig in 6 quadratische Formen teilen und dünn ausrollen. Das Ei trennen und mit dem Eiweiß die Ränder der Blätterteig-Stücke bestreichen (wirkt als Kleber). Dann jeweils eine Scheibe Käse, eine Scheibe Schinken und drei Stangen gedünsteten Spargel oder Spargel aus dem Glas auf das Blätterteig-Quadrat legen. Das Ganze zu einem Dreieck zusammenfalten. Die fertigen Taschen auf ein gefettetes Backblech legen und die Oberfläche mit dem Eigelb bestreichen. Im vorgeheizten Ofen bei 200 – 220 °C (Ober- und Unterhitze) für ca. 22 – 25 M ­ inuten backen.

Sabine Töpfer wurde in Rudolstadt geboren und studierte Gesang an der Hochschule für Musik Leipzig. 1986 – 90 war sie Sängerin der Jazzrockband »Ginchilla«. Seit 1990 ist sie Ensemblemitglied an der Musi­ kalischen Komödie. Außerdem machte sie über 200 Synchron- und Studioeinspielungen sowie Gastspiele in Deutschland, Österreich, Schweiz, Tschechien, Ungarn, Frankreich und Portugal. 1999 – 2011 hatte sie einen Lehrauftrag für Jazz/Pop/Musical-Gesang an der HMT »Felix Mendelssohn Bartholdy« in Leipzig und trat 2013 – 18 in »Die Schwestern« im Kabarett »Die ­Pfeffermühle« Leipzig auf. An der Musikalischen Komödie stand sie schon häufiger als Küchenpersonal auf der Bühne, zuletzt als Köchin in »Das Feuerwerk«. In der Spielzeit 2020 /21 verkörpert sie die Pastetenbäckerin Mrs. Lovett in »Sweeney Todd«.

ME I N T I P P AL S M RS. LOV E T T

Mörderisch gut schmeckt das Gericht mit Menschenfleisch. Wer es aber lieber vegetarisch mag, lässt den Schinken einfach weg.

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DR E IKL ANG #05

Sophie Bauer, Leiterin des Kinder- und Jugendchores, bei der Probe

H a pp y B i rthday ! Ein Rückblick auf 30 Jahre Kinderchor der Oper Leipzig TEXT: S O PH I E BAUER

Meine erste Begegnung mit dem Chor war 2002 bei der von der damaligen Leiterin Anne-Kristin Mai initiierten »Gala der Kinderchöre«. Zu diesem Zeitpunkt war ich Korrepetitorin beim Gewandhaus­ Kinderchor und schaute mit Bewunderung dem bunten Treiben des Kinderchores der Oper Leipzig zu. Wenig später wurde ich angefragt, die Leitung des Chores zu übernehmen. Zum damaligen Zeitpunkt war ich jedoch so eng mit dem GewandhausKinderchor verbunden, dass ich die Stelle zunächst ablehnte. 2005 war es dann soweit: Ich trat die Position der Kinderchorleitung an, anfangs noch in enger ­Zusammenarbeit mit dem Gewandhaus­ Kinderchor. Nun leite ich den Chor ­mittlerweile schon seit fünfzehn Jahren. Nach zwei Interimsjahren, in der die Chorleitung zweimal wechselte, war der ­Kinderchor bei meinem Amtsantritt recht dezimiert. Die wichtigste Aufgabe war daher zunächst, den Chor wieder aufzu­ bauen, denn mit fünfzehn singenden

Kindern war der Spielplan nicht zu bestreiten. Es gab Vorsingen, ich entwickelte ein Ausbildungskonzept, welches das Profil des Kinderchores der Oper Leipzig auch in Abgrenzung zu den anderen leistungsstarken Kinderchören der Stadt schärfte. Schon 2006 präsentierten wir unsere ­Kinderoper »Der Mann im Mond«. Das war für mich natürlich Neuland. Aber zu ­erleben, wie die Kinder in ihrem ernsthaf­ ten Spiel aufgehen und das Publikum verzaubern, hat mich berührt und man kann sagen, endgültig für die Welt des Musiktheaters begeistert. So folgte schon bald die zweite Kinderoper: »Das Paradies der Katzen«. Gemeinsam mit einem bis heute noch ­bestehenden Kreativteam – dazu gehören allen voran die freischaffenden Mitarbei­ terinnen Anett Krause und Maria Hinze – entwickelten wir ganz eigene Konzepte, schufen Stücke gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen, inspirierten sie zum Texteschreiben und Komponieren.


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In der Kinderoper »Das Geheimnis der schwarzen Spinne« übernahmen die jungen Sängerinnen und Sänger sogar Solorollen.

Geprobt wird mit viel Spaß und Bewegung.


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DR E IKL ANG #05

Als befreite Lebkuchenkinder in »Hänsel und Gretel« steht der Kinderchor auf der­­großen Bühne des Opernhauses.

Das war eine wunderbare Facette, denn die Kinder konnten sich zeigen und über diesen Weg ihre Gedanken und Gefühle transportieren. In ganz Deutschland gibt es an keinem Opernhaus eine solch vielfältige Auseinandersetzung von Kindern und Jugendlichen mit Musiktheater. S CH O N GEWUSST ?

Der Kinderchor der Oper Leipzig existiert als hauseigener Kinderchor seit 1990. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die »Singschule des Musikunterrichtskabinetts der Stadt Leipzig« als ständiger Gastchor die Kinderchorpartien in Oper und Musikalischer Komödie übernommen. Die Leitung hatte die Kirchenmusikerin und Opernsängerin Anne-Kristin Mai inne. Im Jahr 2005 übernahm Sophie Bauer die Leitung des Kinderchores. Auf ihre Initiative hin wurde 2007 /08 an der Oper Leipzig auch ein Jugendchor gegründet. Derzeit ­singen 220 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene zwischen vier und 25 Jahren an der Oper.

Deutschlandweit einzigartig ist ebenso die Ausbildungsbreite. Im Alter von vier ­Jahren können die Kinder zu uns kommen. In allen Unterrichtsformen haben wir das finale Ziel Bühne im Blick, sodass jede Chorgruppe immer auf ein szenisches Abschlussprojekt hinarbeitet. Somit erlernen die Kinder ganz selbstverständlich die Verbindung von Gesang und darstellendem Spiel. Der Schritt auf die Hauptbühne wird meist im Alter von acht Jahren gewagt. Dort stehen sie dann Hand in Hand mit der Oberstufe als Knusperkinder in der Familienoper »Hänsel und Gretel«. Und dann gehen die spannenden Projekte los: Egal ob die Mitwirkung in großen Opern, eigene szenische Projekte, Chor- und Konzertreisen – im Kinderchor der Oper Leipzig gibt und gab es nie Langeweile. Die Leistungsfähigkeit des Kinderchores, seine Spielfreude und Offenheit unterstützte den Erfolg vieler Produktionen auch auf der Hauptbühne: »Die Arabische Prinzessin«, »Monsieur Matthieu, was wird?« oder »Pinocchio« – diese Produktionen haben noch einmal eine neue Dimension geschaffen, da nun Kinderopern mit Kindern auch ein viel größeres Wirkungsfeld erhielten.

Und doch, die größte Intensität erlebt der Chor immer an den Stellen, wo er nahezu aus eigener Kraft ein Stück auf die Bühne bringt, wo er nicht nur als Chorgruppe in Erscheinung tritt, sondern auch solis­ tische Rollen von Kindern und Jugendlichen übernommen werden. Besonders deutlich wurde dies bei der letzten Kinder­ oper »Das Geheimnis der schwarzen Spinne«. Auch auf internationaler Ebene haben wir uns immer stärker vernetzt. Wir sangen Konzerte in Lyon und Boston. Im Februar 2020 reisten wir nach Istanbul. Mit dem Kinder- und Jugendorchester Barışiçin Müzik ist inzwischen eine tiefe Freundschaft und Verbundenheit gewachsen. Zwei Stücke haben wir gemeinsam auf die Bühne gebracht und dabei Themen ent­ wickelt, die von gesellschaftlicher und politischer Relevanz waren, sodass die Kinder und Jugendlichen nicht nur einen ­Moment der Begegnung erlebten, sondern auch über wichtige gesellschaftspolitische Fragen in einen Austausch traten. Dieses Prinzip der Vermittlung ist mir persönlich ganz wichtig. Mein Anspruch war und ist es, Formate zu entwickeln, die sowohl für Kinder als auch für ­ Erwachsene spannend sind und das Publikum auf ­verschiedenen Ebenen erreichen und berühren. Das ist sicher auch einer von vielen Gründen, dass der K ­ inderchor der Oper Leipzig so einen Zulauf und ­Zuspruch in der Leipziger Chorlandschaft erfährt. Die ganzheitliche Arbeit mit den Kindern, die vielfältigen Projekte, spannende Themen und Produktionen – das ist deutschlandweit nicht oft zu finden. Und so hoffe ich sehr, dass Leipzig auch weiter­ hin ein Aushängeschild für die musikund theaterpädagogische Arbeit bleiben wird. Und nicht zuletzt wünsche ich mir, dass es viele Kinder geben wird, die durch den Kinderchor der Oper Leipzig ihre Liebe zum Musiktheater entdecken und auch in Zukunft unsere Theater und Konzert­häuser füllen, und das nicht nur als Publi­kum, sondern auch als Akteure auf der Bühne. Auf die nächsten dreißig Jahre!


ZUGABE

R äts e l

Bilderrätsel Können Sie die Zeichen richtig deuten?

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Lösung siehe Impressum

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ZU GABE

Fun d s tüc k e

Was uns sonst noch alles über den Weg lief

ZAHLEN

4

Eine Aufführung des »Trovatore« ist ganz leicht. Man braucht nur die vier besten Sänger der Welt. (Enrico Caruso)

WO RT E

BUCH

Francis Fukuyama »Identität – Wie der Verlust der Würde unsere Demokratie gefährdet« Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2019

Jeder Mensch erfindet sich früher oder später eine Geschichte, die er für sein Leben hält.

CD

Lucy Simon / Michael Weller / Michael Korie / Amy Powers »Doktor Schiwago« Hitsquad Records 2019

Max Frisch WÖ RTERBU C H

Identität von mittellateinisch »identitas«, Abstraktum zu lateinisch »īdem«, »derselbe«. Satz der Identität: α = α

ZAHLEN

12%

der befragten Internet-­ Nutzerinnen und Nutzer über 18 Jahre wurden laut einer ­forsa-Studie ­Opfer von Identitätsmissbrauch im Internet.

JA H R ES TAG

27. Januar 2021 Vor 120 Jahren starb Giuseppe Verdi.

WO RT E

DV D

Tim Burton »Sweeney Todd« Warner Home Video, 2008

Ich bin das, was ich scheine, und scheine das nicht, was ich bin, mir selbst ein unerklärlich Rätsel, bin ich entzweit mit meinem Ich! E. T. A. Hoffmann


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D e tai l ve r l i e bt

Gewinnen Sie

2 KARTEN für die Premiere von »Sweeney Todd«

Aus welchem Stück stammt diese Detailaufnahme? Senden Sie die A ­ ntwort bis zum 31. Dezember 2020 per Mail an dreiklang@oper-leipzig.de oder postalisch an Oper Leipzig, Stichwort: Dreiklang, Augustusplatz 12, 04109 Leipzig.


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DR E IKL ANG #05

ZU GABE IM PR ES S UM

Herausgeber Oper Leipzig Intendant und Generalmusik­direktor Prof. Ulf Schirmer (V. i. S. d. P.) Verwaltungsdirektor Ulrich Jagels

Du si e hst a u s, wi e ich m ich f ü h l e  …

Redaktion Elisabeth Kühne (verantwortlich), Dr. Christian Geltinger, Uwe Möller, Dramaturgie & Marketing Texte Sophie Bauer, Luke Francis, Dr. Christian Geltinger, Prof. Mario Gollwitzer, Patricia Grünzweig, Elisabeth Kühne, Angela Mehling, Tuomas Pursio, Prof. Jule Specht, Sarah Stopp, Sabine Töpfer, Nele Winter Fotos Andreas Birkigt (S. 33), Felix Brenner (S. 23), Marcelo Ferreira (S. 34 – 35), Patricia Grünzweig (S. 54), Jens Gyarmaty (S. 11), Roman Häbler (S. 17 – 19), Tim Deniz Heide (S. 14), Magdalena Hinterdobler (S. 11), Lotta Hüneke (S. 4 – 5), Anna Sophie Knobloch (S. 15), Anna Maria Kre¸z˙el (S. 21), Jana Mila Lippitz (S. 22, Text S. 25), Florian Merdes (S. 52), Sophie Meuresch (S. 24), Harriet Meyer (S. 16), Kirsten Nijhof (S. 1, 26, 27, 42 – 46, 63, 64), Sunny Pudert & Ixa (Titel), Juli Schmidt (S. 12 – 13), Tom Schulze (S. 1, 46 – 49, 56, 59, 68), Justus Seeger (S. 11), Vivian Wang (S. 11), Wikimedia Commons (S. 65), Nele Winter (S. 1), Hyejeong Yoo (S. 20), Ida Zenna (S. 28 – 33, 50 – 51, 62, 67) Videos Maria Gollan Illustrationen Zebu (S. 2, 6 – 11), formdusche Gestaltung formdusche, Berlin Druck Löhnert Druck, Markranstädt Urheber, die nicht ermittelt werden konnten, werden zwecks nachträglicher Rechteabgeltung um Nachricht gebeten. Die Oper Leipzig bemüht sich um eine geschlechter­gerechte Sprache. Auch wenn zur Verbesserung des Leseflusses in Einzelfällen das generische Maskulinum verwendet wird, schließen wir ausdrücklich alle anderen Geschlechts­identitäten mit ein. S E RV ICE

Telefonische Kartenbestellung Mo – Sa 10:00 – 19:00 T + 49 (0) 341 – 12 61 261 Abo-Service T + 49 (0) 341 – 12 61 296 Schriftliche Kartenbestellung

… wenn ich zu lange im Homeoffice bin. Iain Paterson in der Titelpartie von Wagners »Der fliegende Holländer«

Kartenwünsche können für die gesamte Spielzeit schriftlich bei der Oper Leipzig eingereicht werden. Die Bearbeitung erfolgt umgehend. Ihre Kartenwünsche richten Sie bitte an: Oper Leipzig, Besucherservice Postfach 100346, 04003 Leipzig Fax + 49 (0) 341 – 12 61 300 service @ oper-leipzig.de Kartenbestellung im Internet / Print at home Online-Ticketkauf mit Ticket-Ausdruck am ­eigenen PC über unseren Webshop möglich: www.oper-leipzig.de Keine Vorverkaufsgebühren! (bei Gast­spielen kein Ticket-Ausdruck möglich). Abendkassen Opernhaus eine Stunde vor Beginn der Vorstellung T + 49 (0) 341 – 12 61 261

Die nächste »Dreiklang« erscheint im März 2021.

Musikalische Komödie eine Stunde vor Beginn der Vorstellung T + 49 (0) 341 – 12 61 115 Auflösung Bilderrätsel S. 65 1. Korngold 2. Offenbach 3. Charleston 4. Soubrette 5. Tenor Lösungswort: Orchester Den aufgrund der Corona-Pandemie veränderten, aktuellen Spielplan inklusive aller Aufführungstermine finden Sie auf unserer Homepage www.oper-leipzig.de.


L e tz te Wo r te

E vivo ancor! Conte di Luna, Schlusssatz in ÂťIl trovatoreÂŤ


www.oper-leipzig.de


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