Rauszeit 2016/02

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RAUSZEIT

RAUSZEIT WEGE.

ABENTEUER.

Preis: 3,00 €

FOTO Gregor Sieböck

FOTO Barbara Meixner

FOTO Ortovox/Hansi Heckmair

FOTO Dietmar Denger

MENSCHEN.

Ausgabe Winter 2016 / 2017

ERLEBT

BESSERWISSER NACHGEFRAGT

Bezahlung pro Kilogramm – zu Besuch bei den stolzen Tatra-Sherpas.

Das Comeback der Wolle. Vom Strickpulli zum heiß begehrten FunktionsMultitalent.

Mehr auf S. 14

Mehr auf S. 18

Ein Banker der besonderen Art. Die ungewöhnliche Karriere des Weltenwanderers Gregor Sieböck. Mehr auf S. 22


RAUSZEIT Winter 2016 / 2017

ALLZWECKTÜCHER

FOTO Sebas Romero / Buff

Eigentlich ist Buff ein Fall fürs Kartellamt: So wie Tempo für Taschentücher steht und googeln für suchen, hat sich Buff als Synonym für funktionelle Schlauchtücher aus Mikrofaser etabliert. Das könnte daran liegen, dass die Spanier ihre Sache ziemlich gut machen: Nicht nur die Designs, sondern auch die Modelle werden beständig weiterentwickelt. Vom zweilagigen Wendetuch aus fein gebürsteter 300 g/m2-Merinowolle bis zum Neckwarmer aus Polarfleece und Strickwolle – die Bandbreite ist enorm. Bei aller Vielfalt beruht der Erfolg der »Buffs« dennoch in ihrem universellen Verwendungszweck – nachzulesen im Buff-Firmenporträt in dieser Ausgabe. Dass die Gebrauchsanleitung eines simplen Schlauchtuchs gleich mehrmals Aha-Erlebnisse auslösen kann, ist jedenfalls verblüffend. Buff (diverse) Preis: ab 17,95 Euro

AUSSEN BLAU, INNEN GRÜN Nicht irritieren lassen: Obwohl die Jacke offiziell ein »Sweater« ist, reicht der Reißverschluss vom Kinn bis zum Saum. Lästiges Hineinwursteln muss also nicht sein. Die sonstigen Vorzüge des Kälteblockers: Viel Augenmerk wurde auf eine faire Produktion gelegt – Außen- und Innenfutter bestehen zur Gänze aus recyceltem Ripstop-Polyester, die isolierenden Gänsedaunen (800 cuin) stammen von europäischen Tieren, die weder zwangsgefüttert noch lebend gerupft wurden. Eine DWR-Imprägnierung schützt die Daunen zumindest übergangsweise vor Nässe. Auch der Rest der Jacke ist pfiffig: Die Ärmelbündchen liegen eng am Handgelenk, die Zugkordel an der Hüfte kann aus den beiden Handwärmtaschen (mit Reißverschlüssen) heraus verstellt werden. Die Kapuze ist mit einer Hand regulierbar. Die weniger als ein Pfund leichte Jacke lässt sich in der Brusttasche verstauen und an einen Karabiner hängen. Patagonia W Downsweater Hoody Preis: 259,95 Euro

STANDPUNKT Kleiner Reise-Knigge Reisen bildet. Ein Blick über den eigenen kulturellen Grenzzaun kann unseren Horizont ungemein erweitern. Gerade die Kommunikation mit Menschen aus anderen Ländern macht für uns einen großen Teil des Reisereizes aus. Allerdings: Je exotischer das Reiseland, desto höher die potenzielle »Fettnäpfchenquote«. Kostprobe gefällig? Im arabischen Raum gilt die linke Hand als unrein, da sie zur Toilettenhygiene gebraucht wird. Deshalb lieber »rechtshändig« in der Öffentlichkeit und gegenüber Einheimischen agieren. Auch die Fuß- oder Schuhsohlen bleiben dort am besten auf dem Boden – zeigt man damit auf eine andere Person, wird dies als Beleidigung verstanden, weil es bedeutet, dass man sie für »Schmutz« hält. Generelle Vorsicht ist geboten bei für uns gängigen Handgesten. In einigen Ländern des Nahen Ostens gilt z. B. der nach oben gereckte Daumen als schwere Beleidigung – oder als Aufforderung für gleichgeschlechtlichen Verkehr. Begrüßungen sind eine herrliche Möglichkeit des kulturellen Austauschs – und weltweit ebenso skurril wie unterschiedlich. Während in Japan die Tiefe der Verbeugung eine Respektsbezeugung darstellt und dort wie auch in China das Berühren vermieden wird, ist in Polen ein echter Handkuss völlig normal. Eine weitere großartige Gelegenheit bieten gemeinsame Mahlzeiten. Auch wenn wir Europäer uns manchmal überwinden müssen – es lohnt sich, allein schon wegen der einmaligen Erfahrung: In Schwedisch-Lappland z. B. tunken die einheimischen Samen nicht etwa Kekse in den morgendlichen Kaffee, sondern Rentierfleisch. Ist man zu Gast bei asiatischen Steppenvölkern, wie den Mongolen, gibt es lecker Kumys, auf deutsch: vergorene Stutenmilch, welche der Journalist Gerd Ruge geschmacklich als »Joghurt mit Bier« einsortiert hat. Wohl bekomms! Gastfreundschaft wird in vielen fernen, aber auch nahen Ländern sehr großgeschrieben. Eine Einladung anzunehmen oder abzulehnen, sollte man sich gut überlegen. Im islamischen Raum ist es Pflicht, Fremde einzuladen und zu bewirten. Man sollte zunächst dreimal höflich ablehnen, erst dann ist es »ernst« gemeint. Wer in Russland seinen Teller brav leert, bekommt so lange Nachschlag, bis er platzt. Von der obligatorischen, ritualen Wodka-Begleitung mal ganz abgesehen. Und während wir hierzulande jegliche gastroenterologische Lautmalerei in Gesellschaft tunlichst vermeiden, gehört es in China buchstäblich zum guten Ton, das »Freilassen« von Körpergasen geräuschvoll zu erledigen – als Zeichen der Anerkennung. Dennoch: Vielleicht hier lieber den Gastgebern den Vortritt lassen, als vorbildlich vorzupreschen. Unser Tipp: ZEIT nehmen auf Reisen, um auch die kulturellen Details zu erleben, sich auf Neues einlassen und neugierig bleiben, wenn’s RAUS geht. Und für den Fall, dass man sich wirklich unsicher ist, wie man handeln sollte: Mit einem Lächeln kommt man immer weiter, egal, ob am Hindukusch oder in der Heimat. In diesem Sinne wünschen wir eine erlebnisreiche ZEIT Ihr Andreas Hille, Michael Bode und die RAUSZEIT-Teams

SCHAFES DING Ein nie vollends entkräftetes Gerücht besagt, dass SchleswigHolstein mehr Schafe als Menschen beheimatet. Kein Wunder also, dass sich der Wollspezialist Mufflon vor mehr als 30 Jahren genau dort, zwischen Nord- und Ostsee, gründete. Seine Outdoor-Bekleidung produziert der Mittelständler auch heute noch vollstufig in Deutschland – wie zum Beispiel die Jacke Joe. Das hier verwendete W100 steht für die leichtere der beiden Materialvarianten von Mufflon – mit 420 g/m2 vermittelt es dennoch ein angenehm schweres Gefühl beim Tragen. Die feinen, gewalkten Fasern der Merinowolle kratzen nicht auf der Haut, ein langärmeliges Unterhemd ist unnötig. Die generellen Vorzüge von Wolle – selbstreinigend, temperaturregulierend, geruchsneutral (mehr dazu ab Seite 18) – und die sorgfältige Verarbeitung prädestinieren die Jacke für den Dauergebrauch. Mufflon Joe / Nele W100 Preis: 239,95 (Nele: 229,95) Euro

Foto Titelseite Einmal im Leben selbst Musher sein. Für Fotograf Dietmar Denger wurde dieser Traum wahr. In den Wäldern nahe Muonio in Finnland, 100 km nördlich vom Polarkreis, zog er Mitte Januar eine Woche mit dem Hundeschlitten durch die tief verschneite Natur. Außentemperatur: konstant -22 °C. Sonnenuntergang: um 13 Uhr. Fotografiert von Dietmar Denger

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DETAILVERLIEBT Ein Rucksack ist ähnlich wie ein Rad: Neu erfinden geht nicht. Was geht, ist dafür zu sorgen, dass es sich leichter dreht (in diesem Fall: trägt) – und das hat die schwedische Firma Thule an ihrem neuen Trekkingrucksack Versant mit einigen innovativen Details geschafft. Rücken- und Hüftgurtpolster des Versant sind um 12 bzw. 15 cm verstellbar – genug für jedes Körpermaß. Ein seitlicher Einschub am Rücken gewährt Zugriff auf die Trinkflasche, ohne den Rucksack absetzen zu müssen. Das funktioniert sogar, wenn die integrierte Regenhülle aufgesetzt ist. Die Deckeltasche lässt sich abnehmen und als Schultertasche verwenden. Und am Hüftgurt wartet Thule mit einem Baukastensystem auf: drei verschiedene Varianten, von der wasserdichten SmartphoneTasche bis zum Flaschenhalter, lassen sich am VersaClick-Halter mit einem Griff befestigen und abnehmen. Der Versant ist auch mit 60 bzw. 70 l Volumen erhältlich, das 50-Liter-Modell wiegt 1,8 kg. Thule Versant 50L Preis: 199,95 Euro

TARNSCHUH

ABGESCHIRMT

Für draußen? Für die Fußgängerzone? Beim ersten Anblick der Lederversion des Scarpa Zen ist man sich gar nicht so sicher. Schlüpft man in den Zen Leather hinein, dürfte die Antwort wohl »beides« lauten – denn die Technik hat der angenehm unauffällige Lederschuh vom Zustiegs-Klassiker Zen übernommen. Vibram Spyder-II-Sohle, strapazierfähiges 1,6-mm-Nubuk-Außenleder, Zwischensohlendämpfung, weit nach vorn gezogene Schnürung für bessere Trittpräzision: Der optisch fraglos alltagstaugliche Lederhalbschuh taugt auch für leichtere Wanderungen und kurze Outdoor-Abstecher auf Reisen. Sehr angenehm ist das weiche, komfortable Lederinnenfutter: Es gleicht Temperaturen aus und ist geruchsneutraler als Synthetikmaterial. Für anspruchsvolles Gelände mag der robustere Zen Pro die bessere Wahl sein – optisch hat der Zen Leather aber den breiteren Einsatzbereich. Scarpa Zen Leather Preis: 169,95 Euro

Wie viele Regenschirme sieht man auf einer Trekkingtour? Zu wenige. Natürlich stört viele beim Wandern das permanente Halten. Das fällt beim »Swing Handsfree« weg. Mit einem Klipp- und Klettsystem kann der Schirm einfach am Schulterträger des Wanderrucksacks fixiert werden – gerade oder gewinkelt. So hat man beide Hände frei und spart sich gleichzeitig das beengende Gefühl einer Kapuze – inkl. akustischer Beeinträchtigung. Mit 114 cm Durchmesser bietet das Teflon-beschichtete Polyestergewebe ausreichend Schutz vor Regen und Sonne (UPV 50+) für Träger UND Gepäck. Auch das Fotografieren ist im Regen mit dem Schirm problemlos möglich. Je nach Wind- und Größenverhältnissen kann das stabile Fiberglasgestänge stufenlos justiert werden. Und bei Nichtgebrauch wird der nur 366 g schwere Schirm einfach an den Rucksack gezurrt. Euroschirm Göbel Swing Handsfree Preis: 69,95 Euro

DEHNÜBUNGEN Beim klassischen Kurztest von Daunenjacken sieht man ungefähr so aus wie ein Linienrichter beim Fußball: ständig am Winken. Warum? Daunenjacken stehen selten im Verdacht, besonders viel Bewegungsfreiheit zu bieten. Weil sie gleichmäßig isolieren sollen, verfügen alle Jacken über Daunenkammern. Diese sind üblicherweise mit Steppnähten voneinander getrennt, und weil sich solche Nähte schlecht dehnen können, bleibt es bisweilen beim Winkversuch. Mountain Hardwear verwendet bei seinen neuen Stretchdown-Jacken nun ein Stretch-Polyester als Außenstoff, dessen Kammern durch Schweißnähte separiert sind. So soll die Jacke Bewegungen besser »mitmachen«, ohne an Wärme zu verlieren. Gefüllt ist die 490 Gramm leichte Jacke (Größe M) mit imprägnierten Daunen mit 750 cuin. Mountain Hardwear Men’s Stretch Down Jacket Preis: 259,95 Euro

FOTO Eberhard Göbel / EuroSCHIRM

Die Brusttasche verrät an diesem Hemd den angedachten Zweck: Ihre Abmessungen sind dafür gemacht, einen Reisepass aufzunehmen. Ein Travel-Hemd also, das seinen Träger in den unterschiedlichsten Situationen präsentabel halten soll. Das hier in der Variante Rootsy / Cinder Red abgebildete Flanell-Hemd ist eine leichtere Version aus mittelschwerer Baumwolle, die bei Patagonia bekanntermaßen aus biologischem Anbau (frei von Pestiziden und Kunstdünger, weniger Wasserverbrauch) stammt. Das Hemd mit klassischem Kragen (kein ButtonDown) ist in den Größen XS bis XXL verfügbar. In Medium wiegt das Hemd 317 Gramm. Patagonia M LS Fjord Flanel Shirt Preis: 84,95 Euro

FOTO Marcel Pabst / Thule

PASS-GENAU

Allgemeine Anfragen und Anregungen bitte an redaktion@rauszeit.net . IMPRESSUM Herausgeber und verantwortlich für den Inhalt: Michael Bode, Andreas Hille Redaktion & Produktion: outkomm GmbH, Eichbergerstrasse 60, CH - 9452 Hinterforst, www.outkomm.ch, redaktion@rauszeit.net Druck: Bechtle Druck & Service GmbH Copyright: Alle Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung ist ohne Zustimmung der Herausgeber und der Redaktion unzulässig und strafbar.

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Wie sehr Outdoor-Bekleidung in den Alltag vorgedrungen ist, erklärt ein derzeit kursierender Witz, demzufolge in Deutschland Eheringe ab sofort durch das Tragen zweier identischer Funktionsjacken ersetzt werden könnten. Spaß beiseite – dass »Urban Outdoor« auch stilvoll geht, beweist Bergans mit dem Bjerke 3-in-1-Mantel. Der mit hauseigenem Laminat versehene Außenmantel samt Kapuze ist wind- und wasserdicht und zugleich atmungsaktiv. Der sand-orangene Farbton ist ein wunderbarer modischer Kontrapunkt zum grauen Winter – und vermittelt den Hauch einer Hommage an das Ölzeug sagenumwobener Hochseefischer. Der Innenmantel (ebenfalls mit Kapuze) ist aus hochfunktionaler Wollmischung gefertigt (58 % Wolle, 21 % Polyamid, 17 % Polyester), die zugleich wärmt und Bewegungsfreiheit lässt. Beide Mäntel lassen sich einzeln oder kombiniert tragen. Und, nur für alle Fälle: Den Bjerke gibt es auch als Herrenvariante. Bergans W Bjerke 3in1 Lady Coat Preis: 419,95 Euro

(R)Ausbildung beim Fachhändler

TRAUMBERUF OUTDOOR-EXPERTE »Ein ganz herzliches Dankeschön vom anderen Ende der Welt. Die Schuhe und der Rucksack, die ich bei euch im September gekauft habe, sind wirklich der Hammer. Genau das Richtige für meine sechswöchige Neuseeland-Trekkingtour. Danke, danke für die tolle Beratung!« Postkarten oder E-mails mit solchen Texten flattern immer wieder bei uns in die Läden. Das macht uns stolz, freut uns ungemein – und zeigt, dass wir als

FOTO Lars Schneider / Ortlieb

MANTEL DES ZEIGENS

ROLL ’N’ ROCK! Ein echter Freund, der mit einem durch dick und dünn geht. Oder besser gesagt rollt. Oder am besten beides. Denn der »Duffle RG 60« ist für jede Reisesituation gerüstet. Die 100 mm großen Rollen sind für den On- wie Offroad-Einsatz ausgelegt. Gezogen wird per Teleskop-Alu-Gestänge. Zwischen den Rollen sitzt ein satter Unterbodenschutz aus Aluminium. Wenn es gar zu holprig wird, kann das gute Stück per integriertem Rucksacktragesystem einfach geschultert werden. Und führt der Weg durch einen Fluss – auch kein Problem: Der Reise-Alleskönner ist mit einem Tizip-Reißverschluss ausgestattet, der ihn nicht nur staub- sondern auch 100 Prozent wasserdicht macht (IP67-Standard). Die 60-Liter-Version ist mit einem Leergewicht von 3250 g vielleicht nicht federleicht, dafür an Robustheit aber kaum zu überbieten. Gute Reise! Ortlieb Duffle RG 60 Preis: 279,95 Euro

Fachhändler auch in Zeiten von Amazon und Zalando unsere Kunden glücklich machen. Vielleicht nicht immer mit dem allertiefsten Tiefstpreis, dafür mit jeder Menge Herzblut und echtem, in Theorie UND Praxis angeeignetem Outdoor-Know-how. Und es macht große Freude, dieses Wissen weiterzugeben – nicht nur an unsere Kunden, sondern selbstverständlich auch an unseren Laden-Nachwuchs. »Outdoor-Fachverkäufer«, das klingt vielleicht im ersten Moment etwas dröge, aber für viele von uns ist es der absolute Traumberuf. Warum? Ganz einfach, weil wir dabei alle – vom Chef bis zum Azubi – unsere Leidenschaft für die Natur wie auch für schöne und funktionale Ausrüstung voll ausleben können. Privat wie auch im Team. »Learning by doing« ist eine oft bemühte Floskel, bei uns RAUSZEIT-lern trifft sie zu 100 Prozent zu. Praxistests vor der Haustür bis in den hohen Norden, Besuche bei Herstellern von Outdoor-Ausrüstung, Workshops mit Experten, Reparaturkurse, gemeinsame Rauszeiten im Team und Testprodukte für das private Ausprobieren – das alles steht bei uns auf der Tagesordnung. Wenn ein neuer Azubi zum ersten Mal einen Kunden mit einem Produkt richtig glücklich gemacht hat, dann bekommt er dieses Leuchten in den Augen. Und das macht durchaus süchtig.

»Typen« gesucht! Ja, wir geben zu, wir sind anspruchsvoll, sehr sogar. Wir wollen absolute Experten in unseren Reihen haben, die jedem Kunden das Gefühl vermitteln, dass er bei uns genau richtig aufgehoben ist. Menschen, die sich begeistern können für die großen Dinge und die kleinen Details, die den Unterschied machen – vom Vier-JahreszeitenExpeditionszelt bis zur ultraleichten Espressotasse aus doppelwandigem Titan. Menschen, die den Dingen kritisch auf den Grund gehen wollen, die sich mit Marketingversprechen nicht abgeben, sondern lieber selbst

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testen, ob das angebotene Produkt wirklich das hält, was der Hersteller verspricht. Berater, die ehrlich Auskunft geben und die große Freude am Fachsimpeln haben – im Laden mit Kunden wie am Lagerfeuer mit Kollegen. Was wir bieten, ist eine bunte Mischung aus spannenden Menschen, vom Auszubildenden über den Quereinsteiger bis zum »Alten Hasen«. Und das Verständnis, dass wir alle die gleiche Leidenschaft teilen. Dass wir alle regelmäßig RAUS müssen, in die Natur, auf Reisen, in sagenhafte Landschaften, zu anderen Kulturen oder in die völlige Einsamkeit. Bei uns darfst »Du« anders sein, nein, es ist sogar gewünscht. Echte »Typen« braucht das Land! Auf dem Gipfelkreuz der »Hohen Gans« im Tiroler Karwendel steht eine Inschrift: »Raue Landschaften formen markante Menschen.« Wir würden uns freuen, wenn wir »Dich markanten Menschen« bald bei uns im Team begrüßen dürften. Folge deiner Leidenschaft, werde Outdoor-Experte, mach dein Hobby zum Beruf – und bewirb dich bei uns! Die Rauszeit-Teams


FOTO Nicky Walsh  / Eco Brotbox

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ÜBRIGENS … SPURLOS UNTERWEGS Müll ist kein besonders angenehmes Thema. Und doch begleitet er uns täglich. 617 Kilogramm davon produzierte laut dem Statistischen Bundesamt jeder Einwohner Deutschlands im Jahr 2013 – Tendenz steigend. Damit belegen wir Platz Vier in der EU. Die Verpackung von Produkten nahm Mitte des 20. Jahrhunderts eine entscheidende Wende an, als in den Lebensmittelgeschäften nicht mehr nur über die Theke bedient wurde, sondern die angebotenen Waren mit ihren Verpackungen für sich selbst werben mussten. Zu dem reinen Schutz eines Produktes kam die attraktive und animierende Gestaltung hinzu. Heute gilt: Der Umsatz steigt, je kleiner die Portion ist. Bestes Beispiel sind Kaffeekapseln. Hochgerechnet landet man schnell bei einem Kilopreis von 80 Euro – und einem Berg Plastikmüll. In der Zivilisation gibt es in Deutschland und den meisten Ländern Europas für den Müll zum Glück ein weitgehend funktionierendes Entsorgungssystem. Verlassen wir die Asphaltgebiete, wird die Verpackung der mitgebrachten Lebensmittel bisweilen zum Problem. Die Spuren starker Frequentierung in der Natur sind leider oft nicht zu übersehen. Was

in Sekunden am Boden landet, braucht im natürlichen Prozess zig Jahre für die Zersetzung. Ein Papiertaschentuch circa 5 Jahre, ein Zigarettenstummel circa 7 Jahre, Aluminiumpapier circa 700 Jahre und eine Plastikflasche zwischen 500 und 5000 Jahren. Selbst vermeintlich natürlicher, also organischer Abfall verbleibt länger, als man denken könnte: 2 bis 3 Jahre dauert es z. B., bis eine Bananen- oder Orangenschale komplett verschwunden ist. Eine Gesellschaft gänzlich ohne Müll ist zum aktuellen Zeitpunkt illusorisch. Noch. Eine Bewegung, die sich »Zero Waste« nennt, strebt den Einkauf ohne Einwegverpackungen an. Mittlerweile gibt es in Deutschland bereits einige Läden, bei denen Lebensmittel und andere Dinge des täglichen Lebens ohne Verpackung eingekauft werden können. Für Outdoor-Erlebnisse lohnt es sich, bereits zu Hause darauf zu achten, so wenig Einwegverpackungen wie möglich mitzunehmen. Zum einen sind diese in puncto Packmaß und Gewicht häufig nicht gerade rucksacktauglich, zum anderen muss sonst oft stunden- oder tagelang der Müll durch die Gegend getragen werden. Schließlich gilt für Outdoorer die goldene Regel: »Man nimmt nur Bilder mit und hinterlässt nur Fußspuren.«

PAUSENBROTBOX Es gibt Dinge, die machen einfach Freude. Sie müssen gar nicht unglaublich ausgeklügelt sein, nein, manchmal sind es genau die ganz simplen Sachen, von denen wir – sprichwörtlich – nicht die Finger lassen können. Das Wort Brotbox allein wird wohl niemandem einen erhöhten Endorphin-Ausstoß bescheren. Wer aber diesen Edelstahl-Behälter in den Händen hält, der freut sich innerlich auf den Moment, wenn man diese Box mit der reduzierten, aufs Wesentliche beschränkten Optik aus der Tasche zieht, sie langsam öffnet und ein selbst gebautes »Pausenbrot« der Extraklasse herausnimmt. Flankiert von knackigen GurkenStückchen und Kirschtomaten. Keine Papiertüten, die durchfetten und reißen, keine Plastikfolie mit »leckeren« Weichmachern. Einfach nur hochwertigster Edelstahl in Reinform. Unsere absolute Empfehlung für die kleine und die große Pause. Eco Brotbox Classic Preis: 16,95 Euro

HAUSMANNSKOST-GEHÄUSE Wir schnäuzen ins Tempo, wir basteln mit Uhu – und für Heißes unterwegs nehmen wir, genau, eine Thermosflasche. Nirgendwo anders als in Berlin ist 1903 die Ur-Thermosflasche erfunden und 1904 mit eingetragenem Markennamen patentiert worden. Doch in Zeiten von Coffee-to-go an jeder Straßenecke haben viele vergessen, welchen wunderbaren Mehrwert eine wirklich funktionierende mobile Lagerung von heißen Lebensmitteln bringt: Unabhängigkeit und 100 Prozent hausgemachten Genuss. Nicht nur bei Getränken. Der »Stainless King« von Thermos nimmt heiße Kartoffelsuppe auf eine eisige Wintertour ebenso mit wie kaltes Gazpacho in der Sommerhitze. Im Gegensatz zum Verkaufsschlager zu Beginn des 20. Jahrhunderts isolieren die heutigen Thermosbehälter mit einer doppelwandigen Edelstahlkonstruktion. Natürlich bruchfest und spülmaschinentauglich. Geschlürft wird mit dem im Deckel integrierten Klapplöffel. Aber Vorsicht: heiß! Thermos Stainless King Preis: 29,95 Euro (als 0,47-L-Variante)

IT’S TEATIME Mehrere Tausend Teesorten gibt es weltweit – und die Vielfalt wächst stetig. Neben dem reinen Genuss, den unter anderem die Briten mit ihrer täglichen Teestunde kultiviert haben, schwören viele auch auf die heilsame Wirkung des Heißwasseraufgusses. Für nahezu jedes Leiden lässt sich das passende Labsal im Beutelchen oder lose finden. Obwohl echte Teetrinker mit den handelsüblichen Kleinstpackungen am Schnürchen nicht allzu viel am Hut haben. Für sie hat Amapodo das mobile Teeglas »#Teafavs« erfunden. Einfach den Bambusdeckel aufschrauben, die gewünschte Menge Teemischung entweder direkt ins Glas oder in das doppelte Edelstahlsieb geben, heißes Wasser drauf. Dann: abwarten und Tee trinken. Der 450 ml große, doppelwandige Thermobehälter aus besonders temperatur- und chemikalienbeständigem Borosilikatglas hält den aromatischen Trunk bis zu zwei Stunden warm. Der Bambusdeckel schließt wasserdicht, so kann das Teeglas auch mitgenommen werden – z. B. auf einen schönen langen Herbstspaziergang. Amapodo #Teafavs Preis: 34,80 Euro

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Höfn, Island. FOTO Chris Burkard / http://massifmanagement.com

Sonderhamer Weiher, Oberbayern. FOTO Michael Neumann

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RAUSBLICK

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SCHWEDISCHES SPRICHWORT

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Nozawa Onsen, Japan. FOTO Grant Gunderson

Mer de Glace, Frankreich. FOTO Jon Griffith

»ES KOMMT NICHT DARAUF AN, WO DER MENSCH STEHT, ES KOMMT DARAUF AN, WOHIN ER GEHT.«


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ERLEBT: Bayerischer Wald – auf Schneeschuhen durch Deutschlands ältesten Nationalpark

IM REICH DER BAUMHIRTEN Für ein Wildnis-Abenteuer muss man nicht immer weit reisen: Im Nationalpark Bayerischer Wald finden Wanderer tiefe Wälder, eigentümliche Landschaften und ganz besondere Gipfel. Vor allem im Winter lockt die Gegend Schneeschuhläufer mit wohltuender Einsamkeit. Starker Wind treibt unzählige kleine Schneeflocken in mein Gesicht. Ich kneife die Augen zusammen, ziehe die Kapuze tief herab und stapfe mit gesenktem Kopf vorwärts – geradewegs in den »arktischen« Sturm. So kommt es mir zumindest vor. Tatsächlich befinde ich mich weder am Süd- noch am Nordpol, sondern marschiere über den Hochschachten, eine der ehemaligen Bergweiden in den Kammlagen des Bayerischen Walds, über die der Wind ungehindert hinwegpfeift. Mein Tour-Begleiter Moritz, fast zwei Meter groß, eilt mit ausladenden Schritten voran. Ich gebe mein Bestes, ihm zu folgen. »Was mache ich hier eigentlich?«, schießt es mir unwillkürlich durch den Kopf. Natürlich weiß ich das ganz genau: Schneeschuhwandern. Drei Tage, drei Gipfel: Großer Falkenstein, Rachel und Lusen. So die Route, die uns die Nationalparkverwaltung empfohlen hatte. »Bayerischer Wald?«, hatten mich Freunde skeptisch gefragt. »Ist das nicht langweilig? Da ist doch nichts!« Nichts? Gut 50 Kilometer nordöstlich von Passau liegt der mit 46 Jahren älteste Nationalpark Deutschlands.

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Für sich alleine ist er fast so groß wie Malta, zusammen mit dem unmittelbar in Tschechien angrenzenden Böhmerwald bildet er das größte geschützte Waldgebiet Mitteleuropas. Sogar Luchse, die ebenso seltenen wie scheuen Raubkatzen, fühlen sich in der ausgedehnten Wildnis wohl. Ab und zu beobachtet man sogar durchwandernde Wölfe. Ob wir einen zu Gesicht bekommen werden? Einen Tag zuvor: In Bayerisch Eisenstein stellen wir unser Auto ab. Obwohl wir auf der Hinfahrt angesichts grüner Wiesen überlegten, ob wir die Schneeschuhe überhaupt mitnehmen sollen, befestigen wir die Treter dann vorsichtshalber doch an den Rucksäcken – man weiß ja nie ... Es ist kalt, die Straßen des EintausendSeelen-Orts fast menschenleer. Im Mittelalter wurde hier Erz abgebaut, später kam auch eine Glashütte hinzu. Eine von vielen, die der Gegend Wohlstand brachten. Ihre Blüte ist längst vorbei, bloß ein Schaubetrieb vermittelt noch einen Eindruck des kunstvollen Gewerbes. Voll bepackt stapfen wir an der »Grenzglashütte« vorbei. Sie liegt direkt neben dem großen

Bahnhofsgebäude, das zur Hälfte in Deutschland, zur Hälfte in Tschechien steht – die Grenze verläuft mitten hindurch. Wenige Schritte weiter beginnt der Wald. Umgeben von Tannen und Buchen wandern wir über schneebestäubte, überfrorene Wege. Zwischen jungen Stämmen ragen uralte Baumriesen empor: Die »Dicke Tanne«, mit einem Umfang von rund sieben Metern dickster Baum im Nationalpark, trägt einen mehr pragmatischen als pathetischen Namen – dabei hat sie gut 500 Jahre auf dem Buckel. Gemessen an ihrem Alter ist der Nationalpark also noch ein Jungspund.

Bei der Schneekönigin Ein eisiger Bach sprudelt neben dem Pfad bergab, umgestürzte Bäume liegen wie Mikado-Stäbe verteilt. Grüne Moospolster, graugrüne Flechten und handtellergroße Baumpilze haben es sich auf dem verwitterten Holz bequem gemacht. Im Rostbraun des Buchenlaubs liegen vereinzelte Schneekleckse, doch mit jedem Höhenmeter verdichten sie sich weiter. Als wir


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Hilleberg – ein Zelt für jede Tour und Jahreszeit!

nammatj gt Das robuste, komfortable und leichte Ganzjahreszelt in unserer black label Kategorie. Ein Allrounder, wenn Zuverlässigkeit und Stabilität bei jedem Wetter entscheidend sind. Erhältlich für 2 und 3 Personen.

Links: Knorrige Baumgesellen »hüten« die Bergwiesen im Bayerischen Wald. Oben: Genügend Schnee? Lieber mal die Schneeschuhe mitnehmen ...

eine gute Stunde später die erste Anhöhe gemeistert haben, sind wir baff: Die Kuppe ist in eine dicke Schneedecke eingepackt. Hier ist er also, der Winter! »Hat sich doch gelohnt, die Schneeschuhe einzupacken!«, freut sich Moritz. Zeit, die Dinger an die Füße zu schnallen! Während wir weitergehen, zieht Nebel auf. Wabert geheimnisvoll um die düsteren Stämme der Fichten. Verbrüdert sich mit dem Schnee, um jedes Geräusch zu verschlucken. Auf dem Buckel des Ruckwiesbergs ragen tote, von Käfern geschwächte und vom Sturm gebrochene Bäume wie Schemen aus dem Grau empor. An ihren Stämmen und Zweigen haben Frost und Wind kristallene Bärte aus Eis gezaubert. »Das Reich der Schneekönigin?«, frage ich augenzwinkernd. Der muss unbedingt aufs Foto! »Noch einen kleinen Schritt vor«, werde ich instruiert. In dem Augenblick stoße ich mit der Nasenspitze an das »Kunstwerk« – und es bricht ab. Zum Glück jagt keine erboste Schneekönigin auf ihrem Schlitten herbei, um uns zu Eissäulen erstarren zu lassen ... Wir suchen unser erstes Etappenziel: den Großen Falkenstein. Eigentlich müssten wir bald da sein. Plötzlich, mitten im Nebel, liegt der 1315 Meter hohe Gipfel vor uns – ein kleiner Felssporn. Für uns Oberbayern keine Sensation, doch bei klarem Wetter wird man mit einem Blick weit über das Tal belohnt. Heute geben die Wolken gerade mal die Kronen der nächsten Bäume frei. Trotzdem: Stolz stoßen wir auf unsere »Besteigung« an – mit dampfendem Pfefferminztee aus der Thermoskanne. Immerhin haben wir schon 16 Kilometer zurückgelegt! Wenige Schritte abwärts schlummert unter einer kalten, von Eiszapfen gefassten Haube aus Schnee das Falkensteinhaus. Von oben gesehen wirkt es völlig verlassen. Dann die Überraschung: Es ist geöffnet! Die gemütliche Gaststube »schaut« ins Tal, in ihrem Inneren umfängt uns die wohlige Wärme eines Kachelofens. Und als wäre das alleine nicht schon Luxus genug, gibt es Kaiserschmarrn – und was für einen! Vollgefuttert und müde fällt es mehr als schwer, wieder aufzustehen. Doch bis zu unserer Unterkunft liegen noch einige Kilometer vor uns. »Der beste Weg nach Buchenau?« Der Wirt runzelt die Stirn. Von der kürzesten Route durch die Klamm rät er ab: »Zu vereist, zu gefährlich!« Wir nehmen den Umweg in Kauf. Schön ist es hier

Nicklas Lautakoski/tusenprocent.se

seit 45 jahren fertigt Hilleberg Zelte in höchster Qualität. Konzipiert und entwickelt in Nordschweden, bieten unsere Zelte die ideale Balance aus niedrigem Gewicht, absoluter Stärke und hohem Komfort. Bestelle unseren Katalog für weitere Informationen!

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Ganz oben: Baumpilze besiedeln totes Holz. Darunter: Geisterhaft ragen tote Fichten aus dem Nebel.

ja überall. Immer wieder stoppen wir, um von kleinen Eiskristall-»Palästen« gerahmte Bäche zu bewundern oder die unzähligen Tierspuren im Schnee zu deuten. Reh, Marder, Eichhörnchen ... Ein Wolf ist nicht dabei. Plötzlich rutscht etwas Schwarzes über den Weg. Rutscht? Tatsächlich: Ein Fischotter nutzt das Gefälle, schiebt sich mit den Pfoten an, um dann auf dem Bauch die verschneite Böschung hinab über den Weg zu schlittern – keine 20 Meter vor uns! Die einsetzende Dämmerung mahnt uns, einen Zahn zuzulegen. Als wir schließlich den Weiler Spiegelhütte erreichen, schläft dieser schon in der Dunkelheit. Moritz schaut auf sein GPS. »Verrückt! Was schätzt du, wie viele Kilometer wir gelaufen sind?«, fragt er. Es sind fast 30. Bis zu unserer Unterkunft kommen noch vier hinzu. Schweigsam trotten wir im Schein der Stirnlampen durch den Wald. »Pause!«, flehen meine Füße. »Nur noch ein bisschen durchhalten«, antwortet der Kopf. Todmüde kommen wir in der »Alten Dampfsäge«, unserer Unterkunft in Buchenau, an. Auf eine herrlich heiße Dusche und deftige Hausmannskost folgt ein tiefer, fast komatöser Schlaf.

Zwingende Planänderung Beratschlagen beim Frühstück am nächsten Morgen: Bei der Schneelage ist die geplante Route unmöglich zu schaffen. Wir studieren die Karte, überlegen hin und her. Schließlich fällt die Entscheidung: Den Lusen heben wir uns für das nächste Mal auf. »Aber den Weg über den Kohlschachten dürft ihr nicht auslassen!«, legt uns ein Einheimischer vom Nachbartisch ans Herz. »Das ist der schönste Abschnitt im gesamten Park.« Auf geht’s! Im wahrsten Wortsinn. Die ersten Sonnenstrahlen fallen durch den winterkalten Wald und bringen den Schnee zum Glitzern. Schon bald ist der morgendliche Muskelkater vergessen. Ein Specht hat

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Oben: Verdiente Pause auf dem Großen Falkenstein.

einen großen Baumstumpf wie ein Bildhauer bearbeitet, dunkle Späne sind kreisförmig um sein Meisterwerk verteilt. »Mittagszeit«, vermeldet mein grummelnder Magen lautstark, als wir den märchenhaften Kohlschachten erreichen. Wie verzauberte Hirten wachen knorrige Baumgesellen über die ehemalige Weide. Noch bis in die 50er-Jahre ließen die Bauern ihre Rinder während der Sommermonate in den Hochlagen des heutigen Nationalparks grasen. Die ausladenden Kronen der Bergahorne spendeten ihnen Schatten. Unterdessen ist das Wetter umgeschlagen: Die Sonne hat sich ergeben, besiegt von dunklen, schneeschweren Wolken. Wir machen uns auf die Suche nach einem windgeschützten Plätzchen. Eine halbe Stunde später erneuter Landschaftswechsel. Am Latschensee ragen wipfellose, silbrig-grau verwitterte Fichten wie Speerspitzen zum Himmel. Fast wie ein Schlachtfeld. Ein lebhafter Wind bläst um die toten Stämme und scheint Geschichten von ihrem Niedergang zu erzählen. Dann beginnt es zu schneien, erst nur ein wenig, dann immer heftiger. Der Wind dreht weiter auf und schleudert uns erbarmungslos die Schneekristalle entgegen. »Beim nächsten Unterstand kochen wir uns was Leckeres, okay?«, muntert Moritz mich auf. Fürs Erste wird der Bauch mit einem Riegel besänftigt. Endlos lange 45 Minuten später. Mittlerweile sind wir mitten im »arktischen Schneesturm«, von einem Unterstand weit und breit nichts zu sehen. »Und wenn wir uns einfach unter eine der tiefbeasteten Fichten kauern?«, schlage ich vor. »Einen Moment!« Moritz studiert die Karte. Auf dem nahegelegenen Almschachten ist ein winziger Punkt eingezeichnet. Eine Hütte? Aufregt eilen wir aus dem Wald. Tatsächlich! Eigentlich bloß ein einfacher Bretterverschlag mit Sitzbank, fast wie ein Bushäuschen. Für uns ist es ein Schloss – wir freuen uns wie die Schneekönige. Es scheint, als hätte das Schicksal

Mitleid mit meinem gähnend leeren Magen gehabt … Schnell werden die Schneeschuhe abgestreift, Minuten später dampfen die Gaskocher. Glücklich und warm in unsere Daunenjacken eingepackt mampfen wir Pasta mit Lachs und beobachten, wie der Wind den Schnee über die Freifläche jagt. Nur die knorrigen Ahorne zeigen sich unbeeindruckt vom Tumult: Die »Uralten« strahlen eine stoische Ruhe aus, als könnte ihnen kein Unwetter je etwas anhaben. Viel später als erwartet stehen wir spätnachmittags am Abzweig zum Rachel – und beginnen zu rechnen: Den Gipfel würden wir in der Dämmerung erreichen, den Abstieg über den unbekannten, felsigen und verschneiten Steig müssten wir bei Dunkelheit meistern. Schweren Herzens entscheiden wir uns, auf direktem Weg ins Tal abzusteigen. Als wir die Forststraße am Rande des Parks erreichen, tuckert ein Traktor mit Pritsche vorbei. Aus Spaß halte ich den Daumen raus. Mit einem Ruck hält er an. »Springt auf«, bedeutet uns der Landwirt. Holprig, aber deutlich schneller als zu Fuß, geht es die letzten Kilometer bis zum Bahnhof in Frauenau. Selbst hier herrscht Schneechaos – wir haben die richtige Entscheidung getroffen. Trotz der geänderten Route: Es waren zwei lange Tage mit mehr als 50 Kilometern und rund 1700 Höhenmetern. Eine fantastische Reise ins Reich von Schneekönigin, Fichtenkriegern und Baumhirten ... Bayerischer Wald – langweilig? Von wegen! ext: Mirjam Milad T Fotos: Mirjam Milad, Moritz Becher

DEUTSCHLAND


RAUSZEIT Winter 2016 / 2017

Links: Paläste aus Eis umrahmen Bäche und Wasserfälle. Ganz oben: Weltklasse-Kaiserschmarrn im Falkensteinhaus. Oben: Ruhe vor dem Schneesturm.

Oben: Die umfangreichste Tanne im Nationalpark.

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RAUSZEIT Winter 2016 / 2017

ERLEBT: Unterwegs auf dem Jojoleden

HERBSTSOLO IN SAMILAND Herbst in Lappland – die Fjäll-Landschaften des hohen Nordens bereiten sich auf den Winter vor. Ein wilde Alternative zum beliebten und entsprechend frequentierten Weitwanderweg Kungsleden ist der Jojoleden. Warum nicht einfach solo losziehen und sich auf die Spuren von Elchen und Rentieren machen? Dachte sich auch Andreas Hille – und führte Tagebuch über seine Tour durch Sümpfe, über Pässe und Gletscher, ja sogar bis ins All.

Rauf und runter, bergauf, bergab ... Hinter der nächsten Erhebung beginnen die ersten Hochmoore im Permafrostboden. Von der Ferne sehen sie aus wie eine schöne Wiese. Aber die steht komplett im Wasser. Es gibt kein Ausweichen mehr, ich muss da durch. Es schmatzt – bis zum Knöchel sinke ich auf dieser Rentierweide ein. Beeindruckt und mit matschigen Schuhen durchwandere ich die Lapporten – das Fotomotiv Lapplands schlechthin. Die Lappenpforte, wie das U-förmige Trogtal südöstlich von Abisko im schwedischen Teil Lapplands auf Deutsch heißt, ist für mich das Tor in den wirklich wilden Norden. Wegspuren finde ich nur noch gelegentlich, zu wenige Menschen kommen vorbei. Hier zu trekken ist anspruchsvoller als am Kungsleden oder Nordkalottenweg. Dort sind derartige Passagen mit Bohlenwegen ausgebaut. Orientierung ist alles, denn das Gelände bietet keine bis wenig markante Punkte. Zum Glück lacht die Sonne – ich stelle mir Nebel und Regen vor, nicht auszudenken. Früher, ohne GPS, durften sich nur erfahrene Fjäll-Wanderer in solch ein Gelände wagen.

Flussdurchquerung – nur kein Risiko Der nächste Morgen. Eine kleine Flussdurchquerung steht an. Natürlich könnte ich versuchen, eine Stelle zu

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finden, an der ich von Stein zu Stein hüpfen kann. Aber ich bin solo unterwegs. Also – vergiss es! Hier kommt dieses Jahr wahrscheinlich niemand mehr lang. Ein Fuß ist schnell gebrochen, Handyempfang gibt es hier nicht – also kontrolliert waten. Immer wieder lande ich in Sackgassen von Hochmoor oder dichtem Gestrüpp. Obwohl er nicht genau auf der Route liegt, entschließe ich mich gegen Abend, den 200 Höhenmeter weiter oben gelegenen Giegajávri See anzusteuern. Das Wasser glitzert, die Luft ist immer noch warm, der Himmel blank. Der perfekte Ort zum Campieren. Ich verzichte auf das schützende Dachhäubchen meines geliebten Unnas. So habe ich im Schlafsack liegend freie Sicht aufs Firmament. Beim Einschlafen sage ich meinem Körper, er solle doch bitte so gegen 1 Uhr wieder wach werden.

Sternzeit – Ausflug ins All Logbucheintrag, 10. September: »Die Menschheit kann ruhig schlafen, ich wache hier in meiner kleinen roten Kommandozentrale. Vor mir das weite, tiefe All, es gibt nichts Irdisches in meinem Blickfeld. Ich liege in meiner Weltraumkapsel, hinter mir im Rücken spüre ich die Erde. Vertraut mir, ich steuere sie langsam und sicher. Majestätisch gleiten wir am großen Wagen vorbei. Nur ein kleines frühherbstliches Polarlicht leuchtet am

linken Cockpit-Rand. Doch es kann mir nicht die Sinne vernebeln .... Kurs stimmt. Erde schläft.« Nach dieser wunderbaren Sternennacht schlafe ich lange und trödle bis Mittag am See herum. Dann der kurze Anstieg zur Marmastugan. Ob jemand in der kleinen Schutzhütte sein wird? Ich bleibe allein. Laut Hüttenbuch kamen in diesem Jahr 68 Wanderer hier vorbei – wenn ich nur die Sommermonate von Mai bis September nehme, macht das knapp einen halben Reviergenossen pro Tag, ziemlich erträglich, wenn man Urlaub in der Einsamkeit sucht. Die nächste Etappe ist eine Knochentour über steile Schotterhalden. Abends erreiche ich Vistastugan, eine Versammlung kleiner, braunschwarzer Hütten. Der Himmel reißt auf, die Sonne kommt durch und gibt mir den Blick nach Süden frei, durch das weite Vistatal, weit hinten liegt Nikkaluokta. Es dominiert das Rotbraun der Tundra, elegant verziert mit dem sich schlängelnden Blau des Flusses. Die Krüppelbirken im Tal leuchten golden. Was für Ausblicke! Über mir kreist ein Adler, ich werfe ihm einen Schrei entgegen. Ja, das ist Lappland. Und auch das ist Lappland: Nach vier Tagen totaler Einsamkeit wieder Menschen, Chili con carne, angenehme Gespräche und ein bequemes Bett. Der Stugvärd (Hüttenwart) hat einen aktuellen Wetterbericht. Noch einen Tag schönes Wetter. Ich ändere meinen


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Ganz links: Zelt-Lounge oberhalb des Giegajávri. Besser als jeder 5-Sterne-Schuppen. Oben: Für Geld (fast) nicht zu kaufen. Lappland-Momente rund um den Rávttasjávri und die Unna Räita Stugorna.

Oben: Schwedische Idylle. Aufbruch am Vandrarhem in Abisko.

Plan. Auf zur Unna Raitastugan, auf zum Jojoleden! Der macht seinem Namen alle Ehre. Leden ist das schwedische Wort für Weg, und ein Jo-Jo kennt jeder. Rauf und runter, bergauf, bergab ... Der »Weg« – über weite Strecken nicht mehr als eine Route ohne klare Pfadführung – überquert drei Pässe von der Schutzhütte Unna Raitastugan zur bewirtschafteten Tarfalastugan am Fuße des Kebnekaise-Gletschers.

braust er nach einer Pause wieder von oben an. Meine Behausung hält stand. Gutes Zelt! Ich verkrieche mich ein letztes Mal in meinem Schlafsack. Kaum vorstellbar, dass ich in ein paar Stunden wieder zu Hause in den Trubel Berlins eintauchen werde. Nicht ohne ein paar Souvenirs im Gepäck: »Rendeer Smörrebröd« mit schwedischen Gurken und Preiselbeeren. Bis zum nächsten Mal, geliebtes Lappland!

Schlüsselstelle – mit grummelndem Magen Nach magischem nächtlichen Lichtzauber – Aurora Borealis vom Feinsten – an der Unna Raitastugan holt mich der Streckenverlauf ein paar Stunden später wieder auf den harten Boden der Tatsachen zurück. Der Himmel tanzt nicht mehr. Dafür überschlagen sich meine Gedanken. Mehrere Wege scheinen machbar. Der logischste führt – über das Schneefeld? Im Sommer sicherlich kein Problem. Doch jetzt passiert er einen beinhart gefrorenen Hang. Der Hüttenwirt der Nallostugan, wo ich tags zuvor gerastet habe, fragte mich, ob ich Steigeisen dabei hätte? Natürlich nicht. Die Frage wirkt nach. Offen gestanden, es grummelt in meinem Magen. Nicht einmal mein Trekkingstock greift. Links vom Eisfeld durch mäßiges Geröll lassen sich Spuren erkennen.

Sie queren weit oben waagerecht das Eisfeld. Nein, so nicht. Rechts am Bergschrund ist der Abstand zwischen Eis und den steil geneigten Felsplatten so groß, dass ich bequem darin verschwinden könnte. Auch keine gute Idee. Ganz rechts führt eine Geröllrampe steil hinauf und trifft oben auf ein Felsband unterhalb der Überhänge. Während ich noch grübele, wähle ich instinktiv diesen für mich sichersten Weg, frei von objektiven Gefahren. In sächsischer Reibungsklettertechnik stemme ich mich über plattige Felsbänder empor. Plattenkletterei, nicht schwerer als Schwierigkeitsgrad 1-2. Ein Genuss! Nach zwei weiteren Pässen erscheint die Tarfalahütte wie ein Geschenk des Himmels: Tee, Wärme, Bett. Wie schön! Lars, der Hüttenwirt, zeigt mir auf der Karte seinen »Best Place«-Zeltplatz für die letzte Nacht. Da will ich hin: eine Aussichtskanzel auf 950 Metern, hoch über dem Sami-Dorf Nikkaluokta. Direkt an der Kante des Hochplateaus gluckern die Wellen eines zauberhaften Sees. Der Blick in die Ebene, einfach herrlich: Die Sonne lugt unter drohend schwarzen Wolken durch und taucht die Birkenwälder am See Paittasjärvi in leuchtendes Gold. Mein rotes Zelt, ein farbiges i-Tüpfelchen. In der Nacht lerne ich den Schutz, den es mir gibt, ein weiteres Mal zu schätzen. Es stürmt, der Regen peitscht. Böen aus allen Richtungen. Manchmal dröhnt der Wind aus dem Tal herauf, fährt hoch ins Fjäll, dann

ext & Fotos: T Andreas Hille

SCHWEDEN

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ERLEBT: Zu Besuch bei den Tatra-Sherpas

SCHWERE JUNGS Einsame Täler, steile Gipfel und deftige Mahlzeiten. Auf einer Bergtour im slowakischen Tatra-Gebirge finden Wanderer ein Stück wildes und ursprüngliches Europa vor. Und werden dort Menschen begegnen, die sich einem einzigartigen ­Beruf verschrieben haben. Von der Lust an der Last.

Es ist ein schwerer Brocken, den er zu tragen hat. So schwer, dass unnötige Worte hinter zusammengepressten Lippen stecken bleiben. Anspannung und Konzen­ tration zeichnen zusätzliche Falten in das von Wind und Sonne gegerbte Gesicht. Sein Arbeitsplatz, die Hohe Tatra, zeigt an diesem Tag ihr spätherbstliches Gesicht: rötliche Blätter im Kontrast zu verschneiten Felsen. Doch durch schlechtes Wetter lässt sich ein echter Mann wie der Slowake Stevo Bac �kor nicht abschrecken. Er ist Tatra-Sherpa. So nennen sich die Lastenträger im Grenzgebirge zwischen Polen und der Slowakei mit Anlehnung an ihre nepalesischen »Kollegen«. Öfen, Lebensmittel und Bierfässer wandern auf ihren Rücken zu abgelegenen Berghütten. Unterstützung durch Helikopter gibt es selten: Schroffes Gelände und wechselhaftes Wetter machen es fast unmöglich, moderne Technik einzusetzen. Sherpa-Schultern sind die wetterunabhängige Lösung. Deshalb liegen auf Stevos Rücken gerade 80 Kilogramm in Form einer vollbeladenen Holzkraxe. »Jeder Träger hat seine eigene Packtechnik.

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Bei mir muss das schwerste Teil weit über den Kopf reichen, damit keine Last auf den Hüften liegt.« Heute überragt der Bierfass-Turm den 1,79-­Meter-Mann um mindestens einen Meter. Sein Ziel ist die auf 1475 Meter gelegene Zamkovský-Hütte. Der Wirt braucht Nachschub: Brot und Bier stehen auf seiner »Einkaufsliste«.

Wilder Osten In der Hochsaison wartet in den slowakischen Gebirgen viel Arbeit auf Träger wie ihn. Etwa 30 Sherpas versorgen die Hütten der Hohen Tatra, der weiter südlich gelegenen Niederen Tatra und der Großen Fatra im Westen der Slowakei. Die meisten Touristen zieht es jedoch in den Nationalpark Hohe Tatra – im Sommer wie im Winter. Ob Klettersteig, Wanderung oder Skitour. Als Teil der Karpaten, die sich über eine Länge von 1300 Kilometern vom Westen der Slowakei bis in den Osten Serbiens ziehen, hat das Hochgebirge auf einer Kammlänge von nur 30 Kilometern sportlich viel zu bieten. Mit 25

Gipfeln über 2500 Metern ist die WestentaschenformatBergwelt Heimat für Braunbären, Steinböcke und Wölfe. Und seit 18 Jahren Arbeitsplatz von Stevo. Ein Beruf mit Tradition. Während sich adelige Deutsche im 19. Jahrhundert den Naturschätzen der Alpen widmeten, zog es die Aristokratie des Ostens in das außergewöhnliche Gebirge vor ihrer heimatlichen Haustür. Wie eine geschlossene Faust ragen die spitzen Gipfel aus dem sonst eher flachen Land. Und verschafften durch Heilkuren mit saurer Schafsmilch und Ausflügen in die saubere Höhenluft der feinen Gesellschaft Erholung und Gesundheit – und den Anwohnern in den Dörfern wie Starý Smokovec am Fuße der Tatra eine Beschäftigung. Bis heute. Ob aristokratische oder einfache Gäste – für Stevo zählt, dass er bei seiner Arbeit in der Natur ist. »Es herrscht eine Stille am Berg, die mir Zeit zum Nachdenken gibt. Du erbringst Leistung, die Natur belohnt dich auf ihre Weise.« Nach einer Stunde Aufstieg erscheint das eingeschneite Ziel, die Zamkovský-Hütte,


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Links: Sherpa Stevo – das Lächeln verkneift er sich während seines 80-kg-­ Lastenaufstiegs. Ganz oben: Lebensmittel-Lieferung frei Haus und Hütte – auch im Winter. Oben: Bergiges Stillleben: althergebrachte Architektur in den Dörfern der Großen Fatra.

mit rauchendem Kamin zwischen den Bäumen. Vorsichtig schiebt der Beladene einen Elektrozaun zur Seite. Kühe gibt es hier nicht. Für was also der Zaun? »Man muss sich vor allem nachts vor wilden Besuchern schützen. Der Geruch der Lebensmittel zieht Bären an.« Schätzungsweise 150 Braunbären leben im Nationalpark. Im Frühling treibt es Meister Petz manchmal sogar bis in die nahen Ortschaften. Mülltonnen und Essensreste wirken anziehend auf die sonst so scheuen Tiere. Gekonnt vorsichtig befreit sich Stevo von den 80 Kilogramm, wischt sich den Schweiß von der Stirn und betritt den Gastraum. 0 Grad draußen, 25 Grad drinnen – Dampf beschlägt die Scheiben. Eine Mischung aus Kraut- und Biergeruch liegt in der Luft. Haute Cuisine, das ist Frankreich. In der Slowakei kommt Gulasch und Sauerkrautsuppe auf den Tisch. Mehr brauchen und erwarten die Gäste nicht. »Das muss ja auch alles von jemandem getragen werden«, erläutert die rüstige Hüttenwirtin und zeigt lachend auf Stevo. Zufrieden lehnt der sich zurück und öffnet die nun entspannten Lippen. Mit 20 schulterte er das erste Mal das Holzgestell. »Als junger Mensch möchte man seine eigenen Grenzen ausloten. Und an diese stößt man als Sherpa immer wieder.« Wer den harten Anfang übersteht, bleibt meist dabei. Überzeugung, Freiheit, Freundschaft oder sportliche Befriedigung. Nicht wegen des Geldes. »Reich wird man davon nämlich nicht.« Die Arbeit ist abhängig von dem Gästeaufkommen auf den Hütten. Pro Kilogramm bekommen die Träger etwa 60 Cent. Für ein 50-Liter Fass Bier sind das gerade einmal 40 Euro. Für ihn liegt der Reiz mehr in der Gemeinschaft der Sherpas. Die meisten kennen sich. So wie Mato: 1,90 cm groß, breite Schultern, wenig Worte. Auch er hat seine »Ware« beim Hüttenwirt abgegeben, gesellt sich nun zu Stevo. Unaufgeregt wird das kommende Wochenende diskutiert. Es steht der Höhepunkt der Saison an: die Sherpa Rallye. Jedes Jahr kommen alle Lastenträger zusammen, um bei einem Wettkampf ihre Kräfte zu messen und einen gelungenen Sommer ohne Verluste zu feiern.

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Oben: Slowakische Grundnahrungsmittel – dampfendes Gulasch und kaltes Bier erwarten die RallyeTeilnehmer an der Chata pod Bori� sovom.

Ganz oben links: 80 bis 100 kg schultern die Tatra-Sherpas bei ihren Aufstiegen. Der Rekord liegt bei 230 kg! Ganz oben rechts: Zieleinlauf bei traditioneller Volksmusik. Oben: Einsam, mit Aussicht auf die Hohe Tatra, im verschneiten Fatra-Gebirge.

Gegen die Schwerkraft

Berg müssen sich die Menschen kennen und vertrauen können«, erklärt der anwesende Initiator. »Außerdem kommt jedes Jahr eine Hütte in den Genuss, vor dem Winter mit ausreichend Material versorgt zu werden. Quasi umsonst.« Zwei Fliegen mit einer Klappe.

Drei Tage später, neuer Ort. In diesem Jahr findet die Rallye außerhalb der Hohen Tatra statt. Der Startpunkt liegt 150 Kilometer westlich von Starý Smokovec, im kleinsten Gebirge der Slowakei. Wie Schildkrötenpanzer ziehen sich sanfte, bewaldete Hügel in der sogenannten Großen Fatra über eine Fläche halb so groß wie der Bodensee. Einer der wenigen bewirtschafteten Hütten der Region, die Chata pod Bori� sovom, thront auf 1300 Metern wie ein Aussichtspunkt über dem minimalistischen Gebirge und wartet heute auf flüssigen Nachschub aus dem Tal. Den werden an diesem Tag die Rallye-Teilnehmer besorgen. 500 Höhenmeter weiter unten haben sich um 9 Uhr bereits Dutzende Träger am Startpunkt versammelt. Trotz weiter Anreise. Hände werden geschüttelt, Erfahrungen ausgetauscht und die Holzkraxen pingelig genau auf ihren großen Einsatz vorbereitet. Eine Drei-Mann-Band mit Violinen und Cello begleitet das Geschehen musikalisch. 28 Männer, jeder beladen mit genau 72 Kilogramm in Form eines vollen Fasses, treten gegeneinander an. In anderen Worten: Genau 1400 Liter Bier wandern bald ohne Umwege in Richtung der Chata pod Bori� sovom. Vor über 30 Jahren rief der Sherpa und Tatra-Hüttenwirt der Chata pod Rysmi, Viktor Beranek, die Rallye ins Leben. Eine derartige Veranstaltung sollte die Menschen – egal, ob Sherpas, Wirte oder Anwohner – näher zusammenbringen. »In kritischen Situationen am

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Volle Ladung Der Startschuss fällt, 28 Männerkörper durchfährt ein Ruck. Der steile Pfad führt durch bunt gefärbten Mischwald. Doch für die Schönheit der Natur hat Mann kein Auge. Die leuchtenden Blätter am Boden sind mehr Hindernis als Hingucker. Schon nach 45 Minuten erscheint der erste Teilnehmer auf der Lichtung unterhalb der Hütte. Knapp hinter ihm drei weitere Kandidaten mit roten Köpfen. Nach vorne gelehnt, aufrecht, mit Stecken – jeder hat seine eigene Technik, um mit der Last umzugehen. Je näher die wackelnden Fässer samt Träger kommen, desto lauter werden die Anfeuerungsrufe der Zuschauer. Kuhglocken und Tuten begleiten die schwitzenden Körper auf den letzten Metern. Stramme Oberschenkel und ein zielgerichteter Blick – ohne mit einer Wimper zu zucken, schreitet Zdene �k Pácha als Erster über die Ziellinie. Nur 57:17 Minuten zeigt die Stoppuhr an. Ohne große emotionale Ausbrüche nimmt er die Schüssel Gulasch und ein Glas Bier entgegen. Nach und nach treffen immer mehr Läufer ein und kassieren ihren flüssigen Lohn. Die Party kann beginnen. Die Musikanten haben sich mittlerweile samt Cello auf

die Hütte vorgekämpft und heizen die Stimmung mit slowakischen Volksliedern an. Fast könnte man meinen, dass der eigentliche Wettkampf nur Nebensache war. Nämlich ein Vorwand für eine große Feier. Erst bei der Siegerehrung besinnen sich die Organisatoren und Sherpas auf die eigentliche Idee zur Rallye. »Ich bedanke mich, dass wir das Ganze auf der Chata pod Bori� sovom ausrichten durften. Es gab uns allen die Möglichkeit, diese Bergregion und die Träger hier besser kennenzulernen.« Mit einem Toast lobt das SherpaUrgestein Victor Beranek die Mannschaft rund um den Wirt. Wo denn die Rallye im nächsten Jahr stattfinden wird, wollen einige Gäste wissen? »Voraussichtlich auf der Dresdner Hütte im Stubai.« Es wird Zeit, dass auch die Alpen mal wieder richtige Männer zu Gesicht bekommen ... ext: Barbara Meixner T Fotos: Barbara Meixner, Mato Malic �ký, Slowakische Tourismuszentrale

Hohe Tatra Große Fatra

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FOTO Icebreaker

FOTO Ortovox

FOTO Ortovox / Hansi Heckmair

FOTO Ortovox / Franz Walter

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BESSERWISSER: Wolle

SCHARF AUF SCHAF Wolle war früher ein Synonym für kratzige, schwere Strickpullis. Heute wächst die Fangemeinde des Naturprodukts vor allem bei Funktionstextilien in fast unheimlichem Maße. Kein Wunder: Wer es einmal ausprobiert hat, wird süchtig – nach dem Tragekomfort, nach der Isolationsleistung und dem ausbleibenden Müffeln.

FOTO Icebreaker

Die Erfindungen der Menschheit sind beachtlich. Auf dem Mond landeten wir vor 47 Jahren das erste Mal. Vor 27 Jahren entwickelten wir das World Wide Web. Und neuerdings können wir mitwachsende Implantate von 3D-Druckern ausspucken lassen. Aber den Entwicklungsvorsprung, den Mutter Natur innehat, den können wir scheinbar nicht aufholen. Warum sollten wir auch? Die Vorteile von vielen Naturfasern sind so vielschichtig, dass es töricht wäre, diese nicht zu nutzen. Insbesondere die gute alte Wolle ist ein echtes Wunder der Evolution. Fragte man früher Kinder nach Wolle, verzogen sie meistens das Gesicht. Zu unangenehm kratzte der Strickpulli, den es zu Weihnachten von Oma gab, auf der feinen Haut. Blickt man zurück, ist die Geschichte des Menschen bereits seit dem Altertum mit der von Wolle im wahrsten Sinne »verstrickt«. Bereits 6000 v. Chr. wurden die ersten Fasern zu Garnen versponnen. Im 13. Jahrhundert n. Chr. konnten sie durch die Erfindung des Spinnrads erstmals maschinell verarbeitet werden. Die Alpinisten der Pioniertage hüllten sich in Wolle, Leinen und Seide, was Berichten zufolge erstaunlich gut funktionierte. Die Wende kam 1938, als erstmals eine Kunstfaser industriell gefertigt wurde. Die neuen Synthetikfasern schienen die Antwort auf alle Funktionsfragen zu sein: Sie waren wesentlich leichter, dabei robuster und trockneten viel schneller. Dass man bereits nach kurzer Nutzungsdauer einen unangenehmen Körpergeruch verbreitete, war ein kollektiv akzeptiertes, notwendiges Übel. Viele erklärten die natürlichen Stoffe wie Wolle für die Verarbeitung von Funktionstextilien für tot. Zum Glück nicht alle. Denn Schafwolle feiert gerade ein erstaunliches Comeback.

Die feine Unterwolle ist das »Betriebsgeheimnis« des Merinoschafs. Sie ermöglicht den hohen Tragekomfort.

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Wolle ist nicht gleich Wolle Bei der Textilverarbeitung stand und steht die Schafschurwolle klar an erster Stelle. Auch wenn es zahlreiche andere spannende tierische Lieferanten – wie z. B. Alpakas, Lamas, Kaschmir- oder Mohairziegen – gäbe, sind diese aber entweder nicht für die Massenproduktion geeignet oder weisen andere Schwächen auf. Doch auch Schafwolle ist nicht gleich Schafwolle. Mitte der 90er-Jahre revolutionierte die Marke Icebreaker den Markt mit Sportunterwäsche aus der Wolle neuseeländischer Merinoschafe. Heute ist Merino aus der Outdoor-Welt nicht mehr wegzudenken. Ihr Feinheitsgrad – gemessen in Mikron (1 Mikron (µm) = 0,001 Millimeter) – ist so hoch, dass die dünnen Faserenden die Haut nicht reizen. Zum Vergleich: Ein menschliches Haar weist eine Stärke von 50 bis 100 Mikron auf, normale Schafwolle circa 30 bis 50 und Merinowolle zwischen 15 und 25. Fasst man ein Merino-Textil zum ersten Mal an, können die meisten gar nicht glauben, dass es sich um Schafwolle handelt. Kein Wollpullitypisches Jucken und Kratzen! Der Tragekomfort ist verblüffend gut. Das Geheimnis liegt in der Faser. Gebaut ist sie aus einer hochkomplexen Anordnung von langen Strukturproteinen, die von einer dachziegelartigen Schuppenschicht umgeben sind. Zu 85 Prozent bestehen die Wollfasern aus Hohlräumen und sind damit großartige Wärmespeicher. In puncto Feuchtigkeit zeigt die Faser zwei sich vermeintlich ausschließende Eigenschaften: Die Fasern sind gleichzeitig hygroskopisch und hydrophob. Einfach gesagt bedeutet es, dass sie Wasserdampf wie Schweiß oder Luftfeuchtigkeit aufnehmen und in ihrem Inneren speichern können – bis zu 33 Prozent ihres Eigengewichts. Gegen Regen sind sie jedoch resistent, da die äußere Faserschicht fett- bzw. wachshaltig ist. Dadurch fühlt sich Wolle, die schon zu einem gewissen Grad Feuchtigkeit aufgenommen hat, immer noch weitgehend trocken an. Wer seinen wollenen Funktionstextilien etwas Gutes tun will, spendiert ihnen gelegentlich ein Wollwachs-Bad, was dem Material die natürlichen Fette zurückgibt.

Ein weiterer Vorteil: Wolle isoliert in doppelter Hinsicht, da neben der großen Schutzschicht über der menschlichen Haut zusätzlich Luft in den Hohlräumen der Fasern gespeichert wird. Das Ergebnis: ein gefühlt wärmender oder kühlender Effekt. »Ausgedacht« hat sich dieses Prinzip die Evolution, die Merinoschafe zu echten Klima-Allroundern entwickelt hat. In Neuseeland, wo hervorragende Wollqualitäten erzielt werden, sind sie extremen Bedingungen ausgesetzt – bis 35 Grad im Sommer, bis minus 20 Grad im Winter. Ein überragend großes Plus von Wolle liegt in ihrer geruchshemmenden Wirkung. Beim Schwitzen und auch sonst gibt der Mensch über die Haut neben Wasser vor allem Fette und Salze ab – die Lieblingsspeise von Bakterien, deren Ausscheidungen die üblen Gerüche verursachen. Auf der schuppigen, wachsigen Oberfläche von Wollfasern können sich aber weder die menschlichen Ausscheidungen noch die Bakterien dauerhaft festsetzen. Und genau das ist der Grund, warum so manches Leibchen am nächsten Morgen trotz »Vollbelastung« wieder frisch riecht. Noch mehr Argumente gefällig? Bitte sehr: Merinowolle ist zudem antistatisch, schwer entflammbar und schützt vor UV-Strahlung.

Mehr Robustheit mit neuen Naturfaser-Entwicklungen Ist Wolle also ein Material ohne Schwächen? Nicht ganz. Die Fasern sind nicht ganz so robust wie z.B. synthetisch hergestellte Fasern. Unter Belastung brechen sie etwas leichter, was ab einer gewissen Dicke ein geringeres Problem ist. Sehr feine Gestricke mit Flächengewichten von 150 g/m2 oder weniger – wie etwa bei Sommer-Unterwäsche – verlieren aber auf die Dauer etwas an Stabilität. Doch auch hierfür hat die Outdoor-Industrie mittlerweile Lösungen entwickelt, um das Material reißfester zu machen. Icebreaker und Ortovox zum Beispiel kombinieren bei ihren dünnen Modellen in Hybridgarnen Merinowolle mit der Regeneratfaser Tencel. Diese Faser wird zwar industriell produziert, der Basisstoff ist allerdings reine Cellulose. Tencel-Fasern – auch Lyocell genannt – sind sehr glatt und nehmen Feuchtigkeit schnell im Inneren auf, sprich leiten sie vom Körper weg. Der Effekt ist eine gefühlt »kühlende«, sehr angenehme Wirkung auf der Haut. Ihre hohe Reißfestigkeit im trockenen wie auch im feuchten Zustand sowie ihre antibakteriellen Eigenschaften machen sie zu einer perfekten Kombifaser mit Merinowolle für den Einsatz bei warmen Temperaturen. Im Fertigungsprozess werden die Tencel-Fasern mit Merinowollfasern umsponnen – mit bloßem Auge nicht erkennbar. Die menschliche Haut kommt so nur mit Merinowolle in Kontakt, behält seine Geschmeidigkeit und seine geruchsreduzierenden Eigenschaften.


RAUSZEIT Winter 2016 / 2017 PFLEGETIPPS FÜR FUNKTIONSTEXTILIEN MIT WOLLFÜHLFAKTOR: • Normalwaschgang bei 30–40 °C mit ph-­ neutralem Waschmittel ohne Weichmacher Right-handed a-helix • keinen Weichspüler und kein Bleichmittel verwenden Complex Cell membrane • inner immer ein Wollwachs-Bad matter mal wieder Macrofibril complex ­vornehmen, um die natürliche Fettschicht Left-handed zu regenerieren coiled-coil rope • helle und dunkle Teile separat waschen Microfibril • nicht Matrixim Wäschetrockner trocknen • bei bedruckten Oberflächen auf links waschen THE STRUCTURE Para cell and OF THE WOOL • FIBRE alle Reißverschlüsse dem Waschen ortho cellvor cortex schließen

Eine Wollfaser ist ein hochkomplexes Gebilde aus zahllosen Strukturproteinen und Hohlräumen. Sie kann entsprechend viel erwärmte Luft speichern und bis zu 30 Prozent ihres Eigengewichts an Feuchtigkeit aufnehmen.

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HIGH QUALITY OUTDOOR EQUIPMENT SINCE 1908

Leicht, flauschig und schön warm Die Wolle »normaler« Schafe eignet sich für die Verwendung in Funktionswäsche nicht. Sie ist zu dick, zu störrisch und reizt die Haut. Mit der schwindenden Popularität wärmender Wollpullis ist auch der Preis von konventioneller Schafschurwolle rasant nach unten gegangen. In der Schweiz wären die nachwachsenden Erzeugnisse der hiesigen Bergschafe beinahe vollends zum Abfallprodukt verkommen. Bis die deutsche Firma Baur, seit über 100 Jahren Spezialist für Wollwäsche und -verarbeitung, die Initiative »Swisswool« gründete. Die Idee: Schweizer Schafschurwolle wird direkt vom Erzeuger eingesammelt und im mittelfränkischen Dinkelsbühl am Firmensitz zu kuschelig weichen, luftigen Wollwattierungen verarbeitet. Dafür wird der natürliche Grundstoff mehrfach gewaschen, gekämmt und mit 12 Prozent Polylactid (PLA), ein Bio-Kunststoff auf Maisstärkebasis, angereichert, um den Bausch zu erhöhen und das Endprodukt bei 40 °C unkompliziert waschbar zu machen. Prinzipiell würden sich viele Wollen für Füllungen eignen, z. B. Yak, Kamel, Alpaka, Lama. Die Voraussetzung ist aber eine passende Grundstruktur, denn für bauschige Isolationswattierungen braucht es viel Volumen, also Wollen mit viel sogenanntem »Stand«. Merinowolle ist hierfür z. B. zu fein. Mit einem Strickpulli haben die Wollvliese bis auf den Basisstoff nichts gemeinsam. Komprimierbarkeit, Gewicht und Isolationsleistung können sich mit den Werten von Kunstfasern messen. Ortovox hatte das Potenzial als erste Marke erkannt, mittlerweile haben auch viele andere OutdoorUnternehmen nachgelegt und Isolationsjacken mit Füllungen aus Schaf- oder Yakwolle im Sortiment.

HANS KRISTIAN KROGH-HANSSEN

LIFESTYLE

Ökologischer Fußabdruck Schafwolle ist nicht nur hochfunktional, sondern auch sehr umweltverträglich. Als natürlich nachwachsender Rohstoff kann Schafzucht nachhaltig und schonend betrieben werden. Natürlich kommt das auf den Hersteller an. Etablierte OutdoorMarken verpflichten ihre Lieferanten, die höchsten Tierschutzstandards wie z. B. das garantierte Vermeiden von »Mulesing«, das schmerzhafte Entfernen von Haut im Afterbereich der Schafe, einzuhalten. Zudem kann Wolle voll biologisch recycelt werden – wie auch die Cellusose-Faser Tencel.

Fazit Die Natur hat detaillierte Lösungen für verschiedenste physiologische und klimatische Problemstellungen hervorgebracht. Wolle ist eine davon. Für Outdoor-Sportler bietet sie in verschiedenster Anwendung – von der Unterwäsche über Isolationsjacken bis hin zu Socken – hervorragenden Tragekomfort und höchste Funktionalität. Kein Wunder, nach zig Tausenden von Jahren Entwicklungszeit ...

Neu Bjerke 3in1 Lady Coat Drei Jacken in einer: Bjerke ist das ganze Jahr über einsatzfähig. Die Außenjacke/der Außenmantel ist aus winddichtem, wasserdichtem und atmungsaktivem 2-Lagen Bergans Element® gefertigt, die Innenjacke/mantel aus technischer Wolle, die für hervorragenden Wärmerückhalt und natürliche Temperaturregulierung sorgt. Die Teile können einzeln getragen oder per Reißverschluss zu einer Jacke/einem Mantel verbunden werden.

Text: Dennis Keune

EKSTREM TURGLEDE bergans.de

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RAUSZEIT Winter 2016 / 2017

EINBLICK: Firmenporträt BUFF

TEXTILER TAUSENDSASSA Ein kleines Stück Stoff, das die Outdoor-Welt veränderte: Buff. Not macht erfinderisch, auch Joan Rojas. Der baute aus einem vermeintlich vor dem Untergang stehenden Unternehmen eine Weltmarke auf. Doch »das Buff« ist mehr als ein Accessoire – es schützt vor Mücken- und Sonnenstichen, hält warm, saugt Schweiß auf, lässt sich als Mütze, Halstuch und Haarband tragen. Porträt eines flexiblen Alleskönners. Auch in Spanien kann einem der Wind kalt ins Gesicht wehen. Sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinn. Das Familienunternehmen Rojas musste sich in den 1990er-Jahren warm anziehen, denn die Konkurrenz aus Osteuropa und Asien wurde immer stärker. Der mittelständische Betrieb produzierte seit vielen Jahrzehnten Unterwäsche in der Nähe von Barcelona. Die Geschäfte gingen schlecht, man stand vor der Entscheidung, die Produktion an einen kostengünstigeren Standort zu verlegen oder die Firma ganz aufzugeben. Die Rettung gelang per Zufall. Joan Rojas, der Sohn der katalanischen Unternehmerfamilie, war schon immer leidenschaftlicher Motorradfahrer. Er wollte gerne einen Schal haben, den man nicht knoten musste, und der auch nicht blöd herumflatterte beim Fahren. Für eine Motorrad-Tour durch Nordspanien, wo das Wetter oft mies ist, benötigte er einen Schutz gegen Wind und Kälte für den Hals. So etwas gab es aber nicht zu kaufen. Also schnitt er das Bein einer langen Militärunterhose ab und stülpte es sich über den Kopf – der Versuch scheiterte kläglich, das Ding war natürlich zu eng und kratzte außerdem. Also setzte sich Joan Rojas an die Nähmaschine in der Fabrik seiner Eltern, nahm ein Stück dehnbaren Unterhosen-Stoff und fing an zu nähen. Er testete verschiedene Materialien, experimentierte mit Formen und Nähten herum, bis er das perfekte Produkt für seine Motorradtouren in der Hand hielt: das erste nahtlose Schlauchtuch aus Mikrofaser. Zunächst trugen nur Verwandte und Freunde diesen Schlauch am Hals, doch schnell machte die Stoffröhre die Runde. Leute auf der

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Straße sahen das seltsame Ding und fragten nach. Joan brachte bald seine erste Kollektion auf den Markt, die nur drei Jahre später bereits in Deutschland, Frankreich und in der Schweiz im Handel war. Der Name: »Buff«. Das ist im Spanischen ein sehr knapper, lautmalerischer Ausdruck für »Boah, ist das kalt!«, etwa wie das deutsche »Brrrrr«.

Das Tempotuch der Schlauchtücher »Buff« ist mittlerweile ein feststehender Begriff wie »Tempo«, »Uhu« oder »Tesa«. Ein generischer Markenname für alle Schlauchtücher, die man über den Kopf ziehen, als Mütze tragen, als Schal, Haarband und notfalls auch als Kaffeefilter benutzen kann. Das unscheinbare Multifunktionsteil ist aber viel mehr als ein witziges Mode-Accessoire, es darf ganz einfach bei vielen Outdoor-Aktivitäten nicht mehr fehlen. Es schützt vor Mücken- und Sonnenstichen, hält warm, saugt Schweiß auf, spendet Schatten und hält den kalten Wind von der Haut ab. Es lässt sich unter einem Helm tragen, klein zusammengeknüllt in die Jackentasche stecken und mit Daunenjacke, T-Shirt oder Pullover kombinieren. Ein weit unterschätztes Lieblingsteil eben, ein textiler Tausendsassa. Aus der zusammengenähten Unterhose, dem UrBuff, sind längst 43 Produktfamilien geworden – vom besonders warmen Tuch für Wintersportarten über Star-Wars-Fan-Hauben bis zu poppigen Design-Tüchern für den Strand. Mikrofaser und Merinowolle, Wind- und Insektenstopper, zahlreiche Formen und

Modelle – endlose Farb- und Musterwelten. Fast alles »Made in Spain«: 200 Angestellte stellen mehr als 90 Prozent der Schlauchtücher in den firmeneigenen Produktionsstätten in Igualada bei Barcelona her. Lediglich die Strickware wird in Taiwan produziert. Aufwendigere Näharbeiten werden zwar außer Haus gegeben, jedoch an Nähereien im nahen Umfeld von Igualada. Wichtig sind dem Firmengründer Joan Rojas kurze Wege und die Stärkung des katalanischen Arbeitsmarktes. Einer der wichtigsten Märkte für Buff ist Deutschland, hier werden mehr als 10 Prozent aller Produkte verkauft – pro Jahr etwa 700.000 Tücher. Einen wesentlichen Anteil am Erfolg haben die originellen Designs – von Comic-Helden über den TotenkopfPiraten-Look bis zu Blümchen und psychedelischen Neon-Fantasien. Auch eine Oktoberfest-Kollektion mit weiß-blauem Rautenmuster und Hirschgeweihen war schon im Angebot. In den Anfangsjahren entwarf Erfinder Joan Rojas alle Designs selbst. Mittlerweile gibt es eine große Kreativ-Abteilung mit acht Designern, die sich jede Saison etwas Neues ausdenken. Ob Ufos, Wale oder Tannenbäume, dezente einfarbige Tücher, Paisley-Muster oder bunte Streifen, es gibt nichts, was man nicht auf Schlauchtücher drucken kann – auch individuelle Vorstellungen werden ab einer gewissen Mindestmenge produziert.

Dem Wollschal überlegen Sogar eine ganze Haustierkollektion – vornehmlich für Hunde – bietet Buff an, gefertigt aus geruchshemmen-


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dem, atmungsaktivem, elastischem Stoff. Hunde sind aber sicherlich die kleinste Zielgruppe des katalanischen Unternehmens. Auch die Motorradfahrer, mit denen alles begann, spielen mittlerweile keine zentrale Rolle mehr bei der Produktentwicklung. Was Buff groß gemacht hat, ist der Wintersport. Denn vor der Erfindung des Schlauchtuchs wickelten sich Skifahrer gerne lange Wollschals um den Hals. Das fand man in den 70er- und 80er-Jahren ganz, ganz cool, gebracht hat es aber eigentlich nur Probleme. Die Schals flatterten wild um den Hals und vor die Sicht, je schneller man unterwegs war. Wenn es schneite, wurden sie nass und muffelten furchtbar, und wenn es anschließend sehr kalt wurde, verwandelten sie sich in bizarr verbogene Wollbretter. Die Lösung, die Joan Rojas anbot, war nicht nur deutlich funktionaler und bequemer, auch logistisch waren (und sind) die Buff-Tücher deutlich überlegen: Sie konnten im Anorak mitgenommen werden, ließen sich schnell überstreifen, wenn man sie brauchte, und boten trotzdem effektiven Kälte- und Windschutz. Auch heute passen sie unter den Ski- oder Radhelm – oder sind in Sekundenbruchteilen umgewandelt in ein Stirnband zum Langlaufen. »Die Wünsche unserer Zielgruppen unterscheiden sich stark von Land zu Land«, sagt Mirjam Mergenthaler, Senior Brand Manager bei Buff Deutschland. In Skandinavien, in den Alpen und in den deutschen Mittelgebirgen sind Wintersportler, Trailrunner und Mountainbiker die wichtigsten Kunden von Buff. In den USA seien es dagegen die Angler. Angler? Benutzen die Schlauchtücher als Reusen? Nein, bei Hobbyanglern in den USA kommen die Tücher so gut an, weil sie so ziemlich alles abwehren, was der gemeine Angler fürchtet. Passend zur Leidenschaft gibt es natürlich eine umfangreiche Angler-Kollektion im Fisch-Design: Doraden, Lachse, Forellen oder gar Haie tummeln sich auf dem Material, das vor Wind, UV-Strahlen und Regen schützt, gleichzeitig schnell trocknet und antibakteriell wirkt. Eine chemische Ausrüstung hält zudem Stechmücken, Zecken und andere lästige Insekten ab. Die chemische Behandlung der Insekten-Abwehr- und UV-Schutz-Tücher geschehe aber »garantiert umwelt- und gewässerschonend«, verspricht der Hersteller. Auch sonst ist Umweltschutz bei Buff ein wichtiges Thema: Die verwendete Baumwolle stammt aus garantiert biologischem Anbau. Alle Kartonagen, die die Firma einsetzt, werden aus recyceltem Papier hergestellt. Die Merino-Wolle für die Mützen

und Schals aus Wolle kommt von zertifizierten Betrieben, die ohne »Mulesing«, dem schmerzhaften Entfernen der Haut rund um den Schwanz von Schafen ohne Betäubung, arbeiten. Zudem wird die Wolle auch nicht chemisch gegen Ungeziefer behandelt. Von der Grundidee, ein Schlauchtuch als Mundschutz beim Motorradfahren zu verwenden, sind manche Produkte der großen Buff-Familie also mittlerweile so weit entfernt wie der Ontario-See von Barcelona. Warum auch nicht? Gerade die seit letztem Winter umfangreich erweiterte Mützenkollektion aus verschiedensten Materialien und breiter Design-Palette erfreut sich großer Beliebtheit. Tücher und Mützen können von Kunden nach Lust und Laune kombiniert werden – »Mix & Match« hat Buff dieses Prinzip getauft. Deshalb wird die Entwicklungsabteilung in Spanien diese Sparte noch weiter ausbauen: Ab Herbst werden sogar Kindermützen angeboten. Dazu kam eine neue Kappen-Kollektion, die sich an Trailrunner, Reiter und Golfer wendet. Fast martialisch muten die Sturmhauben im Spiderman-, Darth-Vader- oder Stormtrooper-Look an. »Da hoffen wir natürlich inständig, dass niemand in so einem Aufzug eine Bank überfällt«, sagt Mirjam Mergenthaler scherzhaft. Natürlich sind einige der Buff-Produkte markenrechtlich geschützt, aber es lässt sich kaum verhindern, dass eine so gute Grundidee tausendfach nachgemacht wird. Das nimmt man bei Buff recht gelassen zur Kenntnis, auch mit ein bisschen Stolz – denn nur ein wirklich gutes Original wird weltweit kopiert. Apropos Original: Firmengründer Joan Rojas hat das Unternehmen mittlerweile abgegeben an seinen Neffen David Camps – und widmet sich anderen Leidenschaften: Er baut Oliven an, genießt die Natur und braust ab und zu immer noch gerne mit seinem Motorrad 1200 über spanische Landstraßen, mit einem original Buff natürlich. Er war und ist kein Outdoor-Sportler, aber er hat eine neue Produktgattung geschaffen – indem er eine ehemalige Unterhose zur essenziellen Sportausrüstung umfunktionierte. Text: Bruno Berger Fotos: BUFF

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NACHGEFRAGT: GREGOR SIEBÖCK

VON DER WELTBANK ZUR HAUSBANK

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ndet Baltazar:

»Je länger du gehst, umso mehr Kraft hast du«, sagt Gregor Sieböck. Er muss es wissen, schließlich ist er über 20.000 Kilometer gewandert. Mit und ohne Ziel. Überall, aber noch nicht genug. Sein aktuelles Reiseprojekt führt ihn immer wieder auf die Schokoladenseite des Lebens. »Im Moment übe ich gerade das Nichtstun.« Nach dem letzten Wort bricht Gregor Sieböck in juchzendes Gelächter aus. Einfach mal längere Zeit nichts, aber auch wirklich gar nichts zu tun, das falle ihm sehr schwer. Sein inneres Antriebsrädchen laufe gerne hochtourig, deshalb übe er: Die vergangenen sechs Tage hat »Gregorio«, wie er sich selbst nennt, auf seiner Hausbank sitzend und nachdenkend verbracht. Nachdenken über die Welt, wie sie ist und wie sie im Idealfall sein könnte in seinen Augen. 1976 geboren und aufgewachsen im oberösterreichischen Nußbach, 40 km südlich von Linz, spürt Gregor früh, dass er eine besondere Beziehung zur Natur hat. Vor allem die Bäume sieht er als Freunde, vertraut ihnen seine Geheimnisse und Sorgen an. Mit jedem Jahresring wächst der Wunsch, sein Tun dem Wohl der Erde zu widmen. Er beschließt, Diplomat zu werden, beginnt direkt nach der Matura ein Wirtschaftsstudium. Doch schnell wird klar, dass Diplomaten »nicht notwendigerweise die Ziele verfolgen, die ich als Vision hatte«. Der Sinn des Studiums fällt weg – und Gregor in ein tiefes Loch. Er unterbricht, geht nach Ecuador und hilft bei einem Straßenkinderprojekt in Quito. »Ein Glücksgriff, ein Geschenk«, wie er nachdenklich sagt, »um zu verstehen«. Als er ankommt, ist die Staatsbank pleite, Volksaufstände auf den Straßen, Militärputsch, Präsidentensturz – und Gregor mittendrin. Umgeben von unglaublichem Elend und schwindelerregender Inflation. Er spürt zum ersten Mal selbst, wie sich ein wirtschaftlicher Kollaps mit allen internationalen Verflechtungen auf die harte Realität der Menschen auswirkt. Sein Weg führt ihn zurück zur Uni, wo er sein Studium mit Auszeichnung abschließt. Um Ökonomie und Ökologie zu verbinden, zieht es ihn ins schwedische Lund, um zusätzlich einen Abschluss in Umweltwissenschaften zu machen. »Da habe ich erkannt, dass es eigentlich die Ökologie als Basis braucht und dann die Wirtschaft

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dazu – und nicht umgekehrt.« Seinen ersten Job tritt Gregor mit großen Zielen an: bei der Weltbank, dem weltweit größten Kreditinstitut zur Förderung von Entwicklungsländerprojekten. »Um global etwas bewirken zu können«, beschreibt er seine Entscheidung.

»Ich lasse den Weg im Gehen entstehen« Doch auch bei der Weltbank folgt dem Enthusiasmus die Ernüchterung. Im September 2002 können sich auf dem Weltumweltgipfel »Rio+10« die 20.000 Delegierten auf keinerlei Beschlüsse einigen. Kurz darauf sitzt Gregor Sieböck auf einem anderen Gipfel, dem des Dachsteins in knapp 3000 Metern Höhe, – und fällt einen Entschluss: »Ich wollte zu Fuß in die Welt hinausgehen und unterwegs Initiativen besuchen, die aufzeigen, wie wir bereits heute im Einklang mit der Erde leben können; ohne dass wir auf die Handlungen der Politiker angewiesen wären.« Ein halbes Jahr bereitet er seine erste große Reise vor, kündigt seinen Job und wird am 30. Juli 2003 zum »Weltenwanderer«. Von Bad Ischl aus durchquert er zu Fuß Europa, Südamerika, die USA, Japan bis nach Neuseeland. Drei Jahre ist er unterwegs. Was nach einer Auszeit klingt, ist für Gregor erst der Anfang. Noch spannender findet er die Idee, ohne fixes Ziel zu reisen. Seine nächste große Wanderung – die »Wegkreuzungstour« – beginnt er mit Freunden am Stephansdom in Wien. Der spontane Entschluss: Richtung Süden. »Ich lasse den Weg im Gehen entstehen«. An jeder Kreuzung entscheiden sie, ob sie links, rechts oder geradeaus gehen, ganz nach Gefühl und Intuition. »In dem Moment, wo ich mich für ein Leben im Augenblick entschieden habe, verschwinden Vergangenheit und Zukunft – und ich entscheide immer im Augenblick.« Im ersten Jahr führt ihr Weg sie über die

Alpen bis zum Mont Blanc, weiter nach Paris, alles auf Sohlen und verschlungenen Pfaden. Fast immer schlafen sie draußen, ohne Zelt direkt unter freiem Himmel, »im Millionen-Sterne-Hotel«. Im Jahr darauf entwickelt sich die Route durch die Dolomiten nach Venedig, weiter über Ravenna und den Apennin nach Assisi und zuletzt L’Aquila in den Abruzzen, wo das schwere Erdbeben kurz zuvor eine Tragödie hinterlassen hat. »Das war einer der schlimmsten Übernachtungsplätze meines Lebens, mein Zelt stand mitten in einem Trümmerhaufen.« Dort muss er seine Tour abbrechen, »der Ort hat mir jegliche Kraft entzogen«. 2010 erfüllt sich Gregor einen Kindheitstraum: Er reist per Frachtschiff nach Chile, durchwandert ein halbes Jahr Patagonien, macht sich ein eigenes Bild über Staudammprojekte, erkundet abgelegene Urwälder und läuft bis hinunter nach Feuerland, in die wilde Yendegaia-Region inmitten der Cordillera Darwin. Neben der Natur sind es die außergewöhnlichen Menschen, die ihn begeistern. Wie zum Beispiel Baltazar, der letzte Eisverkäufer des Chimborazo, dem höchsten Berg Ecuadors. Jeden Tag steigt der über 70-Jährige mit seinen Eseln von 2800 auf 4800 Meter Höhe, schlägt 50 Kilo schwere Eisblöcke aus dem Gletscher und bringt sie, eingewickelt in Pampas-Gras, ins Tal. Zwei Blöcke auf einmal trägt er, mit einem Lächeln im Gesicht. Eine absolute Knochenarbeit, die kaum noch Abnehmer findet. Doch auf die Frage, warum er weitermacht, antwortet Baltazar: »Dinero fácil«, leicht verdientes Geld.

Die Schokoladenseite des Lebens Die Lücken zwischen »seinen« Reisen füllt er mit Vorträgen und dem Verfassen von Büchern, arbeitet als Reiseleiter von den Alpen bis Südamerika. Doch seine


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10 Fragen an Gregor Sieböck:

Glaubst du an Schicksal und wenn ja, warum? Ich glaube an Machsal und Schicksal – hängt davon ab, woher es kommt. Bitte vervollständige folgenden Satz: Ein Abenteuer ist … ... ein freudvolles sich Einlassen auf die Ungewissheit. Auf welchen Ausrüstungsgegenstand würdest du unterwegs nicht verzichten? Auf mich selbst. Ansonsten gibt es keinen Gegenstand, auf den ich nicht verzichten könnte. Was hat dir im Leben schon mal richtig Angst gemacht? Das vermeintliche Nichtwissen, d.h. sobald ich die Sicherheit des Wissens verlasse. Wer war der beeindruckendste Mensch, den du je kennengelernt hast, und warum? Die Göttlichkeit in den Menschen – einen Einzelnen möchte ich da nicht herauspicken. Was hast du im Leben wirklich Relevantes gelernt? Scheinbar Vieles – aber die größten Erkenntnisse waren, Erlerntes wieder zu verlernen. Was ist Glück für dich? Ein freudvolles, dankbares Leben des Augenblicks im erfüllten Austausch mit meiner Umgebung. Was für einen Kindheitstraum hast du dir erfüllt? Zu Fuß durch Patagonien zu gehen. Welche Dinge werden heutzutage oft überschätzt? Die Vorhersehbarkeit und Planbarkeit.   Wie würde der Titel deiner Autobiografie lauten? Von der Weltbank zur Hausbank.

Neugierde und sein Drang, die Dinge mit eigenen Augen sehen zu wollen, lassen ihn immer wieder losziehen. Als er seinen Freund Josef Zotter in dessen Steiermarker Fairtrade-Schokoladen-Manufaktur besucht, entsteht die Idee einer »SchokoladenWeltreise«. Erst kürzlich wurde Zotter zum besten Chocolatier der Welt gekürt – und Gregor will die Menschen aufsuchen, die die Zutaten für die besondere Schokolade anbauen. Ein Jahr lang besucht der Weltenwanderer ausgewählte Bauern und Lieferanten von Kakaobohnen, Vanille, Macadamianüssen, Champagnertrauben und vielem mehr. An die 40 sind es, von den Alpen über den Kongo bis nach Südamerika. Immer im Gepäck: Schokolade in Kühltaschen. Denn viele Lieferanten haben noch nie von dem süßen Endprodukt gekostet. »Ein einzigartiger Moment, wenn ein Macadamianuss-Bauer im Herzen Kenias zum ersten Mal von »seiner« Tafel Macadamia-Schokolade probiert.« Es sind Geschichten wie diese, die Gregor Sieböck faszinieren, inspirieren und träumen lassen von seiner Vision der Welt – zum Beispiel, wenn er auf seiner Hausbank sitzt und mal das Nichtstun übt. Hinweis: Wer Gregor Sieböck auf einem seiner Vorträge erleben oder mehr über ihn lesen möchte, empfiehlt sich der Besuch seiner Homepage www.globalchange.at. Text: Moritz Becher Fotos: Gregor Sieböck

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LIE ESERKLÄRUNG »DIE WIRKUNGSVOLLSTE ENERGIEQUELLE UNSERES LEBENS IST UND BLEIBT DIE MENSCHLICHE WÄRME.« (ERNST FERSTL, ÖSTERR. SCHRIFTSTELLER)

Zugegeben, Liebe auf den ersten Blick war es nicht, als ich den schlichten, scheinbar langweiligen »Wollpulli« das erste Mal in einem kleinen »Fritidsshop« in Jämtland sah. Und ja, auch das gebe ich zu: Die hübsche schwedische Verkäuferin hatte mich damals mehr interessiert als die von ihr enthusiastisch empfohlene Strickware. Doch es machte mich etwas stutzig, dass ihre Augen so euphorisch funkelten. Sie war wirklich begeistert von dem Pullover, den sie mir auffordernd entgegenstreckte. »Sicher bleischwer, das Ding«, war mein nächster Gedanke. Na gut, ihr zuliebe probier’ ich ihn an, aber kaufen – niemals! Sag niemals nie, wusste schon James Bond. Denn als ich das gute Stück in meinen Händen hielt, war ich völlig verblüfft: Federleicht und samtweich war er, dieser »Wollpulli«, und wischte damit auf einen Schlag all meine Vorurteile gegen Gestricktes weg. Plötzlich war mein Interesse an dem Textilstück geweckt. »Woolpower« heiße die Firma und fertige seine Produkte nicht weit von hier, erklärte sie. Das Geheimnis läge in dem Wollfrottee, also einem großmaschigen Strickverfahren, wodurch viel Luft gespeichert, aber auch viel Schwitzfeuchte abgegeben werden könne. Ich solle es doch einfach mal ausprobieren.

Um es kurz zu machen: Ich verließ den Laden – mit dem Kleidungsstück. Bei der anschließenden Wintertour – mit Crosscountry-Ski und Pulka durch das Naturreservat Vålådalen – erwies sich mein Wollfrottee als unschlagbar guter Begleiter. Ich spürte es kaum, es passte sich allen Bewegungen an. Sobald mein Motor auf Touren kam, konnte ich förmlich beobachten, wie sich der Schweiß in Gestalt kleinster Tröpfchen auf der Außenseite ablagerte und sich durch die Kälte im Nu in einen schicken Raureif-Überzug umwandelte, den ich bei der nächsten Pause einfach abstreifen konnte. Mir war warm, aber nicht zu heiß. Und was nicht nur mir, sondern auch meinem Tour-Mitstreiter besonders gefiel: Selbst nach fünf Tagen des Schwitzens, des Kochens und darin Schlafens war ich olfaktorisch immer noch ein angenehmer Zeltgenosse. Spätestens jetzt war ich vollends überzeugt – und hatte dasselbe Funkeln in den Augen, wie die hübsche Jämtländerin, die mich mit meinem »Turtleneck« verkuppelte. Text: Moritz Becher

PRODUKTINFORMATION: WOOLPOWER ZIP TURTLENECK 200

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FOTOS Woolpower / Gösta Fries

Das Geheimnis der Woolpower-Produkte liegt im Frottee-Strick und dem Materialmix. Merinowolle wird mit Synthetikfasern kombiniert, was die Garne sehr robust und elastisch macht. Das Wollfrottee ermöglicht hohes Volumen bei geringem Gewicht. Die großen Maschen speichern die vom Körper erwärmte Luft, gleichzeitig wird die Schwitzfeuchtigkeit schnell von der Haut wegtransportiert. Die natürlichen Eigenschaften von Wolle (siehe bitte unseren »Besserwisser Wolle« auf S. 18) unterstützen ein angenehmes Körperklima – inklusive Anti-StinkSerienausstattung. Das »Zip Turtleneck 200« kommt im Rundstrickverfahren aus der Maschine. Dadurch fallen viele störende und defektanfällige Nähte weg. Die 200er-Stärke (= 200 g Flächengewicht pro m2) eignet sich optimal für Wintertouren. Das Material passt sich an alle Körperkonturen an, deshalb sind die »Schildkrötenhälse« Unisex-Modelle. Der Stehkragen schützt den Hals, über den Reißverschluss kann Luft abgelassen werden. Die Rückenpartie ist verlängert, lästiges Hochrutschen und freiliegende Lenden sind also passé. Alles 100 Prozent »Made in Sweden« – vom Garn bis zum fertigen Turtleneck, erkennbar am Namensschild der Näherin. Preis: 99,95 Euro


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