Ihr persönliches Exemplar – mit Wettbewerb!
Das Magazin der Buchhandlungen von Orell Füssli und Thalia Nr. 1/2014
«Wer weiss schon, was ich in fünf Jahren mache!» Stefan Bachmanns Debüt «Die Seltsamen»
Erinnerungen an die erste Liebe Frühlingsgefühle
zwischen Buchdeckeln
Heldinnen des Alltags Bücher über starke Mädchen Und ausserdem: Reiseführer für den Städtetrip, Kochbücher, Märchen, Bildbände
AARAU –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Meissner Thalia Bahnhofstrasse 41, 5001 Aarau Mo – Fr: 9.00 – 18.30 Uhr | Do: 9.00 – 20.00 Uhr Sa: 9.00 – 17.00 Uhr Wirz Thalia Hintere Vorstadt 18, 5001 Aarau Mo, Di, Mi + Fr: 9.00 – 18.30 Uhr Do: 9.00 – 20.00 Uhr | Sa: 8.00 – 17.00 Uhr
BADEN –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Thalia Langhaus beim Bahnhof, 5401 Baden Mo – Fr: 9.00 – 19.00 Uhr | Sa: 9.00 – 17.00 Uhr
BASEL ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Orell Füssli Bahnhof SBB Passerelle, Güterstrasse 115, 4053 Basel Mo – Fr: 7.00 – 21.00 Uhr | Sa: 8.00 – 21.00 Uhr So: 9.00 – 20.00 Uhr Thalia Freie Strasse 32, 4001 Basel Mo, Di, Mi + Fr: 9.00 – 18.30 Uhr Do: 9.00 – 20.00 Uhr | Sa: 9.00 – 18.00 Uhr
BERN ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Orell Füssli Einkaufszentrum Westside Gilberte-De-Courgenay-Platz 4, 3027 Bern Mo – Do: 9.00 – 20.00 Uhr | Fr: 9.00 – 22.00 Uhr Sa: 8.00 – 17.00 Uhr Stauffacher Neuengasse 25 – 37, 3001 Bern Mo – Mi + Fr: 9.00 – 19.00 Uhr Do: 9.00 – 21.00 Uhr | Sa: 9.00 – 17.00 Uhr
Thalia Spitalgasse Spitalgasse 47/51, 3001 Bern Mo – Mi: 9:00 – 19.00 Uhr | Do: 9:00 – 21:00 Uhr Fr: 9.00 – 20.00 Uhr | Sa: 8:00 – 17:00 Uhr Thalia Bahnhof SBB Bahnhofplatz 10, 3001 Bern Mo – Sa: 7.00 – 22.00 Uhr | So: 9.00 – 22.00 Uhr BRIG –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
ZAP Furkastrasse 3, 3900 Brig Mo – Fr: 9.00 – 18.30 Uhr | Sa: 9.00 – 17.00 Uhr ZAP Bürostore Englischgrussstrasse 6, 3900 Brig Mo – Fr: 8.30 – 12.00 und 13.30 – 17.00 Uhr
BRUGG –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Thalia Neumarktplatz 12, 5200 Brugg Mo – Do: 9.00 – 18.30 Uhr | Fr: 9.00 – 20.00 Uhr Sa: 8.00 – 17.00 Uhr
CHUR –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Thalia Einkaufscenter City West Raschärenstrasse 35, 7000 Chur Mo – Do: 9.00 – 19.00 Uhr | Fr: 9.00 – 20.00 Uhr So: 8.00 – 18.00 Uhr
EMMENBRÜCKE –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Thalia Emmen Center Stauffacherstrasse 1, 6020 Emmenbrücke Mo, Di + Do: 9.00 – 18.30 Uhr Mi + Fr: 9.00 – 21.00 Uhr | Sa: 8.00 – 16.00 Uhr
FRAUENFELD –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Orell Füssli Einkaufszentrum Passage Bahnhofstrasse 70 / 72, 8500 Frauenfeld Mo – Do: 8.00 – 19.00 Uhr | Fr: 8.00 – 20.00 Uhr Sa: 08.00 – 17.00 Uhr
–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Thalia Bahnhof / Gare, 1700 Fribourg Mo – Fr: 7.00 – 21.00 Uhr | Sa + So: 9.00 – 21.00 Uhr
FRIBOURG
–––––––––––––––––––––––––––––––––––– Thalia Vordergasse 77, 8200 Schaffhausen Mo – Mi + Fr: 8.30 – 18.30 Uhr Do: 8.30 – 20.00 Uhr | Sa: 8.00 – 17.00 Uhr
SCHAFFHAUSEN
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Thalia Shoppyland Industriestrasse 10, 3322 Schönbühl Mo – Do: 9.00 – 20.00 Uhr | Fr: 9.00 – 21.30 Uhr Sa: 8.00 – 17.00 Uhr
SCHÖNBÜHL
SIERRE –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
ZAP Place de la Gare 2, 3960 Sierre Mo – Fr: 9:00 – 12:00 und 13:30 – 18:30 Uhr Sa: 9:00 – 17:00 Uhr
–––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Thalia Shoppi & Tivoli 8957 Spreitenbach Mo – Sa: 9.00 – 20.00 Uhr
SPREITENBACH
ST. GALLEN ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Orell Füssli Bahnhof Poststrasse 28, 9000 St. Gallen Mo – Fr: 8.00 – 21.00 Uhr Sa + So: 9.00 – 20.00 Uhr
Rösslitor Bücher Multergasse 1 – 3, 9001 St. Gallen Mo – Mi + Fr: 9.00 – 18.30 Uhr Do: 9.00 – 21.00 Uhr | Sa: 9.00 – 17.00 Uhr Thalia Shopping Arena Zürcher Strasse 464, 9015 St. Gallen Mo, Di, Mi + Fr: 9.00 – 19.00 Uhr, Do: 9.00 – 21.00 Uhr | Sa: 9.00 – 17.00 Uhr ST. MARGRETHEN –––––––––––––––––––––––––––––––––––
Thalia Einkaufszentrum Rheinpark 9430 St. Margrethen Mo – Do: 9.00 – 19.00 Uhr | Fr: 9.00 – 21.00 Uhr Sa: 8.00 – 17.00 Uhr
THUN –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Thalia Bälliz 60, 3600 Thun Mo – Mi + Fr: 9.00 – 18.30 Uhr Do: 9.00 – 21.00 Uhr | Sa: 9.00 – 17.00 Uhr
Editorial | 3
WINTERTHUR ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Orell Füssli Marktgasse Marktgasse 3, 8400 Winterthur Mo – Mi + Fr: 09.00 – 18.30 Uhr Do: 9.00 – 21.00 Uhr | Sa: 9.00 – 17.00 Uhr
Inhalt
Orell Füssli Einkaufszentrum Rosenberg Schaffhauserstrasse 152, 8400 Winterthur Mo – Fr: 8.30 – 20.00 Uhr | Sa: 8.00 – 18.00 Uhr Vogel Thalia Marktgasse 41, 8400 Winterthur Mo – Mi + Fr: 9.00 – 18.30 Uhr Do: 9.00 – 21.00 Uhr | Sa: 9.00 – 17.00 Uhr VISP ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
ZAP Bahnhofstrasse 21, 3930 Visp Mo – Fr: 9:00 – 12:00 und 13:30 – 18:30 Uhr Sa: 9:00 – 17:00 Uhr
ZERMATT ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
ZAP Hofmattstrasse 3, 3920 Zermatt Mo – Sa: 9:00 – 12:00 Uhr und 14:00 – 18:30 Uhr Während der Saisonzeit: Mo – Fr: 9:00 – 12:30 Uhr und 14:00 – 19:00 Uhr So: 16:00 – 19:00 Uhr
ZÜRICH ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Orell Füssli Kramhof Füsslistrasse 4, 8001 Zürich Mo – Fr: 9.00 – 20.00 Uhr | Sa: 9.00 – 18.00 Uhr
Orell Füssli Am Bellevue Theaterstrasse 8, 8001 Zürich Mo – Fr: 9.00 – 20.00 Uhr | Sa: 9.00 – 18.00 Uhr Orell Füssli The Bookshop Bahnhofstrasse 70, 8001 Zürich Mo – Fr: 9.00 – 20.00 Uhr | Sa: 9.00 – 18.00 Uhr Orell Füssli Flughafen Airport Center, 8060 Zürich–Flughafen Mo – So: 7.00 – 21.00 Uhr | Sa – So: 8.00 – 21.00 Uhr Orell Füssli Zürich Hauptbahnhof Shopville, Halle Landesmuseum, 8001 Zürich Mo – Fr: 7.00 – 21.00 Uhr | Sa: 8.00 – 21.00 Uhr So: 9.00 – 20.00 Uhr Orell Füssli Bahnhof Stadelhofen Stadelhoferstrasse 8, 8001 Zürich Mo – Fr: 8.00 – 20.00 Uhr | Sa: 9.00 – 19.00 Uhr So: 10.00 – 18.00 Uhr
Das erste Mal Liebe Leserin Lieber Leser Die Tage werden länger, die Sonne scheint wärmer – die Balz liegt in der Luft. Deshalb spürt Books zart knospenden Gefühlen nach: Die erste Liebe ist ein überwältigendes Naturereignis, das Autorinnen und Autoren schon immer gern schreibend ergründet haben. Dieses Vorhaben gleicht allerdings dem Gang über einen schmalen Grat, bei dem schnell der Absturz in Kitsch und Pathos droht. Ab Seite 20 stellen wir Ihnen Neuerscheinungen vor, welche die Gratwanderung je auf ihre eigene Art meistern und besondere Lesevergnügen bieten. Das erste Mal ist immer unvergesslich – dieser Satz passt nicht nur zu unserem Frühlingsthema, sondern auch zu unserem grossen Interview mit dem jungen Autor Stefan Bachmann. Der Adliswiler schrieb mit nur gerade 16 Jahren seinen internationalen Überraschungserfolg «Die Seltsamen» und sagt heute über sein Debüt: «Ich bin nach wie vor stolz auf dieses Buch, aber jetzt würde ich sicher vieles ganz anders machen.» Und das hat er auch getan: Seine Fortsetzung «The Whatnot» ist gerade auf Englisch erschienen.
FRÜHLINGSGEFÜHLE ZWISCHEN BUCHDECKELN
Erinnerungen an die erste Liebe
Seite 20
NEUE KOCHBÜCHER
Das Auge isst mit
Seite 44
Orell Füssli Im Franz Carl Weber Bahnhofstrasse 62, 8001 Zürich Mo – Mi: 9.00 – 18.30 Uhr Do + Fr: 9.00 – 20.00 Uhr | Sa: 9.00 – 18.00 Uhr
www.books.ch www.buch.ch www.thalia.ch www.stauffacher.ch www.zap.ch
REISEFÜHRER-SPEZIAL
Ihr Michele Bomio CEO Orell Füssli Thalia AG
Die neusten Ratgeber für den Städtetrip
Seite 23 4 Notizen 10 «Wer weiss schon, was ich in fünf Jahren mache!» Interview mit Stefan Bachmann, Autor des Bestsellers «Die Seltsamen» 14 Einfach prächtig Neue Bildbände und Bücher zum Schmökern 18 Im Schaufenster «Der Hof» von Simon Beckett 32 Kaffeepause Die Books-Debatte 36 Fantastisch! Fantasy-Neuerscheinungen 39 Mein Buch 40 Heldinnen des Alltags Neues aus der Kinderwelt 43 Grosser Coup Der Gewinner des Kurz geschichten-Wettbewerbs 46 Kreuzworträtsel 47 Veranstaltungen 48 Kolumne Darum schreibe ich – von Lukas Hartmann 50 Märchen reloaded Ausstellung im Landesmuseum
Impressum Die nächste Ausgabe von Books, dem Magazin der Orell Füssli Thalia AG, erscheint am 23. Mai 2014. Sie erhalten Books kostenlos in jeder Filiale. Bestellungen nehmen wir gern entgegen über www. books.ch, orders@books.ch und Telefon 0848 849 848.
Jetzt Fan werden: www.facebook.com/OrellFuessli
Preisänderungen vorbehalten. Unsere aktuellen Verkaufspreise und eine umfassende Auswahl an Büchern, Filmen und Spielen finden Sie auf www.books.ch.
Herausgeber: Orell Füssli Thalia AG, Dietzingerstrasse 3, Postfach, 8036 Zürich Gesamtherstellung und Redaktion: Die Blattmacher GmbH, Zürich Gestaltung / LAYOUT: Strichpunkt GmbH, Winterthur Coverfoto: Gerry Nitsch Alle so gekennzeichneten Bücher sind auch als eBook erhältlich.
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Notizen Marius Leutenegger
Auch darüber schreibt Umberto Eco: Das Schlaraffenland – hier gesehen von Pieter Bruegel d. Ä.
Die Welt ist bis in den letzten Winkel erforscht und entdeckt – davon legen auch die vielen Stadtführer ein Zeugnis ab, die wir in unserem «Spezial» ab Seite 23 vorstellen. Doch noch immer gibt es Orte, die niemals von einem Menschen betreten wurden: Orte, die nur in unseren Köpfen existieren. Zwei Neuerscheinungen beschäftigen sich auf äusserst attraktive Weise damit. Da ist einmal «Die Geschichte der legendären Länder und Städte», erschienen bei Hanser. Autor Umberto Eco kennen wir ja vor allem als Romancier – von ihm stammen die Welterfolge «Der Friedhof in Prag» und «Der Name der Rose». Von Haus aus ist der Italiener aber Literaturhistoriker und Semiotiker, also Fachmann für Zeichensysteme. Darüber hinaus ist er ein wandelndes Lexikon und ein sehr humorvoller Zeitgenosse. In seinem neuen, reich illustrierten Buch geht er jenen Orten nach, die irgendwann als existent galten und von manchen Leuten sogar gesucht wurden: das Reich der Königin von Saba, Atlantis, das Schlaraffenland, Eldorado und so weiter. Da wir wohl alle irgendwann vom einen oder anderen dieser Nichtorte geträumt haben und gelegentlich ein unstillbares Fernweh in uns spüren, macht das Buch enorm viel Spass – zumal Eco ein Wissenschaftler ist, dem jedes Professorale abgeht. Er erzählt Geschichten, nicht Geschichte, und nimmt uns mit auf eine Reise ins Reich der Fantasie. Noch etwas weiter geht in dieser Hinsicht der unverwüstliche Terry Pratchett. Die meisten seiner Scheibenwelt-Romane spielen in der kuriosen Stadt Ankh-Morpork, in der Menschen, Werwölfe, Igors, Zwerge und Trolle keineswegs immer friedlich zusammenleben. Nun hat Pratchett seine gesammelte Fantasie über die Grossstadt aufs Papier gebracht: Sein bei Manhattan erschienener «Vollsthändiger und unentbehrlicher Stadtführer von gesammt Ankh-Morpork» stellt die Stadt derart detailliert vor, dass man sich kaum vorstellen kann, warum einer so viel Zeit auf etwas derart Unsinniges verwendet. Doch gerade darin liegt der Reiz der Sache: Das Buch ist ein echter Reiseführer durch eine Stadt – und damit auch eine sehr üppige Reiseführer-Parodie. Prachett empfiehlt Hotels und Restaurants, füllt Dutzende von Seiten mit witzigen Anzeigen von Geschäften oder schlägt Routen für Stadtwanderungen vor. Das Juwel des Buchs ist eine grosse Karte, auf der man nun wirklich jede Strasse findet, die je in einem Scheibenwelt-Roman vorkam.
Als das NobelpreisKomitee im letzten Jahr die Gewinnerin des Literatur-Nobelpreises bekannt gab, wunderte sich ausnahmsweise niemand: Die Kanadierin Alice Munro gilt schon seit Jahrzehnten als eine Meisterin ihres Fachs. Und dieses ist die Kurzgeschichte. Munro beschreibt unsentimental und hintersinnig meist eher trübe und äusserst glaubwürdige Geschichten aus dem Alltag einer Frau mittleren Alters; sie verzichtet oft auf ein klares Ende und beeindruckt durch eine ebenso minutiöse Beobachtungsgabe wie durch eine Sprache, die karg und doch einnehmend ist. Das ist hohe Literatur, die sich auch leicht lesen lässt. Rund 150 Geschichten hat Munro bislang veröffentlicht. Nun sind wieder 14 neue hinzugekommen – erschienen bei S.Fischer im Band «Liebes Leben». Wie der Titel dieses 14. Erzählbandes von Munro sagt, geht es um die Liebe und das Leben schlechthin: um Untreue, den Kitzel des Augenblicks, ein kurzes Ausbrechen aus einem Alltag, der deprimierenderweise meist nicht einmal schlecht, sondern nur banal ist. Wer Munro noch nicht kennt, findet hier einen idealen Einstieg in ein faszinierendes Werk.
«Meisterwerk im Stil Isabel Allendes», urteilte ein Kritiker über «Mofongo». Der bei Urachhaus erschienene Familienroman stammt von der hierzulande noch wenig bekannten, im englischen Sprachraum aber längst höchst erfolgreichen Autorin Cecilia Samartin. Sie ist zwar eine USAmerikanerin, ihre Wurzeln liegen aber in Kuba – daher auch der Vergleich mit dem lateinamerikanischen Superstar Allende. «Mofongo» präsentiert eine bunte Palette attraktiver Figuren: den zehnjährigen Sebastian, seine 70-jährige Grossmutter Lola, Sebastians liebevollen Vater, der zumindest in Gedanken untreu wird und schwer dafür bezahlt, Schwester und Mutter – eine Familie, die man ins Herz schliesst und der man gern angehörte, auch wenn es ihre Mitglieder miteinander nicht leicht haben. Ein herzerwärmendes Buch für die letzten kalten Nächte der Saison.
Leute, die das mögen, mögen auch ...
Als Max Frisch im April 1991 starb, verfügte er eine 20-jährige Sperrfrist über seinen Nachlass. Die betraf auch das «Berliner Journal» – fünf Ringbücher voller Texte, die er während seines Aufenthalts in Berlin von 1973 bis 1980 verfasste. Fast drei Jahre nach Ablauf der Sperrfrist hat Suhrkamp das Journal jetzt veröffentlicht. Oder zumindest einen Teil davon: Von öffentlichem Interesse seien nur die ersten beiden, gut ausgearbeiteten Ringbücher, die späteren, eher skizzenhaften enthielten vor allem Texte über Frischs Privatleben, heisst es im Nachwort. Doch auch die veröffentlichten Teile sind von Privatem geprägt. Im Stil seiner zwei früheren und weltberühmten Tagebücher reflektiert Frisch über Kollegen, Erlebnisse und aktuelle Ereignisse, da und dort skizziert er eine literarische Idee. Vor allem aber geht es ihm um ihn selbst, um seine Ehe mit der 28 Jahre jüngeren Marianne, das Älterwerden, die schwindende schriftstellerische Potenz. Man kann Max Frisch leider nicht widersprechen, wenn er später in einem Brief an seinen Schriftsteller-Freund Uwe Johnson über das Journal schreibt, der Text enthalte «viel Selbstgerechtigkeiten»; zuweilen sind Frischs Narzissmus und Koketterie nur schwer erträglich. Doch der Zürcher bleibt ein Titan des Worts, und viele Stellen gehen einem nicht mehr aus dem Kopf. Ein Beispiel? «Gelegentlich wundere ich mich, dass ich 62 werde. Kein körperliches Gefühl davon, dass es in wenigen Jahren zu Ende ist. Wie bei einem Blick auf die Uhr: So spät ist es schon?»
Sie kennen das: Man hat gehofft, ein Buch ginge nie zu Ende, weil es einem so gefallen hat – aber irgendwann ist die letzte Seite dann doch gelesen. Zum Glück kann man sich in solchen Momenten an Fachleute wenden, die einem ein Buch mit vergleichbaren Qualitäten empfehlen. Eine solche Fachfrau ist die Bernerin Céline Tapis. Nach der Matura absolvierte die heute 22-Jährige eine Buchhändlerlehre; mittlerweile arbeitet sie zu 50 Prozent bei Stauffacher und studiert an der Universität Bern Germanistik sowie Interreligiöse Studien. «‹Gute Geister› von Kathryn Stockett hat viel Begeisterung ausgelöst – vor allem auch dank der grossartigen Verfilmung unter dem Originaltitel ‹The Help›. Die Geschichte spielt in den Südstaaten der USA in den 1960erJahren. Im Zentrum stehen die beiden schwarzen Hausangestellten Minnie und Aibileen sowie Skeeter, die Tochter einer wohlhabenden weissen Familie. Skeeter will ein Buch über die Diskriminierung der schwarzen Hausangestellten schreiben – und Minnie und Aibileen unterstützen sie dabei. In ihrem Debütroman erzählt Stockett so warmherzig wie schonungslos von der Rassentrennung, von Freundschaft, Loyalität und den Schwierigkeiten, seinen eigenen Weg zu gehen. Im Buch steckt alles, was man sich als Leserin oder Leser wünscht: Es ist sehr unterhaltsam, aber auch sehr authentisch, aufrüttelnd und spannend. Zudem ist es gespickt mit historischen Details, die einem die Epoche näher bringen. Ganz ähnliche Vorzüge hat ein anderer Debütroman: ‹Zu zweit tut das Herz nur halb so weh› von Julie Kibler. Lassen Sie sich vom furchtbaren deutschen Titel nicht abschrecken; im Original heisst das Buch ‹Cal-
ling Me Home›, was ich viel passender finde. Der Roman ist gerade als Taschenbuch erschienen. Er spielt ebenfalls in den Südstaaten der USA, aber in den 1930er-Jahren und in der Gegenwart. Die 90-jährige Isabelle beauftragt die 40-jährige Coiffeuse Dorrie, sie durchs ganze Land zu einem wichtigen Termin zu fahren. Auf ihrem Road Trip erzählen die beiden Frauen einander ihre Geschichte. Isabelle war einst eine Tochter aus bestem Haus; sie verliebte sich in den Sohn der schwarzen Hausangestellten und wurde von ihm schwanger, was einen Skandal auslöste. Das Kind wurde Isabelle gleich nach der Geburt weggenommen, seither ist die Frau eigentlich nie mehr glücklich geworden. Jetzt spricht sie erstmals über ihre Erlebnisse. Aber auch Dorrie hat ihre Probleme: Sie steht mitten im Leben, hat einen Sohn und weiss nicht, ob sie mit ihrem neuen Freund zusammenziehen soll. Dorrie kämpft mit der Gegenwart, Isabelle mit der Vergangenheit. Rein thematisch sind die beiden Romane einander sehr ähnlich: Es geht hier wie dort um Einzelschicksale innerhalb einer von Rassentrennung geprägten Gesellschaft. Frauenfiguren stehen im Zentrum, und beide Bücher wenden den gleichen Kniff an: Die Kapitel sind jeweils aus Sicht einer Protagonistin geschrieben. Das lässt sie besonders authentisch wirken. ‹Zu Zweit tut das Herz nur halb so weh› ist einiges kürzer als ‹Gute Geister› und auch etwas ruhiger, weil es weniger Nebenfiguren gibt und die Geschichte stark auf die beiden Einzelschicksale fokussiert. Aber ich bin überzeugt: Wem ‹Gute Geister› gefiel, der wird auch von ‹Zu Zweit tut das Herz nur halb so weh› begeistert sein.»
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Books Nr. 1/2014
Jahrestage
Bernard Thurnheer, TV-Kommentator beim SRF:
unserem Kulturschatz und wurde schon
lung von Jesus’ Hinrichtung – gehört zu in unzähligen Varianten aufbereitet.
typ dieser Art von Geschichte. Die Analphabetin und ihr Tun sind zwar eine pure Erfindung, doch das Leben auf der Erde hat sich, wie wir aus der Tagesschau wissen, genau so abgespielt! Dies macht dann wieder den Reiz des Buchs aus.
«Der schwedische Autor Jonas Jonasson wurde bekannt mit der Figur eines Hundertjährigen, der zwar aus dem Altersheim, aber fast nie mehr aus den Bestsellerlisten verschwand. Darf ich vorstellen, seine Nachfolgerin: ‹Die Analphabetin, die rechnen konnte›.
Wird das auf die Dauer nicht langweilig und voraussehbar? Nein! Der Autor schafft es nämlich, seine leicht verrückten Figuren – es gibt da noch ein paar weitere höchst dubiose Personen – derart plastisch und sympathisch darzustellen, dass man ihnen stets die Daumen drückt und ihnen immer weiter folgen will. Die Art, wie sie reden und wie sie die diversen politischen Situationen auf unserem Erdball von jeglichem Sachwissen unbelastet locker-flockig beurteilen, lassen einen andauernd schmunzeln. Ist Lesen anstrengend? Bei diesem Buch ganz sicher nicht!»
Colm Tóibin hat jetzt eine weitere Version hinzugefügt: Im schmalen, aber sehr
dichten
und
bei
Hanser
erschienen Band «Marias Testament» erzählt der Ire die Geschichte aus Sicht von Maria. Für sie ist Jesus nicht der Sohn Gottes, sondern ihr eigenes Kind, das sie immer weniger versteht und dessen Tod in gewissem Sinne
auch
ihr
Ende bedeutet. Tóibin stellt das Verhältnis von Maria und Jesus als zwar intensive, letztlich aber alltägliche Mutter-Sohn-Beziehung dar – und das auf eine Weise, die niemand in seinen religiösen Gefühlen verletzt. Ma-
Wieder hat mich das Lesevergnügen gepackt, obwohl schon bald klar ist, dass Jonasson mit demselben Trick wie in seinem Bestseller operiert: Ein Nobody ist immer genau da, wo in der Weltpolitik Entscheidendes geschieht. Ja, durch seine Naivität beeinflusst er sie sogar entscheidend. Der Film ‹Forrest Gump› war wohl der Proto-
Die Analphabetin, die rechnen konnte
ria steht abseits, stellt sich jene Fragen,
Jonas Jonasson 442 Seiten CHF 29.90 carl’s books
inwiefern soll Jesus, indem er am Kreuz
die sich wohl alle einmal gestellt haben – starb, die Menschheit befreit haben? – und wehrt sich gegen jegliche Verklärung ihres Sohns und ihrer selbst. Eine bedenkenswerte Perspektive, die uns der Autor des grossartigen Romans «Brooklyn» hier eröffnet.
JÖRG MAURER – neue Alpenkrimis
»Große deutsche Unterhaltungsliteratur: endlich.« Denis
Scheck
»Auf höchstem Alpen-Niveau. Ein Glück für die deutsche Unterhaltungsliteratur.«
Deutschlandfunk
-Bestsellerautor! ISBN 978-3-596-19535-0, sFr 16,90 (UVP)
vom
ISBN 978-3-651-0063-6, sFr 28,90 (UVP)
doch Morgenstern schuf auch ein umfangreiches ernsthaftes Werk, er war Übersetzer von Ibsen, Strindberg und Hamsun sowie ein enger Freund und Mitstreiter von Rudolf Steiner, dem Begründer der Anthroposophie. Die Zeiten überdauert hat allerdings allein seine lustige Lyrik. Sie bot Morgenstern vermutlich ein Ventil, denn zu lachen hatte der Schriftsteller Zeit seines Lebens nur wenig: Seine Mutter starb früh an Tuberkulose, und sie hatte ihn zuvor noch mit ihrer Krankheit angesteckt. Einen grossen Teil seines Lebens verbrachte Morgenstern deshalb in Sanatorien, zum Beispiel in Arosa. Nach dem frühen Tod Morgensterns brachte Rudolf Steiner dessen Asche ins Goetheanum bei Basel, wo sie sich bis heute befindet. Da die Rechte an Morgensterns Werk längst abgelaufen sind, erscheint es anlässlich des Jahrestags in unzähligen Varianten. Hervorzuhe-
ben sind zwei schön illustrierte Neuner Ambrose Bierce. Sein wildes Leben auflagen der «Galgenlieder»: Lappan prämachte den 1842 Geborenen zu einer Art sentiert die Gedichte mit kongenialen IllusHemingway der Vorkriegsjahre: Bierce trationen von Gerhard Glück, die Edition war tapferer Soldat im Bürgerkrieg, LandBüchergilde setzt auf den bewährten Hans vermesser in Indianer-Territorien, ZeiTicha. tungskorrespondent in London und am Ende gar noch Revolutionär. Denn ums Leben kam er vor 100 Jahren an der Seite Noch mehr, ja viel mehr Neuerscheinundes mexikanischen Freiheitskämpfers gen wird in diesem Jahr ein anderes JubiPancho Villa. Was damals genau geschah läum hervorbringen: Am 26. April ist es – und wann ganz genau –, ist nicht klar. Aus 450 Jahre her, dass William Shakespeare Briefen von Bierce muss man schliessen, getauft wurde. Der Geburtstag des Briten ist unbekannt, wird aber wohl in die Woche vor diesem Datum gefallen sein. Mit Superlativen sollte man vorsichtig umgehen, in diesem Fall scheint aber einer angebracht: Shakespeare ist wohl der wichtigste Dramatiker der Theatergeschichte. Auch in einer entsprechenden ARTE-Umfrage belegte der Brite Rang eins, vor Schiller, Molière, Brecht, Goethe, Beckett und dem unverwüstlichen Sophokles. 38 Theaterstücke hat uns Shakespeare hinterlassen, einige davon gehören zu den bekanntesten überhaupt. Reclam hat dass der notorische Menschenfeind und in «Dramen» die Zyniker standrechtlich erschossen wurde. klassischen ÜberLiterarisch ist Bierce bedeutend, weil er setzungen der zusammen mit Edgar Allen Poe und H.P. Meisterwerke in eiLovecraft als Erfinder des Horror-Genres nem schönen Band gilt. Seine Geschichten sind allerdings eher zusammengefasst. drollig als gruslig – denn offenbar konnte Der Manesse-VerBierce einfach nicht anders, als ständig lag präsentiert in Breitseiten abzu«Wie er uns gefeuern, in Ironie zu fällt» Gedichte aus verfallen, eine vier Jahrhunderten und über 20 Ländern Pointe an die andeüber Shakespeare und sein Werk – «von re zu reihen oder Jonson bis Brecht, von Wordsworth bis Naseine eigenen bokov, von Baudelaire bis Lorca». Dazu Schöpfungen zu gibt es natürlich Sekundärliteratur und verulken. Das alles Biografien noch und nöcher. Über macht sein Werk Shakespeare bleibt offenbar auch Jahraber sehr vergnüghunderte nach seinem Ableben immer lich und intereswieder Neues zu sagen. Wenn das kein sant. Dem InselBeweis von Grösse ist. Verlag kommt das Verdienst zu, jetzt einige der besten Erzählungen neu herausgeZurück zu den Normalsterblichen, die aber bracht zu haben: «Horrorgeschichten» dennoch in ihren Werken weiterleben. Ein enthält elf kleine Literatur-Juwelen. solcher Schriftsteller ist der US-Amerika-
Die Passionsgeschichte – also die Erzäh-
© SRF/Oscar Alessio
Am 31. März jährt sich der Todestag von Christian Morgenstern zum 100. Mal. Den 1871 in München geborenen Dichter und Schriftsteller kennt man heute vor allem wegen seiner skurril-humoristischen Gedichte («Es war einmal ein Lattenzaun, mit Zwischenraum, hindurchzuschaun»);
Was lesen Sie gerade?
© Gaby Gerster
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Books Nr. 1/2014
... und ausserdem
Neue virtuelle Lesegruppe auf booksblog.ch
Nun gibt es einen solchen Lesekreis auch virtuell: auf booksblog.ch. Seit 1. März können sich ihm alle ganz unkompliziert im Blog der Orell Füssli Thalia AG anschliessen. Das erste Buch, dem sich der virtuelle Lesekreis annimmt, ist «Jakobs Ross». Der vielversprechende Debüt-Roman der Zürcher Journalistin Silvia Tschui ist bei Nagel & Kimche erschienen. Er erzählt von der jungen Magd Elsie, die in der Schweiz des 19. Jahrhundert von einer Karriere als Musikerin träumt und um ihre Selbstbestimmung kämpft. «Einzige Voraussetzung für die Teilnahme am Lesekreis ist, dass man das Buch liest – als eBook oder in Papierform», sagt Anne
Eine Nacht lang den Kramhof nur für sich
Abteilungsleiterin Nathalie Bänninger, links, übergibt Angela Heller aus Zürich den Büchergutschein über 500 Franken – und natürlich einen Blumenstrauss.
Wieser; die bekannte Zürcher Literaturagentin moderiert den Blog. Einklinken kann man sich ohne Passwort und Registrierung. Wie aber funktioniert das «gemeinsame Lesen»? «Wir beschäftigen uns acht Wochen lang mit ‹Jakobs Ross›; ich werfe Themen auf und lanciere die Debatte mit Fragen. Die Teilnehmenden können selber Fragen an die Gemeinschaft richten und über das Buch diskutieren.» Darüber hinaus liefert die Moderatorin auch Zusatzmaterial zum Buch. Nach acht Wochen wird mit einem neuen Titel gestartet. Einen bestimmten Leserhythmus muss man nicht einhalten, um sich beteiligen zu können. «Das Ziel ist aber schon, dass man das Buch gemeinsam entdeckt», sagt Anne Wieser. Sie schlägt vor, dass man im Durchschnitt etwa drei Seiten pro Tag liest. Was ist denn der Vorteil eines solchen virtuellen Lesezirkels gegenüber einem klassischen? «Man kann bequem von daheim aus mitmachen – dann, wann man Zeit hat», sagt Anne Wieser. Dass die Sache funktioniert, belegen ähnliche Angebote im Internet. Von diesen unterscheidet sich der Booksblog übrigens hinsichtlich der Auswahl der Bü-
Letzten Herbst feierte der Kramhof, das Flaggschiff von Orell Füssli, sein 20-jähriges Bestehen. Wer sein liebstes Buch der vergangenen 20 Jahre angab, nahm am Jubiläums-Wettbewerb teil. Erster Preis: Einen Abend lang von 20 Uhr bis Mitternacht den Kramhof exklusiv für sich und eine Begleitperson – sowie ein Büchergutschein über 500 Franken. Der attraktive Hauptgewinn wurde Angela Heller aus Zürich zugelost. Mit der 31-jährigen Primarlehrerin hatte Fortuna die genau richtige Kundin ausgewählt – denn zum einen ist Angela Heller eine begeisterte Leserin, zum anderen erwartet sie zusammen mit ihrem Mann Oliver im Mai das erste Kind. Und wenn Bücherfreundinnen Kinder bekommen, bauen sie meist die eigene Bibliothek aus. «Jetzt habe ich gerade ‹Tomte und der Fuchs› von Astrid Lindgren ausgewählt», sagt Angela Heller kurz vor 21 Uhr. Auf ihrem noch kleinen Stapel liegen bereits ein andere Bilderbuch und der neue Asterix-
cher: Vorderhand werden ausschliesslich Werke von Schweizer Autorinnen und Autoren thematisiert. Anne Wieser verantwortet übrigens auch den Facebook-Auftritt der Orell Füssli Thalia AG. «Täglich gibt es dort einen neuen Eintrag», verspricht sie. Vorwiegend handelt es sich dabei um aktuelle Leseempfehlungen; sie stammen von den Buchhändlerinnen und Buchhändlern, aber auch von so bekannten Schreibenden wie Sunil Mann oder Katja Alves. Alle Bücherfreundinnen und -freunde sollten jetzt also drei Dinge tun: «Jakobs Ross» kaufen, sich am Booksblog beteiligen – und die Facebook-Seite von Orell Füssli liken.
Band. Am liebsten liest die Primarlehrerin im Moment aber Krimis, «vor allem von Schweizer Autorinnen und Autoren – von Petra Ivanov, Sunil Mann oder Ernst Solèr. Mir gefällt es, wenn eine Geschichte an einem Ort spielt, den ich kenne.» Welches Buch sie beim Jubiläums-Wettbewerb angegeben hat, weiss Angela Heller indessen nicht mehr genau; ein Krimi sei es jedenfalls nicht gewesen. «Ich glaube, ich nannte einen Roman der Harry-Potter-Reihe. Oder den historischen Roman ‹Die mit dem Wind reitet›? Den las ich unzählige Male.» Dass der Kramhof nur für sie und ihren Mann vier Abendstunden lang geöffnet wurde, findet sie «schon sehr lässig. Wenn wir sonst im Kramhof sind, haben wir nachher meist noch etwas vor und daher nicht so viel Zeit. Aber jetzt können wir uns in grösster Ruhe alles anschauen, was uns interessiert. Und wir werden mitnehmen, so viel wir tragen können!»
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Es ist 21 Zentimeter breit und 14 Zentimeter hoch, und mit den drei mitgelieferten Magneten im Fussball-Design kann man den aktuellen Spielplan ebenso befestigen wie das schönste Panini-Bildchen – oder diesen Artikel, falls man eines der beiden genannten Fussballbücher doch noch nicht besitzt und sich dringend besorgen muss.
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In der letzten Ausgabe von Books verlosten wir unter den Teilnehmenden unseres Kreuzworträtsel-Wettbewerbs drei Büchergutscheine. Gewonnen haben:
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© Beowulf Sheehan
Lesen ist eigentlich eine einsame Angelegenheit – das muss sie aber nicht bleiben. Seit jeher tun sich zum Beispiel Bücherfreundinnen und -freunde zu Lesezirkeln zusammen, um miteinander ein Buch zu entdecken und sich darüber auszutauschen. Sie motivieren einander, bis zu einem vereinbarten Zeitpunkt einen Teil des Textes zu lesen oder sich Gedanken zu einem Aspekt des Buchs zu machen.
Alle zwei Jahre quellen die Buchhandlungen von Fussball-Büchern über – dann nämlich, wenn Europa- oder Weltmeisterschaften stattfinden. Die besten Titel werden regelmässig neu aufgelegt, und daher müssen wir davon ausgehen, dass die fussballbegeisterten Bo ok s-Lese r innen und -Leser die wichtigsten Bücher zum Thema bereits besitzen. Also zum Beispiel «Manchmal gewinnt der Bessere», Metin Tolans Standardwerk über die Physik des Fussballspiels, oder «Fever Pitch», Nick Hornbys sprühende Autobiographie eines Fussball-Besessenen. Darüber hinaus findet man in den Buchhandlungen aber auch ein weite-
WettbewerbsGewinner
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Das Lösungswort lautete übrigens «Mauerbluemchen». Die Gewinnerinnen und Gewinner der Preise 4 bis 10 werden schriftlich benachrichtigt. Das aktuelle Kreuzworträtsel finden Sie in dieser Ausgabe auf Seite 48.
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«Wer weiss schon, was ich in fünf Jahren mache!» Mit «The Peculiar» erzielte der in Adliswil wohnhafte, damals 16-jährige Autor Stefan Bachmann in den USA einen Sensationserfolg. Jetzt ist das Buch auch auf Deutsch erschienen: «Die Seltsamen» erzählt vom Zusammenstoss der Feen- und Menschengesellschaft im viktorianischen Zeitalter. Marius Leutenegger
Books: Sie sind zweisprachig aufgewachsen und haben Ihren Erstling «The Peculiar» auf Englisch verfasst. Ab sofort liegt er auch auf Deutsch vor – als «Die Seltsamen». Wie ist es denn, die Übersetzung des eigenen Werks zu lesen? Stefan Bachmann: Ehrlich gesagt habe ich nur Teile davon gelesen. Die Sache ist schon etwas eigenartig – das deutsche Buch wirkt auf mich, als hätte es jemand anderer verfasst. Natürlich ist der Plot gleich, aber die Sprache ist ganz anders. Der englische Wortschatz scheint mir vielfältiger, manchmal braucht es auf Deutsch mehrere Wörter, um einen englischen Begriff zu umschreiben. Das ist eben cool am Englischen: Wählt man die Wörter gut, kann man etwas sehr knapp ausdrücken – und dennoch entsteht bei den Leserinnen und Lesern sofort ein Bild im Kopf. Aber ehrlich gesagt weiss ich eigentlich zu wenig über die deutsche Sprache, um das alles wirklich beurteilen zu können. Sie sind in einem Alter, in dem man schnell Fortschritte macht. Wie schätzen Sie aus heutiger Sicht den Roman «Die Seltsamen» ein, den Sie vor drei Jahren beendeten? Ich dachte beim Wiederlesen schon ein paar Mal: «Oh nein!» Diesen Effekt gibt es ja bei Büchern oft: Man schreibt etwas und gibt das Beste, aber es ist eben nur das Beste, das man in jenem Moment geben kann. Mit «Die Seltsamen» habe ich wohl mein damaliges Potenzial ausgeschöpft. Ich bin nach wie vor stolz auf dieses Buch, aber jetzt würde ich sicher manches anders machen.
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Zum Beispiel? Je älter man wird, desto mehr Leute kennt man – und desto bessere Charaktere schreibt man. Mit 16 habe ich die Menschen sicher weniger gut verstanden, als ich das heute tue. Medienberichten kann man entnehmen, dass «Die Seltsamen» nicht Ihr erstes Werk ist – Sie hätten zuvor schon vier Manuskripte verfasst. Werden diese irgendwann auch veröffentlicht? Auf keinen Fall. Diese früheren Versuche habe ich nur für die Familie geschrieben, und sie sind auch ziemlich schlecht. Ich will lieber etwas Neues veröffentlichen. Was finden Sie denn eigentlich so toll am Scheiben? Die Antwort darauf hängt vom Buch ab, an dem ich gerade arbeite. Vor einer Woche habe ich der Lektorin meinen dritten Roman abgegeben. Es ist ganz anders als die ersten beiden, also als «Die Seltsamen» und dessen Fortsetzung «The Whatnot», die gerade auf Englisch erschienen ist. Beim dritten Buch habe ich besonders geschätzt, etwas ganz anderes machen zu können, mich ausserhalb der FantasyWelt zu bewegen. Bei «Die Seltsamen» war für mich hingegen aufregend, eine eigene Welt und eine eigene Atmosphäre zu schaffen. Schreibt man ein Buch, kann man mit den Figuren machen, was man will – das fand ich schon sehr spannend. Die deutsche Übersetzung Ihres Buchs ist über 360 Seiten dick. Wie lange arbeitet man an einem solchen Werk?
«Die Seltsamen» 368 Seiten CHF 25.90 Diogenes
England um 1850: Ein bislang geschlossenes Portal öffnet sich und Feen strömen in die Welt der Menschen. Es kommt zum Krieg, den die Menschen gewinnen. Die Feen integrieren sich in die Gesellschaft, die meisten von ihnen leben fortan allerdings unter misslichen Bedingungen. Besonders schlecht ergeht es den Fee-Mensch-Mischwesen. Zu diesen «Seltsamen» zählt auch der schüchterne Bartholomew Kettle, eine der Hauptfiguren des Buchs. Eines Tages kommt eine geheimnisvolle Frau in den Feen-Slum und nimmt Bartholomews Freund mit, der schon bald als Leiche aus der Themse gefischt wird. Als Bartholomews kleine Schwester ebenfalls verschwindet, macht sich der Junge auf die Suche nach ihr. Zweite Hauptfigur der Geschichte ist der tollpatschige Parlamentsabgeordnete Mr. Jelliby, der von einer ganz anderen Seite in die gleiche Geschichte um entführte Kinder, böse Feen, ignorante Menschen, Magie, Technik und die Rettung der Welt gerät.
STEFAN BACHMANN Stefan Bachmann, 20, kam in den USA als viertes von fünf Kindern einer US-Amerikanerin und eines Schweizers zur Welt. Als er ein Jahr alt war, zog die Familie nach Adliswil bei Zürich. Stefan Bachmann und seine Geschwister sind von der Mutter zu Hause unterrichtet worden. Seit er elf Jahre alt ist, besucht Stefan Bachmman das Konservatorium Zürich; mittlerweile studiert der mehrfache Gewinner des Suisa-Preises für Komposition die beiden Fächer Orgel und Komposition.
© Paul Schmitz; plainpicture/fStop; iStockphoto; Shutterstock/Alta Oosthuizen
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An der ersten Fassung schrieb ich sechs, sieben Monate lang. Dann feilte ich rund ein Jahr lang am Text. Es vergingen alles in allem wohl zwei Jahre von der ersten Idee bis zum gedruckten Buch. Wie viel ich tatsächlich schrieb, weiss ich nicht mehr genau – es ist ja alles schon drei Jahre her. Ich schrieb wohl jeden Tag, aber ohne Druck. Das hat sich inzwischen geändert: Heute gibt es Verträge und einen Abgabetermin. Das Bücherschreiben ist jetzt ein Job, den ich neben der Schule erledige. Ich schreibe heute wohl durchschnittlich etwa zwei Stunden pro Tag, wobei ich eher blockweise arbeite; an einem Schultag vielleicht eine halbe Stunde, am Wochenende dann viel mehr. Ist es denn ein Vor- oder ein Nachteil, dass Sie neben dem Schreiben noch an die Musikhochschule gehen? In erster Linie ist es ein Vorteil. Es ist gut und wichtig für einen Autor, Dinge zu erleben, nach draussen zu gehen und im Leben zu stehen. Aber es hat natürlich auch Nachteile: Man kommt nicht so schnell vorwärts.
Der neue Thriller
www.breakingnewsroman.com
«Die Seltsamen» ist raffiniert konstruiert: Mehrere Stränge sind ineinander verwoben und werden zu einem dramatischen Ende zusammengeführt. Plant man ein solches Werk – oder ergibt sich die Struktur bei der Arbeit? Ich bin eigentlich sehr unorganisiert und schreibe nie nach einem genauen Plan. Natürlich mache ich ein Gerüst und kenne von Anfang an das Ende der Geschichte. In der Regel schreibe ich zunächst einen kurzen Plot, doch sehr genau ist dieser nicht – andernfalls wäre mir die folgende Schreibarbeit auch zu langweilig. Oft entwickeln sich Dinge dann auch ganz anders als im Gerüst vorgesehen, denn vieles kommt beim Schreibprozess aus dem Unterbewussten. Hand aufs Herz: Wie sehr ist denn Ihr Erstling von anderen mitgeprägt worden? Wie stark wurde lektoriert? Der Plot von «Die Seltsamen» ist noch immer genau so, wie er in meiner ersten Fassung war. Ich diskutierte mit der Lektorin aber viel über die Sprache. Sie bezeichnete zum Beispiel jene Stellen, die sie zu blumig fand, und ich überarbeitete diese. So ging das hin und her. Alle Veränderungen nahm ich selber vor; die Lektorin griff nicht ein, sie sagte einfach ihre Meinung, und dafür war ich ihr dankbar. Ich kann und will ja noch viel lernen, und meine Lektorin ist gut. Sie hatte fast immer Recht mit dem,
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was sie sagte. Bei meinem neuen Buch arbeiten wir jetzt aber stärker am Plot. Sie haben «Die Seltsamen» zehn Buchagenten geschickt – und stiessen schnell auf Interesse. Wie viel hat dieses mit Ihrem Alter zu tun? Wie wichtig sind Sensationen heute im Buchmarkt? Da muss man unterscheiden zwischen den Agenten, die einen gegenüber den Verlagen vertreten, und den Verlagen selbst. Für die Agenten ist das Alter nicht so wichtig, sie müssen in erster Linie eine Geschichte verkaufen, und diese muss sitzen. Man darf ja nicht vergessen, dass es Zehntausende wie mich gibt, die als Teenager ein Buch schreiben und veröffentlichen wollen. Nur weil man jung ist, wird man nicht gedruckt; ich selber erhielt ja auch acht Ablehnungen. Für die Verlage ist ein junger Autor aber schon interessant – mein Alter ist sicher etwas, das viele aussergewöhnlich finden. Christopher Paolini war 15 Jahre alt, als er seinen Fantasy-Bestseller «Eragon» schrieb. Hat sein Erfolg Ihnen Türen geöffnet? Für mich war Paolini zunächst einmal eine wichtige Inspiration, sein Erfolg ermunterte mich, es selber zu versuchen. Und sicher hat Paolini wesentlich dazu beigetragen, dass die Verlage jugendlichen Autoren einen Erfolg zutrauen. Er ist für mich also fraglos wichtig. Darüber hinaus ist er auch sehr nett; ich habe ihn kennengelernt, und wir skypen jetzt regelmässig miteinander. Wissen Sie eigentlich, wie erfolgreich «Die Seltsamen» bis jetzt war – wie oft das Buch übersetzt wurde und welche Gesamtauflage es erzielte? Ich weiss, dass es in neun oder zehn Sprachen übersetzt wurde, habe aber keine Ahnung, wie oft es sich verkaufte. Es werden Hunderttausende von Exemplaren sein. Das hat auch finanzielle Folgen: Müssen Sie überhaupt jemals wieder arbeiten, oder können Sie jetzt ein Leben lang von «Die Seltsamen» zehren? Na, da muss schon noch etwas kommen. Meine Situation ist aber sicher komfortabel. Noch mehr Geld käme in Ihre Kasse, wenn das Buch verfilmt würde. Man konnte lesen, es gäbe entsprechende Pläne. Wissen Sie Genaueres? Es wird immer viel geredet, etwas Konkretes hat sich bis jetzt aber nicht ergeben. Ich weiss immerhin, dass das Buch von Produzenten gelesen wird.
Aufwändig wäre die Verfilmung auf jeden Fall. «Die Seltsamen» gehört zur Gattung des Steampunk: Die Geschichte spielt im viktorianischen England, enthält aber futuristische und fantastische Elemente. Der Steampunk hat seine Wurzeln in den Romanen von Jules Verne oder H.G. Wells und ist heute äusserst beliebt. Was fasziniert Sie am viktorianischen Zeitalter? Oft interessiert man sich ja für Sachen, denen man als Kind begegnet ist. Eine wichtige Inspirationsquelle war für mich der Disney-Film «Basil, der grosse Mäusedetektiv». Diesen Trickfilm, der im viktorianischen Zeitalter spielt, habe ich als Kind geliebt, ich fand ihn sehr dunkel, sehr dramatisch, sehr attraktiv. Seither liebe ich die viktorianische Epoche. Das war ja auch eine interessante Zeit, in der sich die Technik und die Gesellschaft stark veränderten. Mittlerweile interessiere ich mich aber ein bisschen weniger dafür. Ich habe das Gefühl, wenn ich über eine Sache ein Buch geschrieben habe, wird sie gewissermassen aus meinem System genommen – und das schafft Platz für Neues. Auch die Autoren, die Sie gern lesen, wirkten im 19. Jahrhundert: Charles Dickens oder Dostojewski. Es heisst, Sie hätten deren Werke schon als Kind gelesen. Stimmt das wirklich? Ja, «Schuld und Sühne» von Dostojewski las ich erstmals mit elf Jahren. Ich fand das Buch sehr brutal und war schockiert, dass der Mörder für sein Verbrechen zunächst nicht bezahlen muss. Bis anhin hatte ich nur Kinderbücher gelesen, und dort gibt es so etwas ja nicht. Ich denke, ich verstand zwar die Geschichte, aber nicht den Subtext. Doch auch als Kind merkt man, wie gut Dostojewski schrieb und welch starke Charaktere er kreierte. Später las ich das Buch wieder und war natürlich weniger schockiert. Sie beschreiben in «Die Seltsamen» eine Zeit, in der die Feen in unsere Welt gekommen und von den Menschen besiegt worden sind. Gab es logische Knacknüsse zu bewältigen? Ich hatte zum Beispiel eher Mühe zu akzeptieren, dass die Feen den «Heiteren Krieg» gegen die Menschen verlieren – sie können doch zaubern! Ja, aber ich gebe als Grund für ihre Niederlage an, dass die Menschen mechanisiert und ihnen deshalb überlegen sind. Wären die Feen 100 Jahre früher gekommen, hätten sie wohl den «Heiteren Krieg» gewonnen. Logische Knacknüsse
ergeben sich bei Fantasy-Büchern kaum, weil man ja selber alle Regeln aufstellen kann. Schwierig fand ich eher, die Stränge zusammenzubringen. Und kompliziert war auch, dass die einen Figuren etwas wissen, was andere nicht wissen – die Leserinnen und Leser zugunsten der Spannung aber auch nicht alles wissen dürfen. Dass «Die Seltsamen» ein Kinderbuch für Buben und Mädchen ab zwölf Jahren ist, erfuhr ich erst, nachdem ich den Roman gelesen hatte. Er erscheint mir für eine solche Zielgruppe ziemlich komplex, auch sprachlich, und ich finde ihn stellenweise auch etwas heftig. Der Roman ist tatsächlich recht dunkel für Kinder. Ich weiss nicht, wie die hiesigen Verhältnisse sind, was Kinder gern lesen – da herrschen ja von Land zu Land etwas andere Verhältnisse. Aber brutal ist das Buch nicht, oder? Nein. Ich finde, es entspricht hinsichtlich Spannung und Effekte etwa einem Grimm-Märchen. Kinder merken schon, dass das alles nicht im wirklichen Leben spielt. Aber ein wenig hochbegabt sollte man wohl sein, wenn man dieses Buch mit zwölf Jahren lesen will ... Ich finde nicht. «Die Seltsamen» ist vielleicht nicht unbedingt für Kinder geeignet, die vorher noch nie ein Buch gelesen haben. Aber ich kenne den hiesigen Markt nicht so genau. Apropos hiesiger Markt: Erstaunlich ist, dass das Buch im Diogenes-Verlag erscheint – der bis jetzt kaum FantasyWerke veröffentlichte. Ich habe gehört, «Die Seltsamen» sei sogar der erste zeitgenössische Fantasy-Roman, der von Diogenes verlegt werde. Ich fühle mich sehr geehrt, dass ein so renommierter Verlag die deutschen Rechte an meinem Buch gekauft hat. Die Fortsetzung von «Die Seltsamen», «The Whatnot», ist bereits auf Englisch erschienen. Um noch einmal auf die Frage nach Ihren Fortschritten zurückzukommen: Sind die beiden Teile der Geschichte noch aus einem Guss? Ich glaube, der zweite Band liest sich etwas anders als der erste. Ich hoffe, er ist glatter, eleganter. Beim Schreiben des zweiten Bands hatte ich das Gefühl, alles gehe einfacher, der Plot laufe gerader. Ich finde dennoch, dass man die beiden gut nacheinander lesen kann. Es gibt formale
Unterschiede – aber es gibt auch einen Zeitsprung in der Geschichte, die Landschaft wechselt, es kommen neue Figuren hinzu.
Mit der Fortsetzung «The Whatnot», die bei uns im Herbst erscheinen wird, ist die Geschichte abgeschlossen. Sie haben erwähnt, Sie hätten bereits das dritte Buch beendet. Wie geht es mit Ihrer Schriftstellerei weiter? Jetzt feile ich erst einmal am dritten Buch. Das vierte beginne ich wohl in den Sommerferien – da steht erst der Plot. Sie sind Musiker und Schriftsteller. Bleiben Sie beides? Wer weiss schon, was ich in fünf Jahren mache! Ich hoffe, dass ich einen Weg finde, immer das tun zu können, was ich wirklich tun will. Blöd ist natürlich, dass ich jetzt überall zugleich gefordert werde – denn die Musiker-Ausbildung ist ja ebenfalls anspruchsvoll. Aber auch alle meine Kolleginnen und Kollegen haben Stress, meine Situation ist also nicht speziell. Zum Schluss noch eine Frage, die einfach kommen muss: Die eine Hauptfigur ihres Buchs, Bartholomew, darf das Haus nie verlassen und ist ein geächteter MenschFee-Mischling. Ist es überinterpretiert, wenn man da Parallelen zu Ihnen zieht? Sie sind wie Ihre Geschwister daheim von Ihrer Mutter unterrichtet worden und gingen nicht in die öffentliche Schule. Und Sie sind halb US-Amerikaner, halb Schweizer ... Ich bin nicht Bartholomew. Ich war nie elf Jahre lang im Obergeschoss eingesperrt. Und meine Eltern sind sehr nett. Die Mutter von Bartholomew ist ebenfalls nett. Die Leute meinen immer, man sei so wie seine Figuren. Natürlich haben alle Figuren irgendwie mit mir zu tun. Aber ich denke, ich bin eher wie die zweite Hauptfigur, Mr. Jelliby. Er ist ein Tollpatsch und stolpert durch die Geschichte. Er steht wie Bartholomew neben der Masse. Mit dem Buch wollte ich zeigen, dass die Leute zwischen den grossen Fraktionen die wahren Helden sind – und nicht jene, die sich in eine Schublade drängen lassen. Man muss aus der Schublade herausschauen, um zu sehen, wie die Welt ist. Was dich seltsam macht, ist ja oft auch das, was dich interessant macht. Ich sehe schon, dass die meisten Menschen irgendwo dazugehören wollen, und dafür habe ich auch viel Verständnis – aber ich finde, man sollte sich nie überanpassen.
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Einfach prächtig Schöne Bildbände sind ideale, da lange nachwirkende Geschenke – die man sich natürlich auch selber machen kann. Eine besonders grosse Auswahl findet man in der Abteilung für Kunst-, Architektur-, Design- und Fotobücher der Orell-Füssli-Filiale Kramhof in Zürich. Abteilungsleiterin Mirjam Kühnis hat für Books einige besonders beeindruckende Neuerscheinungen ausgewählt. Marius Leutenegger
«Bei Knesebeck sind in letzter Zeit immer wieder attraktive Bildbände erschienen, die uns lustige, romantische, wilde oder anziehende Rückzugsorte zeigen: ‹Mein wundervoller Wohnwagen› zum Beispiel oder ‹Mein cooler Caravan›. In diesen Büchern blättert man gern, weil sie einen zum Träumen bringen – denn wie schön wäre es, selber so etwas zu besitzen! Ähnliche Gedanken gingen mir auch durch den Kopf, als ich den neuesten Bildband von Knesebeck in den Händen hielt: ‹Hideaways› von Vinny Lee. Das Buch zeigt eine riesige Vielfalt kleiner Rückzugsorte, die zumeist mitten in der Natur liegen: klassische Blockhütten in Colorado, eine herzige rustikale Steinhütte in Schottland, Baumhütten oder Schiffe, auf denen man seine Ferien verbringen möchte, eine Höhlenwohnung auf den Äolischen Inseln, ein umgebauter Silo und so weiter. All diese Verstecke spiegeln den Traum vom einfachen Leben in der Natur und wecken Aussteiger-Sehnsüchte. Das Buch bietet aber nicht allein schöne Bilder zum Schwelgen, sondern auch viele praktische Informationen: Wie kocht man auf kleinem Raum? Wie hält man Ordnung, wenn man kaum Platz hat? Wie beleuchtet man einen besonderen Rückzugsort optimal? Solche Fragen beantwortet die Autorin oft kreativ und überraschend.
Rückzugsorte, die einen träumen lassen – präsentiert im Bildband «Hideaways». © Knesebeck:
Voller Kreativität ist auch die nächste Neuerscheinung, die ich empfehle: ‹Anziehungskraft› von Guido Maria Kretschmer. Der deutsche Modedesigner Kretschmer gehört zu den erfolgreichsten seiner Zunft und arbeitet auch als Kostümbildner für Oper, Theater und Film. Bekannt machte ihn vor allem die Styling-Doku ‹Shopping
Queen› auf Vox, in der Kretschmer das Outfit der Teilnehmerinnen pointiert beurteilt. In seinem Buch beschreibt er 10 typische Figurformen – und er zeigt auf, wie man bei jeder Form Schwächen kaschieren und Stärken betonen kann. Es handelt sich bei diesem Werk aber um kein eigentliches Bilderbuch; Kretschmer informiert vorwiegend mit witzigen Texten voller Anekdoten. In allgemeinen Kapiteln geht er zum Beispiel auch den Fragen nach, wie frau im Kleiderschrank Ordnung hält oder wie ein Modetrend überhaupt entsteht. Das Buch macht wirklich Spass – und sicher nicht nur Frauen. Meine nächste Empfehlung ist riesig: ‹Hieronymus Bosch. Das vollständige Werk› von Stefan Fischer. Der niederländische Maler Hieronymus Bosch schuf zur Zeit der Renaissance Bilder, die bis heute rätselhaft geblieben sind. Sie stecken voller Symbole, Dämonen und Fabelwesen, sind meist so faszinierend wie erschreckend. Manche der Holztafeln von Bosch könnte man als Wimmelbilder bezeichnen, denn sie quellen geradezu von Figuren und Details über – etwa das berühmte Triptychon ‹Garten der Lüste›. Gerade solchen Bildern wird das Buch ganz besonders gerecht, denn es zeigt viele Details in Vergrösserungen; oft lassen sich Seiten ausklappen, einmal ist eine Abbildung rund ein Meter gross. Ausstattung und Qualität des Buchs sind hervorragend, die gestochen scharfen Bilder leuchten in satten Farben. Man spürt förmlich das Holz, auf das die Bilder gemalt wurden. Hat man das Buch aufgeschlagen, kann man kaum mehr aufhören, die Details und eigenartigen Wesen, die Bosch erfunden hat, zu studieren. Darüber hinaus bieten die klugen Texte eine spannende Einführung ins Werk des Malers. Ich bin überzeugt, dass es viele Leute gibt, denen dieses Buch gefallen wird – weil es dank der tollen Aufmachung auch sehr modern wirkt. Wer es auch bei der Kunst etwas moderner bevorzugt, ist mit ‹Illustration – 100 Wege, einen Vogel zu malen› von Felix Scheinberger gut bedient. In über 100 kurzen Kapiteln erfährt man nun wirklich fast alles zum Thema Illustra-
Oben: «Der Heuwagen» – abgebildet in «Hieronymus Bosch. Das vollständige Werk». © Museo Nacional del Prado Links: Guido Maria Kretschmer weiss in «Anziehungskraft» Rat für jeden Figurentyp. © Guido Maria Kretschmer Unten: «Der heilige Antonius wird von Teufeln angeklagt» – Detailabbildung in «Hieronymus Bosch. Das vollständige Werk». © Museu Nacional de Arte Antiga
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© Hermann Schmidt
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Mirjam Kühnis, 37, leitet die Architektur-, Grafik-, Design- und Kunstbuch-Abteilung in der Orell-Füssli-Filiale Kramhof Zürich. Neben klassischen Bildbänden bietet die Abteilung auch viele originelle Neuerscheinungen zu sämtlichen Themen rund um Mode, Inneneinrichtung, Fotografie und Style – sowie unzählige Bücher, die sich zum Schenken eignen. Hideaways Vinny Lee 208 Seiten CHF 44.90 Knesebeck
Es gibt 100 Wege, einen Vogel zu malen – «Illustration» zeigt sie alle.
Anziehungskraft – Sonderausgabe Guido Maria Kretschmer 237 Seiten CHF 27.90 Edel
Wem dieses schöne Buch Lust gemacht hat auf noch mehr Illustrationen, dem sei eine prächtige neue Sammlung nahe gelegt: ‹100 Illustrators›, zwei dicke, grossforma-
«Dieses Buch empfehle ich allen, die sich irgendwie für Kunst und Illustration interessieren – aber auch all jenen, die noch ein schönes Buch fürs Beistelltischchen benötigen.»
Hieronymus Bosch. Das vollständige Werk Stefan Fischer 300 Seiten CHF 135.00 Taschen
© Taschen
tige Bände im Schuber. Mitherausgeber Steven Heller war 33 Jahre lang Art Director der New York Times. Zusammen mit Gestalter und Buchautor Julius Wiedemann hat er 100 prägende zeitgenössische Illustratorinnen und Illustratoren aus der ganzen Welt ausgewählt, darunter auch den Zürcher Andreas Gefe. Sie und ihr Werk werden jeweils auf mehreren Seiten vorgestellt. Ich bin mit der IllustratorenSzene nicht sehr vertraut, fand es aber sehr spannend, mich durch all die verschiedenen Stile zu blättern. Dieses Buch empfehle ich allen, die sich irgendwie für Kunst und Illustration interessieren – aber auch all jenen, die noch ein schönes Buch fürs Beistelltischchen benötigen. Denn in diesem Werk schmökern wohl die meisten Menschen gern.»
Oben: Als wär’s auch von Hieronymus Bosch: «Desolate Night, Hell’s Kitchen» von Jeremyville, einem der «100 Illustrators» im gleichnamigen Buch.
Illustration Felix Scheinberger 326 Seiten CHF 52.90 Hermann Schmidt
Links: «100 Illustrators» zeigt Werke der weltbesten Illustratoren – zum Beispiel vom New Yorker Roberto Parada.
© Taschen
tion: Was gibt es eigentlich für Ausdrucksformen? Wie wird man Illustrator? Und wie überlebt man in diesem Beruf? Die vielfältigen Techniken und ihre Erfolgsgeheimnisse werden stets anhand von VogelIllustrationen gezeigt: Linolschnitt, Schabkarton, Radierung und so weiter. Dieses Buch ist eine Ermutigung für alle Kreativen, ihren eigenen Weg zu gehen. Es eignet sich für alle, die selber illustrieren oder mit dem Gedanken spielen, die Illustration zum Beruf zu machen. Aber auch ich, die keine solchen Absichten hegt, hatte viel Vergnügen beim Blättern im Buch: Die Vielfalt der Techniken ist beeindruckend, und ich konnte viel über die Möglichkeiten lernen, wie sich etwas darstellen lässt. Ganz besonders gefällt mir auch die Ausstattung des Buchs: Dank seines dicken Leinenrückens fühlt es sich toll an, es wirkt beinahe wie ein handgefertigtes Exemplar von einem Buchbinder.
100 Illustrators Julius Wiedemann und Steven Heller (Hrsg.) 720 Seiten CHF 54.90 Taschen
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weise mit dem Hofbesitzer, der mit Methoden wie Fangeisen ja sogar alle Aussenstehenden vom Hof fernhalten will. Offensichtlich hat auch Arnaud etwas zu verbergen. Würde er Sean gar nicht mehr gehen lassen, weil dieser unbeabsichtigt zu einem Mitwisser eines dunklen Geheimnisses geworden ist?
Gefangen in Geheimnissen In Simon Becketts neuem Thriller «Der Hof» kommt seine bekannteste Figur ausnahmesweise nicht vor. Im Mittelpunkt steht statt Dr. David Hunter ein junger Engländer, der auf der Flucht vom Regen in die Traufe gerät: Spannung mit psychologischem Raffinement.
Zwei Geheimnisse, zwei Probleme Simon Beckett erweist sich einmal mehr als meisterlicher Geschichtenerzähler. Er verpackt die Story von «Der Hof» aber nicht als forensisches Rätsel wie in seinen Thrillern mit dem Anthropologen Dr. David Hunter in der Hauptrolle. Er charakterisiert vielmehr mit psychologischem Feingespür seine Figuren, die allesamt in missliche Lebensumstände geraten sind. Besonders eindrücklich gelingt ihm die Beschreibung von Sean, aus dessen Perspektive er die Geschichte erzählt. Spannender aber ist, wie glaubhaft Simon Beckett die Beziehungen der Hofbewohner untereinander aufzeigt. Alle Figuren wirken einsam und verloren, gefangen im Geheimnis ihrer gemeinsamen Vorgeschichte. Das Buch bleibt bis zum Schluss span-
Markus Ganz
Beckett hält die Spannung nicht mit Action aufrecht, sondern mit einem psychologischen Kammerspiel.
plötzlich. Er ist in ein rostiges Fangeisen getreten. Es wurde offensichtlich am Rand eines abgelegenen Bauernhofs ausgelegt, um Menschen fernzuhalten. Sean versucht sich zu befreien, zunehmend hektisch. Doch es gelingt ihm nicht, auch am nächsten Morgen nicht, als er bereits fiebrig ist. «Ich schaue meinen Fuss voller Hass an und wünschte, ich könnte ihn wie ein gefangenes Tier einfach abkauen», erzählt er. Und tatsächlich beisst er in der Verzweiflung in sein Bein. Dann fällt er in Ohnmacht.
Trügerische Idylle Was wie ein typischer Thriller begonnen hat, wandelt sich in der Folge stark. Simon Beckett hält die Spannung nicht mit nervenkitzelnder Action aufrecht, sondern mit einem psychologischen Kammerspiel, das sich zu einem Drama entwickelt. Sean wacht in der Scheune des Hofs auf, wo er von zwei jüngeren Frauen liebevoll gepflegt wird. Doch weshalb haben die beiden ihn nicht in ein Spital gebracht, weshalb ist die Tür verriegelt? Der Vater der Frauen, Arnaud, erweist sich zudem als Choleriker, der den Fremden nur unter der Bedingung duldet, dass dieser ein Gebäude saniert. Sean akzeptiert und bleibt trotz der beklemmenden Stimmung auch auf dem Hof, als der Fuss einigermassen verheilt ist. Er fürchtet noch immer die Polizei. Und dies verbindet ihn überraschender-
niert. «Ich will sie fragen, worüber sie nachdenkt, aber ich schweige. Ich habe Angst, sie könnte es mir erzählen.» Damit fesselt Simon Beckett. Und man entwickelt ein Mitgefühl auch für wenig sympathische Charaktere, weil man ihre Geschichte und deshalb ihr Handeln versteht. Das Fazit von Sean am Schluss aber lautet: «Unter der Oberfläche sind wir alle Tiere.» Keiner von uns wisse, wozu er unter Umständen in der Lage sei. «Wenn wir Glück haben, finden wir es nie heraus.»
«Unter der Oberfläche sind wir alle Tiere.» Der Hof
Mitgefühl für wenig Sympathische Die aussergewöhnliche Erzählkraft von Simon Beckett zeigt sich besonders in der Schilderung von Beziehungen. Er beschreibt etwa, wie Sean zu Beginn seines Albtraums neben seiner ihm fremd gewordenen Freundin auf dem Bett liegt und sin-
Simon Beckett 457 Seiten CHF 29.90 Wunderlich
Simon Beckett mg. Es sind vor allem die Thriller mit Dr. David Hunter, die Simon Beckett bekannt gemacht haben. Der 1960 geborene Schriftsteller kontrastiert in dieser Reihe die empfindsame Melancholie des forensischen Anthropologen mit der kühlen Unerbittlichkeit des Todes, die sich im Zerfall des Körpers zeigt. Für diese Bücher hat Simon Beckett auf einer «Body Farm» in den USA recherchiert, wo die Verwesung unter allen möglichen Bedingungen wissenschaftlich untersucht wird. Die Beschreibung dieser Prozesse hat sich besonders eindrücklich im Thriller «Leichenblässe» niedergeschlagen. Die Bücher mit Dr. David Hunter wurden in 29 Sprachen übersetzt. Allein «Die Chemie des Todes» hat sich in Deutschland über eine Million Mal verkauft.
Zum 25. Todestag am 28. Februar 2014 erscheinen die zu Lebzeiten veröffentlichen Werke Hermann Burgers, einem »der besten Schriftsteller der deutschen Gegenwartsliteratur« (Adolf Muschg 1989).
Der vierte und bisher letzte Hunter-Thriller erschien 2011 unter dem Titel «Verwesung». Dieses Buch gibt es auch in Kombination mit einer CD der Electro-Classical-Band In The Nursery, die wie Beckett aus Sheffield kommt. Die Band war von der Hunter-Reihe derart fasziniert, dass sie dazu einen spannungsvoll atmospärischen Soundtrack schuf, auf dem stellenweise Simon Beckett Buchausschnitte vorliest. Diese unübliche Zusammenarbeit zwischen einer Band und einem Autor ist nicht so überraschend, denn Beckett war früher nicht nur Immobilienhändler, Hausmeister und Sprachlehrer, sondern auch Perkussionist in mehreren Bands. Neben der Hunter-Reihe hat Simon Beckett fünf weitere Thriller sowie drei Bücher mit Kurzgeschichten veröffentlicht. Verwesung Sonderausgabe mit CD Simon Beckett 443 Seiten CHF 25.90 Wunderlich
Foto: © Isolde Ohlbaum
Der Atem stockt einem schon nach wenigen Seiten. Der junge Engländer Sean ist auf einer Strasse in Südfrankreich unterwegs. Es ist erst früh am Morgen, aber bereits heiss. Sean ist offensichtlich nervös, das Benzin droht jeden Moment auszugehen. Er geht zu Fuss weiter und macht Autostopp. Doch einmal merkt er erst im letzten Augenblick, dass ein Wagen der Polizei auf ihn zufährt. Er springt über einen Stacheldrahtzaun und flüchtet in den Wald. Das Polizeiauto braust vorbei, doch Sean ruht sich nicht aus. «Ich muss in Bewegung bleiben», sagt er sich – und dies wird er mit gutem Grund auch am Ende der Geschichte wieder sagen. Sean geht weiter, schreit
nend, weil man zunehmend auch das Geheimnis von Sean erfährt. Es ist beklemmend zu lesen, wie der unbescholtene junge Mann damals in England in einen Albtraum geraten konnte, der ihn schliesslich zur Flucht nach Frankreich zwang. Sean kann auch auf dem Hof nicht verhindern, dass er von der eigenen Vergangenheit eingeholt wird. Denn es zeigt sich, dass er vor allem auf der Flucht vor sich selbst ist, dass ihn Schuldgefühle plagen.
WERKE IN ACHT BÄNDEN Hg. v. Simon Zumsteg Zusammen 3184 S. Leinen, Lesebändchen, farbiges Vorsatzpapier. Geschlossen im Schuber. Auch als -Book www.nagel-kimche.ch
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Books Nr. 1/2014
Erinnerungen an die erste Liebe Die Jahreszeit der Verliebtheit rückt näher: Auffallend viele neue Bücher beschäftigen sich in diesem Frühjahr mit dem prägenden «ersten Mal». Die Redaktion hat für alle, welche die Liebe lieben, fünf Empfehlungen ausgewählt.
1980er-Jahre im Umfeld der Liebenden schildert, die sich für Friedensinitiativen und gegen eine Stadtautobahn engagierten. Vielmehr verknüpft Navid Kermani die Liebesgeschichte mit Weisheiten von arabischen und persischen Dichtern und Mystikern. Hier zeigt sich, dass der 1967 in Deutschland geborene Schriftsteller Sohn iranischer Eltern und promovierter Islamwissenschaftler ist. Er vermag überraschende Parallelen zwischen irdischer und göttlicher Liebe aufzuzeigen – und auch zu relativieren. Besonders gern zitiert er den andalusischen Mystiker Ibn Arabi. Dieser soll im 13. Jahrhundert erklärt haben, dass die Heftigkeit, Kompromisslosigkeit und Kopflosigkeit der jugendlichen Verliebtheit nicht nur den Symptomen nach übereinstimmend sein sollen mit dem «Ertrinken» des Mystikers in der alles überflutenden Liebe des Göttlichen. Geeignet für alle, die: gern an ihre erste grosse Liebe zurückdenken und sie neu einschätzen möchten. Markus Ganz Grosse Liebe Navid Kermani 224 Seiten CHF 27.90 Hanser
Liebe, wo sie nicht sein kann Kurz, aber lange nachklingend Sie ist schlicht die Schönste auf dem Schulhof. Davon ist zumindest der 15-jährige Junge überzeugt, der sich 1983 an einem westdeutschen Gymnasium in eine Mitschülerin verliebt. Diese ist vier Jahre älter als er und deshalb eigentlich unerreichbar für ihn; dessen ist er sich durchaus bewusst. Und doch schafft er es, dass sie eine innige Beziehung mit ihm eingeht, deren turbulenter Verlauf in Navid Kermanis Roman «Grosse Liebe» beschrieben ist. Er habe damals das erste Mal geliebt und seither nie mehr so gross. Dies behauptet der Erzähler, der dieser Junge vor 30 Jahren war. Und er gerät ab dieser Feststellung ins Grübeln. Denn die «grösste Liebe seines Lebens» dauerte nur sehr kurz, nicht einmal eine Woche, gerechnet vom ersten Kuss bis zur Trennung. Er habe seit-
her andere Personen über einen sehr viel längeren Zeitraum hinweg und tiefer geliebt, zumindest körperlich die Verzückung umfassender erlebt. Der Erzähler räumt denn auch ein, dass gewisse Erinnerungen zum Mythos gehörten, den sein Gedächtnis um diese grosse Liebe ranke. Es wird auch nie ganz klar, ob Navid Kermani mit dem Erzähler und damit mit dem Jungen identisch ist. Der Erzähler erklärt aber, wieso er vom Jungen in der dritten Person spricht. Dies sei mehr als ein literarischer Trick, welcher der Verfremdung diene. Der Grund sei, dass er sich im Jungen nicht wiedererkenne. Mit einer Mischung aus Verwunderung und mildem Spott schildert er, wie dieser «hanswurstartig vorpreschende Autodidakt von einem Casanova und Hüpfer von einem Kerl» eine beinahe erwachsene Frau eroberte,
die «auf allen Schulhöfen der Welt die Schönste gewesen wäre». Der Erzähler kann sich einer gewissen Verklärung also nicht erwehren. Deshalb gelingt ihm auch nicht, wie geplant allen Stationen dieser Liebesgeschichte gleich viel Platz einzuräumen. Er gibt selbst zu, dass er zu lange bei der aufkeimenden Liebe verweile und deshalb der unvermeidlichen Phase der Verzweiflung immer weniger Platz bleibe. Und dies, obwohl der Trennungsschmerz wesentlich länger als die Beziehung gedauert habe – «in gewisser Weise bis heute, sonst würde ich nicht unsere Geschichte erzählen». Die Geschichte allerdings gerät immer mehr zur Studie, wie der Autor selbst erkennt – und wofür er die Leserschaft um Vergebung bittet. Dies hat weniger damit zu tun, dass er den Zeitgeist der frühen
Man nennt sie die «Zwillinge», weil sie alles miteinander tun und einander in vielem so ähnlich sind: die Ich-Erzählerin Beatrice und Alfredo. Die beiden wachsen im gleichen heruntergekommenen Block in einem Armenviertel in Italien auf. Alfredos Vater prügelt seine Söhne manchmal halbtot, und die Eltern von Beatrice waren selber noch halbe Kinder, als sie ihre Familie gründeten. Perspektiven gibt es für die Jugendlichen in «La Fortezza» keine; das Leben ist elend und freudlos, der Umgang untereinander hart, zuweilen brutal. Alle haben sich einen Panzer aus vermeintlicher Gleichgültigkeit und Gefühllosigkeit zugelegt. Zarte Liebe hat es in einem solchen Umfeld schwer, Romantik kann keine aufkommen, denn Liebe macht verletzlich – und verletzlich zu sein, das kann sich hier niemand leisten. So überspielen Beatrice und Alfredo die innige Zuneigung, die sie seit jeher für einander hegen, und transformieren sie
in andere starke Emotionen: Streit und Machtkämpfe prägen ihr Verhältnis, zuweilen schlagen sie einander. Doch immer ist die überwältigende Sensibilität der beiden spürbar. Wenn die beiden aufeinander losgehen, einander mit Vorwürfen eindecken, um ihre Liebe zu verbergen, möchte man ihnen ständig zurufen: Seht doch, wie einfach es wäre – ein Wort, und alles wird gut! Aber wir wissen ja selber, wie schwer es ist, sich zu öffnen. Und wir können uns leicht vorstellen, wie schwierig es erst in «La Fortezza» sein muss, eine zart knospende Liebe zu hegen. Denn die junge Autorin Valentina d’Urbano bringt uns das Armenviertel, in dem Beatrice und Alfredo nicht zueinander kommen können, sehr glaubwürdig, ohne Sentimentalität oder Kitsch näher. Kein Wunder, dass ihr das gelingt: Die 1985 geborene Italienerin wuchs in Rom in einem Quartier auf, das «La Fortezza» als Vorbild diente. Alfredo, der einem sehr frühen Tod geweiht ist, und Beatrice sind plastische Figuren, und ihr Umgang miteinander wird wohl trotz aller Dramatik nicht wenige Leserinnen und Leser an die eigene erste Liebe erinnern – an die Zeiten, in denen man sich ungelenk, verunsichert und voller neuer, unheimlicher Sehnsüchte einem Gegenüber annähern wollte, das vielleicht ebenso ungelenk und verunsichert war, dies aber kaum gezeigt hätte. Valentina d’Urbano erzählt damit eigentlich eine ganz normale Liebesgeschichte in einem ungewöhnlichen Umfeld. Und sie tut dies auf brillante, schnörkellose, messerscharfe und doch poetische Weise. Dieses Buch ist eine Trouvaille. Geeignet für alle, die: manchmal an der Liebe verzweifeln könnten – also für alle. Marius Leutenegger
jungen US-Amerikaners David Levithan. Da passt das Original «Every Day» schon viel besser. Denn das Leben der Hauptfigur dieser Geschichte – sie heisst bloss A. – ist every day völlig neu: Aus einem Grund, den wir nicht erfahren, steckt A. jeden Morgen im Körper eines oder einer anderen gleichaltrigen Jugendlichen. Der eigentliche Besitzer dieses Körper macht unbewusst Pause, und A. übernimmt dessen Rolle: Jeden Tag hat A. eine neue Familie, ein neues Aussehen, neue Freunde und so weiter. A. hat Zugriff auf die Erinnerungen der Person, deren Körper besetzt wird, und kommt daher jeweils recht souverän durch den Tag, benennt alle Leute richtig und weiss, wo die Autoschlüssel liegen. Das geht lange gut – bis A. eines Tages als Justin erwacht und sich in dessen Freundin Rhiannon verliebt. A. möchte Rhiannon unbedingt besser kennenlernen. Doch wie soll das gehen, wenn die eigene Seele kein Zuhause hat und einmal in einem unsicheren Emigrantenmädchen, dann wieder in einem langhaarigen Rocker steckt? Und der geborgte Körper jeweils Punkt Mitternacht wieder dort sein muss, wo er hingehört? Es gibt nur eine einzige Konstante in A.s Leben: einen eigenen E-MailAccount. Und schon bald erhält Rhiannon eine Mitteilung, die mehr als verstörend ist. «Letztendlich sind wir dem Universum egal» ist ein Jugendroman. Aber es wäre schade, würde er nur von Jugendlichen gelesen – Levithans Idee ist ausgesprochen originell, und der vielfach preisgekrönte Autor beschäftigt sich auf spannende Weise damit, was Liebe wirklich ausmacht, was Identität bedeutet, was zum Gefühl von Geborgenheit führt und wie wichtig Urvertrauen ist. Auch wir Lesenden müssen Levithan schliesslich einfach vertrauen, dass seine Idee funktioniert – und das tut sie je länger je besser.
Mit zwanzig hat man kein Kleid für eine Beerdigung Valentina d’Urbano 274 Seiten CHF 23.90 dtv
Geeignet für alle, die: gern in fremden Nachttischchen herumwühlen und eine gute Idee zu schätzen wissen. Marius Leutenegger Letztendlich sind wir dem Universum egal David Levithan 400 Seiten CHF 25.90 FJB
Äusserst kuriose Umstände Manchmal fragt man sich schon, wie Übersetzungen zustande kommen: «Letztendlich sind wir dem Universum egal» ist ein gar kurioser Titel für den neuen Roman des
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Die Opulenz einer erwachsenen Frau Autor John Banville hat sich keine einfache Variante der ersten Liebe vorgenommen: «Billy Gray war mein bester Freund, und seine Mutter war meine erste Liebe. Vielleicht ist Liebe ein zu starkes Wort, aber ich weiss kein schwächeres, das passen würde.» So eröffnet der Autor aus Dublin seinen jüngsten Roman «Im Lichte der Vergangenheit». Als 15-Jähriger hat Alexander Cleave eine Affäre mit Mrs Gray, wobei er diesen Begriff als erwachsener Erzähler nicht für sonderlich passend hält: «Für mich und auch für sie war das, was wir zusammen taten, viel einfacher, viel elementarer, viel – wenn ich ein solches Wort in diesem Kontext gebrauchen darf – kindlicher als das ehebrecherische Treiben der Erwachsenen.» Heute steht der Protagonist an der Schwelle zum Pensionsalter, hat ein erfolgreiches Leben als Schauspieler hinter sich und wirft den Blick aus der Distanz eines ganzen Lebens zurück auf seine erste Liebe. «Mrs Gray hat mir viele Dinge beigebracht, das Wichtigste und Kostbarste von allen aber war, dem anderen Menschen zu verzeihen, dass er menschlich ist.» Diese menschlichen Makel schildert John Banville ohne Scham und falsche Höflichkeit, aber warmherzig und unglaublich ausdrucksstark. Er beschreibt den Körper der begehrten Mrs Gray, aber auch Landschaft und Wetter so fein und plastisch, dass man meint, er wolle das Gesehene malen. Und obwohl die Erinnerungen zum Greifen nah erscheinen, schränkt er sogleich wieder ein, dass es so eigentlich gar nicht gewesen sein könne. «Madame Erinnerung ist eine grosse, raffinierte Simulantin.» Die Erinnerungen an den Sommer vor 50 Jahren verwebt John Banville mit aktuellen Ereignissen im Leben von Alexander Cleave: Zu seiner Überraschung wird der Theaterschauspieler, der mit seinem Beruf eigentlich abgeschlossen hat und seine Tage in der Dachkammer seines Hauses verbringt, nämlich angefragt, ob er in einem Film mitspielen wolle. Dieses Projekt und die Begegnung mit seinem jungen CoStar Dawn Devonport werfen ihn zurück auf den einen grossen Schicksalsschlag, der sein Leben und das seiner Frau Lydia überschattet: Seine Tochter Cass war seit ihrer Kindheit psychisch krank und hatte sich als junge Frau – trotz allem unerwartet – ohne Abschied das Leben genommen. «Ich glaube, Cass’ Tod hat uns und unserem Zusammenleben eine falsche Last,
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Books Nr. 1/2014
eine falsche Ernsthaftigkeit auferlegt. Es war, als hätte unsere Tochter uns durch ihr Fortgehen irgendwie eine grosse Aufgabe hinterlassen, die über unsere Kräfte ging.» Als Dawn Devonport einen Suizidversuch unternimmt, fühlt sich das für Cleave an, als würde er «beim Schlafittchen gepackt und umstandslos an einen seltsamen Ort befördert. Allerdings einen Ort, den ich nur allzu gut kannte und von dem ich eigentlich geglaubt hatte, dass ich ihn nie mehr wieder würde betreten müssen; einen furchtbaren Ort.» Vergangenheit und Gegenwart lassen uns unbekannte Zusammenhänge vermuten, doch der Autor löst nur wenige davon auf. Es geht ihm nicht um den effektvollen Plot – den hebt er sich für die Thriller auf, die er unter dem Pseudonym Benjamin Black schreibt. Geeignet für alle, die: keine einfachen Antworten erwarten und eine reiche Sprache geniessen. Benjamin Gygax Im Lichte der Vergangenheit John Banville 336 Seiten CHF 29.90 Kiepenheuer & Witsch
Zwielichtige Geschäfte im düsteren Schwarzwald Matthias Nawrats zweiter Roman «Unternehmer» dreht sich um ein Familienunternehmen der besonderen Art: Der Vater, die 14-jährige Lipa und ihr kleiner, einarmiger Bruder Berti verdienen ihr Geld damit, aus leerstehenden Fabriken mechanische Teile zu entwenden. Von diesen Fabriken scheint es dort, wo der Roman spielt, genügend zu geben – in einer düsteren, fast schon postapokalyptischen Version des Schwarzwalds. Das «Klimpergeld» fliesst. Doch dann erwächst dem kleinen Familienunternehmen Konkurrenz, die Preise sinken, und nur der «grösste Spezialtag von allen» – ein extrem riskanter Beutezug – kann den grossen Traum einer Auswanderung nach Neuseeland noch retten. Lipa hat andere Träume als die Auswanderung. Anfangs drehen sich diese noch um den schönen Pius, doch bald schon tauscht sie mit dessen Kumpel, dem langen Nasen-
Timo, erste schüchterne Küsse aus. Das junge Glück wird auf die Probe gestellt, als Timo mit Lipa flüchten will. Ein altes, zerfleddertes Buch lässt den Jungen glauben, der Schwarzwald sei noch lebensfeindlicher, als er schon ist, und die Flucht bleibe als einziger Ausweg. Wer erwartet, diese junge Liebe als emotionsgeladenen Bildersturm geschildert zu bekommen, wird enttäuscht. Statt als überwältigendes Gefühlswirrwarr beschreibt Nawrat die intimen Momente von Lipa und Timo als nüchterne Alltagshandlungen. Diese Nüchternheit in der Sprache zieht sich durchs ganze Buch und hat ihre Logik – jene des Unternehmertums, in dem der Vater seine zwei Kinder gefangen hält. «Die Familie ist eine Kapitalgesellschaft, hat Vater mir einmal erklärt», bemerkt Lipa gegen Ende des Buchs. Und so kann man diesen Roman auch als eine Parodie auf eben dieses Unternehmertum lesen – ein Unternehmertum, dem die Familie selbst ihre Gesundheit unterordnet.
Books Spezial
Wie absurd die vom Vater aufgebaute Realität ist, zeigt sich in den Beschreibungen von Lipa, die als Ich-Erzählerin auftritt. Oft fragt man sich als Leserin oder Leser, was der spätkindlichen Fantasie der Teenagerin entspringt – und was wirklich ist. Das wirkt zuweilen etwas verwirrend, macht aber letztlich auch den Reiz dieses Romans aus. Geeignet für alle, die: einen verstörenden Blick auf eine düster verzerrte Realität werfen möchten. Thomas Mäder Unternehmer Matthias Nawrat 144 Seiten CHF 25.90 Rowohlt
Reiseführer für den
Städtetrip Für jede Stadt die richtigen Tipps
Städtereisen sind beliebter denn je. Und damit niemand seine Reise ahnungslos und unvorbereitet antreten muss, gibt es für fast jede beliebige Destination mittlerweile eine Vielzahl von Städtereiseführern. Die einen vereinen auf klassische Weise allerhand Informationen und Tipps, andere wiederum verfolgen originellere – zuweilen aber nicht unbedingt praktischere – Ansätze.
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Direkt am Puls der Stadt.
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Stadtluft macht Spass Jede Stadt hat ihre ganz besondere Atmosphäre. Heute kann man diese während eines Wochenendtrips erleben. Es ist allerdings noch gar nicht lange her, dass die berühmten Städte der Welt für die meisten Menschen unerreichbar blieben. Erik Brühlmann
Herbert Grönemeyer lobte «Bochum» in den höchsten Tönen, Frank Sinatra widmete «New York, New York» eine unvergessliche Hymne, und die britischen Punks «The Clash» hörten «London Calling»: Städte üben schon seit je eine Faszination auf die Menschen aus. Sie sind Zentren der Macht, der Kultur und des Gelds – kein Wunder also, dass frühe «Städtereisen» oft die Gestalt von Feldzügen hatten, bei denen man nicht in einem 5-Sterne-Hotel, sondern im Biwak vor den Stadtmauern wohnte.
Amsterdam Athen Barcelona Berlin Brüssel Budapest Dresden Dublin Florenz Hamburg Istanbul London Madrid München New York Paris Prag Stockholm Sydney Venedig Wien
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Götter, Spiel und Spass
Man sieht nur, was man weiß.
Natürlich gab es schon früh Städtereisen mit weniger martialischer Motivation. Wallfahrten zu den Tempeln der Götter, die sich in den grossen Städten befanden, wurden bereits im alten Ägypten, im antiken Griechenland und Rom unternommen. Aber auch Sportveranstaltungen wie die Olympischen Spiele zogen Städtereisende an. Selbstredend waren es vor allem die wohlhabenden Bürger, die sich solche Vergnügungsreisen zu Pferd oder gar mit einem Gespann leisten konnten. Dabei entwickelten sich besonders günstig und malerisch gelegene Städte wie zum Beispiel Pompeji zu regelrechten Treffpunkten der Reichen und Schönen: Das lokale Amphitheater fasste bis zu 20‘000 Zuschauer, und fast an jeder Ecke fanden sich Tavernen, Herbergen, Imbissstände und Bordelle.
Mittelalterliche Reisepause Der Untergang des römischen Reichs legte auch den frühen touristischen Reiseverkehr lahm, denn das bestens ausgebaute Strassensystem in Westeuropa zerfiel. Bis ins Mittelalter hinein blieb Reisen ein Privileg der Reichen, und wer sich die Mühe machte, nach Venedig, Rom oder Wien zu reisen, befand sich meist auf religiöser, politischer oder geschäftlicher Mission – oder auf einer Bildungsreise. So wurde es im Spätmittelalter bei Intellektuellen und Künstlern beispielsweise zur Tradition, die antiken Stätten in Italien zu besuchen. Daraus entwickelte sich ab dem 17. Jahrhun-
dert bei den Adligen die so genannte Grand Tour: ein Initiationsritus, der den jungen Adligen den letzten Schliff geben sollte. Auf dem Programm standen Wien, Paris, Rom, Florenz, Neapel, Berlin, Weimar und Rotterdam – Städte mit kultureller, architektonischer oder intellektueller Tradition.
Raus aus der Stadt! Interessanterweise waren Städtereisen so ungefähr das Letzte, was die Begründer der modernen Tourismusbewegung im Sinn hatten. Ziel der Touristen des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts war es nämlich, eben diesen Städten und ihrer nie versiegenden Geschäftigkeit zu entfliehen und die Stille der Natur zu geniessen. Erst als das Reisen auch für gemeine Bürger erschwinglich wurde, wurden Städte als Ziele für Vergnügungsreisen wieder beliebt. Endlich wurde es möglich, das Flair und das pulsierende Leben der Städte, von denen man sonst nur hörte oder las, am eigenen Leib zu erfahren!
Zeigen, wo’s langgeht Da kam es den Reisenden wie gerufen, dass ein Buchhändler namens Karl Baedeker 1835 die Geschichte der Reiseführer begründete. Die «Rheinreise von Mainz bis Cöln» wurde ein so grosser Erfolg, dass bald darauf eine Moselreise und weitere Führer durch Holland, Belgien, Österreich und die Schweiz folgten. Pünktlich zur Weltausstellung 1855 zeigte Karl Baedeker den Reisenden auch, wo es in Paris langgeht und was man gesehen haben muss. Beliebt waren die Baedeker-Führer vor allem wegen ihrer Präzision: Die Treppen zum Turm des Mailänder Doms soll Baedeker mithilfe von Erbsen gezählt haben. Auf dem Weg nach oben wanderte pro Stufe eine Erbse von der Westentasche in die Hosentasche; auf dem Weg nach unten verlief die Gegenprobe in umgekehrter Richtung.
Nebenbei geschrieben Die Ära der modernen Reiseführer begann in den 1970er-Jahren, als erkundungsfreudige «Hippies» einfach ihren Krempel
zusammenpackten und sich aufmachten, die Welt zu bereisen. Manch einer wurde auf diese Weise nebenbei zum Reisebuchautor. Die beliebte Reihe «Lonely Planet» entstand beispielsweise, als Tony und Maureen Wheeler in den Flitterwochen mit dem Rucksack durch Afghanistan, Indien, Ostasien und Australien trampten. Als ihnen das Geld ausging, schrieben sie ihre Reiseerlebnisse in Buchform nieder und reicherten sie mit Tipps für junge Rucksacktouristen an. Das Buch verkaufte sich so gut, dass sich das Paar weitere Reisen damit finanzieren konnte.
Alles an einem Ort Heutzutage sind längere und kürzere Trips nach London, Paris oder Madrid schon fast alltäglich. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Städte sind zumeist schnell und einfach zu erreichen; eine Unterkunft findet sich leicht; kulturelle Attraktionen wie Museen, berühmte Gebäude und Monumente liegen dicht beieinander; Veranstaltungen aller Art können quasi an jeder Ecke besucht werden. Alles ist in ungezählten Reiseführern minutiös beschrieben, sodass sich langwierige Reiserecherchen im Vorfeld mittlerweile eigentlich erübrigen. Was liegt also näher, als die berühmte Wiener Kaffeehauskultur kennenzulernen, in Barcelona ein Fussballspiel zu besuchen oder sich im Kolosseum in Rom vorzustellen, wie schwer gepanzerte Gladiatoren um Ehre und Leben kämpften? Schliesslich kann man sich heute einfach ins Flugzeug setzen und muss nicht erst eine wochenlange Anreise zu Pferd auf sich nehmen!
WELTWEIT Beliebteste Städtedestinationen 2013 1. Bangkok 2. London 3. Paris 4. Singapur 5. New York 6. Istanbul 7. Dubai 8. Kuala Lumpur 9. Hongkong 10. Barcelona
11. Seoul 12. Mailand 13. Rom 14. Shanghai 15. Amsterdam 16. Tokyo 17. Wien 18. Taipei 19. Riad 20. Los Angeles
Quelle: MasterCard Global Destination Cities 2013 Index
26 | Spezial – überblick
REISEN MIT GUTEM BAUCHGEFÜHL
Mind the Gap!
mit der erfolgreichsten Reiseführer-Reihe der Welt.
3 31Reiseführern von
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Books Nr. 1/2014
neuen Vis-à-Vis-
London ist noch immer die beliebteste Destination für Städtereisende in Europa. Grund genug, in der Orell-Füssli-Filiale Kramhof in Zürich zu überprüfen, ob die Reiseführer für London ebenso vielfältig sind wie die Metropole selbst. Erik Brühlmann
Im Vergleich mit Schweizer Städten ist London eine Mega-City: Knapp 8,5 Millionen Menschen leben auf 1572 Quadratkilometern in 33 Stadtbezirken – also etwa so viele Menschen wie in der ganzen Schweiz. Wer diesen Moloch als Tourist erkunden und dabei mehr als nur die üblichen Sehenswürdigkeiten erleben will, tut gut daran, einen Blick in einen der vielen Stadtereiseführer auf dem Markt zu werfen.
Die Klassiker
ISBN 978-3-7342-0002-1
r Der erste Reiseführe it m Mini-Kochbuch! Schön anzusehen – klares, übersichtliches und zeitgemäßes Design Urlaub erleben – mehr Tages- und Thementouren, neue Hotel- und Restaurantlisten Detaillierte Informationen zu den Vis-à-Vis-Reiseführern finden Sie auf www.dorlingkindersley.de oder auf www.facebook.com/visavis.reisen.
Gründe, London zu lieben». Seine 111 Kurzgeschichten sind eine Liebeserklärung an die Themsestadt und enthalten eine ganze Menge nützlicher Informationen. Nur sind diese eben nicht übersichtlich und praktisch in Listen verpackt, sodass das Buch wohl eher etwas für Fans als für Wochenendreisende ist.
ISBN 978-3-7342-0011-3
ISBN 978-3-7342-0001-4
Umfangreich präsentiert sich «London» von Lonely Planet, ein Klassiker unter den Stadtereiseführern. Neben den üblichen Informationen über die Stadt und deren Bewohner, Karten, einem U-Bahn-Plan und den wichtigsten Adressen und Tipps für den London-Aufenthalt bietet das Buch noch einige spezielle Kapitel. Die «Top 16» listen kompakt die interessantesten Sehenswürdigkeiten auf, «Gut zu wissen» hilft bei der Reisevorbereitung. Der zweite Klassiker, der hier natürlich nicht fehlen darf, ist der Baedeker-Reiseführer «London». In bewährter Tradition und Qualität sind hier alle wissenswerten Informationen für Hauptstadttouristen vereint, angereichert mit Bildern, Übersichtskarten und einem Stadtplan. Für welchen Klassiker man sich entscheidet, ist letztlich Geschmacksache.
London für Sparfüchse Die englische Hauptstadt ist ein teures Pflaster. Allerdings lässt sich die Stadt an der Themse auch mit wenig Geld erkunden. Wie das geht, zeigt «London» aus der LowBudget-Reihe von Marco Polo. Das Büchlein mit City-Atlas passt in jeden Rucksack und verrät, wie und wo man als Tourist Geld sparen kann. Aufgelistet werden Museen mit freiem Eintritt, Adressen für gutes und günstiges Essen und Schlafen, Bezugsmöglichkeiten für Rabattgutscheine und spezielle Aktionen wie zum Beispiel die Gratisführungen der Tate Modern zwischen 11 und 15 Uhr. Zudem zeigt der Reiseführer auch Möglichkeiten, die teuren Sehenswürdigkeiten auf eine günstigere Art zu erleben.
London für Fussgänger In der Themsestadt sind die Distanzen riesig. Deshalb bewegt man sich bevorzugt mit der U-Bahn, dem Taxi oder mit dem Bus von A nach B. Schade eigentlich, denn auch zu Fuss lässt sich die Stadt wunderbar erleben. Ganze 30 Stadtwandertouren sind zum Beispiel in «London zu Fuss entdecken» zusammengestellt. Zu jeder Tour gibt es den entsprechenden Kartenausschnitt mit eingezeichneter Route, eine genaue Wegbezeichnung und ein Minimum an interessanten Fakten zu den einzelnen Wegpunkten.
London Damian Harper 495 Seiten CHF 34.90 Lonely Planet
London Rainer Eisenschmid 392 Seiten CHF 37.90 Baedeker
London
London für Insider Sie haben den Big Ben schon läuten gehört, sind bei Madame Tussaud’s stundenlang in der Schlange gestanden und kennen selbst die letzte Schraube der «HMS Belfast»? Dann wird es Zeit für Insider-Tipps! Über hundert touristisch selten erforschte Örtlichkeiten hält «111 Orte in London, die man gesehen haben muss» von John Sykes parat. Auf jeweils einer Doppelseite werden hier Orte vorgestellt, die selbst erfahrene London-Fans vielleicht noch nie gesehen haben: von der Apothecaries’ Hall über den ehemaligen Armen- und Prostituierten-Friedhof Crossbones Graveyard und den legendären London Stone bis zum Pub «Ye Olde Mitre».
London für Städteführermuffel Es soll ja Touristen geben, die mit Städteführern nichts anfangen können. Denen seien zwei Bücher aus dem reichhaltigen London-Angebot ans Herz gelegt: «Gebrauchsanweisung für London» von Roland Reng erkundet die Stadt über viele kleine Geschichten. Reiseführertypische Karten, Infoboxen und Checklisten sucht man hier vergeblich. Im Vordergrund steht der Lesespass. Und ganz nebenbei erfährt man, wie die pulsierende Stadt und ihre Bewohner ticken und wo man vielleicht beim nächsten Besuch einmal vorbeischauen sollte. Einen ganz ähnlichen Ansatz verfolgt Gerhard Elfers mit «111
Kathleen Becker 159 Seiten CHF 14.90 Marco Polo
London zu Fuss entdecken Josephine Grever 159 Seiten CHF 17.90 Polyglott
111 Orte in London, die man gesehen haben muss John Sykes 230 Seiten CHF 22.90 Emons
Gebrauchsanweisung für London Roland Reng 208 Seiten CHF 24.90 Piper
111 Gründe, London zu lieben Gerhard Elfers 344 Seiten CHF 15.90 Schwarzkopf & Schwarzkopf
28 | Spezial – Interview
Doris Giesemann ist Vertriebs- und Marketingleiterin bei Dorling Kindersley. Der Verlag veröffentlicht die weltweit erfolgreichste Reiseführer-Reihe «Vis-à-Vis», die es seit genau 20 Jahren gibt. Sie will nicht nur in Städte und Länder, sondern auch an den Herd locken. Thomas Mäder
Solchen Entdeckungstouren wurde in der Neuauflage der Vis-à-Vis-Reiseführer mehr Platz eingeräumt ... Wir wollten unsere Reiseführer noch einmal rundum erneuern und natürlich auch verbessern – und darum haben vermehrt auch besondere Themen einen Platz im Buch: Genuss- und Kulturtouren oder Tipps für Familien. Um ein wenig Platz zu sparen, haben wir gleichzeitig die Menge der Hotelempfehlungen etwas reduziert. Ist das kein Verlust? Mittlerweile informieren sich die meisten Leute im Internet über Hotels. Auch ich hatte mein Hotel in London übers Internet gesucht und gebucht. Wir haben unsere Hotelempfehlungen daher qualitativ verändert: Sie sind persönlicher abgefasst und bieten Zusatzinformationen, wie man beispielsweise als Rollstuhlfahrer das beste Hotel findet. Zudem haben wir die Tipps für Restaurants und Bars ausgebaut und ebenfalls attraktiver gestaltet. Die auffälligste Neuerung ist, dass den Reiseführern ein kleines Kochbuch mit regionalen Spezialitäten beiliegt. Wie ist diese Idee entstanden? Aufgrund eines logischen Prozesses – denn unser Verlag ist ja nicht nur mit Reiseführern, sondern auch mit Kochbüchern sehr erfolgreich. Analysen aus der
Tourismusbranche zeigen, dass das Essen für viele Reisende das wichtigste Erlebnis in den Ferien ist – noch vor der Kultur. Daher dachten wir uns: Das müssen wir verbinden. Viele holen sich später gern die Ferien noch einmal kulinarisch nach Hause – oder wollen sich mit einem typischen Essen schon einmal aufs Reiseziel einstimmen. Und das können die Leserinnen und Leser der Vis-à-Vis-Bände nun bequem tun. Geht es eher um die besonders typischen Gerichte – oder um solche, die auch wirklich jeder und jede nachkochen kann? Wir bieten eine runde Mischung für Anfänger und Fortgeschrittene. Der Fokus aber liegt natürlich auf besonders typischen Gerichten, das ist ja das Konzept des Mini-Kochbuchs. Rezepte haben den Vorteil, dass sie stets aktuell bleiben. Das ist bei vielen Angaben in einem Städtereiseführer anders. Hat man da gegen die Konkurrenz aus dem Internet überhaupt noch eine Chance? Ja, und das belegen auch die Umsatzzahlen. Im vergangenen Jahr stiegen die Umsätze bei gedruckten Reiseführern um 7,5 Prozent. Worauf führen Sie zurück, dass die gedruckten Reiseführer vom Internet nicht verdrängt werden? Im Internet muss man sich erst alle Informationen mühsam zusammensuchen, man wird regelrecht von Tipps überschwemmt, alles braucht viel Zeit – und dann hat man noch nicht einmal eine Garantie für die Qualität der Tipps oder Bewertungen. Bei einem Reiseführer hat schon jemand eine Filterung vorgenommen und man erhält geprüfte Informationen. Der gedruckte Reiseführer führt durch die Reise, nimmt einen an die
Hand und strukturiert. Das wollen viele Reisende. Eine Reiseführer-App hat diese Nachteile nicht ... Richtig. Dennoch führen App- und EBook-Produkte nach wie vor ein Nischendasein. Womöglich ändert sich das aber noch: Die Kolleginnen und Kollegen unseres Mutterhauses in London witzeln immer, sie würden deutschsprachige Touristen daran erkennen, dass diese noch mit einem Stadtplan nach ihrem Ziel suchten. Die Engländer zücken da eher das Smartphone oder das Tablet. Aber das sind vielleicht auch einfach kulturelle Unterschiede im Umgang mit der Technik. Aber bezüglich Aktualität kann ein Buch wohl kaum mit dem Internet mithalten ...? Das stimmt. Wir veröffentlichen etwa alle ein- bis eineinhalb Jahre eine Neuauflage unserer Städtereiseführer. Das ist natürlich ein enormer Aufwand, aber ich bin immer wieder überrascht, wie viel nach bloss einem Jahr wieder geändert werden muss. Vieles bleibt aber auch unverändert – etwa die wichtigsten Sehenswürdigkeiten. Mit welchem Städtereiseführer planen Sie Ihre nächste Reise? Mit dem neu aufgelegten Barcelona-Reiseführer. In diese Stadt will ich unbedingt!
«Vis-à-Vis» ist mit rund 40 Millionen verkauften Exemplaren die weltweit erfolgreichste Reiseführer-Reihe. Zum 20-Jahr-Jubiläum der Reihe wird sie neu lanciert. Neu liegt allen Reiseführern ein Mini-Kochbuch bei, ausserdem wurde den Tages- und Thementouren mehr Platz eingeräumt und das Layout aufgefrischt.
BUCHtipps | 29
Wanderkarten mit Tourenvorschlägen 3 in 1 – Karte, Tourenführer und Fotos
© swiss-image.ch
«Essen ist das wichtigste Ferienerlebnis!»
«Books»: Wohin führte Sie Ihre letzte Städtereise? Doris Giesemann: Als ich im letzten Frühling beruflich in London war, konnte ich den Anlass nutzen, und mir an einem verlängerten Wochenende endlich wieder einmal die Stadt anschauen. Londons Pracht fasziniert mich immer wieder. Trotz der Grösse kann man viel zu Fuss unternehmen. Ein Geheimtipp für Spaziergänger ist zum Beispiel ein Spaziergang von Little Venice den Regent Canal entlang bis ins Punkerviertel Camden.
NEU
Books Nr. 1/2014
Ein neuartiges Produkt Eine Wanderkarte im Massstab 1: 50 000 mit 33 Wandertouren Diese neuen Wanderkarten auf wasser- und reissfestem Papier präsentieren attraktive Vorschläge und verschaffen den raschen Überblick über die geplante Tour. In Zusammenarbeit mit Geo-Tracks haben wir alles Wissenswerte über die schönsten Wanderregionen der Schweiz in diese Karten einfliessen lassen: Wichtige Angaben über Höhenprofile, Zeitangaben der Wanderung, Restaurants, Autobus und vieles mehr! Als weiteres Highlight können Sie Ihre Karte kostenlos auf Ihr Smartphone laden. Durch die GPS-genaue Position in der Karte wissen Sie jederzeit, wo Sie sich genau befinden.
33 Wandertouren mit: Schwierigkeit der Tour (Wanderwege für Anfänger bis sehr anspruchsvolle Alpinwanderwege); Gesamthärte der Tour (unter Berücksichtigung von Länge, Höhendifferenz und Schwierigkeit); Tourendistanz; Höhenmeter (GesamtHöhenunterschied der Haupttour); Zeitbedarf; Höchster Punkt.
Nr. 1
Zürcher Oberland
Nr. 2
Appenzellerland, Säntis
Nr. 3
Heidiland, Flumserberge
Nr. 4
Jungfrau Region, Grindelwand
Nr. 5
Saanenland, Adelboden-Lenk
Nr. 6
Aletsch-Goms, Brig
Nr. 7
Oberengadin, Bernina
Nr. 8
Region Lugano, Mendrisiotto
Doris Giesemann von Dorling Kindersley: «Bei einem gedruckten Reiseführer hat schon jemand eine Filterung aller Informationen vorgenommen.»
www.swisstravelcenter.ch
30 | Buchtipps
ACSI
Internationaler Campingführer Europa 2014 Wer auf jedem Campingplatz im Europa-Campingführer von ACSI eine Nacht verbringen wollte, müsste fast 25 Jahre Ferien machen: Das Buch stellt 8500 Plätze in 30 Ländern vor. Die Porträts sind umfassend und werden auf aufwändige Weise erstellt: Über 300 Campingplatz-Inspektoren von ACSI durchqueren jedes Jahr Europa, um die Plätze auf Herz und Nieren zu prüfen. Entsprechend aktuell und fundiert sind denn auch die Informationen. In der diesjährigen Ausgabe des zweibändigen Werks neu hinzugekommen sind Plätze in Estland, Lettland, Litauen und Rumänien. Eine beigelegte DVD mit integriertem Routenplaner, Videos sowie Links auf die Websites der Plätze erleichtert die Vorbereitung auf den Campingtrip.
BUCHtipps | 31
Books Nr. 1/2014
Raymond Maurer
Picknick und Grill in der Schweiz
Schweiz 2014 –
Navigator Europa-Strassenatlas
Alle, die lieber Cervelat statt Sushi essen und die Picknickdecke auf einer grünen Alpwiese der Tischdecke in der heimischen Stube vorziehen, werden dieses Buch mit zugehöriger Faltkarte lieben: Es stellt 120 Picknickund Grillplätze der Schweiz vor. Da dürfte für alle Outdoor-Gourmets etwas dabei sein: für die Liebhaber des einfachen Picknicks genauso wie für jene des stilvollen Mahls in freier Natur, für Wanderer wie für Velofahrer, für Alpenpanorama-Bewunderer und Seeufer-Romantiker. Damit das Picknick ganz sicher ein Erfolg wird, gibt’s zusätzlich Tipps zum richtigen Feuermachen, viele Rezepte und sogar eine Entscheidungshilfe bei der wichtigen Frage: Picknickkorb oder Picknick-Rucksack?
Dieses Jahr kommt die offizielle Strassenkarte von Schweiz Tourismus im digitalen Zeitalter an. Auf der Karte ist neu ein Download-Code abgedruckt – damit findet sie künftig nicht nur im Seitenfach der Autotür Platz, sondern auch auf dem Smartphone. Die Verbindung von analog und digital geht aber noch weiter: Mit dem Smartphone können sogenannte BeeTaggs gescannt werden, um Entfernungsangaben zu erhalten. Dazu kommen Transitpläne, ein Ortsindex, touristische Informationen und Angaben zu Sehenswürdigkeiten. Alle Informationen sind wie gewohnt aktuell, übersichtlich dargestellt und überzeugen durch die einfache Handhabung.
«Navi» ist die Kurzform von Navigator und meint heutzutage natürlich ein elektronisches Gerät, das einen zielsicher an den gewünschten Ort bringt. Dass der klassische Navigator in Form eines Strassenatlas’ trotzdem noch nicht ausgedient hat, beweist die Neuauflage des Europa-Strassenatlas von Hallwag. Auf geballten 512 Seiten bietet das Werk Karten jedes Winkels des Kontinents sowie 59 Stadt- und 30 Transitpläne. Wer die Übersichtlichkeit einer analogen Strassenkarte auch in digitalen Zeiten nicht missen will, ist mit diesem Referenzwerk also bestens bedient. Und die digitale Ergänzung wird auch gleich mitgeliefert – im Kaufpreis inbegriffen ist ein Code, mit dem sich die Europa-Strassenkarte 1:800‘000 auf das Smartphone laden lässt.
Offizielle Strassenkarte Schweiz Tourismus
Arne Dahl
Deon Meyer
Leonardo Padura
Dorothee Elmiger
Ketzer
Schlafgänger
Einem Professor wird auf offener Strasse die Kehle durchgeschnitten. Ein blinder Bettler flieht mit dem Smartphone des Wissenschaftlers, auf dem sich sensible Daten be finden. Der blutige Mordfall ist von europäischer Tragweite, und deshalb wird Paul Hjelm eingeschaltet – der Chef der Europol-Gruppe Opcop. Seine Ermittlungen führen ihn in einen Kampf gegen die mächtige Energie-Lobby. Es ist ein Kampf, bei dem Paul Hjelm alle seine Prinzipien über Bord werfen muss. Selbst seinen alten Freund Gunnar Nyberg, der sich längst auf eine griechische Insel zurückgezogen hatte, muss Hjelm in Gefahr bringen.
Bennie Griessel muss ein Blutbad verhindern. Ein mysteriöser Heckenschütze schiesst in Kapstadt einen Polizisten an und droht damit, jeden Tag einen weiteren Polizisten ins Visier zu nehmen. Die Attentate sollen erst dann stoppen, wenn der Mörder einer jungen Anwältin vor Gericht gebracht wird. Doch die Polizei tappt bei diesem Mordfall im Dunkeln.
Auf einer Auktion in London taucht 2007 ein bislang unbekanntes Christus-Porträt von Rembrandt auf. Die Kunstwelt ist aus dem Häuschen, doch das Bild wirft viele Fragen auf, etwa nach dem Eigentümer des Werks. Mario Conde schaltet sich ein – der Polizist aus dem «Havanna-Quartett», das den kubanischen Autor Leonardo Padura weltberühmt machte.
Irgendwo tief im europäischen Wald begegnen sie einander: Grenzgänger, Schmugglerinnen, Flüchtlinge, Arbeiterinnen, Asylbewerber, Kontrolleure, Künstlerinnen, Instrumentalistinnen, Schauspieler, Journalisten, Stipendiaten, Logistiker, Studentinnen, Geister. Sie kommen von überall. Sie alle sind Stellvertreter unserer Zeit, und sie führen ein Gespräch. Über Herkunft und Gerechtigkeit, über Körper und Staat, Import und Export, Heimat und Migration, über Glück, Musik und den Tod.
Neid
«Neid» ist nach «Zorn» und «Gier» der dritte Krimi des schwedischen Romanautors Arne Dahl über die inoffizielle Europol-Ermittlergruppe Opcop und deren Chef Paul Hjelm.
Sieben Tage
Während Bennie Griessel unter Hochdruck ermittelt, ist auch in seinem Liebesleben einiges in Bewegung. Nachdem die Beziehung zu seiner Frau gescheitert ist, hat er eine neue Liebe gefunden: zu einer einst erfolgreichen Sängerin, die wie er dem Alkohol verfallen war und nun an ihrem Comeback arbeitet.
Conde versucht die Geheimnisse des Gemäldes zu ergründen. Die Spur führt durch die Jahrhunderte und um die ganze Welt. Der Polizist stösst auf die Geschichte eines jungen Juden, der einst als Schüler von Rembrandt in den Besitz des Bilds gelangte. Und er erfährt vom Schicksal einer jüdischen Familie im Zweiten Weltkrieg, die sich mit dem Bild die Einreise nach Kuba sichern wollte.
«Sieben Tage» erscheint erstmals als deutsches Taschenbuch.
Mit ihrem Debütroman «Einladung an die Waghalsigen» erregte die junge Schweizer Autorin Dorothee Elmiger 2010 grosses Aufsehen. Das Buch wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. In ihrem neuen Werk leuchtet Dorothee Elmiger die brisanten Fragen unserer Gegenwart aus.
1368 Seiten
139 Seiten
512 Seiten
512 Seiten
432 Seiten
656 Seiten
160 Seiten
CHF 39.90
CHF 22.90
CHF 19.90
CHF 29.90
CHF 25.90
CHF 15.90
CHF 36.90
CHF 26.90
Hallwag
Kümmerly+Frey
Hallwag
Hallwag
Piper
Aufbau Verlag
Unionsverlag
DuMont
ISBN 978-3-905755-55-8
ISBN 978-3-259-03723-2
ISBN 978-3-8283-1021-6
ISBN 978-3-8283-0799-5
ISBN 978-3-492-05537-6
ISBN 978-3-7466-3015-1
ISBN 978-3-293-00469-6
ISBN 978-3-8321-9742-1
32 | K affeepause
Die Debatte Was machen Buchhändler in der Kaffeepause? Natürlich plaudern sie über Bücher. Zum Beispiel im Bagels im St. Galler Rösslitor, der grössten Buchhandlung der Ostschweiz. Books hat sich dort zu Bettina Zeidler und Dario Widmer gesetzt. Marius Leutenegger
Der Geschmack der Sehnsucht Kim Thúy 160 Seiten CHF 24.90 Kunstmann
Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten Daniel Friedman 320 Seiten CHF 26.90 Aufbau
Ewigkeitsfjord Kim Leine 640 Seiten CHF 35.90 Hanser
K affeepause | 33
Books Nr. 1/2014
Books: Bettina, du hast «Der Geschmack der Sehnsucht» mitgebracht. Wie bist du auf dieses Buch gekommen? Bettina Zeidler (BZ): Mein Interesse wurde durch das wunderschöne Cover geweckt – und weil das Buch auch sonst sehr schön aufgemacht ist. Worum geht’s? BZ: Die Geschichte beginnt während des Vietnamkriegs. Das Mädchen Man wird im allgemeinen Chaos von einer Familie zur nächsten geschoben. Und es lernt: Du musst deine Identität aufgeben und darfst niemals auffallen, wenn du überleben willst. Schliesslich wächst Man bei ihrer dritten «Mutter» heran, einer Lehrerin. Diese Frau arrangiert für die junge Frau dann auch eine Ehe mit einem älteren, wohlhabenden Vietnamesen, der in Montreal ein Restaurant führt. Man beginnt, zurückgezogen und ziemlich isoliert in dessen Küche zu arbeiten. Dabei kann sie all das Wissen nutzen, dass ihr ihre Mütter weitergegeben haben. Schliesslich kommt es zu einer schicksalhaften Begegnung: Man lernt Julie kennen, die das Potenzial der jungen Frau erkennt und mit ihr ein Kochbuch zu schreiben beginnt. Bis anhin war Man äusserst gefügig; um jeden Streit von vornherein auszuschliessen, hat sie zum Beispiel ihrem Mann jeden Wunsch von den Augen abgelesen. Jetzt lernt sie aber, ihren eigenen Wünschen und Sehnsüchten nachzugehen. Dank Julie gelangt sie in die weite Welt hinaus – und schliesslich lernt sie in Paris Luc kennen, in den sie sich unsterblich verliebt. Ist dies die Lebensgeschichte der Autorin? BZ: Tatsächlich kam Kim Thúy in Saigon zur Welt; ihre Familie flüchtete nach Kanada, als sie zehn Jahre alt war. Es könnte
schon ihre Geschichte sein – oder die Geschichte einer Bekannten. Dario, wie fandest du das Buch? Dario Widmer (DW): Sehr, sehr gut – es hat mir wirklich ausserordentlich gut gefallen. Die Sprache ist sehr schön, und mit Man ist der Autorin eine hervorragende Hauptperson geglückt. Sie ist so herzig, ich hätte mich fast in sie verliebt. Hervorragend finde ich auch, wie es der Autorin gelingt, schreckliche Dinge aus der Sicht eines Kindes darzustellen. BZ: Ja, und dabei ist sie nie voyeuristisch. Kim Thúy hat eine sehr angenehme Distanz zu ihrem Thema gefunden: Sie macht oft nur leichte Andeutungen und ist so zurückhaltend wie ihre Protagonistin. Ich habe noch selten etwas so Sensibles gelesen, die Sprache berührt einen ebenso wie die Hauptfigur. In diesem Buch steckt einfach alles drin: Man erfährt viel übers Kochen, es gibt eine schöne Liebesgeschichte, man erhält einen Einblick ins Leben während des Kriegs – und das alles auf gerade einmal 160 Seiten. DW: Zudem sind immer wieder Gedichte eingestreut – im vietnamesischen Original und als Übersetzung. BZ: Ja, und diese Gedichte sind unendlich poetisch. Ach, das ist einfach ein tolles Buch, eine wirkliche Perle! Ihr seid ja sehr begeistert. Gibt es an diesem Buch nichts auszusetzen? DW: Ich habe schade gefunden, dass es so schmal ist. Ich hätte gern länger darin gelesen. BZ: Aber diese Kürze entspricht genau dem Inhalt: Man will nie auffallen, ist zurückhaltend – da würde etwas Ausuferndes nicht passen.
Kommen wir zum zweiten Titel, über den wir heute reden – zu jenem, der Dario in unsere Runde eingebracht hat: «Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten». Das Buch hat auf der ganzen Welt geradezu enthusiastische Kritiken erhalten. DW: Den Originaltitel finde ich aber weit besser als die deutsche Version: «Don’t Ever Get Old». Die Übersetzung erinnert an «Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand», und dadurch könnte der Eindruck entstehen, das neue Buch sei ein Abklatsch dieses Bestsellers, eine billige Annäherung. Dabei ist «Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten» etwas ganz anderes. Die Geschichte spielt in den USA. Hauptfigur ist der 87-jährige Buck Schatz, ein zynischer, arroganter ExPolizist – ein richtig harter Hund, der einst seine Fälle mit dem Revolver löste und jetzt nur noch daheim sitzt, Unmengen von Zigaretten raucht und Fernsehserien schaut. Eines Tages erzählt ihm ein sterbender Kollege im Krankenhaus ein Geheimnis: Nach Kriegsende habe er einem Nazi geholfen, mit einem Goldschatz zu entkommen. Dieser Nazi, Heinrich Ziegler, lebe in den USA. Gleich nach dieser Erzählung stirbt der Freund – und Buck macht sich nach langem Zögern und mysteriösen Vorfällen mit seinem Enkel Tequila auf die Suche nach Ziegler und dem Goldschatz. Dieser wird aber auch von anderen gejagt. Das klingt nach einem Plot, mit dem man auch ein durchschnittliches Buch schreiben könnte. Was zeichnet denn den Roman von Daniel Friedman aus? BZ: Mir hat der Humor extrem gut gefallen. Dieser 87-Jährige, der sich über alles hinwegsetzt, hat mich an Helmut Schmidt erinnert, der sich auch um viele Regeln foutiert. Ich habe das Buch in einem Stück durchgelesen, weil es so unterhaltsam ist. Der Autor klopft unvergleichliche Sprüche und beschreibt alles sehr bildhaft und wortgewaltig. Es gibt aber auch traurige Geschichten; beeindruckt hat mich zum Beispiel das Verhältnis von Buck und seiner Frau Rose. DW: Der Humor ist wirklich aussergewöhnlich – weil er auch das, was wir als «typisch amerikanisch» bezeichnen würden, auf die Schippe nimmt. Geschrieben ist das Buch generell sehr gut, es liest sich flüssig, die Geschichte führt einen nicht auf zu viele Nebengeleise und ist logisch aufgebaut. Ist das Buch denn ein Thriller, als das es angeboten wird? BZ: Ich würde sagen: eine Thrillerkomö-
die. Manchmal geht die Post ab, und mir als Thriller-Fan hat der eine oder andere Blutspritzer natürlich besonders gut gefallen. Nun, ich habe mich köstlich amüsiert – und ich verstehe auch, dass der Produzent der Harry-Potter-Reihe dieses Buch verfilmen will. Der letzte Titel, über den wir heute reden, ist «Ewigkeitsfjord» von Kim Leine. BZ: Als ich die Kiste mit den neuen Büchern öffnete, dachte ich: 640 Seiten – und wir sollen das jetzt besprechen! Ich hätte «Ewigkeitsfjord» von mir aus wohl kaum gelesen. Dann hätte ich aber etwas verpasst, denn auch dies ist ein unglaublich gutes Buch, das jeden Rahmen sprengt und bei mir das reinste Kopfkino auslöste. Ich nehme aufgrund des Titels und des Covers an, die Geschichte spielt im hohen Norden ...
DW: Ja, hauptsächlich in Grönland. Hauptfigur ist Morten Falck, der gegen seinen Willen Pfarrer werden muss; die Geschichte spielt von 1750 bis 1815, als es so etwas noch gab. Falck studiert in Kopenhagen, hat dort auch eine Beziehung zu einer Tochter aus gutem Haus – beschliesst dann aber, mit einer Kuh im Schlepptau als Missionar nach Grönland zu gehen. Grönland war damals eine dänische Kolonie, und die Menschen lebten auf der Insel unter elenden Bedingungen. Wir erfahren viel über menschliche Abgründe. Diese tun sich vor allem unter den wenigen Dänen auf der Kolonie auf, darunter zum Beispiel ein Schmied oder die Witwe eines Kaufmanns. Schliesslich landet Falck im Ewigkeitsfjord, wo eine abtrünnige
Dario Widmer: Manchmal fand ich, der Autor beschreibe die Welt von gestern mit den Augen von heute. Bettina Zeidler: Ich glaube, er wollte auch gar keinen historischen Roman verfassen. Im Vordergrund stehen die menschlichen Abgründe. Fasziniert haben mich vor allem die Charaktere und die Beschreibungen der Lebensumstände.
Dario Widmer: Keine Frage: Kim Leine kann schreiben. Aber die Geschichte hätte auch irgendwo anders und zu einer anderen Zeit spielen können. Bettina Zeidler: Zwei, drei Sachen fand ich sicher auch nicht ideal, aber ich verzeihe dem Autor in diesem Fall jede Schwachstelle.
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Siedlergemeinschaft nach rousseauschen Grundsätzen lebt. Diese Gemeinschaft wird von den Dänen gar nicht gern gesehen – und schliesslich zerstört. BZ: Es passiert enorm viel im Buch. Leine beschreibt die erbärmlichen hygienischen Zustände, überhaupt das Leben unter elenden Bedingungen in Abgeschiedenheit – und er porträtiert vor allem Menschen. Dieses Buch ist ein Epos und beschreibt eine ganze Epoche. Die Sprache ist derart bildhaft, dass man meint, den Tran förmlich zu riechen. Bettina wirkt sehr begeistert. Kannst du dich ihr anschliessen, Dario? DW: Nur teilweise. Auch ich habe die Beschreibungen sehr gut gefunden, sie sind genau und tatsächlich plastisch. Aber manchmal fand ich, Leine beschreibe die Welt von gestern mit den Augen von heute. Ich weiss zum Beispiel nicht, ob sich die Menschen damals am Gestank derart störten – oder ob wir das nur annehmen, weil wir uns Gestank nicht mehr gewohnt sind. Am Ende fand ich wegen dieses modernen Blickwinkels alles ein wenig oberflächlich. BZ: Ich glaube, Leine wollte auch gar keinen historischen Roman verfassen. Im Vordergrund stehen die menschlichen Abgründe. Fasziniert haben mich vor allem die Charaktere und die Beschreibungen der Lebensumstände. Und ich bewundere Leines Begabung, bei den Leserinnen und Lesern Bilder im Kopf entstehen zu lassen. Und manches ging mir echt unter die Haut – etwa die Abtreibungsszene. DW: Keine Frage: Leine kann schreiben. Den historisch verbürgten Brand von Kopenhagen schildert er sehr spannend.
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Aber der Autor führt zum Beispiel auch immer wieder Figuren ein, die eigentlich gar keine Rolle spielen und eher verwirren; das hat mich gestört. Und ich finde, die Geschichte hätte auch irgendwo anders und zu einer anderen Zeit spielen können. Grönland wird hier eher als Hintergrund für eine Geschichte genutzt und ist nicht richtig in diese eingebunden. BZ: Man sollte dieses Buch nicht als grosses Grönland-Epos anschauen. Zwei, drei Sachen fand ich an «Ewigkeitsfjord» sicher auch nicht ideal, aber alles in allem hat mir das Buch wahnsinnig gut gefallen. Ich verzeihe dem Autor in diesem Fall jede Schwachstelle!
Bettina Zeidler, 49, lebt in St. Gallen. Sie arbeitet in der Abteilung Belletristik der St. Galler Buchhandlung Rösslitor, die zu Orell Füssli Thalia gehört. Am liebsten liest sie skandinavische Krimis und Thriller.
Carly Phillips
Anthony McCarten
Mike Marsden arbeitet als verdeckter Ermittler in Manhattan. Er führt ein rastloses Leben ohne feste Bindungen. Dann erkrankt sein Vater an Krebs. Mike kehrt zurück in seine Heimatstadt Serendipity. Hier trifft er auf seine Berufskollegin Cara Hartley, mit der er vor einiger Zeit einen One-Night-Stand hatte. Diese Nacht erschien damals beiden bedeutungslos – doch jetzt entdecken sie plötzlich, wie gut sie einander eigentlich ergänzen ...
Küss mich später Bettina Zeidler: Diese Gedichte sind unendlich poetisch. Ach, das ist einfach ein tolles Buch, eine wirkliche Perle!
Dario Widmer, 21, lebt in Bühler in Appenzell Ausserrhoden. Seine Lehre zum Buchhändler absolvierte er im Rösslitor, heute arbeitet er in der Orell-Füssli-Filiale Kramhof in Zürich. Er hat ein schon seit jeher ein grosses Interesse an Literatur.
«Küss mich später» ist bereits das vierte auf Deutsch erschienene Buch der US-Autorin Carly Phillips über das Leben und Lieben der Einwohner der fiktiven Kleinstadt Serendipity.
Nimm dir Zeit für die schönsten Seiten des Lebens.
Besuche auch unsere Starbucks Coffeehouses in den Orell Füssli Buchhandlungen im Westside in Bern sowie im Kramhof und am Bellevue in Zürich.
funny girl
Thilo Sarrazin
Der neue Tugendterror
Aran Goyoaga
Die schüchterne Kurdin Azime, 20, wächst in London auf. Ost und West, Islam und Säkularismus, Burka und bauchfrei – in Azimes beiden Welten gibt es klare Regeln. Als Terroranschläge in der U-Bahn Hunderte von Opfern fordern, weiss sie, dass sie ihre Stimme erheben muss. Auf ihre Art. Heimlich besucht sie einen Comedy-Kurs, schlüpft in eine Burka und tritt auf: als weltweit erste muslimische Komikerin. Die englische Presse feiert sie als Sensation, ihre Familie verstösst sie. Es wird ernst. Und doch immer komischer. Und ganz anders, als man jetzt denkt.
Mit seinem Buch «Deutschland schafft sich ab» löste Thilo Sarrazin 2010 eine Kontroverse über die Einwanderung aus. Die Debatte drehte sich aber bald auch darum, was man in Deutschland sagen und schreiben darf und was nicht. In Interviews lotete der SPD-Politiker seither die Grenzen der Meinungsfreiheit weiter aus und handelte sich neue Rassismusvorwürfe ein.
Aran Goyoaga hat mit ihrem Food-Blog «Cannelle et Vanille» im englischsprachigen Raum für Furore gesorgt. Ihre Berichte über einen neuen glutenfreien Lebensstil liessen die Klickzahlen förmlich explodieren, es regnete Anerkennung und Auszeichnungen.
Der neuseeländische Autor Anthony McCarten sorgte schon als 25-Jähriger für Furore mit dem Theaterstück «Ladies Night», das als Vorlage zur unautorisierten Filmadaption «The Full Monty – Ganz oder gar nicht» diente. In «funny girl» lässt er nun traditionellen Islam und westlichen Säkularismus in tragikomischer Weise aufeinander prallen.
Nun schreibt Sarrazin in seinem neuen Buch gegen den Meinungs konformismus an, der seiner Ansicht nach herrscht. Er prangert an, forscht nach Ursachen und benennt 14 «vorherrschende Denkund Redeverbote unserer Zeit». Auch diesmal wird Sarrazin mit seinem Buch sicherlich eine Debatte lostreten.
Familienrezepte glutenfrei
Jetzt hat Aran Goyoaga 120 glutenfreie Rezepte für die Familienküche zwischen zwei Buchdeckeln festgehalten. Das Spektrum reicht von herzhaften Tartes über fantasievolle Salate und deftige Eintöpfe bis hin zu wunderbaren Desserts. Die Rezepte lassen sich einfach zubereiten und eignen sich ideal für den täglichen Familientisch. Dazu kommen viele Tipps und eine praktische Liste für den glutenfreien Vorrat. Wer für seine Familie glutenfrei kochen muss oder will, wird dieses Buch nicht mehr missen wollen.
447 Seiten
384 Seiten
400 Seiten
296 Seiten
CHF 14.90
CHF 30.90
CHF 34.90
CHF 34.90
Heyne
Diogenes
DVA
AT-Verlag
ISBN 978-3-453-41066-4
ISBN 978-3-257-06892-4
ISBN 978-3-421-04617-8
ISBN 978-3-03800-703-6
36 | Fantastisch!
Fantastisch! | 37
Books Nr. 1/2014
nes Nachts erwacht der Knochendrachen zum Leben und spricht Evie an. Und er hilft ihr, ihre Erlebnisse zu verarbeiten. Nacht für Nacht führt er sie etwas näher zu jenem Haus, in dem sie einst lebte und in dem sie von ihrer leiblichen Mutter gequält wurde. Stück für Stück erfahren wir mehr über die traurige Vergangenheit des Mädchens. Ob es den Drachen wirklich gibt oder ob er eine Imagination von Evie ist, wird nicht aufgelöst – und spielt eigentlich auch keine Rolle.
Fantastisch! Eine Mitarbeiterin von Orell Füssli präsentiert Neuerscheinungen und Geheimtipps aus dem Fantasy-Genre: Bücher für alle, die sich gern in fremde Welten entführen lassen. Marius Leutenegger
«Heute stelle ich drei Neuerscheinungen vor, die eher schwerere Kost bieten. Sie beschäftigten mich alle noch, nachdem ich sie zu Ende gelesen hatte. Zudem haben alle eine fantastische und eine realistische Komponente. ‹So wie Kupfer und Gold› von Jane Nickerson ist märchenhaft; es lehnt sich stark an die Erzählung von Ritter Blaubart an. Märchen liegen gegenwärtig im Trend; Cornelia Funkes ‹Reckless›-Reihe ist ja ein grosser Erfolg, und gerade ist ‹Wie Monde so silbern› von Marissa Meyer erschienen, das sich an Aschenputtel anlehnt. Das Blaubart-Märchen erzählt von einem älteren Ritter, der alle seine Gattinnen tötet, bis es einer jungen Frau gelingt, ihn zu überlisten. In Nickersons Debüt-Roman heisst Blaubart Bernard de Cressac und ist ein ausnehmend attraktiver junger Mann. Die schöne rothaarige Sophia ist mit ihm verwandt und wird von ihrer Familie auf sein riesiges Landgut geschickt. Das romantisch-verträumte Herrenhaus liegt weitab vom Schuss, und Sophia will eigentlich nicht dorthin. de Cressac ist aber ausnehmend charmant zu ihr, holt sie mit der schönsten Kutsche ab und macht ihr wert-
volle Geschenke. Lange merkt Sophia nicht, dass die Sache ein wenig eigenartig ist. Sie erfährt zwar, dass Bernard schon mehrmals verheiratet war und seine Frauen alle auf mysteriöse Weise verschwunden sind, aber sie wird nicht misstrauisch. Bis sie eines Tages – wie im Blaubart-Märchen – ein Zimmer betritt, das sie nicht hätte betreten dürfen, und dort einen grausigen Fund macht: Die drei früheren Ehefrauen von de Cressac – oder eher die Überreste davon – liegen angekettet an der Wand. Schön ist, wie Nickerson die Stimmung aufbaut: Man merkt als Leserin oder Leser schon bald, dass mit de Cressac etwas nicht stimmt, aber Sophia lässt sich von ihm weiterhin einlullen. Im fulminanten letzten Drittel des Buchs überschlagen sich dann die Ereignisse. Es wird auch etwas gruslig, doch wie das Blaubart-Märchen geht auch diese Geschichte gut aus. Eigentlich handelt es sich bei ‹So wie Kupfer und Gold› nicht um klassische Fantasy; es gibt weder Magie noch Trolle oder Drachen. Doch die märchenhafte Stimmung wird wohl den meisten Fantasy-Fans gefallen. Zumindest den weiblichen; ich nehme an, dass kaum ein Mann dieses Buch lesen wird, denn es
ist mit seiner romantisch-düsteren Stimmung und seiner wackeren Heldin ganz auf junge Leserinnen zugeschnitten. Das zweite Buch, das ich heute vorstelle, habe ich allein wegen des Covers zu lesen begonnen: ‹Die Nacht gehört dem Drachen› von Alexia Casale zeigt auf dem Umschlag einen Drachen im Glas. Das sprach mich sofort an, und ich dachte, es handle sich hier um eine Drachengeschichte im Stil von ‹Eragon›. Damit hat dieser Debüt-Roman aber nichts zu tun. Hauptfigur ist das Teenager-Mädchen Evie. Sie lebt bei Adoptiveltern, die sich gut um sie kümmern, sich viel Zeit nehmen für sie und ihr helfen wollen. Denn Evie hat offenbar schlimme Dinge erlebt. Die Geschichte beginnt damit, dass Evie gerade eine Operation überstanden hat, bei der ihr ein Teil der unteren Rippe entfernt wurde. Dieses Rippenstück nimmt sie vom Spital mit nach Hause. Ihr Adoptivonkel zeigt ihr, wie sie daraus einen Drachen schnitzen kann. Die Schnitzerei scheint etwas zu sein, das Evie ermöglicht, ihre eigene Lebensgeschichte aufzuarbeiten. Bis hierher ist die Geschichte sehr realistisch. Dann folgt der fantastische Teil: Ei-
Über weite Strecken erinnerte mich dieses Buch an ‹Sieben Minuten nach Mitternacht› von Patrick Ness. In jenem Roman wird Conor jede Nacht von einem Monster besucht, das ihm hilft, mit dem Sterben der Mutter fertigzuwerden. Ich konnte ‹Sieben Minuten nach Mitternacht› nur daheim lesen, weil es mich ständig zu Tränen rührte, und mit ‹Die Nacht gehört dem Drachen› ist es mir ähnlich ergangen. Das Buch geht einem wirklich unter die Haut. Ehrlich gesagt weiss ich auch nicht genau, warum man etwas liest, das derart traurig ist. Ich konnte das Buch jedenfalls nicht mehr weglegen, weil ich unbedingt wissen wollte, was die leibliche Mutter Evie antat und ob sie dafür zur Rechenschaft gezogen wird. Der Verlag schreibt zwar, das Buch richte sich an Jugendliche ab 14 Jahren, ich würde es aber eher älteren Leserinnen und Lesern empfehlen. Und empfohlen werden muss ‹Die Nacht gehört dem Drachen› auf jeden Fall – dieses Buch verkauft sich nicht von allein, denn das Cover ist irreführend und die Autorin noch gänzlich unbekannt. Ich kann den Roman aber mit sehr gutem Gewissen empfehlen, denn er sorgt dafür, dass man sich auch mit sich selber und der eigenen Vergangenheit auseinandersetzt. Meine dritte Empfehlung ‹Wen der Rabe ruft› stammt von Maggie Stiefvater. Diese Romantasy-Spezialistin baut ihre Geschichten oft auf historischen Begebenheiten oder Legenden auf. Diesmal bildet die Sage um den mittelalterlichen walisischen Nationalhelden Owen Glendower das Fundament der Geschichte. Von Glendower heisst es, er werde wieder erscheinen, wenn Wales seine Hilfe benötige. Die weibliche Hauptfigur der Geschichte ist die etwa 15-jährige Blue. Ihre Mutter ist ein Medium und verdient ihr Geld mit Séancen. Blue hat sich damit arrangiert, dass ständig andere Medien und selbster-
Die Vorlage zu «So wie Kupfer und Gold» von Jane Nickerson: das Märchen von Ritter Blaubart, hier illustriert von Gustav Doré.
Eigentlich wollte Angelina Rubli in dieser Rubrik unbedingt «Edelherb» vorstellen, die Fortsetzung von «Bitterzart» von Gabrielle Zevin – dieses Buch hat sie restlos begeistert. Aber zum einen empfahl Angelina «Bitterzart» bereits in der vorletzten Ausgabe euphorisch, zum anderen stellen wir hier nicht so gern Fortsetzungen vor. Doch allen Zevin-Leserinnen und -Lesern sei versichert: «Edelherb» ist mindestens so lesenswert wie «Bitterzart». Die 28-jährige Angelina Rubli arbeitet übrigens bei Orell Füssli am Bellevue und lebt in Dachsen.
nannte Hexen ins Haus kommen und dass ihr Lebensumfeld ziemlich chaotisch ist. Etwas mehr Mühe macht ihr ein Fluch, der auf ihr lasten soll: Der erste Junge, den sie nach ihrem 16. Geburtstag küssen wird, muss sterben. Ein zweiter Erzählstrang spielt in der Eliteschule der Stadt. Dort gibt es eine Clique von Jungs, die zwar alle aus bestem Haus stammen, aber trotzdem ihre Probleme haben. Einer von ihnen, Gansey, ist total angefressen von der erwähnten Sage um Glendower und will unbedingt das Grab des Helden finden. Blue lernt ihn kennen, weil Gansey ihre Mutter bittet, eine Séance durchzuführen. Blue, die ein feines Gespür für Übersinnliches hat, schliesst sich in der Folge der Clique um Gansey an und will ihr helfen, das Grab zu finden. Und dann gibt es auch noch einen dritten Erzählstrang um den sehr eigenartigen Schüler Noah – aber davon will ich nichts verraten. Die verschiedenen Stränge dieser komplexen Geschichten laufen mit der Zeit immer näher zusammen. Mit ihrem raffinierten Erzählstil hat Stiefvater mein Herz erobert – von ihr würde ich einfach alles lesen! Mit ‹Wen der Rabe ruft› hat sie mir wieder einmal eine Sage nähergebracht, die ich nicht kannte, und sie hat diese in eine sehr spannende Geschichte gepackt. Lustig ist gelegentlich einzig die Tollpatschigkeit von Blue, ansonsten herrscht eine ausnehmend düstere, aber sehr anziehende Atmosphäre vor. Herrlich!»
So wie Kupfer und Gold Jane Nickerson 443 Seiten CHF 25.90 cbt
Die Nacht gehört dem Drachen Alexia Casale 315 Seiten CHF 22.90 Carlsen
Wen der Rabe ruft Maggie Stiefvater 460 Seiten CHF 28.90 script5
Tim Lenny George, 19, lebt in einem Dorf ausserhalb von Bern. Er hat gerade seine Buchhändler-Lehre abgeschlossen und macht jetzt die Berufsmatura. Momentan arbeitet er Teilzeit in der Orell-Füssli-Filiale Kramhof in Zürich. Sein Tipp: «Die Bestimmung 03. Die Entscheidung» von Veronica Roth. «Tris’ Welt liegt in Trümmern. Die Ideale der Fraktionen scheinen eine einzige grosse Lüge zu sein. Denn es gibt eine andere Welt ausserhalb des Zauns, und diese ist auf die Hilfe der ‹Unbestimmten› angewiesen. Die Fraktionslosen haben unter der Führung von Tobias’ Mutter die Kontrolle über die Stadt an sich gerissen. Niemand darf die Stadt verlassen und in die neue Welt gehen. Im Untergrund bildet sich aber eine Bewegung, die sich die Zeiten der Fraktionen zurückwünscht und sich Hilfe von der neuen Welt verspricht. Tris und Tobias werden aus der Stadt geschleust, damit sie die andere Seite des Zauns erforschen können. Tris hat brennende Fragen: Wieso wurde das Wissen über die andere Seite jahrzehntelang geheim gehalten? Was hat ihre Mutter mit allem zu tun? Nur die Menschen von ausserhalb können ihr Antwort geben ... Veronika Roth ist mit diesem Buch ein fulminantes und temporeiches Ende ihrer ‹Divergent›-Trilogie geglückt. Wie bei den ersten beiden Bänden will man das Buch nicht aus der Hand legen, ehe man nicht das Ende kennt. Das Buch erscheint am 24. März – rund zwei Wochen später kommt der erste Teil der Trilogie in die Kinos.»
Kai Mader, 32, wohnt in einem kleinen Vorort von Basel auf deutscher Seite. Weil er gern liest, stieg er vor etwa zehn Jahren mit einem Praktikum in den Buchhändler-Beruf ein. Seit vier Jahren leitet er die Fantasy-Abteilung bei Thalia, «die mit Abstand grösste ihrer Art in Basel». Sein Tipp: «Die Lügen des Lock Lamora» von Scott Lynch. «Dieses Buch habe ich gebannt gelesen und empfehle es auch deshalb gern, weil es sich gut als Einstieg ins Fantasy-Genre eignet: Die beschriebene Welt und die Figuren sind nicht so abgehoben, dass sie Einsteiger abschrecken würden. Im Herzogtum Camorr, das entfernt an Venedig erinnert, treibt eine Diebesbande ihr Unwesen. Ihr Anführer und Ausbilder ist Lock Lamora, der sich als Priester des Schutzpatrons der Diebe und Betrüger bezeichnet. Der Bande geht es zwar auch um die Beute, mindestens so sehr aber darum, Camorrs Reiche zu erschrecken – nach Lamoras Ansicht haben sich Ober- und Unterschicht in der Stadt viel zu gut miteinander arrangiert. In diesem ersten Band einer Trilogie verfolgen wir mit, wie die Bande einen grossen Coup plant und sich mit etlichen Schwierigkeiten herumschlagen muss. Die Charaktere sind eigenständig und toll herausgearbeitet, der Roman ist flüssig geschrieben und der grosse Plan ist erst zum Schluss erkennbar. Das Buch ist zwar schon 2007 erschienen, doch in diesem April kommt nach langer Pause endlich der dritte Band ‹Die Republik der Diebe› in die Buchhandlungen.»
«Belletristik habe ich mir eigentlich verboten» Wir möchten von Kundinnen und Kunden wissen: Welches ist Ihr liebstes Buch? Heute antwortet Heinz Rataj aus Rapperswil. Erik Brühlmann
ich gebe dort ein Seminar.» Zwar sei er in Wien geboren, er lebe aber seit drei Jahren in Rapperswil und betreibe dort mit seiner Frau eine Praxis. Heinz Rataj ist nämlich Heilpraktiker und unterrichtet auch in verschiedenen Disziplinen.
Vor dem Abflug noch ein wenig Zeit totschlagen – dies müssen viele Menschen am Flughafen Kloten tun. Einen Abstecher in die Filiale von Orell Füssli bietet sich da natürlich an. Auch Heinz Rataj steckt gerade in der Situation, dass er auf seinen Abflug warten muss. «Mein Flieger nach Wien geht in einer Stunde», erzählt er mit charmantem österreichischen Akzent. Zurück in die Heimat? «Nein, von Berufs wegen,
Seit Jahren liest Heinz Rataj ausschliesslich Fachliteratur und philosophische Werke. «Belletristik habe ich mir einmal verboten», sagt er. «Der argentinische Autor Jorge Luis Borges hielt einmal fest: Bücher zu lesen ist, wie mit fremden Gehirnen zu denken. Das hat mich sehr nachdenklich gemacht, denn ich wollte ja mit meinem eigenen Gehirn denken.» Deshalb habe er es sich abgewöhnt, die Geschichten anderer zu lesen. «Heute lese ich fast nur noch Bücher zu den Themen Philosophie, Tiefenpsychologie und medizinische Naturheilkunde.» Die Früchte seiner eigenen Gedanken hat der Österreicher selber bereits mehrfach in Buchform veröffentlicht.
Jahrhunderts» von Florian Illies. Das Buch schildert in anekdotischer Weise das Leben, Lieben und Leiden innerhalb eines Jahrs, das eine Schwelle zwischen Höhepunkt und Niedergang, zwischen künstlerischer Exzentrik und politischem Zerfall darstellte. «Dass ich jetzt dieses Buch gekauft habe, ist die ganz grosse Ausnahme und hat einen sentimentalen Hintergrund», erzählt der Heilpraktiker. «Mein Vater wurde nämlich am 13. März 1913 geboren. Ausserdem hat das Buch eine gewisse Affinität zu Wien und zu den Wiener Kaffeehäusern, wo sich die grossen Köpfe der Zeit trafen und austauschten.» Und da ihm ausserdem einige begeisterte Rezensionen in die Hände kamen, habe er nun für einmal seine Regel gebrochen. «Aber ich muss zugeben, der Hauptgrund ist die Geschichte um meinen Vater. Würde das Buch 1914 behandeln, hätte ich es nicht gekauft – so einfach ist das manchmal!»
Die Bestimmung 03. Letzte Entscheidung
Die Lügen des Lock Lamora
Samantha Shannon 605 Seiten CHF 25.90 Berlin
veronica roth 450 Seiten CHF 26.90 cbt
scott lynch 847 Seiten CHF 23.90 Heyne
Florian Illies 319 Seiten CHF 29.90 S. Fischer
Das Buch, das Heinz Rataj heute in der Hand hält und in unserer Rubrik vorstellen möchte, ist jedoch eindeutig belletristischer Natur: «1913 – Der Sommer des
ROBERTO SAVIANO Autor des Bestsellers Gomorrha
The Bone Season – Die Träumerin
1913 – Der Sommer des Jahrhunderts
KOKAIN – wenn du keinen kennst,
der kokst, bist du blind – oder du selbst bist derjenige, der kokst.
Hörprobe, Leseprobe, Videos und mehr unter www.hanser-literaturverlage.de/roberto-saviano
-Book
Junge Mitarbeitende geben weitere Tipps aus dem Fantasy-Genre Marino Castelli, 29, wohnt in Gunzwil und arbeitet bei Orell Füssli am Bellevue. Buchhändler wurde er, weil «ich ein leidenschaftlicher Leser bin und mein Hobby zum Beruf machen wollte». An seiner Tätigkeit schätzt er vor allem, dass er immer neue Bücher entdecken kann – auch dank der Kundinnen und Kunden, die etwas Bestimmtes suchen. Marino liest querbeet, vor allem Krimis und Fantasy-Romane. Sein Tipp: «The Bone Season – Die Träumerin» von Samantha Shannon. «Die junge Paige kann die Gedanken anderer auskundschaften. Deswegen wird sie in eine geheime Stadt verschleppt, in der die Rephaim herrschen. Dort lernt sie Arcturus kennen, der so schön wie unheimlich ist. Seine Gedanken bleiben ihr seltsamerweise verschlossen – und ausgerechnet ihm soll sie als Sklavin dienen ... Der jungen Londoner Autorin Samantha Shannon ist mit diesem Serien-Auftakt eine wirklich spannende und gut durchdachte Fantasygeschichte geglückt; sie hat eine neue Welt erschaffen, die derart gross und kompakt ist, dass man anfänglich etwas Mühe hat, alles zu durchschauen. Nach einer Weile kann man das Buch aber nicht mehr weglegen. Besonders gut gefiel mir – neben der sympathischen Protagonistin – die Atmosphäre. Ganz allmählich braut sich da etwas zusammen, aber man hat keinen Schimmer davon, worauf die Sache am Ende hinausläuft. Langeweile kommt so nie auf. Ich freue mich jetzt schon auf die Fortsetzung.»
mein buch | 39
Books Nr. 1/2014
Ü.: Walter Kögler, Rita Seuß. 480 S. Gebunden, Lesebändchen. Auch als Foto: © Justin Griffiths-Williams / Writer Pictures
38 | FANTASTISCH
40 | Kinderwelt
Heldinnen des Alltags Bücher mit starken Mädchen oder starken jungen Frauen haben ständig Hochkonjunktur. Nicole Stäuble, unsere Fachfrau für Kinderbücher aus der Orell-Füssli-Filiale in Frauenfeld, präsentiert einige besonders geglückte Neuerscheinungen, bei denen Heldinnen im Zentrum stehen. Marius Leutenegger
«Heldinnen haben in der Kinder- und Jugendliteratur einen ganz besonderen Platz. Das Spektrum ist dabei sehr weit; es reicht von Heidi, das nirgends anecken will, aber dank seines grossen Herzens schliesslich doch sein Glück findet, über die bärenstarke Pippi Langstrumpf, die Polizisten durch die Luft wirbelt und sich von wirklich gar niemandem etwas sagen lässt, bis zu Katniss, die in der ‹Panem›-Trilogie ein tödliches Spiel spielen muss. Natürlich schätzen vor allem Mädchen solche Heldinnen – aber gerade das Beispiel der bis heute überaus beliebten Pippi zeigt, dass auch Buben ihre helle Freude an starken Mädchenfiguren haben können. Eine solche Mädchenfigur – wenn auch ohne besondere Muskelkraft – ist die zehnjährige Astrid aus ‹Astrids Plan vom grossen Glück›; geschaffen hat sie der preisgekrönte norwegische Schriftsteller Levi Henriksen. Astrids Eltern haben sich getrennt. In den Sommerferien soll das Mädchen erst den Vater und dessen neuen Liebe nach Griechenland begleiten, anschliessend mit der Mutter und deren neuem Herzblatt nach Norwegen reisen. Weil sie ihre Ferien aber lieber mit beiden Eltern zusammen verbringen will, heckt Astrid einen Plan aus: Sie lockt Mutter und Vater auf eine verlassene Insel, mit der die beiden schöne Erinnerungen verbinden, schaltet deren Mobiltelefone aus und versteckt die Boote für die Rückfahrt. Was als eine Art Streich beginnt, wird schon bald zum Abenteuer: Die drei sind auf der Insel nicht allein, der Vater erleidet einen schlimmen Unfall, und die Familie kann die Insel nicht mehr verlassen. Zum Glück gibt’s aber ein Happy End. Dieses Buch fesselt Kinder ab neun Jahren mit atemloser Spannung und einer Hauptfigur, die über sich hinauswächst und in
kinderwelt | 41
Books Nr. 1/2014
schwierigen Situationen viel Mut aufbringt. Astrid verzweifelt nicht, steckt Schuldgefühle weg und kämpft bis zum Schluss – damit identifiziert man sich doch gern! Etwas weniger heldenhaft wirkt die Hauptfigur des nächsten Buchs – aber nur auf den ersten Blick. In ‹Die Wahrheit, wie Delly sie sieht› erzählt die New Yorkerin Katherine Hannigan von einem Mädchen, das in seinem Dorf als böse und gewalttätig gilt – denn wenn Delly etwas nicht passt, kann sie ziemlich unverfroren werden. Bei einer Kleintierausstellung lässt sie zum Beispiel aus Mitleid alle Hühner frei, oder sie sagt hemmungslos, was sie denkt. Dass hinter Dellys Taten meist eine gute Absicht steckt, erkennt niemand; und irgendwann glaubt das Mädchen selber, es sei böse, weil ihm das ständig eingeredet wird. So verliert Delly allmählich ihr Lächeln und
fängt an, die Schule zu schwänzen und zu stehlen. Doch dann kommt Ferris neu in Dellys Schulklasse. Ferris sieht knabenhaft aus, spricht kein Wort und lässt sich von niemandem berühren. Delly fühlt sich von Ferris angezogen, und schon bald verbringen die beiden Mädchen jede freie Minute zusammen. Ferris' stille Art hilft Delly, ihre Umgebung besser zu verstehen und sich ihrer Handlungen bewusst zu werden. Bald braucht aber auch Ferris Dellys Hilfe. Auch in dieser Geschichte muss ein Mädchen über sich hinauswachsen und seinen
ganzen Mut zusammennehmen. Delly wächst einem derart ans Herz, dass man sie selber zur Freundin haben möchte. ‹Die Wahrheit, wie Delly sie sieht› ist eine wunderschöne Geschichte, die einem beim Lesen das Herz zum Überlaufen bringt. Ich empfehle das Buch für Kinder ab elf Jahren – und ich finde, es eignet sich ideal dafür, in einer Schulklasse vorgelesen zu werden. Wenn wir schon bei Schulklassen sind: Die Englischlehrerin Sharon M. Draper hat einst den jährlich vergebenen und sehr begehrten Preis als beste Lehrerin der USA gewonnen. Daneben ist sie auch noch Schriftstellerin. Und was für eine! In ‹Mit Worten kann ich fliegen› erzählt sie von der elfjährigen Melody, die Wörter über alles liebt. Leider kann sie diese aber nicht verwenden, weil sie an einer seltenen Krankheit leidet – Melody wird niemals gehen, selber essen und reden können. Dass sie sehr intelligent ist, sehen weder Ärzte noch Lehrer. Nur ihre Eltern und ihr Kindermädchen glauben an das Mädchen, dessen Vorbild der ebenfalls schwer behinderte Wissenschaftler Stephen Hawking ist. Melodys Situation verbessert sich erst, als ihre ‹Behindertenklasse› eine neue Lehrerin bekommt. Diese merkt schnell: Melody will gefordert werden. Sie lässt das Mädchen deshalb jeden Tag ein paar Stunden lang am regulären Schulunterricht teilnehmen. Bald darauf erhält Melody den Sprachcomputer, den sie sich so sehr gewünscht hat. Und als die Schule ein Team für einen landesweiten Wissenswettbewerb zusammenstellen muss, bekommt Melody die einmalige Chance, endlich allen zu zeigen, was sie kann. Ehrlich: ‹Mit Worten kann ich fliegen› ist eines der eindrücklichsten Bücher, das ich je gelesen habe. Es hat mir viel gegeben:
Verständnis, Bewunderung und Respekt für alle Menschen, die jeden Tag so kämpfen müssen wie Melody. Der Autorin möchte man dafür danken, dass sie einem einen derart tiefen Einblick in ein schwieriges Leben ermöglicht. Die Geschichte eignet sich für Mädchen und Jungen ab zwölf Jahren. Ebenfalls sehr empfehlenswert ist ‹Wenn ihr uns findet›; das neue Buch von Emily Murdoch stiess in den USA auf ähnlich einhellige Begeisterung wie ‹Mit Worten kann ich fliegen›. Es eignet sich für Jugendliche ab 14 Jahren. Die 15-jährige Carey und ihre neunjährige Schwester Jenessa leben in einem alten Wohnwagen in einem einsamen Wald. Ihre Mutter bleibt oft wochenlang weg – dann beschafft sie sich Geld und besorgt sich Drogen und Lebensmittel. Carey kümmert sich liebevoll um ihre jüngere Schwester und versucht, sie zu beschützen. In freien Minuten spielt sie auf einer alten Geige, und beide Mädchen lernen aus verschlissenen Schulbüchern. Doch seit einem Jahr schweigt Jenessa beharrlich. Den Mädchen gehen allmählich die Lebensmittel aus, und das ewige Dosenfutter hängt ihnen zum Halse raus. Schliesslich wird klar: Diesmal kommt die Mutter nicht mehr zurück. Die beiden Mädchen kommen zu ihrem Vater, dessen neuer Frau und Stieftochter Delany. Delany ist ein Jahr älter als Carey und sehr eifersüchtig. Jenessa gelingt es schnell, sich in die neue Situation einzuleben, Carey hingegen fällt der Neuanfang schwer. Immer wieder kommen Erinnerungen an ihr früheres Leben hoch. Eine davon hält sie tief in sich verschlossen: die
HANSPETER MÜLLER-DROSSAART «himmelhoch!»
MI 2. APR / DO 3. APR
20.00 Uhr
Erinnerung an den Tag, an dem Jenessa ihre Stimme verlor.
Astrids Plan vom grossen Glück Levi Henriksen 256 Seiten CHF 19.90 dtv
Ich fand das Buch sehr, sehr spannend. Immer wieder standen mir beim Lesen die Haare zu Berge, und die Geschichte beschäftigt mich immer noch, obwohl es schon Wochen her ist, seit ich das Buch gelesen habe. Ich kann mich an kaum ein anderes Buch erinnern, dass mir so unter die Haut ging.»
Die Wahrheit, wie Delly sie sieht Katherine Hannigan 288 Seiten CHF 22.90 Hanser
Mit Worten kann ich fliegen Sharon M. Draper 320 Seiten CHF 22.90 Ueberreuter
Nicole Stäuble, 41, ist Buchhändlerin bei Orell Füssli in Frauenfeld; sie hat einen dreijährigen Sohn. «Ich machte bereits meine Lehre zur Buchhändlerin bei Orell Füssli», erzählt sie. Schon in der Lehre seien Kinder- und Jugendbücher für sie das Grösste gewesen, denn «dieser Bereich ist so vielseitig – und fast so etwas wie eine Buchhandlung in der Buchhandlung!» Ausserdem könne man die Kundinnen und Kunden, die Kinderbücher suchten, richtig beraten: «Die meisten Leute sind dankbar für Empfehlungen, weil sie sich mit den Neuerscheinungen nicht so gut auskennen.»
SCHÖN&GUT
Wenn ihr uns findet Emily Murdoch 304 Seiten CHF 23.90 Heyne
LORENZ KEISER
«Schönmatt»
«Chäs und Brot & Rock ’n’ Roll»
MI 16. APR
FR 9. MAI – SA 31. MAI
20.00 Uhr
20.00 Uhr
Kartenbestellung und weitere Infos: www.casinotheater.ch oder Telefon 052 260 58 58
42 | Schöne Bücher
voralpen-express | 43
Books Nr. 1/2014
Leichtigkeit im Detail. Entdecken Sie die vielen Funktionen und technischen Besonderheiten, die dem neuen tolino shine seine Lei chtigkeit verleihen.
Grosser Coup mit kurzer Geschichte Voralpen-Express und Orell Füssli Thalia riefen gemeinsam dazu auf, kurze Zugreise-Erzählungen für den Wettbewerb «Geschichten spinnen» einzureichen. Bedingung: Die Erzählungen mussten die Begriffe «unbekannter Koffer», «Voralpen-Express», «Rothenthurmer Hochmoor», «Sitterviadukt» und «Rickentunnel» enthalten. Die Jury hatte viel zu tun, denn es trafen fast 500 Beiträge ein. Als Gewinner wurde Othmar Koller aus Wilen bei Wil gekürt. Er darf sich auf eine Übernachtung für zwei Personen in der Literaturküche von Schreiber vs. Schneider inklusive Eintritt ins Heilbad Bad Zurzach freuen – und darüber, dass wir hier seine Geschichte einem breiten Publikum vorstellen. Ungeschliffen und Dreist
Fr. 129.–
PREISLEISTUNGSSIEGER
GUT (1,9)
Ausgabe 6/2013
13JE01
Im Test: 13 E-Book-Reader
Jetzt in allen Orell Füssli und Thalia Buchhandlungen erhältlich.
Draussen brennt die Sonne mit 32 Grad unbarmherzig auf die Stadtleute nieder. Von ihrer Stirn perlen die Wassertropfen zu Boden. Ist es die Hitze oder ihr erhaltener Auftrag, der Rebekka S. die Wärme ins Gesicht treibt? Sie weiss es nicht. Doch sie ist froh, in Luzern endlich in den klimatisierten Voralpen-Express steigen zu können. «Hoffentlich ist es kein schlechtes Omen, dass die Zug-Lok die Werbung der Polizeischule Ostschweiz trägt», denkt sich Rebekka kurz, während sie nach dem Couvert in ihrer Tasche sucht. Im Couvert ihres Auftraggebers ist auch ein Billett erster Klasse. Das schützt besser vor neugierigen Blicken. Die ganze Strecke kennt Rebekka wie ihre rechte Hosentasche. Sie ist sie schon Monate vorher mehrmals abgefahren. Sie kennt jeden Halt, jedes Signal, jede Kreuzung, jeden Bahnhof – einfach alles. Doch heute steigt Rebekka nicht an einem Bahnhof aus. Sie benutzt die Wartezeit für die Zugskreuzung beim Rothenthurmer Hochmoor, um unauffällig den Zug zu verlassen. Ihre Komplizen haben dafür gesorgt, dass sicher «ihr Zug» auf die Kreuzung warten muss. Alles muss schnell gehen. Es gibt nur eine Möglichkeit, den Zug zu verlassen, ohne dass der Lokführer eine Störmeldung erhält. Auch das hat Rebekka vorher einige Male ausgetestet. Als sich der Voralpen-Express wieder in Bewegung setzt, schaut sie ihm nach und prüft kurz, ob sie nicht von jemandem gesehen wurde. Rebekka nimmt den Plan aus dem Couvert. In einer der kleinen Hütten im Moor ist der unbekannte Koffer deponiert. Von der Strasse ertönen Polizeisire-
nen. Sie bleibt kurz stehen und verfolgt den Klang. Sie weiss, dass sie ihr auf den Fersen sind. Schon einmal hatten sie sie fast geschnappt. Auf direktem Weg schreitet sie auf die markierte Hütte zu. Nur leicht versteckt schaut der Koffer hinter einer Ecke hervor. Sie nimmt ihn in die Hand und überprüft diesen kurz. Kaum zu glauben, alle würden den Koffer für einen ganz normalen Reisekoffer halten – wäre da nicht noch eine Lasche, unter der eine digitale Anzeige rot blinkt. Wenig später steht Rebekka mit dem Koffer am Bahnhof Altmatt und wartet auf den «Regio» Richtung Biberbrugg. Dort angekommen, wechselt sie in den nächsten Voralpen-Express nach St. Gallen. Kurz vor der Ausfahrt im Rickentunnel bremst der Zug stark ab und bleibt schliesslich stehen. Ein kurzes Lächeln zieht über Rebekkas Gesicht. Als der Zug in Wattwil einfährt, ist es gewiss. Der vorhergehende VoralpenExpress steht auf einem Nebengeleise und ist umzingelt von Polizisten, Fahndern uns Spürhunden. «Gute Arbeit, Kollegen», murmelt Rebekka leise vor sich hin, «die falsche Fährte hat funktioniert.» Der Zug rollt weiter Richtung St. Gallen. Beim Sitterviadukt scheint eine unbekannte Baufirma Unterhaltsarbeiten an der Brücke durchzuführen. Es steht ein sehr grosser Autokran bereit. Für Rebekka heisst es jetzt nochmals volle Konzentration. Der Koffer muss genau auf dem Sitterviadukt aus dem Gepäckabteil geworfen werden. Nur so wird die kostbare Fracht von den Auffangnetzen gehalten. Kurz vor der Brücke öffnet die seitliche Gepäcktüre. Etwas später fliegt ein Koffer durch die
Luft, und unten beginnt sich der Autokran in Bewegung zu setzen. «Bis am Abend, Kumpels», denkt sie sich und steigt in St. Gallen aus dem Zug. Am Abend treffen sich Auftraggeber und Empfänger sowie sämtliche Gehilfen etwas ausserhalb der Stadt. Der Auftraggeber nimmt den Koffer und hebt die Lasche. Er kennt als einziger den Code des elektronischen Schlosses. Beim Öffnen geht ein Raunen durch die Runde. Ein weiterer Teil der Rohdiamanten hat den Weg in die Schweiz gefunden. «Saubere Arbeit, Leute», meint der Empfänger und händigt im Gegenzug seinen Koffer mit dem Bargeld aus. Für Rebekka S. ist der Auftrag nach erfolgter Bezahlung abgeschlossen. Sie ist bereit für den nächsten Coup.
Die 10 Preisträger 1. Othmar Koller, Wilen bei Wil 2. Ruth Perlt-Vögeli, St. Gallen 3. Frank Waldis, Luzern 4. Rosmarie Ziegler-Salzmann, Galgenen 5. Marianne Vogt, Aarau 6. Sarah Jagfeld, Winterthur 7. Michael Rimle, Wattwil 8. Brigitte Möhr, Maienfeld 9. Barbara Haener, Baar 10. Caroline Breitenmoser, Lustmühle
44 | kochbücher
Ein Schmaus auch für die Augen Ein Gericht muss attraktiv aussehen, wenn es Appetit wecken soll. Neue Kochbücher zeigen, wie man gut und schön kocht. Markus Ganz
Es ist eine Binsenwahrheit, dass das Auge mitisst. Wer ernsthaft kocht, drapiert und dekoriert die Spesen denn auch hübsch. Aber selbst Profis begnügen sich häufig mit etwas Petersilie, um ihre Gerichte farblich aufzupeppen. Für Tatjana Reimann, Caro Mantke und Tim Schober ist die Farbe jedoch keine Nebensache. Die drei Designer und Hobbyköche aus Berlin haben die Farbe in den Fokus ihres aussergewöhnlichen Buchs «Kochen nach Farben» gestellt – und liessen sich dabei von der französischen Konzeptkünstlerin Sophie Calle inspirieren. Ihr Buch präsentiert zwölf Menüs, deren Speisen allesamt in einer Farbe gehalten sind: Weiss, Schwarz, Beige, Hellgrün, Gelb, Hellrot, Dunkelgrün, Rot, Violett, Orange, Dunkelrot und Braun. Alle zwölf Menüs bestehen aus zwei Vorspeisen, einem Hauptgericht, einem Dessert und drei begleitenden Getränken.
Lehrreiche Irritation Einfarbige Menüs irritieren nicht nur als Idee. Auch der Anblick ist gewöhnungsbedürftig, vor allem bei Farben wie Violett oder Schwarz. Aber diese Beschränkung schärft die Sinne. Auf den ersten Blick glaubt man, alle Speisen hätten die gleiche Farbe. Doch dann zeigen sich bald deutliche Nuancen. Man schaut genauer hin und stellt auch in der Textur der Zutaten Unterschiede fest. Derart sensibilisiert, kostet man die Speisen aufmerksamer. Und wird nicht enttäuscht. Denn die vorgestellten Gerichte bieten nicht nur ein optisch unvergessliches Erlebnis, sondern überzeugen auch im Gaumen. Tatsächlich schmecken die Menüs nicht so eindimensional, wie ihr Aussehen vermuten lässt. Ungewöhnliche Kombinationen schaffen spannende Geschmackserlebnisse. Beim grünen Menü etwa gibt es Brownies aus weisser Schokolade und dem japanischen Teepulver Matcha, originell ist auch ein Cocktail aus Gin, Agavensirup, Limettensaft und Basilikum. Das mag teilweise penetrant aussehen, wie letzterer Drink zeigt. Doch es werden nur
Kochbücher | 45
Books Nr. 1/2014
natürliche Zutaten und keinerlei künstliche Farbstoffe eingesetzt.
Die Kunst der Kruste Bei gewöhnlicheren Speisen sind Tipps und Tricks vielleicht umso wichtiger, damit ein sowohl geschmacklich wie optisch ansprechendes Ergebnis resultiert. Diese Tipps und Tricks vermittelt die Buchreihe «Schöner kochen» konsequent – und sie ist deshalb auch ein Verkaufsschlager. In der neusten Ausgabe geht es um «Die Kunst des perfekten Gratinierens». Der Sternekoch Achim Schwekendiek zeigt darin, dass gute Küche auch in diesem Bereich «nicht aufwändiger Kreationen oder avantgardistischer Kompositionen» bedarf. Er führt vor, wie man aus einfachen Zutaten edle Gerichte machen kann, die auch Hobbyköchen gelingen. Dabei hilft die Bebilderung aller entscheidenden Schritte von der Vorbereitung bis zum Anrichten. Achim Schwekendiek verrät einem auch Kniffe, wie man etwa die perfekte Kruste zustande bringt. Das Buch reicht weit über den Kartoffelgratin hinaus und berücksichtigt auch die exotische Küche. Nicht vergessen gehen verwandte Techniken wie Soufflieren und Karamellisieren mitsamt Rezepten.
den herstellt. Unter den Rezepten findet man auch scheinbar simple Standardgerichte wie Chicken Wings oder alle möglichen Arten von Frühstückseiern. Aber auch hier gilt, dass von der Auswahl qualitativ hochstehender Zutaten bis zur makellosen Präsentation alles detailliert ausgeführt, nichts dem Zufall überlassen wird.
Rezept aus dem nebenan besprochenen Buch «Kochen nach Farben»
Wissenschaftliche Perfektion
ENTRÉE
Es ist die grosse Verständlichkeit, die dieses Kochbuch aussergewöhnlich macht. Dazu tragen unzählige selbsterklärende Illustrationen und vereinfachte wissenschaftliche Erläuterungen der Kochvorgänge viel bei. Akribisch wird etwa erläutert, wie kalte und heisse Fette den Geschmack unterschiedlich beeinflussen oder wie die perfekte Pizzakruste zustandekommt. Solche Erklärungen wären ohne die Vorgeschichte der beiden Autoren undenkbar, die gemäss Verlagsangaben schon als Kinder kulinarisch experimentiert und dabei beinahe die Küchen ihrer Eltern niedergebrannt hätten. Besonders ist vor allem die Karriere von Nathan Myhrvold. Dieser promovierte an der Princeton University in Wirtschaftsmathematik und theoretischer Physik. Später wurde er erster «Chief Technology Officer» bei Microsoft, bevor er sich voll seiner Leidenschaft für das schöne Kochen und die Lebensmitteltechnologie widmete.
Zutaten: 150 g Rucola-Salat 250 g gemischtes Hackfleisch 20 g Pistazienkerne 1/2 Bund Koriander 20 g frischer Ingwer 1 Knoblauchzehe 6 grüne Pfefferkörner 1 Ei Salz Olivenöl Dressing: 6 EL Kürbiskernöl 1 TL Akazienhonig Saft einer Zitrone
Zubereitung: Rucola-Salat waschen und auf vier Teller verteilen. Pistazien und Pfefferkörner fein hacken, Koriander waschen und trocken schütteln. Blättchen von den Stielen zupfen und fein hacken. Knoblauch und Ingwer schälen und fein reiben. Hackfleisch, Pistazien, Koriander, Ingwer, Knoblauch und Pfeffer mit Ei vermengen und mit den Händen zu einem Teig verkneten. Mit Salz würzen und zu Rollen von ca. 3 cm Durchmesser formen. Etwas Öl in einer Pfanne erhitzen und die Rollen bei mittlerer Hitze unter Wenden ca. 10 Minuten braten. Danach in 2 cm dicke Stücke schneiden und auf dem Salat verteilen. In einer kleinen Schüssel die Zutaten für das Dressing verrühren und über den portionierten Rucola und die Frikadellenscheiben träufeln. Zubereitungszeit: 40 Minuten.
Kochen nach Farben – 12 Farben, 12 Menüs Tatjana Reimann, Caro Mantke, Tim Schober 208 Seiten CHF 44.90 Prestel
Der Profiratgeber für Hobbyköche Das sechsbändige und fast 2500 Seiten umfassende Kochbuch «Modernist Cuisine – The Art and Science of Cooking» erschien 2011 und mauserte sich schnell zu einem Referenzwerk für Profis. Nun haben Nathan Myhrvold und Maxime Bilet für ambitionierte Hobbyköche eine reduzierte Ausgabe geschaffen, die auch in der deutschen Version «Modernist Cuisine at Home» heisst. Im ersten Teil findet man alle Angaben, wie man die Utensilien einer modernen Küche optimal nutzt und wie man die unterschiedlichen Kochtechniken meistert. Dann folgen unzählige Anleitungen, wie man Basics wie aromatisierte Öle, Gewürzmischungen, Saucen und Marina-
Für Sie probiert: Rucola-Salat mit Pistazienkoriander-Frikadellen
Schöner Kochen – Die Kunst des perfekten Gratinierens Achim Schwekendiek 192 Seiten CHF 37.90 Becker-Joest-Volk
SüSSe Verführung Besuchen Sie den Orell-Füssli-Stand am «Salon du chocolat» – Signierstunden mit bekannten Kochbuch-Autoren vor Ort und die leckerste Bücherauswahl zum Thema Schokolade und Süssigkeiten. Mehr Infos unter www.books.ch/chocolat
4.–6. April 2014, Messe Zürich, Stand 9 und 10
Modernist Cuisine at Home Nathan Myhrvold, Maxime Bilet 676 Seiten CHF 135.00 Taschen
WettbeWerb
Gewinnen Sie Eintrittskarten für den «Salon du chocolat»! Wir verlosen unter allen Teilnehmenden 10 × 2 Tickets für die feierliche VIP-Eröffnung am 3. April sowie 20 Einzeltageskarten, einlösbar zwischen 4. und 6. April. Einfach E-Mail mit Betreff «Chocolat» und Ihrer Postadresse an 4kommunikation@books.ch schicken.
Teilnahmebedingungen: Teilnahmeschluss ist der 26.3.2014. Die Gewinner werden per Zufall ermittelt und schriftlich benachrichtigt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Keine Barauszahlung oder Übertragung des Gewinns möglich. Teilnahmeberechtigt sind alle Personen ausser den Mitarbeitenden der Orell Füssli Thalia AG. Ihre Adresse wird nur für die Dauer des Wettbewerbs gespeichert und nicht an Dritte weitergegeben.
46 | WETTBEWERB
VERANSTALTUNGEN | 47
Books Nr. 1/2014
Das Literatur-Kreuzworträtsel
Veranstaltungen
Unter den richtigen Lösungen verlosen wir Gutscheinkarten von Orell Füssli Thalia: 1. Preis: CHF 200.–, 2. Preis: CHF 100.–, 3. Preis: CHF 50.–, 4. bis 10. Preis: je CHF 20.–.
31. Stauffacher Bern
MÄRZ
20 h
«Koala»
19. Rösslitor St.Gallen
20 h
«Rettet die Wall Street – warum wir die Zocker brauchen» Lesung mit Jens Korte
20 h
30. Stauffacher Bern
Thalia Bern
3.
20 h
«Wie wir für die Freiheit kämpften»
Orell Füssli am Bellevue, Zürich
20.30 h
7.
Hörbuch-Taufe mit Bänz Friedli
26. Kramhof Zürich
20.15 h
mai 3. Kramhof Zürich
13-15 h
Theo der Bär besucht die Kinderwelt
3. Stauffacher Bern
19 h
«Brennesseljahre»
20.15 h
«Gömmer Starbucks?»
Lesung und Gespräch mit Kaspar Villiger
Wer bin ich? Roger Schawinski erzählt aus seinem Leben
25. Thalia Basel
20 h
«Pendler zwischen Wirtschaft und Politik»
Lesung und Gespräch über die stillen Heldinnen und Helden in Südafrika; mit Rommel Roberts
«Soutines letzte Fahrt» Lesung mit Ralph Dutli, veranstaltet von der Kellerbühne in Zusammenarbeit mit der Buchhandlung Rösslitor
Lesung und Gespräch mit Gilbert Gress 19.30 h
Vortrag und Bilderschau von Sarah Fasolin
2.
20 h
«Mein Leben für den Fussball»
«Gartenreiseführer Schweiz»
20 h
24. Kellerbühne St. Gallen
28. Thalia Basel
april
«Schreib oder stirb – 129 Autorenschicksale» Lesung und Gespräch mit Charles Linsmayer und Manfred Papst
10.30 h
Märlischtund
Lesung mit Lukas Bärfuss
2. Meissner Aarau
19. Stauffacher Bern
26. Orell Füssli Frauenfeld
Thalia Bern
17.30 h
«Die digitale Revolution und unsere Arbeitswelt» Berner WissenschaftsCafé; öffentlicher Vortrag und Diskussion
9. ZAP Brig
19.30 h
Lesung und Buchvernissage mit Daniela Schenk
5. Thalia Bern
17.30 h
«Der manipulierte Konsument» Berner WissenschaftsCafé; öffentlicher Vortrag und Diskussion
«Dramödyssee»
6. Meissner Aarau
Lesung mit Kosta Athanasopoulos
19.30 h
«Mein Leben für den Fussball»
15. Thalia Basel
20 h
«Verdammtes Land. Eine Reise durch Palästina»
«Frauen hassen»
26. ZAP Brig
19.30 h
16. Stauffacher Bern
12. Thalia Thun
17.30 h
«Sind die Bienen noch zu retten?»
Lesung mit Andreas Altmann
Buchpräsentation und Lesung mit Michael Herzig
Lesung und Gespräch mit Gilbert Gress
20 h
«Verdammtes Land. Eine Reise durch Palästina»
Thuner WissenschaftsCafé; öffentlicher Vortrag und Diskussion
12. Stauffacher Bern
Lesung mit Andreas Altmann
20 h
«Reiner Wein»
25. Zeughaus Kultur Brig
19.30 h
Lesung mit Martin Walker
13. Thalia Basel
20 h
«Reiner Wein» Lesung mit Martin Walker
✁ Lösungswort:
Lesung mit Bilderschau; mit Daniela Schwegler
«Jenseitskontakte»
29. Orell Füssli Frauenfeld Adresse
19 h
«Traum Alp – Älplerinnen im Porträt»
Vortrag von Gabriel Palacios Vorname / Name
Bis zum 30. April 2014 in einer Filiale von Orell Füssli, Thalia, Stauffacher, ZAP oder bei Rösslitor Bücher abgeben – oder per E-Mail senden an: books@books.ch. Über den Wettbewerb wird keine Korrespondenz geführt.
14. ZAP Visp
«Hypnotisiere mich – Wenn Gedanken dein Leben schaffen»
Märlischtund
10.30 h
Vortrag und Demonstration von Pascal Voggenhuber, Kooperation des Giger-Verlags mit ZAP Brig
Mehr Veranstaltungen finden Sie auf www.books.ch, www.thalia.ch, www.stauffacher.ch und www.zap.ch.
PLZ / Ort E-Mail
Mehr Veranstaltungen finden Sie auf www.books.ch, www.thalia.ch, www.stauffacher.ch und www.zap.ch
48 | kolumne
Es war einmal ein kleiner Junge, der gerne las. Weil es aber bei ihm zu Hause nur wenige Bücher gab, klingelte er bei den Nachbarn und fragte, ob sie ihm Bücher ausleihen könnten. Eine alte Frau führte ihn auf den Dachboden, dort lagen in Schachteln Dutzende von alten Büchern. Die Frau blies den Staub von ihnen weg und sagte: «Nimm, was du willst!» So kam der Junge dazu, «Robinson Crusoe» zu lesen, «Der Graf von Monte Christo», «Oliver Twist». Weit weg führten den Jungen seine Leseabenteuer und doch wieder zu sich selbst, sie brachten ihn ausser Atem, sie liessen ihn bangen, hoffen, glücklich sein. Eines Tages beschloss der Junge – er war elf- oder zwölfjährig – , selber eine Geschichte zu erfinden. Er schlug ein leeres Schulheft auf, setzte den Stift an und stellte sich vor, wie es wäre, wenn er, wie Robinson, ganz allein auf eine Insel verschlagen würde. Er merkte, dass er auf diese Weise etwas Eigenes schaffen konnte, das ihm viel mehr bedeutete als die Aufsätze, die er in der Schule schreiben musste. Als er das Heft gefüllt hatte, wusste er, dass er Schriftsteller werden wollte, und er wünschte sich, dass viele Leute seine Geschichten lesen würden. Aber das Heft zeigte er niemandem, und seinen Wunsch behielt er lange für sich, denn er ahnte, dass die Erwachsenen ihm seinen Traum ausreden würden. Mehr als ein halbes Jahrhundert später sitze ich vor dem Bildschirm. Ich bin nach vielen Umwegen und Anläufen tatsächlich Schriftsteller geworden. Wenn Kinder mich heute fragen, warum ich schreibe, erzähle ich ihnen diese Geschichte. Sie ist wahr, und sie enthält den Keim meiner Schriftstellerexistenz. Wenn Erwachsene mir die gleiche Frage stellen – ich höre sie oft –, wird die Antwort komplizierter. Ebenso gut, denke ich in solchen Momenten, könn-
te man mich fragen: «Warum atmen Sie?» «Weil ich muss», möchte ich antworten. Oder einfach: «Darum» – und kein Wort mehr; denn eigentlich weiss ich ja gar nicht, was genau mich dazu bringt, wieder und wieder einen neuen Stoff aufzugreifen und ihm in monatelanger harter Arbeit eine gültige Form zu geben. Eines ist mir inzwischen aber doch klar: Jede Geschichte, die ich erzähle, hat in irgendeiner Weise mit mir zu tun. Meist finde ich erst im Lauf der Niederschrift heraus, was es ist. Zu meinem letzten Roman, «Abschied von Sansibar», kam ich so: Freunde erzählten mir vom Palastmuseum in Sansibar; dort gebe es einen Raum, welcher der Prinzessin Salme, später Emily Ruete, gewidmet sei. Von ihr hatte ich noch nie gehört. Aber was ich in groben Zügen vernahm, packte mich sogleich: Eine Muslimin verliebt sich um 1860 in einen Hamburger Kaufmann, wird von ihm schwanger und muss fliehen. Sie lebt, als Christin, unglücklich in Hamburg, verliert früh ihren Mann durch einen Unfall, versucht ihre drei Kinder zu guten Deutschen zu machen. «Was für ein Stoff!», dachte ich und begann schon am nächsten Tag zu recherchieren. Bald war mir klar, dass es in dieser Geschichte zentral um die Frage geht, auf welche Weise die Integration in eine fremde Kultur glücken kann oder warum sie scheitert. Und damit leuchtet Emilys Schicksal gleichsam in unsere Zeit hinein. Mehr noch: Hinter Emily Ruete sah ich immer deutlicher die Umrisse meiner Mutter. Durch ihre Heirat wurde sie, die Bauerntochter, in die Stadt verpflanzt, wo ihr alles völlig fremd war. Sie weinte nachts, was sie mir erst im Alter gestand, und sehnte sich zurück nach dem Bauernhof. Emily nahezukommen, bedeutete für mich, meine Mutter, Jahre nach ihrem Tod, in ihrer inneren Zerrissenheit besser zu verstehen. Schreibe ich darum? Schreibe ich, um mit der Welt auch mich selbst und meine Herkunft zu erforschen? Das mag sein. Ich werde jedenfalls weiterschreiben, Buch um Buch, so hoffe ich.
© Peter Mosimann
Schweizer Autorinnen und Autoren erzählen in «Books», warum sie schreiben. Heute: Lukas Hartmann
FILMTIPPS | 49
Books Nr. 1/2014
Lukas hartmann Lukas Hartmann, 69, schreibt historische Romane, Geschichten für Erwachsene sowie Kinder- und Jugendbücher. Er studierte Musik, Germanistik und Psychologie; heute lebt er in Spiegel bei Bern. Für sein Werk wurde Lukas Hartmann mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem «Grossen Literaturpreis von Stadt und Kanton Bern». Sein aktuelles Buch erzählt die Saga einer west-östlichen Familie:
Abschied von Sansibar 328 Seiten CHF 34.90 Diogenes
Game of Thrones – Staffel 3
SCIENCE-FICTION
Die Tribute von Panem – Catching Fire
DRAMA
Das Mädchen Wadjda
Die Eiskönigin – Völlig unverfroren
Die Lennisters scheinen den Krieg der fünf Könige gewonnen zu haben, nachdem sie Stannis Baratheon eine vernichtende Niederlage zugefügt haben. Auf Robb Stark, den König des Nordens, kommt hingegen Unheil zu, obwohl ihm das Schlachtenglück hold ist. Immer grösser wird auch die Bedrohung des ganzen Kontinents Westeros durch die Armee der Wildlinge, die ihren Marsch gegen Süden unaufhaltsam fortsetzt. Und jenseits der Meerenge sammelt Daenerys Targaryen ihre Kräfte, um den Eisernen Thron zurückzuerobern.
Katniss und Peeta müssen erneut in die Arena. Mit einer List überlebten beide im ersten Teil der Filmserie die Hungerspiele. Doch damit ermutigten sie auch die unterdrückte Bevölkerung zur Rebellion gegen das Regime. Also setzt Präsident Snow alles daran, Katniss‘ Glaubwürdigkeit als Symbolfigur der Rebellion zu zerstören. Das soll mit einer Spezialauflage der tödlichen Hungerspiele gelingen, in der bisherige Sieger der Spiele gegeneinander antreten. Doch im Hintergrund reift ein anderer, grösserer Plan.
Die zehnjährige Wadjda hat einen Traum. Sie träumt vom grünen Velo, das sie auf ihrem Schulweg in einem Spielzeuggeschäft sieht. Denn damit könnte sie endlich ihren Nachbarjungen Abdullah in einem Rennen besiegen. Die Sache hat allerdings zwei Haken. Wadjda lebt in Saudi-Arabien, in einer konservativen Gesellschaft, in der Mädchen das Velofahren nicht gestattet ist. Und Geld für das Velo hat sie auch keines. Doch die lebenslustige Wadjda macht sich mit viel Unternehmergeist und Hartnäckigkeit daran, die nötigen finanziellen Mittel aufzutreiben.
Im Königreich Arendelle herrscht ewiger Winter. Grund dafür ist Elsa, die neue Königin des Reichs. Sie verfügt über magische Kräfte, die sie lange mit Müh und Not unter Kontrolle halten konnte. Doch dann verlor Elsa die Beherrschung – und damit auch die Kontrolle über ihre Macht. Nun macht sich Elsas jüngere Schwester Anna auf den beschwerlichen Weg durch das winterliche Königreich, um die Eiskönigin wider Willen in ihrem Eispalast in den Bergen zu finden.
FANTASY
ANIMATIONSFILM
Der Disney-Film «Die Eiskönigin – Völlig unverfroren» ist lose inspiriert vom bekannten Märchen «Die Schneekönigin» von Hans Christian Andersen und bietet einen rasanten Animationsfilmspass für Jung und Alt.
Wer bereits vom Game-of-ThronesVirus befallen ist, wird sich die dritte Staffel der Serie nicht entgehen lassen. Und er wird nicht enttäuscht werden von dieser Verfilmung der Bestseller von George R.R. Martin.
Die Verfilmung des zweiten Romans der «Panem»-Trilogie von Suzanne Collins bietet noch mehr Überraschungen als der erste Teil – den man allerdings kennen muss, um «Catching Fire» zu verstehen. Die Filme also gleich im Doppelpack kaufen!
580 Minuten
146 Minuten
97 Minuten
98 Minuten
DVD: CHF 44.90
DVD: CHF 19.90
DVD: CHF 19.90
DVD: CHF 19.90
Blu-ray: CHF 54.90
Blu-ray: CHF 24.90
Für ihren berührenden und gleichwohl witzigen Film über eine kleine Rebellion wurde die saudische Regisseurin Haifaa Al Mansour mehrfach ausgezeichnet.
Blu-ray: CHF 24.90
50 | landesmuseum
LANDESMUSEUM | 51
Books Nr. 1/2014
«Wir wollten das Monument Trudi Gerster würdigen»
Das Landesmuseum Zürich entführt Gross und Klein in die Märchenwelt.
Märchen reloaded Märchen durchdringen unsere Kultur und bezaubern Kinder und Erwachsene. Das Landesmuseum Zürich beleuchtet verschiedene Facetten dieses Phänomens und würdigt die grosse Märchenerzählerin Trudi Gerster. Benjamin Gygax
Das Landesmuseum präsentiert uns Gegenstände aus vergangenen Tagen, weil diese oft eine lange und interessante Geschichte erzählen können. Jetzt sei im Landesmuseum Zürich eine Ausstellung zu sehen, bei der es sich für einmal umgekehrt verhalte, sagt Museumsdirektor Andreas Spillmann: «Die Geschichten standen am Anfang, als wir eine Ausstellung über Trudi Gerster und Märchen planten, dann haben wir die passenden Objekte dazu gesucht.» Die Sucharbeit der beiden Kuratoren Pascale Meyer und Walter Keller hat sich gelohnt. Die Ausstellung «Märchen, Magie und Trudi Gerster» führt vom Mittelalter bis in die Gegenwart und zeigt Gegenstände, die für Besuchende jeden Alters einen Gewinn darstellen.
800 Jahre alte Entdeckung Die Ausstellung beginnt mit einem Blick auf die orientalischen Märchen. Als Besonderheit ist hier eine Abbildung der Handschrift «101 Nacht» von 1234 zu sehen. Die Orientalistin Claudia Ott entdeckte die kleine Schwester der bekannten Geschichtensammlung erst vor wenigen Jahren beim Gang durch eine Ausstellung: «Mir fiel eine Handschrift auf, die etwas abseits der anderen in einer Vitrine mit Kunstob-
jekten aus Andalusien lag. In roter Tinte und einem sehr altertümlichen, maghrebinischen Schriftstil las ich die Überschrift: ‹kitâb fîhi hadîth mi’at layla wa-layla – Das Buch mit der Geschichte von Hundertundeiner Nacht› – und war sofort elektrisiert.» Das Manuskript wurde inzwischen von Claudia Ott übersetzt und veröffentlicht.
Wertvolle Originale europäischer Erzähler Nicht weniger bedeutend ist ein Ausstellungsstück in der sogenannten «Schatzkammer» des Landesmuseums: Hier kann man einen Blick auf eine Handschrift werfen, mit der die Brüder Grimm 1810 zwei Märchen festhielten. Daneben liegen Scherenschnitte, die Hans Christian Andersen kunstvoll anfertigte. An einem anderen Ort ist eine der 22 noch erhaltenen Erstausgaben von «Alice’s Adventures in Wonderland» aus dem Jahr 1865 zu sehen. Sogar Originale einer echten Königin gibt es zu bestaunen: Margrethe II., Königin von Dänemark, ist begabte Illustratorin und Designerin. Sie schuf 2009 die Kostüme und Dekors zur Verfilmung des Andersen-Märchens «Die wilden Schwäne». Das Landesmuseum stellt die Kleider und Dekors im Original aus.
Die Märchen-Königin der Schweiz Auch die Schweiz hatte eine Königin: Die Märchen-Königin Trudi Gerster, die durch ihre Auftritte an der Landesausstellung 1939 in Zürich bekannt wurde und vor rund einem Jahr verstarb. Ein eigener Raum der Ausstellung ist diesem Schweizer Phänomen gewidmet. In einem bezaubernden Märchenwald steht der Thron, auf dem Trudi Gerster so oft sass und die Zuhörenden in ihren Bann zog. Gross und Klein können hier ihren Erzählungen lauschen und Bilder von Andreas Jenni bewundern. Beim Künstler handelt sich um Trudi Gersters Sohn; er teilt ihre Begeisterung für Märchen und arbeitet als Illustrator und Erzähler.
Books: Was hat Sie veranlasst, dem Thema Märchen eine Ausstellung zu widmen? Pascale Meyer: Der Anstoss dazu war, dass wir Trudi Gerster in einer Ausstellung würdigen wollten. Deshalb sind wir auch froh, dass sie vor ihrem Tod noch von unseren Plänen erfuhr und dass uns ihre Familie mit ihrem Wissen und Objekten aus dem Nachlass grosszügig unterstützte. Walter Keller: Es ging uns aber auch darum, einer Erzählform zu ihrem Recht zu verhelfen, die von Erwachsenen oft unterschätzt wird. Märchen öffnen Gross und Klein ein Fenster zu Möglichkeitsformen und nehmen mit ihrem Zauber eigentlich Filme und Games des digitalen Zeitalters vorweg. Deshalb wollten wir Märchen mit der Ausstellung re-aktualisieren – sie könnte auch «Märchen reloaded» heissen. Dennoch, haben Märchen nicht an Bedeutung verloren? Pascale Meyer: Der Aargauer Illustrator Felix Hoffmann, dessen Bücher bei uns zu sehen sind, verkaufte in den 1970er-Jahren eine unglaubliche Auflage von 600’000 Büchern. Sie werden bis heute in Südkorea gedruckt. Das Kino hat in den letzten Jahren immer mehr populäre MärchenVerfilmungen gezeigt, und die Kultur ist durchdrungen von Märchen-Themen. Das zeigen auch die Fotoarbeiten von Annelies Strba und Nan Goldin in unserer Ausstellung.
15. März: «Zwerg, Prinzessin, Zauberkugel»
Kinder schlüpfen mit der Märchenerzählerin Verena Jenny in Rollen und spielen Märchen.
101 Nacht Claudia Ott/ Aga Khan Museum 329 Seiten CHF 74.90 Manesse
Claudia Ott 696 Seiten CHF 44.90 C.H.Beck
23. März: «Spieglein, Spieglein an der Wand, wage dich ins Märchenland»
Führung für Kinder mit anschliessendem Theaterspiel, geleitet vom Theaterpädagogen Beni Müller. 5. April: Tagung «Das Märchen sind wir»
Ein Samstag mit verschiedenen Vorträgen und Kinderprogramm «Abrakadabra und Simsalabim».
Das grosse Märchenbuch Christian Strich (Herausgeber), Tatjana Hauptmann (Illustrationen) 662 Seiten CHF 70.00 Diogenes
Die schönsten Märchen der Schweiz Dirk Vaihinger (Herausgeber), Doris Lecher (Illustrationen) 204 Seiten CHF 29.90 Nagel & Kimche
Trudi Gerster erzählt CHF 10.90 45 Minuten swissandfamous
Öffentliche Führungen durch die Ausstellung Informationen zur Ausstellung und zu Veranstaltungen: www.nationalmuseum.ch/zuerich
Pascale Meyer und Walter Keller: «Märchen sind auch heute ein Fenster zu Möglichkeitsformen.»
MärchenEmpfehlungen
Tausendundeine Nacht
25. März, 8./22. April, 6. Mai.
Märchen durchdringen unsere Kultur Wie stark Märchen bis heute wirken, belegt der letzte Raum der Ausstellung. Hier sind neben Ausschnitten moderner Märchenverfilmungen aus Hollywood auch Bilder von Tomi Ungerer und grossflächige Fotografien von Annelies Strba und Nan Goldin zu sehen. Beide liessen sich auf unterschiedliche Art von der Fantasiewelt der Märchen inspirieren und schufen Bilder, die einen eigenen Zauber ausstrahlen.
MÄRCHENHAFTE ANLÄSSE