Bootshalle

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Bootshalle Integriertes Projekt, Sommersemester 2007 Der Mülheimer Hafen im rechtsrheinischen Köln - ein verwunschener Ort, der seine frühere Bedeutung als Industriehafen verloren hat. Eine marode Schiffswerft und ein örtlicher Ruderclub sind seine einzigen verbliebenen Nutzer. Die alten Hafenkräne sind abgebaut, bis auf einen einzigen, der ohne weitere Aufgabe an vergangene, betriebsamere Zeiten erinnert. Verrostende Kähne, die niemandem zu gehören scheinen dümpeln in dem brackigen Wasser vor sich hin, aus den Ziegelmauern der Lagerhallen wachsen Bäume. Etwas weiter südlich liegt der Rheinpark, eine große Parkanlage mit den Relikten der Bundesgartenschau 1957, darin als einzige Attraktion eine kleine, verwahrloste Kolonie von Aussteigern in Zelten und Bauwagen. Doch es gibt Zeichen eines Aufschwungs in diesem vom Strukturwandel, vom Zusammenbruch der Kabel- und Elektroindustrie und hoher Arbeitslosigkeit geprägten Stadtteil. Architekturbüros, kleine Unternehmen, Ateliers und sogar eine kleine Diskothek mit Club und Biergarten haben sich in den letzten Jahren die verkommenen, doch architektonisch erhaltenswerten Hafengebäude angeeignet, glücklicherweise ohne äußerlich viel daran zu verändern. Weiter im Norden, gleich am Rheinufer, sind in den letzten Jahren hochwertige Eigentumswohnungen entstanden, mit einer Bewohnerschaft, die bislang wenig Freizeitangebote in ihrem Quartier vorfindet. Der Hafen soll im Rahmen einer Revitalisierung des Stadtteils der Standort einer neuen Bootshalle werden. Am Ende des größeren der beiden Hafenbecken soll ein hochfunktionales, energetisch effizientes und wirtschaftliches Gebäude entstehen, das den Anforderungen einer Lagerhalle für mit Werkstatt ebenso gerecht wird, wie denen des dazugehörigen Clubs mit anspruchsvollem Publikum aller Altersgruppen. Als Ort regelmäßig stattfindender kleinerer Bootsmessen soll es zugleich einen repräentativen Rahmen für Verkauf und Ausstellung hochwertiger Segel-, Ruder- und Motorboote bieten, mitsamt angemessener Cafeteria und Büroräumlichkeiten.






Es soll ein Gebäude für das Wasser sein, das mit dem Wasser eine enge Verbindung eingeht, nicht bloß eines am Wasser. Die Form des Gebäudes und seine Ausrichtung ergibt eine Verbindung zwischen dem festen Boden des Hafengeländes und dem Wasser dahinter, ein Tunnel der den Blick des Besucher schon beim Ankommen zum Hafenbecken lenkt, zu den darin liegenden Booten, zu den Aktivitäten auf der Plattform am Wasser. Die nördliche und die südliche Fassade sind dementsprechend transparent gehalten, mit einem durchgehenden Pfosten-Riegel-System auf der Landseite und verglasten Hubtoren auf der Wasserseite, die Schmalseiten der Halle und das Dach sind dagegen opak ausgeführt, nur mit punktuellen Lichteinlässen von oben. Die Gesamtanlage richtet sich konsequent nach den Erfordernissen der Abläufe in der Bootshalle, mit einem vorgelagerten, durch seine Leere universellen Platz mit verdichteter Schotteroberfläche zum Parken und für Veranstaltungen, einem schmaleren Platz zum Arbeiten an den Booten oberhalb der Kaimauer mit dem erhaltenen Hafenboden aus Wackersteinen, mit einem kleinen Kran für die Boote - dazwischen die Halle, von beiden Seiten zugänglich. Auch im Inneren folgt die Aufteilung und Gestaltung ganz unterschiedlichen Nutzungsszenarien zwischen schmutzlastigen Arbeiten an den Booten, den internen Veranstaltungen des Clubs und dem Empfang anspruchsvoller Gäste von Bootsausstellungen: Der Besucher betritt zunächst einen Empfangsbereich mit Treppenhaus, Teil des funktionalen Riegels entlang der südlichen Fassade. Von hier aus betritt er entweder die Halle mit der langen, abtrennbaren Werkstattzone im vorderen Bereich, oder aber er begibt sich, ohne Umweg durch den Arbeitsbereich, ins Obergeschoss zu den Räumlichkeiten des Clubs mit Büro, Besprechungsraum und Cafeteria. Während einer Ausstellungs- und Verkaufsveranstaltung ist der Durchgang direkt in die Halle geöffnet. Durch ihren glänzenden, leicht zu reinigenden Polyurethanboden, das von oben einfallende Licht und den beeindruckenden Ausblick auf das Hafenbecken ist sie leicht von einer Werk- und Lagerhalle in einen repräsentativen, seinen eigentlichen Zweck nicht verleugnenden und höchst authentischen Showroom zu verwandeln.


Auch in den Büroräumen und der Cafeteria im Obergeschoss geht der Bezug zum eigentlichen Gegenstand, den Booten, nicht verloren. Der eingestellte Funktionsriegel gewährt durch seine vollflächige Verglasung den Blick in die Halle und zum Hafenbecken, aber auch zum vorgelagerten Platz, wo die Gäste, Clubmitglieder und Kunden eintreffen. Diese beiderseitige Orientierung des Funktionsriegels setzt sich im Erdgeschoss fort: Die Werkstatt nimmt die gesamte Länge des Gebäudes ein, und bedient somit alle Stellplätze der Halle auf kurzem Wege; auf der anderen Seite, wo sich in regelmäßigen Abständen Kerne mit Sanitär- und Lagerräumen befinden, verfügt sie über Ausgänge zum Platz, die den Mitgliedern den Zutritt zu ihrem Arbeitsbereich ohne den Umweg des Empfangraums erlauben, aber auch die direkte Anlieferung von Material oder einen kurzen Aufenthalt im Freien.











Struktur Die opake Wand- und Dachhülle, als ein zusammenhängender Teil aufgefasst, ist dem Gegenstand entsprechend in einer für den Bootsbau typischen Spanten-Bauweise aus dünnem Sperrholz und Abstandhaltern aus formbarem Brettschichtholz aufgebaut, überzogen von einem glänzenden Polyurethan-Dickschichtanstrich, der in seiner Materialität an die Haptik und das Erscheinungsbild moderner Bootsrümpfen erinnert. Getragen wird diese Hülle, wie auch die verglasten Fassaden von einem Stahlskelettragwerk aus Normalprofilen, dessen Zweigelenkrahmen biegesteif auf den Stützen des durch Stahlbetonwandscheiben ausgesteiften Funktionsriegels im Süden und gelenkig auf Pendelstützen in der nördlichen Torfassade gelagert ist. Die Auskragung der Hülle, die als Witterungsschutz beim Arbeiten im Freien und als Erweiterung des Innenraums nach außen dient, wird von Fortführungen der Fachwerkträger unterstützt, die mittels Schoeck-Isokörben als Auskragungen an den Hauptträgern angebracht sind. Alle geschweißten Verbindungen sind so angelegt, daß sie im Werk vorgenommen werden können, bei einer für den Transport geeigneten Größe der Fertigteile. Die Montage der Fertigelemente mit Passchrauben, sowie das Einfügen der Betonfertigwände und Cofrastra-Betonverbunddecken im Funktionskern werden vor Ort vorgenommen. Die nördliche Fassade an der Wasserseite ist zum einfachen Transport der Boote und zur Öffnung der Halle bei Veranstaltungen mit Hubtoren ausgestattet, Sonderausführungen, die wir speziell für dieses Gebäude entworfen haben, nachdem die Suche nach passenden Modellen und Anfragen bei den Herstellern von Hallentoren kein brauchbares Ergebnis lieferte. Anders als Schiebetore erlauben sie die vollständige Öffnung der Halle, ohne den Nachteil von Rolltoren, die keinen ausreichenden Ausblick gewähren. Da sie in einem Stück nach außen aufgehen, können sie sofort nach einem Unwetter geöffnet werden, ohne im Inneren der Halle Schäden durch herabtropfendes Wasser zu verursachen. Ein wichtiger Vorteil ist auch die gestalterische und materielle Übereinstimmung die sich durch die nahtlose Einbindung der Tore in die restliche Fassadenkonstruktion ergibt.











Belichtung Die Halle bietet aufgrund ihrer opaken Hülle und der selektiven Öffnung in nur zwei Richtungen einen wirkungsvollen Sonnen- und Wärmeschutz bei ausreichender natürlicher Belichtung. Auch die leichte Auskragung der Hülle im Süden und der dort angebrauchte, außenliegende Sonnenschutz in Form weißer aufrollbarer Markisen verringert den Sonnen- und Wärmeeintrag in der heißen Jahreszeit. Die Ausrichtung und Öffnung der Halle nach Norden liefert dem Arbeitsbereich blendfreies Nordlicht und zur Belichtung der inneren Bereiche von oben durch die perforierte Hülle einfallendes Licht. Der Funktionskern mit seinen Sonnenschutzvorrichtungen hält blendendes Licht von Süden weitgehend fern von der Halle, ohne den Aus- und Einblick übermäßig zu behindern.



Gebäudetechnische Ausstattung Ein System von Luft-Erdwärmetauschern mit unter der Halle angelegten Tiefkanälen im ersten Kreislauf und zusätzlichen solaren Wärmepumpen im gegenläufigen Kreislauf stellt mit sehr geringem zusätzlichen Energieaufwand ein gleichmäßig angenehmes Klima in der Halle her. Die Konstanz der Bodentemperatur einige Meter unter dem Gebäude kühlt die im Bereich der Kaimauer einströmende warme Luft im Sommer ab, während sie diese im Winter um einige Grad der gewünschten, wärmeren Innentemperatur annähert. Die zu beiden Seiten und nach oben zu öffnende Raumstruktur erlaubt eine wirkungsvolle Querlüftung und ein Entweichen verbrauchter, erwärmter Luft durch die aufstellbaren Lichteinlässe in der Hallendecke. Zum wirtschaftlichen und ökologischen Umgang mit der Ressource Wasser verfügt die Bootshalle über ein differenziertes System von Wasserbereitstellung und Abwasserentsorgung, das die Wiederverwendung von Brauchwasser und Grauwasser, insbesondere zum Reinigen der Boote und des Hallenbodens erlaubt, ergänzt durch die Nutzung von Regenwasser, das auf dem großflächigen Dach anfällt und bis zu einem Überschuß in einem zentralen Tank gesammelt wird.







Bootshalle Integriertes Projekt Sommersemester 2007 Vordiplom Lehrstuhl Baukonstruktion II, Prof. Hartwig N. Schneider Lehrstuhl für Tragkonstruktion, Prof. Martin Trautz Lehrstuhl für technischen Ausbau und Entwerfen, Prof. Jo Ruoff RWTH Aachen Fakultät für Architektur Gruppenarbeit mit Volker Bähr, Georges Dengler, Laura Koopmann und Bodo Schröder




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