Seminar „Bauen mit Lehm“ Sommersemester 2010
Seminar „Bauen mit Lehm“, Sommersemester 2010
RWTH Aachen/ LVR Freilichtmuseum Kommern
mit besonderem Dank an: Manfred Speidel, Veranstalter des Lehmbauseminars Dr. Josef Mangold, Museumsleiter Freilichtmuseum Kommern Theo Zander, Maurermeister Johannes Zingsheim, Maurermeister
ausgeführt von: Volker Bähr, Andreas Baur, Nikolas Kerschke, Alexander Korting (FH Trier), Werner Tripp, Peter Franz Weber, Anja Zens, Todor Ivanov Zhabov
Inhalt
Einleitung
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Fachwerk; Konstruktion und Begriffe
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Die Staken
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Vorbereitung der Riegel
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Einbau der Staken
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Die Ruten
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Lehm
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Sand und Stroh
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Herstellung des Stroh - Lehm - Gemischs
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Aufbringen des Strohlems
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Lehmputz
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Aufbringen des Lehmputzes
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Inhalt
Einleitung 1958 erhielt die Gemeinde Kommern in einer Stichwahl den Zuschlag zur Einrichtung des LVR Freilichtmuseums, welches im Jahr 1961 eröffnet wurde. In momentan vier Baugruppen wird in über 65 historischen Gebäuden das Leben der Landbevölkerung in den Regionen Eifel, Westerwald, Niederrhein und Bergischem Land ab Mitte des 16. Jahrhunderts dargestellt. Als eines der ersten Gebäude wurde die aus der Mitte des 18. Jahrhunderts stammende Scheune aus Opherten im Freilichtmuseum errichtet. Aus Zeitgründen wurden die Gefache beim Wiederaufbau mit Bimssteinen ausgemauert, und Außen wie Innen mit Lehm verputzt. Einige Jahre später konnte man die Struktur der Steine bereits durch den Lehm sehen. Die Bimssteine führen, im Gegensatz zu der traditionellen Ausfachung mit Strohlem die Feuchtigkeit nur ungenügend ab, Staunässe auf den Riegeln führt so auf Dauer zu einer Schädigung der Balken.
Seit 1986 werden durch Studenten der RWTH die Gefache nach und nach in traditioneller Bauweise erneuert.
Einleitung
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Fachwerk: Konstruktion und Begriffe Bis in das neunzehnte Jahrhundert war der Fachwerkbau die vorherrschende Bauweise in Mitteleuropa. Ein Skelett aus horizontalen, vertikalen und aussteifenden diagonalen Holzbalken übernimmt die tragende Funktion des Gebäudes. Die dazwischenliegenden Gefache wurden mit Strohlem ausgefacht, oder mit gebrannten oder luftgetrockneten Lehmziegeln ausgemauert. Üblicherweise wurden die tragenden Holzbalken verzapft und mit Holznägeln gesichert.
Dach; Stroheindeckung Dachsparren Riegel Rähm Brustriegel Schwelle
Bundbalken Gefach Schwertung Ständer Steinsockel
Bezeichnung der Bauteile eines Fachwerkgebäudes am Beispiel der Scheune aus Opherten
Fachwerk; Konstruktion/ Begriffe
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Staken Staken sind senkrecht in die Gefache eingesetzte Hölzer, um die später die Ruten geflochten werden. Die Staken werden aus frischem Hartholz, in diesem Fall Eichenholz hergestellt. Je länger das Holz gelagert ist, desto trockener wird es, was die Bearbeitung per Hand bedeutend erschwert. Zuvor gesägte Baumstämme werden zuerst mit Spaltbeil, Hammer und Keilen in radiale Stücke geteilt. Die Breite sollte die der der Staken möglichst nur gering überschreiten, um Arbeit beim nächsten Arbeitsgang zu sparen. Anschließend werden die Staken mit einem Beil aus den Rohlingen „gerissen“. Zwar liegt der Arbeitsaufwand dieser Methode höher, als die Staken zu sägen, die Stabilität eines handgearbeiteten Stakens ist aber bedeutend besser, da die Axt der natürlichen Faserrichtung des Holzes folgt.
Das Splintholz, in welchem sich Schädlinge einnisten könnten, muss komplett entfernt werden.
Staken sollen im Querschnitt etwa 2 Zentimeter breit, 7 Zentimeter lang und ellipsenförmig sein. Scharfe Kanten und Ecken werden vermieden, an welchen die Ruten beim späteren Einflechten brechen könnten.
Die Staken
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Da einige Balken der ursprünglichen Konstruktion zu sehr verwittert waren, wurden unter anderem der Schwellbalken sowie einige Riegel beim Wiederaufbau der Scheune erneuert. In diesen Balken fehlten, da für die Ausmauerung mit Bimssteinen nicht erforderlich, die Nut und die Löcher zur Aufnahme der Staken.
Die Nut im Schwellbalken und auf der oberen Seite einiger Brustriegel wurde von uns mit Beil und Holzhammer neu hergestellt.
Die Löcher an den Unterseiten der Riegel wurden mit Stechbeitel und Holzhammer etwa zwei bis drei Zentimeter tief ausgestochen.
Vorbereitung der Riegel
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Einbau der Staken Je Gefach sind mindestens drei Staken notwendig, um Ruten einflechten zu können. Ein Ende der Staken wird angespitzt, um später in das vorgefertigte Loch im oberen Riegel eingesetzt zu werden. Die Stake wird an der späteren Einbaustelle in das Loch gehalten und die gewünschte Länge angezeichnet. Das untere Ende der Stake wird abgesägt und mit dem Beil keilförmig angeschrägt, um später in die Nut im unteren Riegel zu passen. Die Staken sollten im fertigen Zustand etwa einen Zentimeter länger sein als das Gefach hoch ist, in das sie eingesetzt werden.
Die Staken werden mit dem zugespitzten Ende in die Löcher im oberen Riegel gesteckt und leicht diagonal in der Kerbe im unteren Balken eingesetzt. Mit einem Holzhammer kann der Staken dann in eine senkrechte Position bewegt werden. Im Einbauzustand müssen die Staken fest im Gefach sitzen.
Einbau der Staken
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Die Ruten Die Ruten sorgen, zwischen den Staken geflochten, für den Halt des Strohlems im Gefach. Besonders gut geeignet für die Ruten sind dreibis vierjährige Haselnusstriebe. Weidenruten und Birkentriebe wurden ebenfalls benutzt, Weiden sind aber dünner und flexibler als Haselnussruten, daher haben sie weniger Halt an den Staken und das Gefach ist am Ende weniger stabil. Der Durchmesser sollte nicht unter einem Zentimeter betragen, damit die Ruten auf Spannung zwischen den Staken sitzen. Zum Flechten zu dicke Ruten können mit einem Beil halbiert werden. Die Ruten werden mit etwa einer Daumendicke Abstand wechselseitig zwischen den Staken eingeflochten. Der Abstand soll eingehalten werden, damit sich der von Innen und Außen aufgebrachte Strohlem miteinander verbinden kann. Der Einbau längerer Ruten wird am Besten von zwei Personen durchgeführt, eine Person schiebt oder klopft mit dem Holzhammer die Rute, während die Andere die Rute um die Staken führt.
Die Enden der Ruten werden anschließend mit Beil oder Schere abgeflacht, damit sie später nicht zu nah an der Oberfläche sitzen oder herausschauen.
Die Ruten
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Lehm Lehm ist eine Mischung aus Ton, Schluff (Feinstsande), Sand und Kies. Abhängig vom Tonanteil wird zwischen fettem und magerem Lehm unterschieden. Ein Tonanteil von etwa zehn Prozent ist für Lehmausfachungen optimal. Einen fetten Lehm mit Sand abzumagern ist günstiger, als einem mageren Lehm Ton zuzumischen, um die gewünschte Konsistenz zu erhalten. Da Lehm abhängig von den Örtlichkeiten unterschiedlich zusammengesetzt ist, gibt es kein Rezept für das perfekte Mischverhältnis. In unserem Fall wurden auf drei Schubkarren Lehm drei Schubkarren Sand und ein Viertel Strohballen beigegeben. Mit Salzsäure kann man den Lehm einfach auf enthaltene organische Stoffe testen. Blubbert der Lehm, wenn man Salzsäre darüberkippt, ist dies ein Zeichen für zu viele organische Stoffe/ Mutterboden im Lehm. Hat man genügend Zeit, kann man den Lehm über Winter durchfrieren lassen, dadurch erhält er eine krümelige Struktur, was die Homogenität beim Durchtreten fördert. Lehm kann man direkt bei Ziegeleien erwerben, oder als „Abfallprodukt“ bei Kiesgruben, die Qualität ist hier aber meist schlechter. Zudem hatte früher fast jedes Dorf eine eigene Lehmkuhle, alte Flurbezeichnungen weisen oft auf deren Lage hin, und ältere Dorfbewohner können unter Umständen auch noch Auskunft darüber geben.
Der Lehm
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Sand Der Lehm wird mit Sand abgemagert, damit das spätere Gemisch beim Trocknen nicht zu sehr schwindet und reißt. Zu magerer Lehm haftet nicht ausreichend an Staken und Ruten. Dazu wird in Kollermühlen gebrochener, scharfer Sand verwendet, welcher in dem Gemisch eine bessere Haftung hat.
Stroh Das Stroh dient als Armierung im Gemisch, gibt dem Lehm eine höhere Stabilität, verhindert zu große Rissbildung und führt zu guter Haftung an den Ruten. Roggenstroh eignet sich aufgrund seiner höheren Stabilität grundsätzlich besser als Weizenstroh. Mit der Sense geerntetes Stroh ist im Gegensatz zu industriellem Stroh besser, da die Halme durch die Walzen im Mähdrescher geschädigt und faserig werden, auch ist gesenstes Stroh länger. Die Fasern für Ausfachungen sollten zwischen zehn und zwanzig Zentimetern lang sein.
Sand und Stroh
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Herstellung des Stroh - Lehm - Gemischs Der Lehm wird je nach Konsistenz mit Sand abgemagert und mit Wasser gemischt. Zu grobe Steine werden entfernt. Auf den in einer Stahlwanne ausgebreiteten Lehm wird das Wasser geschüttet, danach der Sand gleichmäßig mit der Schaufel darübergestreut. Dieses Gemisch wird mit den nackten Füßen durchgetreten, dabei ist es wichtig, daß in kleinen Seitwärtsschritten bis zum Boden durchgetreten wird. Der Inhalt der Wanne muß mehrfach, mindestens drei Mal, mit Schaufeln oder Gabeln gewendet und wieder getreten werden, bis er gut durchmischt ist. Es dürfen keine zusammenhängenden Lehmbrocken mehr im Gemisch vorhanden sein, die im Herbst die Luftfeuchte aufnehmen und bei Frost zu einer Schädigung des Gefachs führen könnten. Dieser Vorgang kann zwischen einer dreiviertel bis einer Stunde dauern. Erst danach wird das Stroh hinzugefügt. Das Stroh wird lose und in mehreren Arbeitsgängen eingestreut, um die Bildung von Nestern zu vermeiden.
Nach dem Einarbeiten des Strohs wird noch einmal geprüft, ob zusätzlicher Sand zugefügt werden muß, um den Lehm noch weiter abzumagern.
Herstellung des Stroh - Lehm - Gemischs
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Aufbringen des Strohlems Vor dem Aufbringen des Stroh-Lehm Gemischs werden die Ruten und Staken im Gefach angenässt, um die Haftung des Lehms zu verbessern. Der Lehmbewurf wird von mindestens zwei Personen pro Gefach gleichzeitig von beiden Seiten aufgebracht, um eine gute Haftung zu erreichen, dabei wird von unten nach oben gearbeitet. Auf der Innenseite wurde bündig an die Kante der Riegel gearbeitet, die Ständer haben meist größere Dimensionen. Auf der Außenseite steht der Lehmbewurf bis zu zwei Zentimeter hinter der Kante der Balken zurück, um Platz für den Putz zu lassen. Damit der Putz später genügend Halt hat, darf die Oberfläche nicht glatt gestrichen werden. Mit der Kante der Putzkelle kann der Lehm flächig aufgeraut werden, anschließend werden mit den Fingern oder speziellen Werkzeugen horizontale oder diagonale Rillen in den Lehm gezogen.
Lehmarbeiten sollen weder bei zu hohen noch bei zu niedrigen Temperaturen durchgeführt werden. Anfang bis Mitte Oktober sollten Arbeiten im Außenbereich eingestellt werden, damit der Lehm vor dem ersten Frost genügend ausgetrocknet ist und nicht gesprengt wird.
Aufbringen des Strohlems
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Lehmputz Als Außenputz ist Lehm in den Regionen wie der Eifel nur bedingt geeignet, da er nur bis zu 140 Liter Schlagregen pro Jahr nicht ausgewaschen wird. Dies erklärt die großen Dachüberstände alter Fachwerkbauten, durch welche die Fassaden vor dem Regen geschützt werden sollten. Die Wetterseite wurde zusätzlich oft durch Dachziegel aus gebranntem Ton, eine senkrechte Strohdeckung oder Holzverschalungen vor dem Schlagregen geschützt. Die Putzschicht sollte nicht dicker als 2 Zentimeter sein, um Stabilität zu garantieren und Risse zu vermeiden. Bei größeren Dicken empfielt sich die Verwendung von Putzträgern. Die Konsistenz des Lehmputzes ist etwas flüssiger als die der Ausfachung, der Lehm magerer. Das Stroh für die Feinschicht wird auf eine Länge von drei bis fünf Zentimeter gehäckselt. Bei durch Schlagregen besonders beanspruchten Flächen und im spritzwassergefährdeten Sockelbereich wurden oft auch feinere Faserstoffe wie Hanf oder Pferdehaare beigemischt. Um eine hydrophobierende Wirkung zu erreichen kann der Deckschicht Milch oder Kasein beigemischt werden.
Zu hohe Temperaturen und direkte Sonneneinstrahlung auf frischen Putz führen zu einem zu schnellen Austrocknen der Putzschicht.
Lehmputz
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Aufbringen des Lehmputzes Gefache sollten mindestens drei Monate ausgetrocknet sein, bevor der Putz aufgebracht wird. Vor dem Aufbringen der Putzschicht muss der Untergrund gut durchnässt werden, damit er nicht dem Putz das Wasser entzieht, und dieser reißt. Eine Viertelstunde vor Aufbringen des Feinputzes wird der Untergrund mit dem Quast durchnässt, der obere Zentimeter sollte fühlbar durchfeuchtet sein. Direkt vor dem Aufbringen der Putzschicht wird der Untergrund erneut angenässt, so dass er glänzt. Beim Verputzen wird von der Unterkante des Gefaches nach oben gearbeitet. An der oberen Kante springt die Putzschicht etwa zwei Millimeter hinter den Riegel zurück, so dass ablaufendes Wasser abtropfen kann und nicht in den Lehm eindringt. Im fertigen Zustand soll der Putz über den unteren Riegel des Gefaches in einer Wölbung überstehen, so dass kein stehendes Wasser in den Balken eindringt. Nach dem Verputzen werden die Balken vom Lehm gereinigt.
Die Putzschicht muß täglich nachgearbeitet werden, bis sie gut durchgetrocknet ist und nicht mehr schwindet, am ersten Tag kann stündliches Nacharbeiten erforderlich sein. Entstandene Schwindrisse werden dabei nach minimalem Wasserauftrag oder Auftrag von Lehmmilch mit der Glättkelle durch festes Andrücken geschlossen.
Aufbringen des Lehmputzes
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Nach Beendigung der Lehmbauarbeiten hatten wir im Rahmen einer Führung durch die Zimmerei und die historische Sägemühle des Museums die Möglichkeit, moderne wie traditionelle Werkzeuge und Methoden der Holzbearbeitung im Bauwesen kennenzulernen.
Bild: Die von den Teilnehmern des Seminars „Bauen mit Lehm“ im Sommersemester 2010 erneuerten Gefache der Scheune aus Opherten