Was passiert mit uns?
Vorwort -Wilhelmshaven März 2021-
Im letzten Jahr haben wir uns wohl alle Gedanken darüber gemacht, was da gerade mit uns passiert. Zudem hat das Jahr Gefühle in ungeahnter Bandbreite hervorgerufen und freigesetzt. Bei mir ist es nun so, dass ich, wenn ich mir Gedanken mache oder besonderen Gefühlen ausgesetzt bin, ungewollt Bilder – oder treffender gesagt Fotoideen, im Kopf entwickle. Ende des Sommers, war das Bild in meinem Kopf das für mich das Jahr 2020 mit all seinen Gedanken, Gefühlen und Befürchtungen beschreibt. Und ich wollte unbedingt mein Foto-Jahr mit diesem Bild abschließen. Also habe ich eine Skizze angefertigt und parallel dazu einen ersten Textentwurf geschrieben. Wie so oft mit Ideen, liegt der größte Knackpunkt in der Umsetzung. Wer sollte sich für meine Idee als Model zur Verfügung stellen? Letztendlich war es dann doch einfacher als erwartet. Ich hatte mit dem was ich mit dem Bild ausdrücken und auch im Text transportieren wollte, den Nerv der Zeit getroffen. Ich bin dem Model unendlich dankbar, dass sie diese Idee mit mir umgesetzt hat! Helmut Havelka
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2020 Was passiert mit uns? -text Helmut Havelka-photo Helmut Havelka-
Was passiert mit uns? Ich kann die Gesichter meiner Mitmenschen nicht mehr deuten! Ich sehe nicht mehr, wie sie sich fühlen – ob sie traurig sind oder ob sie lächeln. Auf der Straße weichen mir die Menschen aus. Sie tun es nicht, weil sie mich als Person fürchten, sie tun es, weil sie mich als Menschen fürchten. Unter der Maske vor meinem Gesicht fängt meine Nase an zu kribbeln. Mein Körper möchte niesen, doch automatisch versuche ich es zu unterdrücken. Wie würden die Menschen um mich herum auf meinen Nieser reagieren? Dies Virus, die Maßnahmen und wie wir uns in Gut und Böse aufgeteilt haben, lassen mich fühlen ausgeliefert zu sein. Und sie machen mich blind im Dschungel der Meldungen. Was kann ich glauben? Wem darf ich glauben? Was muss ich glauben? Ich fühle mich verletzlich! Durch das Virus, die Maßnahmen, die Meldungen und durch die Gedanken um mich herum…
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Distanz, Abgeschiedenheit, Isolation, Impfen – das sind die Zauberworte, die uns die Normalität zurückbringen sollen. Doch wird es überhaupt wieder so etwas wie eine Normalität geben, wie wir sie kannten? Für die einen hat sich das Leben entschleunigt – teilweise jedoch bis zur Motivationslosigkeit und wirtschaftlichem Desaster. Für die anderen bedeutet es Einsatz bis an die Grenzen des Erträglichen. Körperlich, geistig… Das was mit großer Solidarität und Hoffnung begann, hat sich im Laufe des Jahres zu Irritation, Frustration, Wut, Resignation und zwischendurch immer wieder aufkommender Hoffnung gewandelt. Bei aller Stärke hat uns 2020 gezeigt, wie verletzlich, schutzlos und ausgeliefert wir sind – in so vieler Hinsicht. Ob nun durch das Virus direkt oder durch die Versuche es zu bekämpfen. Das Jahr hat uns verändert… …es hat uns in noch nie dagewesener Weise vor Augen geführt, welche Schwächen wir und unser Land haben. Lernen wir daraus und macht es uns stärker? Ich hoffe es von ganzem Herzen! Wir müssen die Augen öffnen und lernen zu sehen, zu begreifen und mutig zu sein!
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PHOTOWORKS
PHOTOGRAPHY HELMUT HAVELKA
www.photoworks-havelka.de