Q1 RWTH_Campus

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Q1 RWTH_Campus Aachen - Innovative Wohntypologien 2010 In Aachen wird es seit einigen Jahren immer enger, vor allem seit die RWTH das Siegel einer Exzellenz-Universität erhalten hat. Mehr Studienanfänger als früher, aber auch junge Mitarbeiter von Instituten und Firmen der Technologiebranchen ziehen in die Stadt, die damit auch für Unternehmen, vor allem aus den Bereichen Medizintechnik, Maschinenbau und Informatik, immer attraktiver wird. Das Angebot an Wohnraum kann mit dem Bedarf nicht mehr annähernd mithalten, weder auf dem freien Markt, noch in den Wohnheimen. Insbesondere ist es schwierig geworden, als Single eine kleine, bezahlbare Unterkunft zu finden. Berufseinsteiger und Studierende haben auch nicht die Zeit, lange auf eine freie Wohnung zu warten, etwa wenn sie eine neue Stelle antreten, das Studium beginnen oder hier fortsetzen - denn irgendwo müssen sie ja eine Bleibe haben. Hinzu kommen hohe Gebühren für Makler und Kautionen - für viele vor der ersten Gehaltsauszahlung eine große Hürde zur eigenen Wohnung. Entscheident für die Zielgruppe ist ein niedriger Preis, Flexibilität und direkte Verfügbarkeit, außerdem die Nähe zur Universität und zu den Unternehmen im Umkreis der RWTH-Institute, sowie die Nähe zum Zentrum mit Freizeitangeboten. Ebenso bedeutend aber ist die soziale Interaktion am Wohnort mit Leuten gleiche Alters, die im selben, von Belastungen und Ungewissheiten bestimmten, doch sehr spannenden Lebensabschnitt sind. Ein freies Grundstück auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs West ist der ideale Standort für eine solche Wohnnutzung. Es liegt nur einen kurzen Fußweg von der RWTH und vom Zentrum entfernt, inmitten des gerade neu entstehenden Campus_West mit Instituten und High-Tech-Unternehmen.



Das brachliegende Gelände, auf dem sich noch ein Asylbewerberheim und Künstlerateliers in einem alten Klostergebäude befinden, wird in seinem ursprünglichen Zustand belassen, auf Eingriffe in die Vegetation wird ganz verzichtet: Der verwilderte, von der Natur zurückgewonnene ehemalige Betriebshof der RWTH bietet den Bewohnern ein ungewöhnliche, aber abwechslungsreiche Umgebung im Kontrast zur der perfekten, makellosen Umgebung des Campus_West. Auch werden keine neuen Straßen und Wege angelegt, sondern die vorhandene Infrastruktur des Betriebhofes mit samt Wege- und Leitungsnetz weiterverwendet - nicht zuletzt zur Kostensenkung. Die eingesetzten Mittel sollen ausschließlich für eine hohe Wohnqualität mit unkonventionellen Lösungen bereitstehen. Das Gelände am Übergang zur ländlich geprägten Vorstadt wirkt als Bindeglied zwischen urbaner und suburbaner Zone, und vereint damit Qualitäten beider Bereiche innerhalb eines Wohngebietes. Neben der günstigen Lage innerhalb des Stadtgebietes mit Autobahn- und Busanschluß in direkter Nähe ist hier ein größeres Flächenangebot von Vorteil, das es sonst selten im Segment preisgünstigen Wohnraums gibt. Aber es wird kein Raum verschwendet, die Bewohnerdichte ist trotz der lockeren Bebauung hoch. Möglich wird dies, indem die einzelne Unterkunft auf ein Minimum einer privaten Wohnkapsel für Singles reduziert wird - für eine Zielgruppe, für die Gelegenheiten zum sozialen und beruflichen Austausch weit mehr zählen, als Zurückgezogenheit und Privatheit. Aus einem Mangel wird so ein entscheidender Vorteil für die Neuankömmlinge in der Stadt, die hier leicht Anschluss finden und Netzwerke bilden können. Insbesondere der Austausch zwischen Studierenden und Absolventen, sowie zwischen Mitarbeitern unterschiedlicher Institute und Firmen ist für die Bewohner von entscheidendem Vorteil in persönlicher, wie auch in professioneller Hinsicht.




Die weitgehende Reduktion der privaten Wohneinheit erlaubt die Schaffung eines großzügigen Gruppenbereichs für jede Wohngruppe im Erdgeschoss, in der sich das Miteinander innerhalb der eigenen und zusammen mit anderen WGs abspielt. Die Wohnkapsel mit integrierter Naßzelle dient allein zum Schlafen, zur Körperpflege, der Aufbewahrung persönlicher Gegenstände und für konzentriertes Arbeiten. Alle anderen Tätigkeiten finden in der Gruppenbasis statt, in der sich eine große Wohnküche, ein universeller Arbeits- und Aufenthaltsraum, eine Bar und Sanitärräume befinden. Dieser Bereich ist groß genug für Partys, zu der auch andere Gruppen eingeladen werden, aber auch als gemeinsamer Raum zum Arbeiten. Durch die Bildung von zwei Bereichen können parallel unterschiedlichste Aktivitäten ohne gegenseitige Störung stattfinden. Das Miteinander in der Gruppe aber ist keine dauernde Verpflichtung, denn der eigene Wohnbereich ist ausreichend bemessen und ausgestattet, um sich nach Wunsch zurückzuziehen. Die Bewohnerzahl einer Wohngruppe ist variabal von ca. 6-12 Personen, einfach durch Entfernen oder Hinzufügen von Wohnkapseln. Eine fahrbare Hubplattform kann jede Kapsel innerhalb kürzester Zeit von einer Gruppe zu einer anderen bringen, ohne die sonst üblichen Umstände eines Umzugs. Die oft problematische Zusammenstellung einer WG mit langwierigen Vorstellungsrunden wird so vermieden, denn jeder Bewohner kann rasch die Gruppe wechseln, sobald er sich in ihr nicht wohl fühlt - aber auch wenn er einfach bloß noch andere Leute im Gebiet kennenlernen möchte. Ein Umzug wird damit so einfach wie das Verreisen mit einem einzigen Koffer.




Jede Kapsel verfügt über leicht bedienbare Schlauch- und Kabelkupplungen, mit denen an die haustechnische Infrastruktur des tragenden Masts angeschlossen werden kann. Zur Minimierung des Gewichts und für eine effektive Wärmedämmung sind sie in leichter Sandwichbauweise aufgebaut, im Gegensatz zur Gebäudebasis aus Dämmbeton. Die Kapseln bestehen aus einer günstigen Kombination aus MDF-Platten, Zellstoff-Dämmung und einer Polyurethan-Beschichtung, deren Farbe jeder Bewohner frei wählen kann. Die enthaltene Naßzelle mit Dusche ist ein Fertigteil aus Polyurethan-Spritzguß. Die Herstellung der Kapseln in großer Anzahl soll langfristig so preisgünstig werden, daß die Bewohner diese beim Einzug kaufen, und somit die Miete niedrig halten. Gleichartige Wohnprojekte in anderen Städten sollen entstehen, in die die eigene Kapsel einfach mitgenommen wird, wenn man die Universität oder den Job wechselt: Ein umfassendes, über viele Städte und verteiltes System zum Wohnen, für die Lebensphase, in der man sich noch nicht fest niederlassen will - und offen ist für Experimente.







Q1 RWTH_Campus Aachen Wintersemester 2009/2010 Lehrstuhl für Planungstheorie und Stadtentwicklung, Prof. Dr. Klaus Selle Lehrstuhl und Institut für Städtebau und Landesplanung, Prof. Kunibert Wachten Lehrstuhl für Landschaftsarchitektur, Prof. Dr. Frank Lohrberg RWTH Aachen Fakultät für Architektur




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