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Die Erdbeere im Martelltal

Die Erdbeere

im Martelltal

Frisch, fruchtig, saftig, sinnlich, fleischlich ist sie, die Erdbeere, und so wollen wir’s haben, ob als Eiscreme, auf Torten oder als Marmelade. Im Martelltal dauert die Saison der Kultfrucht wegen der ausgezeichneten Höhenlage länger als gewöhnlich. Was macht diese Bergerdbeere, die keine ist, so attraktiv? Im Erdbeerland Martell, einem Seitental des Vinschgaus, im Herzen des Nationalparks Stilfserjoch, am Fuße des Cevedale-Gletschers, haben Erdbeeren Tradition. Von Juni bis September werden sie angebaut und zählen damit zu den höchsten Anbauflächen Europas. Die leicht nach Haselnuss schmeckende Beere, weich und seidig behaart, ist jedoch keine Beere, sondern eine Sammelnussfrucht. Jedes einzelne Fruchtblatt der Blüte bildet ein1 mm langes hartschaliges Nüsschen aus. Aus den zahlreichen Nüsschen wird die Frucht. Die Erdbeere wird als Königin der Beeren bezeichnet! Schließlich ist die „Fragaria ananassa“, so der botanische Name, bei uns zu Lande, abgesehen von den Äpfeln, das beliebteste Obst. Dieser Begriff leitet sich vom lateinischen „fragare“ – „duften“ ab.

„Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund“, dichtete einst Paul Zech, 1930. Klaus Kinski machte daraus seine eigene Version, 1953. Bei Dichtern gelten Erdbeeren als Sinnbild der erotischen Liebe und bei Moralisten als Symbol unzüchtiger Gedanken. In der Malerei bezeichnet die Frucht aus der Familie der Rosengewächse die Reinheit und das grüne dreiteilige Blatt die Dreifaltigkeit Gottes. Die Erdbeere enthalte viel Vitamin C und Eisen sowie nennenswerte Mengen an Vitamin K, Biotin, Folsäure, Pantothensäure und Kalium. Sie wirke verdauungsfördernd und verlangsame sogar den Alterungsprozess unseres Gehirns um mehrere Jahre, so wirbt die Wissenschaft für die gesundende Wirkung der roten Frucht.

Im Mittelalter soll man die kleine aber aromatisch schmeckende Walderdbeere sogar auf größeren Flächen kultiviert haben. Die Größe der Früchte konnte man jedoch noch nicht beeinflussen. Um so erfreulicher war es, als französische Siedler entlang des kanadischen Sankt-Lorenz-Stromes Erdbeeren entdeckten, die viel größer als die Walderdbeeren waren und auch aromatischer schmeckten. Man nannte sie die „Scharlacherdbeere“. Dem Erdbeererzeuger Ludwig XIV. am Hofe von Versailles haben wir schließlich zu verdanken, dass es heute die uns bekannte Gartenerdbeere gibt. Er ließ die amerikanische Scharlacherdbeere mit der chilenischen Erdbeere kreuzen.

Erdbeeren glühn im Garten, ihr Duft ist süß und voll, mir ist, ich müsse warten, dass durch den grünen Garten bald meine Mutter kommen soll. Mir ist, ich bin ein Knabe, und alles war geträumt, was ich vertan, versäumt, verspielt, verloren habe. Noch liegt im Gartenfrieden die reiche Welt vor mir, ist alles mir beschieden, gehöret alles mir. Benommen bleib ich stehen und wage keinen Schritt, dass nicht die Düfte verwehen und meine guten Stunden mit. Gute Stunde, Hermann Hesse, 1877–1962 ¬

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