Dreiklang N° 01

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DREI KLANG

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Freiheit ist Entscheidung. Jean-Paul Sartre


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E di t o ri a l

Liebe Leserinnen und Leser, nach einem Jahr Pause erscheint unser ­Magazin dreiklang in neuer Gestaltung. Umfassender und hintergründiger, aber auch spielerischer und per­sönlicher, so wollen wir Ihnen in diesem M ­ agazin begegnen und damit den Horizont öffnen für den Blick hinter die Produktionen, über die Sie selbstverständlich durch unsere bekannten Publikationsorgane, das Jahresheft und die Monatsspielpläne, sowie über die digitalen Medien, das Internet und die sozialen Netzwerke, alle Daten und Fakten in gewohnter Weise erhalten. Besonders freue ich mich über die interdisziplinäre Öffnung unseres neuen Magazins. Auf der Basis einer Kooperation der Oper Leipzig mit der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig haben junge Künstlerinnen und Künstler die Gelegenheit, ihre Sichtweise auf unser Titel­thema zu präsentieren. In unserer ersten Ausgabe dreht sich alles um das Thema »Freiheit«. In Puccinis »La fanciulla del West«, der ersten Premiere der Saison, werden wir unweigerlich mit dem Begriff der »Freiheit« konfrontiert. Im Land der sprichwörtlichen unbegrenzten Möglich­keiten machen sich Menschen auf den Weg, um als Goldgräber ihr Glück zu versuchen: ein Spiel mit dem Leben, getrieben von dem vordergründigen Traum der großen Freiheit. Was sie im Camp erleben, ist genau das Gegenteil, ein geschlossenes System, das sich für ­jeden nach und nach zu einem Gefängnis entwickelt. Sie sehnen sich nach ihren Familien, nach ihrer Heimat, nach einem Sinn im Leben und doch schaffen sie es nicht, sich aus dem Hamsterrad ihres Alltags zu befreien. Ein Gefühl der Lähmung macht sich breit. Die Titelfigur Minnie steht dagegen für eine aktive Begegnung mit dem Leben. Aus freien Stücken entscheidet sie sich für das Camp, geht eine Beziehung zu dem Banditen Ramerrez ein und überzeugt die Männer, ihn zu begnadigen. Sie glaubt daran, dass Menschen sich selbst und ihre Situation verändern können, wenn sie ihr Leben beherzt in die Hand nehmen. Puccinis Oper zeigt, wie ambivalent der Begriff der »Freiheit« ist. Wer sich für etwas entscheidet, schränkt sich zwangsläufig ein. Wer keine Entscheidung trifft, bleibt unfrei und vergeudet ­seinen Gestaltungsspielraum. In einer Zeit, in der uns scheinbar alle T ­ üren offen stehen, fordert uns die Freiheit immer wieder aufs Neue zu aktiven Entscheidungen heraus. Freiheit ist heute mehr denn je die bewusste Entscheidung für etwas mit allen damit verbundenen Konsequenzen. Schön, dass Sie sich für uns entschieden haben.

A bg e s p e i c her t

Was wir vor dieser Ausgabe noch nicht wussten … Russland und Amerika sind nur 4 Kilometer ­von­einander entfernt. CH R IS T IA N G E LTI NG ER

Die Freiheitsstatue trägt Schuhgröße 879. E L ISA B E T H KÜ HNE

Bei Männern in glücklichen monogamen Beziehungen sinkt der ­Testosterongehalt im Blut. N E L E W IN T ER

Zw i s c h e n s t o pp

Wo wir für diese ­Ausgabe waren

Maske der Oper Leipzig

Institut für ­Amerikanistik der ­Universität Leipzig P ROF. U LF SC H I RM E R I N T E N DAN T U N D G E N E RALMU SI K D I R E K TO R


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INHALT 4

Meine große Freiheit Umfrage

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Erde bis Kopf Eine fotografische Annäherung an das Thema Freisein

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Wie ­golden ist der Westen? Ein Gespräch mit ­Gabriele ­Pisarz-Ramirez, ­Professorin für Ame­rikanistik und Minder­ heitenforschung an der U ­ ni­versität Leipzig, zu Puccinis »La fanciulla del West«

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Eine freie Gesellschaft? Amerikanische Ensemblemitglieder über den Freiheitsmythos ihrer Heimat

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Die Liebe ist ein wilder Vogel Ein Essay über »Carmen« und die freie Liebe

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Dürfen wir ­ alles tun, was wir können? Rüdiger Safranski über Freiheit im Zeitalter der künstlichen Intelligenz

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Anything goes Ist das Musical die ­amerikanische Operette?

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America forever! Über den Amerika-Boom in der Operette der Zwanzigerjahre

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Pro & Contra Sexualtherapeutin Dr. Carla ­Pohlink zu offenen und polyamoren Beziehungen


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Uwe Scholz Porträt eines Ausnahmekünstlers

Zugabe 3 6 Unterwegs mit ... Sven Hjörleifsson nimmt Sie mit in den hohen Norden.

4 4 Genau das Richtige Wir helfen Ihnen, das Passende aus unseren Premieren und ­Wiederaufnahmen zu finden.

5 6 Schnappschuss Wie sieht eigentlich der Arbeitsplatz eines Theaterfotografen aus?

5 7 Nachgefragt Sie fragen – wir antworten.

5 8 Ohne Worte antwortet Lou Thabart, Tänzer am Leipziger Ballett, auf unsere Fragen.

6 0 Fundstücke Was uns sonst noch alles über den Weg lief.

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Helden auf dem Prüfstand Der Jugendtheaterclub über eine ­Generation unter Druck

6 1 Angerichtet Unser Rezept zur Premiere

6 2 Ein Blick in die Maske der Oper Leipzig

6 6 Detailverliebt Gewinnen Sie Premierenkarten!

6 7 Gut gesagt Ein Zitat – ein Kommentar

6 7 Platzhalter Wir fragen – Sie antworten.

6 8 »Du siehst aus, wie ich mich fühle« 6 8 Impressum

Digitale Oper ­L eipzig 1. Kostenlose Oper Leipzig App herunterladen.

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3. Zusatz­material entdecken oder Tickets kaufen.

Fragen? Rufen Sie uns einfach an, täglich von 9:00 – 17:00 Uhr T +49 (0)341 - 12 61 373


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Um frage

Meine große Freiheit

Freiheit ­bedeutet, dass ich ­wählen kann, was ich möchte. K L A AS D E G R O OT, N IE D E R L A N D E

Neulich stellte man mir die Frage: Wovor hast du mehr Angst – ­Freiheit oder Sicherheit? Uns macht beides keine Angst! L EON HÄU

ER & FELI Z I TAS FAU T H E R , LE I P ZI G

Wenn meine Seele ruhig ist, bin ich frei. N AS IR JA M S H ID I, A LT E N B UR G


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Zeit. AN N E T T P LI E N , SC H K E U D I TZ

Meine Freiheit ist, dass ich selbst entscheiden kann, wo die Reise hingeht. In meinem Fall nach Edinburgh zum Auslandssemester. N E E L E KĂ„ M PF E RT (L IN K S ) M IT S E L IN A WO R A D E , L E IPZ IG


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­Freiheit des Geistes Der Mensch im Zeitalter der Digitalisierung T E XT: RÜ D I G E R SAFRAN S K I

IL LU S T R AT IO N E N : B O R IS S CH M ITZ


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Es gibt die Freiheit, wir erleben sie täglich in unserem Handeln. Und doch wird sie infrage gestellt, nicht nur praktisch, sondern auch theoretisch, und zwar insbesondere von den Biowissen­ schaften. Die Gehirnforschung zum Beispiel entdeckt in der ­Regel nirgendwo so etwas wie Freiheit. Die Vorgänge im Gehirn laufen streng kausal ab. Es ist wie früher, als Wissenschaftler e­ rklärten, sie hätten keine Seele entdeckt. Jetzt ist es die Freiheit, die sich wissenschaftlich nicht dingfest machen lässt.

Und doch erleben wir sie, täglich auf Schritt und Tritt. Oft müssen wir uns entscheiden und können nicht unsere Synapsen und Gehirnströme befragen, sondern wir entscheiden uns mit unserem Ich auf der Bühne des Bewusstseins. Hinterher wird man dann womög­ lich feststellen können, welche Kausalitäten im­ ­Gehirn und anderswo wirksam waren, im unmittel­ baren Erleben und in den Entscheidungssituationen selbst aber sind wir mit unserer Freiheit allein, hier gibt es, wie der Philosoph Kant es einmal so prägnant bezeichnet hat, die »Kausalität aus Freiheit«. Einerseits also erleben wir die Freiheit täglich, wir können gar nicht anders, andererseits sind wir von Theorien und Menschenbildern und den daraus ­folgenden Praktiken umgeben, in denen die Freiheit keinen Platz findet. Jede Theorie, welche die Freiheit leugnet, verwickelt sich in einen grundlegenden Widerspruch. Denn jede Theorie verdankt sich einem freien geistigen Akt. Sie gründet also auf dem, was sie leugnet. Man kann es auch so formulieren: Man gebraucht die Freiheit, um die Freiheit wegzuerklären. Weshalb aber ist nun das Erkennen selbst ein Akt der Freiheit? Ganz einfach deshalb, weil es sich nicht ­darin erschöpft, bloße Datenverarbeitung ­mithilfe von Algorithmen zu sein. Solche komplexen Datenverarbeitungssysteme nennen wir inzwischen »Künstliche Intelligenz«. Diese Künstliche Intelligenz ver­fährt streng regelgeleitet und mit ungeheuren Kogni­ tionsleistungen bei der Erfassung von Daten, ihren

aufgabenorientierten Verknüpfungen und den sich daraus ergebenden Folgerungen. Das alles geschieht ganz ohne Freiheit, sondern durchgehend programmiert. Es handelt sich dabei also um eine digitale Super­ intelligenz – aber ohne Bewusstsein. Diese Unterscheidung ist elementar, deshalb wiederhole ich sie: Intelligente Leistungen sind möglich ohne Bewusstsein. Das hat man eigentlich erst durch die technische Entwicklung entdeckt. Dabei begriff man, dass bestimmte Leistungen des Geistes sich automatisieren lassen in den Formen und Formeln der Algorithmen, die ja im Kern nichts anderes sind als fixierte Schrittfolgen für die Lösung von Problemen, nach dem ­Muster der Grundrechenarten etwa. Dass es bewusstseinslose Intelligenz gibt, haben wir so richtig also erst begriffen, seit es Computer gibt. Seitdem sind wir umgeben von intelligenten Systemen ohne Bewusstsein und wir neigen dazu, uns ihnen gegenüber so zu verhalten, wie sich die Menschheit früher gegenüber der Natur und den Dingen verhalten hat, nämlich animistisch, das heißt wir projizieren unsere Seele, unser Bewusstsein in sie hinein. Doch vergessen wir nicht: Das ist nur eine Projektion. Sie ist leider sehr gebräuchlich und sie ist sehr gefährlich, weil sie zu einer Demutsstarre angesichts der Technik führt, auch zu einer Unterwerfungs­ bereitschaft. Man vergisst dann: Die intelligenten Systeme (ohne Bewusstsein) sind vom menschlichen Bewusstsein gebaut. Es mag ja sein, dass sie


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schließlich imstande sind, sich selbst weiterzubauen, allerdings nur, wenn sie entsprechend programmiert werden. Insgesamt also sind das Vorgänge, die vom programmierenden Bewusstsein in Gang gesetzt und letztlich auch wieder beendet werden können, was allerdings, wie wir wissen, zwar nicht grundsätzlich, aber in der Praxis einige Probleme aufwirft.

Die grandiose technischkulturelle ­Entwicklung entsteht aus Freiheit. Jedenfalls denkt man zu gering vom Menschen, wenn man die schöpferische, einfallsreiche Freiheit des menschlichen Bewusstseins leugnet, die überhaupt erst die grandiose technisch-kulturelle Entwicklung ermöglicht. Sie entsteht aus Freiheit und sollte durch Freiheit beherrschbar bleiben. Das aber ist leicht gesagt, denn es gibt da einen eigentümlichen, sehr alten Mechanismus, der darin besteht, dass die schöpferische Freiheit sich in ihren Hervorbringungen, ihren Produkten nicht mehr wiedererkennt, sondern sich ihnen unterwirft, als seien sie eine fremde, unabhängige Macht. Das beginnt bei den Göttern, welche die Menschen ja auch erfunden haben, und das ­endet einstweilen bei den Computern, den Göttern von heute, die ja auch nichts anderes sind als eine Schöpfung des freien menschlichen Erfindergeistes. Die Rechner, Suchmaschinen, Prozesssteuerungen, Informationsverarbeitungssysteme usw., alle diese Maschinen mit Kognitions- und Entscheidungsfunk­ tionen arbeiten mit Algorithmen, mit denen sie ­programmiert sind, und es gibt dann zahlreiche Gebiete, auf denen diese Künstliche Intelligenz un­ endlich wirkungsvoller arbeitet als die ­menschliche Intelligenz. Wirkungsvoller heißt: Ungeheure Datenmengen werden verwendet zur Erledigung von zahlreichen Aufgaben in Verwaltung, Verkehr, Medizin, in der Finanzwirtschaft, bei der automatisierten Produktion, in Kommunikation und Forschung. Es gibt mittlerweile nur noch wenige Bereiche, in denen digitalisierte Verfahren noch keine Rolle spielen. ­Inzwischen scheinen sie ähnlich unverzichtbar geworden zu sein wie beispielsweise die Elektrizität, die wir uns ja heute gar nicht mehr wegdenken können. Die Fortschritte sind rasant. Bei den früheren Maschinen wurden vor allem die Körperkräfte ergänzt, ersetzt und überboten; bei den intelligenten Maschinen haben wir es mit gestei­ gerten Kognitionsleistungen zu tun.

Es wäre jedoch eine verhängnisvolle Selbsttäuschung, wenn der Mensch aus dieser partiellen Überlegenheit der von ihm gebauten Maschine folgern würde, er müsse sich selbst letztlich als eine Maschine ­verstehen. Nicht Anpassung, gar Unterwerfung unter das selbst geschaffene Produkt ist gefordert, sondern umgekehrt: Je intelligenter die Maschinen werden, desto größer wird die Herausforderung, im Kontrast zur maschinellen Intelligenz das zu begreifen, was wir menschlichen Geist nennen. Die Frage, die sich daraus ergibt, lautet dann: Wenn sich ein Teil der Intelligenz in die Maschinen auslagern und automatisieren lässt, was bleibt dann unablösbar mit dem menschlichen Geist verbunden und lässt sich eben nicht in einer noch so intelligenten Maschine verbauen? Ich würde vier Aspekte nennen (es gibt gewiss noch mehr): Der menschliche Geist ist, erstens, eingebettet in Gefühle und diese Gefühle sind hochkomplexe emotionale Zustände, in denen sich sinnliches Situationserleben, Erinnerungen, Erwartungen, Handlungsmotive etc. vermischen. Diese emotionale Ein­bettung des Geistes gibt ihm eine ganz andere Be­weglichkeit als die durch Algorithmen und Logik automatisierten Verfahren der Künstlichen Intelligenz. Im Vergleich mit den klar definierten, perfekt funktionierenden Vorgängen, wie sie maschinell möglich und nötig sind, mag das wie ein Nachteil aussehen, es ist aber genau das, was den Geist als lebendigen Prozess ausmacht. Er funktioniert nie perfekt und ist auch nicht eindeutig definierbar. Geist ist immer mehr als jede Definition, unendlich mehr auch als eine Sammlung von Algorithmen, mehr als Logik. Der Spruch »Der Geist weht, wo er will« passt hier ganz gut. Der menschliche Geist ist, zweitens, charakterisiert durch ein Selbstverhältnis. Er kann zu sich selbst »Ich« sagen. Er erfährt sich selbst als »Person« – das ist vielleicht überhaupt das größte Wunder der ­Evolution. Der Philosoph Schelling hat das einmal in dem wunderbaren Satz zum Ausdruck gebracht »Die Natur schlägt im Menschen ihre Augen auf und bemerkt, dass sie da ist …«. Dass der menschliche Geist ein Verhältnis zu sich selbst hat, macht den Un­ terschied zu allem anderen uns bekannten anima­ lischen Leben aus. Auch bei Tieren dringen Umweltreize und eigene Köperzustände ins Bewusstsein. Aber der menschliche Geist ist sich darüber hinaus seiner selbst bewusst. Er hat Bewusstsein des Bewusstseins. Das ist die zusätzliche Dimension, die ­ alles verändert. Deshalb kann der Mensch zum ­Beispiel nach dem »Sinn« des Lebens fragen, deshalb kann er nicht nur sich selbst wahrnehmen, sondern auch sich selbst relativieren. Der menschliche Geist ist, drittens, dadurch charak­ terisiert, dass er nicht nur die eigenen Körperzustände auffasst und eine äußerliche Welt wahrnimmt, sondern dass er darüber hinaus in einer unerschöpf­ lichen Welt von Vorstellungen und Fiktionen lebt. Ein erheblicher Teil des individuellen Lebens und der menschlichen Geschichte ist von diesen Vorstellungen


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DĂźrfen wir alles tun, was wir kĂśnnen?


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oder Fiktionen bestimmt. Während wir beim unmittelbaren Erleben und Wahrnehmen im Hier und Jetzt sind, bewegen wir uns in der Welt der Vorstellungen frei herum in Vergangenheit und Zukunft. Und nicht nur das: Wir bewegen uns auch frei herum zwischen Wirklichkeit und Möglichkeit. Und auch alle möglichen Möglichkeiten und Unmöglichkeiten können wir uns vorstellen. Mit anderen Worten: Unser Geist ist eine unerschöpfliche Quelle von Fiktionen, die besonders dann, wenn sie von mehreren geteilt werden, unser wirkliches Leben bestimmen. Die Religionen sind ein Beispiel dafür, aber nicht nur sie, sondern auch die Geschichten, die wir uns über unser Leben erzählen. Auch ohne die Welt der Medien leben wir immer in mindestens zwei Welten, der wirklichen und der vorgestellten. Die Künstliche Intelligenz demge­ genüber kann sich über ihre Programmierung hinaus nichts vorstellen. Sie kann, anders als der mensch­ liche Geist, sich selbst nicht überschreiten.

Wir ­bewegen uns frei ­herum zwischen ­Wirklichkeit und Möglichkeit. Der menschliche Geist ist, viertens, definiert durch Spontaneität. Man kann inzwischen den digitalisierten Abläufen eine Art »Autonomie« implantieren: Sie suchen sich dann selbst die besten Wege und Aus­­ wege, um zu einem bestimmten Ziel zu kommen. Das hat aber gar nichts zu tun mit der »Autonomie«, die sich dem freien Menschen als Aufgabe stellt. ­Dabei handelt es sich nämlich um die selbstgewählte Bindung an Regeln: Und das sind letztlich keine ­sachlichen Regeln, sondern moralische. Menschliche (und eben nicht maschinelle) Autonomie ist eben kein zwingender Verhaltensalgorithmus, sondern be­steht aus Akten moralischer Selbstbindung – aus Freiheit. Der menschliche Geist hat also eine moralische Dimension. Die Künstliche Intelligenz kennt, wie jede Technik, von sich her keine Moral. Man kann ihr allerdings, etwa bei den selbstfahrenden Autos, Regeln ­eingeben für Unfälle: primär den Fahrer schützen oder die anderen? Und die anderen in welcher Gewichtung? Die Moral steckt dann aber nicht in der Künstlichen Intelligenz selbst, sondern in ihrer Programmierung auf dem Hintergrund der jeweiligen moralischen Orientierung. Schon immer hat es ein Spannungsverhältnis ­gegeben zwischen Technik und Moral, ein Spannungsver­ hältnis, das sich in die Frage kleidet: Dürfen wir ­alles tun, was wir können? Allerdings stellt sich die Frage nur solange, wie wir gewillt oder imstande sind, die

technische Entwicklung zu beherrschen. Die digi­tale Entwicklung stellt uns hier vor neue Heraus­forderungen. Es mag ja sein, dass inzwischen weite Teile der digitalen Welt für uns unverzichtbar geworden sind – man sollte allerdings sorgfältig unterscheiden zwischen »unverzichtbar« und »unkontrollierbar«. Nur weil wir auf etwas nicht mehr verzichten wollen, muss es nicht auch schon unkontrollierbar sein. Die Kontrolle zu bewahren, ist deshalb nicht ganz einfach, weil wir, fasziniert durch die Technik, h ­ äufig vergessen, dass es nicht allein die Technik ist, die uns beherrscht, sondern ihre Eigentümer, die gigantischen, teils monopolistischen Firmen wie Amazon, Google oder Facebook. Es handelt sich also nicht nur um eine Auseinandersetzung mit neuen Techniken, sondern mit ihrer privatwirtschaftlichen Einbindung, der gegenüber das gesellschaftliche Allgemeinwohlinteresse erst noch durchgesetzt werden muss. Gefährlich ist es jedenfalls, die Digitalisierung als naturwüchsigen, prinzipiell unbeherrschbaren Prozess zu sehen. Man muss diesen Prozess vielmehr demokratiekom­ patibel ausgestalten und das geht sehr gut, wenn man ein besonders intelligentes Prinzip liberal-­demokra­ tischer Gesellschaften auf ihn anwendet. Und das ist das Prinzip der Gewaltenteilung. Es ist uns gut vertraut als die Teilung der Gewalten in Exekutive, Legislative und Judikative. Aber es geht in seiner Bedeutung weit über diesen Bereich hinaus. Das Prinzip der Gewaltenteilung – sicherlich eine der genialsten Erfindungen im Politischen – geht davon aus, dass der Mensch ein »krummes Holz« ist, es steckt ein gesundes Misstrauen darin. Da Macht immer missbraucht werden kann, muss sie aufgeteilt werden, im Prinzip ebenso wie zur Öffnung eines Tresors oder zur Auslösung eines Waffensystems mehrere Schlüssel, auf verschiedene Personen und Institutionen verteilt, erforderlich sind. Gewaltenteilung ist nichts anderes als geregelte Machtkonkurrenz, um zu verhindern, dass eine Macht ein Monopol erringt. Die verschiedenen Mächte müssen sich also ausbalancieren, darauf kommt es an. Das ließe sich nun für alle gesellschaftlichen Lebensbereiche durchbuchstabieren. Die Religion als Macht muss durch die Staatsmacht und ihre weltlichen Gesetze begrenzt werden. Die Macht der ­Ökonomie, der Markt, muss durch die Macht des staatlich ­orga­nisierten Allgemeinwohls begrenzt werden. Jede Macht, die kein Gegengewicht findet, ist verhäng­ nisvoll. Und das gilt eben auch für Wissenschaft und Technik im Zeitalter der Digitalisierung und der Künstlichen Intelligenz. Erinnern wir uns: Das digitale Zeitalter kündigte sich an mit einem Versprechen auf mehr Demokratie, mehr Freiheit. Man glaubte, die politische Machtsphäre würde dadurch transparent gemacht werden können. Also eine verstärkte Kontrolle von unten nach oben. Wie sich aber inzwischen herausgestellt hat, funktioniert die Kontrolle noch besser von oben nach unten.


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Nicht der gläserne Politiker, sondern der gläserne Bürger ist jetzt im Zeitalter von Big Data das Thema. Und das alles geschieht zumeist freiwillig: Der Bür­ger als Konsument gibt freiwillig und arglos seine Daten ab. Und mit jedem Gebrauchsding um uns herum, das wir mit einem Computer ausstatten und alles Mögliche messen lassen, knüpfen wir das Netz der Kontrolle enger. So eng, dass mit Hilfe von Algorithmen die betreffende Person in ihrem künftigen Verhalten ausgerechnet und auf dieser Basis potentiell auch gesteuert werden kann. Täuschen wir uns also nicht: Während wir noch glauben, wir benutzen etwas, werden wir bereits benutzt. Die »globale Konsumentensteuerung«, von der manche träumen, gefährdet unsere Freiheit. Gegen die Macht der Technik in Gestalt der Digitalisierung ist die Gegenmacht einer Politik gefordert, die sich von der Moral der Freiheitsbewahrung leiten lässt. Und das heißt ganz einfach: Wir dürfen nicht alle Transaktionen, Kommunikationen, alle Steuerungsprozesse dem digitalen Monopol überlassen. Dadurch würden wir auf ungeheure Weise angreifbar. Man stelle sich ein Atomkraftwerk, ein Krankenhaus oder ein Bankensystem vor, das ausschließlich digital ­gesteuert wäre, ohne Ausstiegsmöglichkeit, ohne analoges Auffangsystem. Wir wären im Krisenfall verloren. Auch hier steht die Freiheit auf dem Spiel. Wir sollten nach Kräften das Schicksal des Goetheschen Zauberlehrlings vermeiden, der die Geister, die er rief, nicht mehr beherrschen kann.

Aus al l e r We l t

N ICO L A M IR IT E L LO TÄ N Z E R G R ÜS S T AU S S IZ IL IE N

ZU R P E RS O N

Rüdiger Safranski, geboren 1945, Philosoph und Autor u.  a. von ­Biographien über­ ­Goethe, e. t. a. ­Hoffmann, ­Heidegger, Nietzsche und Schiller sowie von Büchern über die menschlichen Grundfragen wie »Das Böse oder das Drama der ­Freiheit« oder »Zeit«. 2014 wurde Rüdiger Safranski u.  a. mit dem ­Thomas-Mann-Preis ausgezeichnet.

SA N D R A M AX H E IM E R M E Z Z O S O PR A N G R Ü S S T AUS IS CH IA

WA L L IS G IUN TA M E Z Z O S O PR A N G R Ü S S T AUS T IN TA M A RRE


Erde bis Kopf Fotografien von Viktoria Sophie Conzelmann und Anna Maria Krężel zum Thema Freisein Neue Kooperation der Oper Leipzig mit der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig. Der erste Beitrag wurde kuratiert von Prof. Torsten Hattenkerl.




Ein Begriff, so frei wie er selbst, entwischt beim ­Versuch, ihn zu d ­ enken. Weich und ­unnachgiebig zugleich, je nach Perspektive. Etwas liegt in der Luft. Ein Zustand. Eine Möglichkeit.




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LAND OF THE FREE? Der amerikanische Traum zwischen Klischee und Wirklichkeit I N T E RVI E W: CH R IS T IA N G E LT IN G E R


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Ein Gespräch mit ­Gabriele ­Pisarz-Ramirez, ­Professorin für Ame­ rikanistik und Minder­ heitenforschung an der Universität Leipzig Puccinis Oper »La fanciulla del West« spielt in einem klassischen Goldgräber-Camp in Kalifornien an der Grenze zu Mexiko. Was bedeutete der Goldrausch für diese Gegend? Der Goldrausch entwickelte sich in ­Kalifornien unmittelbar nach dem Ende des us-mexikanischen Krieges, mit dem der Norden Mexikos an die usa fiel. Er b ­ egann 1848, als ein Arbeiter auf dem Gelände eines Sägewerks ein Goldnugget fand. Zu dieser Zeit war Kalifornien nur dünn besiedelt; der Norden Mexikos wies eine sehr geringe Bevölkerungsdichte auf. Erst der Goldrausch hat die Massen­ bewegungen in Richtung Kalifornien ausgelöst, die dann zur Entwicklung der Goldgräber-Camps geführt haben. Diese Bewegungen gingen sowohl vom us-amerikanischen Osten aus, es kamen aber auch Menschen aus aller Welt. Die Suche nach dem »Gold Mountain« führte auch die ersten chinesischen Einwanderer in die usa. Zahlreiche Glücks­ sucher aus Südamerika, Australien, Hawaii und natürlich Europa brachen nach ­Nordamerika auf, nachdem sie von den Goldfunden in Kalifornien gehört hatten. Welche innere Dynamik herrschte in diesen Camps? Die Camps muss man sich als ein Aufeinandertreffen von sehr vielen unterschiedlichen ethnischen Gruppen vorstellen. Sie repräsentierten quasi die Schmelztiegel-­ Idee im Kleinen. Die unterschiedlichen Kulturen und Sprachen – verbunden mit der Konkurrenzsituation – sorgten zwangsläufig für eine Eigendynamik, die alles andere als konfliktfrei war. Alle wollten dasselbe Gold. Und daher haben sich relativ schnell auch Ausgrenzungs­ mechanismen entwickelt, die dazu führten, dass man versucht hat, einzelne Gruppen hinauszudrängen. Wie lässt sich die innere Dynamik zwischen den einzelnen Einwanderergruppen beschreiben? Sie war von variablen sozialen H ­ ierarchien gekennzeichnet – nicht nur in den Camps, sondern in den usa überhaupt. So standen

die Iren zum Beispiel lange Zeit ­relativ weit unten auf der sozialen Leiter, da sie arm waren und in den gleichen Vierteln wie Afroamerikaner wohnten. Noel ­Ignatiev hat zu diesen sozialen Dyna­ miken ein aufschlussreiches Buch geschrieben: »How the Irish Became White«. Das passierte durch ihren wachsenden Wohlstand, mit dem sie sozial aufstiegen, natürlich auf dem Rücken anderer Einwandergruppen. In den Gold­gräber-­ Camps ent­wickelten sich bald – als sich zeigte, dass es kein Gold für alle gab – ­nativistische Strömungen, d. h. man hat versucht, »nichtamerikanische« Goldsucher hinauszudrängen. Das betraf die ­Chinesen, aber auch Mexikaner und Franzosen, die der Goldrausch angezogen hatte. Die usa sind eine Siedlergesellschaft. Was bedeutete das für das Zusammenleben der unterschiedlichen Gruppen? Die Besiedlung war von Anfang an von dem Selbstverständnis getragen, dass das besiedelte Land durch die Siedler kul­ tiviert und dann auch – wenn nötig mit Waffen – verteidigt werden muss. Am ­Anfang war das natürlich der Konflikt mit den Indianern, später auch mit anderen Konkurrenten wie z. B. Mexikanern, denen Land in Kalifornien ursprüng­lich gehörte. Einer der zentralen amerika­ nischen ­Mythen, die die Westexpansion begleiteten, ist der einer »manifest ­destiny«, also einer göttlichen Mission zur Land­expansion, mit der das ­Vordringen in fremde Gebiete begründet wurde. ­Bereits Thomas Jefferson entwickelte die Vision, dass die Angloamerikaner irgendwann den gesamten Kontinent dominieren würden. Parallel zur Nationsgründung entwickelte sich dann ein scheinbar wis­senschaftlich begründeter Rassendiskurs, der »scientific racism«, mit dem eine Hierarchie der Rassen gerechtfertigt und die Sklaverei legitimiert wurde. Inwiefern nehmen die Mexikaner, die ja aktuell wieder im Mittelpunkt des amerikanischen Einwanderungsdiskurses stehen, in diesem Zusammenhang eine Sonderstellung ein? Die Mexikaner waren im 19. ­Jahrhundert insofern eine besondere Minderheit, als sie keine eigentlichen Einwanderer ­waren, sondern Teile ihres Landes infolge des texanisch-amerikanischen Krieges 1836 und des mexikanisch-amerikanischen Krieges 1848 plötzlich zu den usa gehörten. Viele landbesitzende Mexikaner haben nach der Eroberung ihren Besitz verloren. Das Problem war, dass

ihr Landbesitz häufig nicht urkundlich doku­mentiert war, weil das Land von einer Generation zur nächsten per Handschlag weitergegeben wurde. Sie konnten also ihren Besitz nicht nachweisen und verloren ihn an us-amerikanische ­Siedler. Diejenigen, die man als Banditen bezeichnet hat, wie eben jenen Ramerrez in Puccinis Oper, waren Leute, die versucht haben, das mit Waffen zurückzuerobern, von dem sie dachten, dass es eigentlich ihnen gehörte. Sie fühlten sich also gewis­ sermaßen als Rächer der Enteigneten. Das ist auch als beliebtes Motiv in die Li­t­eratur eingegangen. Autoren haben ­solche Männer wie Joaquin Murrieta in ­Kalifornien oder auch Gregorio Cortez in Texas beschrieben. Über Cortez gibt es eine berühmte Ballade, den sogenan­n­ten »­Corrido von Gregorio Cortez«, in der erzählt wird, dass er einen Sheriff ­ermordet haben soll und wie auf ihn d ­ araufhin eine regelrechte Hetzjagd losgetreten wurde. Das Motiv der Jagd ist auch ein beliebtes Motiv in Puccinis Opern. P ­ uccini war selbst ein leidenschaftlicher ­Jäger. Der Polizeichef Scarpia in der Oper »Tosca« ist ein obsessiver ­Jäger, der die Diva als Falken benutzt, der seine Häscher zu dem erbitterten ­Rivalen C ­ avaradossi führt. Es gibt ­dabei viele Ähnlichkeiten zum Sheriff Jack Rance. Eine ist die Vermischung des Amtes mit den privaten Begehrlich­ keiten. Wie war die Position des ­Sheriffs in der Zeit einzuordnen, in der Puccinis Goldgräber-Oper spielt, also Mitte des 19. Jahrhunderts? Rein rechtlich setzt der Sheriff das Gesetz durch. Insofern ist er Funktionsträger des Staates. Aber er wird von der Mehrheit der Bürger eines Ortes gewählt, also meist den Angloamerikanern. Faktisch war es daher so, dass er vorrangig die ­Interessen und Rechte der Angloamerikaner in dem System durchgesetzt hat bzw. auch an Ausgrenzungen und Verfolgungen von Leuten beteiligt war, die als nicht dazuge­ hörig stigmatisiert wurden. Dazu zählte eben auch der Mexikaner Dick Johnson alias Ramerrez. Die Goldgräber wollen mit einer ­brutalen Lynchjustiz gegen R ­ amerrez vorgehen. Wie hat die Entwicklung der Vereinigten Staaten zu einem Selbstverständnis des Rechts auf Selbstjustiz beigetragen? Dadurch, dass das Land in der Fläche lange dünn besiedelt war, wohnten Menschen häufig isoliert voneinander und


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Die graue Wirklichkeit des Goldgräber-Alltags

Plakate lockten mit dem Traum vom schnellen Reichtum.

Für ein besseres Leben mit dem Planwagen in den fernen Westen

mussten sich und ihr Land verteidigen. Im ländlichen Raum wurde der Sheriff ­dabei von Freiwilligen unterstützt, die ebenfalls bewaffnet waren. Ein ­offizieller regierungsseitiger Schutz war schon ­allein aufgrund der Distanzen nicht ge­geben. In den randständigen Pionier­ siedlungen war es daher auch an der Tages­ ordnung, dass man sein eigenes Recht mit der Waffe durchsetzte. Nach der Unabhängigkeit wurde in der amerikanischen Verfassung festgeschrieben, dass das Recht der Bürger, Waffen zu besitzen und zu tragen, nicht durch den Staat beschränkt werden darf. Und dieses Selbstverständnis, das sich ursprünglich in der Siedlerzeit an der Frontier entwickelt hat, das aber auch ein Misstrauen gegenüber jeglicher staatlichen Einflussnahme reflektiert, hat sich zum Teil bis heute ­gehalten. Alle us-Bürger – außer verur­ teilte Gewalttäter – haben das Recht eine Waffe zu besitzen und jeder hat das Recht, im Notfall von dieser Waffe Gebrauch zu machen, um sich zu ­verteidigen. Es ist in etlichen Bundesstaaten gesetzlich festgelegt, dass man selbst bei der Wahrnehmung einer Bedrohung die Waffe benutzen darf. Man darf bei allen berechtigten Diskussionen um ein verschärftes Waffen­recht aber eines nicht vergessen: Es gibt abgelegene ländliche ­Gegenden, z. B. im Süden New Mexicos oder Arizonas, wo es tatsächlich eine halbe oder dreiviertel Stunde dauern würde, bis im Notfall jemand vor Ort wäre. Dass die Leute aus diesem Grund

für sich in Anspruch nehmen, eine Waffe zu Hause zu haben, kann man vielleicht sogar nachvollziehen. Wie korrespondiert der historisch gewachsene Konflikt zwischen Mexi­ kanern und Angloamerikanern mit der heutigen Situation in den usa? Der Konflikt mit den Mexikanern hat sich fortgeschrieben als ethnischer Konflikt zwischen mexikanischstämmigen Einwanderern und Teilen der amerikanischen Gesellschaft bzw. in verschiedenen Diskursen über Migration. Seit der Besetzung des Nordteils von Mexiko hat es von der Jahrhundertwende an und beginnend mit Flüchtlingsströmen nach der mexikanischen Revolution verschiedene Einwanderungsbewegungen aus ­Mexiko gegeben. Da gab es unterschiedliche PushPull-Faktoren, über die mal weniger, mal mehr Menschen in die usa strömten. Die usa brauchten für die Landwirt­schaft im Südwesten immer billige Arbeitskräfte und haben daher Einwanderer aus ­Mexiko angezogen. In Zeiten großen Bedarfs gab es spezielle Gastarbeiter­ programme, in wirtschaftlich schwierigen Zeiten – z. B. während der Depression in den Dreißiger­jahren – wurden m ­ assenhaft Mexikaner zurück nach Mexiko deportiert. Die Strategien zur Begrenzung der illegalen Einwanderung haben in den letzten Jahren zu einer immer stärker mili­ tarisierten und abgesicherten Grenze ­geführt, die einwanderungswillige Migran­ ten aber nur bedingt gestoppt hat. Die

jüngste und vermutlich auch nicht wirklich erfolgreiche Strategie von Trump ist: Wir bauen jetzt eine Mauer über die gesamte Grenze – das sind über 3000 Kilometer durch teils unwegsames Gelände. Inwiefern werden heute noch geschichtliche Narrative weiter tradiert und zur Rechtfertigung von Besitz­ ansprüchen bemüht? Es gab in den 1960er und 70er Jahren eine aus der Landarbeitergewerkschaft erwachsene politische Bürgerrechts­ bewegung der Mexican Americans, das sogenannte »Chicano Movement«. Die Aktivisten dieser Bewegung – Gewerk­ schafter, Studenten und Intellektuelle – benannten den Südwesten der usa mit einem mythischen Begriff: »Aztlán«, der Ort, von dem die Azteken einer Legende zufolge nach Süden gewandert sind. Sie beriefen sich darauf, dass sie als Mestizen über ihre indigenen Wurzeln von den A ­ zteken abstammen und verwiesen darauf, dass sie auf eine längere Kulturtradition auf dem Kontinent als die Anglo­amerikaner zurückblicken und mitnichten kulturlose Einwanderer und Saisonarbeiter, sondern die rechtmäßigen Besitzer des Landes sind. Bis heute argumentieren mexikanischstämmige Ameri­ kaner: »We never crossed a border, the border crossed us.« Die Angloamerikaner setzen dem das einfache Statement entgegen: »We won the war.«


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Ist die Idee der Frontier, des Grenzkonflikts zwischen zwei Kulturen oder Ethnien, nach wie vor noch in den Köpfen verankert? Die Idee der Frontier ist vielfach kritisiert worden, sie spielt allerdings nach wie vor eine Rolle, wie man in den Diskursen um den Vietnam-Krieg bis hin zum »War against Terrorism« sehen kann. Hier gibt es nach wie vor die Vorstellung, dass die usa einen Konflikt austragen, in dem sie sich als Sheriff imaginieren, der die Ordnung wiederherstellen muss. Allein am Bild des Sheriff kann man ablesen, dass diese Gewalt immer von den Männern auszugehen scheint. Minnie lebt allein in einer Welt von Männern. Im Camp herrscht eine männliche Hackordnung. Welche Rolle spielt in diesem Kontext der Geschlechterdiskurs? Ich glaube, da kommen mehrere Rollenmodelle zum Tragen. Mit dem Beginn der Industrialisierung im frühen 19. Jahrhundert vollzog sich eine Grenzziehung zwischen einem öffentlichen Bereich, in dem die Männer agierten, und dem geschützten privaten Bereich, für den die Frauen zuständig waren. Hier entwickelte sich das viktorianische Ideal der »true ­womenhood«, also das Ideal der tugendhaft reinen und frommen Frau, die dem Mann gehorcht und von ihm beschützt werden muss. Im Gegensatz dazu war der Westen ein Ort, in den auch Frauen gehen konnten, um sich aus solchen ­traditionellen Rollenkonventionen in

anderen Teilen der usa zu lösen. Minnie, die ja in der Oper relativ selbstbewusst gegenüber den Männern auftritt, ist ­dafür ein klassisches Beispiel. Frauen als Pioneer Women an der Grenze konnten freier agieren als in Boston oder Philadelphia. In der Literatur ist die Frontier ein Ort ge­wesen, wo man diese Rollen virtuell durchspielen konnte. Minnie gibt den Goldgräbern im Camp Bibelunterricht. Ich hatte beim ersten Hören die amerikanische ­Familienserie »Die Waltons« im Kopf, die sich regelmäßig in der Sonntags­ schule zum Bibelunterricht ­trafen, oder Szenen aus »Tom Sawyer«. Welchen Stellenwert hat die Religion in dieser Gesellschaft? Während Religion bei den Puritanern eher eine männlich-patriarchalische ­Domäne war, wird sie im 19. Jahr­hundert mit der Trennung von Öffentlichem und Privatem zur vorrangigen Domäne der Frauen. Christliche Nächstenliebe ist etwas, was in erster Linie den Frauen zugeschrieben wird, weil sie sich die Nächsten­liebe im geschützten häus­lichen Bereich leisten können im Gegensatz zu den Männern, die sich in der Welt da draußen die Hände schmutzig machen müssen. Dieses Verständnis wird sehr deutlich in Romanen wie zum Beispiel ­Harriet ­Beecher Stowes »Uncle Tom’s ­Cabin« (»­Onkel Toms Hütte«), in dem es vor allem die Frauen sind, die sich aus christlicher Nächstenliebe gegen die Brutalitäten der Sklaverei wenden.

Der Traum ist vor ­allem ein Mythos.

Möglicherweise kommt dieser christliche Gedanke, der sich in der Oper bei Minnie äußert, auch durch ­Puccini mit ins Spiel. Minnie ­gewisser­maßen als Schwester der Elisabeth in ­Richard Wagners »Tannhäuser«, die für ­Nächstenliebe, Vergebung und ­Erlösung steht. Minnie ist sicherlich die Projektionsfigur für alles Reine und Gute. Darüber hinaus war in der Zeit, in der die Oper heraus­ gekommen ist, die »local color literature« noch sehr aktuell. Man hat versucht, ein Mittelklassepublikum in den Kulturzentren der Ostküste und im Mittleren Westen für die Gebiete jenseits ihres unmittelbaren Wirkungskreises zu inter­ essieren. Man wollte insbesondere nach der Zeit des Bürgerkrieges einen Ein­druck von dieser wiedervereinigten Nation und davon geben, was in diesem riesigen Land in den Peripherien so los ist. Die Beschreibung von ganz anderen Lebensformen, kulturellen Traditionen, ethnischen Gruppen und fremden Dialekten – häufig in einer Mischung aus Lokalkolorit und Exotik – war da sehr populär. Bei aller Fremdheit braucht es jedoch auch vertraute Elemente und Figuren, wie z. B. die christliche Minnie. Ein typisches Klischee, das bis heute mit unserem Bild von Amerika aufs Engste verbunden ist, ist die Karriere vom Tellerwäscher zum Millionär. Was ist dran an diesem »amerikanischen Traum«? Die Idee vom »self-made man« ist ein typisches Muster von Einwanderungs­ diskursen. Einer der Gründungstexte für diesen amerikanischen Traum des Aufstiegs durch persönlichen Einsatz ist die Autobiografie von Benjamin Franklin. Im 19. Jahrhundert gab es dann die Horatio-­ Alger-Stories, Groschenromane, von denen die meisten darauf angelegt sind, dass es ein Individuum von Armut durch harte Arbeit zu Reichtum bringen kann. Das Paradoxe an der Situation der Goldgräber-Camps ist doch eigentlich die Tatsache, dass die Menschen in der Hoffnung auf die große Freiheit durch das schnelle Geld ein Leben in absoluter Unfreiheit, fern ihrer ­Heimat, fern von ihren Familien, in Tristesse, Einsamkeit und Depression in Kauf nehmen und nur mit einer geringen Aussicht auf die Verwirklichung ihrer Träume.


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DR E IKL ANG # 01

Der Traum ist eben tatsächlich vor ­allem ein Mythos. Das Versprechen vom schnellen Reichtum hat sich nur für sehr wenige eingelöst. Im 19. Jahrhundert gab es durch die Industrialisierung und später durch Urbanisierung zwar tatsächlich eine stärkere soziale Mobilität, das galt aber nach oben genauso wie nach unten. Profitiert haben davon zum Beispiel die sogenannten »confidence men«, Trickbetrüger, die über Land fuhren und den Menschen das Geld aus der Tasche zogen, indem sie ihnen den Traum vom schnellen Geld vorgaukelten. Drehen wir die Frage einmal um. ­Welche Klischees haben wir ­Europäer im Kopf, wenn wir über Amerika sprechen? Die Musikalische K ­ omödie präsentiert im Oktober Emmerich ­Kálmáns »Herzogin von Chicago«, in der eine reiche Amerikanerin nach Europa kommt und denkt, mit Geld kann man sich alles kaufen. Um­ gekehrt sind die usa Fluchtpunkt für viele Fantasien. Was ist dran an dem Mythos vom »Land der unbegrenzten Möglichkeiten«? Klischees über Amerika haben sich in Deutschland auf unterschiedliche Weise herausgebildet, zum einen durch den Siegeszug der amerikanischen Populärkultur auf der ganzen Welt – sei es nun Disney, McDonalds oder tv -Serien. Zum anderen dienen die usa auch immer ­wieder als Projektionsfläche für das, was man ablehnt – wie übertriebenen Materialismus oder Konsumkultur. In der ddr wurde von offizieller Seite alles, was man negativ mit dem Kapitalismus verband, auf die usa projiziert; gleichzeitig waren

die usa für viele Menschen aber auch ein Freiheitsversprechen. Gegenwärtig lässt sich wieder beobachten, dass viele Leute den Präsidenten Trump und »die Amerika­ ner« gleichsetzen, was natürlich angesichts der ungeheuren kulturellen, s­ ozialen und politischen Vielfalt des Landes in keiner Weise der Realität entspricht. Aller­ dings gibt es tatsächlich Werte, auf die sich die meisten us-Amerikaner einigen können, so zum Beispiel ein Grundverständnis über die Redefreiheit oder auch die Überzeugung, dass jeder für sein eigenes Leben und Erfolg oder Misserfolg die alleinige Verantwortung trägt. Auch findet man häufiger als z. B. in Deutschland einen grundsätzlichen Opti­mismus: aufstehen und weitermachen; der Glaube an Gewinner. Das entspricht dem amerika­ nischen Selbstverständnis, dass jeder ­seines Glückes Schmied und daher auch für ­Niederlagen selbst verantwortlich ist. Dem Staat wird dabei kaum Verantwortung übertragen, auch nicht für die Schwächsten der Gesellschaft. Es erklärt, warum solidarische Gedanken (wie etwa der, dass alle in ein gemeinsames Gesundheitssystem einzahlen) sich nur schwer durchsetzen. Solidarität manifestiert sich vor allem als Wohltätigkeit – das Spendenwesen ist viel ausgeprägter und erfolg­ reicher als z. B. in Deutschland, Kirchen und Wohlfahrtsverbände spielen dabei eine deutlich größere Rolle als hier. Es ist hilfreich, diese Unterschiede mitzube­ denken, bevor man sein Urteil über die usa fällt. Aber auch die Amerikaner ­haben ja häufig Klischeevorstellungen über das »alte« Europa. Und in Opern oder Operetten – wie der »Herzogin von ­Chicago« – werden solche Klischees ­natürlich ausgelebt. Z UR PE RS O N

Schon gewus s t ?

Amerika als Topos taucht vor »­La f­ anciulla del West« bereits zwei Mal in Opern von ­Puccini auf: In »­Manon Lescaut« und »­Madama Butterfly«, in der P ­ uccini sogar die ­amerikanische Nationa­l­ hymne zitiert.

Prof. Dr. Gabriele Pisarz-Ramirez ist Professorin für American Studies and Minority Studies an der Universität Leipzig. Lehraufträge an den Universitäten Göttingen, Bielefeld, Bayreuth und Groningen (Niederlande). 2009 Gastprofessorin am Center for Comparative Studies in Race and Ethnicity an der Stanford University.

Auf n ac h Kal i f o r n i e n !

La fanciulla del West Das Mädchen aus dem ­ goldenen Westen Giacomo Puccini L E IT UN G

Musikalische Leitung Ulf Schirmer Inszenierung Cusch Jung Bühne, Kostüme Karin Fritz Choreinstudierung Thomas Eitler-de Lint / Alexander Stessin Dramaturgie Christian Geltinger B ES E TZ UN G

Minnie Karine Babajanyan / Meagan Miller Jack Rance Anooshah ­Golesorkhi / Simon Neal Dick Johnson Gaston Rivero Nick Patrick Vogel Ashby Randall Jakobsh Sonora Jonathan Michie Trin Matthew Peña Sid Franz Xaver Schlecht Bello Viktor Rud Harry Tyler Clarke Joe Sven Hjorleifsson Happy Jakob Kunath Larkens Roland Schubert Billy Jackrabbit Artur Mateusz Garbas Jake Wallace Sejong Chang José Castro Jean-Baptiste Mouret Wowkle Christiane Döcker Herren des Chores der Oper Leipzig Gewandhausorchester PR E M IE R E

29. Sep. 2018, Opernhaus AUF F Ü H R U N G E N

03., 06. & 28. Okt. / 10. & 24. Nov. / 02. Dez. 2018 alle Vorstellungen mit ­Einführung 45 Min. vor Vorstellungsbeginn KA N T IN E N G ES PR ÄCH

02. Dez. 2018 im Anschluss an die Vorstellung Der Mythos vom »self-made man«


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New York! New York! Ist das Musical die ­a merikanische Operette? T E XT: C H RI ST I AN G E LT I N G E R

Die Musikalische Komödie, das Theater mit Herz im ­Leipziger Stadtteil Lindenau. Der Name ist Programm, denn die Genregrenzen sind hier fließend. Versteht sich das Ensemble in erster Linie als eines der wenigen Spezial­ ensembles für Operette und Musical, so ist dieses Feld in sich doch höchst differenziert. Bei all den unterschiedlichen Bezeichnungen, die die Komponisten im Laufe der Jahrzehnte für ihre Werke gefunden haben, von Operette über Singspiel, Musikalische Komödie, Komö­die mit Musik, Komische Oper, Spieloper bis hin zu Music Comedy und Musical, stellt sich die Frage: Gibt es überhaupt die Operette oder das Musical? Und was ist der Unterschied? Ist das Musical einfach nur die amerikanische Weiterführung der Operette? »Das Musical, eine uns als Import aus den Vereinigten Staaten – und zuletzt auch aus England – bekanntgewordene Gattung des Musiktheaters, ist in seinen ursprünglichen Schöpfungen stark geprägt von den kulturellen, politischen und sozialen Verhältnissen in den usa, nicht zuletzt von ihren Einwanderern und deren Traditionen.« So steht es in dem 1989 bei Reclam erschienenen Musi­ calführer von Charles B. Axton und Otto Zehnder. Bereits neun Jahre früher ist auf dem Klappentext des im Ostber­liner veb Lied der Zeit Verlag erschienen Bandes »­Musical. Geschichte und Werke« zu lesen: »Die Frage >Was ist ein Musical?< hat schon zahlreiche Musik- und Theaterwissenschaftler beschäftigt. Die Antwort wird auch im vorliegenden Buch nicht als eindeutige Definition zu finden sein.« Im Gegensatz zu ihren westdeutschen Kollegen setzten die Komponisten der ddr der amerikanischen Tradition mit »Messeschlager Gisela«, »Mein Freund Bunbury« oder »In Frisco ist der Teufel los« eine deutsche Alternative entgegen. Die Übergänge zwischen Operette, Oper und Musical sind also fließend. Das trifft insbesondere auf Leonard

Bernsteins Werke für den Broadway zu, die im Wesentlichen allesamt zwischen den Jahren 1944 und 1957 entstanden sind. Die Reihe beginnt mit dem Stück »On the Town«, das gemeinhin als Bernsteins erstes M ­ usical bezeichnet wird, und endet mit den beiden Klassikern »­Candide« (1956) und »West Side Story« (1957), mit denen sich der Komponist in die Musikgeschichte einschrieb. Bezeichnet Bernstein selbst »Candide« aufgrund seiner Nähe zu europäischen Musiktheater­formen als »­Comic Operetta in two Acts«, so gilt »West Side Story« gemeinhin als die amerikanische Oper des 20. Jahrhunderts, wobei sich auch hier die Geister scheiden. »On the Town« steht noch ganz in der Tradition der sogenannten »­Musical Comedy«: »Die >American Musical Comedy< stellt sich damals wie heute nicht als eine in sich einheitliche Gattung dar. Viel­mehr hatte sich mit den Werken von Berlin, Kern, ­Gershwin, Rodgers bis hin zum Beginn der 40er Jahre lediglich ein Konsens über die Grundlagen der Gestaltung von derartigen Broadway-Shows herauskristallisiert, an dem man sich von nun an orientierte. Dieser Konsens basierte auf der Synthese zweier zunächst voneinander getrennter Entwicklungsstränge, in die sich die unterschiedlichen Darbietungen am Broadway einteilen lassen: Dies sind zum einen die aus Europa und vor allem ­England importierten Formen der Operette und zum anderen die eigene amerikanische Tradition der Bühnenshow«, so der Musikwissenschaftler Andreas Jaensch in seinem Buch zu Leonard Bernsteins Musiktheater. Die Gattungsfrage ließe sich endlos weiterführen und ist für den Zuschauer, der einen unterhaltsamen Abend verbringen möchte, offen gestanden auch nicht so ­wichtig. Es scheint zumindest so, als sei der lokale Bezug nicht ganz von der Hand zu weisen. Operette verbindet man entweder mit Wien, Berlin oder aber mit Paris, ­Musical mit dem Broadway oder dem West End. Und so ist auch Leonard Bernsteins für den Broadway komponierte ­ ­Musical Comedy »On the Town« ebenso eine große ­Hommage des Komponisten an seine Heimat wie seine »West Side Story«. In den Wirren des Zweiten Weltkriegs komponiert Bernstein ein Stück über drei Matrosen, die bei einem Landgang für 24 Stunden ihren Alltag vergessen dürfen. Mit seiner Gute-Laune-Musik ist das M ­ usical auch ein Beispiel für eine amerikanische Verdrängungskultur jenseits der aktuellen Kriegsschauplätze in Europa. Das Leben des Matrosen – so die vielversprechende Botschaft – kennt viele Häfen. Dieses Recht auf Freizügigkeit räumt Bernstein auch den Frauen ein. Und so ist sein Musical ein Plädoyer für das Leben im Hier und Jetzt jenseits aller bürgerlichen Moral. L ES E N S IE DA Z U

Andreas Jaensch: Leonard Bernsteins Musiktheater, Bärenreiter-Verlag, Kassel 2003 B ES U CH E N S IE

https://dippelmedien.wordpress.com/2017/04/ 15/die-tagebuecher-von-gerd-natschinski/


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DR E IKL ANG #01

einen Prinzen samt Schloss mit ihren Schecks erstehen zu können. Als sie in einer Budapester Bar Sándor kennenlernt, ist das ideale Wettobjekt gefunden. Doch der wehrt sich gegen die amerikanische Übernahme und es beginnt der Kampf zweier Weltordnungen.

» Das ist der Rhythmus, wo man mit muss « Amerika-Boom in der Operette der Zwanzigerjahre TEXT: ELI SABETH KÜH NE

Reiche Vollblut-Amerikanerin trifft auf ­verarmten Operetten-Adel – so könnte man wohl in aller Kürze Emmerich ­Kálmáns »Herzogin von Chicago« beschreiben. Sie liebt Charleston und Jazz, er schwärmt für Walzer und Csárdás. Sie ist Miss Mary Lloyd, Millionärstochter aus Chicago, er Erbprinz Sándor aus dem bankrotten Fantasiebalkanstaat Sylvarien. Eine Wette führt die beiden zusammen: Als Mitglied des Young Ladies ­Eccentric Club wettet Mary mit ihren reichen Freundinnen,

Es geht also um nichts Geringeres als das Duell Amerika gegen Europa, Fortschritt gegen Tradition, Jazz gegen Csárdás – ein musikalischer wie kultureller Wettstreit, den Kálmán in seiner 1928 uraufgeführten Operette da austrägt. Mit dieser Thematik hatte Kálmán den Finger ganz am Puls der Zeit, immerhin erreichte die Amerikafaszination in den Zwanzigerjahren bis dato ungekannte Ausmaße. »Amerikanismus« avancierte zur Chiffre für bedingungslose Modernität und – vielleicht sogar entscheidender – zur radikalen A ­ lternative zum überlebten Kaiserreich, das in die ­Ka­tastrophe des Ersten Weltkriegs ­ge­führt hatte. Der Mythos vom Land der unbe­grenz­ten Möglichkeiten und die Ver­heißungen der amerikanischen Wirtschafts- und Finanzkraft entfachten in der Nachkriegsgesellschaft kollektive Sehnsüchte. Sehnsüchte, die nach der (auch mit Hilfe der us-amerikanischen Politik erreichten) wirtschaftlichen Konsolidierung Europas Mitte der Zwanzigerjahre auch in greifbare Nähe rückten. Von ­Berlin bis Wien und Paris entfaltete sich so ein in dieser Weise vielleicht nie dagewesener kulturel­ler Reichtum. Ausdruck des um sich ­greifenden amerikanischen Lebensgefühls war der Jazz, der mit seinen hek­ tischen Rhythmen und ­Synkopen ganz auf der Höhe der Zeit zu stehen schien. Er war frisch, jung und neu, und stand in seiner anarchischen Freiheit für den Bruch mit allem Alten. Nicht zuletzt w ­ aren die amerikanischen Modetänze Ausdruck der neuen sexuellen Befreiung. Ob Shimmy, Charleston oder Foxtrott – all diese Tänze wirkten geradezu entfesselt im Ver­gleich zum Gesellschaftstanz des 19. Jahrhunderts. Natürlich sog auch die Operette als vollkommerzielles Massenentertainment im Sinne des Zeitgeists den Jazz und die aus Amerika herüberschwappenden Tänze in sich auf. Den Anfang machte 1921 ­Kálmán mit seiner »Bajadere« und dem Schlager »Fräulein, bitte woll’n Sie Shimmy tanzen«. Auch Franz Léhar verwendete in seiner Operette »Clo-Clo« von 1924 aktuelle Tänze wie Foxtrott, Shimmy und sogar den kurzzeitig in Mode kommenden Java (bei dem der Herr seine Hände auf dem Po der Dame ruhen lässt!). Andere Komponisten wie Eduard


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Schon ge wu sst ?

In Kálmáns »­Herzogin von Chicago« erklingt ­Beethovens Fünfte ­Sinfonie – als Foxtrott!

Künneke, Ralph Benatzky, ­Oscar Straus oder Mischa Spoliansky zogen nach. Nicht zu vergessen: Paul Abraham, dessen »Blume von Hawaii« das erfolgreichste Bühnenwerk der Weimarer Republik wer­den sollte. Selbst Operettenlieblinge wie »Die Csárdásfürstin«, »Die lustige Witwe« oder »Der Mikado« wurden von den ­Berliner Revuekönigen H ­ erman H ­ aller und Erik Charell neu verjazzt. Letztlich erreichte die Jazz-Manie sogar die Oper. In Ernst Kreneks 1927 in Leipzig urauf­ geführter Oper »Jonny spielt auf« wird – ganz ähnlich wie in Kálmáns »­Herzogin von Chicago« – der amerikanische ­Einfluss auf die deutsche Musik­kultur selbst zum Thema. Es ist ein Werk, das wohl wie kein zweites das Lebensgefühl der »­Roaring Twenties« atmet, den Umbruch, den Zweifel, aber auch die Faszination für das neue, unaufhaltsame Tempo, personifiziert im farbigen Jazz-Geiger Jonny. Während ­Jonnys Musik die Massen begeistert, wirkt der verinnerlichte Komponist Max wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten, dessen Arien die Verbindung zum Publikum verloren haben. Das Duell »amerikanischer Jazz kontra europäische Musiktradition« entscheidet sich hier eindeutig zu Gunsten der Neuen Welt. Der Amerika-Boom der Zwanzigerjahre wurde jedoch keineswegs einhellig auf­ genommen. Faszination und Wider­willen, Amerikataumel und -tadel gingen vielmehr Hand in Hand. Gerade gegen Ende der Goldenen Zwanziger mehrten sich kritische Stimmen gegen den amerikani­ schen Dollar-Imperialismus. Man warf den Vereinigten Staaten S­ eelen- und Kul­turlosigkeit vor. Die usa war in den ­Au­gen ihrer Kritiker ein Land, regiert von schnödem Mammon und leerem Glitzern. Auch dies fand Widerhall in den ­Operetten jener Zeit: So dient dem amerikanischen Finanzmagnat e.w. P ­ atterton in Nico ­Dostals Erstling »Clivia« ein F ­ ilmprojekt als Vorwand, um seine eigenen politischen und geschäftlichen Interessen im

fiktiven südamerikanischen Staat ­Boliguay zu verschleiern. Und auch A ­ brahams »Blume von Hawaii« zeigt unverhohlen die imperialistischen Tendenzen der usa auf. Mary legt in ­Kálmáns »Herzogin von Chicago« ebenfalls jene von Amerika-­­ Kri­tikern so scharf verurteilte Dollar-­ Diplo­matie an den Tag, wenn sie glaubt, für Geld einfach alles kaufen zu können, ­sogar die Liebe. In die immer aggressiver wer­dende antiamerikanische Haltung ­mischten sich schließlich auch völkische Ar­gu­mentationen, bis hin zu offenem Rassismus gegen die in Europa auftretenden farbigen Jazz-Musiker. Auch Kálmán griff in seiner Operette den Topos des schwarzen Jazz-Saxophonisten als Symbol der neuen Musikrichtung auf. Aus heutiger Sicht wirkt dessen Vertreibung im musikalischen Wettstreit zwischen Tra­ dition und Moderne am Ende des Vorspiels wie ein schreckliches Omen. Vor allem angesichts der Tatsache, dass nicht nur der Jazz und damit auch Kálmáns »Herzogin von Chicago« nur wenige Jahre später als entartete Musik von den Nationalsozia­ listen diffamiert wurden, sondern auch der Komponist selbst als Jude in die usa fliehen musste. Die Aussöhnung von alter und neuer Welt, wie sie Kálmán am Schluss seiner Operette sucht, blieb ­hoffnungsvolle Utopie: Denn wie ein Charleston am Ende »doch gar nix anderes als amerikani­ scher Csárdás« ist, so finden auch Mary und Sándor letztlich zusammen.

Ve r an s tal tun g s ti p p Am 19. Oktober ist Yvonne Kálmán, die jüngste Tochter des Komponisten der ­»Herzogin von­­Chicago«, zu Gast in unserer neuen Reihe »Der rote Teppich« und spricht ab 20 Uhr im ­Restaurant L ­ ortzing über Werk und ­Wirken ihres Vaters.

Tan z g e f äl l i g?

Die Herzogin von Chicago Emmerich Kálmán L E IT UN G

Musikalische Leitung Tobias Engeli / Stefan Klingele Inszenierung Ulrich Wiggers Bühne, Kostüme Leif-Erik Heine Choreografie Kati Heidebrecht Choreinstudierung Mathias Drechsler Dramaturgie Elisabeth Kühne B ES E TZ UNG

Mary Lloyd Lilli Wünscher Prinz Sándor Boris Radoslaw Rydlewski / Adam Sanchez Prinzessin Rosemarie Laura Scherwitzl James Jacques Bondy Jeffery Krueger Graf Bojazowitsch Ansgar Schäfer Benjamin Lloyd / König Pankraz xxvii. Milko Milev Tihanyi Michael Raschle / Justus Seeger Primas Thomas Prokein Chor, Ballett und Orchester der Musikalischen Komödie PR E M IE R E

20. Okt. 2018, Musikalische Komödie AUF F Ü H R U NG EN

21., 27., 28. & 31. Okt. / 21. Nov. / 04., 22., 23. & 25. Dez. 2018 / 19. & 20. Jan. 2019 W E R K S TAT T

16. Okt. 2018, 18:00


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DR E IKL ANG #01

Freiheit lebt ohne Angst AN N A EVA N S S PI ELLEI TER I N UN D SOLI ST I N AN DER MUS I KA LI S CH E N KOMÖD I E

Ich glaube, die ­Amerikaner leben ­ständig in Angst. Historisch gesehen war mein Land in der Tat das Land der Freien: Es symbolisierte die Revolution gegen das Regime, die Flucht vor Verfolgung und den Geist des Neuan­ fangs für die Unterdrückten. Es war ein Land der Exilanten, die ihre Freiheit an neuen Ufern fanden und ein besseres ­Leben ohne Angst aufbauten. Jetzt, da diese Küsten für diejenigen, die es am meisten brauchen, geschlossen sind, kann ich nicht mehr sagen, dass es das Land der Freien ist. Und das ist in der Tat schon seit einiger Zeit der Fall. Ich glaube, die Freiheit lebt ohne Angst, und die Amerikaner leben ständig in Angst. Angst vor der Polizei für viele, Angst vor Massenerschießungen, Angst vor Terrorismus, Angst vor lähmenden College-­ Schulden, Angst, ohne Versicherung krank zu werden und Angst vor Außenstehenden und Nichtchristen. Wie kann man das Freiheit nennen? Ich bin Deutschland – meiner Wahlheimat seit siebzehn Jahren – dankbar, dass es mir eine andere Art zu leben gezeigt hat.

An der Oper Leipzig arbeiten Menschen aus 32 ­Nationen ­zusammen. ­Darunter sind viele Amerikaner. dreiklang hat drei davon befragt, wie sie über den ­Freiheitsgedanken des amerikanischen Gründungsmythos aus heutiger Sicht denken.

J O N AT H A N M ICH IE S O L IS T A N D E R O PE R

Das »Streben nach Glückseligkeit« muss universell werden. »Wir halten diese Wahrheiten für ausgemacht, dass alle Menschen gleich erschaffen worden sind, dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt worden sind, worunter sind Leben, Freiheit und das Bestreben nach Glückse­ligkeit.« Diese Gründungserklärung, geschrieben von Männern, die andere Menschen als Eigentum besaßen, legt die Ideale dar, nach denen unsere unvollkommene Verei­ nigung streben kann. Die Schönheit des ame­rikanischen Experiments liegt nicht in seiner Ausführung, die von Anfang an fehlerhaft war, sondern in diesen Konzepten und Idealen. Dieses »Land der Freiheit« schuf einen Weg, auf dem wir stolpernd und holpernd auf eine gerechtere Nation zugehen können. Die Gleichheit des Ergebnisses kann niemals garantiert werden, da diese der menschlichen Natur zuwiderläuft. Die Chancengleichheit in diesem »Streben nach Glückseligkeit« muss jedoch univer­ sell werden, um eine wirklich freie Gesellschaft aufzubauen. Moderne Demokratien, so chaotisch und unberechenbar sie auch sein mögen, sind dem Aufbau freier und fairer Gesellschaften am nächsten gekommen.


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A LD E N G AT T KO R REPE T I TOR AN D E R OP E R

Freiheit ist nicht per se in Amerika als Nation ­lebendig, ­sondern nur in jedem Mensch, der für sie kämpft. Ich bin mit meinem Freund vor ein paar Wochen durch Texas gereist und wir waren einen Tag in Fredericksburg, einer schönen kleinen Stadt mit Biergärten und Tanzhallen, gegründet in der Mitte des 19. Jahrhunderts von der deutschen Intelligentia und Bürgern, die vor dem Chaos nach der Revolution 1848 aus Deutschland geflohen sind. Die Stadt wurde damals Friederichsburg buchstabiert nach dem preußischen Prinzen Friederich. Die Deutschen brachten nicht nur ihre Liebe fürs Tanzen und Bier mit, sondern auch ihre Hoffnung auf ein besseres ­Leben für alle und ihre liberale Auffassung von Freiheit. In ­Comfort, dem benachbarten Dorf mit 3.000 Einwohnern, fuhren wir an einem alten Denkmal vorbei – das erste Denkmal, das nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg in Texas der wiedervereinigten Union geweiht wurde. Darin waren auf Deutsch die Worte eingemeißelt: »Treue der Union«. Das Denkmal steht zur Erinnerung an 37 deutsche Einwanderer, die wegen ihres kühnen Widerstands gegen die Sezession und die Sklaverei 1862 gejagt und ermor­det worden sind. Viele haben bezüglich »Freiheit in Amerika« über Thomas J­ efferson und die Aufklärung geschrieben. Ich dachte jedoch, dass diese Geschichte ein zwar kleines, aber dennoch ergreifendes Beispiel war, wie neue Einwanderer uns Amerikaner einmal die wahre Bedeutung des Wortes »Freiheit« gelehrt haben. Diese Geschichte erinnert mich auch daran, wie zerbrechlich die Freiheit ist und veranschaulicht, dass sie nicht per se in Amerika als Nation lebendig ist, sondern nur in jedem Menschen, der für die Freiheit kämpft.

A l l e Man n an Bo r d !

On the Town Leonard Bernstein L E IT UN G

Musikalische Leitung Stefan Klingele / Christoph-Johannes Eichhorn Inszenierung Cusch Jung Choreografie Natalie Holtom Bühne Karin Fritz Kostüme Aleksandra Kica Choreinstudierung Mathias Drechsler Dramaturgie Christian Geltinger B ES E TZ UNG

Gabey Jeffery Krueger Ozzie Benjamin Sommerfeld Chip Andreas Rainer Ivy Smith Patricia Klages Hildy Esterhazy Zodwa Selele Claire de Loone Nora Lentner Lucy Schmeeler Melissa Jung Pitkin W. Bridgework Justus Seeger Madame Dilly Sabine Töpfer Ansager Michael Raschle Dolores Angela Mehling Ballett, Chor und Orchester der Musikalischen Komödie PR E M IE R E

26. Jan. 2019, Musikalische Komödie AUF F Ü H R U NG EN

S c h o n g e w us s t?

Bei einem Konzert ­anlässlich des Mauerfalls ließ Bernstein im Dezember 1989 in Beethovens »Ode an die Freude« das Wort »Freude« jedes Mal durch »Freiheit« ersetzen.

27. Jan. / 01., 02., 03., 16., 17. & 19. Feb. / 16. & 17. Mar. / 06., 07., 24. & 26. Apr. / 18. & 19. Mai 2019 W E R K S TAT T

22. Jan. 2019, 18:00


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DR E IKL ANG #01

Z U GABE

Unterwegs mit

Sven Hjörleifsson des Polarkreises. Das Museum widmet sich der isländischen Volksmusik – die ideale Kulisse, um die Gedichte und Lieder Islands zum Klingen zu bringen.

Kjölur

Endspurt: Die letzten Vorstellungen der Spielzeit stehen an. Leipzig 20. 0 6. 2 0 18

Noch ein finaler Blick in den Spiegel, ­bevor es als polnischer Botschafter in »Der ­Rebell des Königs« auf die Bühne geht. Ich liebe es, mich als Sänger i­ mmer wieder zu ver­wandeln. In dieser Oper schlüpfe ich ­sogar in zwei verschiedene Rollen: die des polnischen Botschafters mit Glatze und Vollbart und die des ­Montmort mit prächtigen Goldlöckchen.

0 6 . 0 7. 2 0 1 8

Einen Kaffee und ein gutes Buch – mehr braucht es nicht, um in der Spielzeitpause zu entspannen. Nordisland, Skjalfandafljót 03 . 0 7. 2 0 1 8

Acht Bücher habe ich mir für diesen Sommer vorgenommen, darunter­William ­Winwood Reades »The ­Martyrdom of Man«, übrigens das Lieblingsbuch von Churchill, und eine Novelle des isländischen Schriftstellers Þorsteinn frá Hamri – sehr zu empfehlen! Wenn man dann noch den Blick ins Grüne genießen kann, wie hier in der Sommer­hütte meines Bruders in Nord­ island, ist der Urlaub perfekt.

Siglufjörður 29. 0 6. 2 0 18

Im Sommer nutze ich gern die Zeit, auch in meiner isländischen Heimat a­ ufzutreten, wie hier im Volksmusikzentrum in ­Siglufjörður. Siglufjörður ist die nördlichste Stadt des Landes, 40 Kilometer südlich

Zum Beispiel bei einer Tageswanderung im Hochland Kjölur zwischen zwei Gletschern. Da ist man wirklich »in the middle of ­nowhere«. Eine Mütze ist bei sommer­ lichen 10 Grad aber trotzdem angebracht!

In Island bekomme ich immer wunderbar den Kopf frei ...

Als Sänger gehört Spontaneität einfach dazu. Selvogur 0 8 . 0 7. 2 0 1 8

Kurzfristig springe ich für ein Konzert beim Musikfestival »Englar og menn« ein und singe in der Strandarkirkja, einer ­Kirche ­direkt am Strand, in der sich vor über hundert Jahren die Seefahrer zur Andacht versammelt haben. Begleitet werde ich übrigens von Bjarni Frimann Bjarnason, dem General­musikdirektor der Isländischen Oper.


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Ein ganz besonderer Tag in Schweden ... Vimmerby 1 9. 0 7. 2 0 1 8

Familienzeit!

Nach vier Jahren Beziehung habe ich meinem Freund Steven vor Astrid Lindgrens Geburtshaus einen Heiratsantrag gemacht. Als er schließlich realisierte, dass ich es ernst meine, lautete die Antwort: »Ja!«

Akureyri 10.  0 7.  2 018

Ein wunderbarer Abend mit meinem Vater und meinem Partner beim gemein­ samen ­Essen in meinem Geburtsort Akureyri.

Pünktlich zum Beginn der neuen Spielzeit bin ich zurück im sonnigen Leipzig. Leipzig 1 7. 0 8 . 2 0 1 8

Nun stehen die Proben für die erste ­Premiere an: »La fanciulla del West«.

Baden bei Wien 2 7. 0 7. 2 0 1 8

Reykjavík

Als Einspringer für drei Vorstellungen der »Lustigen Witwe« in der Sommerarena kann ich in meiner wohl meistgesungenen Partie auftreten: Camille de Rosillon. Da­bei treffe ich auf liebe Kollegen wie M ­ artha Hirschmann, mit der ich schon in Linz ­gemeinsam auf der Bühne stand.

15 .  0 7.  2 018

Im Perlan-Museum kann man die Natur ­Islands erkunden – inklusive eines künst­ lichen Gletschers samt begehbarer Eishöhle. Das ist unheimlich spannend, vor allem wenn man bedenkt, dass Island eines der ersten Länder ist, das von der globalen Erwärmung betroffen ist. Noch vor ein paar Jahren gab es in Island den Ok-Gletscher, 50 km2 groß und 50 m tief. Jetzt umfasst er nur noch 1 km2 und geht nur noch 15 m in die Tiefe.

Leipzig DEZEMBER 2018

Schon jetzt freue ich mich auf meine Vorstellungen als Hexe in »Knusper, knusper, knäuschen«. Mit diesem Kostüm kann das Foyer auch schon mal zum Catwalk werden.

Heute mal im Frack. Z UR PE RS O N

Graz 1 2 . 0 8 . 2 0 1 8

Für mein Konzert mit dem Männerchor Reykjavík im Grazer Minoriten­saal gehe ich in der Künstler­garderobe noch e­ inmal das Programm durch. Ein besonders ­schöner Nebeneffekt – das Wiedersehen mit Diri­gent Fridrik S. Kristinsson, meinem ­ersten Gesangslehrer!

Sven Hjörleifsson, Tenor, musikalische Ausbildung in Reykjavík und an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Ab 2012/13 festes Mitglied im Ensemble des Landestheater Linz. Ab 2017/18 Ensemblemitglied der Oper ­Leipzig. 2018/19 neu: Joe in »La fanciulla del West«, Remendado in »­Carmen«, Steuermann in »Der fliegende Hollän­der«, Wenzel in »Die verkaufte Braut« und Prinz ­Adelaar / 1. Hofschranz in »Schneewittchen«.


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DR E IKL ANG #01


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» Die ­weibliche ­L ibido ist ein Alles­f resser « Wie frei lieben wir wirklich? Ein Essay. T E XT: N E LE WI N T E R

Über die Lust von Frauen und ­Männern geistern zahlreiche K ­ lischees und ­gefühlte Wahrheiten in den M ­ edien und K ­ öpfen ­herum: Sie sucht den ­Partner fürs Leben, er die schnelle Nummer mit m ­ öglichst vielen Frauen. Oder auch das krasse Gegen­­teil: Es gibt überhaupt keine ­Unterschiede, ­allein soziale Normen ­bewirken, dass Frauen sich tendenziell ­anders verhalten als Männer.

Immer wieder tauchen neue Studien auf, die mitunter zusätzlich Verwirrung stiften. Frauen sollen demnach zum Beispiel One-Night-Stands häufiger ­bereuen als Männer. Bei denen ist eher das ­Gegenteil der Fall: Sie bereuen nicht genutzte C ­ hancen. So weit so klischeehaft. Es gibt allerdings auch über­ raschendere Erkenntnisse. So sprechen Frauen laut einer Studie der kanadischen Sexualtherapeutin Meredith Chivers angeblich vielfältigere Varianten von Pornografie an als Männer: Darstellungen von Hetero- und Homoerotik, Gruppensex, Masturbation und sogar kopulierende Zwergschimpansen lösen bei Frauen Erregung aus – unabhängig von der eigenen

sexuellen Orientierung. Heterosexuelle Männer hingegen reagieren auf Heteroerotik, homosexuelle Männer auf Homoerotik. Zwergschimpansen lassen Männer vollständig kalt. »Die weibliche Libido ist ein Allesfresser«, beschreibt dies der amerikanische Autor Daniel Bergner. Doch wie frei leben Frauen diese in der Fantasie ja anscheinend recht vielfältige Sexualität tatsächlich aus? Das Bild der »wilden« Frau, die ihrer Sexualität frei nachgeht, ist ein seit Menschengedenken gern gewähltes Sujet in der Kunst. Solche Frauen wurden in den letzten Jahrhunderten und Jahrtausenden oft als exotische Besonderheit dargestellt oder sogar dä­ monisiert. Immer wieder gab es dafür Erklärungs­ ansätze. Demnach fasziniert eine promiske Frau den Mann und verunsichert ihn zugleich. In ihr schlummert das Versprechen auf Genuss ohne Reue, Erotik ohne Verbindlichkeit und Verpflichtung. Doch oft empfindet er sie als Bedrohung, da sie sein Bedürfnis, als Partner gebraucht zu werden, nicht befriedigen kann und will. Außerdem muss er ständig mit potenziellen oder tatsächlichen Konkurrenten rechnen. Ein Paradebeispiel für eine solche, oftmals als »femme fatale« bezeichnete Frau, ist die Titelrolle in Georges Bizets Oper »Carmen«. Häufig wurden diese Frauen­ figuren mit einer »unschuldigen« keuschen Frau


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DR E IKL ANG #01

kontrastiert. Hier wird die unabhängige, selbstbe­ wusste Carmen der treuen und mädchenhaften ­Micaëla gegenübergestellt. Spannend ist, dass B ­ izet beide Frauen als Sympathieträgerinnen ­zeichnet. Den Gegenpol bildet ­Carmens Verehrer Don José, der für sie seine Stellung beim Militär aufgibt, nur um sich ­direkt von Carmen emotional abhängig zu machen. Das passt der freiheitsliebenden Carmen gar nicht. Sie wünscht sich einen unabhängigen Mann, den sie in dem Stierkämpfer Escamillo findet, worauf Don José die Geliebte im Eifersuchtsrausch tötet.

Ich hasse Liebhaber, die sich wie Ehe­männer aufführen.

Carmen verdient ihr eigenes Geld und hat gute Freunde, ist also in ein Sozialgefüge eingebunden, das ihr Sicherheit und Schutz gibt, ganz ohne die bürgerliche Institution Ehe. Sie braucht k ­ einen Mann, der sich um sie kümMusetta, Puccinis »La Bohème« mert, und möchte eine Be­zieh­ ung daher nur unter Bedingungen führen, die sie nicht in ihrem eigenen Leben und Handeln einschränken. Carmen ist in dieser Hinsicht eine zukunftsweisende Frauenfigur. Tatsächlich gehen die meisten Scheidungen heutzutage von Frauen aus. Ein Grund ­dafür mag ihre wachsende finanzielle Unabhängigkeit sein. Außerdem scheinen Männer von der Ehe ganz pragmatisch eher zu profitieren als Frauen. Da verheiratete Frauen zusätzlich zur Arbeit häufiger Haushaltspflichten übernehmen, empfinden sie die Ehe wahrscheinlich auch eher als Belastung. So möchten auch ältere Frauen seltener eine Ehe eingehen als ältere Männer, bei jungen Männern und Frauen hingegen verhält es sich umgekehrt. Das Klischee der endlos duldsamen und leidensfähigen Ehefrau à la Penelope bedarf also dringend einer Generalüber­ holung. Trotzdem wünschen sich die meisten Frauen nach wie vor verbindliche Beziehungen, nur eben häufiger nach eigenen und neuen Regeln. Immer wieder taucht bei der Frage nach der sexuellen Freiheit das Thema Treue auf. Ist der Mensch tat­ sächlich für eine lebenslange monogame Beziehung gemacht oder widerspricht das seiner Natur?

Laut einigen Forschern hat die serielle Monogamie – also einige Jahre andauernde verbindliche Bezie­ hungen, Seitensprünge inklusive – in den letzten Jahrtausenden das Überleben der Spezies gesichert. Durch das relativ schmale Becken der Frau, das dem aufrechten Gang geschuldet ist, und den großen Kopf des Homo sapiens müssen Menschenkinder recht früh geboren werden und sind lange schutz- und ­pflegebedürftig, weshalb zwei sorgende Elternteile vorteilhaft sind. So viel zur Theorie. Immer wieder erlebt man allerdings, dass sowohl Männer als auch Frauen spontane Abenteuer ­suchen. In der Musiktheaterwelt gibt es zahlreiche ­Stücke, die von solchen Abenteuern berichten, wie in L ­ eonard Bernsteins erstem Musical »On the Town«. Im ­Wissen, am nächsten Tag wieder abzureisen, sind drei junge Matrosen beim Landgang auf der Suche nach kurzen Romanzen und werden fündig. Die Ab­reise gestaltet sich zwar traurig, doch sowie die ­Matrosen an Bord sind, kommen drei neue nach. Man kann sich vorstellen, wie es weitergeht … Beim Fremdgehen sind Frauen und Männer, wenn man den Studien glauben darf, ungefähr gleich umtriebig. Don Alfonsos Weisheit »così fan tutte« (so machen’s alle Frauen) sollte man also getrost in »così fan tutti« (so machen’s alle) ändern. Wenn man allerdings die Gesamtzahl der Sexualakte betrachtet, ist in den letzten Jahrzehnten bei beiden Geschlechtern ein starker Rückgang zu verzeichnen. Laut einer Studie, die 2017 in den »Archives of Sexual Behavior« veröffentlicht wurde, hatten Amerikaner im Jahr 2002 noch durchschnittlich 64-mal Sex, 2014 waren es nur noch 53-mal. Dieser Trend zieht sich übrigens durch alle Altersgruppen und gilt besonders für ­Verheiratete, nur über 70-jährige waren interessanter­ weise nicht betroffen. Weder Frauen noch Männer machen also anscheinend von der gewachsenen sexu­ ellen Freiheit Gebrauch. Das verwundert, sind doch explizite erotische Darstellungen in Werbung und Medien omnipräsent, so leicht zugänglich wie nie und die Gesellschaft vermeintlich offener und tole­ ranter als je zuvor. Dieses Phänomen wird umgangssprachlich häufig als »oversexed but underfucked« beschrieben. Nun tauchen also wieder neue Fragen auf: Hängt das stagnierende Sexualverhalten mit der größeren Selbstbestimmung der Frauen zusammen? Gibt es mehr Fernbeziehungen als früher? Hat Sex durch seine Omnipräsenz den Reiz des Verbotenen eingebüßt? Ist die Digitalisierung schuld daran, dass wir


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Nichts ist jemals ­e infach. Was soll man tun, wenn man entdeckt, dass man Teile der Rolle mag, der man zu entfliehen versucht? Marilyn French


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DR E IKL ANG #01

Schon gewus s t ?

Für Carmens »­Habanera« bediente sich Bizet bei S ­ ebastian Iradier und dessen »El arreglito«, das er für ein spanisches Volkslied hielt. Iradier wurde dafür mit einem ­anderen Titel welt­ berühmt: »La paloma«.

uns stückweise von unserem Körper und dessen ­natürlichen Bedürfnissen sowie dem Kontakt zu ­anderen Menschen entfernen, gar davon emanzipie­ ren – Computerspiele statt Sport, Facetime statt ­Verabredung, Mukbang-Video (Video-Trend aus ­Korea, bei dem sich Menschen beim Essen filmen) statt ­Essen mit Freunden und eben auch Porno statt Sex? Je eingehender man sich mit dem Sexual- und Beziehungsverhalten der heutigen Menschen beschäftigt, desto mehr erahnt man, wie komplex die menschliche Sexualität vermutlich ist. Verhaltensweisen anderer Tierarten oder früherer Menschen lassen sich nicht ohne Weiteres auf uns übertragen, da wir in komplexen sozialen und kulturellen Strukturen leben, die sich obendrein in den letzten Jahrzehnten so rasant und radikal geändert haben wie nie zuvor. Auch die erwähnten, oftmals widersprüchlichen ­Studien bestätigen die Vermutung, dass wir weit d­avon entfernt sind, die Komplexität der Sexualität des Menschen und seiner Beziehungen erfassen zu können. Zumindest ich stehe angesichts dessen manchmal recht orientierungslos da und weiß nicht, was ich mit all den neuen Informationen, den ­Traditionen und der großen Freiheit eigentlich anfangen soll. Eine allge­meingültige Antwort gibt es darauf nicht. Die beste Lösung ist vermutlich, die ­Stimmen von außen ab und an leise zu drehen und in sich selbst ­hineinzuhorchen: Was sind eigentlich meine ­Wünsche und Grenzen? Der nächste Schritt ist das Gespräch mit den Menschen, die einem nahe stehen. Nur so sind Kompromisse zwischen Freiheit und Sicherheit, Selbst­verwirklichung und Verbindlichkeit möglich – keine leichte Aufgabe und wahrscheinlich ein endloser Prozess. Denn von dem Gedanken, dass alles unverändert bleibt, sollte man sich ver­abschieden. Die eigenen Bedürfnisse und die ­anderer sind genauso im stetigen Wandel wie die ganze Welt um uns herum. Gleichzeitig sollte man anderen Lebensentwürfen mit Toleranz und Offenheit begegnen. Wem all das zu anstrengend ist, der sollte am besten alleine bleiben oder auf menschenähnliche Roboter hoffen, wie zum Beispiel in der ­Serie »Westworld«. Ob man mit denen auch ro­mantische Opernabende mit anschließenden anregenden Gesprächen ­genießen kann, sei allerdings dahin­gestellt.

Das Ideal bestünde ­d arin, dass Menschen, die sich selbst voll­s tändig ­g enügen, nur durch die freie Bejahung ihrer Liebe ­m iteinander ­verbunden wären. Simone de Beauvoir

Auf i n d e n Kam p f !

Carmen Georges Bizet L E IT UN G

Musikalische Leitung Matthias Foremny Inszenierung Lindy Hume Bühne, Kostüme Dan Potra Choreinstudierung Thomas Eitler-de Lint Einstudierung Kinderchor Sophie Bauer Dramaturgie Nele Winter B ES E TZ UN G

Don José Leonardo Caimi Carmen Wallis Giunta / Kathrin Göring Micaëla Olena Tokar Escamillo Gezim Myshketa Zuniga Sejong Chang / Randall Jakobsh Frasquita Bianca Tognocchi / Agneta Ručková Mercédès Sandra Maxheimer / Christiane Döcker Dancaïro Jonathan Michie Moralès Franz Xaver Schlecht Remendado Sven Hjorleifsson / Dan Karlström Lillas Pastia Jean-Baptiste Mouret Chor und Kinderchor der Oper Leipzig Gewandhausorchester PR E M IE R E

30. Nov. 2018, Opernhaus AUF F Ü H R U N G E N

15., 22. & 27. Dez. 2018 / 02. & 23. Feb. / 23. Mar. 2019 alle Vorstellungen mit ­Einführung 45 Min. vor Vorstellungsbeginn W E R K S TAT T

22. Nov. 2018, 18:00 KA N T IN E N G ES PR ACH

23. Mar. 2019 im Anschluss an die Vorstellung


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Pro

Contra

Man vermutet oft, dass meist der Mann den Wunsch nach einer offe- Es kommt vor, dass Paare eine offene Beziehung eingehen, weil nen Beziehung äußert, doch es kommt genauso vor, dass Frauen sie nur noch oder hauptsächlich aufgrund von Zwängen zusamdies tun. Bei der offenen Beziehung gibt es eine Kernbeziehung, men sind, weil sie zum Beispiel zusammen ein Haus und Kinder bei der die Partner sich wechselseitig zugestehen, Sexualität wo- haben und sich aus moralischen oder finanziellen Gründen nicht anders auszuleben. Das kann vor allem dann gutgehen, wenn das trennen wollen. Dann ist eine offene Beziehung meistens ein KuhPaar eine große emotionale Verbindung hat und gemeinsame Le- handel und der Wunsch geht häufig nur von einem der Partner aus. bensprojekte. Für Paare, bei denen einer der Partner oder beide Wenn dieser Wunsch geäußert wird, ist oft schon ein großer Leiganz spezielle sexuelle Vorlieben haben, die sie gemeinsam nicht densdruck vorhanden. Ein weiteres Problem entsteht, wenn die ausleben können oder wollen, kann die offene Beziehung eine Sexualität nicht mehr so gut funktioniert wie die anderen BezieChance sein. Das ist dann fast, als wenn ein Partner den anderen hungsebenen oder sogar gar nicht mehr stattfindet. Wenn die nicht gerne massiert und er deswe­ Se­xualität nun komplett »outgegen zur Massage geht. W ­ ichtig ist, sourct« wird und nur noch mit eidass in der Kernbeziehung weiterner oder mehreren anderen Per­sohin Intimität und Sexualität vornen ausgelebt wird, erhält die Behanden sind. Grundsätzlich kann ziehung eine Art Bruder-Schwesterman sagen, dass die offenen Bezieoder wg-Charakter. Dass der sinnhungsmodelle erfahrungsgemäß liche Aspekt nur noch mit anderen eine Lösung für einen bestimmten Personen ausgelebt wird, führt Zeitraum sein können, wenn alle meistens zu einer großen VerunBeteiligten davon profitieren und sicherung in der Kernbeziehung. nicht das Gefühl haben, zu kurz zu Ich habe in der Praxis die Erfahkommen. rung gemacht, dass Paare dann oft Anders sieht es bei der Polyamorie miteinander rivalisieren, um das (Kunstwort aus griechisch polýs Kräfteverhältnis auf anderen Ebe»viel, mehrere« und lateinisch nen wieder auszugleichen. Denn amor »Liebe«) aus: In dieser Beziemeistens ist es so, dass nicht beide hungsform, bei der man nicht nur mit der gleichen Motivation in die in eine sexuelle Beziehung zu anoffene Beziehung gehen, sondern deren geht, sondern auch in eine die Situation entstanden ist, weil emotionale, liebt und begehrt man einer der Partner dem anderen nicht also andere. Das bedeutet übrigens geben kann, was er sich wünscht. nicht, dass beide Partner das tun. Es liegt in der Natur des MenEine Herausforderung bei der Poly­ schen, dass er etwas Besonderes amorie ist, dass man seine Emotiofür einen anderen sein will. Desnen auf mehrere Partner aufteilen halb halte ich die Polyamorie für können muss. Wenn wir uns für eine größere Herausforderung als mehrere Personen öffnen, muss eine offene Beziehung. Es läuft T E XT: D R .  CA R L A PO H L IN K man erst für sich klären, ob man nur solange gut, solange sich alle das überhaupt leisten kann und gut fühlen. Wenn einer der Beteiob das Umfeld damit umgehen kann. Alle Beteiligten müssen be- ligten sich zurückgesetzt fühlt oder mehr oder weniger einforreit sein, den oder die geliebten Menschen mit anderen zu teilen. dert, kippt das ganze System. Menschen, die einen sehr engen BinMan benötigt also Personen, die nicht nur nicht eifersüchtig sind, dungsstil bevorzugen, also sozusagen »Klammeraffen« sind, sind sondern auch davon profitieren, dass sie mit mehreren Personen für eine solche Beziehungsform nicht geeignet. Sie würden da­ eine Liebesbeziehung eingehen. Diese Liebesbeziehung muss bei runter sehr leiden und sich wahrscheinlich ohnehin nur darauf der Polyamorie nicht zwangsläufig sexuell sein. Ein Beispiel da- einlassen, wenn sie jemanden sehr mögen und es ihm zuliebe tun. für sind die klassischen Kommunen aus den Sechzigerjahren. Oft Über einen langen Zeitraum halte ich dieses Modell für schwer gibt es eine Art Hierarchie, also einen Hauptpartner und Neben- umsetzbar. Eine Beziehung ist ja gerade auch für schlechte Zeiten männer oder -frauen. Am ehesten halte ich Menschen dafür ge- wichtig. Dann stellt sich die Frage, wie gut man in Momenten vereignet, die gerne eine weniger tiefe Bindung eingehen möchten. sorgt wäre, in denen man sich die ganze persönliche Zuwendung Es gibt ja unterschiedliche Bindungstypen: Manche möchten sich des Partners wünscht, wenn es noch viele andere gibt, die auch ohnehin nur locker binden und bevorzugen zum Beispiel auch dessen Liebe und Zuwendung beanspruchen. Beziehungsformen wie »Friends with benefits«. Zudem sollte Als auf lange Sicht tragfähiges Lebenskonzept habe ich offene Beman über ein sehr stabiles Ich verfügen und gut für sich selbst ziehungen noch nicht erlebt, allerdings habe ich es in der berufsorgen können. Für diese Menschen könnte Poly­amorie zumindest lichen Praxis meistens mit Menschen zu tun, bei denen bereits eine Zeitlang gut funktionieren. Probleme aufgetreten sind. Die glücklichen in polyamoren oder offenen Beziehungen lebenden Paare erleben wir ja selten – auch weil es sich gerade bei der Polyamorie um einen eher kleinen Teil ZU R P E RSON der Gesellschaft handelt.

Die Liebe der Anderen Chancen und Heraus­ forderungen von offenen und polyamoren Beziehungen

Dr. Carla Pohlink, Sexualtherapeutin, Fachärztin für Innere Medizin, Expertin für Liebes- und Beziehungsfragen im mdr


Ballett

Mich ­f aszinieren …

Oper

Operette

Mein Lieblings­g enre ist…

Hauptsache gute Musik!

Musical

Bitte nicht!

Ja! ich brauche ein Happy End!

ab 07. Okt. 2018

Der Barbier von Sevilla

Belcanto

Eine Liebesgeschichte

Nicht unbedingt

Sollen sie sich am Ende bekommen?

Witzige Verwechslungen

Ja, gerne!

Ohrwurm gefällig?

Leidenschaft und Rache bis aufs Blut

Auf keinen Fall fehlen darf …

Ich bin …

Freundschaft

Und außerdem?

Spaß und Unterhaltung

DR E IKL ANG #01

aus unseren Premieren und Wiederaufnahmen

GENAU DAS RICHTIGE

44 Z U GABE


Bitte nur Einakter! Elektra

Uwe Scholz Gala

01. Dez. 2018

ab 27. Okt. 2018

in ­E rinnerungen schwelgen.

Französisch

Tickets

Was soll getanzt werden?

ab 07. Dez. 2018

La Bohème

unter 12 jahre alt

Mein Freund Bunbury seit 09. Sep. 2018

ab 26. Jan. 2019

seit 27. Sep. 2018

Päddington Bärs erstes Konzert

über 12 jahre alt

On the Town

London

New York oder London?

Paris

New York

New York

New York oder Paris?

Traurige ­L iebesgeschichten

seit 22. Sep. 2018

Die Csárdásfürstin

Am ­l iebsten Csárdás

ab 20. Okt. 2018

Die Herzogin von Chicago

­C sárdás und Charleston und Walzer und Slowfox …

0341.12 61 261 | www.oper-leipzig.de

ab 30. Nov. 2018

Carmen

ab 05. Okt. 2018

Rigoletto

Italienisch

Auf welcher Sprache?

ab 03. Nov. 2018

Beethoven / Ravel

etwas Neues sehen.

Ich möchte …

ab 06. Jan. 2019

Der Rosenkavalier

Die Zeit, die ändert doch nichts an den Sachen…

Wie lang darf das Stück sein?

Menschliche Abgründe

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DR E IKL ANG #01

TANZ AM ABGRUND Versuch über ein Porträt des Künstlers Uwe Scholz TEXT: N ELE WI N TER I LLU ST RAT I ON E N : FORMD U SC H E


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Ein zierlicher, fast zerbrechlich wirkender Mann l­ ächelt beinahe kindlich in die Kamera, macht kleine Späße über sich selbst und freut sich d ­ iebisch, wenn er Musik hört, in der er die Art von raffiniertem Witz und komplexer Doppelbödigkeit entdeckt, die ihn inspiriert – zu großartigen Werken, die die Zeit überdauern sollen.


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DR E IKL ANG #01

Uwe Scholz mit Mario Schröder, Sybille Naundorf und Siegfried Wende bei den Proben zu »Schöpfung«, 1990

Porträt. Das S ­ chwierige ist, das Lächeln wieder­z ugeben. G US TAV E F L AUB E RT

Wer sich Filmaufnahmen von Uwe Scholz anschaut – Interviews, Mitschnitte von Proben – kann nur erahnen, was für ein faszinierender Mensch und Künstler er gewesen sein muss. Eine derart komplexe Persönlichkeit in all ihren Facetten zu porträtieren, ist quasi unmöglich. Eine bessere Ahnung bekommt man vielleicht in Gesprächen mit den Menschen, die ihn kannten und mit ihm arbeiteten. Dann erkennt man selbst nach all den Jahren noch die Spiegelung des begeisterten wachen Funkelns seiner Augen in ihren. Wie die oft zitierte Kerze, die an beiden Enden brennt, entfachte seine übergroße Leidenschaft für den Tanz und die Musik ein Feuer, das viele entzündete, aber ihn und seine Gesundheit letztendlich viel zu früh verzehrte. Wie Friedrich Schiller, von dem auch oft gesagt wird, er habe sein Leben der Kunst geopfert, starb Uwe Scholz im Alter von 46 Jahren im November 2004. Am 31. Dezember 2018 würde er seinen 60. Geburtstag feiern. Das Leipziger Ballett gedenkt des Künstlers mit einer Gala, in der einige seiner wichtigsten Werke gezeigt werden. Was Scholz’ Œuvre auszeichnet, ist seine große Musikalität. Besonders zum Tragen kommt diese in seinen sinfonischen Balletten wie Oft hatte man das Gefühl, »Bruckner 8« oder der »Siebenten die Choreografie löst überSinfonie« von Beethoven. Wie die haupt erst die Musik aus Tänzerinnen und Tänzer aus der und nicht umgekehrt. Das Zusammenarbeit mit Scholz berich­ war das Wunder seiner ten, choreografierte dieser mit der künstlerischen Arbeit. Er Partitur und erdachte die Schritte war ein Musiker, der so, dass sie ganz genau auf die ein­Choreograf ­geworden ist. zelnen Instrumente passten, jede Klaus Geitel musikalische Feinheit fand ihre Ballettkritiker – aus dem FilmEntsprechung in der Bewegung. porträt »Seelenlandschaften«

Uwe Yaron Leonhard Scholz wurde 1958 in Darmstadt geboren. Bereits im Alter von vier Jahren erhielt er den ersten Tanzunterricht. Ausgebildet wurde er 1973 – 79 in Stuttgart bei John Cranko und Marcia Haydée. Dort wurde das große TaUnvergessen bleibt für mich lent des jungen Mannes schnell ersein ­strahlend glück­liches kannt. 1980 erhielt er seinen ersten Lächeln zu seiner e­ rsten festen Choreografie-Vertrag und nach Leipziger Auf­führung John Crankos Tod zwei Jahre ­später mit Joseph Haydns »Die wurde er zum ersten »Ständigen Schöpfung«. Die ­Zuschauer Cho­reografen« ans ­Stuttgarter Balim Saal standen und der lett berufen. Anschließend leitete er ­über­wältigende Applaus 1985 – 91 am Opernhaus ­Zürich das wollte kaum ­enden. Wir dortige Ballett. Bei seinem Amtsan­ ­spürten alle, hier beginnt tritt war er mit 26 ­Jahren der bis eine ganz b­ esondere neue dahin jüngste Leiter eines europäiZeit. Sybille Naundorf schen Tanzensembles. In Zürich ehemalige Erste Solistin hatte er mit zahlreichen Intrigen des Leipziger ­Balletts, und Anfeindungen zu kämpfen. Leiterin des Abenddienstes 1991 schließlich holte Udo Zimmer­ mann ihn nach Leipzig. Von 1991 bis zu seinem Tod war Scholz Ballettdirektor und Chefchoreograf des Leipziger Balletts. Sein jetziger Nachfolger Mario Schröder war damals schon mit Scholz freundschaftlich verbunden und ermutigte ihn, die Stelle anzunehmen. Er beschreibt die damalige Stimmung kurz nach der Wende als hoffnungsvoll und nahezu elektrisch aufgeladen. Die Karten waren neu gemischt, alles schien möglich. Scholz hatte es mit einer großen Kompanie mit damals über 60 Tänzerinnen und Tänzern zu tun, die auf eine lange Historie zurückblickte und ein ganz anderes Verständnis von Tanz und dem Umgang mit Musik hatte als jenes, das dem jungen Scholz bekannt war. Hier prallten


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A n l äs s l i c h d es 6 0 .  G e bur ts­tages d es ­ e h e m al i g e n Chef­ c h o r e o g r af e n Uw e Sc ho l z

Uwe Scholz Gala Uwe Scholz mit seiner Mutter

Choreografien von Uwe Scholz Musik von Ludwig van Beethoven, Wolfgang Amadeus Mozart, Sergej Rachmaninow u. a. L E IT UN G

Musikalische Leitung Felix Bender Choreografie Uwe Scholz B ES E TZ UNG

Leipziger Ballett Gäste aus dem Stuttgarter ­Ballett, Ballett Zürich und Staatsballett Berlin Solisten der Oper Leipzig Gewandhausorchester Giovanni di Palma in »Le Sacre du Printemps«, 2004

AU F F ÜH R UNG

01. Dez. 2018, Opernhaus Die Musik war für ihn i­ mmer die künstlerische Triebfeder. Ich vermute, dass seine Zweifel schließlich auch daher rührten, dass es ihm in seinen A ­ ugen nicht mehr gelang, der ­Musik mit seinen Choreografien g­ erecht zu werden.

also zwei Welten aufeinander. Es war vereinte und fortspann. Mit dem Leipjedoch eine unglaublich große Bereitziger Ballett erarbeitete Scholz einzigschaft und Hoffnung in der Kompanie artige Werke, mitunter voll bissiger vorhanden, einen neuen Weg zu gehen. Ironie und Witz, aber auch von großer Die Zeit kurz nach der Wende war gegeistiger Tiefe und Spiritualität, wie zum prägt von Unsicherheit. Als beispielsBeispiel die »Große Messe«. Die Stimweise die ersten Neonazi-­Plakate aufmung im Ensemble war von dem hohen tauchten oder Tänzer des E ­ nsembles künstlerischen Anspruch geprägt, den Sebastian Angermaier Opfer von rechtsradikal motivierten Scholz an sich selbst, aber auch an seiehemaliger Solist, Ballett­inspizient Übergriffen wurden, hat Scholz das sehr ne Tänzer stellte. beschäftigt und in seiner Arbeit be­einTrotz der fruchtbaren Zusammenarbeit flusst. mit dem Ensemble, die regelmäßig von großem Erfolg So entstanden in den kommenden Jahren Stücke, die gekrönt war, hatte Scholz immer wieder mit starken unter Beweis stellen, dass sein Schaffen, das oft auf die Selbstzweifeln zu kämpfen. Oft soll er bei Proben sogenannten »neoklassischen« sinfonischen Ballette wortlos für mehrere Stunden den Saal verlassen haben, reduziert wird, eine große Vielseitigkeit aufweist. weil er nicht zufrieden war mit dem, was er geschaffen Seine auf Musik von Strawinsky oder zeitgenössi- hatte. Auch wenn noch so viele positive Kritiken zu schen Komponisten geschaffenen Ballette und Tanz- einem Stück erschienen, sobald eine weniger gute datheater-Stücke weisen ihn als extrem modernen Cho- bei war, nahm er sie angeblich wochenlang mit ins reografen aus, der Balanchines und C ­ rankos Ideen zur Bett oder zog sich vollständig zurück. Scholz muss Weiterentwicklung der Tanzkunst in seinem Œuvre ein Mensch gewesen sein, der so sehr für seine Kunst


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DR E IKL ANG #01

»Die Schöpfung«, 1991

»Die Schöpfung«, 1991

Marina Otto und Uwe Scholz bei den Proben zu »Bach-Kreationen«, 2004

gelebt hat, sich so sehr über sie defi­ niert hat, dass er die Kritik an seinen Kreationen direkt auf sich bezog. Auch sein künstlerischer Anspruch an sich selbst, der vermutlich unerfüllbar hoch war, setzte ihn unter einen enormen psychischen Druck. Er flüchtete sich in den Alkohol.

wie es um Scholz stand. Leider konnte keiner ihn vor sich selbst schützen. Scholz starb 2004 in Berlin. Im Grunde genommen ist Zeit seines kurzen Lebens schuf Scholz sein Geist auch heute noch über 100 Ballette. Mario Schröder und immer da. Wer sensibel das Leipziger Ballett sind dankbar für ist, spürt das deutlich. Ich die Inspiration und das umfangreiche trage ihn im Herzen und in Werk, das Scholz hinterlassen hat und meiner Seele. Meine Arbeit das auch heute noch Bestandteil des mache ich zum Teil für Im ersten Teil seines »Sacre du prinRepertoires ist. Scholz’ außergewöhnihn. Er ist ein Freund für temps«, einer getanzten Autobiografie, liche Biografie wirft aber auch Fragen mich gewesen, nicht nur ein gewährt er tiefe Einblicke in seine von auf: Wie gehen wir als Gesellschaft und Choreograf. Selbstzweifeln und Ängsten geplagte auch als künstlerische Institution mit Mario Schröder Seele. Das Solo für einen einsamen Ausnahmekünstlern um, die ihre Kunst Chefchoreograf und Ballett­ direktor des Leipziger Balletts Tänzer mit der Klavierfassung von über ihre eigene Gesundheit stellen? Strawinskys Meisterwerk wirkt wie ein Ist es unsere Pflicht, jemanden vor sich verzweifelter Hilfeschrei. Dieser Hilfe­selbst zu schützen oder sollte die perschrei wurde durchaus vernommen. Die Menschen, sönliche und schöpferische Freiheit Vorrang haben? die ihm nahestanden und mit ihm arbeiteten, wussten,


51 S TÄDT E P ­ ART N E RSC H AFT MI T H OU STO N / T E XAS

2018 begeht Leipzig das 25. Jubiläum der Städte­partner­schaft mit Houston/Texas. Mit einer Ballett-­Premiere feiert das Leipziger Ballett diesen Anlass gemeinsam mit dem H ­ ouston Ballet. Das H ­ ouston Ballet ist die viertgrößte Ballett-­Kompanie der usa und stellt wie das L ­ eipziger Ballett einen wichtigen kulturellen Botschafter seiner Stadt dar. Der Abend unter dem T ­ itel »­Beethoven/Ravel« umfasst neben Uwe Scholz’ »­ Siebenter Sinfonie« und »­Geschöpfe«, einer Neukreation von Mario ­Schröder, auch das Stück »Tu Tu« des Künstlerischen Direktors des ­Houston Ballet, Stanton Welch am über R ­ avels Klavier­konzert G-Dur. Parallel zur Premiere wird die Fotoausstellung »Houston heute« der ehemaligen ­Deutschen Generalkonsulin in H ­ ouston, R ­ icarda ­Redeker, im Opernhaus eröffnet. Vor der zweiten Vorstellung findet ein Empfang im Generalkonsulat der Vereinigten Staaten von Amerika in Leipzig statt.

L e i p z i g tr i f f t Ho u s t o n

Beethoven / Ravel Uwe Scholz, Stanton Welch am und Mario Schröder Anlässlich des 25. Jubiläums der Städtepartnerschaft Leipzig – Houston L E IT U N G

Musikalische Leitung Moritz Gnann Dramaturgie Nele Winter B ES E TZ UNG

Leipziger Ballett Gewandhausorchester Klavier Wolfgang Manz / Paulo Almeida

Siebente Symphonie Ballett von Uwe Scholz Musik von Ludwig van B ­ eethoven ­(Siebente Symphonie) L E IT UN G

Probe zu »Rachmaninow«, 1997

Während der ­Vorstellungen herrschte hinter der Bühne immer eine absolute ­Konzentration und Stille. Es war eine beinahe heilige Atmosphäre. Rémy Fichet ehemaliger ­Solist, Produktionsleiter des ­Leipziger Balletts

Scholz war originell. Er war durch und durch eigenständig. Trotz all seiner Lebenstristesse besaß er Humor. Er war höflich und konnte auf seine reser­ vierte Art herzlich sein. Seine Truppe kam, wie man sieht, künstlerisch glänzend v­ oran. Nur seine ­Psyche hielt auf Dauer nicht Schritt. Sie wurde von Arbeit, Einsamkeit, immerwährender Verpflichtung untergepflügt. Woran Scholz starb, ist mit einem einzigen Wort zu sagen: an seiner Einzigartigkeit. Ein starker Trost allerdings bleibt: sein ­einzigartiges Werk. Klaus Geitel

Choreografie, Bühne, Kostüme Uwe Scholz Licht Uwe Scholz

Tu Tu Ballett von Stanton Welch am Musik von Maurice Ravel (Klavierkonzert in G-Dur) L E IT U N G

Choreografie Stanton Welch Kostüme Holly Hynes Licht Lisa J. Pinkham

Geschöpfe Ballett von Mario Schröder L E IT U N G

Choreografie Mario Schröder Bühne, Kostüme Paul Zoller

PR E M IE R E

27. Okt. 2018, Opernhaus AUF F Ü H R U NG EN

31. Okt. / 09. Nov. 2018 / 19. & 23. Mai 2019 alle Vorstellungen mit ­Einführung 45 Min. vor Vorstellungsbeginn; Publikumsgespräche im Anschluss (außer Premiere) W E R K S TAT T

16. Okt. 2018, 18:30



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Ge­n e­ration why? Der Jugendtheaterclub über ein Phänomen seiner Zeit TE XT: CH R IS T IN A G E I L E R

»Ich bin jetzt mal ganz ehrlich. Es gibt selten Tage, an denen ich denke: ›Mega! Heute packe ich es echt an!‹ Wenn das wirklich mal der Fall sein sollte, hält das meist nicht lange vor. Spätestens, wenn meine Mitbewohnerin um 8 Uhr neben mir in der Küche sitzt, vorher bereits zwei Stunden laufen war, nun ein Müsli mit frischen Früchten frühstückt, sich längst einen Superfruit-Smoothie zum Mitnehmen gepresst hat und ganz nebenbei drei schlaue Tweets mit schickem Selfie und Link absetzt, während ich nach drei Schluck Kaffee die Bahn zur Uni gerade so noch bekomme, merke ich, dass ich mein Leben nicht im Griff habe. Jedenfalls nicht nach Social Media-Maßstäben.«

So, oder so ähnlich lauteten die Vorlagen für »Alle anderen Helden«, der Produktion des musikalischen Jugendtheaterclubs, die in der letzten Spielzeit Premiere ­feierte. Denn wie alle Stücke zuvor, entstand auch dieses aus den persönlichen Themen, Interessen und Fragestellungen der Spie­ lerinnen und Spieler. Dafür trafen sich die zwischen 16- und 24-Jährigen einmal pro Woche in der Musikalischen Komödie zum Stimm-, Spiel- und Improvisationstraining und wuchsen langsam zu einem Ensemble zusammen. Erst nach diesem Prozess wurden anonym die Interessen, Beobachtungen, Sorgen und Ängste der Teilnehmer herausgearbeitet und daraus

der Themenschwerpunkt der aktuellen Eigenproduktion abgeleitet.

Wie wollen wir gewesen sein? Diesmal fiel insbesondere der zunehmende Gestaltungsdruck und der generelle Zweifel an den bereits eingeschlagenen Wegen im Vergleich zu den erfolgsgetrimmten Lebensentwürfen der »anderen« auf: »Und Zack ist sie wieder da, die Unzufriedenheit mit sich und dem eigenen Lifestyle. Und im Vergleich mit den g­ litzernden Profilen der anderen in den sozialen Netzwerken, steigert sich dieses Gefühl bis zur Angst, abgehängt zu werden.«


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»Alle anderen Helden« hat mich sehr berührt, nicht nur weil ich auch die Generation meiner Kinder darin erkennen kann, sich meine eigene Adoleszenz darin wider­spiegelt und ich das Projekt an sich großartig finde, sondern auch weil die Jugendlichen wirklich toll­­gespielt, gesungen haben – und sehr mutig waren. Gratulation! E-MAIL EI N ER BES UCH ERI N


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JUGENDTHEATERCLUB

Im Jugendtheaterclub an der Musikalischen Komödie setzen sich Jugendliche zwischen 16 und 24 Jahren unter Leitung der Theaterpädagogin Christina Geißler intensiv mit den verschiedenen Formen von Theater auseinander, probieren eigene Darstellungsweisen für ihre Themen aus und bringen diese abschließend zur Aufführung. In den vorhergehenden Spielzeiten waren es die Beziehungsängste der »Love Aliens«, unterschwelliger Alltagsrassismus, der zum »Black Out« führte, oder der soziale Druck der Generation Y angesichts glitzernder Netzwerkprofile in »Alle anderen Helden«. Auch die diesjährige Eigenproduktion des Jugendtheaterclubs verhandelt wieder bissig-musikalisch die Themen junger Menschen und Phänomene unserer Zeit.

»Klar, jeder Mensch erfindet sich eine Ge­schichte, die er dann für sein Leben hält. Aber ich frage mich schon, wer ich einmal gewesen sein möchte? Denn das letzte Mal, dass ich wusste, wer ich bin und wer ich einmal sein will, war in der Mittelstufe, bevor ich erfuhr, dass ich einen bestimmten Notendurchschnitt erreichen muss, um einen Studienplatz zu bekommen.«

Generation Y Keine andere Generation zuvor ist je so in dem Bewusstsein aufgewachsen, das eigene Leben selbst entwerfen und damit steuern zu können. Und vielleicht besteht eines der größten Missverständnisse gegenüber diesen jungen Menschen darin, dass sie mit Begeisterung die Chance darin erkennen, dass ihnen die ganze Welt offen steht und sich daraus Milliarden Möglichkeiten ergeben. Keine Kirche, kein Elternhaus und keine Grenze schränkt sie mehr ein. Aber wenn man mit der ­ganzen Welt konkurriert, steigt auch der Druck Großes zu leisten. Also mehr­ ­Status, mehr Auslandserfahrung, mehr Work-Life-Balance!

Mut zur Hässlichkeit Der daraus entstehende Leistungsdruck beginnt bei der Definierung des ­eigenen Körpers (schon von der Bellybutton-­ Challenge gehört?), geht über das ange­ sagteste Studienfach (»Irgendwas-mit-­ Medien«) über die berufliche Karriere (»Landesbeauftragter für Popularmusik für den Bereich Prenzlauer Berg«) bis hin zum Traumpartner (»Waaaas? Mit dem bist Du zusammen?! Wow!«) und nicht zu vergessen das Auslandsjahr in ­Neuseeland. Selbstoptimierung heißt das Zauberwort: »Ich poste keine unbearbeiteten Selfies. denn wenn ich lache, habe ich keine Oberlippe mehr, dafür aber ganz viel Zahn­fleisch! Das ist natürlich nicht das Ende der Welt, aber für mich fühlt es sich manchmal trotzdem so an. Wenn ich mir dann auch noch die vermeintlich perfekten Bloggerinnen bei Instagram angucke, wünsche ich mir, dass sich die Erde auf­tut und mich verschluckt … oder zumindest meine Cellulite und die viel zu dünne Oberlippe.«

Der frische und unverstellte Blick ­junger Menschen auf gesellschaftliche Strömungen und die daraus resultierende Aktua­li­tät der jeweiligen Produktion sind inzwischen die Markenzeichen des musikali­ schen Jugendtheaterclubs. So wurde auch »Alle anderen Helden« als ein frecher Fingerzeig gegen die Notwendigkeit der Massenkompatibilität und für mehr ­Liebenswürdigkeit durch Eigenheit wah­rgenommen.

nächste Premiere D ES J U G E N DT H E AT E RCLU B S

06. Juni 2019 19:30 Uhr Musikalische Komödie


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Z U GABE


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Schn a p p schu ss

Nac h g e f r ag t

Der Arbeitsplatz eines Theaterfotografen

Darf man mit ­k urzen Hosen in die Oper gehen?

Tom Schulze

L IE B E B ES UCH E R ,

Als Fotograf verbringe ich einen guten Teil meiner Arbeitszeit am Schreibtisch, doch mein eigentlicher Arbeitsplatz ist das Theater. Genauer gesagt ist es der Zuschauerraum, in dem ich während der Proben zwischen den Stuhlreihen hin- und herpendle, um mit meinen Fotos die Inszenierung in all ihren Facetten einzufangen. Meist liegt im Anschluss daran noch eine Nachtschicht vor mir, weil die Bilder schon am nächsten Morgen benötigt werden. Wenn ich dann aus manchmal über tausend Aufnahmen die besten auswählen muss, ist ein Kaffee Gold wert.

»Über Geschmack lässt sich (nicht) streiten«, sagt schon ein altes Sprichwort. Das trifft vor allem auf die Mode und in ganz besonderer Weise den Dresscode bei verschiedensten gesellschaftlichen Anlässen zu – kurze Hosen sind heute auch zum Jackett ganz groß in Mode. Ursprünglich diente der Dresscode dazu, am Äußeren des Gegenübers seinen sozialen Stand ab­lesen zu können. Diese gesellschaftlichen Etikettierungen und Zwänge sind spätes­tens nach den biederen 50er Jahren perdu, auch wenn man heutzutage zu ausgewähl­ten Anlässen auf Einladungskarten wie­ der ein Revival von »Black tie« (Smoking-­ Pflicht) und »White tie« (Frack-Pflicht) erkennen kann. Auch zu bestimmten Festivals, etwa im englischen Glyndebourne, gilt Smoking oder Frack als Pflicht, während die Besucher in den Pausen ihr Picknick auf der Decke im Park einnehmen. In der Oper Leipzig gibt es (zum Glück) keine solchen ­Vorschriften. Natürlich mag man am Äußeren die Wertschätzung gegenüber den Künstlern oder den ande­ ren Besuchern ablesen, das Äußere sagt aber nicht zwingend etwas über die innere Haltung aus, mit der man dem Kunstwerk auf der Bühne begegnet. Wenn Sie sich an den kurzen Hosen Ihres Nachbarn gestört haben, dann sprechen Sie ihn das nächste Mal einfach mal darauf an. Vielleicht kommen Sie dann sogar über das gemeinsame Erlebte auf der Bühne ins Gespräch. IH R CH R IS T IA N G E LT IN GER

N E UG IE R IG ?

Was wollten Sie schon immer mal von uns wissen? Senden Sie uns Ihre Fragen an dreiklang@oper-leipzig.de


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Z U GABE

OHNE WORTE antworten die Künstler der Oper ­L eipzig auf unsere Fragen. Dieses Mal: Lou Thabart, Tänzer des Leipziger Balletts FOTOS: I DA ZE N N A

Kannst du dir ­vorstellen, mit dem Tanzen aufzuhören?


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Wie fĂźhlst du dich heute?

Was machst du am liebsten, wenn du gerade nicht tanzt?

Worauf kannst du beim Training nicht verzichten?


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Z U GABE

Fun d s tüc k e

Was uns sonst noch alles über den Weg lief CD

Erich Wolfgang Korngold »Lied der Liebe« Rondeau, 23. November 2018

DV D

Igor Strawinsky / Uwe Scholz »Le Sacre du printemps« Inklusive der Dokumentation ­»Seelenlandschaften« EuroArts 2008

WO RTE

Der wirklich freie Mensch ist der, der eine Einladung zum Essen aus­schlagen kann, ohne dafür einen Vorwand ­angeben zu müssen.

ZAHLEN

30.561.525

Jules Renard

M A N U S K R IPT

»Habanera« aus Georges Bizets »Carmen«

Instagram-Beiträge mit dem Hashtag #freedom (Stand: 20. September 2018)

WO RT E

JA H RES TAG

Am 25. August 2018 wäre Leonard Bernstein 100 Jahre alt geworden.

ZAH LE N

74%

Prozentzahl der Länder, in denen es laut World Press Freedom Index um die Pressefreiheit problematisch, schlecht oder sehr schlecht bestellt ist.

Freiheit ist immer nur die Freiheit des anders Denkenden.

B U CH

Hannah Arendt »Die Freiheit, frei zu sein« dtv 2008

Rosa Luxemburg

ZAHLEN

51%

der Deutschen fühlen sich laut Freiheitsindex 2017 frei.


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A n g e r i c h te t

Jeffery Krueger empfiehlt zur Premiere von Bernsteins »On the Town«

AMERICAN APPLE PIE Z UTAT E N FÜR DEN M Ü RBE T E I G

250 g Mehl (Typ 405) 1 tl Salz 200 g Pflanzenfett 4 – 6 el kaltes Wasser FÜR DI E PI E- FÜ LLU N G

50 g weißer Zucker 30 g Mehl (Typ 405) 1/2 tl Zimt (gemahlen) 1/2 tl Muskatnuss (gemahlen) 1 Msp Salz 8 Äpfel (am besten Boskoop oder Granny Smith) geschält und in dünne Scheiben geschnitten 2 el Butter

F ÜR E IN E 2 6   CM F O R M

Für den Mürbeteig Mehl und Salz in einer mittelgroßen ­Schüssel vermischen. Geben Sie das Pflanzenfett in kleinen Flocken dazu und vermengen Sie es mit der Mehl-Salz-Mischung. Esslöffelweise das eiskalte Wasser beimengen bis ein glatter Teig entsteht. Teilen Sie den Teig in zwei Hälften und stellen Sie ihn in Frischhalte­ folie gewickelt 45 Minuten kalt. Anschließend die Teigportionen jeweils auf einer leicht bemehlten Oberfläche zu einem Kreis aus­rollen, der 4 cm größer ist als die Backform. Klappen Sie den ersten Teig zweimal zusammen, sodass ein Viertel entsteht, und legen ihn vorsichtig in die Backform, bevor Sie den Teig dort wieder entfalten und vorsichtig andrücken. Überschüssige Teigränder abschneiden. Ofen auf 220 °C erhitzen. Zucker, Mehl, Zimt, Muskat und Salz in einer großen ­Schüssel vermischen. Äpfel dazugeben und alles in die Backform mit dem Mürbeteig geben. Mit Butter bestreichen. Bedecken Sie nun alles mit der zweiten Mürbeteigplatte und drücken Sie die überstehen­ den Ränder leicht an. Schneiden Sie den Pie anschließend mit einem scharfen Messer in der Mitte ca. 4 cm kreuzförmig ein. ­Backen Sie den Apple Pie 40 bis 50 Minuten im vorgeheizten Ofen bis die Kruste beginnt braun zu werden. Mein Tipp: Am besten schmeckt der American Apple Pie, wenn er noch ein wenig warm ist und zusammen mit Vanilleeis.

D E R BÄCK ER

Jeffery Krueger, Tenor, geboren in Iowa. 2004 – 06 Mitglied des Inter­ nationalen Opernstudios des Opernhauses Zürich. Festengagement am Theater Hagen 2006 – 13. Zahl­ reiche Rollen im lyrischen Fach wie ­Nemorino in »L’elisir d’amore« und Ferrando in »Così fan tutte« sowie Musicalpartien wie Tony in »West Side Story« und Brad M ­ ajors in »The Rocky ­Horror Show«. Ensemble­mitglied an der Musikalischen Komö­die seit 2013/14. 2018 /19 neu: James Bondy in »Die ­Herzogin von Chicago«, Gabey in »On the Town«, Joseph Calicot in »Madame Pompadour«. D IE PR E M IERE

»On the Town« ab dem 26. Jan. 2019 in der Musikalischen Komödie


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DR E IKL ANG #01

Z U GABE

Ein Blick in die Werkstätten: Diesmal zeigen unsere Maskenbildnerinnen Susanne ­G ottert, Sarah Wiedemann und Kerstin Löwe, wie eine Perücke entsteht.


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Alles beginnt mit einem Gipskopf ... … , einem originalen Kopfabdruck mit den genauen Maßen des Künstlers. Hier wird schon der Haaransatz aufgezeichnet, um die Perücke passgenau zu gestalten.

Die Haare werden mit einer Knüpf­nadel einzeln oder in dünnen Strähnen auf die soge­ nannte Montur, ein Netz aus v ­ erschiedenen Tüllsorten, das den Unterbau der Perücke bildet, geknüpft.

Viele denken, wir ­Maskenbildner ­arbeiten nur vor den ­Vorstellungen. Dabei sind Werkstatt­ arbeiten ein ganz ­wichtiger Teil unseres Berufs.


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DR E IKL ANG #01

Z U GABE

An einer Perücke arbeite ich manchmal 50 Stunden.

Susanne Gottert

Um eine möglichst natürliche Haarpracht zu erschaffen, müssen verschiedene Farbtöne eingeknüpft werden. Für die Perücken wird übrigens nur echtes Menschenhaar verwendet, das unterschiedlich eingefärbt wird.

Erst abschließend er­hält die Perücke ihre eigentliche Form. Die Frisur muss nach ein paar Mal Tragen aber wieder aufgefrischt werden – dann heißt es Öffnen, ­Waschen, Trocknen und Frisieren.

Auch die Herstellung von Haarteilen gehört zum ­Beruf des Masken­bildners. Beim sogenannten Tressieren werden dünne Sträh­nen um drei auf den Tressierrahmen gespannte Fäden verschlungen. Dabei entsteht eine Art Schnur, von der die Haare herunter­ hängen und die dann vernäht werden zu einem Haarteil, welches in die Frisur eingear­beitet wird.

Kerstin Löwe


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Wenn man den ­Sängern die Perücke aufsetzt, ist das ein ganz ­wichtiger Schritt ­hinein in die Rolle.

Es ist ein tolles ­Gefühl, sein eigenes Handwerk auf der Bühne zu sehen. Sarah Wiedemann


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Z U GABE

D e tai l ve r l i e bt

Gewinnen Sie

2 FREIKARTEN für die Premiere von »Carmen« am 30. Nov. 2018

Aus welchem Stück stammt diese Detailaufnahme? Senden Sie die ­Antwort bis zum 31. Oktober 2018 per Mail an dreiklang@oper-leipzig.de oder postalisch an Oper Leipzig, Stichwort: Dreiklang, Augustusplatz 12, 04109 Leipzig.


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G u t g e sa g t

P l atz h al te r

» Dein Vergangenes ist ein Traum Und dein Künftiges ist ein Wind. Hasche den Augenblick, der ist Zwischen den beiden, die nicht sind. « Friedrich Rückert

Amöna Treichel, 28, aus Leipzig Warum haben Sie sich für diesen Abend entschieden?

Reflektieren, auswerten, planen – beschäftigt mit dem, was war und was noch kommen soll. Immer irgendwo und selten hier im Jetzt. Wer kennt das nicht? Wer wünscht sich nicht manchmal ein Innehalten, einen Fokus auf den Moment? Dieses Zitat von Rückert berührt mich und konfron­ tiert mich mit meinem Alltag und der Sehnsucht, manchmal einfach das Rad der Gedanken anzuhalten. Doch was bewegte wohl den deutschen Dichter und Sprachgelehrten Anfang des 19. Jahrhunderts zu ­seinen Zeilen? Vielleicht war das Bedürfnis nach einer Besinnung auf das Gegenwärtige und das Scheitern daran schon immer ein zutiefst menschliches. Verankert im Wesen unseres Daseins und nicht in unserer Umwelt. Bei allem liegt die Wahrheit wohl für jeden Einzelnen von uns im Erlebten und Erleben. Und auch ich habe mir schon so häufig die Fragen nach meiner Zeit gestellt. Was macht die Zeit mit mir und ich aus meiner Zeit? Das, was mich in den Moment und zu mir ins Jetzt bringt, ist der Versuch, das wahrzunehmen, was gerade in mir passiert. Vergangenes kann ich nicht ändern, die Zukunft bleibt Vision. Das einzig Wirkliche ist der Augenblick und die Offenheit, ihn bewusst zu leben. Einen Versuch ist es wert.

KOMME N T I E RT VON

Uwe Möller Direktor Marketing und Vertrieb

Ich habe   Lulu    noch nicht ­gesehen, kenne außerdem auch sonst noch nichts von ­Alban Berg und bin daher sehr gespannt! Was war Ihr erstes Opernerlebnis überhaupt?

Mit 13 Jahren    Die ­Entführung aus dem Serail   an der ­Staatsoper Hannover Was ist Ihre Lieblingsoper?

Carmen   , weil sie so eine starke, unabhängige F­ igur ist und Musik und ­Geschichte sehr dramatisch und ­intensiv sind. Haben Sie eine Lieblingsproduktion an der Oper Leipzig?

Die Hochzeit des Figaro   . Ich war schon bei drei Auf­ führungen! Es ist eine sehr einfallsreiche Inszenierung, bei der alle Rollen hervorragend besetzt sind und man den Sängern anmerkt, wieviel Spaß sie dabei haben.


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Z UU GGA AB BE E

IM PR ES S U M

Herausgeber Oper Leipzig Intendant und Generalmusik­ direktor Prof. Ulf Schirmer

Du si e hst a u s, wi e ich m ich f ü h l e  …

Verwaltungsdirektor Ulrich Jagels Redaktion Elisabeth Kühne (verant­ wortlich), Dr. Christian Geltinger, Uwe Möller, Dramaturgie & Marketing Texte Anna Evans, Alden Gatt, Christina Geißler, Dr. Christian Geltinger, Sven Hjörleifsson, Jeffery Krueger, Elisabeth Kühne, Jonathan Michie, Uwe Möller, Dr. Carla Pohlink, Rüdiger Safranski, Nele Winter Fotos as_seen / photocase.de S. 41  |   Dario Acosta S. 35  |  Andreas Birkigt S. 3, 46 – 51  |  Viktoria Sophie Conzelmann und Anna Maria Kre˛ żel S. 12 – 25 (Bildbearbeitung: Lars-Ole Bastar)  |   Rainer Fuhrmann / photocase.de S. 38  |   Sven Hjörleifsson S. 36, 37  |  Anna-Lena Kaschubowski S. 1, 4, 5, 62 – 65  |   Elisabeth Kühne S. 1 rechts  |  Florian Merdes S. 54, 55  |  Kirsten Nijhof S. 34, 67  |   Tom Schulze S. 1, 56, 57, 66  |  Ida Zenna S. 58, 59, 68 Videos Maria Gollan (Kamera / Schnitt) S. 54  |  Viktoria Sophie Conzelmann und Anna Maria Kre˛ żel S. 17, 24  |  Sven Hjörleifsson S. 36 Illustrationen Boris Schmitz, formdusche Gestaltung formdusche, Berlin Druck Löhnert Druck, Markranstädt Urheber, die nicht ermittelt werden konnten, werden zwecks nachträglicher Rechteabgeltung um Nachricht gebeten. S E RV ICE

Telefonische Kartenbestellung Mo – Sa 10:00 – 19:00 t +49 (0) 341 – 12 61 261 Abo-Service

… wenn die neue »­Dreiklang« kommt. Weißes Kaninchen (Tom Bergmann) in »Alice im Wunderland«

t +49 (0) 341 – 12 61 296 Schriftliche Kartenbestellung Kartenwünsche können für die gesamte Spielzeit schriftlich bei der Oper Leipzig eingereicht werden. Die Bearbeitung erfolgt umgehend. Ihre Kartenwünsche richten Sie bitte an: Oper Leipzig, Besucherservice Postfach 100346, 04003 Leipzig Fax + 49 (0) 341 – 12 61 300 service @ oper-leipzig.de Kartenbestellung im Internet /  Print at home Online-Ticketkauf mit Ticket-Ausdruck am ­eigenen pc über unseren Webshop möglich: www.oper-leipzig.de Keine Vorverkaufsgebühren! (bei Gast­spielen kein Ticket-Ausdruck möglich). Abendkassen

Die nächste Ausgabe von »Dreiklang« erscheint im Februar 2019

Opernhaus eine Stunde vor Beginn der Vorstellung t +49 (0) 341 – 12 61 261 Musikalische Komödie eine Stunde vor Beginn der Vorstellung t +49 (0) 341 – 12 61 115


L e tz te Wo r te

Addio, mia California, addio! Minnie und Johnson, Schlusssatz in Âť La fanciulla del West ÂŤ


www.oper-leipzig.de


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