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Tanz mit Tonnengewichten

Im Bühnenbildmodell 1:50 von Gideon Davey sah sie noch niedlich aus und liess sich problemlos herumschieben – die halbkreisförmige Marmorrundwand für Roberto Devereux. 20cm im Durchmesser, 14cm hoch, 6mm dick und 50g schwer. Der Regisseur David Alden sagte damals, dass diese Wand von der Bühnentechnik ins Bühnenbild und auch wieder seitlich hinausgeschoben wird und man die Technikerinnen und Techniker dabei durchaus sehen darf. Ich fand das genial – endlich einmal keine hochkomplexen Antriebe, sondern sichtbare Handarbeit. Hätte ich gewusst, was ich meinem Team damit antue, hätte ich «nein» gesagt: Hinterher ist man immer schlauer. Aber der Reihe nach: An der Rundwand sollten 34 Porträts von Königin Elisabeth I. hängen, die im letzten Akt nacheinander herunterfallen. Im Modell waren diese ca. 3x4cm gross und fest auf die Wand geklebt. Die Bilder bekamen einen Abwurfmechanismus: Man kann solche «Auslösungen» kaufen, die elektrisch einen Haken öffnen und den Gegenstand daran fallen lassen. Davon kauften wir 34 Stück. Dazu bekam jede Auslösung einen Akku und eine Funksteuerung, so dass wir von der Seitenbühne her jedes beliebige Porträt auf Knopfdruck fallenlassen konnten. So ein 3x4cm grosses Porträt im Massstab 1:50 ist aber in Wirklichkeit 1,5 Meter gross und fällt nicht aus 20cm, sondern aus 5 Meter Höhe und knallt – obwohl wir es aus einer leichten Schaumplatte hergestellt hatten – mit einem ordentlichen Krach auf den Boden. Nun sind 34 Bilder schon eine ganz schöne Masse. Die Wand jedoch, an der sie hängen, war im Original 6 Meter hoch und hatte einen Durchmesser von 10 Metern. Leider verhielt sich ihre Masse nicht im Massstab 1:50, sondern erstaunlicherweise im Massstab 1:50.000 und wog zusammen mit den Bildern 2,5 Tonnen. Unsere Bühnentechnikerinnen und -techniker sind es grundsätzlich gewohnt, solche Gewichte beim Auf- und Abbau von Dekorationen zu verschieben, doch der Regisseur hatte sich eine Choreografie der Wand ausgedacht, bei der sie auf die Bühne gefahren wird, sich um die eigene Achse dreht, dann mal wieder von links nach rechts geschoben wird und wie ein Spielvorhang szenische Auf- und Abbauten verdeckt. Und er hatte das auf der Probebühne drei Wochen lang mit einer leichten, niedrigen Probewand geprobt. Die tollen szenischen Vorgänge waren also fertig einstudiert, als es auf die Bühne im Opernhaus ging. Unsere Mitarbeitenden müssen deshalb nun alles geben, um die Wand zu bewegen: Jeweils 8 bis 10 Personen ziehen und stossen sie über die Bühne, bringen sie auf die gewünschten Positionen – und sind berechtigterweise nicht erfreut über das Gewicht und die zentimetergenaue Choreografie. Vor allem waren die Proben hart, bei denen die Fahrten wiederholt und am Timing gefeilt wurde. Ich ärgere mich immer noch darüber, dass ich während der Proben auf der Probebühne die vielen und schwierigen Fahrten nicht verhindert habe, denn als das Bühnenbild auf die Bühne kam, war es zu spät, die Choreografie noch zu ändern: Es gab keine Proben mehr, um Neues auszuprobieren. Mir blieb nichts anderes übrig, als zusätzliche Aushilfen für die Fahrten zu organisieren, um unsere Technikerinnen und Techniker etwas zu entlasten. Positiv allerdings ist, dass die Fahrten einen grossen Effekt in den Vorstellungen erzielen.

Das mit den Auslösungen funktionierte übrigens ganz gut, doch nach einigen Proben mit runterkrachenden Bildern entschieden sich Regisseur und Bühnenbildner, die Porträts nicht mehr fallen zu lassen, sondern sie in der Pause gegen verblasste auszutauschen, die das Publikum erst mit der Schlussdrehung der Wand zu Gesicht bekommt. Die Wirkung ist wesentlich besser als die der fallenden Bilder. Hinterher ist man immer schlauer.

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