ﺑﺎدﮔﻴﺮ Bād-gir – ein natürliches Konzept zur Regulierung des Gebäudeklimas der Architektur im Iranischen Hochland
Smart Energy WS 2009/10 - Prof. Jo Ruoff / Lehrstuhl für Technischen Ausbau und Entwerfen / RWTH Aachen Peter Franz Weber / Matr. 265134 / Aachen, 23.03.2010
Einleitung Nähert man sich der Stadt Yazd, einer Oase der Wüste Dasht-e Kavir, wird man sich über die sonderbaren Türme wundern, die zwischen den üblichen Minaretten und Kuppeln aufragen. Aus der Entfernung betrachtet meint man, auf eine Dépendance christlichen Glaubens inmitten des persischen Hochplateaus gestoßen zu sein, denn die Türme, mit feingliedrigen Öffnungen im oberen Stockwerk, haben eine auffällige Ähnlichkeit mit Glockentürmen. Die Anzahl der ungewöhnlichen Bauten und ihre gleichmäßige Verteilung über die Stadt aber machen den Besucher recht bald auf seinen Irrtum aufmerksam, denn beinahe jedes Gebäude verfügt über diese Vorrichtung. Mit immer wieder anderen, mehr oder weniger reichen Zierformen der islamischen Bautradition ausgestattet, ragen sie über den Dächern der alten, ein-bis zweistöckigen Lehmoder Ziegelhäuser empor, meist als regelrechte Türme, schlank und grazil, gelegentlich als gedrungene Aufbauten, eher zusätzlichen Geschossen, oder aber als niedrige Kamine, nur wenig höher als die umgebenden Flachdächer. Alle aber folgen denselben Gesetzmäßigkeiten, die wohl nur im Reichtum der Dekoration und in den Proportionen gewisse Freiheiten gewähren: Einem geschlossenen, massiv aus Ziegeln oder Lehm gemauerten polygonalen Schaft folgt ganz oben ein umlaufendes Band von seitlichen Schlitzen, bedeckt von einem Gitter aus Mauerwerk oder geschlämmtem Holz, darüber ein flach geneigtes Dach. Bei den Öffnungen handelt es sich ganz offensichtlich nicht um Fenster, denn dafür hätte man die Sprossen in viel größeren Abständen angeordnet: Einen Aufenthaltsraum oder Aussichtsposten stellt das in alle Himmelsrichtungen offene Geschoss also nicht dar. Auch eine Verwendung als Schornstein scheidet aus, denn aus keinem der Türme steigt Rauch auf. Fest steht, daß diese Konstruktionen eine bestimmte Aufgabe haben und wohl auch recht wirksam erfüllen, denn anders wäre der bauliche Aufwand nicht zu erklären, den die Besitzer selbst der bescheidensten Häuser darum treiben. Worum aber handelt es sich nun genau? Allein der Umstand, daß solche Bauwerke in der westlichen Architektur scheinbar keine Entsprechung haben, ist Anlaß genug, der Sache auf den Grund zu gehen, also eines der Gebäude zu besichtigen, die einen solchen Aufbau tragen. Beim Eintreten wird sofort begreiflich, wie es so vielen Menschen möglich sein kann, in dem widrigen Klima der persischen Wüste ein erträgliches Leben zu führen, wie an diesem Ort, beinahe dem heißesten und trockensten des Landes, eine Großstadt entstehen konnte. Im Inneren des Lehmgebäudes herrscht, ganz anders als in den engen Straßen und Gassen, ein angenehmes Raumklima, kaum über der gewohnten Zimmertemperatur europäischer Wohnungen, mit einer leicht angefeuchteten, sauberen Luft, die beim Atmen kein Gefühl der Austrocknung verursacht. Erstaunlich ist auch das Fehlen jeglicher Küchen- und Körpergerüche, obgleich die Räume allenfalls durch leichte Vorhänge voneinander getrennt sind, und dazu einer recht großen Familie auf geringer Fläche Platz bieten. 2
Auf seine Frage, was denn für diesen behaglichen Zustand verantwortlich sei, wird dem Besucher keineswegs erzählt, man habe, gut versteckt, eine importierte Klimaanlage eingebaut. Stattdessen wird er in einen unscheinbaren, nischenartigen Bereich neben dem großen Wohn- und Speiseraum der Familie geführt, wo sich gemauerte Sitzbänke um ein Wasserbecken gruppieren – wie allein damit ein so vorzügliches Klima in dem Haus erreicht werden soll, ist noch unklar. Die Öffnungen an der Decke des Raumes bemerken wir erst, als uns der Gastgeber darauf hinweist. Weit nach oben zum Licht reicht der Blick durch einen düsteren Schacht. Dünne Wände aus glattgestrichenem Lehm teilen ihn, ähnlich den Segmenten einer Zitrone, in schmale Kanäle dreieckigen Profils, aus denen, ganz ohne schädliche Zugluft, angenehm temperierte Luft in den Raum strömt.
Klimatische Bedingungen Die Salzwüste Dasht-e Kavir ist eine flache, graue bis braune Sand- und Schotterebene, ein 77.600 km² großes Hochplateau nahezu ohne Vegetation, das im Norden an das Alborz-Gebirge und im Süden an die Wüste Dasht-e Lut (Wüste der Einsamkeit) grenzt. Die extreme Aridität wird neben der Passatzirkulation unter dem Einfluss der Wendekreislage zusätzlich begünstigt durch die das Plateau einfassenden, regenabschirmenden Hochgebirge. In dem fast ganzjährig regenlosen Gebiet rein kontinentalen Klimas werden im Sommer regelmäßig 50 °C erreicht, bei einer durchschnittlichen Temperatur im Januar von 22 °C ergibt sich eine extreme Jahrestemperaturdifferenz von über 70 °C. Nennenswerte Niederschläge fallen nur im Winter, wodurch der Wüstenboden, bis weit unter die Oberfläche ausgetrocknet und schollenartig zerklüftet, starken Erosionen durch Wind ausgesetzt ist, die dem Boden bedeutende Nährstoffe entziehen. Landwirtschaft ist damit nur mittels komplexer Bewässerungssysteme (Quanat/Kariz) in künstlichen Oasen möglich. Die Neuerschließung und der Erhalt von Lebensraum und Anbauflächen ist wegen der starken Erosion und Sandverwehung eine ständige Herausforderung. Der einzige frei verfügbare Baustoff sind Ziegel aus Lehm und Pflanzenfasern, die, für sämtliche Bauten verwendet, dem rauhen Klima nur wenig entgegenzusezten haben, und ständig ausgebessert oder ersetzt werden müssen, jedoch den Vorteil einer sehr hohen Temperatur-Speichermasse haben. Nicht ohne Grund besiedeln Menschen Gebiete mit lebensfeindlichen klimatischen Bedingungen, die zudem sehr abgelegen und, nach herkömmlichem Geschmack, ohne landschaftliche Reize sind. Die Stadt Yazd, vor über 3000 Jahren gegründet, war bis 651 n. Chr. unbedeutend. Erst die Vertreibung der persischen Anhänger des Zarathustrismus durch die Muslime zum Ende der Sassanidischen Dynastie führte zur umfangreicheren Nutzbarmachung und Besiedlung der Oase, in der schließlich die Stadt Yazd entstand. Bis heute ist sie das bedeutendste Zentrum zoroastrischer Religion, deren Verbreitung sich im Stadtbild durch viele Feuertempel 3
(dar-be/agiar) niederschlägt, und die gleichberechtigt neben dem dominierenden Islam praktiziert wird. Weshalb gerade dieser Ort für eine Siedlung ausgewählt wurde ist ungewiss. Vermutet wird, daß nomadische Volksgruppen hier schon vor Beginn der städtischen Entwicklung eine Oase als Versorgungsstation für die Durchquerung der Wüste eingerichtet haben. Die damit schwer zugängliche Lage verschonte die Stadt und ihre Bewohner vor weiteren Kriegen und religiösen Verfolgungen, sodaß sie in den folgenden Jahrhunderten für Anhänger beider Religionen zum Anziehungspunkt wurde, insbesondere während der gewaltsamen Feldzüge des Dschingis-Khan. Marco Polo bemerkte bei seinem Besuch im Jahr 1272 bereits die hohe wirtschaftliche Bedeutung der Stadt, in der sich, am Rande wichtiger Karawanenverbindungen in den Osten, eine florierende Seidenindustrie entwickelt hatte. Sämtliche Versuche von Kriegsherren angrenzender Regionen, die Stadt zu belagern und auszurauben schlugen wegen der unwirtlichen Umgebung fehl. Die über 3000 Jahre alten Technologien, die zur Nutzbarmachung und Erhaltung der Stadt und ihrer landwirtschaftlichen Oasenflächen eingesetzt werden, gelten als die ingenieurtechnisch am weitesten entwickelten Bauverfahren dieser Art. Sie übertreffen in ihrer Komplexität diejenigen der Nilregion und der südamerikanischen Hochkulturen und werden bis heute unverändert praktiziert. Neben den Windtürmen (Bad-gir) und den Bewässerungssystemen (Qanat/Kariz) zählen dazu auch die traditionellen spitzkuppelförmigen, komplex gemauerten Kühlräume zur Aufbewahrung von Trinkwasser, Eis und verderblichen Lebensmitteln (Yak-chăl und Ab-anbar), die heute auch in anderen Regionen des nahen Ostens anzutreffen sind. Ungeachtet der schwierigen Umstände ihrer Entstehung und Erhaltung ist Yazd heute eines der industriellen Zentren des Irans auf den Gebieten der Textilherstellung, des Maschinenbaus, der Süßwarenund Lebensmittelproduktion sowie einer beginnenden, eigenständig iranischen Informationstechnologie. Grundlage und Bedingung für diese unvorhersehbare Entwicklung und das Fortbestehen umfangreicher Besiedlung des Ortes sind dem extremen Klima angepasste bauliche Techniken und Elemente, die von den Gründern und Bewohnern dieser Stadt entwickelt wurden, insbesondere zur Klimatisierung ihrer Gebäude. Bis heute stellen sie auf effiziente, kostengünstige und natürliche Weise den Erfolg der Stadt Yazd und ihre unerwartet angenehmen Lebensbedingungen sicher.
Klimagerechte Bauweisen im Gebiet des heutigen Irak und Iran Schon beim babylonischen Palastbau des Nebukadnezar II. (um 640 v. Chr. - 562 v. Chr.) kamen ausgereifte, gleichwohl technisch relativ einfache Verfahren zur Erzeugung angenehmer klimatischer Raumbedingungen zum Einsatz. Hinter dem Thron auf der Südseite des Saales befinden sich Nischen, die in einen rückwärtigen Raum mit senkrechten, ins Freie reichenden Luftkanälen führen. Mit den Nordwinden der besonders heißen Sommermonate wurde damit eine wirksame Querlüftung der wichtigsten Räume im Palast erzielt. Die Ausrichtung des Gebäudes ist entsprechend der Hauptwindrichtungen gewählt. Heutige Wohn-, Geschäfts4
und Verwaltungsgebäude traditioneller Bauweise, etwa in Ur, zeigen bis heute diese und weitere Strategien im Umgang mit dem feindlichen Klima. So bildet etwa das zurückspringende Obergeschoss der meist zweistöckigen Wohnhäuser eine große, den Nordwinden zugewandte Terrasse auf dem Dach des Erdgeschosses, auf dem Wäsche getrocknet und in heißen Nächten geschlafen wird. Durch einfaches Öffnen der Fenster im Obergeschoss kann nach dem umgekehrten Kaminprinzip Wind ins Hausinnere bis hinab ins Erdgeschoss geleitet werden, um in allen Räumen Kühlung und Luftaustausch zu erreichen. Auf der dem Wind zugewandten Seite (Luv) herrscht dann ein Staudruck, der frische Luft in das Gebäudeinnere, auch in untere Geschosse, drückt, wobei die Hauswände von innen gekühlt werden. Warme, verbrauchte Luft entweicht dann in den Wohngeschossen. Zu Zeiten, in denen die Luft im Hausinneren wärmer ist als die Außenluft, aber außen kein Wind weht, also besonders nachts, kehrt sich dieser Prozeß um und befördert nach dem Kaminprinzip warme, verunreinigte Luft aus dem Erdgeschoß nach oben und schließlich nach außen, wobei durch offene Fenster kältere Außenluft nachströmen kann. Die massive Lehmziegel-Bauweise mit hoher Temperaturspeicherkapazität stabilisiert das einmal eingestellte Raumklima und mildert die starken, kontinentalen Temperaturdifferenzen der verschiedenen Tageszeiten ab, sodaß in der mittäglichen Hitze und in der nächtlichen Kälte eine gleichmäßig komfortable, nur um wenige Grade schwankende Zimmertemperatur herrscht. Die Weiterentwicklung dieses Prinzips ist die irakische und arabische Bauart des Windturms, der Mal-qaf, mit dem der unmittelbare Bereich der Luftzirkulation als eigenständiger Luftschacht von den genutzten Räumen des Hauses abgetrennt werden konnte. Die temperierte Luft wird dabei durch regelbare Öffnungen in den Innenwänden kontrolliert an die Zimmer und den zentralen Wohnraum (Zir-ezamin) abgegeben, ohne störende Zugluft zu verursachen. Weiterhin bedeutsam bleibt dabei die Ausrichtung des Gebäudes, da die Mal-qaf-Form des Windturms im Gegensatz zur persischen Bad-gir-Form lediglich nach einer einzigen Himmelsrichtung Windöffnungen besitzt, und somit in der Funktion als Windeinlass auf die Hauptwindrichtung festgelegt ist. Wasserbecken oder benetzte Tücher zur unmittelbaren Befeuchtung des Wassers unter dem Turm kommen sowohl beim Bad-gir, als auch beim Mal-qaf zum Einsatz. Als bedeutendste passiv wirksame Bauform klimagerechter Architektur haben irakische und iranische Gebäude, aber auch solche anderer islamischer Länder subtropischer Trockenklimate, den Liwan (oder Iwan) gemein, eine dreiseitig geschlossene, über mehr als ein Geschoß reichende Halle, die sich an ihrer vierten Seite nach Süden völlig dem Außenraum öffnet, meist zu einem geschützten Innenhof, in dem Wasserbecken die von Süden ankommende Luft kühlen und befeuchten. Der vor Sonne geschützte und angenehm temperierte Raum stellt eine räumlich interessante Zwischenform von Innen- und Außenraum, von Terrasse und möbliertem Wohnraum dar, und bietet im Sommer die Möglichkeit, sich ganztägig im Freien aufzuhalten. Der Mangel an Holz im Gebiet Iraks, Irans und anderer Länder dieser Region steht dabei der Anlage von Peristylen und Laubengängen entgegen, die vor allem in den Mittelmeerländern einen solchen Aufenthaltsbereicht bieten, daher ist der Liwan in die massive, dickwandige Ziegel-Konstruktion des Hauses integriert, mit dem Vorteil der höheren Speicherkapazität seiner Bauweise mit stabilerem Mikroklima. Beim repräsentativen irakischen und iranischen Wohnhaus traditioneller Bauart und vielen größeren Moscheen gruppieren sich vier Liwans mit jeweils unterschiedlichen Raumklimata um einen Innenhof mit kühlenden 5
Wasserbecken und Bepflanzung (Vier-Liwan-Anlage), sodaß je nach Tageszeit und Windrichtung der angenehmste davon als Aufenthaltsort gewählt werden kann. Bei weniger begüterten Haushalten wird diese Idealanlage in der Regel auf die nördlich gelegene Halle mit kleinerem Innenhof reduziert. Eine persische Erweiterung dieses Schemas ist ein zusätzlicher, nach Norden weisender Liwan an der Außenseite des Gebäudes, der im Winter einen sonnigen, vor kalten Winden geschützen Aufenthaltsbereich bietet. Auch das klassische Wohnhaus Irans verfügt über einen bis zwei allseitig umbaute Innenhöfe mit Wasserbecken und reicher Bepflanzung zur Erzeugung eines klimatischen Vorteils gegenüber der heißtrockenen Umgebung und dem zusätzlich staubbelasteten Straßenraum. Die Ausrichtung des Iranischen Hauses kann jedoch weitgehend frei gewählt werden, was die Errichtung in eng bebauten Städten, z.B. in Baulücken zuläßt, und damit größere städtebauliche Freiheiten bietet, ohne klimatische Nachteile hinnehmen zu müssen. Ermöglicht wird dies durch die besondere persische Bauform des Windturms, dem Bad-gir, der sich an seinem oberen Ende mit mindestens vier Windein- und Auslasscharten in jede Himmelsrichtung öffnet, und meist höher und damit wirksamer ist als der Mal-qaf, dessen Schacht mit einer einzigen Öffnung auf eine bestimmte Windrichtung festgelegt ist. Zudem verfügt der Bad-gir über separate Windkanäle für jede Windrichtung, die vom offenen Boden bis hinauf zu den Öffnungen reichen, also völlig voneinander getrennt sind. Unabhängig von der Windrichtung und der Nachbarbebauung kann so jederzeit Wind in den Turm einströmen bzw. beim Ausströmen den Weg des geringsten Widerstandes nehmen.
Struktur und Funktion des Bad-gir Bei der Errichtung eines Bad-gir kommen dieselben traditionellen Materialien und Techniken zum Einsatz, wie beim Bau des dazugehörigen Hauses. Die Windtürme sind damit keine gebäudetechischen Zugaben oder Nachrüstungen zum restlichen Bauwerk, wie etwa moderne Klima- und Haustechnikanlagen westlicher Art. Haus und Bad-gir werden bei einem Neubau grundsätzlich in einem Arbeitsgang errichtet und ergeben eine untrennbare strukturelle und räumliche Einheit aus Lehmziegeln, mit Strohbeigaben stabilisiert wie in Yazd, oder, in holzreicheren Regionen, aus einer vor Ort in Bretterschalungen eingestampfte Mischung aus Lehm und Stroh. Ab einer Höhe, die eine Etage überschreitet wird zur Stabilisierung ein hölzernes Gerüst aus Latten oder Rundhölzern mit eingearbeitet. Bei größeren Höhen, die den Einsatz von Leitern oder materialaufwendigen Baugerüsten notwendig machen würden, behilft man sich, indem man die waagerechten Stäbe des Stabilisierungsgerüstes an den Wänden und Kanten des Gebäudes aus der Fassadenebene hinausragen lässt, um während des Baus hinaufsteigen zu können. Entsprechend dem Baufortschritt lassen sich so durch darübergelegte Holzplanken in jeder beliebigen Höhe Arbeitsplattformen einrichten. Um spätere Reparaturarbeiten oder die Aufstockung von Gebäude oder Bad-gir zu vereinfachen, werden, 6
insbesondere bei weniger repräsentativen Bauten, die herausragenden Stabenden nach dem Bau oftmals nicht entfernt, und sind damit, als prägendes Element vieler Hausfassaden und Windtürme, in der gesamten Stadt Yazd anzutreffen. Die Öffnung des Bad-gir nach allen Himmelsrichtungen erfordert einen einen polygonalen, mindestens viereckigen Grundriss, die naheliegende kreisrunde Form ließe sich schlecht mit rechteckigen Ziegeln und Schalungen sowie der vorwiegend rechteckigen Gebäudestruktur vereinbaren. Damit ergibt sich zunächst das Problem fehlender Aussteifung des Turms, der ja, abgesehen vom Dach, ohne Geschossplatten errichtet werden muß. Die Lösung ist einfach und elegant, denn sie ergibt sich aus der vom Mal-qaf deutlich abweichenden Funktionsweise des Bad-gir: Die Anlage separater vertikaler Windkanäle für die verschiedenen Himmelsrichtungen erfordert eine Segmentierung des zunächst vier-, sechs- oder achteckigen Schachtes, die vom unteren Ende bis zu den Öffnungen an der Spitze reicht. Mit den äußerern Wänden des Turms werden daher kontinuierlich dünnere Trennwände aus schmalen Ziegeln oder lehmbestrichenen Holzbrettern errichtet, die das instabile vier-, sechs- oder achteckige Profil des Turms in dreieckige, also ausgesteifte Segmente aufteilen, womit der Turm in jede Richtung stabilisiert ist, von der Windrichtung ebenso unabhängig wie sein funktionales Prinzip. Ganz gleich, aus welcher Richtung der Wind gegen den Turm weht, trifft er auf ihm zugewandte Einlassöffnungen mit eigenem senkrechten Luftkanal, und damit auf passend ausgerichtete Trennwände, die die Kräfte direkt in die Außenwände übertragen und nach unten ableiten können. Boden und Dach des Schachtes haben damit keine statische Funktion mehr zu übernehmen und können ganz entsprechend ihrer Funktion ausgeführt werden, und zwar als flach geneigtes Dach bzw. als aufgelöstes, feingliedriges Gitter mit den dreieckigen Auslassöffnungen der Luftkanäle in den darunterliegenden Raum. Die Öffnungen am oberen Ende der Schächte sind, ähnlich den Mashrabiya-Fenstern der islamischen Bautradition, als filigranes, meist ornamental verziertes Gitter mit senkrechten Stäben aus holzbewehrtem Lehm ausgeführt, um bereits das obere Ende der Luftkanäle vor Sonneneinstrahlung zu schützen und das Eindringen von Vögeln zu verhindern. Regen, der ja nur selten fällt, kann teilweise eindringen, dies stellt aber kein Problem dar, denn der kleine Raum am unteren Ende des Turms verfügt als einzige Einrichtung über gemauerte Sitznischen. Das Wasserbecken zur Befeuchtung und Reinigung der einströmenden Luft fängt dann den Regen auf. Oftmals befindet sich unter dem Boden des Erdgeschosses ein horizontal verlaufender, kühlender Erdkanal ins Freie oder ein Qanat-Bewässerungskanal (oft auch miteinander kombiniert), dann ist statt des Wasserbeckens ein gemauertes Gitter in den Boden unter den Luftkanälen eingelassen, durch das der Wind strömen und Niederschlag ablaufen kann. Das Gitter mit den Turmöffnungen an der Decke dieses Raumes ist in manchen Fällen mit Klappen zur Regulierung und Dosierung der Luftströme ausgestattet, und so ausgelegt, daß sich nasse Tücher zur Befeuchtung der einfallenden Luft daran aufhängen lassen. Der Bad-gir stellt ein ganzjährig und zu jeder Zeit nutzbares, antriebsloses Konzept zur Querlüftung und Klimatisierung von Wohn- und Nutzgebäuden dar. Seine Funktion beruht auf der Kombination verschiedener physikalischer Gesetzmäßigkeiten, vor allem dem Kamineffekt (oder Naturzug), also die nach 7
oben gerichete, sich selber verstärkende Strömung warmen Gases bzw. Luft innerhalb eines umgrenzten, vertikalen Raumes durch Konvektion (Wärmeströmung). Hinzu kommt der Venturi-Effekt (nach Giovanni Battista Venturi, 1746-1822), also die Erhöhung der Fließgeschwindigkeit eines Fluides oder Gases durch die Verengung der Strömungszone, ein Effekt der dem Gesetz von Bernoulli (Daniel Bernoulli, 1700-1782) entspricht, nach dem ein strömendes Gas oder Fluid bei einem Geschwindigkeitsanstieg einen Druckabfall erfährt und, durch die so entstandene Zone geringeren Druckes, aus Bereichen höheren Drucks durch natürlichen Druckausgleich eigenständig Luft nachzieht. Die das dazu notwendige Verengung der Strömungszone stellen dabei die vertikalen Luftschächte im Bad-gir dar, in denen die frei bewegliche Luft des Außenraumes bzw. des Gebäudeinneren kanalisiert, also beschleunigt werden. Bei hoher Austauschleistung durch steigende oder fallende Winde im Turm bleibt dabei die Luftgeschwindigkeit in den Räumen des Hauses relativ niedrig, verursacht also keine spürbaren Erscheinungen von Zugluft. In den Raum unter dem Turm einfallende Luft verlangsamt sich durch die plötzlich endenden engen Kanalwände und die Umlenkung in die horizontale Richtung schlagartig und dringt viel langsamer in die angrenzenden Räume ein. Neben diesen für den Luftaustausch bedeutsamen Gesetzmäßigkeiten der Strömungsmechanik erweist sich beim Bad-gir der Effekt der Adiabaten Kühlung oder Verdunstungskühlung als vorteilhaft für die Einstellung eines wohltemperierten Raumklimas. Hierbei trifft warme Luft auf Feuchtigkeit (das Becken unter dem Turm, die dort hängenden nassen Tücher bzw. der darunterliegende Qanat-Bewässerungskanal), wobei ihr durch Siedekühlung (Verdampfungskühlung) thermische Energie entzogen wird, sodaß sie abkühlt. Der Luft werden hierbei Stäube und andere Verunreinigungen durch den Kontakt mit der kühlenden Flüssigkeit entzogen, im Gegenzug nimmt die von außen kommende, trockene Wüstenluft Wassermoleküle auf und strömt, wohltemperiert (ca. 27 °C) und angenehm befeuchtet, in den Wohnraum. Neben der Herbeiführung eines angenehmen, also von dem des Außenraumes abweichenden Raumklimas erfüllt der Bad-gir die Aufgabe, dieses Klima zu allen Tageszeiten weitgehend konstant zu halten. Seine Funktion geht also über die eines Luftbefeuchters und einer Lüftungsanlage weit hinaus. Vielmehr stellt er einen vollwertigen Ersatz moderner Klimaanlagen dar, die, in Reaktion auf die wechselnden Außenbedingungen, das einmal eingestellte Raumklima aufrecht erhalten können. Während dies bei einer Klimaanlage aktiv betrieben und kontrolliert wird, handelt es sich beim entsprechenden Vorgang im Bad-gir um einen rein passiven, sich selber steuernden Vorgang ohne Fremdantrieb und sensorischer Technik, auf den von Seiten des Benutzers keinerlei Einfluss genommen werden muß (wenngleich ihm gewisse Möglichkeiten zur Dosierung gegeben sind). Die jeweils herrschenden innen- und außenklimatischen Bedingungen haben unmittelbar den jeweils notwendigen Vorgang im Inneren des Turms und seiner angeschlossenen Räume zur Folge und sind zugleich die einzigen Antriebskräfte dieser Vorgänge. Die selbstregulierende Funktionsweise des Bad-gir erübrigt also neben einer aktiven Antriebstechnik auch jegliche Steuerungseinrichtungen. Zu verschiedenen Tageszeiten finden im Bad-gir und im darunterliegenden Gebäude im Wesentlichen zwei verschiedene Vorgänge statt, abhängig von der außen vorliegenden Windstärke und vom Verhältnis von Innen- und Außentemperatur. (Zeichnungen und schematische Darstellungen zur Funktion und Struktur des 8
Bad-gir befinden sich im Bildanhang, Abb. 18ff). Beide Vorgänge, die sich als Tagvorgang und Nachtvorgang bezeichnen lassen, basieren auf den oben genannten physikalischen Prinzipien. Nachts, wenn draußen typischerweise Windstille ist, herrschen im Gebäude zunächst höhere Temperaturen als draußen, auch ist die Luft durch die schlafenden Menschen im Gebäude mit Ausdünstungen belastet und sauerstoffarm, muß also kontinuierlich ausgetauscht werden. Der Kamineffekt bewirkt unter diesen Umständen den Aufstieg dieser warmen, verunreinigten Luft im Bad-gir und das Entweichen nach außen. Frische, kühle Nachtluft wird aufgrund dieser überall im Haus vorhandenen Strömung in Richtung des Bad-gir durch Öffnungen im Erdgeschoss, durch die vor Blicken schützenden Mashrabiya-Fenstergitter, angesaugt und in die Wohnräume gebracht. Die verbrauchte, warme Luft zieht also durch Unterdruck die kältere, saubere Luft hinter sich her in alle Räume des Hauses. Die Innentemperatur wird dabei annähernd auf die angenehme, nächtliche Außentemperatur gesenkt. Die massiven Wände des Hauses werden dabei von innen gekühlt, während die äußeren Flächen der Wände ihre tagsüber aufgenommene Wärmeenergie an die nunmehr kältere Außenluft abgeben, sodaß die nachts gekühlte Speichermasse der Wände in der Hitze des folgenden Tages den Innenraum wirkungsvoll kühl hält. Sobald jedoch Wind weht, also in der Regel tagsüber, findet der Tagvorgang statt. Die Kanalströmung auf der dem Wind zugewandten Seite des Bad-gir ist nun nach unten gerichtet. Während die Luft in den Straßen und zwischen den Häusern zunehmend stagniert und aufheizt (und damit eine Lüftung nur durch offene Fenster unmöglich macht), weht in Höhe des oberen Turmendes tagsüber meist ein starker, deutlich kälterer Wind, der von den Öffnungen auf dieser Seite eingefangen und damit für die Bewohner erschlossen wird. In der Umkehrung des Kamineffektes fällt die Luft im Schacht hinab, wird im darunterliegenden Raum befeuchtet, und dringt frisch und wohltemperiert in die Räume des Hauses, aus denen die aufgewärmte, verunreinigte und CO²-reiche Luft durch die Mashrabiya-Öffnungen (oder geöffnete Fenster und Türen) hinaus gedrängt wird. Schon beim Fall durch die Luftkanäle gibt die ohnehin nicht sehr warme, eindringende Frischluft einen großen Teil ihrer verbleibenden Wärme an die nachts gekühlten, massiven Turmwände ab, bevor sie das kühlende, reinigende Wasserbecken erreicht. Zur besseren Ausnutzung der nachts im Turm gespeicherten Kälte lassen sich die Öffnungen am unteren Turmende teilweise verschließen, um die Strömung der einfallenden, wärmeren Außenluft zu verringern, und somit die Turmwände nicht vorzeitig wieder aufzuheizen. Die nachts in den Gebäudewänden gespeicherte Kälte reicht für einen Großteil des Tages zur Raumtemperierung aus, sodaß die Strömung im Bad-gir tagsüber zeitweise soweit gedrosselt werden kann, daß sie nurmehr Kohlendioxid und Verunreinigungen nach draußen transportiert, also nur noch den Luftaustausch übernimmt. Die von den Wänden des Bad-gir gespeicherte Kälte reicht durch dieses Vorgehen stets bis zum Abend aus. Immer dann, wenn Luft im Bad-gir hinab fällt, also Wind auf ihn triff, stellt sich ein besonderer Effekt ein, der in seiner Aufteilung in separate Kanäle und seinen oberen Öffnungen in alle Richtungen begründet liegt, also beim arabischen Mal-qaf nicht vorkommt. Die dem Wind zugewandten Öffnungen (Luv) fangen diesen freilich nur zu einem geringen Teil auf, sodaß immer Wind um die Turmspitze herum weht. Auf der windabgewandten (Lee) Seite des Turms entsteht dadurch eine Unterdruckzone, die nach dem Injektorprinzip, 9
ähnlich einer Strahlpumpe, Luft aus der windabgewandten Turmöffnung ansaugt. Während also frische Luft auf der einen Seite eindringt und in die Räume hinabfällt, wird gleichzeitig Luft aus dem Haus durch den Kanal auf der anderen Seite hinauf und nach draußen gesaugt, wodurch neben dem Luftaustausch eine effektive Umwälzung der Raumluft erreicht wird. Auch dieser Vorgang basiert auf den Gesetzmäßigkeiten der Strömung nach Venturi und Bernoulli. Aber auch bei Abweichungen von den typischen Szenarien Tagvorgang (Wind in Höhe der Öffnungen, höhere Außen- als Innentemperatur) und Nachtvorgang (wenig oder kein Wind an den Öffnungen, höhere Innen- als Außentemperatur) gelingt es dem Bad-gir, das gewünschte Ruamklima aufrecht zu erhalten. Wenn etwa nachts Wind aufkommt und in den Turm einströmt, kühlt sie sich, wie tagsüber, an den Turmwänden ab und gelangt ins Gebäudeinnere, während sich bei Windstille am Tage die Gebäude und Turmwände aufheizen und sich der Kamineffekt einstellt. Dann wird die verbrauchte Luft nicht mehr über die Öffnungen der Räume, sondern durch den Turm nach oben abgegeben, frische Luft wird durch die Gebäudeöffnungen angesaugt und durch die nachts gekühlten Wände temperiert. Die Befeuchtung findet dann mittels der im Innenhof gelegenen Wasserflächen und Bepflanzungen statt, oder, wie in einem Gradierwerk, durch vor die MashrabiyaGitter gehängte nasse Matten, sowie durch mit befeuchteter Holzkohle gefüllte, luftdurchlässige Rahmen in den Außenwänden des Hauses. In Kombination mit den Quanat-Bewässerungskanälen kann der Bad-gir noch effektiver eingesetzt werden: Sein fallender Luftstrom trifft dann nicht auf ein Wasserbecken sondern streicht über ein Gitter, unter dem ein solcher Kanal zur Bewässerung und Wasserversorgung verläuft. Dieser ist nicht vollständig mit Wasser gefüllt, und daher begleitet von einem eigenen Strom von kühler, angefeuchteter und sauberer Luft. Indem der fallende Luftstrom aus dem Bad-gir über das darüberliegende Gitter streicht und seitlich in die Räume abgelenkt wird, verursacht er im Bereich des Gitters einen Unterdruck, der die Luft aus dem Quanat-Kanal ansaugt und in die angrenzenden Räume zieht. Derselbe Effekt tritt ein, wenn statt des Quanat ein wasserloser Erdkanal horizontal unter dem Gebäude durchgeführt wird, mit einer Öffnung am Gitter unter dem Turm und einer weiteren im Innenhof oder in einiger Entfernung zum Haus. An letzterer wird dann vom Bad-gir Luft angesaugt, im schattigen Erdkanal abgekühlt und befeuchtet und sodann ins Gebäudeinnere gebracht. In den Erdkanal eingehängte feuchte Tücher oder Bündel reinigen die einströmende Luft und nehmen Verunreinigungen auf. Außer zur Klimatisierung öffentlicher und privater Gebäude kommt der Bad-gir im Iran auch als Ergänzung der Yak-chăl–Kühlkuppeln und der Âb-Anbār-Zisternen zum Einsatz, deren Kühlleistung durch den Einlass gekühlter Luft, oft aus mehreren Türmen gleichzeitig, derart gesteigert wird, daß die Temperatur während des gesamten Sommers bei einer Temperatur nahe dem Gefrierpunkt gehalten werden kann. Die vom Luftstrom gesteigerte Verdunstung von Flüssigkeit ist dabei von aktiver kühlender Wirkung (Chill-Effekt). Die entsprechenden Gebäudeöffnungen befinden sich hierbei an der Spitze der Kuppel bzw. an der Decke der Zisterne, sodaß Wind aus den Bad-giren einströmen kann, durch Verdunstung der oberen Wasserfläche den Inhalt kühlen und als nunmehr feucht-warme Luft nach oben entweichen kann. In den Kupferminen von 10
Anarak dienen die Bad-girs, ähnlich den (motorbetriebenen) Wetterschächten westlicher Bergwerke, zur Belüftung und Kühlung der Stollenanlagen, wobei die Höhenunterschiede zwischen den Abbauflözen als Erweiterung der Bad-gire den Kamineffekt noch erheblich verstärken. Die besonderen Vorteile des Bad-gir ergeben sich also neben seiner einfachen, kostengünstigen Konstruktion mit frei verfügbaren Mitteln, seiner vollkommenen Einfügung in die traditionelle, ortstypische Architektur und seiner völlig energiesparenden, nahezu wartungsfreien und selbstregulierenden Funktionsweise auch aus seiner vielseitigen Verwendbarkeit für alle Arten von Gebäuden oder Versorgungseinrichtungen, die in der heißen Umgebung klimatisiert werden müssen. In den meisten Regionen Arabiens, im Irak und im Iran ist der Bad-gir und seine angeschlossenen Systeme Yak-chăl, Âb-Anbār und Quanat auch heute noch jeder Klimatisierungstechnik westlicher Art überlegen.
Ausblick Der unverhältnismäßig hohe Energieaufwand zur aktiven Kühlung von Innenräumen hat in den letzten Jahren auch in der westlichen Welt zunehmend dazu geführt, energiesparende, alternative Konzepte zur Klimatisierung von Gebäuden zu entwickeln. Passiv wirkende Doppelfassaden und Aufwindkanäle nutzen inzwischen das Prinzip der Konvektion zum Luftaustausch, noch immer werden solche Systeme aber in Kombination mit aktiven Klimatisierungstechniken angewendet und erreichen nicht die umfassende Funktionalität und Effizienz der Windtürme des nahen Ostens. Die Gründe hierfür liegen zum einen in der oftmals viel höheren und weniger massiven Bauweise vieler westlicher Gebäude, zum anderen aber an dem durch Jahreszeiten und geringere Temperaturen geprägten Klima der gemäßigten Zone, das für den Einsatz des Bad-gir-Konzepts in seinem vollen Umfang nachteilhaft ist. Sollen Windtürme oder ähnliche Vorrichtungen als kostengünstiges und effizientes Mittel zur Kühlung von Gebäuden in den Sommermonaten zum Einsatz kommen, müssten sie zunächst den Gegebenheiten westlicher Architektur angepasst werden, um etwa auch bei sehr hohen, verglasten Skelettbauten anwendbar zu sein. Die zwangsläufige Stillegung der Anlage in den kälteren Monaten des Jahres macht außerdem die Entwicklung von wärmedämmenden Verschlüssen für die Öffnungen der Anlage notwendig. Auch entspricht es nicht dem Anspruch westlicher Benutzer eines Gebäudes, die Temperatur nicht selber regeln zu können, so angemessen sie auch von einem selbsttätig arbeitenden System eingestellt werden mag. Die Ergänzung um einige Funktionen zur Regulierung von Luftstrom und -Temperatur scheint also für den Einsatz in den Industrienationen Amerikas, Europas und Asiens unumgänglich. Diese und andere notwendige Modifikationen betreffen jedoch nicht die grundlegende Funktion des Systems und scheinen durchaus zu bewältigen. Höhere Temperaturen im Zuge des Erderwärmung und immer knapper werdende, teurere Energieressourcen dürften wohl in naher Zukunft Anlass genug sein, traditionelle und antriebslose Konzepte des Orients zur 11
sommerlichen Raumklimatisierung von Bauten der gemäßigten Zonen zu adaptieren. Der Einsatz von Badgiren zur direkten Nutzung der Windenenergie für die Klimatisierung in den heißen Monaten könnte für Massivbauten mit wenigen Stockwerken bereits jetzt eine praktikable Lösung zur Senkung der Betriebskosten sein, vorausgesetzt der charakteristischen Veränderung der Silhouette europäischer und amerikanischer Wohnsiedlungen durch aufragende Windtürme wird eine gewisse Offenheit entgegengebracht. Die entwurfliche Einbindung der Bad-gire in die Gestaltung der angeschlossenen Gebäude und Landschaftsräume wäre für westliche Architekten eine Herausforderung, andererseits bietet ein Bauelement wie der persische Windturm, auch unter Beibehaltung der für seine Funktion notwendigen Teile, umfangreiche Gestaltungsfreiräume, etwa in der Strukturierung seiner Wände, seiner skulpturalen Form und Proportion, der Ausführung seiner Öffnungen oder seiner Einbindung in das angeschlossene Gebäude. Beispiele gelungener Übernahmen von Bauelementen orientalischer und südländischer Tradition finden sich in der westlichen Architektur jedenfalls genügend, schließlich sind auch Balkone, Loggien, Patios und Flachdächer inzwischen zur Selbstverständlichkeit geworden. Die nächste, wenn auch modifizierte Übernahme dieser Art könnte die des iranischen Bad-gir sein.
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Literaturverzeichnis
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Internetressourcen (Auswahl, Zugriff 03/2010) www4.architektur.tu-darmstadt.de/powerhouse/ www.archive.org www. Brainworker.ch/Irak/architektur.htm www.cyberarchi.com/actus&dossiers/ www.flickr.com www.jstor.org www.unu.edu.com www.wikipedia.com
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Bildanhang
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Abb. 1: Der oktogonale Bad-gir von Dowlat-abad (Sommer-Gouverneurspalast) in Yazd, 1722, der mit 33 m hĂśchste Bad-gir.
Abb. 2: Sonderform des Bad-girs einer Moschee in Yazd, mit horizontal gestreckten Einlässen.
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Abb. 3: Sechs oktogonale Badgire an einem Yakchāl (Kühlkammer), Yazd.
Abb. 4,5: verschiedene Bad-gire mit islamischen Ornamenten und hervorstehenden Gerüst-Enden, Yazd.
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Abb. 6: Bad-gire als Erg채nzung von Ab-Anbar-Zisternen, Yazd.
Abb. 7: D채cher in Anarak, Provinz Isfahan, Iran, mit schattenspendenden Ausbuchtungen und Bad-giren.
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Abb. 8: mehrstĂśckige Bad-gire in Agazadeh, Iran.
Abb. 9: traditioneller rechtwinkliger Bad-gir mit nächtlicher Illuminierung, Yazd.
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Abb. 10: vereinfachte Form des iranischen Bad-gir mit 2 Ă–ffnungen ohne Gitter, Basra, Irak.
Abb. 11: Bad-gire an einer Moschee, Naieen, Iran.
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Abb 12,13,14: Bad-gire, nachts beleuchtet, an einem Wasserreservoir, an einem Hotel und 端ber einer Lebensmittel-Lagerhalle, Yazd.
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Abb. 15, 16: Windt체rme der Bauform Mal-qaf, Irak; Dubai.
Abb. 17: Lufteinlassr채ume unter Bad-giren, mit Sitzbereichen, Wasserbecken und Deckengitter.
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Abb. 18,19,20: Funktion des Bad-gir, oben: bei Aufwind, mit Keller, Quanat und Erdkan채len, unten links: bei Aufwind, unten rechts: bei einfallendem Wind.
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Abb. 21: regionale irakische Bauformen des einseitig ausgerichteten Mal-qaf - Bauart aus Mossul, Bagdad, Kerbela, Basra.
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Abb. 22,23: Geb채udeschnitt, Windrichtung bei einfallendem Wind; Isometrie. Abb. 24: einseitig wirkende Mal-qafs ("einfacher Badgir") o. und vereinfachte, zweiseitige Bad-gire u. in Kerbela, Irak.
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Abb. 25.: Einblick in die Kanäle eines achteckigen Bad-gir, Yazd.
Abb. 26,27: Luftbewegungen und -Temperaturen im Bad-gir und im Gebäude, nachts bei aufsteigender Luft, blau: kühle Frischluft, gelb/orange: Luft auf Zimmertemperatur, rot: aufsteigende, ausströmende Warmluft (l.), Luftbewegungen, tags, bei fallender Luft. (r.).
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Abb. 28: Detail und Funktionsschnitt durch den Gouverneurspalast Dowlat-abad und den 33 m hohen, oktogonalen Bad-gir, Yazd. Darunter verlaufen Quanat-Wasserkanäle (gestrichelt) und Erdkanäle (weiß).
Abb. 29,30: Bad-gire, aus dem Straßenraum gesehen, Yazd.
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Abb. 31,32: Details der Aus- und Einlassรถffnungen am Bad-gir.
Abb. 33: Errichtung und innere Struktur des Bad-gir der Yazd-Bauart.
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Abb. 34: Funktion des Bad-gir in Verbindung mit einem Yak-Chal-Reservoir (mit mindestens zwei Bad-giren).
Abb. 35: durch Erdkanäle, Untergeschoß und Quanat unterstützte Bad-gir-Funktion, Yazd.
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Abb. 36: Quanat-Bewässerungssystem (Wasser wird aus hÜheren, weit entfernten Lagen in die Stadt Yazd gebracht)
Abb. 37: Schnitt durch ein typisches Wohnhaus in Yazd.
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Abb: 38: perspektivischer Schnitt durch ein Wohnhaus in Yazd (der Bad-gir ist im Hintergrund zu sehen, vorne Innenhof mit Liwanen).
Abb. 39: Innenhof, Liwane und Bad-gire an Wohnh채usern in Yazd.
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Abb. 40-44: moderne Anwendungen von Konvektion zur passiven Geb채udeklimatisierung, meist in Kombination mit aktiven Techniken.
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Abb. 45,46: Pr채gung des Stadtbildes von Yazd durch Bad-gire.
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