Corona Tagebuch 5

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CORONA

TAGEBUCH 16.04.20 bis 22.04.20

von Sepp Laner


CORONA TAGEBUCH 5


CORONA TAGEBUCH 5

LEIDER

W

ie es aussieht, werden wir uns wohl für längere Zeit an das Tragen von Schutzmasken gewöhnen müssen. Ich hasse Masken wie die Pest. Nur den Schlauchschal ziehe ich mir allmorgendlich über den Kopf. Ab und zu kommt er in die Waschmaschine. Heute zum Beispiel riecht er nach Waschpulver. Auf der Straße trägt jeder seine eigene Maske. Die Palette reicht von qualitativ hochwertigen Schutzmasken bis hin zu einfachen Schals oder auch Tüchern. Die Farben sind so vielfältig wie die Formen. Hauptsache, dass sich Mund und Nase irgendwie verstecken lassen. Ob jemand Bauer ist oder nicht, erkennt man vielfach an den einheitlichen Marienkäfer-Schals. Weil unsere Bewegungsfreiheit, und nicht nur diese, seit über einem Monat eingeschränkt ist, empfinden die meisten von uns das Tragen einer Maske als halb so schlimm: Besser mit einer Maske aus dem Haus als überhaupt nicht. Wir werden uns schon irgendwie daran gewöhnen. Und früher oder später wird diese ganze Corona-Geschichte Vergangenheit sein. Dann werden wir wieder frei sein. Richtig frei. Was aber ist richtig frei? Wenn wir die Freiheit so verstehen, dass wir wieder möglichst bald in die Normalität der Vor-Corona-Zeit zurückkehren, liegen wir nicht richtig. Dann wären wir nämlich wieder genau dort, von wo uns das Virus abgeholt hat. Daher muss es gelingen, die Normalität der Ära vor Corona zu verändern. Nicht aber mit irgendwelchem Schnickschnack und kleinen Korrekturen, sondern radikal. Zu den wichtigsten Punkten gehören sicher die Einschränkung der wirtschaftlichen Globalisierung und das Aufbrechen der konzentrierten Macht großer Konzerne sowie von Kapital- und Finanzzentren. Wie stark Länder, ja ganze Kontinente voneinander abhängig sind, führt uns die Coronakrise tausendfach vor. Ist es möglich, dass wir als kleine Bergbevölkerung auf Masken angewiesen sind, die aus China kommen und deren Gebrauchsanweisung kein Mensch versteht? Ist es möglich, dass es in ganz Europa kein Unternehmen mehr gibt, das Antibiotika

herstellt? Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Mit neuen Viren ist in Zukunft sicher zu rechnen. Damit diese aber nicht auf einen so „fruchtbaren“ Boden stoßen wie das Coronavirus, müssen schon jetzt weltweit Vorkehrungen getroffen werden. So sind unter anderem die Gesundheitssysteme aufzurüsten, vor allem in den ärmsten Ländern der Welt. Der Maxime ungehemmten Wirtschaftswachstums ist Einhalt zu gebieten. Hand in Hand mit der Gesundheit sind auch die Natur und Umwelt stärker zu respektieren und zu schützen. – Aber jetzt bin ich schon wieder beim Träumen. Wie weit wir von einer natur- und menschenfreundlichen Welt entfernt sind, zeigt uns die nackte Wirklichkeit Tag für Tag. Wenn sich schon Länder der sogenannten Ersten Welt um Atmungsgeräte, Masken TAG und sogar Klopapier raufen, rückt die Vorstellung eines gemeinsamen, friedlichen und solidarischen Miteinanders aller Menschen auf der Erde rasch in weite Ferne. Leider.

28 16.04.20

Sepp Laner


CORONA TAGEBUCH 5

DIE KATZE

IN DER FUSSGÄNGERZONE

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ie schnell doch die Zeit verrinnt. Und wie langsam. Manche Corona-Tage und auch CoronaNächte sind so lang wie Kondensstreifen von Flugzeugen. Solche Streifen sind am Himmel seit nunmehr 5 Wochen ziemlich rar geworden. Die Flieger fliegen nicht mehr. Vieles von dem, was in normalen Zeiten von Menschen getan und betrieben wird, steht still. Der Natur ist es egal. Im Gegenteil. Sie lebt auch ohne die Einmischung der Menschen weiter. Zum Teil geht es ihr derzeit sogar besser. Das Rad der Vegetation dreht sich in aller Ruhe weiter. Als ich Anfang März in der Kapuzinerstraße an einem prächtigen Palabirnbaum vorbeiging, trieb dieser die ersten Blüten. Nun ist er schon längst verblüht und auch die „Nudel“ seines Nachbarn, eines stattlichen Nussbaums, liegen schon auf dem Gehsteig. Seit über einem Monat sind wir eingesperrt. Die Osterzeit scheint schon längst vorbei zu sein. Was kommt jetzt? Ach ja, Pfingsten. Am 31. Mai ist Pfingstsonntag. Wie wird es Ende Mai sein? Hoffentlich etwas lockerer. Lockerer in der Wirtschaft, im Alltag und auch im Gemüt. Seit einigen Tagen ist Gott sei Dank ein bisschen Frischluft zu spüren. Zumindest zum Spazieren, Wandern und ausgedehnten Luftholen dürfen die Leute wieder ins Freie. Einige sind auch schon wieder bei der Arbeit. Zum ersten Mal seit längerer Zeit habe ich heute beim weißen Bildstock unterhalb des Scheibenschlagbichls wieder einen Wanderer gesehen. Ob er einen Mundschutz trug, war vom Dorf aus mit

freiem Auge nicht auszumachen. So langsam erobert der Mensch sein Revier wieder zurück. Vor allem im Tal wird er die Plätze und Straßen wieder bald voll besetzen. Mehrmals habe ich in den vergangenen Tagen darüber gestaunt, wie viel Platz und Flächen wir eigentlich für unser Treiben brauchen. Die Straßen kamen mir ungewöhnlich groß und breit vor. Es war sicher auch die plötzliche Leere, die zu diesem Eindruck beigetragen hat. In der Fußgängerzone stieß ich in den vergangenen Wochen beim Heimgehen an mehreren Abenden auf eine einsame Katze. Vielleicht irre ich mich, aber mir kam so vor, als wurde sie Abend für Abend heimischer in ihren großen, TAG stillen, neuen „Stube“.

Sepp Laner

29 17.04.20


AUCH IM OBERLAND

BLÜHEN JETZT DIE LÄRCHEN;

SO GESEHEN IN GRAUN. FOTO: SEPP

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CORONA TAGEBUCH 5

JETZT BIN ICH

DAHEIM

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amstag, 18. April, 8.25 Uhr, Bahnhofstraße in Schlanders: geschätzte zwei Dutzend Autos stehen Schlange. Sie haben alle dasselbe Ziel: den Wertstoffhof. Auch dort gelten die Corona-Sicherheitsvorgaben. Die Leute verhalten sind recht zivilisiert und diszipliniert. Sie haben Zeit, sie haben Geduld. Was soll man auch sonst an einem klassischen Corona-Samstag-Vormittag machen? Sicher, man könnte auch Spazieren gehen oder kurze Wanderungen unternehmen. Seit Dienstag darf man das ja wieder. Die Leute bringen Sachen und Dinge zum Wertstoffhof, die sich während der Corona-Wochen - und nicht nur – angesammelt haben. In erster Linie „wertvolle Stoffe“ wie Glas, Papier, Kartone, Dosen. Auf der Staatsstraße gibt es keine Autoschlangen. Es ist zwar nicht nichts los, aber der Verkehr hält sich noch ziemlich in Grenzen. Zumal man die eigene Gemeinde mit dem Auto nur aus bestimmten Gründen verlassen darf, nehme ich an, dass die meisten Leute, die ich in Latsch, Kastelbell und Naturns vor Lebensmittelgeschäften und anderen Betrieben, die geöffnet bleiben dürfen, sehe, aus ihrer jeweiligen Heimatgemeinde stammen. Man grüßt einander, spricht kurz über dieses und jenes. Man kennt sich, man ist unter sich. In der Nähe der Talstation der Seilbahn Unterstell in Naturns bemerke ich zwei gut ausgerüstete Wanderer mit Stöcken und Rucksäcken. Wäre nicht gerade Corona-Zeit, hätte ich mindestens einen Kaffee gewettet, dass es sich um Touristen handelt. Das kann derzeit aber nicht sein. Es wirkt ziemlich trist, wenn man in Naturns an großen Hotels vorbeigeht und sich vorstellt, dass kein einziges Gästebett belegt ist. Auch keine Mountainbiker sind unterwegs, kein Buschenschank ist geöffnet, kein Gasthaus in Betrieb. In der Nähe des Dorfplatzes steht zumindest ein Marktstand, bei dem es Giggerlen und Schweinshaxen gibt. Etwas Leben herrscht auch in den Lebensmittelgeschäften und im Buch- und Papiergeschäft. Mancherorts hängen noch

Plakate, die auf Veranstaltungen hinweisen, die im März hätten stattfinden sollen, die aber abgesagt wurden. Es gibt sicher viele Menschen, die das gewohnte, pulsierende Leben vermissen. Aber es gibt auch solche, denen die derzeitige Phase der Ruhe gefällt: wenig Verkehr, kaum Hektik, kein Stress. In der Zeit vom 17. Februar bis zum 6. März haben die Naturnser das krasse Gegenteil erlebt. Es wurde der Tunnel saniert und der ganze Verkehr zwängte sich mitten durch das Dorf. Und weil auch ein Quäntchen Humor nicht fehlen darf: hätte man eine Glaskugel zur Hand gehabt, wäre es logisch gewesen, den Tunnel während der Corona-Zeit zu sanieren. Aber jetzt ist es wie TAG es ist. - Wäre irgendeine Bar geöffnet, würde ich mich jetzt im Freien hinsetzen und ein gepflegtes Bier in der Sonne genießen. Aber auch das ist derzeit nicht möglich. Dafür 18.04.20 weiß ich jetzt das Trinkwasser aus dem Brunnen vor der Sparkasse umso mehr zu schätzen. Nun ist es aber wieder Zeit, nach Schlanders zurückzufahren. Und dabei auf die orangefarbenen „Männchen“ entlang der Straße zu achten, denn diese dürfen weiterhin „arbeiten“. Tag und Nacht. Beim Verlassen des kurzen Tunnels nach Goldrain fällt mir jedes Mal ein, was mir ein Freund aus Schlanders schon vor Jahren erzählt hat: „Wenn ich durch diesen Tunnel fahre und im Hintergrund der rote Schlanderser Kirchturm auftaucht, weiß ich: jetzt bin ich daheim.“

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Sepp Laner


ER LIEBT LAUB- UND MISCHWALDGEBIETE, NATURNAHE BACHLÄUFE UND IST VOR ALLEM BEI REGENWETTER UND NACHTS AKTIV:

DER FEUERSALAMANDER.

DIESES EXEMPLAR WAR AM FRÜHEN ABEND DES 20. APRIL IM „KESCHTNWOOL“ IN SCHLANDERS ZU SEHEN. FOTO: SEPP


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DREI LÖCHER IN DER HOSE

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or zwei Tagen habe ich meine Orchidee verstellt. Vom Tisch ans Küchenfenster. Heute in der Früh sehe ich im Gegenlicht der Morgensonne, wie sich gerade eine winzig kleine Spinne von einer Blüte abseilt. Sie dürfte höchstens zwei Millimeter groß sein. Das Coronavirus, den derzeit größten „Eindringling“ auf der Welt, sieht man mit freiem Auge nicht. Er ist rund 600 Mal kleiner als der Durchmesser eines menschlichen Haars. Und dennoch ist er von seiner Wirkung her ein Gigant. Still und unsichtbar hat das neuartige Coronavirus den Menschen beim Krawattl gepackt: So, du kleines Menschlein! Hast du etwa geglaubt, alles zu wissen und alles zu können? Warst du der Meinung, die Natur beherrschen und sie für deine Zwecke ausnützen zu können? Warst du überzeugt, keinen „Gott“ neben dir zu haben und immer alles in den Griff zu kriegen? Kannst du dich noch erinnern, wie lange du gebraucht hast, um zu entdecken, dass die Erde rund ist, dass du nur ein Produkt der Evolution bist und dass dein bewusstes Handeln oft nur der Ausdruck unbewusster Triebe ist? Glaubst du tatsächlich, der Herr auf der Welt zu sein und dein „Haus“ im Notfall sogar verlassen zu können, etwa mit der Flucht auf einen anderen Planeten? Nein, nein, mein „Bürschchen“, so spielt sie nun wirklich nicht, die Musik. - Musik spielt heute überhaupt keine. Nur die Kirchenglocken sind momentan zu hören. Es ist Sonntag. Der Weiße Sonntag. Es müsste eigentlich der große Tag der Erstkommunikantinnen und Erstkommunikanten sein. Das ist der Weiße Sonntag heuer aber nicht. Vom neu aufkeimenden Abstands-Leben und Abstands-Treiben, wie es vor wenigen Tagen wieder langsam verstärkt eingesetzt hat, ist heute wenig zu spüren. Unüberhörbar ist indessen das Klirren von Tassen, Schalen und Tellern aus der Wohnung eines mehrstöckigen Hauses. Es wird wohl ausgiebig, gemeinsam und in aller Ruhe gefrühstückt. In Corona-Zeiten geht das

gut. Was während der Corona-Nächte alles geht oder nicht geht, im Bett oder auch außerhalb, bleibt natürlich ein Geheimnis. Wie wird das Leben morgen weitergehen? Nach einem neuerlichen LockerungsSchritt, der am Wochenende beschlossen wurde, werden weitere Menschen wieder arbeiten können, unter anderem auch Handwerker. Die zwei Tauben, die in der Johann-Spiller-Straße in Schlanders von einem Baugerüst gurren, werden sich morgen wohl von dort verziehen. Manches neu denken und neu angehen werden nach Corona auch viele Menschen müssen. Vielleicht kommt es manchen gar in Sinn, ein altes Hemd oder eine abgenutzte Hose zu flicken. Ich TAG weiß nicht, ob es noch immer Mode ist, mit Löchern in der Hose herumzulaufen, oder ob dieser Trend schon vorbei ist. Sollte er noch aktuell sein, bin ich mit meinen drei Löchern in 19.04.20 der Hose höchst modisch unterwegs

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Sepp Laner


© Elisa Egger

BLEIBT GESUND! CORONA TAGEBUCH 5

#ichbleibezuhause

Der nächste

der Vinschger erscheint am: 6. MAI 2020

AKTUELLE NEWS: www.dervinschger.it


CORONA TAGEBUCH 5

CORONA

UND DAS WETTER

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as Corona-Wetter war bisher durchwegs schön. Viele warme Tage und sonnige Wochen. Die Wetterpropheten sagen zwar, dass die Vorhersagen derzeit ungenauer sind, weil weniger Flugzeuge verkehren und daher weniger Daten zu den Stationen gesendet werden, aber ein Blick aus dem Fenster tut immer noch gute Dienste. Heute zum Beispiel. Es hat während der Nacht etwas geregnet. Viel war es nicht. Und auch jetzt am Vormittag kommt es über einen leichten Nieselregen nicht hinaus. Die Böden dürsten schon lange nach Wasser. Vor allem am Vinschger Sonnenberg hält die Trockenheit die Vegetation zurück. „Es bräuchte endlich einen ergiebigen Niederschlag. Das bisschen Regen von heute reicht bei weitem nicht“, bestätigt mir eine Bäuerin am Telefon. Für eine etwas frischere Luft und einen guten Geruch reicht das bisschen Nass aber trotzdem. Apropos Nass: werden die Schwimmbäder heuer ihre Türen überhaupt öffnen, und wenn ja, wann? Dass man Seite an Seite in den Liegestühlen oder auf dem Rasen liegen darf, kann ich mir kaum vorstellen. Es wird wohl Regeln geben. Kein fröhliches Durcheinander-Plantschen in den Becken, kein Gedränge in den Sandkisten, kein „enges“ Pizzaessen am Abend. Vielleicht haben wir bis dahin schon die Phase 3? Die Phase 2 wurde mittlerweile eingeläutet. Ich sehe und höre es heute auf privaten und öffentlichen Baustellen. Handwerker und Bauarbeiter freuen sich, endlich wieder arbeiten zu dürfen. Die Sicherheitsvorgaben, wie etwa die Abstandsregel oder der Mundund Nasenschutz, werden offenbar nicht ungern in Kauf genommen: lieber so als weiterhin zu Hause bleiben, die Zeit totschlagen und nichts verdienen. Bei den langfristigen Corona-Vorhersagen verhält es sich ein bisschen wie mit den Langfristprognosen des Wetters. Niemand weiß genau, wie die nächsten Jahreszeiten sein werden oder gar die nächsten Jahre. Beim Wetter kann man sich noch ein bisschen

mit alten Bauernregeln behelfen oder aus der Erfahrungskiste älterer Menschen schöpfen. Die Corona-Geschichte hingegen ist neu. Die Menschheit kann nur in Phasen vorausdenken, kurzfristig planen und hoffen, dass die jeweiligen Schritte die richtigen sind. Fehltritte wurden und werden weiterhin gemacht. Schätzt man das Wetter falsch ein, ist das nicht weiter schlimm und die „Wetterfrösche“ werden die Kritik überleben. Bei der Corona-Geschichte hingegen liegen die Dinge anders: es geht nicht um Gut- oder Schlechtwetter, es geht um Leben oder Tod.

Sepp Laner

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20.04.20



CORONA TAGEBUCH 5


CORONA TAGEBUCH 5


CORONA TAGEBUCH 5

JA

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s verrennt nichts. „Was heute nicht geht, geht morgen“, bekam ich als Kind oft zu hören, oder: „Morgen ist auch noch ein Tag.“ Wie vieles andere, hat das Coronavirus auch unser Gefühl für die Zeit und unseren Umgang mit den Stunden und Tagen durcheinandergebracht. Als uns das Virus vor Wochen urplötzlich aus dem Hamsterrad warf, hielten wir alle den Atem an: was ist denn jetzt los? Völlig still steht das Rad mittlerweile nicht mehr. Es hat begonnen, sich wieder langsam zu drehen. Vielleicht ist das auch der Grund, warum ich heute beim Warten vor dem Tabakladen wieder etwas ungeduldig werde: warum braucht der Mann vor mir so lange? Kann er nicht einfach kaufen, was er will und dann verschwinden? Muss er sich mit der Verkäuferin auch noch über das Wetter unterhalten? Ruhiger geht es der Maler auf der Baustelle gegenüber an. Mit der Mundschutzmaske um den Hals pfeift er zufrieden vom Gerüst. Die Vögel, die im Baum vor dem neuen Nationalparkaus „avimundus“ nisten, pfeifen zurück. Wann wird das neue Besucherzentrum eigentlich die Tore öffnen? Gestern habe ich dort ebenfalls wieder Arbeiter gesehen. Etwas weiter um die Ecke bereitet sich eine Geschäftsfrau auf bessere Zeiten vor. Sie stutzt die Pflanzen in den Töpfen vor dem Geschäft. In der Bank hält sich der Andrang in Grenzen. Eine Kauffrau kommt soeben heraus. Sie vermag es nicht, ihre Wut und ihren Ärger hinter der selbstgenähten Mundschutzmaske zu verbergen: „Alle reden nur groß, aber Geld ist noch keines da.“ Sie hat sich ihren Ärger über Nacht von der Seele geschrieben: „Nur so für mich.“ Vor der Post stehen heute ziemlich viele Leute. Nicht in Reih und Glied, sondern verstreut und mit Abstand, wie die

Figuren auf einem großen Schachbrett. In einem Garten in der Nähe der Redaktion werden heute von Profis die Hecken und „Stauden“ geschnitten. So ein Lärm! Das bin ich gar nicht mehr gewohnt. Irgendwie lästig. Will ich tatsächlich wieder zurück zur Normalität? Zu der Zeit, wie wir sie bis vor kurzem noch kannten? Jahre, ja Jahrzehnte verbrachte ich im Hamsterrad. Wo ist diese Zeit geblieben? Was ist von ihr übrig? Wie lange bin ich eigentlich schon auf der Welt? Wann bin ich geboren? - Jetzt fällt mir ein, welche Antworten der ehemalige Fußballspieler Francesco Totti in einem Interview gab. Vorname? „Francesco“. Nachname? „Totti“. Geboren? „Ja“.

Sepp Laner

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21.04.20


CORONA TAGEBUCH 5

KUNST AN DER SONNENPROMENADE IN SCHLANDERS. FOTO: SEPP


CORONA TAGEBUCH 5

HEUTE IST EIN

GUTER TAG

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ngenehm ist der Gestank nicht, der einem in die Nase dringt, wenn ein Airbag aufgeht. Am 26. Februar habe ich es gerochen. Ich fuhr in Prad auf ein Auto auf, das vor mir einbiegen wollte. Meine Schuld. An eine Reparatur war nicht mehr zu denken. Ich bestellte ein neues Auto. Wieder ein kleines und wieder ein weißes. In Kürze wird bereits die zweite Rückzahl-Rate fällig, aber gesehen habe ich das neue Fahrzeug noch nicht. Es kann nicht geliefert werden. Corona sei Dank. Mittlerweile bin ich - wenn es sein muss - mit einer roten Leih-Fiesta unterwegs. Manchmal denke ich mir, ob ein Pferd nicht besser wäre. Ob man auch dafür eine Corona-Eigenerklärung brauchen würde, weiß ich nicht. Wahrscheinlich schon. Aufschieben musste ich wegen Corona auch die Bestellung neuer Augengläser. Bei einer Visite am 6. März im Krankenhaus zeigte sich, dass sich die Sehkraft erheblich verschlechtert hat. Weil es aber auch bei meinem Optiker in Meran noch immer heißt „Nur für Notfälle“, habe ich das Ganze verschoben. Diese persönlichen Wehwehchen packe ich hier nur deshalb aus, um zu zeigen, dass das Virus uns alle in irgendeiner Form trifft. Im Vergleich zum Leid von Menschen, die infiziert sind, oder die um die Gesundheit ihrer Angehörigen oder Freunde bangen, sind das nur kleine Lappalien, banale Unannehmlichkeiten. Und genau deshalb bin ich heute am Morgen frohen Mutes. Ich habe gut geschlafen und bin gesund. Die Sonne ist aufgegangen. Viel zu spät aufgestanden ist der Hahn meines Nachbarn, denn er kräht erst jetzt, nach 8 Uhr. Aber er tat es vermutlich schon viel früher. Wahrscheinlich habe ich ihn nicht gehört. Weil es bei der Arbeit auch heute keinen Stress gibt, nehme ich mir Zeit, in aller Ruhe meine 20 Nägel zu schneiden. Jeweils 10 an den Händen und an den Füßen. Das Feilen muss nicht sein. Sieht ja auch so ganz sauber aus. Wohlig strecke ich im Bad die Glieder aus und lasse den Kopf ins warme Wasser sinken. Aus dem Radio in der Küche tröpfeln nur einige Worte durch: Corona, Conte, Kompatscher, Gänsbacher,

Wetter. Vor lauter guter Laune habe ich heute erneut mein „Halstuch“ vergessen. Also wieder 56 Stufen rauf und ebenso viele hinunter. Der Gesundheit schadet es nicht. Und weil mich schon ein so frischer und schöner Morgen erwartet, biege ich nicht nach links ab, sondern ausnahmsweise nach rechts. Vor der Bar Cremona steht ein Lieferwagen der Brauerei Forst. Kann es sein, dass er Nachschub bringt? Sperren die Gasthäuser bald wieder auf? Nein, nein, da heißt es wohl noch etwas Geduld haben. Die zwei Zierkirschen in der Fußgängerzone stehen in voller Blütenpracht. Alles rosa. In der Garage des Weißen Kreuzes beim Krankenhaus wird gerade ein Rettungswagen gereinigt. Es muss ja nicht TAG unbedingt mit Covid-19 zu tun haben. Schließlich gibt es auch noch die vielen „normalen“ Krankheiten und Leiden. Das weiße Zelt vor dem Krankenhaus ist noch da. Der Wach22.04.20 mann auch. Covid-19-Intensivpatienten gibt es in Schanders angeblich keine mehr. Das wirkt irgendwie beruhigend. Die blau eingezeichneten Parkplätze in der Dr.-Karl-Tinzl-Straße sind fast alle unbesetzt. Eine Frau, die von Graun gekommen ist, erkundigt sich, ob man die Parkgebühren derzeit zahlen muss. Eine Rückfrage im Rathaus ergibt: Ja. Es bestehe kein Grund, die Einhebung der Gebühren auszusetzen. Weiter unten in der Straße hängen die Äste eines Gemeinen Flieders auf den Gehsteig. Ich rieche an einer Blüte und genieße den angenehmen Duft: Heute ist ein guter Tag!

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Sepp Laner


CORONA TAGEBUCH 5


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FÜR EINE FAHRT ZUM WERTSTOFFHOF IST DIESES AUSSERGEWÖHNLICHE GEFÄHRT, DAS KARL WIESER AUS SCHLANDERS SEIN EIGEN NENNT, BESTENS GEEIGNET. FOTO: SEPP


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