Über den Pneu - Projekt Plastik

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Ăœber den Pneu/SS11/Roetgen/14.06-18.06.2011/Peter Franz Weber/


RWTH Fakult채t Architektur/ Lehrstuhl f체r Plastik/ Prof. Michael Schulze


Werkbericht


Als Architekturstudent hat man selten die Gelegenheit, etwas zu machen, das zu nichts nutze ist, denn von uns wird erwartet, daß wir den Raum und die Welt und was darin lebt erfassen und planen. Was auch passiert, wir wollen es vorhersehen und im Plan berücksichtigen. Das Unnütze widerstrebt uns, wir wissen nicht, wozu es gut sein soll. Man kann nicht einfach so tun, als seien Menschen einfallsreich und intelligent genug, sich selber zurechtzufinden. Normale Menschen sind hilflos, wenn die Räume, in denen sie wohnen, arbeiten oder die Zeit bis der Zug kommt totschlagen sollen, nicht ganz genau für die jeweiligen Verrichtungen und für nichts anderes sonst geschaffen sind. Man kann nicht von jemandem erwarten, daß er irgendwo anklopfen soll und mit einem Menschen, der da sitzt, reden und fragen was Sache ist und ob er vielleicht einen Stuhl haben könnte. Das geht einfach nicht. Man muß alles auf den ersten Blick verstehen und benutzen können. Man soll dafür nicht erst mit jemandem reden müssen, einen Menschen um Auskunft fragen oder gar um etwas bitten. Alles was gebraucht werden könnte, muß genau so da sein, am besten fest eingebaut, damit es keiner umstellen kann. Schließlich soll man auf einem Tisch nicht seine Beine, sondern seinen Aktenkoffer oder sowas ablegen. Wenn etwas doch einmal nicht eindeutig genug sein sollte, ist ein geeignetes Piktogramm anzubringen. Piktogramme sind generell so zu entwerfen, daß auch Menschen, die nicht denken können, diese verstehen.


Alles, was nicht gebraucht wird, ist aus den Räumen zu entfernen und soll eigentlich gar nicht erst darin auftauchen. Ein Raum darf nur so groß sein, wie für die darin vorgesehenen Beschäftigungen benötigt. Der Normale Mensch verliert sonst die Orientierung darin und könnte sich fragen, wozu diese Küche oder dieser Wartesaal oder dieses Behandlungszimmer so geräumig ist. Er könnte dann unordentlich umherlaufen und sogar auf Tätigkeiten verfallen, die mit der Funktion des jeweiligen Raumes gar nichts zu tun haben. Es ist die Aufgabe des Architekten, solch unglückliche Situationen zu vermeiden und dem Leben der Anderen die gehörige Ordnung zu geben, denn nur der Architekt ist vertraut mit der Beschaffenheit der Orte, Bauten und Dinge.


Das zu verinnerlichen hat uns entsagungsvolle Jahre des Lernens gekostet, und immer wieder stellt man fest, daß man es doch noch nicht ganz beherrscht. Immer wieder geschieht es uns, daß wir, auf die Frage, was genau und in welcher Reihenfolge ein angenommener Mensch tun soll in einem Raum, den wir gezeichnet haben, keine ausreichend genaue Antwort geben können. Daß wir das wohl noch lernen müssen wird man uns sagen, und das sehen wir natürlich ein. Aber wir tun, was wir können. Beinahe ununterbrochen werden wir auch in Zukunft in abgedunkelten Arbeitsräumen sitzen, auf Bildschirme fixiert. Meistens alleine, selbst wenn noch andere im Raum sind. Nur in dieser Vertiefung und Abgeschiedenheit kann es gelingen, die Welt da draußen mit unseren Einfällen für ein schönes, vielleicht gar besseres Leben zu bereichern.


Aber was um alles in der Welt ist das denn für eine seltsame Veranstaltung? Irgendwas aus Folie bauen und aufblasen? Und auch noch woanders, nicht im Reiff! Und es steht nicht mal dabei, wozu das Gebäude, oder was es auch immer sein soll, benutzt werden soll! Meine Pfingstwoche ist noch frei, und ich wollte da auch mal auf Exkursion fahren, und hier waren noch Plätze frei, also warum nicht. Hört sich auch alles ziemlich unsinnig und seltsam an. Also könnte es wirklich lustig und interessant werden. Übrigens ist von vornherein klar, daß es ein paar entspannte Tage in schöner Umgebung sein werden, bei einem Projekt, das ganz sicher nichts mit Architektur zu tun haben kann. Denn das wird ja wohl ein durch und durch nutzloses Ding werden. Oder etwa nicht?


Ganz so locker wurde es dann aber doch nicht. Erst die ganzen Klamotten und Sachen durchs Dorf schleppen, von der Bushaltestelle zum abgelegenen Landsitz des Professors.


Und dann gleich an die Arbeit, nicht erst ausruhen. Gleich Stifte raus und Entwürfe machen, alles wie sonst auch... ohne Zeit, sich länger was zu überlegen, alles ganz schnell und mit den anderen zusammen. Ohne Ahnung, wie eigentlich und was man mit der Folie machen kann und was nicht. Folie ist immerhin nicht das Material, mit dem üblicherweise gebaut wird. Man baut mit Beton oder Holz oder Ziegeln, aber nicht mit Folie. Damit verpackt man Butterbrote oder Abfälle, normalerweise.


Also nicht nur eine andere Art des Arbeitens, Freiluft und direkte Ausführung am selben Ort, sondern auch ein ganz ungewohntes Material. Unsere Sucht nach Präzision und Geradheit wird auf die Folter gespannt, von einer unregelmäßigen, nicht einmal richtig glatten Polyethylen-Folie aus dem Baustellen- und Landwirtschaftsbedarf, die obendrein grün ist, ganz seltsam grün.


Bei den Entwürfen mußte von Anfang an berücksichtigt werden, daß nur abgerundete oder völlig runde Formen möglich sind. Jede gerade Fläche oder Kante verwandelt sich beim aufblasen in eine gerundete Form. Das heißt, eigentlich sind Kanten und Ebenen doch möglich, aber eben nur im Entwurf. Nacher aber sieht alles ganz anders aus, aufgebläht und rundlich.


Aber wie auch immer wir planen würden, von Anfang an war klar, es würde nicht genau so aussehen wie im Entwurf, ein Großteil des Projekts würde durch Überraschung und Improvisation zustande kommen.


Darüber aber, einmal nicht alles vorhersehen und genau festlegen zu können, vieles auf gut Glück zu entwickeln, darüber freuten wir uns. Sofort war klar, das würde eine ganz andere Art des Entwerfens werden, mehr ein Vermuten und Herantasten.


Ein anderes Entwerfen war es allein schon, weil wirklich etwas entstehen würde, weil wir uns, einige von uns vielleicht zum ersten Mal, tatsächlich von der Darstellung eines Gebäudes hin zu einem Gebäude bewegen würden (Allein schon das Aufbauen der Zelte konnte in dieser Hinsicht für Abwechslung sorgen).


Nicht zuletzt haben wir etwas zusammen gemacht, von Anfang an also muĂ&#x;ten Kompromisse eingegangen werden - nicht nur durch das Material, sondern auch durch die Vorstellungen der anderen Teilnehmer bedingt. Dabei sind wir aber doch an unserer Fakultät dazu erzogen worden, jedem Kompromiss, jeder Schwächung und Verunreinigung von Konzept und Form aus dem Weg zu gehen. Na das kann ja was werden!


Wie bei allen Entwurfsprozessen entstand auch hier eine Menge von Zeichnungen, bei denen sofort klar sein mußte, daß sich sowas nicht umsetzen läßt.


Das sind Umwege, die sich nicht vermeiden lassen in der Architektur, sie führen uns zu dem, was möglich ist und erlauben es uns, sich damit zu begnügen, im besten Fall dieses Mögliche auch schön zu finden. Wie das kahle Plateau, das wir nur wegen des mühseligen Aufstiegs zu schätzen wissen, freuen wir uns über unsere bescheidenen Errungenschaften. Wenn es ungewöhnlich gut gelaufen ist, kommen wir obendrein in den Genuß erheiternder oder auch lehrreicher Ausblicke.







Auch Pelle hatte entscheidenden Anteil am Gelingen des Projektes. Auch wenn er das gar nicht weiĂ&#x;...


Zunächst werden Arbeitsmodelle gebaut, aus einer anderen, dünneren Folie, die in etwa dem Maßstab von 1:10 gerecht wird. Denn die Dicke der Folie ist entscheidend für die Aussagekraft der Arbeitsmodelle.


Parallel entstanden drei Arbeitsmodelle mit ganz unterschiedlichen Formen. Zum Einsatz kamen schon die selben Techniken wie später zur Herstellung des großen Objektes: Überlappende Folienstöße, verklebt mit Heißkleber in 1-2 Nähten, der sofort nach dem Auftragen festgewalzt wird. Die Verbindung erhält ihre Stabilität durch die Klebkraft des Heißklebers, als auch durch die Schweißwirkung des heißen Klebers an der leicht schmelzenden Folie.


Beim Aufblasen der Arbeitmodelle mit Druckluft zeigen sich die Probleme: Verformungen und Spannungen, die beim 1:1 -Objekt zum Platzen oder Aufreißen führen können, und schon im Modell zu seltsamen Abweichungen von der erwarteten Form führen.


Hier im Bild der gewählte Entwurf von Emeline, ein Kegel mit nach innen einziehbarer Spitze - hier, am ersten Tag, dachten wir noch das sei die Hauptsache. Später sollte sich zeigen, daß der Kegel mit aufgestellter Spitze eigentlich viel besser aussieht. Sandra hat schon beim Modell in 1:10 sichtliche Mühe die Spitze gegen den Luftdruck herabzuziehen - wie das wohl später, in 1:1 sein würde! Jedenfalls halfen die Arbeitsmodelle, die auftretenden Kräfte einzuschätzen, die man bei der dünnen Folie sonst leicht unterschätzt. Die gewählte Form ist einfach und kommt mit möglichst wenig Nähten aus. Dennoch ist sie prägnant und wird durch ihre steil aufragende, vertikale Form eine starke Wirkung haben, zusammen mit der überwiegend horizontalen Landschaft, aber auch mit den ähnlich geformten Fichten in der Umgebung des Bauplatzes ergeben.


Für das 1:1-Objekt geht es in die Halle eines Landwirts, der so freundlich ist, sie uns für die Tage unserer Exkursion zu überlassen. Nur hier ist genügend Platz, dachten wir jedenfalls zu Beginn. Es sollte sich zeigen, daß selbst in diesem Großen Raum der Umgang mit den großen Folienstücken schwierig werden sollte.


Wie bei den Arbeitsmodellen ging es dann auch mit dem großen Objekt, nur eben alles größer: Zwei 3-4er-Gruppen mit jeweils vier Heißklebepistolen kleben synchron Doppelnähte und fügen so die 4 Meter breiten Folienstücke zusammen, zu einer Kegelabwicklung, deren genaue Form und Zusammensetzung aus dem Material aufwendig und nicht für jeden Teilnehmer durchschaubar rechnerich und geometrisch ermittelt wurde.




SchlieĂ&#x;lich folgt eine Lage Aluminiumklebeband zur Abdichtung und zusätzlichen Sicherung der Klebenaht.







Nicht ganz reibungslos verlief auch der Aufbau oder besser gesagt: das Aufblasen. Starke Windböen brachten den Kegel ins Wanken, wir mußten mit vereinten Kräften an den Halteseilen ziehen, um ihn auf seinem Platz zu halten.


Aber am Ende stand er ruhig und, ganz unerwartet, sogar in ziemlich perfekter Form da.


Aber was soll man nun damit anfangen? Unter den verantwortlichen Architekten herrscht Ratlosigkeit 端ber diese Frage.



Einen ganz anderen Eindruck als die Betrachtung von Außen aber war es dann, hineinzugehen und den Inenraum zu erleben. Wie immer wirkt auch dieses Gebäude von innen viel größer als angenommen. Außerdem läßt sich so die Form, von außen aus der Entfernung ganz erfassbar, nicht mehr in einem überblicken. Tritt man in ein Gebäude ein, verliert man auf jeden Fall den Überblick, auch wenn es nur ein einziger Raum ist.


Besonders in der Dunkelheit und mit eingeschalteter Innenbeleuchtung entwickelt der Kegel eine erstaunliche formale und farbliche Wirkung, auch durch seine Nähte, die die transluzente Fläche aufteilen und die Zusammensetzung aus mehreren Folienteilen erkennbar machen. Der homogene, monolithische Körper wird dadurch aufgelöst und infrage gestellt. Der Herstellungsprozeß mit all seinen Unregelmäßigkeiten und Fehlern bleibt sichtbar.


Auch hier erweist sich, dass alles in der Architektur ein Produkt ist, also eine Zusammenfügung von Teilen, die erst der Mensch zusammengebracht hat, deren Fügungsstellen damit erkennbar bleiben und den Reiz des Bauwerks erst ausmachen. Hier sind es die Flächen die Folie-, und die linearen Bauteile, - die Nähte-, die man mit der Zusammenwirkung flächenbildender und tragender Bauteile im Skelettbau vergleichen kann, wenngleich viele, die versuchen, Architektur zu machen, diese zwangsläufig auftretenden Fügungen zu verheimlichen, um Glätte oder Reduziertheit zu erzeugen. Es ist dies die empörende Haltung derjenigen Architekten, die ihre Werke für schöner und bedeutender erachten als die Schöpfungen der Natur. Aber der Architekt soll zeigen, nicht zu verhüllen suchen, wo er dafür gesorgt hat, das die Teile zusammenkommen.


Entstanden ist ein Objekt, das man in der Tradition der Follies, Verrücktheiten, sehen kann, Garten- und Lustarchitekturen des 18.-19. Jahrhunderts, die keinem bestimmten - oder auch gar keinem - Nutzen dienen, aber dennoch ein Raumerlebnis, insbesondere im Zusammenspiel mit der umgebenden Natur bieten. Es ist, wie jedes Gebäude, ein Eingriff des Menschen in seine Umwelt, hier aber in pointierter Form, auf das Ereignis des sinnlosen menschlischen Daseins und Tuns in der Natur zugespitzt. Wir haben einen Raum gebaut, der obendrein keinen Nutzen zu erfüllen hat, aber wir haben es dennoch getan. WIr haben diesen Bau in die Natur gesetzt, deren Nutzen uns ebenso rätselhaft erscheint. Und so klar uns auch das sinnhafte Zusammenwirken ihrer Bestandteile, der belebten und unbelebten sein mag, letztlich haben wir die Zwecklosigkeit unseres Tuns einzusehen, um zu erkennen, daß wir in der Schaffung von Sinnlichkeit und Schönheit der Räume und Gegenstände selbst unsere Bestimmung zu suchen haben.



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