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TOP 5
from FUZE.98
PIERCE THE VEIL
The Jaws Of Life
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Sechs Jahre hat die Post-Hardcore-Band PIERCE THE VEIL ihre Fans auf neue Musik warten lassen. 2022 gab es mit „Pass the nirvana“ und „Emergency contact“ endlich zwei neue Songs und eine Release-Ankündigung – auf ihr letztes Album „Misadventures“ folgt in diesem Jahr endlich „The Jaws Of Life“. Nach einem Besetzungswechsel an den Drums sind PIERCE THE VEIL mit voller Power zurück. Gleich mit dem Opener „Death of an executioner“ bekommt man einen starken Einstieg serviert und die hohe Energie soll auch bis zum letzten Song nicht nachlassen. Die Band um Sänger Vic Fuentes präsentiert dabei musikalisch einen Mix aus ihren alten Sachen, aber auch neuen Elementen und so wechseln sich immer wieder Songs mit hohen Screamo-Parts („Pass the nirvana“) mit Stücken ab, die so gar kein Screamo enthalten („Shared trauma“). Und auch wenn die schnellen, Screamo-lastigen Nummern unglaublichen Spaß machen, sind es die ruhigeren Songs, die das Album zu etwas ganz Besonderem machen.„Shared trauma“, aber auch ein Stück wie „Even when I’m not with you“zeigen PIERCE THE VEIL von einer neuen Seite – ruhig, reflektiert, gefühlvoll. Und vor allem offen für Neues. Für mich jetzt schon eines der Alben des Jahres, auf das sich das lange Warten gelohnt hat. (Fearless) Isabel Ferreira de Castro
POLAR
Everywhere, Everything
Das 2019 veröffentlichte „Nova“ hat breiten Anklang gefunden und den Briten viele neue Fans eingebracht. Die Arbeit mit mehr Melodie, einem Breitwand-Moment und bewusster Kontrastbetonung hat einen Soundmix entstehen lassen, der POLAR positiv vom Gros der Mitbewerber abgesetzt und ihre stilistische Eigenständigkeit ins Zentrum gerückt hat. Die zehn Stücke von „Everywhere, Everything“ entstehen in den Untiefen und Schattierungen zwischen Modern-Melodic- und Post-Hardcore sowie Metalcore, wobei POLAR schlicht den „Erfordernissen“ der Songs folgen und sich nicht mit schnöden Stilfragen befassen. Die Songs sind grundsätzlich identifikationsstiftend und zugänglich, lassen aber auch brachiale Akzente nicht außen vor. Ihre wahre Größe und das hymnische Zulaufen fast aller Tracks bemerkt man dennoch erst in der bewussten Auseinandersetzung. Wohl auch deshalb, weil die Briten im Grenzbereich zwischen Traurigkeit/Melancholie und Zuversicht/Erwartungsfreude unterwegs sind. So oder so, die Emotionalität steht zentral und die Kompositionen reichen trotz der obligatorischen Clean- und Chorgesänge tief. POLAR gelingt es zudem, noch weniger berechenbar aufzuspielen und einen in jeder Hinsicht bindenden Klangraum aufzuspannen. Toll. (Arising Empire) Arne Kupetz
PASCOW
Sieben
Punk-Deutschland kann aufatmen, PASCOW haben eine neue Platte fertig. Sie hört auf den Namen „Sieben“ und ist – verblüffenderweise – das siebte Studioalbum des Quartetts. Für die, die PASCOW kennen: Alles ist gut, keine bösen Überraschungen. Die Riffs sind schnell, das Schlagzeug drückt, die Stimme peitscht. Die Platte ist ein absoluter Fan-Service. Für die, die PASCOW nicht kennen: Die Deutschpunk Kombo bringt 25 Jahre nach Gründung ein Album raus, das die besten Elemente der Band aus allen Phasen kombiniert. Absolute Hörempfehlungen sind die Singleauskopplungen „Himmelhunde“ und „Königreiche im Winter“. Danach ist die Fahrtrichtung für die restlichen zwölf Tracks klar. Und als Menschen vom Fach wissen PASCOW, worauf es bei einem Release ankommt. Die Schallplatte erscheint in nur einer Version, um die Presswerke zu entlasten, die CD ist plastikfrei. Darüber hinaus gibt es das Album ausschließlich im Indiepool. Heißt, zu kaufen ist sie nur bei ausgewählten Fachhändlern und der Band selbst. So landet das Geld auch da, wo es am besten aufgehoben ist und nicht bei großen Konzernen, die sich eh nicht für das Produkt interessieren. Schöne Sache und wirklich Punk. (Rookie) Joscha Häring
DONOTS
Heut ist ein guter Tag
Mit „Heut ist ein guter Tag“ veröffentlicht das deutsche Punkrock-Urgestein DONOTS aus dem beschaulichen Ibbenbüren dieser Tage Album Nummer zwölf. Nach 28 Jahren Bandgeschichte begleiten die DONOTS viele von uns schon länger als die Hälfte unseres Lebens. Irgendwie dann doch verrückt, dass sie es auf jedem Album wieder schaffen, zu fesseln, zu berühren und auch zum Nachdenken anzuregen. Themen, die aus dem Leben gegriffen sind und mit denen jeder von uns sich identifizieren kann. Alles, was die DONOTS ausmacht, ist auf „Heut ist ein guter Tag“ verpackt in einem Mix aus Punkrock, Charme, Ohrwurm-Melodien und hochexplosivem und purem Spaß, ohne dabei jemals auch nur annähernd stumpf zu wirken. Wenn heute DIE TOTEN HOSEN und DIE ÄRZTE als die beiden großen grauen Eminenzen des deutschen Punkrock bezeichnet werden, so wird man in ein paar Jahren genau so über die DONOTS sprechen. „Heut ist ein guter Tag“ bietet so viele Anspieltipps, dass man an dieser Stelle sagen muss: Selbst wenn ihr die DONOTS zuletzt auf „Pocketrock“ für gut befunden habt, hört euch „Heut ist ein guter Tag“ an. Ihr werdet es nicht bereuen. Das Feuer brennt noch immer! (Solitary Man) Carsten Jung
HALF ME
Soma
Eine bittere Platte über den psychischen Zerfall mit einer Sammlung zumeist schwer verdaulicher Kurzgeschichten: „Soma“ ist keine Schonkost, dafür aber ein im Gewand eines Debütalbums getarntes Meisterwerk. HALF MEs moderne Herangehensweise an altbekannte (Nu)Metal- und Core-Elemente überzeugt: dynamische Riffs, massive Breakdowns, schwindelerregende Double Time, eingängige Melodien und natürlich darf auch das eine oder andere TranceElement nicht fehlen – es ist schließlich 2023. Inhaltlich erzählt jeder Song seine eigene Story, wird aber mit auf das Wesentliche reduzierten Riffs und dem herausragenden Gespür der Band, in den richtigen Momenten die Wucht rauszunehmen, in ein fesselndes musikalisches Gesamtkonstrukt gebettet. Auch die ruhigen Instrumentals „Zenit“ und „Mitternacht“, die mit ihren deutschen Titeln an die Herkunft der Band erinnern sollen, verhelfen den anderen Tracks zur vollen Entfaltung ihres Potenzials. HALF ME kreieren mit Herz und Ambition eine wunderbare Balance aus allem, was ihr Genre hergibt. Bereits seit Jahren steigt die Qualität der Erstlingswerke im Metalcore rapide an, mit „Soma“ gesellt sich ein weiteres erstklassiges hinzu – und will unbedingt gehört werden. (Arising Empire) Jeannine Michèle Kock