Friedrich Kiesler

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WISSENSCHAFTLICHE ARBEIT

Friedrich Kiesler Funktionträger oder Möglichkeitsapparate



WISSENSCHAFTLICHE ARBEIT

Friedrich Kiesler Funktionträger oder Möglichkeitsapparate

ausgeführt an der Saarländischen Schule für Architektur der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes unter der Anleitung von Prof. Dr. Ulrich Pantle durch Michael Mayer Heuduckstraße 63 Matr.Nr. 3490440

Saarbrücken, 28.12.2013 ________________



Inhaltsverzeichnis

Das Problem mit der Funktion Das Leben des Friedrich Kiesler Der Correalismus Monofunktion und Multifunktion Funktionsträger und MÜglichkeitsapparate Funktionalismus und Pseudo-Funktionalismus Formstudie Magnetismus Formstudie Gravitation Anhang

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Das Problem mit der Funktion Der Begriff der Funktion von lateinisch functio „Tätigkeit“ “Verrichtung“ beschreibt nicht nur die Aufgabe die ein Objekt oder System verrichten kann, sondern auch welche Aufgabe ein Organ innerhalb eines Systemes übernimmt. 1 Für die Designer, Architekten und Künstler der 20er Jahre gewann dieser Begriff zusehens an Bedeutung. Durch den ersten Weltkrieg kam es zu starker Rohstoffverknappung, die Materialschlacht die der Industriellenrevolution am Anfang des Jahrhunderts verschuldet war, sorgte für bis dahin ungeahnte Zerrstörungen innerhalb der Städte. Hatte man bis zu diesen Tagen vor Allem auf philosphischem und wirtschaftlichen Niveau über „Zweckmäßigkeit“ diskutiert, wurde es nun in gewissem Maße eine Unabdingbarkeit. Um die Natur einer Funktion zu erfassen, müssen wir es als ein System begreifen. Wir haben ein Objekt das als Fokus von uns betrachtet wird und stellen als Zweck, seinen Einfluss auf ein anderes Objekt oder ein System fest. In der Regel geschieht eine Einflussnahme seitens des Objektes aber nur durch einen Input eines anderen Systemes oder Objektes. Um die Zweckmäßigkeit eines Artefakts auf den Menschen zu bestimmen muss man diesen also als Input sehen, und das Resultat dieses Zusammenspiels als Funktion. Der Mensch wiederum ist durch seinen Körper in seinen eigenen Funktionen „beschränkt“. Die in diesem Kontext wohl einer der bekannteste Auseinandersetzung die sich mit der Beziehung zwischen Mensch und seiner Umwelt ist der von LeCorbusier geschaffene Modulor. Einerseits war dieses Proportionsschema, dass auf der Grundlage eines durchschnittlichen Menschen basierte ein Ordnungsprinzip, aber auch ein adäquates Mittel um Raumgrößen zu ermitteln, die nicht zu groß, nicht zu klein sondern „Zweckmäßig“ sind. Bücher wie „Neuferts Bauentwurfslehre“ greifen dies auch auf. Der Mensch wird zum Maßstab für seinen eigenen Handlungsspielraum. Den Menschen so zu verallgemeinern wurde als Gleichberechtigung und nicht als Einschränkung jener gesehen die nicht in dieses Durchschnittsschema hineinpassen. Diese Ansichten haben sich heute vielleicht geändert, trotzdem kann man unter der zu Hilfenahme dieser Erkenntnis, die Funktion welche von Objekten verrichtet werden soll, in einem groben Maßstab dimensionieren. Die damals aufkommende Funktionstrennung, führte aber auch dazu, dass andere Zwecke die ein Objekt theoretisch erfüllen könnten, durch ihre 1 http://de.wikipedia.org/wiki/Funktion, eingelesen 1.2.2014

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Formgebung verhindert wurden oder einfach nur ignoriert. Stühle werden sogar so „funktionell“ das ausschließlich sitzen und ausschließlich in einer bestimmten Haltung möglich ist. In diesem Moment wechselt Hierarchie, nicht das Objekt dient dem Menschen mit einer Funktion, sondern das Objekt zwingt den Menschen zu einer bestimmten Handlung oder Haltung. Damals mehr ein gestalterisches Credo, wurde es langsam von der Wirtschaftlichkeit abgelöst. Man ist nicht mehr bereit, für mehr als den Zweck den etwas zu verrichten hat zu zahlen. Sehen wir uns aber, als Architekten, in der Aufgabe ein Gebäude in Zukunft für eine lange Beständigkeit konzipieren zu müssen, müssen wir auch darüber spekulieren, dass die ursprünglichen Funktionen die ein Raum zu verrichten hat nicht immer die gleichen bleiben werden. Die Problematik bleibt also bestehen, dass der Gestalter durch das ignorieren anderer Strömungen, Entwicklungen, Stile und Technologien nicht nur das Potenzial des Raumes beschränkt, sondern vielmehr den Menschen der ihn bewohnt oder nutzt. Doch sehen wir uns die ausdifferenzierte Sichtweise auf den Begriff der Funktion genauer an, stellen wir fest das der Maßstab, der Input auf Objekte, unser Organismus, Funktion auf zwei Arten interpretieren kann. Einerseits hat jedes Organ im menschlichen Organismus eine bestimmte Funktion, es bekommt Input und gibt Output. Doch auf der anderen Seite sind diese Outputs, nur für den Erhalt des Organismus selbst und nur im Zusammenspiel vieler Organe möglich. Was wäre das Herz ohne das Gehirn das es steuert oder das Gehirn ohne die Nährstoffversorgung durch den Herzschlag. Eine Funktion korreliert also immer mit anderen Funktionen und das herausarbeiten einer einzelnen Funktion ist eine Einschränkung des menschlichen Körpers, seines Geistes und schließlich seines Handlungsspielraumes. In den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts entwickeln sich aber auch Richtungen in Kunst und Architektur, die genau darauf eingehen und Lösungen für heutige Probleme bieten könnten. Einer der Menschen die sich hiermit beschäftigten ist Friedrich Kiesler.


Das Leben des Friedrich Kiesler Von 1908 bis 1909 studierte Friedrich Kiesler an der Technischen Hochschule und der Akademie der bildenden Künste in Wien. 1920 heiratete Kiesler die Philologie-Studentin Stefanie Frischer. Nach abgebrochenen Studiengängen der Architektur und Malerei trat Kiesler 1923 mit der Enttäuschung über das altmodische und verstaubte Theater seiner Zeit, in die Welt der Kunst ein. Nach der Organisation der Internationalen Ausstellung für neue Theatertechnik, nutzte er das Theater als Labor um seine Gestaltungsideen in die Praxis umzusetzen und dabei die neuen geistigen wie auch technischwissenschaftlichen und sozialen Bedingungen des Menschen in ein theatralisches Gesamtkunstwerk zu überführen. Inspiriert von Architekturbeispielen aus dem lebendigen Alltagsleben, wie Sportplätzen und Arenen, schrieb er Manifeste gegen das starre Korsett traditioneller Bühnenkonzepte und plädierte für ein Theater, das die Idee des Räumlichen ins Zentrum stellt und experimentell erkundet, 1924 entwickelte er für die Pariser Ausstellung Exposition Internationale des Arts Décoratifs et Industriels Modernes die Raumstadt als Vision einer schwebenden Stadt der Zukunft. 1926 ging er mit seiner Frau Stefi nach New York und avancierte dort zur Integrationsfigur der europäischen Avantgarde und der jungen amerikanischen Kunst. Er etablierte sich als bildender Künstler und Bühnenbildner, als Architekt und Designer. Ab 1937 übernahm er eine Lehrtätigkeit an der Columbia University und intensivierte dort die Auseinandersetzung mit seiner ganzheitlichen Theorie des Correalismus. Er bezeichnet seine Sichtweise selbst, wie ein Titel eines seiner Bücher verlauten lässt als „pseudo-Funktionalismus“. Dies weist schon auf eine ihm eigene Auseinandersetzung mit diesem Thema und grenzt es auf eine ironisch wirkende Weise vom Funktionalismus ab.

Abb. 1 Frederick Kiesler, Ellenville, NY, 1955, Harvard University, Harvard Theatre Collection, Foto: Cambridge, MA, Houghton Library

Abb. 2 Modell der Raumstadt im Maßstab 1:20, Rekosntruktion von Coop Himmelb(l)au unter Mitarbeit von Markus Pillhofer und Eva Diem, 1925/2006, Foto: Peter Popp

Abb. 3 Modell der Raumbühne, 1924/1987 Foto: Österreichisches Theatermuseum

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Der Correalismus Friedrich Kiesler entwickelt in den 1930-er Jahren eine Theorie zur Architektur und dem Industrial Design die er als “Correalismus” zusammenfasst. In dieser Wortschöpfung ist u.a. der Begriff Korrelation enthalten, der Wechselbeziehungen als Hauptbestandteil dieser Theorie impliziert und Entwürfe stärker nach ganzheitlichen Gesichtspunkten aufzufassen und diese nicht allein als Mittel zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse zu verstehen. Konkret: Nicht nur die Ausweitung menschlicher Bedürfnisse oder Fähigkeiten durch Artefakte oder Werkzeuge stehen im Vordergrund, sondern ebenso die Rückwirkung von Artefakten oder Werkzeugen auf die biologische Entwicklung ist ein gleichberechtigter Punkt. Entwurfsprozesse und entworfene Artefakte correalistisch zu denken, heißt Artefakte nicht nach deren ästhetischer Form oder symbolischer Wirkung wahrzunehmen, sondern diese als Medien zur Aufrechterhaltung der menschlichen Gesundheit zu begreifen. Jedes Bauwerk und entworfene Artefakt ist im correalistischen Entwurfsprozess eingewoben in ein Netz von Akteuren, Funktionen und Übersetzungen. Der Mensch steht dabei im Zentrum sich wechselseitig beeinflussender sozialer, natürlicher und technologischer Landschaften. Er versuchte immer die Grenzen zwischen Kunst, Wissenschaft und Leben aufzulösen. Ob Architektur, Design, Film oder bildende Kunst, Kiesler fühlte sich überall wohl und ließ dies auch in seine Werke einfließen und experimentierte mit Erkenntnissen an neuen Projekten weiter herum. Die für Kiesler typische Arbeitsweise des Ideentransfers zeigt sich, wenn aus einem Bühnerequisit plötzlich eine Skulpturenreihe hervorgeht oder sich das Konzept für ein „Endless Theatre“ in ein „Endless Home“ verwandelt, einem organischem Gegenentwurf zu den geltenden Regeln orthogonal rationaler Architekturprinzipien. Alle Dinge sind miteinander verwoben, unsere Eigenart einzelnen Objekten, wie beispielsweise Organen, einzelne Funktionen zuzuordnen, lässt uns ihre Zusammenhänge im System vergessen. Was wäre das Herz ohne das Gehirn das es steuert oder das Gehirn ohne die Nährstoffversorgung durch den Herzschlag. Kiesler sah so auch den menschlichen Körper nicht nur als Metapher für eine Form, sondern auch auch als eine Grundlage die Komplexität der Funktionszusammenhänge, das Potential einer multifunktionellen Objekterfassung auszuloten. Kiesler sieht die Form nicht als Grundlage für eine Nutzung sondern den Bedarf, die Möglichkeit die /max

uns ein Objekt bietet. Er designt kein Sitzmöbel sondern ein Objekt das Sitzen ermöglicht. Kiesler durchlief einige Stationen in seinem Schaffen, die meisten Werke sind Möbel und Bühnenbilder, die wenigsten gebaute Architektur aber alle sind mit Skizzen und Schriften begleitet, die seine Idee und Vorstellung von Form festgehalten haben. Immer auf Blick in natürliche, physikalische Formbildungen, sichtbar wie unsichtbar, wie Gravitation und Magnetismus setzte er seine Möbel in Spannungsbögen um, um den natürlichen Prinzipien die unser Leben auf der Erde bestimmen gerecht zu werden. Nicht um eine Dauerhaftigkeit zu erzeugen, sondern um Spannungen aufzubauen, die mit den auftreffenden Funktionen reagiert. Multifunktional und doch unbestimmt, keiner genauen Funktion zugehörig erfüllen gerade seine Coffee Table diesen Anspruch. Man kann darauf sitzen, es als Ablage nutzen oder es als Kunstobjekt in den Raum Integrieren. Bei seiner Architektur geht er den gleichen Weg. Er schafft eine starre Schale, diese ist nicht erweiterbar oder verformbar. Sie ist in dieser Hinsicht beschränkt, aber die Nutzung, die Funktion die sich darin abspielen können sind aber vielfältig. Ob es nun als Wohnhaus oder als Ausstellungsgebäude genutzt wird ist offen gehalten, nichts wird Beschränkt, außer der Raum in dem es stattfinden kann.


worin begründet sich für den designer die wirklichkeit? wenn ein gebäudekomplex nicht nur das ist, was er als geometrische form darstellt, sondern das, was er ausstrahlt, so liegt die realität in der wechselwirkung natürlicher kräfte, die der designer zusätzlich in seinem künstlich technischen produkt in eine neue organisationsform gebracht hat. diese realität ist die wahre wirklichkeit. seine objekte und ebenso jene der natur sind orte des kräfteaustauschs. die wirklichkeit besteht nicht in den begrenzungen eines körpers an sich, sondern in der kraft zu harmonischem zusammenwirken. die wirklichkeit liegt also nicht in einem objekt, sei es nun natürlich entstanden oder vom menschen geschaffen, sondern im correalismus. correalismus ist die eigentliche, das leben vorantreibende kraft. correalismus ist die kraft des inneren zusammenhangs. er ist der innere zusammenhang. correalismus ist jener begriff, der mir am geeignetsten erscheint, die verdichtung der dynamik des inneren zusammenhangs zu bezeichnen. das studium der struktur des inneren zusammenhangs muß letztlich die barrieren zwischen allen wissenschaften zum verschwinden bringen; dieses einstürzen hat bereits vielerorts begonnen. aber correalismus muß erst als eigene wissenschaft eingeführt werden. wenn sich der designer in zunehmendem maße der erkenntnisse des correalismus bei der gestaltung von gebäuden bedient, wird sich für seine methode der begriff biotechnique durchsetzen. diesen ausdruck habe ich geschaffen, um die wissenschaft von der behausung des menschen zu bezeichnen. aus: friedrich kiesler, correalism. bioxtechnique. a new approach to design, typoskript, archiv friedrich kiesler, um 1938.

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Monofunktion und Multifunktion Betrachten wir heute Bauwerke die Funktional für eine bestimmte Nutzung hergestellt werden, kommt die Frage auf, ob es diese klare Trennung überhaupt gibt. Heute werden Poststellen zu Büros, Büros zu Wohnungen und Wohnungen zu Lagern. Kiesler begrüßt die Vorstellung der Moderne, dass man die Funktion anschaut und ein Objekt danach gestaltet, doch sieht er es kritisch dass es Monofunktionalistisch betrachtet wird, ohne das andere Funktionen, die diese Möbel oder Gebäude ebenso erfüllen können Beachtung finden, ja sogar ignoriert und verschwiegen werden. Mit seinen freien Formen versucht er meiner Meinung nach die Formkonvention die uns anerzogen wurde zu durchbrechen und auf unser unterbewusste Laibeserfahrung anzusprechen. Das eine gebogene Form uns sagt wir können darauf sitzen, etwas gerades planes uns darauf weist das wir etwas darauf stellen können. Ohne die Verknüpfung von Bild und nutzen im Kopf anstrengen zu müssen. Es ist einfach durch Körpererfahrung ersichtlich und nicht durch eine anerzogene Symbolik verhaftet. Gleichwohl begreift er die modernen Bewegungen nicht als Endzustand, sondern als Zustand selbst. Wie eine Maschine kann man ein Gebäude betrachten, aber die Technologie lehrt uns, dass immer neue Teile hinzukommen, verändert werden, optimiert oder verschwinden. So erklärt sich auch sein Hang Technologie und Kunst als Einheit aufzufassen. Auch beeinflusst die Technologie ein Material zu bearbeiten oder herzustellen, was wir herstellen oder wie es aussieht, genau wie uns Objekte dazu führen können Maschinen zu bauen um diese wiederum herzustellen. Das Zusammenspiel aller Dinge zueinandner ist das Zentrum seines Schaffens. In seinem Artikel Pseudo-Functionalism in Modern Architecture betont Kiesler 1949 noch einmal, dass – im Gegensatz zu Louis Sullivans Motto: „Form folgt der Funktion“ – die Form nicht der Funktion folgt, sondern: “(...) Die Funktion folgt der Vision. Die Vision folgt der Realität.“Kiesler‘s Design entwickelte sich auf dem Vorbild, von Spannungsbögen, wie sie in der Natur und Physik vorkommen., Diese sollen dem menschlchen Wirken entgegenstehen. So wird aus einem Objekt zum Sitzen ein Objekt das trägt. Ob es sich selbst, ein anderes Objekt oder einen Menschen trägt ist hierbei dem Willen des Menschen entsprechend und so durch seine Vison begrenzt. Da Kiesler nur mit dem Medium der Gravitation spielt, bleibt eine nach diesem Prinzip geformtes Objekt auch dann in seiner Funktion erhalten wenn /max

sich die abstützende Materie ändert bzw. kann das geschaffene Objekt auch in seiner Orientierung geändert werden, ohne seine abstützende Funktion zu verlieren. Drehen wir einen Stuhl herum, kann man weder ein Glas noch einen Menschen darauf platzieren, bei Kiesler ist dies (mit einschränkungen auch hier) immernoch gegeben. bzw zieht ein klassisch geformtes Sitzmöbel nur eine bestimmten Zustand / Haltung des Menschen in Betracht oder presst ihn sogar in diese „Matrix“ Bei Kieslers Werken bleibt ihm die Wahl welchen „Zustand“ er einnimmt, wenn auch diese begrenzt und nicht endlos sind. So schafft Kiesler auch in seinen Gebäuden eine Wechselwirkung der einzelnen räumen, gibt die Möglichkeit verscheidene Bezüge zu schaffen aber begrenzt diese auch. Wie ein physikalisches System, welches zwar verschiedene Zustände kennt aber diese auch begrenzt sind. Einem dissipativen System gleich, also einem System das Energie, Materie oder beides mit ihrer Umgebung austauschen und so den Aufbau von geordneten Strukturen bewirkt. Diese entstehende Ordnung muss durch einen entsprechenden Austausch mit der Umgebung ausgeglichen werden. So entsteht eine Form oder Ordnung die unter den gegebenen Kräften erhalten bleibt. Fällt diese weg oder wird sie geändert, verändert sich das System zu einer anderen nun stabilere Form. Die Möglichkeit seine Werke umzucodieren, schafft eine Multifunktionalität im Gegensatz zum funktionalistischen Ansatz der Monofunktion. Bleibt der Nutzen eines Objektes in der Unbestimmtheit ist es bei funktionalistischen Objekten absolut eine Aufspaltung von allen anderen Möglichkeiten das Objekt zu nutzen, eine Ausdifferenzierung in Form einer Matrix die nicht nur eine Handlung, sondern auch eine Art und Weise wie man es nutzen kann zulässt. Es findet also ein Aufhebung der klassischen Gegensätze von Subjekt, das aktiv handelt und Objekt, welches passiv reagiert statt. Dies fordert ein Handlung ein, provoziert eine Entscheidung, womit der Mensch eine Beziehung zu dem Objekt aufbaut und das Objekt eine aktive Reaktion auf den Menschen vollziehen kann.


Funktionsträger und Möglichkeitsapparate Kiesler selbst beschreibt Technologie, als etwas dynamisches, nichts statisches. Wenn wir vom Stand der Dinge sprechen, so ist dies nur die Feststellung des momentanen Zustandes. Dieser ist aber nicht entgültig, eine Maschine wird immerwieder neuerfunden, Teile werden ausgetauscht, Materialen gewechselt und neue Techniken werden entwickelt. So sieht auch Kiesler ein Funktionalistisches Objekt nicht als Endzustand an das alle Aufgaben die es zu verichten hat, voll und ganz und dies bis in alle Zeit unverändert auf die gleiche Art und Weise tut. Vielmehr sieht er es als Zustand an, Materialien und Funktion des Objektes können sich drastisch Wandeln je nach Bedürfnis des Menschen der eine Aufgabe zu bewältigen hat. Es muss also klar zwischen statischen Funktionsträgern und Objekten die wie Apparate auf die Interkation mit dem menschlichen Verstand reagieren, unterschieden werden. Diese Unterscheidung scheint tatsächlich nur durch die Idee die vor dem Formen eines Objektes steht ausgemacht zu werden. So können wir auch ein Stuhl von Mies van der Rohe nehmen und ihn als Gestänge an der Wand befestigen und es zum Aufhängen von Handtüchern nutzen. Es obligt offensichtlich der Intention des Schöpfers für was und wie sein Objekt „funktioniert“ und sogar in welcher Weise es passiv oder sogar aktiv mit seiner Umwelt interagiert. Vor dem Vorbild, des Objektes, welches die Idee seines Schöpfers statisch über alle Zeit hinweg unverändert überdauert, ist es nicht schwer vorzustellen, dass diese Funktionstrennung genau dies zum Ziel hat. Unveränderlichkeit, Beständigkeit und somit Sicherheit. Die Art und Weise wie Kiesler an seine Objekte eine Unbestimmtheit verarbeitet, gibt so keinen Zweck vor, sondern Möglichkeiten. In gewissem Maße kann man aber auch von Dynamik und Fortschritt sprechen, was auch Kieslers Idee bei all seinen Arbeiten ist, einen Fortschritt zu generieren wie er auch in der Natur vorzuliegen scheint. Deshalb bedient er sich auch oft dessen Formensprache, ob sichtbaren oder unsichtbaren Medien.

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Funktionalismus und Pseudo-Funktionalismus

Abb. 4 Arrangement mit Möbeln von Mies van der Rohe

Nun werde hier zwei Stühle verglichen, die von ihrem Funktionalistischen Ansatz her, grundsätzlich anders entwickelt wurden. Der hier gezeigte Stuhl von Mies van der Rohe, soll ohne viel Dekor oder Material sitzen ermöglichen. Hierfür wurde ein einzelnes Rohr gebogen und mit Ledersitzflächen bespannt. Durch diese „weiche“ nachgiebige , nach hinten abfallende Konstruktion, ist es kaum möglich etwas anderes als einen Menschen darauf zu platzieren. und auch dieser ist stark eingeschränkt. Wie man an dem selbstportrait von van der Rohe sieht, kann man zwar mit der Konstruktion „mitschwingen“ aber andere Gewichtsverlagerungen als nach hinten würden zum Kippen führen. Durch die offene Bauweise ist auch die Orientierung des Stuhles selbst vorgegeben, da sonst keine sinnfällige Nutzung des Objektes möglich wäre.

Abb. 5 Stuhl von Mies van der Rohe

Abb. 6 Stuhl mit Mies van der Rohe

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Abb. 7 Ausstellungsarrangement von Friedrich Kiesler

Kieslers Entwurf hingegen spielt genau mit dieser Möglichkeit ihn anders orientieren zu können. Die Bauweise ist stark geschlossen, so können alle daraus entwickelten Flächen zum Tragen genutzt werden. Wie das obere Bild zeigt, sind auch Applikationen wie Halterungen für Bilder möglich, er ermutigt dazu mit dem Objekt zu interagieren, es zu verändern und zu experimentieren. Mies van der Rohes Werke, wirken hingegen wie Ausstellungsobjekte. Platziert und unter hohem Gestaltungswillen inszeniert. Im Gegensatz dazu Kieslers Stuhl, der frei im Raum angeordnet, auch eine inszenierende Wirkung entf altet ohne einer durchgängigen Orientierung des größeren Ganzen folgen zu müssen. Abb. 8 Stuhl von Kiesler

Abb. 9 Stuhl mit Kiesler

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Formstudie Magnetismus Im folgenden mรถchte ich noch zwei Prinzipien, auf dessen Gestaltungsvorbild sich Kiesler explizit bezieht, analysieren. Zum einen ist es der Magnetismus. Die flachen Parabeln findet man in seinen Objekten schnell wieder. Durch das Auf- und absenken entstehen Auflagerpunkte die es dem so gestalteten Objekt erlauben ohne Drehpunkt, oder mit Drehpunkt auf dem Boden zu stehen. Abb. 10 Magnetlinien

Abb. 11 Magnetlinien

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Abb. 12 Umrisslinien der MĂśbelstĂźcke

Abb. 13 Orientierungsstudie der Umrisslinien

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Michael Mayer, B.a.

Formstudie Gravitation Auch hier ist die Parabel in unterschiedlichen Formen wiederzufinden. Durch ihre wiederkehr an unserem eigenen Körper, ensteht eine gewisse Ergonomie die das Objekt mit unserem Körper interagieren lässt. Wir fühlen Instinktiv das diese gekrümmte Fläche unseren Körper aufnehmen kann, jedoch lassen sich durch die Abkehr der fast symbolisch wirkenden Form eines Stuhles unsere Konvention für die Nutzung eines Stuhles uns darüber spekulieren auch andere Dinge darauf zu platzieren.

Abb. 14 Gravitationslinien

Abb. 15 Gravitationslinien

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Michael Mayer, B.a.

Abb. 16 Umrisslinien eines MĂśbelstĂźckes von Freidrich Kiesler

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Anhang Quelle Friedrich Kiesler, Designer. Sitzmรถbel der 30er und 40er Jahre, Hatje Cantz Verlag; Bilingual 2005 http://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Kiesler, eingelesen 1.12.2013 http://www.kiesler.org/cms/index.php, eingelesen 1.12.2013 http://emd.rz.tu-bs.de/files/vl-7-endloser-raum.pdf eingelesen 15,11.2013 http://de.wikipedia.org/wiki/Funktion, eingelesen 1.2.2014

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Abbildungsverzeichnis Abb. 3 Modell der Raumbühne, 1924/1987 3 Foto: Österreichisches Theatermuseum 3 Abb. 1 Frederick Kiesler, Ellenville, NY, 1955, Harvard University, Harvard Theatre Collection, Foto: Cambridge, MA, Houghton Library 3 Abb. 2 Modell der Raumstadt im Maßstab 1:20, Rekosntruktion von Coop Himmelb(l)au unter Mitarbeit von Markus Pillhofer und Eva Diem, 1925/2006, Foto: Peter Popp 3 Abb. 4 Arrangement mit Möbeln von Mies van der Rohe 8 Abb. 6 Stuhl mit Mies van der Rohe 8 Abb. 5 Stuhl von Mies van der Rohe 8 Abb. 7 Ausstellungsarrangement von Friedrich Kiesler 9 Abb. 8 Stuhl von Kiesler 9 Abb. 9 Stuhl mit Kiesler 9 Abb. 10 Magnetlinien 10 Abb. 11 Magnetlinien 10 Abb. 12 Umrisslinien der Möbelstücke 11 Abb. 13 Orientierungsstudie der Umrisslinien 11 Abb. 14 Gravitationslinien 12 Abb. 15 Gravitationslinien 12 Abb. 16 Umrisslinien eines Möbelstückes von Freidrich Kiesler 13

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