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Törggelen

Viel Rauch um einen alten Brauch

Foto: Frieder blickle Che bontà: caldarroste appena arrostite e il Suser, (vino nuovo).

Alljährlich im Oktober beginnt in Südtirol die Törggele-Saison. Aber woher stammt dieses herbstliche Geselligkeitsritual? Ist das Törggelen wirklich ein althergebrachter Südtiroler Brauch? Und wenn ja, wie sehr hat es sich verändert? Manch einer betrachtet die aktuelle Entwicklung mit Skepsis und würde das Rad der Zeit am liebsten zurückdrehen. Keine schlechte Idee – solange wir dabei nach vorne blicken. »

Seit einigen Jahren wird – ähnlich den Original Südtiroler Christkindlmärkten – viel Rummel um das Törggelen gemacht. Es sei ein alter Südtiroler Brauch, heißt es in touristischen Hochglanzbroschüren, gerne wird es auch als „die fünfte Jahreszeit“ bezeichnet, oder als gesellige Südtiroler Antwort auf das bayerische Oktoberfest. Dabei würde es so manch ein Landgasthaus und Buschenschank lieber etwas leiser angehen und wieder zum Ursprung des Brauches zurückkehren, wie die Initiative „Törggelen am Ursprung“ beweist. Doch das geht nur mit dem Blick nach vorne. So lautet etwa ein Blogbeitrag der Qualitätsmarke Roter Hahn: „Törggelen goes Social“. Um die eingangs gestellten Fragen gleich zu beantworten: es gibt keine gültige Antwort. Das Törggelen war seit seinen Anfängen vor über hundert Jahren stets ein Brauch in Bewegung. Entstanden in den Weinkellern des Eisacktales, war es zunächst eine Art Ernteschmaus samt Weinverkostung im Oktober. Ob das Törggelen Vorläufer hat, ist nicht bekannt. Was jedoch darauf schließen lässt, ist der lateinische Ursprung des Namens, der von Torculum, der Torggl kommt, wie die Weinpresse südlich des Brenners genannt wird; und die Tatsache, dass Menschen nach dem Einbringen der Ernte immer schon gerne gefeiert haben. In einer zweiten Phase kam es zu einer festgelegten Speisenfolge, bei der die Schlutzkrapfen als Hors d'œuvre nicht fehlen durften. Erst in den späten 1970er und 1980er Jahren wandelte sich das Törggelen zu einem großen Gelage, mit Schlachtplatte, Kraut und Würsten, und am Ende Kastanien. Nun fasst das Törggelen in ganz Südtirol Fuß und wird überall dort angeboten, wo Kastanien und Trauben gedeihen. Seit der Jahrtausendwende zeichnet sich ein Trend hin zur Qualität ab. Weniger ist mehr, sagten sich viele und begannen wieder damit, Kastanien aus dem eigenen Hain über offenem Feuer zu braten und mit Suser und

Eigenbauwein zu begleiten. Auch die traditionellen, süßen Bauernkrapfen mit Marillen-, Mohn- und Kastanienfüllung fanden wieder ihren Weg in die heimischen Gaststuben.

Der Brauch des geselligen Beisammenseins ist also grundsätzlich gleich geblieben, und doch hat sich das Törggelen verändert. Ein Grund zu klagen? Nein, denn Veränderung kann auch ein gutes Zeichen für gelebtes Brauchtum sein. Das Törggelen ist heute anders als früher, und morgen wird es wieder anders sein. Was gleich bleibt, sind die Konstanten: Geselligkeit und hochwertige regionale Produkte wie Kastanien und Suser. Vielleicht werden wir in naher Zukunft wieder unter grünen Lauben oder Pergln törggelen und bei strahlendem Sonnenschein regionale Leckereien genießen. Wie einst. Nur anders. Ich selbst beginne schon einmal damit, dass ich den Törggele-Schmaus im Vinschgau heuer mit den Stars des Events, den Kastanien, beginne und mit einer original Vinschger Schneamilch abschließen werde. Ganz ohne Schlachtplatte. ¬

Nähere Informationen auf Seite 56

Haimo Perkmann

Publizist und Übersetzer, Meran pubblicista e traduttore, Merano

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